7. Sicherheitsbulletin: Die 3 Irrtümer des Johann Wadephul-
ist das die Strategie der zukünftigen Bundesregierung im Ukrainekrieg?
https://sicherheitsbulletin.wordpress.com/author/juergenhuebschen/
Die 3 Irrtümer des Johann Wadephul-
ist das die Strategie der zukünftigen Bundesregierung im Ukrainekrieg?
Erstellt am 23. April 2025 von Jürgen Hübschen
Am 18. April 2025 wurde in der FAZ ein Interview mit MdB Johann
Wadephul abgedruckt, der als möglicher Außenminister der neuen
Bundesregierung gehandelt wird.
Im nachfolgenden Beitrag wird zu drei wesentlichen Aussagen Stellung
genommen, weil diese die zukünftige Strategie der neuen
Bundesregierung im Ukrainekrieg darstellen könnten.
Wird Deutschlands Freiheit heute im Donbass verteidigt?
Diese Frage beantwortet Wadephul wie folgt: „Definitiv. Es geht um uns
alle. Es geht nicht um einige Quadratkilometer in der Ukraine, sondern
es geht um die prinzipielle Frage, ob wir einen klassischen
Eroberungskrieg in Europa zulassen. Und wenn wir ihn zulassen, dann
ist das Vertrauen darauf, dass wir bereit sind, unsere Freiheit zu
verteidigen in Frage gestellt. Dann steht auch in Frage, ob wir
überhaupt bereit sind, in der NATO zusammenzustehen.“
Wadephul liegt mit seiner Antwort völlig falsch, weil in der Ukraine
die Freiheit Deutschlands nicht verteidigt wird.
Wenn das so wäre, müssten wir eigene Soldaten in die Ukraine schicken,
weil die Bundeswehr nach Artikel 87a GG dafür zuständig und auch
verantwortlich ist, unsere Freiheit zu verteidigen.
Wenn Wadephul Recht hätte, dann würden wir seit dem 24.Februar 2022
unsere Freiheit von ukrainischen Soldaten verteidigen lassen, denen
wir dazu nicht genügend Waffen und militärisches Gerät zur Verfügung
stellen können oder wollen.
Allerding hat die Bundesregierung dafür fälschlicherweise den
politischen Grundsatz, keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete zu
liefern, aufgegeben.
Vor fast 25 Jahren wurde angeblich unsere Freiheit am Hindukusch
verteidigt. Das hat zwar auch nicht gestimmt, aber Deutschland war
wenigstens so konsequent, eigene Soldaten nach Afghanistan zu
schicken.
Bei wem das Vertrauen in Frage gestellt wird, ob wir bereit sind,
unsere Freiheit zu verteidigen, erklärt Wadephul nicht. Es bleibt auch
unklar, worauf er mit seinen Zweifeln abzielt, ob wir bereit sind, in
der NATO zusammenzustehen.
Die Ukraine ist kein Mitglied der NATO, sondern ein ehemaliges
Mitgliedsland der Sowjetunion. Deshalb steht in der Ukraine auch nicht
die Zukunft der NATO auf dem Spiel, auch wenn Herr Wadepfuhl das
behauptet, indem er sagt: „Ja, denn wer in der Ukraine ausweicht, von
dem muss man befürchten, dass er auch anderswo ausweicht.“
Nein, unsere Freiheit wird nicht in der Ukraine verteidigt, sondern es
handelt es sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den
USA, den Washington von den ukrainischen Streitkräften führen lässt
und über dessen mögliches Ende USA und Russland aktuell ohne
Beteiligung Europas verhandeln.
Sollte die Ukraine Mitglied der NATO werden?
Obwohl neben den USA und Ungarn auch die bisherige Bundesregierung
einen Beitritt der Ukraine zur NATO abgelehnt hat, erklärt Wadepfuhl
zu dieser Frage:
„Wir sollten dazu stehen, dass die Ukraine auf einem unumkehrbaren Weg
in Richtung NATO ist.“ Wen Wadepfuhl mit „wir“ meint, sagt er nicht
expressis Verbis, meint aber wohl die zukünftige Bundesregierung.
Die Ukraine wird aus drei Gründen richtigerweise kein Mitglied der
NATO werden.
Es steht zwar jedem Land frei, sich um eine Mitgliedschaft in der NATO
zu bewerben, aber im Fall der Ukraine schließt der Artikel 10 des NATO
Vertrages eine Mitgliedschaft aus.
Dort heißt es im Wortlaut: „Die Parteien können durch einstimmigen
Beschluss jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die
Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des
nordatlantischen Gebiets beizutragen, zum Beitritt einladen.“
Durch einen Beitritt der Ukraine würde die Sicherheit des
nordatlantischen Gebietes nicht gefördert, sondern ganz erheblich
beeinträchtigt werden.
Die USA lehnen einen Beitritt der Ukraine ab, und gegen den Willen
Washingtons geschieht in der NATO nichts, schon gar nicht die Aufnahme
eines neuen Mitglieds.
Für Russland ist ein NATO-Beitritt der Ukraine ein „no go“ und würde
einen Friedensvertrag ausschließen. Russland hat zwar kein
„Veto-Recht“, aber müsste einem Friedensvertrag natürlich zustimmen.
In der Realität ist schon ein Waffenstillstand nicht zu erreichen,
wenn nicht vorab eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verbindlich
ausgeschlossen würde. Sollte Deutschland an die Ukraine alles liefern,
was militärisch benötigt wird?
Die Frage wird im Interview lediglich in Bezug auf mögliche
Flugzeuglieferungen präzisiert. Warum, bleibt unklar und warum über
„Taurus“ nicht geredet wird, ist ebenfalls offen.
Wadepfuhl sagt lediglich: „Ich möchte dazu als Politiker nur sagen,
dass wir liefern sollten, was benötigt wird und dass Militärs
entscheiden sollten, was das genau ist.“
Diese Aussage ist nicht nur inhaltlich gefährlich, sondern stellt
letztlich auch den Primat der Politik in Frage. Jede Art der
Unterstützung für die Ukraine basiert auf einer politischen
Entscheidung.
Militärs und Verantwortliche in anderen Bereichen der Gesellschaft
sind ausführende Organe der politischen Führung. Wadepfuhl sagt zwar
expressis verbis nichts zur Lieferung von „Taurus –Marschflugkörpern
schließt aber ihre Lieferung nicht aus.
Friedrich Merz hat bereits als Oppositionspolitiker die Lieferung von
Taurus an die Ukraine gefordert und sich als zukünftiger Bundeskanzler
bereit erklärt, den Marschflugkörper der Ukraine zur Verfügung zu
stellen.
Vor diesem Hintergrund und der aktuell erneut stattfindenden
Diskussion müssen zum Taurus noch einmal ein paar Fakten in Erinnerung
gerufen werden, veröffentlicht von der Bundeswehr:
„Der Lenkflugkörper Taurus (Target Adaptive Unitary and Dispenser
Robotic Ubiquity System) KEPD-350 (Kinetic Energy Penetrator and
Destroyer) wird zur Bekämpfung von wichtigen Zielen über große
Entfernung verwendet. Durch vier voneinander unabhängige
Navigationssysteme findet der Luft-Boden-Lenkflugkörper sein Ziel sehr
zuverlässig, auch bei gegnerischen Störmaßnahmen.“
Der Flugkörper nähert sich dem Ziel idealerweise im Konturenflug, das
heißt, er passt sich dem Gelände an und zwar in einer Höhe von weniger
als 50 Metern. Dadurch ist eine Entdeckung durch das gegnerische Radar
extrem schwierig. Auf Grund der Reichweite des FK bleibt das
Trägerflugzeug praktisch außerhalb der Reichweite der jeweiligen
Luftverteidigungssysteme.
Der Taurus verwendet als Sensor einen passiven Infrarotsuchkopf, und
deshalb gibt lediglich ein Radar-Höhenmesser zur Navigation eine
schwache Strahlung ab. Zum Gefechtskopf heißt es in der Zeitschrift
„Europäische Sicherheit und Technik“ vom April 2019: „Ausgelegt ist
der Taurus auf die Bekämpfung von stationären Punkt- und
Flächenzielen. Dabei versetzt ihn der Tandem-Gefechtskopf in die Lage,
sogar stark ausgebaute Bunker zu penetrieren.“
Zur Navigation heißt es in demselben Artikel: „Der Taurus setzt im
Wesentlichen auf drei Navigationssensoren. Neben dem GPS ist dies eine
Terrain Based Navigation (TRN)sowie eine Image Based Navigation (IBN).
Bei letzterer sind in der thermalen Karte des Flugkörpers
Referenzpunkte markiert. In der Regel handelt es sich dabei um Punkte,
die ihre thermische Signatur nur wenig verändern, wie Brücken, große
Wegkreuze oder Flussläufe. Beim TRN wird eine dreidimensionale Karte
mit den Werten des Höhenradars abgeglichen. Über einen Filter werden
die Navigationsdaten der verschiedenen Sensoren gewichtet und der
Flugweg festgelegt.“
Dadurch ist der Taurus annähernd störsicher.
Schon die technische Auslegung des Taurus, die es einem Gegner fast
unmöglich macht, ihn vor dem Erreichen seines Zieles abzuschießen,
erklärt das Eskalationspotenzial, das mit dem Einsatz dieses FK
verbunden ist.
Es besteht ein kaum einzuschätzendes Risiko, dass Deutschland durch
die Lieferung zum Kriegsteilnehmer wird, weil die Ukrainer den FK ohne
ganz konkrete deutsche Unterstützung nicht einsetzen können.
Zum einen müssen die ukrainischen Soldaten in Deutschland ausgebildet
werden und zum anderen– was noch viel wichtiger ist- müssen die Daten
für die Missionsplanung aus/durch Deutschland zur Verfügung gestellt
werden.
Dafür gibt es theoretisch 3 Möglichkeiten, wie man dem im Februar 2024
abgehörten Telefongespräch zwischen dem Inspekteur der Luftwaffe,
Generalleutnant Ingo Gerhardts, mit seinen Fachleuten entnehmen
konnte:
Eine Datenleitung von der Firma MBB in Schrobenhausen in die Ukraine
Eine Datenleitung von dem deutschen Luftwaffengeschwader in Büchel in
die Ukraine Ein Transport per PKW von Deutschland nach Polen und dann
eine Weitergabe praktisch von Hand zu Hand an die ukrainischen
Empfänger
Egal welche Möglichkeit gewählt würde, wäre das wohl nicht geheim zu
halten und aus russischer Sicht eine direkte Teilnahme Deutschlands am
Kampf gegen Russland.
Zusätzlich müsste ein Weg/eine Methode gefunden werden, wie
ukrainische Flugzeuge so umgerüstet werden, dass der Taurus FK am
Flugzeug angebracht und von diesem auch abgeschossen werden kann.
Außerdem wäre es zwingend, die erforderlichen Satellitenbilder zur
Verfügung zu stellen.
Zusammenfassende Bewertung
Es ist zwar theoretisch möglich, dass Herr Wadepfuhl seine Aussagen
als „einfacher“ Bundestagsabgeordneter“ gemacht hat, aber extrem
unwahrscheinlich.
Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich um
sicherheitspolitische Positionen handelt, die eine zukünftige
Bundesregierung im Ukrainekrieg vertreten wird.
Vor dem Hintergrund, dass US Präsident Trump weiter versucht, mit dem
russischen Präsidenten „einen Deal zu machen“, ist ein derartig
offensive Haltung der zukünftigen Bundesregierung politisch
ausgesprochen unklug.
Deutschland ist seit langem mit Abstand der größte militärische und
finanzielle europäische Unterstützer der Ukraine und dürfte endgültig
„im russischen Fadenkreuz stehen“ falls die USA sich mit Russland
verständigen und Europa mit dem Ukrainekrieg allein lassen.
Deshalb sei an eine Aussage von Präsident Putin erinnert, der zur
Lieferung westlicher Waffensysteme, mit denen die Ukraine Ziele im
russischen Kernland bekämpfen kann, gesagt hat:
“This will mean that NATO countries — the United States and European
countries — are at war with Russia. And if this is the case, then,
bearing in mind the change in the essence of the conflict, we will
make appropriate decisions in response to the threats that will be
posed to us.”
(Das bedeutet, dass sich NATO-Staaten- die USA und europäische
Staaten-im Krieg mit Russland befinden. Und falls das der Fall ist,
bedeutet das, dass sich das Wesen des Krieges verändert hat, und dass
wir angemessene Entscheidungen treffen werden als Antwort auf die
Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind.“)
Es wird ganz konkret am künftigen Bundeskanzler Merz liegen, die
Russland- und Ukrainepolitik der Bundesregierung neu zu justieren und
diplomatischen Lösungen den Vorrang vor militärischen Aktivitäten
einzuräumen. Das muss auch einem möglichen Außenminister Wadepfuhl
klargemacht werden.
Greven, 23. April 2025
J.Hübschen
———
8. Der Spiegel: Ursachensuche nach Hafenexplosion
Jede Erklärung lässt Irans Regime schlecht aussehen
https://www.spiegel.de/ausland/hafenexplosion-in-iran-jede-erklaerung-laesst-irans-regime-schlecht-aussehen-a-0da77a22-fb63-4b16-8f13-150e3cddf603
Ursachensuche nach Hafenexplosion
Jede Erklärung lässt Irans Regime schlecht aussehen
Die Explosion im Hafen von Bandar Abbas trifft einen strategisch wichtigen Punkt Irans.
Innenminister Momeni spricht von Fahrlässigkeit und präsentiert Verdächtige.
Doch die Spekulationen über eine Sabotage Israels halten an.
Eine Analyse von Oliver Imhof <https://www.spiegel.de/impressum/autor-6d1c3916-1b4e-4a2f-9c41-8339ea5fd25a> und Anna-Sophie Schneider <https://www.spiegel.de/impressum/autor-a8bc493f-0001-0003-0000-000000021582>
29.04.2025, 08.21 Uhr
(…)
———
9. DLF: Autor Ofer Waldman hofft auf Signalwirkung von Protest
https://www.deutschlandfunkkultur.de/beendet-den-krieg-waechst-der-druck-auf-ministerpraesident-netanjahu-100.html
Krieg in Gaza
Autor Ofer Waldman hofft auf Signalwirkung von Protest
Waldman, Ofer | 17. April 2025, 08:10 Uhr
Angesichts des israelischen Vorgehens in Gaza und im Westjordanland
ist Schweigen keine Option, sagt der israelische Autor Ofer Waldman.
Er ist einer von 350 Unterzeichnern eines offenen Briefes, der ein
Ende des Militäreinsatzes fordert. (…)
———
10. IPG: J. Borell: Test für Europas Glaubwürdigkeit
https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/test-fuer-europas-glaubwuerdigkeit-8251/?utm_campaign=de_40_20250430&utm_medium=email&utm_source=newsletter
Außen- und Sicherheitspolitik 30.04.2025 | Josep Borrell <https://www.ipg-journal.de/ipg/autorinnen-und-autoren/autor/josep-borrell/>
Test für Europas Glaubwürdigkeit
Ihr Schweigen zu Gaza macht die EU zur Komplizin bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Dabei könnte sie Druck auf Netanjahu ausüben.
Josep Borrell war Minister in Spanien, Präsident des Europäischen
Parlaments, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik
sowie Vizepräsident der Europäischen Kommission.
Am 18. März brach Benjamin Netanjahu die Waffenruhe in Gaza, die
wenige Tage vor Donald Trumps Amtseinführung in Kraft getreten war.
Binnen Stunden wurden mehr als 400 Menschen durch Bombenangriffe
getötet. Netanjahu sicherte damit sein politisches Überleben, denn
sein rechtsextremer Koalitionspartner Bezalel Smotrich hatte die
Fortsetzung des Krieges zur Bedingung dafür gemacht, dass er das
Regierungsbündnis nicht platzen lässt.
Seither wurden Tausende weitere palästinensische Zivilisten getötet,
überwiegend Frauen und Kinder. Auch das Leben der noch verbleibenden
Geiseln wurde in Gefahr gebracht.
Die ohnehin furchtbare humanitäre Situation hat sich durch die
Totalblockade und die verbreitete Hungersnot zur Katastrophe
verschärft. Die meisten Gebäude und Infrastruktureinrichtungen sind
mittlerweile zerstört. Die letzte noch intakte Wasserentsalzungsanlage
ist nicht mehr betriebsfähig.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz erklärte in den vergangenen
Tagen wiederholt: „Es kommt keine humanitäre Hilfe nach Gaza“.
Die Lage wird allseits als düster eingeschätzt. Die Vereinten Nationen
warnen, dass die Situation in Gaza so schlimm ist wie noch nie seit
Beginn des Krieges.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bezeichnet Gaza als
Massengrab für Tausende Bewohner, aber „auch für diejenigen, die
versuchen, ihnen zu helfen“.
Erst kürzlich traten zwölf der größten internationalen
Hilfsorganisationen mit einem gemeinsamen verzweifelten Appell an die
Öffentlichkeit. Doch die Appelle verhallen allem Anschein nach
ungehört.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz erklärte in den vergangenen
Tagen wiederholt: „Es kommt keine humanitäre Hilfe nach Gaza“.
Bezalel Smotrich hat sich dieser Meinung angeschlossen und bekräftigt,
es werde maximaler Druck aufgebaut, um „die Menschen in den Süden zu
evakuieren und Präsident Trumps Plan einer freiwilligen Umsiedlung der
Bewohner von Gaza umzusetzen“.
Diesen Plan hatte Israel Katz Anfang 2024 schon einmal in seiner
damaligen Funktion als Außenminister dem Europäischen Rat vorgestellt.
Die israelische Armee hat die Hälfte des Territoriums besetzt und für
zwei Drittel des Gazastreifens einschließlich der Grenzstadt Rafah
Evakuierungsbefehle ausgegeben und diese Gebiete zu „No-go-Zonen“ erklärt.
Damit sollen anscheinend die Voraussetzungen für eine Operation
geschaffen werden, die die größte ethnische Säuberungsaktion seit Ende
des Zweiten Weltkrieges wäre.
Die Androhung „Kein einziges Weizenkorn wird nach Gaza gelangen“ ist
ein eklatanter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht.
Sie ist ohne jeden Zweifel als Vernichtungsabsicht zu werten, was der
Internationale Strafgerichtshof bereits berücksichtigt hat, als er
Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und seinen früheren
Verteidigungsminister erließ.
Die Vernichtungsabsicht ist nicht weniger schwerwiegend als die,
welche die internationale Justiz damals in Srebrenica und Ruanda
festgestellt hat.
Parallel führt die Armee im Westjordanland derzeit ihre größte
Offensive seit Jahrzehnten durch. Aus dem nördlichen Teil des
Territoriums wurden bereits mehr als 40 000 Palästinenser gewaltsam
vertrieben, offenbar als Vorbereitung auf die Verwirklichung der von
rechtsextremen Abgeordneten vorangetriebenen Pläne zum Bau neuer
Siedlungen.
Obwohl diese völkerrechtlich illegal sind, hat die Regierung 13 dieser
Siedlungen am 23. März für rechtmäßig erklärt. Die
fundamentalistischen Kräfte am äußersten rechten Rand hoffen, dass
Donald Trump ihre Annexionspläne für das Westjordanland ganz oder
teilweise unterstützen wird, wodurch jede noch verbliebene Möglichkeit
zur Gründung eines palästinensischen Staates faktisch zunichtegemacht
würde.
In weiten Teilen Europas richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit
neuerdings vor allem auf die von Donald Trump angedrohten Zölle. Gaza
ist als Gesprächsthema weitgehend in den Hintergrund getreten.
Doch das mit einem internationalen Preis ausgezeichnete Foto eines
Kindes in Gaza, dessen beide Arme amputiert wurden, und der Tod der
Fotografin Fatima Hassouna, Protagonistin eines für das diesjährige
Filmfestival in Cannes ausgewählten Dokumentarfilms, waren ein
emotionaler Weckruf.
Dass es kaum ungefilterte Bilder aus Gaza gibt, die in die öffentliche
Debatte hineinwirken, halten manche für einen der Gründe für das
kollektive Wegschauen: „Aus den Augen, aus dem Sinn“.
Die Umstände sind grauenhaft. Der Krieg in Gaza ist inzwischen in
erster Linie ein Krieg gegen Kinder.
Die bittere Realität ist allerdings, dass in Gaza nicht nur ein Kind
oder 100 Kinder oder 1 000 Kinder getötet oder verstümmelt wurden und
werden, sondern Tausende.
Die Umstände sind grauenhaft. Der Krieg in Gaza ist inzwischen in
erster Linie ein Krieg gegen Kinder. Das Foto eines Kindes kann vielen
Menschen Tränen in die Augen treiben, aber das gesamte Ausmaß der
Tragödie scheint oft zu gewaltig, um sie ganz zu ermessen oder um
darauf zu reagieren.
Unterdessen wird Benjamin Netanjahu in Washington und Budapest mit
allen Ehren empfangen – im eklatanten Widerspruch zu den Haftbefehlen,
die der Internationale Strafgerichtshof gegen ihn erlassen hat.
Während meiner Amtszeit als Hoher Vertreter der Europäischen Union
habe ich die Erfahrung gemacht, dass es trotz zahlreicher
UN-Resolutionen und trotz der Entscheidungen des Internationalen
Strafgerichtshof nicht möglich ist, den Europäischen Rat und die
EU-Kommission zu einer Reaktion auf die massiven und wiederholten
Verstöße gegen das Völkerrecht und das humanitäre Recht durch Benjamin
Netanjahus Regierung zu zwingen.
Das steht im krassen Gegensatz zu der entschlossenen Reaktion der EU
auf Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.
In meiner Amtszeit habe ich beobachtet, wie sehr dieses Messen mit
zweierlei Maß dem Ansehen der EU weltweit schadet – nicht nur in der
muslimischen Welt, sondern überall in Afrika, Lateinamerika und Asien.
Spanien und einige wenige andere europäische Staaten äußern sich
besorgt und fordern die Kommission auf, zu prüfen, ob Israels Vorgehen
mit den Verpflichtungen vereinbar ist, die sich aus seinem
Assoziationsabkommen mit der EU ergeben. Ihre Forderungen werden dem
Vernehmen nach jedoch weitgehend mit Schweigen quittiert.
Wenn die Werte, welche die EU für sich in Anspruch nimmt, nicht
vollends unglaubwürdig werden sollen, kann der Staatenverbund nicht
länger passiv zuschauen.
Bei einigen europäischen Ländern hat die historische Schuld am
Holocaust sich offenbar in eine „Staatsräson“ verwandelt, die als
Begründung für die bedingungslose Unterstützung Israels dient und die
Gefahr in sich birgt, dass die EU sich zur Komplizin bei den
Verbrechen gegen die Menschlichkeit macht.
Ein Gräuel kann nicht als Rechtfertigung für andere Gräuel dienen.
Wenn die Werte, welche die EU für sich in Anspruch nimmt, nicht
vollends unglaubwürdig werden sollen, kann der Staatenverbund nicht
länger passiv zuschauen, wie in Gaza das Grauen weiter um sich greift
und das Westjordanland zu einem zweiten Gazastreifen wird.
Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung und trotz des offenkundigen
Mangels an Empathie, den ein Teil ihres Führungspersonals an den Tag
legt, hat die EU erheblichen Einfluss auf die israelische Regierung.
Sie ist Israels wichtigster Partner, was Handelsverkehr, Investitionen
und den Austausch zwischen den Bevölkerungen betrifft.
Die EU liefert mindestens ein Drittel der von Israel importierten
Rüstungsgüter und hat mit dem Land ein Assoziationsabkommen
geschlossen, das umfassender ist als alle ihre anderen Abkommen dieser
Art – und das Abkommen ist an die Voraussetzung geknüpft, dass das
Völkerrecht und insbesondere das humanitäre Recht geachtet werden.
Wenn der politische Wille vorhanden ist, stehen der EU die nötigen
Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Viele Israelis, denen klar ist,
dass Benjamin Netanjahus derzeitiges Vorgehen am Ende vor allem
Israels eigene Sicherheit und das Überleben des Landes gefährdet,
würden es vermutlich begrüßen, wenn die EU von diesen
Handlungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch machen würde.
Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld
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11. ND: Zwei antimilitaristische Erwachsene erhalten zeitweisen Schulverweis
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190749.protest-gegen-bundeswehr-antimilitaristen-in-gotha-erhalten-einen-schulverweis.html
Politik <https://www.nd-aktuell.de/rubrik/politik>
Protest gegen Bundeswehr
Antimilitaristen in Gotha erhalten einen Schulverweis
Zwei antimilitaristische Erwachsene erhalten zeitweisen Schulverweis
Matthias Monroy
30.04.2025, 11:30 Uhr
An der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr in Gotha
führt der Protest zweier Schüler gegen die Präsenz der Bundeswehr bei
der Firmenkontaktmesse »Connect« zu einem sechstägigen Schulverweis.
»Der Schulfrieden wurde wiederholt und bewusst gestört«, teilte die
Schulleitung den Delinquenten nach deren »Anhörung« am Dienstag mit.
Die erwachsenen Schüler müssten sich aber am »Distanzunterricht«
beteiligen, so die Anordnung.
In den Tagen des Ausschlusses hätten beide »die Gelegenheit, über ihr
eigenes Fehlverhalten nachzudenken«, heißt es in dem Schreiben. Das
darin vorgeworfene Delikt:
Die Fachschüler hatten am 4. April zu Beginn der Veranstaltung um den
Bundeswehrstand herum pinke Luftballons der Deutschen
Friedensgesellschaft verteilt, mit anwesenden Soldaten diskutiert und
Informationsmaterial angeboten.
Mit einem Banner »Bildung statt Bomben« kritisierten sie außerdem
grundsätzlich die militärische Präsenz an Bildungseinrichtungen.
Nicht nur hätten die beiden eine Belehrung durch die Klassenlehrerin
missachtet, sondern das besagte Transparent für einen Bericht in der
»Thüringer Allgemeinen« sogar »in die Kamera gehalten«, beschwert sich
die Leitung bei den beiden Schülern.
Andere Absolvent*innen der Fachschule sähen die Bundeswehr als
Arbeitgeber und teilten die Standpunkte der Protestierer nicht, heißt
es in der Begründung für den Verweis, dem sich auch die
Klassenkonferenz anschloss.
Angeblich habe die Schulleitung vorab angeordnet, dass Proteste nur
außerhalb des Schulgebäudes stattfinden dürften. Die protestierenden
Schüler betonen jedoch, von dieser Ansage nichts gewusst zu haben.
»In der Schule lernt man doch, wie wichtig Frieden ist, und dann darf
die Bundeswehr an die Schule kommen, um hier Werbung zu machen – und
das nach Afghanistan und Mali«, wird einer der Protestierenden von der
Informationsstelle Militarisierung (IMI) zitiert.
Bereits im Vorjahr hatte es an der Fachschule in Gotha einen ähnlichen
Protest gegeben – dies wird in dem aktuellen Verweis als erschwerend
angeführt.
Die Schulleiterin Andrea Nette soll damals angedeutet haben, dass
Schüler*innen, die mit der Präsenz der Bundeswehr nicht einverstanden
seien, sich fragen könnten, »ob dies auch die richtige Schule« für sie
sei – eine Formulierung, die als Androhung eines dauerhaften
Schulverweises verstanden werden könne.
Nette war für eine Stellungnahme für »nd« nicht zu erreichen und
antwortete auch nicht auf Mails.
——
12. IPPNW fordert Abrüstung und Rüstungskontrolle statt Wettrüsten
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/ippnw-fordert-abruestung-und-ruestungs.html
IPPNW-Pressemitteilung vom 28. April 2025
IPPNW fordert Abrüstung und Rüstungskontrolle statt Wettrüsten
SIPRI-Bericht
Die Friedensorganisation IPPNW kritisiert die um 28 Prozent auf 88,5
Milliarden gestiegenen deutschen Militärausgaben scharf.
Damit belegt Deutschland inzwischen weltweit den vierten Platz der
Rüstungs-Weltrangliste - hinter den USA, China und Russland. Vor allem
die Kriege in der Ukraine und in Gaza trieben die Rüstungsausgaben
weltweit nach oben.
„Die Aufrüstung mit immer mehr Waffen macht die Welt nicht sicherer,
sondern schürt Konflikte und Kriege. Zudem verursachen Militär und
Rüstungsindustrie enorme Treibhausgase – in Übung und Einsatz.
Stattdessen fordern wir neue Vereinbarungen zu Rüstungskontrolle und
Abrüstung“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.
Sipri-Forscher Xiao Liang erklärt bei der Vorstellung des Berichts,
dass die Steigerung der Militärausgaben oft zulasten anderer Bereiche
gehe.
Die daraus folgenden "wirtschaftlichen und sozialen Zielkonflikte" könnten
in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungenauf die Gesellschaften
haben.
Die IPPNW hatte bereits im März die zusätzlichen Aufrüstungspläne, die
die neue Koalition noch mit der alten Bundestagsmehrheit beschlossen
hatte, kritisiert:
Die potentiell unbegrenzte Aufrüstung verknüpft mit gedeckelten
Mitteln für Infrastruktur führe in der Zukunft zu einer Situation, in
der ein vollkommen überdimensionierter Rüstungshaushalt die
Gestaltungsmöglichkeiten für Soziales, Gesundheit, Bildung,
Klimaschutz und viele andere wichtige Anliegen vernichtet.
Rüstungswettläufe zwischen konkurrierenden Mächten bergen die Gefahr,
dass der nächste Krieg vorbereitet wird. Wer an Stabilität in Europa
interessiert ist, muss schon jetzt konkrete Vorschläge für
Rüstungskontrolle machen und die Anbahnung eines neuen
Abrüstungsprozesses in Europa vorbereiten.
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Mit freundlichen Grüßen
Clemens Ronnefeldt
Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.