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globalbridge.ch, vom 18. Mai 2025 Von: in Allgemein, Geschichte, Politik

José «Pepe» Mujica, 20.Mai 1935-13. Mai 2025, war von 2010 bis 2015 Präsident von Uruguay in Südamerika. Er verweigerte damals, in den Präsidentenpalast in Montevideo einzuziehen, weil er sonst den Kontakt zur Bevölkerung verlieren würde.


Ein Film über einen Menschen, der das Herz erwärmt und der uns eine Vision für ein bescheidenes friedliches, menschliches Zusammenleben in der Welt geben kann. Der Film über Pepe Mujica und seine Lebensgefährtin Lucia Topolansky handelt von ihrem Leben, vom gemeinsamen Kampf gegen die frühere Militärdiktatur, von ihrem Weg aus dem Widerstand in die offizielle Politik bis zum heutigen Präsidentenpaar, das immer noch einen kleinen Bauernhof bewirtschaftet.

Zum Film mit deutschen Untertiteln hier anklicken.
Oder hier auf Arte, hier anklicken.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, liebe Freunde, als meine Frau und ich 2015 das liebenswerte Filmwerk «Pepe Mujica   – El Presidente» sahen, waren wir begeistert und haben gleich einen Beitrag gebracht zur Persönlichkeit des Menschen, der über sich selbst sagt: «Wenn ich mich beschreiben sollte, würde ich sagen: Ich bin ein Erdklumpen mit Füssen.» Man lernt mit José Alberto Mujica, genannt „Pepe“, geboren 1935, von Beruf Bauer und Blumenzüchter, einen bescheidenen und volksnahen Mitmenschen kennen. Ein überzeugter Sozialist, der an das Gute im Menschen glaubt und selbst dafür das beste Vorbild ist. Anders hätte er vermutlich weder die vielen Jahre in Einzelhaft und die Folterungen durch das Militärregime in Uruguay überlebt noch die Kraft gehabt, 2010, im Alter von 75 Jahren, Präsident seines krisengeschüttelten Landes zu werden. Seine Amtszeit endete 2015. Wir glauben allerdings nicht, dass einer oder eine unserer westlichen Regierenden sich von unserer Begeisterung für den „ärmsten Präsidenten“ anstecken lässt und sich seinen Lebensstil zu eigen machen wird. So lange wir nicht erkennen, dass der bisherige protzige Weg der Kriegswirtschaft, der uns überquellende Warenhäuser als „Prosperität“ vorgaukelt, ein Irrweg ist, werden wir blind sein für den bescheideneren Weg einer Friedenswirtschaft, die uns Gesundheit und Wohlstand für alle und nicht Wohlstand für ganz wenige bringen wird.

José Mujica ist längst Geschichte, neben Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und Lula (Brasilien) ist er ein seltener Stern am südamerikanischen Firmament. Aber man spricht wieder von ihm und zwar aus aktuellem Anlass. Uruguays Präsident Lacalle Pou (rechtsaußen) will aus der Galerie seiner Vorgänger Julio María Sanguinetti und José Mujica zu Lulas Amtsantritt am 1. Januar in Brasilia mitschleppen, bei dem 120 Nationen vertreten sein werden. Das hat einen peinlichen Beigeschmack: Lacalle Pou will sein Image auf Kosten Mujicas aufbessern und nichts weiter. Uruguay wird ja schon seit 2015 wieder vom üblichen US-genehmen Durchschnitt regiert. Und: Mujica wollte ohnehin und auch ohne Lacalles Zutun in Brasilia erscheinen. Schließlich war er es, der am 21. Juni 2018 seinen Freund Lula im Gefängnis besucht hat, als der schon von allen übrigen abgeschrieben war. In diesem Sinne erinnern wir an den grossen südamerikanischen Freiheitskämpfer, der nicht in Vergessenheit geraten darf, verbunden mit unseren besten Wünschen für ein möglichst menschliches Neues Jahr! Herzliche Grüsse Margot und Willy Wahl.

Der ehemalige Präsident von Uruguay, Pepe Mujica, ist vielleicht einer der beliebtesten (vergessenen) Politiker der Welt. Er ist für sein Charisma und seine Ehrlichkeit bekannt und hat die Herzen vieler einfacher Menschen gewonnen, weil er nicht nur auf ein hohes Gehalt (bzw. Pension) als Präsident verzichtet, sondern auch einen bescheidenen Lebensstil führt, der sich von dem der meisten Politiker unterscheidet.

José Mujica wurde am 20. Mai 1935 in Montevideo, Uruguay, geboren und wuchs in einer bescheidenen Familie auf. Obwohl er das mächtigste öffentliche Amt in seinem Land bekleidet, führt er einen einfachen Lebensstil, weshalb er von vielen als „der ärmste Präsident der Welt“ bezeichnet wird: Er lebt mit seiner Frau Lucia Topolansky (ehemalige Senatorin und Vize-Präsidentin von 2017 bis 2020) und dem dreibeinigen Hund Manuela auf einem Bauernhof und fährt weiterhin seinen alten VW-Käfer.

Dieser Beitrag erschien erstmals auf der immer sehr lesenswerten Plattform Seniora.org von Margot und Willy Wahl. Danke für das Recht zur Übernahme.


Und aus Anlass seines Todes hat die US-amerikanische Zeitschrift Jacobin jetzt einen bemerkenswerten Text von Pepe Mujica veröffentlicht:

«Meine Generation hat einen naiven Irrtum gemacht»
Meine Generation hat einen naiven Fehler begangen. Wir glaubten, dass sozialer Wandel nur eine Frage der Verhältnisse der Produktion und Verteilung in der Gesellschaft sei. Wir haben die immense Rolle der Kultur nicht erkannt. Der Kapitalismus ist eine Kultur, und wir müssen dem Kapitalismus mit einer anderen Kultur begegnen und ihm Widerstand leisten. Anders ausgedrückt: Wir befinden uns in einem Kampf zwischen einer Kultur der Solidarität und einer Kultur des Egoismus.

Ich denke dabei nicht an Kultur, die verkauft wird, wie professionelle Musik oder Tanz. Das ist natürlich alles wichtig, aber wenn ich von Kultur spreche, meine ich die menschlichen Beziehungen, die Ideen, die unsere Beziehungen bestimmen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Es ist eine Reihe unausgesprochener Werte, die die Art und Weise bestimmen, wie Millionen von anonymen Menschen auf der ganzen Welt miteinander umgehen.

Der Konsumismus ist Teil dieser Kultur. Er ist eine Ethik, die der Kapitalismus in seinem Streben nach unendlicher Anhäufung braucht. Das schlimmste Problem für den Kapitalismus wäre, wenn wir aufhören würden zu kaufen oder nur noch sehr wenig kaufen würden. Und das hat die Konsumkultur hervorgebracht, die uns umgibt. Aber ein kapitalistisches Sozialsystem besteht nicht nur aus Eigentumsverhältnissen, sondern auch aus einer Reihe unausgesprochener Werte, die der Gesellschaft gemeinsam sind. Diese Werte sind stärker als jede Armee und sie sind die Hauptkraft, die den Kapitalismus heute aufrechterhält.

Meine Generation glaubte, sie würde die Welt verändern, indem sie versuchte, die Medien und den Vertrieb zu verstaatlichen, aber wir haben nicht verstanden, dass im Zentrum dieses Kampfes der Aufbau einer anderen Kultur stehen muss. Man kann kein sozialistisches Gebäude mit kapitalistischen Maurern bauen. Warum? Weil sie die Stahlstangen stehlen werden, weil sie den Zement stehlen werden, weil sie nur ihre eigenen Probleme lösen wollen, weil wir eben so geprägt sind. Meine Generation, rationalistisch mit einer programmatischen Vision der Geschichte, hat nicht verstanden, dass Menschen oft mit ihrem Bauchgefühl entscheiden und dann ihr Gewissen Argumente konstruiert, um ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. Wir entscheiden mit unserem Herzen, und hier wird Kultur zu einem entscheidenden Faktor, weil sie unsere Irrationalität zügelt.

Was ist zum Beispiel mit unseren linken Führern passiert? Linke Führer sind krank und in dieselbe Kultur versunken, und deshalb ist ihre Lebensweise kein kohärentes Bild ihrer Kämpfe. Sehen Sie, sie sagten, ich sei arm gewesen, als ich Präsident war, aber sie haben nichts verstanden! Ich bin nicht arm. Arm ist, wer viel braucht. Mein Ziel ist es, stoisch zu sein. Und Tatsache ist: Wenn die Welt nicht lernt, mit einer gewissen Nüchternheit zu leben, nicht zu vergeuden, verschwenden, nicht zu verschwenden, wenn sie das nicht bald lernt, wird unsere Welt nicht überleben.

Die Gier nach Geld treibt uns dazu, immer neue Dinge zu kaufen, aber das Leben auf dem Planeten zu erhalten bedeutet, dass wir lernen müssen, mit dem Notwendigen auszukommen und unsere Ressourcen nicht zu verschwenden. Wie Sie sehen, ist dieser Kampf ein kulturelles Epos. Wir, die Linke, müssen eine andere Denkweise entwickeln als bisher.

Das bedeutet, dass wir unsere Verbindung zum Kapitalismus aufgeben müssen. Uns sind die kreativen Ideen ausgegangen. Wir wollten dasselbe wie der Kapitalismus, nur mit mehr Gleichheit. Und letztendlich hat das alles damit zu tun, was wir als gutes Leben betrachten, welche Werte wir im Leben schätzen, wonach wir streben können. Es bedeutet, ein Gefühl für Grenzen zu haben. Nichts im Übermaß, wie die Griechen zu sagen pflegten.

Die Linke muss einer anderen Wertvorstellung treu bleiben, und deshalb bestehe ich auf dem Problem der Kultur, auf dem Problem des Engagements und auf dem Problem der Wertschätzung bestimmter Lebensbereiche, die der Kapitalismus nicht wertschätzt. In unseren Gesellschaften herrscht viel Traurigkeit, obwohl sie voller Reichtum sind. Wir sind ein überfüttertes Volk mit Gesellschaften, die an der Menge des von uns produzierten Mülls ersticken. Wir verseuchen alles, kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, und leben dann in Verzweiflung, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Wir müssen eine andere Lebensweise vorschlagen! Für mich muss die Linke revolutionärer sein denn je.

Das bedeutet, so zu leben, wie man denkt. Sonst denken wir am Ende so, wie wir leben. Der Kampf gilt einer selbstverwalteten Gesellschaft, dem Lernen, unsere eigenen Chefs zu sein und unsere gemeinsamen Projekte zu leiten. Diese Dinge müssen von einer neuen Linken diskutiert werden. Ich glaube an das Fortbestehen der Linken, aber sie wird nicht mehr so sein wie früher. Was sie war, ist vorbei, hat sich erledigt! Die Linke muss anders sein, weil sich die Zeiten ändern. Das Einzige, was beständig ist, ist der Wandel.

Ich werde keine Hindernisse für die Schaffung neuer revolutionärer Programme aufzeigen. Im Gegenteil! Aber ich habe keine Zauberformel. Meiner Meinung nach muss Kreativität gefördert werden, denn wir leben in einer Welt mit einer alten Linken, die zu sehr in Nostalgie schwelgt, einer Linken, die nur schwer erkennen kann, warum sie gescheitert ist, und die große Schwierigkeiten hat, sich neue Wege für die Zukunft vorzustellen. Ich glaube, dass dies eine Zeit ist, in der viel geprobt, experimentiert und kreativ gearbeitet werden muss. Und dafür gibt es einige Parameter, an denen wir uns orientieren können, denn wie ich bereits sagte, hat meine Generation der Kultur nicht genug Bedeutung beigemessen. Ich beziehe mich auf die Kultur, die den gewöhnlichen und alltäglichen Beziehungen der Menschen innewohnt und die unter dem Kapitalismus die Ereignisse des täglichen Lebens nur dazu nutzt, um weitere Akkumulation zu sichern.

Die Kultur, in die wir eingebettet sind, von der wir umgeben sind, dient nur der Vermehrung des individuellen Profits. Und diese Kultur ist viel stärker als Armeen und Militärmacht und alles andere, denn diese Kultur bestimmt die dauerhaften Beziehungen von Millionen gewöhnlicher Menschen auf der ganzen Welt.

Und das ist viel stärker als die Atombombe! Ein System zu verändern, ohne sich dem Problem eines Kulturwandels zu stellen, ist also sinnlos. Wir müssen ein neues System aufbauen und parallel dazu auch eine neue Kultur, eine neue Ethik, denn sonst wird sich das wiederholen, was wir mit der Sowjetunion erlebt haben, wo eine revolutionäre Bewegung eine perfekte 360-Grad-Wende vollzogen hat und wieder am gleichen Punkt angelangt ist – nur sogar schlimmer! Aus dieser Niederlage müssen wir doch lernen, oder?

(Red.) Zum US-englischen Original auf Jacobin.
Der deutsche WESTEND VERLAG hat gerade im März 2025 das Buch «Chomsky & Mujica» herausgegeben!

Sehr zu empfehlen ist auch das keine Büchlein «Worte des ‹ärmsten Präsidenten der Welt› José ‹Pepe› Mujica» im Verlag nomen.