Green New Deal und Gemeinwohl-Ökonomie – ein gemeinsamer Weg?
Der Green New Deal und die Gemeinwohlökonomie ergänzen sich in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung auf Mikro- und Makroebene. Damit wollen beide Konzepte nicht weniger als umfassende Lösungen für die globalen Krisen bieten. Ob Klimakrise, regionale sowie globale Ungleichheit, gesellschaftliche Polarisierung oder…
Was will die Friedenskonferenz in Kriegszeiten neben der Münchner Sicherheitskonferenz?
„Das Ziel einer „Kultur des Friedens“ bildet die Grundlage aller ehrenamtlichen Tätigkeiten im Rahmen der UNESCO-Arbeit. Dies mag im ersten Moment fantastisch und idealistisch erscheinen, steht es doch offensichtlich in einem harten Kontrast zu den Realitäten dieser Welt. Aber gerade…
Wir leben in einem säkularen Verfassungs-Staat. Es herrscht Glaubensfreiheit. Jeder darf glauben, was er will, beten, zu wem er will. Der Staat selbst aber muss gottlos sein. Doch eine Allianz von Staat und setzt sich über das Verfassungsgebot staatlicher Neutralität…
Deutsche Militärs erarbeiten erstmals seit dem Kalten Krieg einen konkreten Operationsplan für militärische Operationen auf deutschem Boden im Fall eines Krieges mit Russland. Deutschland ist laut NATO-Plänen Drehscheibe für den Aufmarsch nach Osten. Deutsche Militärs entwickeln bereits seit dem vergangenen…
Der Wert der ausgeführten Rüstungsgüter der USA ist im vergangenen Jahr um 16 Prozent gestiegen. Das heizt die Spekulation an. Christof Leisinger für die Online-Zeitung INFOsperber Die Rüstungsexporte der USA haben im vergangenen Jahr ein Rekordvolumen erreicht. Der Gesamtwert sei…
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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält. v
12.02.2024
Der Schlächter Berlin treibt Munitionsproduktion für die Ukraine voran; Experten halten 5.000 Geschosse am Tag für nötig. Kiew findet nicht genug Soldaten für die Front. Neuer Oberbefehlshaber hat den Beinamen „Schlächter“.
german-foreign-policy.com, 12. Februar 2024
KIEW/BERLIN/UNTERLÜSS (Eigener Bericht) – Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer hat in Kiew mit dem neuen Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, Gespräche geführt und dabei künftige deutsche Waffenlieferungen erörtert. Syrskyj hat in der vergangenen Woche den bisherigen Oberkommandierenden Walerij Saluschnyj abgelöst, dessen Verhältnis zu Präsident Wolodymyr Selenskyj spätestens seit Herbst 2023 als unheilbar zerrüttet galt; damals hatte Saluschnyj in einem Namensartikel für die britische Zeitschrift Economist die im Juni gestartete ukrainische Offensive für gescheitert sowie den Krieg als faktisch nicht mehr gewinnbar eingestuft. Selenskyj hat ihn jetzt durch Syrskyj ersetzt, der den Beinamen „Schlächter“ erhalten hat, weil er Soldaten rücksichtslos in hoher Zahl in den sicheren Tod schickte. Entsprechend wird seine Ernennung von ukrainischen Militärs mit Bestürzung kommentiert. Die Streitkräfte leiden ohnehin unter Personalmangel; nach Berichten verfügen Einheiten an der Front nur über kaum 35 Prozent des eigentlich vorgesehenen Personals. Zudem fehlt Munition. Kanzler Olaf Scholz wird an diesem Montag zur Grundsteinlegung einer Rheinmetall-Munitionsfabrik in Unterlüß erwartet.
Zitat: 5.000 Geschosse pro Tag
Experten schätzen den Munitionsbedarf der Ukraine allein beim NATO-Standardkaliber 155 auf 1,8 Millionen Geschosse pro Jahr. Wie der Militärspezialist Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und der Datenanalyst Marcus Welsch in einer aktuellen Untersuchung schreiben, seien 5.000 Standardgeschosse pro Tag erforderlich, um eine „minimale Verteidigung“ gegen die russischen Streitkräfte zu gewährleisten. Für 2024 könne Kiew aber, rechne man die Lieferzusagen aus Europa und den USA zusammen, nur mit 1,3 Millionen Standardgeschossen rechnen. Das wären weniger als 3.600 pro Tag.[1] Fielen die Lieferungen aus den Vereinigten Staaten aus, weil der Kongress die notwendigen Gelder verweigere, dann fehlten den ukrainischen Streitkräften zusätzlich eine halbe Million Geschosse. Besonders gravierend werde sich der Mangel vermutlich in den ersten Monaten des laufenden Jahres auswirken. Ursache sei, dass die Rüstungsindustrie in der EU zwar ihre Produktion hochfahre; doch nehme dies mehr Zeit in Anspruch als gedacht. Die EU hatte Kiew im März 2023 eine Million Geschosse innerhalb eines Jahres versprochen. Inzwischen ist klar, dass sie das erst bis Ende 2024 erreichen wird. Ende 2023 waren nur rund 300.000 Geschosse übergeben worden.[2]
US-Munition kaufen
Zum Hochfahren der Munitionsproduktion trägt maßgeblich Rheinmetall bei, der größte Hersteller der Standardgeschosse in Europa. Wie Konzernchef Armin Papperger ankündigt, wird Rheinmetall seinen Ausstoß in diesem Jahr auf 450.000 bis 500.00 Geschosse steigern können.[3] Papperger gibt sich jedoch skeptisch, dass es schon 2024 gelingen werde, die Produktion in Europa auf eine Gesamtzahl von einer Million Geschosse zu steigern. 2025 will Rheinmetall dank des neuen Werks in Unterlüß, das im kommenden Jahr in Betrieb gehen und 200.000 Geschosse jährlich fertigen soll, die Marke von 700.000 Geschossen im Jahr erreichen. Weil das aber nicht dabei hilft, den aktuellen Mangel an Munition bei den ukrainischen Streitkräften zu beseitigen, dringen die Experten Gressel und Welsch sowie mehrere deutsche Politiker darauf, erstens sämtliche Munitionsexporte in andere Länder zu stoppen und die dafür vorgesehenen Geschosse in die Ukraine umzuleiten und zweitens, sollte der US-Kongress die notwendigen Gelder verweigern, den Munitionsausstoß der US-Rüstungsindustrie mit europäischen Budgetmitteln zu kaufen. Berlin und Brüssel sollten überlegen, „Munitionskäufe in den USA und in anderen Nicht-EU-Ländern zu finanzieren“, wird der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag Michael Roth (SPD) zitiert.[4]
Mangel an Soldaten
Wohl noch schwerer als der Munitionsmangel wiegt für die ukrainischen Streitkräfte der aktuelle Mangel an Soldaten. In der vergangenen Woche berichtete die Washington Post in einer Reportage von der Front, dort klagten Kommandeure, ihre Einheiten verfügten im Durchschnitt nur über 35 Prozent ihrer eigentlich vorgesehenen Stärke.[5] Ein Kommandeur gab an, statt der üblichen mehr als 200 Infanteristen seien in seinem Bataillon derzeit nicht einmal 40 im Einsatz. Die wenigen neu rekrutierten Soldaten sind laut übereinstimmenden Schilderungen schlecht ausgebildet und oft auch kaum motiviert. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der Truppen steigt. Bereits im Januar berichtete die Londoner Times, das Durchschnittsalter der Soldaten in den US-Streitkräften sei im Jahr 2021 mit 28 Jahren angegeben worden, dasjenige der Soldaten in den britischen Streitkräften im Jahr 2023 mit 31. In der Ukraine werde es inzwischen auf 43 geschätzt.[6] Ein Kommandeur an der Front, dessen Einheit bei Kupjansk kämpft, bezifferte das Durchschnittsalter seines Bataillons auf 45 Jahre, während Regierungsberater in Kiew sogar von Truppen berichten, die bei einem Durchschnittsalter von 54 Jahren russische Stellungen stürmen sollten. Dabei hätten Untrainierte schon Probleme damit, schwere Geschosse zu tragen, heißt es.
Neuer Oberbefehlshaber
In dieser Situation hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der vergangenen Woche den Oberbefehlshaber der Streitkräfte ausgetauscht. Walerij Saluschnyj hatte sich im Herbst mit einem Beitrag in der britischen Zeitschrift Economist gegen Selenskyj gestellt, indem er die im Juni 2023 gestartete ukrainische Offensive für gescheitert und den Krieg für faktisch nicht mehr zu gewinnen erklärt hatte. Dies war damals mit Bestrebungen auch im Westen in Verbindung gebracht worden, die Front einzufrieren und einen Waffenstillstand in den Blick zu nehmen (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Spätestens seitdem galt das Verhältnis zwischen Selenskyj und Saluschnyj als unheilbar zerrüttet, zumal Saluschnyj laut Umfragen deutlich populärer war als Selenskyj: Der Oberbefehlshaber kam Ende 2023 auf Zustimmungswerte von 88 Prozent, der Präsident auf nur 66 Prozent, mit sinkender Tendenz. Selenskyj hatte Saluschnyj bereits am 29. Januar die Entlassung angekündigt, sie dann aber wegen Protesten aus den Streitkräften und Berichten zufolge auch wegen Einwänden aus Washington und London verschoben.[8] Am 31. Januar traf US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland zu Gesprächen unter anderem über die weitere Kriegführung in Kiew ein.[9] Mitte vergangener Woche entzog Selenskyj Saluschnyj sein Amt und übergab es an den bisherigen Heereschef Olexander Syrskyj.
„Wir sind erledigt“
Gleich Ende vergangener Woche ist der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, in Kiew zu ersten Gesprächen mit Syrskyj zusammengekommen. Dieser tritt sein neues Amt mit dem Manko an, dass nur zwei Prozent der Bevölkerung Saluschnyjs Ablösung vorab gewünscht hatten [10] – und dass Syrskyj nachgesagt wird, auch in den Streitkräften recht unpopulär zu sein. Demnach ist der General dafür berüchtigt, seine Soldaten rücksichtslos in hoher Zahl in den sicheren Tod zu schicken; als Beispiel werden regelmäßig die Kämpfe um Bachmut genannt. Damit hat er sich den Beinamen „Schlächter“ erworben.[11] Beobachter warnen, er werde auch in Zukunft vermutlich zahllose Soldaten verschleißen [12], zumal Selenskyj militärische Erfolge um jeden Preis erzielen will. Allerdings wären erneute hohe Verluste bei der bereits desaströsen Personallage der ukrainischen Streitkräfte fatal. Erste Kommentare ukrainischer Militärs im Internet sprechen Bände: „Wir sind erledigt.“ Details über die Gespräche, die Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer mit Syrskyj führte, wurden nicht bekannt – abgesehen davon, dass Breuer sich über die aktuelle Lage an der Front informieren ließ. Außerdem tauschte er sich mit Syrskyj über künftige deutsche Waffenlieferungen aus.[13]
[1] Konrad Schuller: Der Ukraine geht die Munition aus. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 11.02.2024.
[2] Florian Neuhann: EU muss Lieferziel um neun Monate korrigieren. zdf.de 30.01.2024.
[3], [4] Konrad Schuller: Der Ukraine geht die Munition aus. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 11.02.2024.
[5] Isabelle Khurshudyan, Anastacia Galouchka: Front-line Ukrainian infantry units report acute shortage of soldiers. washingtonpost.com 08.02.2024.
[6] Marc Bennetts, Kateryna Malofieieva: Ukraine’s average soldier is 43. How can they keep Putin at bay? thetimes.co.uk 20.01.2024.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält. v
12.02.2024
Newsletter Internationale Münchner Friedenskonferenz Februar 2024
Frieden und Gerechtigkeit gestalten – NEIN zum Krieg!
Internationale Münchner Friedenskonferenz vom 16. - 18. Februar 2024
OB Reiter und Kulturreferent Biebl canceln Münchner Friedenskonferenz
Mit Schreiben vom 6. Februar 2024 informierten Kulturreferent Anton Biebl und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter den Trägerkreis der Internationalen Münchner Friedenskonferenz, dass das Kulturreferat die Friedenskonferenz im Jahr 2024 und auch künftig nicht fördert. Damit ist die Durchführung der Friedenskonferenz gefährdet. Im gleichen Zuge stellten Herr Biebl und Herr OB Reiter die städtische Förderung sämtlicher „rein politische[r] Veranstaltung[en]“ in Frage – und damit die Kernaufgabe des Kulturreferats, „Grundwerte der Demokratie wie Kunst- und Meinungsfreiheit [zu schützen und zu stärken].“[1](https://friedenskonferenz.info?mailpoet_router&endpoint=track&action=click&data=WyIxMTUzIiwiZWJmODRiZmVhNmMzMTRhY2U4MjcxMjhmOTI1MTQ4ZWUiLCIyMjciLCI1MjdhMDk0Yjc1ZDQiLGZhbHNlXQ)
Herr Biebl schrieb (auch im Namen Herrn OB Reiters):
Basierend lediglich auf einem Antrag der o.g. Stadtratsfraktionen, mit dem sich der Stadtrat bisher noch nicht befassen konnte, beschließen Herr Biebl und Herr OB Reiter hier eine neue Auslegung der Förderkriterien – nicht nur für die Friedenskonferenz, sondern für sämtliche vom Kulturreferat geförderten Projekte. Das wirft Fragen auf: Ist es zulässig, aus einem bisher unbehandelten Antrag eine Entscheidung des Stadtrats abzuleiten? Wieso äußert sich der Stadtrat nicht grundsätzlich zu solchen Fragestellungen, wenn sie denn „schon seit längerer Zeit in Diskussion“ sind?
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
On President Putin's Interview about CHINA
aus e-mail von 11. Februar 2024, 21.52 Uhr
Here is the part about China - great! Greatings from Berlin from Elke
Carlson responds: “I think that is a fair assessment. The question is what comes next? And maybe you trade one colonial power for another, much less sentimental and forgiving colonial power? Is the BRICS, for example, in danger of being completely dominated by the Chinese economy? In a way that is not good for their sovereignty. Do you worry about that?”
Here Carlson actually has the audacity to refer to China as a colonial power, while admitting that his own country is an actual colonial power.
President Putin responds to this accusation of China with: “We have heard those boogeyman stories before. It is a boogeyman story. We are neighbours with China. You cannot choose neighbours, just as you cannot choose close relatives. We share a border of 1000 kilometers with them. This is number one.
Second, we have a centuries-long history of coexistence, we are used to it.
Third, China's foreign policy philosophy is not aggressive, its idea is to always look for compromise, and we can see that.
The next point is as follows. We are always told the same boogeyman story, and here it goes again, though in a euphemistic form, but it is still the same bogeyman story: [yet] the cooperation with China keeps increasing. The pace at which China's cooperation with Europe is growing is higher and greater than that of the growth of Chinese-Russian cooperation. Ask Europeans: aren’t they afraid? They might be, I do not know, but they are still trying to access China's market at all costs, especially now that they are facing economic problems. Chinese businesses are also exploring the European market.
Do Chinese businesses have small presence in the United States? Yes, the political decisions are such that they are trying to limit their cooperation with China.
[leans in and looks straight at Carlson]
Hier ist der Teil über China - toll! Viele Grüße aus Berlin von Elke
Carlson antwortet: "Ich denke, das ist eine faire Einschätzung. Die Frage ist, was kommt als nächstes? Und vielleicht tauscht man eine Kolonialmacht gegen eine andere, viel weniger sentimentale und nachsichtige Kolonialmacht? Besteht zum Beispiel die Gefahr, dass die BRICS-Staaten vollständig von der chinesischen Wirtschaft dominiert werden? Das ist nicht gut für ihre Souveränität. Machen Sie sich darüber Sorgen?"
Hier besitzt Carlson tatsächlich die Dreistigkeit, China als Kolonialmacht zu bezeichnen, während er zugibt, dass sein eigenes Land tatsächlich eine Kolonialmacht ist.
> Präsident Putin antwortet auf diese Anschuldigung gegenüber China mit: "Wir haben diese Boogeyman-Geschichten schon einmal gehört. Es ist eine Boogeyman-Geschichte. Wir sind Nachbarn von China. Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, genauso wenig wie man sich enge Verwandte aussuchen kann. Wir haben eine gemeinsame Grenze von 1000 Kilometern mit ihnen. Das ist die Nummer eins. > > > > Zweitens: Wir haben eine jahrhundertelange Geschichte der Koexistenz, wir sind daran gewöhnt. > > > > > Drittens ist Chinas außenpolitische Philosophie nicht aggressiv, sondern sucht immer den Kompromiss, und das können wir sehen. > > > > Der nächste Punkt ist folgender. Man erzählt uns immer wieder dieselbe Schreckensgeschichte, und jetzt kommt sie wieder, zwar in beschönigender Form, aber es ist immer noch dieselbe Schreckensgeschichte: Die Zusammenarbeit mit China nimmt [dennoch] zu. Das Tempo, mit dem Chinas Zusammenarbeit mit Europa zunimmt, ist höher und größer als das Wachstum der chinesisch-russischen Zusammenarbeit. Fragen Sie die Europäer: Haben sie keine Angst?
Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)
It is to your own detriment, Mr Tucker, that you are limiting cooperation with China, you are hurting yourself. It is a delicate matter, and there are no silver bullet solutions, just as it is with the dollar.
So, before introducing any illegitimate sanctions — illegitimate in terms of the Charter of the United Nations — one should think very carefully. For decision-makers, this appears to be a problem.”
I think the message is pretty clear here from President Putin. “China’s foreign policy philosophy is not aggressive, its idea is to always look for compromise, and we can see that.” That does not sound like the actions of a colonial power does it?
Betreff: Re: On President Putin's Interview with Tucker Carlson...
Despite what Hillary Clinton says, I would not call “Carlson” a “useful idiot” nor a hillbilly for that matter.
He got fired from FOX for opposing the proxy war on Ukraine.
And he is being reviled for the interview with Putin. If I were him I would watch my back.
There are signs that he is shifting his views on China. I hope he is evolving. Putin’s excellent defense of China in the interview may push that evolution along.
A long shot? Perhaps, but let’s not rule it out just yet. A strain of anti-interventionism runs deep in the conservative tradition that counts Carlson among its adherents.
Let's not be too surprised by the utter flippancy & deep-seated delusion coming from certain people having been brainwashed since childhood into believing an outrageous and fabricated mythology presented as national history and mesmerized by the idea of manifest destiny understood at a VERY LOW epistemological level for most of them.
What's truly important is that President Putin exposed Tucker the hilly-billy for what he truly is :
*** First an ignoramus & a hilly-billy full of himself.
*** Second a clumsy political operative coming from the stinky cesspool of the KFC-AZAEL (Kakistocratic Feudal Conglomerate of the Anglo-Zio-American EstabLishment).
*** Third a delusional warmonger; delusional because he thought he would have been capable of dragging Putin (one of the most if not the most lucid statesman on Earth) to his side and he probably thinks that defeating China is a cakewalk ...
Putin clearly put him in his place at the very beginning by asking if he wants a talk show or a serious interview.
And the rest is a 2 hours long masterpiece of communication from Putin who has been able to say what he wanted to convey to the West & to the World using Tucker the hilly-billy who very wrongly believed that he would have been able to manipulate the present President of the Russian Federation
Quan
Envoyé depuis ma tablette Huawei
-------- Message original --------
Objet : Re: On President Putin's Interview with Tucker Carlson...
De : Бойко Ирина Львовна
It is surprising to me that such young nations as the American States call someone barbarians. Are these Russia barbarians?
Dear Cynthia, in the name of all peace loving people, I thank-you for your comprehensive master class in analysing the precious Tucker/Putin Interview. Your insightful reflections are touching aspects that no other analyst has pointed out to as far as I can see. I felt very uneasy the other day (Feb 8th) when Alex Christoforou and Alex Mercouris from the Duran had a live show with Michael Yon and Mike Texas https://theduran.com/texas-the-southern-border-and-ukraine-w-mike-adams-and-michael-yon-live/ with a clear anti Chinese bias.
Thanks for pointing out the subtleties of Putin's explanations especially with respect to Russia - China ties.! Warmest regards Irene
Something somewhat historical happened just two days ago, though it is unclear how many Americans will understand its significance...
Tucker Carlson traveled to Moscow for a 2 hour, unedited, unfiltered, interview with President Putin.
This is already unprecedented.
It is unprecedented in that several million Americans will be actually listening to President Putin expressing his thoughts (not to mention several millions more of the western world).
Let us be honest with ourselves here, most Americans have not actually heard President Putin speak a full thought. Rather the internet is bombarded with diluted and villainized impressions - with no shortage of unflattering photos taken of him in mid-speech like this is to serve as some sort of replacement for actually listening to what he has to say.
The majority of Americans have a bit of a bad habit of desiring to make quick judgements and impressions of things without taking too much time to understand what it is they are looking at. The whole world looks at Americans this way, as a fast consumerist society that treats its politics not too differently from its fast food choices. If Americans do not like this characterization of themselves, then the best way to counteract this is to actually have the attention span to watch this interview and engage in a serious discussion about it. Since what President Putin thinks, whether Americans like it or not, clearly also affects the welfare of American lives at this point, let alone the economy of the United States.
Vladimir Putin has been the president of Russia for 19+ years. (From December 31, 1999-May 7, 2000. From May 7, 2000- May 7, 2008. And from May 7, 2012 until the present.) FYI he was Prime Minister of Russia for four years from 2008-2012. Thus, it is a little ridiculous that most Americans in fact know very little about how President Putin actually thinks, and what his intentions are for Russia and her relationship to the rest of the world, when he in fact frequently goes out of his way to make his thoughts as clear as possible with numerous speeches, that are translated and transcribed into English, such as the yearly Valdai Conferences https://substack.com/redirect/cb681d27-351a-408e-9bd3-77e582d58c69?j=eyJ1IjoiZjNkanMifQ.iQVVoam6QxRx1qzI1b88kLWkCpcQd23kR5AKElWdUO8, where he is known to spend hours answering questions from the Russian public and even questions from abroad.
In fact, it was quite something to hear a leader of a country speak about his interactions with several Presidents of America, which had crossed over five U.S. Presidents (Bill Clinton, George Bush Jr., Barack Obama, Donald Trump and Joe Biden) and covers a period of eight U.S. presidential terms. This should already give people in the room the feeling of being in the presence of someone who has a wealth of experience.
And it is no surprise that there is now a blitzkrieg of quickie news reports intended for those who have not yet watched this 2 hour discussion and in a swarm of panic are clearly meant as a desperate deterrence, warning Americans to “not even waste your time” on listening to the “barbarian” attempting to share his perspective with the “civilized” western world. “Nothing to see here folks, really!” Anything he says are just a bunch of lies…right?
The fact that President Putin started the interview asking Tucker “Are we having a talk show or a serious conversation?” was a clear setting of the tone so to speak. It was a clear intervention on the typical manner that American news reporting occurs, which are in 2-5 min sound bites. Part of the reason why this is counter-productive to real understanding is due to the simple fact that history cannot be explained in 2-5 min sound bites. Hundreds of books are written on these subjects but we can’t hear the president of Russia say a few paragraphs?
And the other reason why it is counter-productive is because it can be used to frequently change the subject which dissuades the audience from sitting and reflecting on a thought. In fact President Putin on several occasions, despite talking several minutes to answer a question, would often respond to Tucker, after his interruption with another question on a completely different subject, that he was not yet done answering the question.
This method of discussion is not President Putin being “tyrannical” or “not used to being questioned about his reasons for doing things,” it is in fact the manner in which a truly civilized person responsibly discusses subjects that will affect the lives of billions of people on this planet. Why would we think that such large questions deserve such small answers in the first place?
After all, despite a great deal of lack of respect coming from Americans towards President Putin’s leadership, the stark reality is that what Russia decides and how it chooses its relationships are now major game changers for how the world economy will function and thus Russia does have a global voice, and it is a voice that we would do well to at least take the time to listen to in this one interview, for our future is no longer disconnected from the future of Russia.
It is for this reason that I decided to do an overview of President Putin’s discussion with Carlson in case anyone got lost in the long responses, which were in fact full of important historical lessons.
President Putin begins with a history lesson of how the Russian state was created, which included the region of Kiev over 1000 years ago. Obviously if we were to talk about the merits of today’s U.S. borders, including its possession of Puerto Rico and Hawaii, we would expect there to be some degree of history to explain how such things came to be and why, at least from an American point of view, those regional possessions are justified.
However, what stands in stark contrast to what Putin is outlining here vs. the very existence of the United States which was, whether we like it or not, formed at the expense of the indigenous peoples who were already living there - in stark contrast to this large elephant in the room, Putin is actually outlining a Russian history with Ukraine (which was originally Russian until relatively recently) that dates back over 1000 YEARS!
Let’s think about this a little more shall we? President Putin was actually given a bit of a hard time even from Tucker Carlson for this long account of Russian history with the region that is known as Ukraine today, but in reality has only come recently into existence through artificial means (we will get into why this is shortly).
Note the region in brown is Crimea which is ethnic Russian and Russian speaking as even Tucker Carlson in his overview of the interview back at his hotel room admitted and did not disagree with Crimea’s referendum vote to return to Russia. He brought Crimea up in context to the attempt to come to an agreement in ending the war in Ukraine, and that one of the conditionalities that were being demanded by the West was that Crimea would be given back to Ukraine…against the Crimean people’s referendum vote. Even Carlson agrees that this is an insane demand and that the Crimean people are essentially Russian and wish to remain so.
Whereas the United States was founded not just at the expense of the indigenous peoples already living there, but would also later commit a genocide against the indigenous peoples in the 19th century! I am not saying here that the founding of America was all bad, but what has been the overall conduct of the American government and its people against the indigenous peoples is not something one can simply pardon themselves of as if such actions were justified. The matter is indeed very complicated, for those who wish to know more about the British and Scottish Rite manipulations of the situation they can refer here https://substack.com/redirect/5cf7ed73-f9f3-4df6-87f3-326a6df27cfb?j=eyJ1IjoiZjNkanMifQ.iQVVoam6QxRx1qzI1b88kLWkCpcQd23kR5AKElWdUO8.
But, suffice to say, it is still a general American failure that a genocide along with concentration camps otherwise known as reservations were committed and implemented against the indigenous peoples without too much opposition from the American people. There needs to be at least a public acknowledgment of this wrongdoing.
This is the supreme irony of the United States who has made incessantly loud and bombastic interferences with the relationship between Russia and Ukraine, and yet cannot even justify its own existence using the same black and white standard it is applying to Russia.
Just to be clear here, this subject of the indigenous peoples is not what President Putin mentioned in his discussion with Carlson. However, this is a point that has been made numerous times by the Russian government and its PR and press and is a view that has been frequently brought up and is largely shared by the non-western world (which amounts to over 70% of the world’s population at this point).
And most importantly, it is a VALID point.
Back to President Putin’s discussion with Carlson - President Putin makes the point that by the 9th century, Kievan Rus’ began to develop two centers of power, Kiev and Novgorod.
Novgorod and Kiev are underlined in red. The colored regions of the map show the principalities of Kievan Rus’ (after the death of Yaroslav I in 1054). Source of map Wikipedia.
Today’s Belarus, Russia and Ukraine all recognize the people of Kievan Rus’, which was ruled by the Rurik Dynasty, as their cultural ancestors. [Kievan Rus existed from 880 to 1240.]
The next point is especially important, if not for Americans, for Russians and Ukrainians alike.
President Putin states: “The next, very significant date in the history of Russia, was 988. This was the Baptism of Russia, when Prince Vladimir, the great-grandson of Rurik, baptized Russia and adopted Orthodoxy, or Eastern Christianity. From this time the centralized Russian state began to strengthen. Why? Because of a single territory, integrated economic ties, one and the same language and, after the Baptism of Russia, the same faith and rule of the Prince. The centralized Russian state began to take shape.”
Prince Vladimir is known as Vladimir the Great and ruled as the Prince of Novgorod and Grand Prince of Kiev. It was Vladimir the Great who united the two centers of power, Kiev and Novgorod under a unified leadership. It is very significant that it is Vladimir the Great who adopted Orthodox/Eastern Christianity and baptised Russia since he is also recognized by the Ukrainian government and the Ukrainian people today as their great ancestral leader, whom they call Volodymyr the Great.
In fact, the far-right Ukrainian nationalists, use the symbol of the trident, also known as the tryzub, to signify the great reign of Volodymyr the Great from 1000 years ago.
We can at least appreciate here how self-serving of a historical perspective this is coming from the far-right Ukrainian nationalists. How can Vladimir/Volodymyr the Great be both the great unifier creating a centralized Russian state, with the same religion and the same language, the Russian language, and yet also be a representative of a pure Ukrainian ethnicity which didn’t even exist as a concept then???
At this point, we should already appreciate in the discussion, less than 5 minutes in, that there is a long shared cultural heritage and history between Russia and Ukraine, and that they share a common father, Vladimir/Volodymyr the Great. Let us also remind ourselves that over 90% of Ukrainians spoke the Russian language in the 1990s, right after the dissolution of the Soviet Union and today at least 1/3 of the Ukrainian population is predominantly Russian speaking and identifies as Russian https://substack.com/redirect/364bc641-b801-4df1-ba9a-af4a76fa14fe?j=eyJ1IjoiZjNkanMifQ.iQVVoam6QxRx1qzI1b88kLWkCpcQd23kR5AKElWdUO8.
Kievan Rus’ would disintegrate during the Mongol invasion of the 1240s, however, different branches of the Rurik dynasty would continue to rule parts of Rus’ under the Kingdom of Galicia-Volhynia (modern-day Ukraine and Belarus), the Novgorod Republic (overlapping with modern-day Finland and Russia) and Vladimir-Suzdal (regarded as the cradle of the Great Russian language and nationality which evolved into the Grand Duchy of Moscow).
However, the Kingdom of Galicia-Volhynia soon fell under the vassalage of the Golden Horde, which was originally a Mongol and later Turkicized khanate originating as the northwestern section of the Mongol Empire.
President Putin states: “Back in the Middle Ages, Prince Yaroslav the Wise introduced the order of succession to the throne, but after he passed away, it became complicated for various reasons. The throne was passed not directly from father to eldest son, but from the prince who had passed away to his brother, then to his sons in different lines. All this led to the fragmentation and the end of Rus as a single state. There was nothing special about it, the same was happening then in Europe. But the fragmented Russian state became an easy prey to the empire created earlier by Genghis Khan. His successors, namely, Batu Khan, came to Rus, plundered and ruined nearly all the cities. The southern part, including Kiev, by the way, and some other cities, simply lost independence, while northern cities preserved some of their sovereignty. They had to pay tribute to the Horde, but they managed to preserve some part of their sovereignty. And then a unified Russian state began to take shape with its centre in Moscow.”
The Golden Horde was the European section of the Mongol Empire shown in the above map in yellow. The region of Galicia-Volhynia, what today’s far-right Ukrainian nationalists identify as the cradle of their civilization would be among the first under Mongolian vassalage and lost all sovereignty.
The far-right Ukrainian nationalists view the Kingdom of Galicia-Volhynia as their legacy after the Golden Age of Kievan Rus’ but the sad reality is that this legacy began almost immediately under Mongolian vassalage and would only continue as an increasingly disempowered possession of empires that would in turn follow after the Mongol Empire.
It is also important to note here that the legacy of Vladimir the Great, who had created a unified Kievan Rus’ under one language - the Russian language, one religion - Eastern Orthodox Christianity and with distinct Russian cultural and economic ties, this legacy survived and was carried forward by Russia and its center went from Kiev and Novgorod to Moscow where it increasingly regained its sovereignty away from the Mongol Empire.
Thus, the legacy of Vladimir the Great survived through Russia’s ability to regain its sovereignty and never lose it completely to the Mongolian Empire.
The next empire the Galicia-Volhynia region would be subjected to (now split off from Russia) was the Grand Duchy of Lithuania. Again, in President Putin’s interview with Carlson, he is referring to the Kingdom of Galicia-Volhynia as part of Russia, “the southern part of the Russian lands, including Kiev” and he views this lost of sovereignty as a loss of sovereignty of a section of Russia that was taken over by the Mongol Empire, followed by the Lithuanian Empire which would later become the Polish-Lithuanian Empire. In other words, these Russian people were cut off from the rest of Russia due to the Mongol Empire and later the Polish-Lithuanian Empire.
It was during this rule by the Polish in particular and their attempt at “Polonization” of these subjected Russian people that many cruel abuses and injustices occurred. This is also why there was so much hatred towards the Polish people by Ukrainians who had decided to side with the Nazis during WWII and to which pogroms were conducted by the Ukrainian population against the Jewish and non-Jewish Polish population (for more on this refer here https://substack.com/redirect/22512d95-8050-4615-9122-f19536bad5fa?j=eyJ1IjoiZjNkanMifQ.iQVVoam6QxRx1qzI1b88kLWkCpcQd23kR5AKElWdUO8).
President Putin states: “During decades, the Poles were engaged in the ‘Polonization’ of this part of the population: they introduced their language there, tried to entrench the idea that this population was not exactly Russians, that because they lived on the fringe (u kraya) they were ‘Ukrainians.’ Originally, the word ‘Ukrainian’ meant that a person was living on the outskirts of the state, near the fringe, or was engaged in border service. It didn't mean any particular ethnic group.
So, the Poles were trying in every possible way to polonize this part of the Russian lands and actually treated it rather harshly, not to say cruelly. All that led to the fact that this part of the Russian lands began to struggle for their rights. They wrote letters to Warsaw [in Poland] demanding that their rights be observed and that people be commissioned here, including to Kiev…”
It is very interesting what President Putin does next. He hands Tucker Carlson the documents from the archives, copies of letters from Bogdan Khmelnytsky to Warsaw, Poland demanding their rights be upheld.
Bogdan Khmelnytsky (1595-1657) was the military commander of the Cossacks and founder of the Cossack Hetmanate, also known as the Zaporozhian Host or the Army of Zaporozhia, the region that is now largely called Ukraine.
President Putin states: “Here are letters from Bogdan Khmelnitsky, the man who then controlled the power in this part of the Russian lands that is now called Ukraine. He wrote to Warsaw demanding that their rights be upheld, and after being refused, he began to write letters to Moscow asking to take them under the strong hand of the Moscow Tsar. There are copies of these documents. I will leave them for your good memory. There is a translation into Russian, you can translate it into English later.
Russia would not agree to admit them straight away, assuming this would trigger a war with Poland. Nevertheless, in 1654, the Zemsky Sobor, which was a representative body of power of the Old Russian state, made the decision: those Old Russian lands became part of the Tsardom of Muscovy.
As expected, the war with Poland began. It lasted 13 years, and then a truce was concluded. In all, after that act of 1654, 32 years later, I think, a peace treaty with Poland was concluded, “the eternal peace,” as it is said. And those lands, the whole left bank of the Dnieper, including Kiev, reverted to Russia, while the entire right bank of the Dnieper remained in possession of Poland.”
When Khmelnytsky’s letters demanding for the rights of the Cossacks to be upheld were ignored by Warsaw he formed the Pereiaslav Agreement, which was a pledge of allegiance by the Cossacks to the Tsar of Russia (then Alexis, who reigned from 1645-1676). The ceremony to this pledge was held in the town of Pereiaslav, what is now central Ukraine.
What this signified was that Khmelnytsky and his Cossack forces would defend the Steppe from not only the encroaching Polish-Lithuanian Empire but from the Ottoman Empire in return for Russia’s support and protection. Thus, the Cossacks would return to Russia and become a part of the Tsardom of Muscovy and were a sort of Spartan defender of the Steppe.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
Einladung FORUM mit Norman Paech 20.2.24,19 Uhr / Erinnerung Combatants for Peace, am 13.2.24, 19.30 Uhr im Aufhof
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
Wenig Wissen, viele Unterstellungen Die deutsche Debatte über Nahost nach dem 7. Oktober 2023
Pro-Palästina-Demonstration in Berlin am 3. Februar 2024. Foto: picture-alliance
In der Diskussionen über Palästina und Israel wird viel Haltung mit wenig Kenntnis vermischt. Dies bedauern die Tübinger Religionswissenschaftlerin und Politologin Katja Buck und der Theologe Jens Nieper, der lange Jahre das Nahostreferat der EKD leitete.Die beiden Nahostexperten meinen, der Antisemitismus-Vorwurf dürfe nicht zum „Totschlag-Argument für unbequeme Meinungen“ werden und begründen dies ausführlich.
Spätestens seit dem 7. Oktober wird wieder viel und heftig über Palästina und Israel diskutiert. Und je näher der Weltgebetstag am 1. März rückt, bei dem weltweit nach einer Liturgie aus Palästina Gottesdienst gefeiert wird, desto lauter werden hierzulande die Stimmen der Kritiker. Auffallend dabei ist, mit wie viel Halbwissen, Vorurteilen und Dogmatismus in Hinblick auf alles Palästinensische argumentiert wird.
Jüngstes Beispiel: Der Artikel „Fatale Reaktionen“, der Anfang Januar auf zeitzeichen.net erschienen ist. Darin wirft der Bochumer Theologe Günter Thomas dem Weltgebetstag Antisemitismus sowie der weltweiten Ökumene Empathielosigkeit und einseitige Israelkritik vor. Seine Argumentation weist erstaunliche Lücken, Fehlannahmen und Unterstellungen auf, die typisch sind für die Auseinandersetzung mit Palästina in den deutschen Kirchen. Ganz abgesehen davon muss sein theologischer Ansatz deutlich hinterfragt werden.
Es fängt mit der Bezeichnung an, mit der man das, was die Hamas am 7. Oktober angerichtet hat, benennt. Viele TheologInnen, die ihre akademische und geistliche Heimat im jüdisch-christlichen Gespräch haben, greifen auf den Begriff „Pogrom“ zurück. Der brutale Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung müsse „im Kontext der langen Geschichte von Pogromen gegen Juden“ gesehen werden, schreibt auch Thomas.
Aber ist „Pogrom“ hier überhaupt der richtige Begriff? Bezeichnet er doch ein Massaker an einer schwachen Minderheit ausgehend von einer Mehrheitsbevölkerung innerhalb eines gemeinsam besiedelten Territoriums. Zur Erinnerung: Die Hamas-Terroristen hatten einen stark gesicherten Grenzzaun zwischen zwei getrennten Territorien überwunden und wahllos Menschen im souveränen Nachbarland niedergemetzelt. Ja, die meisten davon waren israelische Jüdinnen und Juden, doch auch asiatische Landarbeiter und arabische Israelis wurden abgeschlachtet. Eben alle, die sie greifen konnten.
Judenhass maßgebliche Triebfeder?
Wer sich für den Begriff „Pogrom“ entscheidet, kann damit den tiefsitzenden Judenhass der Hamas betonen. Dass dieser in deren Ideologie eine Rolle spielt, steht außer Frage. Doch mit welcher Sicherheit lässt sich sagen, dass Judenhass die maßgebliche Triebfeder für das Massaker am 7. Oktober war? Wäre die Hamas weniger brutal vorgegangen, wenn das Land des Feindes zum Beispiel ein buddhistischer Staat gewesen wäre? Ging es den Terroristen bei ihrem mörderischen Treiben nicht vor allem darum, aller Welt und insbesondere Israel die eigene Brutalität und damit die eigene Macht vor Augen zu führen, um Terror zu verbreiten?
Auffallend in der hiesigen Debatte ist, wie viele sich zu Palästina melden, ohne selbst je in den palästinensischen Gebieten gewesen zu sein – also hinter der Mauer oder gar in Gaza. Auf Kontakte, Austausch, vielleicht sogar Freundschaften zu PalästinenserInnen oder palästinensischen Theologenkollegen können nur die wenigstens zurückgreifen. Stattdessen werden am Schreibtisch in Deutschland Schriften und Dokumente studiert. Einen besonderen Hype unter Palästina-kritischen TheologInnen erlebt gerade die Gründungscharta der Hamas. Auch Thomas hat dazu schnell mal bei Wikipedia und dem Handbook of Contemporary Islam and Muslim Lives vorbeigeschaut – und pickt sich das raus, was in seine Argumentation passt: den Israelhass der Hamas, das religiöse Element des politischen Islam und den ideologischen Einfluss des Nationalsozialismus auf selbigen.
Pauschal und unterkomplex
Das ist zwar nicht falsch, bleibt in seiner Pauschalität aber unterkomplex und wird der Wirklichkeit vor Ort mitnichten gerecht. Nicht umsonst diskutieren Historiker, Islamwissenschaftler und muslimische Theologen seit Jahrzehnten genau über diese Punkte – und zwar kontrovers. Thomas und anderen selbsternannten „Hamas-Kennern“ reichen dagegen ein paar wenige Sätze aus einem Online-Lexikon, um ein endgültiges und umfassendes Urteil über die Hamas zu fällen.
Um allen Missverständnissen an dieser Stelle einen Riegel vorzuschieben: Die Hamas soll hier nicht reingewaschen werden. Sie ist eine zynische Terrorgruppe, deren Tun und Handeln mit nichts zu rechtfertigen ist und die eine Ideologie verfolgt, in der andere Religionen abgewertet werden und nur eine Interpretation des Koran zugelassen wird. Doch wer zur Konfliktlösung beitragen möchte, sollte nicht unterkomplex argumentieren und wenigstens ansatzweise versuchen, so viel wie möglich von der Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort verstehen zu wollen. Die lässt sich auch in Gaza nicht allein mit Schwarz und Weiß beschreiben. Auf die Zwischentöne kommt es an.
Wer das Verhältnis der Menschen in Gaza zur Hamas beschreiben will, kann nicht allein auf die Gründungscharta zurückgreifen, sondern sollte sich vergegenwärtigen, dass die Hamas seit 2007 die alleinige gesellschaftsgestaltende Kraft in Gaza ist. Wer dort eine Schule oder einen Kindergarten leitet, hat automatisch mit der Bildungsbehörde zu tun. Und die wird nun mal von der Hamas geführt. Wer ein Krankenhaus verwaltet, muss mit der Gesundheitsbehörde kooperieren und hat automatisch mit Leuten von der Hamas zu tun. Die Hamas hat es außerdem verstanden, sich bei bestimmten Bevölkerungsschichten einen guten Ruf zu verschaffen – und das nicht durch Terror, sondern durch Sozialleistungen. Wer als Muslim in Not gerät, dem hilft die Hamas auf unkomplizierte Weise finanziell und wirtschaftlich. Tatsache ist, dass in Gaza in den letzten Jahren niemand an der Hamas vorbeigekommen ist.
Das Label „Hamas-nah“ sollten wir deswegen dringend aus dem Werkzeugkasten der wohlfeilen Anschuldigungen gegenüber Palästinensern entfernen. Nicht, weil die Hamas gar nicht so schlimm wäre, wie sie ist, sondern weil es den Menschen in Gaza nicht gerecht wird. Sie mussten und müssen mit der Hamas leben, ob sie es wollen oder nicht. Das gilt für Christen und Muslime gleichermaßen. Und die Situation im Westjordanland ist dabei nicht grundsätzlich anders: auch dort ist die Hamas eine maßgebliche gesellschaftliche Kraft, gegen die sich Palästinenser nicht einfach positionieren können.
Mit wenigen Versatzstücken zu gefährlichen Thesen
Wer sich wie Thomas nicht für die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort interessiert, dem reichen ein paar Versatzstücke über die Hamas, um die gefährliche These von einem religiösen Krieg zwischen Judentum und Islam zu untermauern. Dabei könnte man auch ganz banal sagen: Hier geht es zuallererst um ein Stück Land, das zwei Seiten für sich beanspruchen, und nicht um Religion.
Wer sich aber für die Grundannahme „religiöser Krieg“ entscheidet, der sieht in anderen Religionen ein Problem, in diesem Fall im Islam. Das ist gefährlich. Denn so verbaut man zum einen den Blick auf die Friedens- und Versöhnungspotenziale, die es in allen Religionen gibt und die es dringend brauchen wird, um zu einem dauerhaften Frieden in dem Land zu kommen. Zum anderen blendet man damit aus, dass Muslime und Juden über die Jahrhunderte sehr wohl auch friedlich nebeneinander leben konnten und es bis heute zum Teil noch tun. Nicht alle Muslime hassen Juden und nicht alle Juden hassen Muslime. An solche guten Beispiele gilt es anzuknüpfen, anstatt Keile zwischen die Religionsgemeinschaften zu treiben.
Gefragt werden muss auch, welche Rolle bei der These von einem religiösen Konflikt der kleinen Gruppe der palästinensischen Christinnen und Christen zukommt. Sie werden reduziert auf eine vom Islam bedrängte Minderheit. Fragt man sie selbst, hört man dagegen, dass sie – anders als in anderen Teilen der muslimischen Welt – eigentlich keine Probleme mit den Muslimen haben.
Selbst wenn es wie überall auf der Welt auch in Palästina aufgrund des vorliegenden Mehrheits-Minderheitsverhältnisses von 98,5 Prozent Muslimen zu 1,5 Prozent Christen in der Bevölkerung zu Machtspielen kommen mag, so ist das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen weitestgehend gut. Wer das anders sehen will, hat von der Realität vor Ort nicht viel verstanden und verschärft den Konflikt, anstatt zu dessen Lösung beizutragen.
Gleiche Kultur, gleiche Geschichte
Der gute Ruf der Christen in der muslimischen Bevölkerung hängt vor allem damit zusammen, dass Christen in Palästina durch ihre Bildungs- und Sozialarbeit einen weit größeren Beitrag zur Gesellschaft leisten, als es ihre kleine Zahl vermuten lässt. So sind die Kirchen in der Westbank und Ost-Jerusalem nach der Palästinensischen Autonomiebehörde und der UNRWA, dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, der drittgrößte Arbeitgeber. 1,9 Millionen der insgesamt 5,5 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser erreichen sie mit ihren Schulen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen.
Christen und Muslime in Palästina fühlen sich nicht nur der gleichen Gesellschaft verantwortlich, sie teilen auch die gleiche Kultur, die gleiche Geschichte und den gleichen Alltag. Und der ist nun mal einerseits von der Nakba 1948 geprägt, der Vertreibung von 750.000 Palästinenserinnen und Palästinenser im Vorfeld und Gefolge der Staatsgründung Israels, andererseits von der israelischen Besatzung seit 1967. Und so wie der Besatzungsalltag keinen Unterschied zwischen Christen und Muslimen macht, so wurden auch bei der Nakba Christen und Muslime gleichermaßen vertrieben. Bis heute bewahren die Nachfahren den Schlüssel der jeweiligen Häuser auf als Zeichen der Hoffnung auf eine Rückkehr.
Dieses Symbol wird in Deutschland mittlerweile als vermeintlich antisemitisches „Hamas-Symbol“ geächtet, womit wir beim Thema Weltgebetstag wären, bei dem der Schlüssel eine gewisse Rolle spielt. Die Liturgie für den weltweiten Gottesdienst, der traditionell am ersten Freitag im März gefeiert wird, kommt dieses Jahr ausgerechnet aus Palästina. Dass dem so ist, hat nichts mit den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten zu tun, sondern geht auf eine Entscheidung des internationalen Weltgebetstags-Komitees vor sieben Jahren zurück. Auch wurde die Gottesdienstordnung von den palästinensischen Christinnen bereits 2021 geschrieben und dann in die jeweiligen Landessprachen übersetzt. Auf Deutsch wurde sie Anfang 2023 veröffentlicht. Und weil man sich bewusst war, dass ein Gottesdienst für Palästina in Deutschland kein Selbstläufer sein würde, hatten die in Deutschland für den Weltgebetstag Verantwortlichen die Gottesdienstordnung auch gleich verschiedenen Stellen in den Kirchen zur Begutachtung vorgelegt, Antisemitismusbeauftragten, Verantwortlichen für das jüdisch-christliche Gespräch und auf evangelischer Seite auch der Evangelischen Mittelostkommission. Keiner legte ein Veto ein.
Doch dann kam der 7. Oktober, und auf einmal wurden die Dinge ganz anders interpretiert. Der Deutsche Koordinierungsrat für die Gesellschaften für die Christlich-Jüdische Zusammenarbeit warf dem Weltgebetstag versteckten christlichen Antisemitismus vor, weil nicht explizit erwähnt werde, dass Jesus ein Jude war und der jüdische Kontext des Christentums bewusst ausgeblendet werde. Günther Thomas setzte in einem offenen Brief an die beiden großen Kirchen noch eins drauf und sprach von „eliminatorischem Antisemitismus“ und „einer Dämonisierung Israels“.
Ihre Kritik machten sowohl der Koordinierungsrat als auch Günter Thomas vor allem an dem Mottobild des Weltgebetstags, einem Bild der palästinensischen Künstlerin Halima Aziz, fest. Sie hatte drei palästinensische Frauen im Kreis sitzend und betend gemalt. Als Schmuck hatte sie ihnen kleine Schlüssel an Hals und an die Ohren gemalt – eben das Symbol für die Hoffnung auf Rückkehr.
Eigene Interpretation zum Faktum erklärt
Dies sei „eine antisemitische Bildsprache“, kritisieren Thomas und andere. Denn die Rückkehrsehnsucht der Palästinenser sei „schlichter eliminatorischer Antisemitismus“. Mit dem Wunsch nach Rückkehr in die alten Häuser verknüpften die Palästinenser die Idee, den Staat Israel zu zerstören und alle Juden ins Meer zu werfen. Das ist zuallererst mal eine Unterstellung. Thomas wirft einen Blick auf weitere Werke von Halima Aziz und interpretiert daraus, dass sie die Rückkehrhoffnung „offensichtlich nicht auf das Palästina in den Grenzen von 1967“ beziehe. „Es geht um alles – ohne Israel, ,from the river to the sea‘“. Man kann die Gemälde von Aziz auch anders interpretieren. Bei Thomas wird die eigene Interpretation aber zum Faktum.
Dem gleichen Muster folgt er bei der Interpretation der Mohnblumen, welche Halima Aziz auf ihrem Bild den Frauen in die Haare geflochten und in die Hände gegeben hat. Was Thomas offenbar nicht weiß: In der palästinensischen Kunst spielt der Mohn seit langem eine wichtige Rolle. In Blüte und Stängel kommen schließlich alle vier Farben der palästinensischen Flagge vor: Rot, Schwarz, Weiß und Grün. Und so wie der Mohn in den Ländern des Commonwealth an die Kriegstoten aus dem Ersten Weltkrieg erinnert, so gilt er in Palästina als Symbol des Widerstands und des kulturellen Erbes. Ja, das Rot steht dabei für das vergossene Blut von denjenigen, die für die palästinensische Nation ihr Leben verloren haben. Anstatt den Palästinensern ihre eigene Symbolik zuzugestehen, assoziiert Thomas weiter und sieht in der Mohnblume „das Blut der Kämpfer, die sich mit islamischem Furor kompromisslos und explizit die Auslöschung Israels und den Tod der Juden auf die Fahne geschrieben haben. All dieses Blut im Bild steht für die Auslöschung Israels.“ Auch hier fußt sein Urteil wieder allein auf seiner eigenen Interpretation.
Gesprochen hat er mit Halima Aziz nicht, die übrigens in Hannover lebt. Doch auch kein anderer ihrer scharfen Kritiker in Deutschland hat sie gefragt, wie sie ihre Kunst eigentlich verstanden wissen möchte. Angesichts der Vorwürfe verweigert sie sich mittlerweile jedem Gespräch, was die Sache nicht einfacher macht. Kurz nach dem 7. Oktober war ihr gegenüber der Vorwurf der „Hamas-Nähe“ erhoben worden. Sie habe sich in einem Post in den sozialen Medien öffentlich zur Hamas bekannt, hieß es. Bisher ist dieser Post aber nirgends als Beleg aufgetaucht. Der hehre Grundsatz, dass das Recht im Zweifel auf der Seite des Angeklagten ist, wird ohne mit der Wimper zu zucken vom Tisch gefegt. Würde man über einen jüdischen Künstler ein ebenso vorschnelles Urteil bilden, würde man sich zurecht den Vorwurf des Antisemitismus einhandeln. Halima Aziz dagegen kann man offenbar ungestraft unter Generalverdacht stellen, so wie alle und alles, was aus Palästina kommt.
Schließlich stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Symbolik gibt, die manche Kreise den Palästinensern zugestehen würden, ohne ihnen dann doch gleich wieder reflexartig antiisraelische oder antisemitische Intentionen zuzuschreiben. Offensichtlich ist manchen Kritikerinnen und Kritikern noch gar nicht (oder nicht mehr) bewusst, dass wir hier zwei Völker im Konflikt erleben.
Antisemitismus-Vorwurf schnell bei der Hand
Man kann nicht allen, die Kritik an der israelischen Besatzung üben und einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza fordern, unbesehen Antisemitismus vorwerfen, wie zum Beispiel den ökumenischen Großverbänden. Gabriele Scherle, Pröpstin in Frankfurt und Vorstandsvorsitzende der Bildungsstätte Anne Frank, hat dies zusammen mit Peter Scherle Anfang November 2023 im Feuilleton der FAZ vorexerziert. Die beiden werfen dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) eine „verschleiernde Sprache“ in Bezug auf die Hamas vor und attestieren der Institution einen „moralischen Bankrott“. Günther Thomas eifert ihnen nach, knöpft sich die Verlautbarungen der letzten Monate des ÖRK, des Lutherischen Weltbundes (LWB) und der Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen (WGRK) vor und wirft ihnen ebenfalls Relativierung des Hamas-Terrors vor. Er attestiert ihnen Zynismus, „absurde moralische Arroganz“, „aggressive Vernichtungsträume“ und „kalte Empathiefreiheit gegenüber Israel“ und spricht am Ende von einer „lebendigen Ökumene des Antisemitismus“. Sie hätten seiner Meinung nach den Terror der Hamas nicht angemessen genug verurteilt. Doch was ist eigentlich „angemessen“?
Zuerst: Ja, es wäre begrüßenswert gewesen, wenn die kirchlichen Weltorganisationen deutlicher die Untaten der Hamas benannt und verurteilt hätten. Aber statt zu überlegen, warum die Weltbünde eher auf Seiten der Palästinenser stehen, schwingen Thomas, Scherle und all die anderen, die in den Feuilletons und sozialen Medien gegen die ökumenischen Kirchenbünde wettern, die Antisemitismuskeule und machen es sich damit allzu bequem. Dass Deutschland mit seiner Sichtweise auf Israel und den Nahostkonflikt nicht nur in der Ökumene, sondern auch im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) eine Minderheitenposition vertritt, lässt sich nicht einfach dadurch erklären, dass man alle anderen als „Israelhasser“ einordnet.
Dabei liegt es doch auf der Hand. ÖRK, LWB und WGRK sind kirchliche Lobbyorganisationen: Sie vertreten die Interessen und Ansichten ihrer Mitglieder. Weder das Judentum noch der Staat Israel sind in ihnen Mitglieder. Zwar sind einige Mitgliedskirchen auch im Staat Israel aktiv. Eine dezidiert „israelische“ Kirche gibt es aber nicht. Entsprechend kann es auch keinen Weltgebetstag aus Israel geben, wie es manch einer schon gefordert hat. Die Mitgliedskirchen im Heiligen Land wiederum erleben den Staat Israel nur bedingt als Partner. Sie sind mehrheitlich arabisch geprägt und erleben immer wieder, wie sie durch die tonangebende jüdische Seite benachteiligt werden und um ihre traditionellen Rechte ringen müssen.
Die deutschen Kirchen haben aufgrund der jüngeren Geschichte eine besondere Sicht auf das Judentum und den Staat Israel. Während sie sich mit der Bürde, mit dem Nazi-Terror verbunden gewesen zu sein, mit christlichem Antijudaismus und Antisemitismus befassen, kommen die meisten Kirchen der Ökumene aus Ländern der einstigen Hitler-Gegner. Viele weitere Kirchen sind noch so jung, dass sie diese Phase der Geschichte gar nicht direkt betrifft. Das befreit diese Kirchen nicht von der Notwendigkeit, sich bezüglich des Verhältnisses zum Judentum bewusst zu werden, stellt diesen Prozess aber unter andere Vorzeichen.
Israel als Kolonialmacht?
Hinzu kommt, dass viele Kirchen aus Ländern stammen, die durch einen Unabhängigkeitskampf und gewaltsamen Widerstand selbständig wurden. Südafrika zum Beispiel. Sie sehen in Israel – zumindest bezogen auf den Gazastreifen und die Westbank – eine Kolonialmacht und solidarisieren sich mit der palästinensischen Seite.
Günter Thomas wie auch die Scherles machen ihr Urteil über die kirchlichen Weltbünde an einer punktuellen Beobachtung fest. Dass der ÖRK seit Jahrzehnten sich im christlich-jüdischen Dialog engagiert, wird unter den Tisch fallen gelassen. Und dass der LWB gerade erst im September 2023 das Studiendokument „Hope for the Future“ zur Erneuerung der jüdisch-christlichen Beziehungen vorgelegt hat, scheint gar nicht wahrgenommen worden zu sein. Solche Lapsus unterlaufen, wenn man nicht zwischen Volk Israel (Judentum), Land Israel und Staat Israel differenzieren will.
Man muss die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der besonderen Begegnung und Beschäftigung mit dem Judentum nach Auschwitz für die Ökumene nicht aufgeben. Im Gegenteil: Es würde die weltweite Ökumene bereichern, wenn es gelingen würde, nicht-deutsche Theologinnen und Theologen an diesen Erfahrungen auf Augenhöhe teilhaben zu lassen. Wer aber anderen, die nicht sofort die eigenen Ansichten teilen, gleich minder entwickelte Theologie oder gar Häresie vorwirft, sollte sein Verständnis von Ökumene überdenken. Mit welchem Recht kann man deutschen Beiträgen zur Theologie oder zur kirchlichen Praxis eine höhere Maßgeblichkeit zuschreiben?!
Ökumene ist die Begegnung verschiedener Glaubenstraditionen, die miteinander um eine Einheit in Verschiedenheit und Vielfalt ringen. Es gilt unterschiedliche Theologien und Sichtweisen auszuhalten und voneinander zu lernen. Stattdessen fordern manche von denen, die über die Palästinafreundlichkeit in der Ökumene nur verächtlich den Kopf schütteln, die deutschen Kirchen sollten ihre finanziellen Beiträge an die Weltbünde, von denen diese existentiell abhängen, einstellen, sollten diese nicht den deutschen theologischen Einsichten folgen. Das grenzt an paternalistische Erpressung.
Es ist ein fragwürdiges Ökumene-Verständnis, wenn man deutschen Beiträgen zur Theologie oder zur kirchlichen Praxis eine höhere Maßgeblichkeit zuschreibt. Und es ist nicht nur eine Anfrage an die weltweite Ökumene, weshalb beispielsweise Erkenntnisse des christlich-jüdischen Dialogs, die gerade auch in Deutschland erarbeitet wurden, nicht ökumenisch stärker wahrgenommen werden und Relevanz entfalten, sondern es ist auch eine Anfrage an die deutschen Kirchen – inklusive Universitätsfakultäten, Akademien, Forschungszentren et cetera: Liegt das tatsächlich nur am Antijudaismus, ja Antisemitismus der anderen?
Zuhören können und wollen
Ja, Ökumene ist manchmal mühsam, auch herausfordernd, irritierend und erfordert Geduld, sowie die Bereitschaft zuzuhören. Die bringen die Wenigsten mit. Lieber haut man laut und mit dem alleinigen Anspruch auf Deutungshoheit auf palästinensische Theologie ein, die seit Jahrzehnten versucht, die Botschaft der Bibel auf dem Hintergrund der israelischen Besatzung zu verstehen.
Doch Thomas spannt seine Kritik an den kirchlichen Weltorganisationen und am Weltgebetstag noch weiter auf und versteigt sich in eine theologische Grund- und Generalkritik. Dabei ist seine These, dass in der ökumenischen Bewegung die „vertikale“ (also eine auf Gott ausgerichtete) Theologie durch eine „horizontale“ (sich am Mitmenschen orientierende) ersetzt worden sei, wodurch es zu falschen Konsequenzen in Bezug zu Gott und dem Volk Israel komme.
Es ist zu hinterfragen, ob das „Entweder-Oder“ überhaupt stimmt, das Thomas dabei entwirft. Zum einen wäre zu prüfen, ob es diesen Wechsel tatsächlich gegeben hat. Zumindest beim ÖRK bilden ja zum Beispiel die orthodoxen Kirchen einen signifikanten Teil der Mitgliedskirchen: Gerade bei diesen sind diakonisches und politisches Engagement nicht primär profilbildend, sondern die Anbetung Gottes.
Und dann ist höchst fraglich, ob sich „horizontale“ und “vertikale“ Theologie tatsächlich gegenüberstehen. Will nicht der Gott der hebräischen und der christlichen Bibel einerseits gefürchtet und gefeiert werden, und verweist andererseits dieser Gott nicht ständig den Menschen auf seinen Mitmenschen? Der beste Beleg dafür findet sich in Lukas 10, wo der Jude Jesus von einem jüdischen Gesetzeslehrer gefragt wird, was denn zum ewigen Leben führe und Jesus ihm die Gegenfrage stellt, was denn in der Tora geschrieben stehe. Der Gesetzeslehrer zitiert aus der hebräischen Bibel, dem TeNaK[1]: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“. Thomas sollte eigentlich wissen, dass für die Theologie ein „Sowohl-als-auch“ gilt.
Wie fragwürdig und fehlerhaft Thomas' theologische Herangehensweise ist, verdeutlicht auch der emeritierte Züricher Ethiker Johannes Fischer in zwei aufschlussreichen Texten (siehe hier und hier).
Wohlfeile Schreibtischtheologie
Palästinensische Christen wehren sich gegen „westliche“ Schreibtisch-Theologie, die als Gedankenkonstruktion wunderbar klingt und schlüssig wirkt, die aber einerseits die verfassenden Theologen und -innen nichts kostet, da sie von den Folgen nicht betroffen sind, andererseits aber den tatsächlich Betroffenen die Existenz nimmt. Der Beitrag von Günter Thomas ist ein Paradebeispiel dafür.
Es stößt bitter auf, dass der Bochumer Theologe bei anderen Empathielosigkeit gegen die jüdische Seite reklamiert, zugleich aber die palästinensische Seite fast völlig ignoriert oder verzerrt. Über 26.000 – zumeist zivile – palästinensische Opfer im Gazastreifen sind nur für denjenigen ein Kollateralschaden, dem Menschen nicht gleichwertig sind. Palästinenser sind für Thomas einfach keine Gesprächspartner, und man hat den Eindruck, dass er sich weder mit einem der prägenden aktuellen Theologinnen und Theologen aus dem arabischen Kontext unterhalten hat, noch die Lebenswirklichkeit jenseits der völkerrechtlich illegalen israelischen Sperranlagen wahrgenommen (geschweige denn erlebt) hat. Dabei begegnet Thomas – und ihm ähnlich auch der Wiener Systematiker Ulrich H.J. Körtner– den Palästinensern mit einer grundsätzlichen „Hermeneutik des Verdachts“: Was von palästinensischer Seite kommt, kann dann nur antiisraelisch oder schlimmeres sein.
Die theologischen Ansätze aus Palästina werden unterschiedlich bewertet. Die einen bejubeln sie und schreiben ihnen „prophetisches“ Potenzial zu. Andere halten sie für fragwürdig, national unterlaufen und antijüdisch. Und selbstverständlich gibt es zahlreiche differenzierte Positionen zwischen diesen Extremen.
Jedenfalls ordnen sich die theologischen Ansätze beispielsweise eines Naim Ateek oder Mitri Raheb, einer Nora Carmi oder eines Munther Isaac, eines Michel Sabbah oder eines Jamal Khader Daibes der Befreiungs- beziehungsweise kontextuellen Theologie zu und greifen zum Teil die Empire-Theologie auf. Sie fügen sich in die weltweiten Postkolonialismus- und Imperialismus-Diskurse ein. Sie sind geprägt von einer gesellschaftlichen Situation, die durch jahrzehntelange Besatzung geprägt ist, wobei die Besatzungsmacht Israel heißt. Dadurch entsteht eine Spannung zu biblischen Texten, die diese Christen auf dem Hintergrund ihres Kontextes lesen. Teile des Besatzungssystems werden bewusst an biblische Traditionen angeknüpft, wodurch politische Vorgänge religiös aufgeladen werden. So lesen die Christen im Heiligen Land in der Bibel vom Volk Israel, dem Gott stellvertretend für alle Menschen sowohl Heil verheißt, aber auch ethische Regeln nahelegt. Gleichzeitig erleben sie, dass vor ihrer Tür Panzer eines Staates stehen, der Israel heißt, und die Politik dieses Staates Israel sie drangsaliert. Auf ihrem Land entstehen völkerrechtlich illegale Siedlungen, die sich zum Beispiel „Beth El“ (Haus Gottes) nennen, als würde damit wirklich einfach die Bibel verlebendigt und fortgeschrieben.
Die palästinensische Christenheit zieht außerdem eine Linie hin zur Ur-Kirche. Sie verstehen sich als Erben der ersten Christen, wobei sie sich historischer Brüche und „Umwege“, wie sie gerade für die im Heiligen Land „jüngeren“ Kirchen (etwa Anglikaner, Lutheraner, aber auch die römische Kirche) gelten, durchaus bewusst sind. Identitätsprägend ist dabei für die einheimischen Christen im Heiligen Land, dass sie mit den biblischen „Tatorten“ tatsächlich verbunden sind und das Land der Bibel ihre Heimat ist.
Daher ist es verständlich, wenn sie empfindlich reagieren, wenn ihnen die Existenz und die Existenzberechtigung abgesprochen werden. Etwa wenn sie als kirchengeschichtlicher „Unfall“ angesehen werden und ihnen nahegelegt wird, sich angesichts der Gegenwart Israels unterzuordnen oder gar zu verschwinden. Oder wenn man sie – wie Thomas es tut – knapp vor Terrororganisationen einordnet.
Die weit überwiegend arabischen Christen des Heiligen Landes sind Glaubensgeschwister, deren Beitrag zur weltweiten Kirche nicht minderen Ranges ist, sondern ein zunächst ernstzunehmender Diskursbeitrag, dessen Stichhaltigkeit, Konsistenz und Relevanz sich ebenso zu erweisen hat wie Beiträge etwa eines Professors aus Bochum.
Gefährliche Land- und Staatstheologie
Palästinensische Christen sehen jedenfalls ihre Existenz tiefgreifend infrage gestellt, wenn etwa deutsche Theologen und Theologinnen wie Günter Thomas bezogen auf Israel eine Land- und Staatstheologie entwerfen, die ignoriert, dass Millionen nichtjüdische Menschen unfreiwillig unter dem Besatzungsregime eines Staates Israel leben, dass sie tagtäglich Stück für Stück ihre Heimat verlieren, dass ihnen ihr Land genommen und die Existenzgrundlage abgesprochen werden. Eine „vertikale“, dabei aber unmenschliche evangelische, ja christliche Theologie, die bereit ist, unter Verweis auf Gott Menschen zu opfern, ist hier nicht weiterführend, sondern gefährlich. Sollen wir Christen wirklich an einen Gott glauben, der will, dass Menschen (und darunter auch Christen) in Unfreiheit leben, ihre Heimat verlieren, entrechtet werden und in hoher Zahl sterben?
Wer neuzeitliche israelische Landnahme religiös verbrämt, gesteht zu, dass weit weg von Bochum oder Frankfurt a. M. ein angeblich gottgewollter Staat errichtet wird: Thomas würde dabei nichts verlieren. Das palästinensische Recht auf Heimat und Landbesitz wird einfach nachgeordnet. Die biblische Grundidee, dass das Land auch nicht den Juden, sondern Gott gehört – und somit von Israelis und Palästinensern gleichermaßen nur „geliehen“ ist – taucht bei Thomas nicht auf.
Dabei gibt es die eine jüdische Perspektive auf das Land Israel wie auch auf den Staat Israel nicht: Da ist die jüdische Diaspora, die gar nicht in Israel lebt. Oder die haredischen Juden, die die israelische Staatsgründung als Menschenwerk ablehnen. Und viele israelische Bürgerinnen und Bürger messen ihrem Staat überhaupt keine theologische Bedeutung bei, sondern wünschen sich einen säkularen, demokratischen Staat. Schließlich werden auch die nichtjüdischen Bürgerinnen und Bürger Israels in einer solchen Land- und Staatstheologie nicht bedacht. Sie alle haben in Thomas‘ Gedanken keinen Platz. Vielmehr verbündet er sich letztlich nur mit dem nationalreligiösen Strang des Judentums.
Dem israelischen Staat eine exklusive Dignität, ja Gottverbundenheit zuzuschreiben, die keinem anderen Staat zukommt, sondert wieder einmal Juden aus, anstatt sie gleichberechtigt Bürgerinnen und Bürgern anderer Staaten gleichzustellen: Jüdische Israelis müssen sich, wenn man Thomas‘ theologischen Ansatz zu Ende denkt, nicht an internationale Konventionen halten, weil ihr Staat eine eigene, einer menschlichen Beurteilung entzogene Kategorie bildet.
Wer wie Thomas definiert, dass der Staat Israel eine Konkretion, ja Inkarnation des Weges Gottes ist, geht weit über die Aussagen etwa des Rheinischen Synodalbeschlusses von 1980 hinaus, die dem israelischen Staat eine semiotische Bedeutung zuschreibt: Mit dem Synodalbeschluss wird die Möglichkeit eröffnet, in der Existenz dieses Staates ein Handeln Gottes zu sehen – oder auch nicht. Wenn daraus aber ein Fakt und Schibboleth konstruiert wird, wird aus der individuellen Glaubensaussage ein verpflichtendes Glaubensbekenntnis.
Fragwürdiges Pflichtbekenntnis zum Staat Israel
Es ist letztendlich inkonsequent, wenn Thomas erst fordert, dem Recht des Volkes Israel auf Land und Staat sei uneingeschränkt zuzustimmen, er dann aber anmerkt, „Samaria“ und „Judäa“ könnten davon doch ausgeschlossen sein: Dann kann kein Nichtjude definieren, wo die Grenzen eines Staates Israel sein sollen. Und damit wird ein weiteres Dilemma eines theologischen Pflichtbekenntnisses zum Staat Israel deutlich. Die Bibel kennt unterschiedliche Landverheißungen: Wie will man nach der Logik von Thomas einem Landanspruch jüdischer Großisrael-Vertreter widersprechen, die das Land von Damaskus bis zum „Bach Ägyptens“ beanspruchen und für die auch das Ostjordanland gottgegeben ist?
Das Volk Israel hat in seiner Geschichte erlebt, dass es seine Eigenstaatlichkeit verloren hat. Wenn dem modernen Staat Israel eine göttliche Dignität zugeschrieben wird, dann stellt sich die Frage: Was ist denn die theologische Konsequenz, falls dieser Staat im Laufe der Geschichte wieder verschwinden würde (was wir nicht wünschen, was aber dem Staat Israel ebenso wie jedem anderen Staat geschehen könnte)? Wäre das dann auch göttliches Handeln und göttlicher Wille?
Grundsätzlich hinterfragt werden muss die bei Thomas und zahlreichen anderen Vertreterinnen und Vertretern des jüdisch-christlichen Gesprächs die Einstellung, im Dialog mit dem Judentum hätte die christliche Seite – um nicht antisemitisch zu sein – alle jüdischen Positionen anzuerkennen, während asymmetrisch die jüdische Seite hingegen christliche Glaubensweisen ablehnen dürfe. Selbstverständlich dürfen auch Christen jüdische Sichtweisen ablehnen. Die Wahrnehmung der Differenz ist noch kein Antisemitismus. Sie wird erst zum Problem, wenn Unterschiede zu einer umfassenden Ablehnung und Herabwürdigung des Judentums führen.
Land als religiöse Kategorie?
So wie Juden die Messianität Jesu und die Inkarnation Gottes ablehnen, dürfen Christen Land beziehungsweise ein spezifisches Land als religiöse Kategorie als überwunden ansehen oder den Tempeldienst inklusive Opfer, die manche jüdische Gruppen wieder installieren wollen, für obsolet halten. Um für die Existenz des Staates Israel einzutreten, reicht das Völkerrecht völlig aus. Es braucht dafür keine theologische Begründung, die in fragwürdige und gefährliche Konstruktionen führt.
Fraglos hat der Horror des 7.Oktober offengelegt, dass ein „Weiter so!“ bezüglich Israel und der Palästinenser nicht tragfähig ist. Das muss auch Konsequenzen für die Kirchen in Deutschland wie in der Ökumene haben. Die oft von den deutschen Kirchen beschworene „doppelte Solidarität“ ist zu prüfen: War sie bisher wirklich ein doppeltes Denken an Israel und Palästinenser und ein Zur-Seite-Stehen beider? Oder erlaubte sie nur den einen, ungestört ihre jüdischen Verbindungen zu pflegen, und den anderen, sich fokussiert auf der arabischen Seite zu engagieren?
Es ist dringend notwendig, dass die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) der EKD und des EMW die eigene Position zu Israel und Palästina neu beschreibt. Die gültige Beschreibung stammt aus dem Jahr 2017. Seitdem haben sich die Umstände deutlich verändert. Zugleich müssten die Vertreter des christlich-jüdischen Dialogs überdenken, wie sie ihre Einsichten vermitteln, damit diese tatsächlich Breitenwirkung entfalten. Dies gilt sowohl für die kirchliche und gesellschaftliche Alltagswirklichkeit in Deutschland wie für den Austausch mit anderen Kirchen in der Ökumene.
Und dann müssen in der akademischen Theologie, aber auch insgesamt im gesellschaftlichen Diskurs, die Tugenden des Zuhörens, des Aushaltens von Differenzen und Argumentierens auf Augenhöhe wieder eingeübt und gepflegt werden. Der Antisemitismus-Vorwurf darf nicht zum Totschlag-Argument für unbequeme Meinungen werden. Für den dringend nötigen Kampf gegen tatsächlichen Antisemitismus, der in Deutschland ein erschreckendes Ausmaß angenommen hat, wäre dies ein Bärendienst.
Katja Dorothea Buck
Katja Dorothea Buck ist Religionswissenschaftlerin und Politologin und arbeitet seit mehr als 20 Jahren zum Thema Christen im Nahen Osten, Ökumene und Dialog.
Jens Nieper Jens Nieper ist evangelischer Gemeindepfarrer in Dortmund und war zuvor unter anderem Referent bei der EKD für den Nahen und Mittleren Osten sowie für die kirchlichen Weltbünde, und er ist Vorsitzender des Unterausschusses für den Nahen und Mittleren Osten der Evangelischen Kirche von Westfalen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
«Wir sind bereit zu verhandeln» – Putin im Interview mit Tucker Carlson über mögliches Kriegsende
transition-news.org, vom Veröffentlicht am 10. Februar 2024 von TG.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Interview mit dem US-Journalisten an die ukrainisch-russischen Verhandlungen im Frühjahr 2022 in Istanbul erinnert. Damals sei eine Friedenslösung möglich gewesen, bestätigt er.
Erwartungsgemäss hat das Interview, das der US-Journalist Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin führte und in der Nacht zum Freitag veröffentlichte, für Aufsehen gesorgt. Die meisten ablehnenden Reaktionen aus Medien und Politik im Westen sind nicht überraschend. Auf der Strecke bleibt dabei wieder einmal der Inhalt, das, was Putin aus russischer Sicht auf den Konflikt mit dem Westen und den Krieg in der Ukraine tatsächlich sagt.
Er äusserte sich im Interview auch zu den ukrainisch-russischen Verhandlungen im Frühjahr 2022 in Istanbul. Diese gelten bis heute als mögliche Chance für eine schnelles Ende der Kampfhandlungen nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022. Zugleich handelt es sich um eine vertane Chance, wofür vor allem das westliche Interesse an einem Krieg gegen Russland verantwortlich ist.
Russlands Präsident hatte am 21. September 2022 erstmals öffentlich davon gesprochen, als er eine Teilmobilmachung ankündigte. Er sagte damals:
«Auch nach dem Beginn der Militäroperation, auch während der Verhandlungen in Istanbul, haben die Vertreter Kiews sehr positiv auf unsere Vorschläge reagiert, und diese Vorschläge betrafen in erster Linie die Sicherheit Russlands, unsere Interessen. Es ist jedoch offensichtlich, dass dem Westen eine friedliche Lösung nicht passte, so dass Kiew, nachdem bestimmte Kompromisse erzielt worden waren, den direkten Befehl erhielt, alle Vereinbarungen zu zerreissen.»
Seitdem gab es zahlreiche Beiträge zu dem Thema und vor allem zu der Frage, warum die damals anscheinend aussichtsreichen Verhandlungen, die vor allem auf Kiewer Initiative zustande kamen, scheiterten. Der ehemalige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg schrieb am 14. November 2023 dazu:
«Bereits einen Monat nach Beginn der russischen Militärintervention in der Ukraine, waren die ukrainischen und russischen Unterhändler einem Waffenstillstand und einer umfassenden Friedenslösung des Konfliktes sehr nahegekommen.»
Ukrainische Bestätigungen
Eine ausführliche Rekonstruktion der Ereignisse stammt unter anderem von Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat und Politikwissenschaftler Hajo Funke aus dem Oktober 2023, zuerst veröffentlicht im Schweizer Magazin Zeitgeschehen im Fokus.
Am 5. Dezember 2023 erklärte der ukrainische Diplomat Oleksandr Chalyi, der in Istanbul dabei war, bei einer Veranstaltung des Geneva Centre for Security Policy:
«Wir verhandelten mit der russischen Delegation praktisch zwei Monate lang, im März und April, über ein mögliches Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland. Und wir haben, wie Sie sich erinnern, das so genannte Istanbuler Kommuniqué abgeschlossen. Und wir waren Mitte oder Ende April kurz davor, unseren Krieg mit einer friedlichen Lösung zu beenden.»
Zu beachten ist, was Chalyi ausserdem sagte:
«Putin wollte also wirklich eine friedliche Lösung mit der Ukraine erreichen. Das darf man nicht vergessen.»
Chalyis Aussagen werden von Oleksyi Arestowytsch, ehemaliger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bestätigt, der ebenfalls an den Verhandlungen in Istanbul beteiligt war. In einem am 15. Januar 2024 veröffentlichten Interview mit dem US-Magazin Unherd sagte er zum Verhandlungsergebnis: «(…) es war das beste Abkommen, das wir hätten abschliessen können.»
Auf die Frage, ob die Verhandlungen erfolgreich waren, antwortete er: «Ja, vollständig. Wir haben die Champagnerflasche geöffnet. Wir hatten über Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Fragen der russischen Sprache, der russischen Kirche und vieles mehr gesprochen.»
Kiew brach Verhandlungen ab
Selenskyj sei sogar bereit gewesen, mit Putin über den Umfang der ukrainischen Armee zu sprechen. «Die Vereinbarungen von Istanbul waren ein Absichtsprotokoll und bereiteten zu 90 Prozent ein direktes Treffen mit Putin vor», so Arestowytsch. Das sollte der nächste Schritt der Verhandlungen sein, wie er erklärte.
Arestowytsch berichtete, als die Delegation aus Istanbul nach Kiew zurückkam, habe es inzwischen die Berichte über das angebliche Massaker in Butscha bei Kiew gegeben, das Russland angelastet wird. Der Präsident habe erklärt, die Verhandlungen würden abgebrochen. Arestowytsch erklärte auf die Frage nach der Ursache, er wisse nicht, ob der Besuch des britischen Premiers Boris Johnson am 9. April 2022 oder Butscha dafür ausschlaggebend waren.
Niemand wisse, worüber Selenskyj und Johnson konkret miteinander gesprochen haben. Sicher sei nur, Anfang April sei «etwas passiert», was zum Abbruch der Verhandlungen führte. Auf die Frage, wann die Verhandlungen wieder aufgenommen würden, habe Selenskyj gesagt: «Irgendwo, irgendwann, aber nicht jetzt.» Auf die Frage, ob die russische Seite aufrichtig gewesen sei, antwortete Arestowytsch: «Die Russen zeigten sich bereit, die Verhandlungen fortzusetzen, und wir lehnten ab.»
Moskauer Bereitschaft
Im Interview mit Carlson sagte Putin nun dazu, im Hintergrund der Verhandlungen hätten die Vertreter europäischer Staaten von Moskau verlangt, «Bedingungen für eine endgültige Unterzeichnung der Dokumente» zu schaffen. Kiew würde einen Vertrag nicht «mit der Pistole an der Schläfe» unterzeichnen. Russland habe daraufhin seine Truppen aus der Umgebung von Kiew abgezogen, so Putin gegenüber Carlson. Die Folge beschreibt er so:
«Sobald wir unsere Truppen aus Kiew abgezogen hatten, warfen unsere ukrainischen Unterhändler sofort alle in Istanbul getroffenen Vereinbarungen in den Papierkorb und bereiteten sich mit Hilfe der Vereinigten Staaten und ihrer Satelliten in Europa auf eine lange bewaffnete Konfrontation vor. So hat sich die Situation entwickelt. Und so sieht sie auch jetzt aus.»
Dabei hätten die Verhandlungen in Istanbul «ein sehr hohes Stadium der Einigung auf die Positionen eines komplexen Prozesses» erreicht und seien «fast abgeschlossen» gewesen. Doch nach dem russischen Truppenabzug aus der Region Kiew habe «die andere Seite, die Ukraine, all diese Vereinbarungen über Bord geworfen und die Anweisungen der westlichen Länder – der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten – akzeptiert, Russland bis zum Ende zu bekämpfen», wiederholte Putin im Laufe des Interviews.
«Mehr noch: Der ukrainische Präsident hat ein Verbot von Verhandlungen mit Russland erlassen. Er hat ein Dekret unterzeichnet, das jedem verbietet, mit Russland zu verhandeln. Aber wie sollen wir verhandeln, wenn er es sich selbst verboten hat und allen verboten hat?»
Er kommt im weiteren Verlauf des Interviews noch einmal darauf zurück, als Carlson ihn fragt, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jetzt «die Freiheit hat, mit Ihrer Regierung zu sprechen und und zu versuchen, seinem Land in irgendeiner Weise zu helfen?» Der Kiewer Präsident habe von den Vereinbarungen von Istanbul gewusst, so Putin.
Mögliches Ende der Feindseligkeiten
Putin verweist darauf, dass der damalige ukrainische Verhandlungsleiter Dawyd Arachamyja damals die Vereinbarungen mit seiner Unterschrift paraphiert hatte, ein Vorgang, um einen Verhandlungsstand festzuhalten und spätere Änderungen zu verhindern. In Istanbul sei «ein grosses Dokument» erstellt worden, dass den Krieg hätte beenden können.
Arachamyia hatte in einem TV-Interview im November 2023 nicht nur die Verhandlungen erneut bestätigt, auch wenn er die behandelten Vorschläge anders darstellt als er sie am 29. März 2022 selbst beschrieb. Auch darauf weist Putin hin, ebenso wie auf Arachamyjas Aussage:
«Als wir aus Istanbul zurückkamen, kam Boris Johnson nach Kiew und sagte, dass wir überhaupt nichts unterschreiben und einfach kämpfen sollten.»
Die Tatsache, dass sich Kiew der Forderung des ehemaligen britischen Premierministers Johnson beugte, bezeichnet Putin als «lächerlich und sehr traurig». Arachamyja habe bestätigt, «wir hätten diese Feindseligkeiten, diesen Krieg schon vor anderthalb Jahren beenden können, aber wir wurden von den Briten überredet und haben uns geweigert, dies zu tun».
Der russische Präsident erklärt dem US-Journalisten, entscheidend sei, ob die ukrainische Führung an den Verhandlungstisch zurückkehren wolle. Selenskyj müsse dazu nur das Dekret über das Verbot von Verhandlungen mit Russland vom Oktober 2022 aufheben – «das ist alles». Russland habe sich nie geweigert, zu verhandeln, betont er.
Anhaltende Verhandlungsbereitschaft
Gefragt nach den westlichen Motiven, einen Verhandlungsfrieden zu verhindern, sagt Putin:
«Ich weiss es nicht, ich verstehe es selbst nicht. Es gab eine allgemeine Haltung. Aus irgendeinem Grund hatte jeder die Illusion, dass Russland auf dem Schlachtfeld besiegt werden könnte – aus Arroganz, aus reinem Herzen, aber nicht aus einem grossen Geist.»
Gegen Ende des Interviews wiederholt der russische Präsident, dass die russische Führung Verhandlungen nicht verweigert, anders als die westliche Seite und die Ukraine als «Satellit der Vereinigten Staaten». Und er fügt gegenüber Carlson hinzu:
«Sagen Sie der heutigen ukrainischen Führung: Hören Sie zu, setzen wir uns zusammen, verhandeln wir, heben Sie Ihr dummes Dekret auf, setzen Sie sich zusammen und verhandeln Sie. Wir haben uns nicht geweigert.»
Die Verhandlungen abgebrochen zu haben, sei ein Fehler Kiews gewesen, den man korrigieren müsse: «Ja. Bringen Sie es in Ordnung. Wir sind so weit. Was noch?» Moskau sei bereit für den notwendigen Dialog, betont Putin. Das Problem des Westens und Kiews sei, «dass niemand mit uns verhandeln will, oder, um genauer zu sein, sie wollen, aber sie wissen nicht wie. Ich weiss, dass sie es wollen – nicht nur ich sehe es, sondern ich weiss, dass sie es wollen, aber sie wissen nicht, wie sie es machen sollen.»
Eine faire Diskussion ist uns ein grosses Anliegen. Deshalb bitten wir Sie, sachliche Kommentare zu verfassen. Beleidigende und hetzerische Kommentare publizieren wir nicht. Zum Verständnis und für Leserlichkeit achten Sie bitte auf Gross-/Kleinschreibung, Interpunktion und Grammatik.
Ich habe mir soeben das gesamte Interview angeschaut. Schönste Stelle darin, dass die gewählten US-Präsidenten nichts sebst zu entscheiden haben, das heisst, nicht direkt verhandeln, sondern in Kernfragen immer erst ihren "Beraterstab" die Fragen zur politischen Entscheidung vorlegen müssen, der US-Wähler demnach nach der Wahl seiner demokratischen Rechte beraubt ist, denn er hat ja eine Person gewählt, von der er meint, dass diese ihn am besten in seinen Interessen vertritt. Insofern dann ein skandalträchtiges Interview und kein Skandalinterview wie auf n-tv kolportiert. Der zweite sehr auffällige Punkt, der die Person Putins selbst betrifft: er hält die Tür auch da noch offen, wo er sie schon für immer längst hätte zuschlagen müssen. Das betrifft ganz besonders den vom CIA veranstateten Maidan und damit die Aushebelung der durch Steinmeier und Co für den Herbst 14 ausgehandelten Wahlen, die eigentlich nur eine good-will-Aktion des rechtmässig gewählten Präsidenten der Ukraine Janukowitschs waren. Und des charakterlosen Verhaltens der Europäer unter Führung Herrn Steinmeiers, der, das kann man heute rückwirkend mit Sicherheit schliessen, von seiner besonders charakterlosen Chefin Merkel, die mit Minsk II Russland gnadenlos im Sinne ihrer US-Herren hinter die Fichte geführt hat, instruiert worden war, dass er sich aus der Sache zurückzuziehen habe und der sich dann hingestelllt hat, dass ja Janukowitsch, wohlgemerkt der damaige gewählte rechtmässige Präsidente der Ukraine, der durch eine Flucht sein Leben vor dem CIA gerettet hatte, mit seiner Flucht gezeigt habe, dass er sich Wahlen nicht stellen wolle. So wird man Bundespräsident. Jedes Thema einer eigentlich unversöhnlichen Situation zwischen Russland und dem Westen wie dieser wurde von Putin wie ein nicht zu beschädigendes rohes Ei behandelt, so dass man über diese Situation immer noch sprechen kann. Sieht charakterlos und wie eine Underdogeinstellung aus, ist aber von einer Weisheit geprägt, die in sich grosse Stärke trägt. Hier liegt wohl auch eines der grossen Missverständnisse des Westens im Umgang mit Russand: man meint wohl, man könne in diese gezeigte "Schwäche" Russands hineinstossen und hat sich dabei verschätzt. Politisch und militärisch. Interessant auch, die versöhnliche Einschätzung Putins einer künftigen Entwicklung zwischen Russland und der Ukraine aus der Geschichte und den gewachsenen wirtschaftlichen und familiären Beziehungen zwischen beiden Ländern heraus, die einer langen Heilungsphase bedürften und natürlich implizieren, dass der Westen seine blutbeschmierten Hände aus diesem Gebiet abzieht. Zu einer genaueren Analyse müssen wir eine autorisierte Übersetzung abwarten. Das nächste Bubenstück pöser Kremlpropaganda.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
Waffenstillstand oder Krieg – Blitztour von US-Außenminister Blinken durch den Mittleren Osten ohne Ergebnis
nachdenkseiten.de, 10. Februar 2024 um 14:00
Ein Artikel von Karin Leukefeld
Zum fünften Mal ist Antony Blinken durch den Mittleren Osten gereist. Er besuchte Saudi-Arabien, Ägypten, Katar, Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde im von Israel besetzten Westjordanland. An- und Abreise waren von Angriffen des US-Militärs in Syrien und Irak begleitet. Als Vergeltung für einen tödlichen Drohnenangriff auf die US-Militärbasis „Tower 22“ im syrisch-jordanischen Grenzgebiet, bei dem drei US-Soldaten getötet worden waren, feuerte die US-Armee 125 Raketen auf 85 Ziele an sieben Orten im syrisch-irakischen Grenzgebiet (2. Februar 2024). Mehr als 30 Zivilisten und Soldaten starben. In Bagdad wurden drei Angehörige von Hascht Schaabi bei einem Drohnenangriff auf ihr Fahrzeug getötet (8. Februar 2024).
Die US-Administration bezeichnet ihre Angriffe als „Selbstverteidigung“ und beruft sich auf Artikel 51 der UN-Charta. Die bewaffneten Gruppen des „Islamischen Widerstandes im Irak“ und Syrien haben seit Beginn des Krieges gegen Gaza mehr als 160 Mal US-Militärbasen im Irak, Syrien und Jordanien angegriffen. Sie fordern den Abzug der US-Truppen aus Syrien und ein Ende der US-geführten „Anti-IS-Allianz“, in deren Rahmen Soldaten aus Dutzenden Staaten u.a. im Irak stationiert sind. Dringlichstes Ziel für die Kampfverbände, die sich „Achse des Widerstandes“ nennen, ist das Ende der US-Unterstützung für den israelischen Krieg gegen Gaza und ein sofortiger Waffenstillstand. Die USA sprechen von „Stellvertretern des Irans“ und machen den Iran für die Angriffe verantwortlich.
Skepsis und Absagen
Noch bevor Blinken wieder nach Washington zurückkehrte, wurde bekannt, dass seine Vermittlungsmission in der Region wenig Zustimmung erhielt. Ägypten drohte, den Friedensvertrag mit Israel (26. März 1979) zu lösen, sollte Israel die Palästinenser aus dem Gazastreifen in die ägyptische Wüste Sinai vertreiben. Saudi-Arabien ließ Blinken wissen, dass eine „Normalisierung“ der Beziehungen mit Israel nur in Frage käme, wenn der Krieg in Gaza beendet sei, die israelische Armee sich aus dem Küstenstreifen zurückgezogen habe und wenn Israel einen unabhängigen Staat Palästina in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt anerkannt habe. In Katar wurde Blinken die „generell positive“ Reaktion der Hamas auf einen Waffenstillstandsplan mitgeteilt, der von den Geheimdiensten der USA (CIA), Israels (Mossad), von Ägypten und Katar vorgelegt worden war. In Tel Aviv allerdings machte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gegenüber Blinken klar, dass die von der Hamas vorgelegten Änderungen an dem Entwurf für ihn unakzeptabel seien. Israel werde „bis zum totalen Sieg“ die Hamas in Gaza bekämpfen, so Netanyahu. Er habe die israelischen Streitkräfte angewiesen, eine Offensive auf die südisraelische Stadt Rafah vorzubereiten.
Die Hamas hatte nach mehrtägigen Beratungen einem Vorschlag für einen Waffenstillstand prinzipiell zugestimmt, hat aber Berichten zufolge eigene Forderungen hinzugefügt. Der ursprüngliche Vorschlag war Ende Januar von Geheimdienstmitarbeitern des israelischen Mossad, der US-amerikanischen CIA, von Ägypten und Katar in Paris ausgehandelt worden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, die nach eigenen Angaben das Papier „eingesehen“ habe, soll die Hamas einen dreistufigen Waffenstillstand über 135 Tage (jeweils 45 Tage) vorgeschlagen haben, der zum Ende des Krieges führen solle.
Gaza in der Schwebe
Internationale und UN-Hilfsorganisationen warnen seit Tagen vor einem israelischen Großangriff auf Rafah, wo aktuell mehr als eine Million Menschen auf engstem Raum, in einfachen Zelten, in Regen und Wind versuchen, sich zu schützen. Neben Kämpfen zwischen israelischen Truppen und palästinensischen Kämpfern sind die Menschen ungebremsten Bombardierungen der israelischen Streitkräfte aus der Luft, von Land und vom Wasser ausgesetzt. Hilfslieferungen warten am Grenzübergang Rafah, weil die israelische Seite ihre Durchfahrt mit unübersichtlichen Kontrollen der Waren verzögert und verschleppt. Krankenhäuser werden von der israelischen Armee belagert und alle Zugänge gesperrt, bevor die Ärzte aufgefordert werden, die Einrichtung zu evakuieren.
Die Al Amal-Klinik in Khan Younis wurde Anfang der Woche (5. Februar 2024) nach einer 14-tägigen Belagerung von den israelischen Streitkräften zur Evakuierung von Kranken und schutzsuchenden Inlandsvertriebenen gezwungen. Rund 8.000 Menschen machten sich auf den Weg nach Rafah, das Israel trotz Markierung als „sicheres Gebiet“ seit Beginn des Krieges bombardiert. UNICEF und andere UN-Hilfsorganisationen sowie der UN-Generalsekretär António Guterres sprechen von katastrophalen, unhaltbaren Zuständen für die Bevölkerung. Für Kinder sei das Leben in Gaza ein „nicht endender Albtraum“, so ein UNICEF-Sprecher.
„Sollen wir alle verhungern?“
Ein Familienvater, der der Autorin bekannt ist, namentlich aber nicht genannt werden möchte, sandte nach langer Pause vor wenigen Tagen an seine Freunde in Deutschland die folgende Nachricht:
„Liebe Freundinnen und Liebe Freunde,
vor einer Woche mussten wir wieder unsere Notunterkunft verlassen, weil sie bombardiert wurde. Zum vierten Mal mussten wir unsere Habseligkeiten irgendwie zusammenpacken und wieder nach einer anderen Unterkunft suchen – und das, während um uns herum in Sichtweite geschossen wurde und Bomben fielen.
Auch wo wir jetzt sind, ist es jetzt eng und menschenunwürdig. Das Dach ist nicht dicht und der Regen kommt durch. Und es hat in letzter Zeit einige Tage ununterbrochen geregnet und es ist kalt. Als hätten wir nicht ohne den Regen schon genug Probleme zu bewältigen.
Der Platz in der Unterkunft reicht nicht für alle, deshalb schlafen die Männer reihum draußen im Zelt. Ich habe keine warmen Socken, keinen warmen Pullover. Nichts. Ich friere wie auch die anderen und kann deshalb nicht schlafen. Und ich kann auch nicht schlafen, weil um uns herum die Bomben zu hören sind und die Krankenwagen. Immer könnten wir auch getroffen werden. Seit vier Monaten ist dieser Gedanke, sind die Ängste, die Sorge um die Familie immer da. Nein, ich habe mich nicht an dieses Leben gewöhnt. Wir alle nicht. Und hinzukommt, dass wir uns von der Welt, von der Weltpolitik total verlassen fühlen.
Wir leben unter unvorstellbaren Bedingungen. Wir haben nichts getan und müssen leiden und die Welt schaut zu. Oder sie hat uns inzwischen vergessen.
Täglich kämpfen wir ums Überleben und sind immer damit beschäftigt, Lebensmittel zu finden. Alle sind wir dünner geworden, denn es gibt nicht genug zu essen. Die Hilfe durch die UNWRA kommt nur sehr langsam an und ist immer zu wenig. In den vergangenen Monaten habe ich kaum etwas davon bekommen.
Ich habe gehört, dass die Welt und auch Deutschland jetzt jede Lebensmittelunterstützung durch die UNWRA gestoppt haben. Ich kann es kaum glauben, denn das bedeutet, dass wir alle verhungern sollen. Wenn wir nicht durch Bomben sterben, sollen wir verhungern. Das will auch Deutschland? Was sagen meine Freundinnen und Freunde dazu? Lasst ihr uns alle verhungern?
Auf dem privaten Markt wird fast nichts mehr angeboten und wenn, dann zu astronomischen Preisen, die wir uns nicht leisten können. Sogar Grundnahrungsmittel sind unerschwinglich. 10 Eier kosten umgerechnet 8 Euro, 1Kg Zwiebeln auch 8 Euro. Babywindeln kosten das Paket mehr als 65 Euro. Gemüse, Salz, Zucker, Öl, das alles können wir uns nicht leisten. Seit Beginn des Krieges werden keine Medikamente für den privaten Markt mehr eingeführt. Unsere Gehälter haben wir seit Oktober nicht bekommen.
Das alles ist der Wahnsinn. Wie soll es weitergehen?
Unser Leben in Gaza ist unerträglich, weil wir
von Tod und Zerstörung umgeben sind
kein Dach über dem Kopf haben
kaum etwas zu essen und zu trinken finden
weil die Luft, die uns umgibt, durch Bombenexplosionen extrem verschmutzt ist
weil Krankheiten und Verletzungen nicht behandelt werden können.
Damit uns ein kleines bißchen Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben bleibt, setzt euch bitte dafür ein, dass der Beschluss des Internationalen Gerichtshof für Gerechtigkeit!!! ICJ umgesetzt wird und dieser Wahnsinn mit einem vollständigen Waffenstillstand aufhört.
In der Hoffnung, dass dieser furchtbare Krieg sofort beendet wird, verbleibe ich mit traurigen Grüßen …“.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Steven Chu, Physik-Nobelpreisträger und von 2009 bis 2013 US-Energieminister unter Barack Obama, wirft Deutschland eine falsche Energiepolitik vor.Insbesondere die Grünen kritisiert er hart: Von ihnen kämen „viele Falschinformationen“. Die Haltung der Partei sei nicht mit „unserer zukünftigen Realität vereinbar“.
Der amerikanische Physik-Nobelpreisträger Steven Chu hat Deutschlands Atomausstieg in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kritisiert und dem Land dringend geraten, seine Entscheidungen in der Energiepolitik zu überdenken.
Die Schwerindustrie, insbesondere die chemische und petrochemische Industrie, habe Fabriken, „die man nicht einfach ein- und ausschaltet, nach dem Motto: Ups, wir haben gerade keinen Strom mehr, also fahren wir sie mal für einen Tag runter. Selbst eine Montagefabrik, eine Autofabrik oder eine Halbleiterfertigungsanlage benötigt extrem stabilen Strom“, sagte Chu.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
unser weiterer Kommentar: zu Atomwaffen wie zurAtomkraft
Was wenn die Infragestellung des Atomausstiegs, angesichts teils mit verschuldeter gegenwärtiger Krisen, nun zu einer Frage mit kurzer Bedenkzeit hochstilisiert wird, da doch die ersten Stimmen bereits damit anfangen? Waren dann Mutlangen wie Wackersdorf, stellvertretend für alle Proteste, zum Schluss doch völlig vergebens?
Ist immer auch im Zusammenhang mit unserer sog. Nuklearer Teilhabe der Militärs zu sehen: z. B. "Plutonium 239, Halbwertzeit 24 400 Jahre, das giftigste Element überhaupt; kommt in der Natur nicht vor; Brennstoff des Schnellen Brüters und Grundsubstanz für den Bau einer Atombombe; Anreicherungin der Lunge; 500 Gramm in der Atmosphäre feinverteiltes Plutonium kann bei 9 Milliarden Menschen Lungenkrebs auslösen. " (aus Max Daunderer, Handb. d. Umweltgifte, Landsberg/Lech, ecomed 1990)
Die Watchlist EUropa vom 10. Februar 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Alle reden von Tucker Carlson und Wladimir Putin. Alle? Nein, in der Brüsseler Blase gibt es andere Themen. Carlson und Putin sind für die meisten EU-Politiker die Inkarnation des Bösen, darüber redet man nicht.
Die EU befasst sich lieber mit sich selbst und ihren eigenen, stets wegweisenden und vorbildlichen Gesetzen. Diese Woche war das Lieferketten-Gesetz an der Reihe – doch es wurde nicht verabschiedet. Die FDP bremste.
Dabei kam es zu einem doppelten Riss: Erst in Berlin, wo sich die Liberalen mit SPD und Grünen überworfen haben. Dann in Brüssel, wo es wegen der deutschen Enthaltung plötzlich keine (qualifizierte) Mehrheit mehr gab.
Allerdings wäre es zu simpel, allein der FDP die Schuld in die Schuhe zu schieben. Auch Italien und mehrere kleine Länder hatten Bedenken angemeldet. Wie und wann es nun weiter geht, ist unklar.
Deutlich ist allerdings geworden, dass die EU-Gesetzgebung mehr und mehr einem Glücksspiel gleicht. Dieselbe FDP, die bei den Lieferketten bockte, lenkte bei neuen Abgasnormen für LKW in letzter Minute ein.
Eine Zitterpartei war auch die Reform der Schuldenregeln. Dort erhob das Europaparlament noch am Freitag schwere Bedenken; die Einigung auf neue Sparvorgaben gelang erst in der Nacht zu Samstag.
Offenbar funktioniert die EU-Gesetzgebung nicht richtig. Alle oben genannten Regulierungen wurden noch vor der Weihnachtspause durchgepeitscht, viele Details sind offen oder geheim geblieben.
Da muß man sich nicht wundern, wenn es zum Schluß kracht. „Schaut her, wir haben alle Probleme gelöst“, will die EU vor der Europawahl verkünden. In Wahrheit ist genau das das Problem.
Was war noch? Die EU-Staaten haben die umstrittene Asylreform angenommen. Damit übernimmt die EU viele Forderungen der Rechten; geplant sind u.a. neue Grenzverfahren und mehr Abschiebungen.
Einen schweren Rückschlag gab es in der Ukraine-Politik. Präsident Selenskyj hat seinen Armeechef entlassen; angesichts der miesen Lage an der Front kommt dies einem Offenbarungseid gleich.
Und US-Präsident Biden hat es nicht geschafft, eine Hilfspaket für Kiew durchzubringen. Nun könnte es zu einem Bruch in der transatlantischen Solidarität kommen – die EU sitzt in der Falle…
US-Präsident Biden ist mit dem Versuch gescheitert, 60 Mrd. Dollar für die Ukraine freizugeben. Nun steht die EU dumm da – muß sie ihre Hilfe aufstocken?
Der ukrainische Staatschef Selenskyj hat erstmals öffentlich eingeräumt, dass ein Kurswechsel nötig ist. Er will gleich mehrere „Führer“ feuern. Kommt nun die befürchtete autoritäre Wende?
Die EU will ihre Unterstützung für die Ukraine im neuen Jahr massiv ausweiten. Die 50 Milliarden-Finanzspritze war erst der Anfang, so Chefdiplomat Borrell.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
Nachrichten von Pressenza: Der britische Richter des Vereinten Königreichs weist Greta Thunbergs Klage wegen der Blockade einer Ölkonferenz ab
Der britische Richter des Vereinten Königreichs weist Greta Thunbergs Klage wegen der Blockade einer Ölkonferenz ab
Bezirksrichter John Law wies den Fall gegen die 21-jährige schwedische Aktivistin und vier andere Aktivist*innen am zweiten Tag ihres Prozesses in London ab. In seinem Urteil sagte Law, dass die den Demonstrierenden auferlegten Bedingungen „so unklar, dass sie rechtswidrig sind,…
Die Open Arms wird erneut in Italien festgehalten: der ständige Kampf gegen die Hindernisse bei der Rettung von Menschen im Mittelmeer
Das humanitäre Rettungsschiff Open Arms wurde erneut von den italienischen Behörden im Hafen von Crotone festgehalten. Diese Aktion zeigt eine weitere Folge bei einer Reihe von Hindernissen, mit denen Rettungsorganisationen bei ihren Einsätzen zu kämpfen haben, um Menschen zu helfen,…
Die antifaschistische Protestwelle in Deutschland bildet die letzte Chance auf die Verhinderung eines faschistischen Krisenregimes. Die sich derzeit entfaltende, antifaschistische Massenbewegung scheint einem Befreiungsschlag aus der bleiernen Schwere jahrelanger Faschisierung gleichzukommen. Einem Massenerwachen gleich, realisieren Millionen von Menschen, wie weit…
Befreit Julian Assange: Kann Musik noch einmal helfen, einen politischen Gefangenen zu befreien? Dieser Weltchor versucht es. Rainer Bartesch, ein deutscher Hornist, Alphornspieler und Komponist veröffentlichte gestern das «Julian-Assange-Mantra». Der Journalist und Whistle Blower Julian Assange steht unter Anklage der…
Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.
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11.02.2024
Russischer Botschafter zu den deutsch-russischen Beziehungen
aus e-mail von Doris Pumphrey, vom 10. Februar 2024, 16:02 Uhr
*“Hoffnung ist ein gutes Wort” –
Russischer Botschafter zu den deutsch-russischen Beziehungen
*Sergej Netschajew ist Russlands Botschafter in Deutschland in
schwieriger Zeit. Die deutsch-russischen Beziehungen sind in einer
schweren Krise. Netschajew beschreibt im Interview mit RT DE die
diplomatische Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Dass die Beziehungen
auf diesem Niveau dauerhaft verharren, will er nicht hoffen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
11.02.2024
Heimlich, still und leise: Bundesweit einzige „Section Control“-Pilotanlage wird abgeschaltet und abgebaut. Polizei vermeidet Öffentlichkeitsarbeit dazu.
Ein Bild aus besseren Zeiten der Section Control: Der damalige Nds. Innenminister Pistorius im Kreise anderer stolzer Behörden- und Unternehmensvertreter zur Inbetriebnahme der Section Control Pilotanlage im Dezember 2018 (Bildquelle: Nds. Innenministerium)
Im Juni 2015 ließ das Nds. Innenministerium südlich von Hannover eine von der Jenoptik AG gebaute Section-Control-Überwachungsanlage errichten. Diese ging dann am 19. Dezember 2018 offiziell mit der Polizeidirektion Hannover als Betreiber in Betrieb, wobei zunächst verschwiegen wurde, dass sie bereits seit 2015 – also über vier Jahre – in einem so genannten „Testbetrieb“ betrieben wurde, der schon bis dahin jedes die Strecke durchfahrene Fahrzeug mindestens zweimal fotografierte und deren Kennzeichen erfasste.
Eine gültige Rechtsgrundlage für die Anlage gab es allerdings erst ab Inkrafttreten des neuen (und ebenfalls umstrittenen) Niedersächsischen Polizeigesetzes „NPOG“ am Mai 2019. Infolge zwei anhängiger Klagen gegen Section Control musste aufgrund des Fehlens dieser Grundlage die Anlage im Frühjahr 2019 für einige Monate außer Betrieb genommen werden, was das Innenministerium zunächst nicht einsehen wollte und deswegen das Verwaltungsgericht entscheiden musste.
Zu diesem Vorgang gibt nach ein paar Presseanfragen ein wenig mehr Detail-Informationen. Die wollen wir hier darstellen und gliedern den Beitrag folgendermaßen auf:
1. Was ist passiert? 2. Was war der Grund für die Abschaltung? 3. Warum verschwieg die Polizei Hannover die Abschaltung? 4. Ungelöste Kennzeichnungsfragen 5. Und der neue Landesdatenschutzbeauftragte? 6. Was hat die SectionControl-Pilotanlage gebracht?
Im Einzelnen:
1. Was ist passiert?
Zur Jahresmitte 2023 kündigte die Jenoptik AG, Hersteller und eigentlicher Besitzer der Section-Control-Verkehrsüberwachungsanlage den Vertrag zum Betrieb der Anlage mit Wirkung zum 31.12.2023 auf.
Jenoptik kündigte der Polizeidirektion an, die Anlage zum 1.1.2024 außer Betrieb zu nehmen und anschließend abzubauen.
Weder Polizei, noch Innenministerium noch Jenoptik machten diesen Vorgang öffentlich.
2. Was war der Grund für die Abschaltung?
Seit 2017 gibt es Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für die Ausgestaltung hinreichend sicher verschlüsselter Kommunikation. In der BSI-Richtlinie TR-02102-1 geht es inbesondere um Schlüssellängen im Zusammenhang mit kryptographischen Verfahren wie z.B. Rivest–Shamir–Adleman (RSA), Diffie-Hellman (DH) oder Discrete Logarithm Integrated Encryption Scheme (DLIES).
Für diese Verfahren hat das BSI sukzessive Schlüssellänge von mindestens 2000 Bit bzw. aktuell 3000 Bit zunächst empfohlen und schließlich in der aktuellsten Version der Richtlinie vom 9.1.2023 ab spätestens 2024 derart verpflichtend vorgeschrieben.
Diese Vorgaben kann die von Jenoptik in 2015 errichtete Anlage nicht einhalten. Das bedeutet, dass die Übertragung der von der Anlage vor Ort erzeugten Daten an die Polizeidirektion Hannover zwar verschlüsselt wird, die Stärke der Verschlüsselung dieser Daten aber nicht mehr aktuellen Anforderungen entspricht und als ggf. kompromittierbar gilt.
Jenoptik hat sich aus nicht bekannt gegebenen Gründen dagegen entschieden, die Verschlüsselungstechnik der Datenübertragung zu aktualisieren und aus diesem Grunde die Pilotanlage bei Hannover aufgegeben.
Dem zuwider wirbt die Jenoptik AG in ihrem Internetauftritt aktuell immer noch für diese Section Control Anlage des Typs „TraffiSection S450“ und dass diese in Deutschland „offiziell zugelassen“ sei. Und ach ja: „Datenschutzkonform“ sei sie auch, es werde die „neueste kryptologische Technologie“ verwendet …
Nebenbei: Jenoptik wirbt außerdem damit, dass die Section Control Anlagen auch zur Kennzeichenerfassung also zum Abgleich mit gesuchten Fahrzeugkennzeichen geeignet seien … o_O
3. Warum verschwieg die Polizei Hannover die Abschaltung?
Die Nicht-Informierung der Öffentlichkeit durch die Polizei Hannover erfolgte eigenen Angaben zufolge „in Absprache mit der Fa. Jenoptik“. Eine weitere Begründung liefert die Behörde nicht.
Wir können daher nur mutmassen, dass es der Polizei oder dem Innenministerium kein Anliegen war, die Öffentlichkeit aufzuklären, weil es nicht gerade wie eine Erfolgsmeldung wirkt, wenn die Anlage nun mangels Datenschutzkonformität außer Betrieb gesetzt werden musste.
Zudem hat das ganze Vorhaben dem NDR zufolge „den Steuerzahlern“ rund eine Million Euro gekostet. Wie viel genau, darüber wollte Polizeidirektion Hannover auf Nachfrage hin keine Kenntnis haben.
4. Ungelöste Kennzeichnungsfragen
Die Beschilderung, die auf die – nun gar nicht mehr stattfindende – Überwachung aller die Strecke befahrenden Fahrzeuge hinweist, ist noch immer nicht demontiert worden.
Ausschließlich Jenoptik sei nun verantwortlich für die Anlage – so weist die Polizei Hannover nun jegliche Zuständigkeit für die teure Technik von sich. Und zum Abbau der unrichtigen Beschilderung „laufen derzeit Gespräche mit allen beteiligten Behörden und der Fa. Jenoptik.“
Eine Überbeschilderung von nur angeblich, aber tatsächlich gar nicht behördlich überwachten öffentlichen Räumen schert die Polizei nicht. Das ist nicht neu.
5. Und der neue Landesdatenschutzbeauftragte?
Ein früher Appell vom Mai 2015 von freiheitsfoo und Patrick Breyer an die damals und bis vor kurzem noch amtierende Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Frau Thiel, sich aus guten Gründen gegen Section Control zu positionieren verhallte ergebnislos.
Auch im späteren Verfahren beschränkten sich die Landesdatenschützer*innen auf die Betrachtung und Bewertung rein technischer Aspekte und beklagten sich nur so lange über die umfassende Section Control Verkehrsüberwachung, wie es noch keine im Polizeigesetz fundamentierte Rechtsgrundlage dazu gab. Über grundsätzliche Gefahren der Datensicherheit und -verwendung und breitere gesellschaftliche Auswirkungen bis hin zur denkbaren Variante, die Anlage zusätzlich zum KFZ-Kennzeichenscanning einzusetzen wollte und will man sich dort in der Behörde – zumindest der Öffentlichkeit gegenüber – keine kritische Gedanken machen.
Nun hat das Land Niedersachsen in einem merkwürdigen Verfahren seit kurzem mit dem CDU-Mitglied Herrn Lehmkemper einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten, der sich kurz nach Öffentlichwerden der unerwarteten Abschaltung des Section Control Pilots mit einer ebenso merkwürdigen Pressemitteilung zur Sache zu Wort meldete.
Darin unterstellt Herr Lehmkemper – ohne eine Grundlage für seine Vermutungen zu benennen – dass es eher wirtschaftliche Gründe gewesen seien, das Kryptoverfahren nicht auf den neuesten und vorgeschriebenen Stand zu bringen. Er lässt sich in der Pressemitteilung wie folgt zitieren:
„Wir sind sehr verwundert darüber, dass in einigen Berichten der Datenschutz als Hauptursache für das Aus der Anlage genannt wurde. Bei der Entscheidung des Herstellers waren – neben wohl auch wirtschaftlichen Gründen – Richtlinien zur IT-Sicherheit ausschlaggebend. Diese sollen das manipulationssichere Übertragen der Daten gewährleisten.“
Tja, aber dann waren es wohl eben doch „Datenschutzgründe“, die das Aus der Pilotanlage besiegelt haben, oder?
In der Pressemitteilung heißt es weiter:
„Bei „Section Control“ gewährleisten kryptographische Signaturen beim späteren Verwenden der damit signierten Daten, dass diese tatsächlich von der Radarstation stammen und elektronisch nicht nachträglich manipuliert worden sind. Es geht also um die Integrität und Authentizität der übertragenen Informationen, was beispielsweise bei der Verwendung als Beweismittel in Ordnungswidrigkeitsverfahren wichtig ist. (…) Der Berichterstattung zufolge hätte der Hersteller der Anlage das System nachbessern müssen und hatte sich dagegen entschieden. „Bei allem Verständnis für unternehmerische Entscheidungen hätten auch wir uns gewünscht, dass die Verkehrs- wie auch die IT-Sicherheit Vorrang hat“, so Lehmkemper.“
Es ist bedrückend, dass sich Herr Lehmkemper in seiner Funktion als Landesdatenschützer nun als Verkehrssicherheitspolitiker meint kompetent engagieren zu können und zu müssen.
Nebenbei, aber ansonsten hierfür unwichtig: Es gibt gar keine „Radarstation“. Gemessen wird die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht mittels Radartechnik sondern per Bild-/Videoerfassung und -überwachung.
Zu der Frage der Verhältnismäßigkeit in Sachen Grundrechtseingriff versus Verkehrssicherheit versus Kosten der Anlage gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. In dem o.g. NDR-Bericht wird beispielsweise eine Sprecherin der Autolobby vom ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt zitiert, der ADAC habe gar kein Problem mit der Abschaltung. Punktuelle Geschwindigkeitsmessungen hätten den gleichen Effekt. Es sei zudem abzuwägen, ob die großen Kosten für Aufstellung und Inbetriebnahme einer solchen Anlage überhaupt lohnen würden.
6. Was hat die SectionControl-Pilotanlage gebracht?
Zunächst – aus der Sicht der Befürworter*innen – den Erfolg des Durchbruchs derart, dass solche Anlagen zukünftig mit verwaltungsgerichtsfester Rechtsgrundlage in Deutschland einsetzbar sein werden. Die Gerichte haben sich den grundsätzlichen IT-Sicherheits-Bedenken und den Sorgen um weitere Ausweitung der Anlagen und Anlagen-Einsatzzwecke gegenüber verschlossen gezeigt. Die zuerst behandelte Klage scheiterte – medial weitgehend unbeachtet – in letzter Instanz vor dem Bundesverfassungsgericht, das dazu aber keinerlei Begründung liefern wollte. Der zweiten Klage – durch ein Mitglied vom freiheitsfoo betrieben – wurde die Geltendmachung weiterer Bedenken dadurch verunmöglicht.
Auch der vor Gericht vorgebrachte Punkt, dass den Autofahrer*innen mangels rechtzeitiger Beschilderung die Chance zum Ausweichen der Vollüberwachung genommen werde, wollten die Verwaltungsgerichte nicht zur Behandlung annehmen – gilt aber doch die Ermöglichung zum Ausweichen vor einer Videoüberwachung dank einer notwendigen und räumlich rechtzeitig erfolgten Kennzeichnung als ein einst ehernes Grundprinzip zur Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Neben Niedersachsen haben inzwischen auch Hessen und Sachsen-Anhalt eine eigens an der Section Control ausgerichteten Gesetzesgrundlage für dessen Einsatz geschaffen. Brandenburg erarbeitet gerade eine solche.
Im Dezember 2020, rund zwei Jahre nach Erstinbetriebnahme der Section Control Pilotanlage, warb der damalige niedersächsische Innenminister Pistorius öffentlich dafür, weitere solche Anlagen in Niedersachsen und bundesweit aufzubauen: „Dank geringerer Durchschnittsgeschwindigkeit sinke nachweislich das Unfallaufkommen.“
Derlei Behauptungen wurden immer wieder aufgestellt und wiederholt, doch geben die mittels der Pilotanlagen gewonnen Erfahrungen das gar nicht her. Die Polizeidirektion Hannover hat uns in einer meist zügigen Beantwortung einer Reihe von Fragen und Nachfragen Daten zum Unfallaufkommen auf der Section Control Pilotanlagen-Teststrecke geliefert. Die Informationen liefern einen Überblick über die Anzahl der Verkehrsunfälle. (Die weitere Aufschlüsselung, wie viele Schwerverletzte und Tote es dabei gab konnte uns die Polizei für die angefragten Jahre bislang in keiner vergleichbarer Weise liefern, falls das noch geschieht liefern wir das hier in einem Update nach.)
Grundsätzlich sind die Fallzahlen insgesamt viel zu niedrig, um überhaupt eine wissenschaftlich basierte Aussage über statistisch signifikante Effekte der Anlage treffen zu können. Doch selbst wenn man diesen Grundmangel übergeht kann man anhand der Entwicklung der Unfallzahlen definitiv keine Aussage ableiten, die die Behauptung von Herrn Pistorius stützen würde, wonach „das Unfallaufkommen dank Section Control sinken“ würde.
Dem versucht die Polizeidirektion Hannover bei der Lieferung der Zahlen an uns zu widersprechen zu versuchen, indem sie uns unaufgefordert mitteilt:
„Bei den Verkehrsunfällen ab dem Jahr 2019 ist zum überwiegenden Teil Wildwechsel die Unfallursache. Die Unfallursache Geschwindigkeit wurde beispielsweise im Jahr 2023 nicht einmal erfasst.“
Es klingt wenig plausibel und nachvollziehbar, dass Wildwechsel auf der betreffenden Strecke plötzlich und anders als in allen Jahren zuvor ab 2019 Hauptursache für Verkehrsunfälle gewesen sein soll.
Wenn weiterhin „Geschwindigkeit als Unfallursache“ dank der Section Control-Anlage keine oder keine bedeutende Rolle spielen soll bleibt die Frage, welche Ursachen denn dann die Unfälle hatten. Die Beantwortung der Frage hierzu steht noch aus und wir werden weitere Informationen dazu hier veröffentlichen, falls/sobald sie uns vorliegen.
Man beachte bei der Betrachtung der Werte im übrigen, dass alleine der Aufbau und Testbetrieb der konstruktiv massigen und aufwendigen Anlage schon in 2015 einen Effekt auf das Verhalten der Autofahrer*innen gehabt haben dürfte, selbst wenn die offizielle Inbetriebnahme erst Ende 2018 erfolgte.
Doch weiter zur Frage, was das Pilotprojekt für Folgen hatte:
dass „eine Weiterentwicklung der Section-Control-Technik für Deutschland [] derzeit nicht vorgesehen [sei]“.
Ist das das Ende der Section Control für Deutschland? Es wäre aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht zu schön um wahr zu sein. Jenoptik scheint jedenfalls kein Interesse mehr an der Section Control für Deutschland zu haben, während baugleiche Anlagen in Österreich und in der Schweiz von allem hier ungerührt weiter betrieben werden.
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Erich Vad im Interview: „Über das Schicksal der Ukraine wird in Washington und Moskau entschieden“
berliner-zeitung.de, 11.02.2024 | 05:46 Uhr, Interview: Simon Zeise
Erich Vad war Merkels wichtigster Militärberater. Er kritisiert die deutsche Ukraine-Politik. Ein Chaos wie beim Abzug aus Afghanistan droht, sagt er im Interview.
Interview
privat ZUM INTERVIEWPARTNER
Dr. Erich Vad ist Unternehmensberater, Sicherheits- und Militärexperte, Publizist und Buchautor. Der Brigadegeneral a.D. war von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und Militärpolitischer Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Der frühere Brigadegeneral und Merkel-Berater Erich Vad stand in Deutschland stark in der medialen Kritik, weil er sich für Friedensverhandlungen mit der Ukraine und Russland einsetzte. Ein Jahr lang hat er deutschen Medien kein Interview mehr gegeben. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung spricht er nun über die kurzsichtige Strategie der Bundesregierung, über die „Fata Morgana“ ukrainischer Militäroffensiven und die Kriegsziele Russlands.
Herr Vad, das Bundesverteidigungsministerium spielt Pläne durch, wie ein Angriff Russlands auf die Nato abgewehrt werden kann. Für wie realistisch halten Sie so ein Szenario?
Militärische Abschreckung ist wichtiger Teil unserer Verteidigungsstrategie. Zu ihr gehören aber auch Dialogbereitschaft, Entspannungspolitik und vertrauensbildende Maßnahmen. Diese sogenannte Harmel-Doktrin wurde seit den 60er-Jahren vom westlichen Verteidigungsbündnis praktiziert. Im Umgang mit der Ukraine und mit Russland vermisse ich letztere. Ich halte unter den jetzigen Bedingungen und bei der jetzigen Lage einen Angriff Russlands auf die Nato für eher unwahrscheinlich. Die eingesetzten russischen Streitkräfte sind zu schwach, um die gesamte Ukraine besetzen zu können, und erst recht, um einen Krieg mit der Nato zu riskieren.
Wenn es Russland nicht um eine Ausweitung der Kampfzone nach Westen geht, welche strategischen Ziele verfolgt die Regierung von Präsident Putin dann?
Moskau hat im Ukraine-Krieg das Ziel, einen Nato-Beitritt der Ukraine und die Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine zu verhindern. Strategisch und geopolitisch gesehen geht es Russland darum, über eine Sicherheitszone zur Nato zu verfügen. Russland weiß aus der historischen Erfahrung seit dem Feldzug Napoleons 1812 und zweier großer Kriege im 20. Jahrhundert, dass es von der nordeuropäischen Tiefebene aus am ehesten angegriffen werden könnte und dort entsprechend verletzlich ist. Auch andere Staaten beanspruchen Sicherheitszonen für sich, so wie die Türkei im Nordirak und in Syrien gegenüber den Kurden, Israel gegenüber der Hamas im Gazastreifen. So etwas ist nicht immer völkerrechtskonform; Militärs müssen das aber unabhängig von der jeweiligen Rechtslage, aus der strategischen Lage, die sich für beide Seiten daraus ergibt, interpretieren und verstehen. Erst so kann adäquat gehandelt werden.
Wie schätzen Sie die kurzfristigen Kriegsziele Russlands in der Ukraine ein?
Die Russen wollen die Kontrolle der Zugänge zum Schwarzen Meer im Griff behalten. Dazu gehört die Krim, auf der die Schwarzmeerflotte stationiert war. Übrigens war dies auch vertraglich geregelt, als die Ukraine noch die staatliche Kontrolle über die Krim hatte. Aus russischer Perspektive ist dies nicht verhandelbar. Der Oblast Kaliningrad, die Region Murmansk und die Schwarzmeerregion mit der Krim bilden die strategischen Eckpfeiler der westlichen Verteidigung Russlands. Diese Regionen zu kontrollieren, ist existenziell für Russland, solange es Weltmacht sein will. Darüber hinaus geht es Russland um die Kontrolle seiner strategischen Peripherie. Darauf hat der frühere Sicherheitsberater im Weißen Haus unter Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, früh hingewiesen. Wer heute fordert, man müsse Russland besiegen und bis zur Handlungsunfähigkeit schwächen, übersieht zudem, dass ein Zusammenbruch der Russischen Föderation ein riesiges strategisches Vakuum hinterließe: Der Osten Eurasiens würde weitestgehend destabilisiert. Im Interesse des Westens wäre dies nicht. Darauf hat zuletzt noch Henry Kissinger kurz vor seinem Tode hingewiesen.
Der Westen soll ein Interesse an einem starken Russland haben? Das ist eine gewagte These.
Wenn man sagt, man müsse Russland besiegen, muss man sich im Klaren darüber sein, was das für Konsequenzen hätte. Ein direktes militärisches Aufeinandertreffen von Großmächten muss unbedingt verhindert werden. Russland ist die stärkste Nuklearmacht der Welt, das muss in jede strategische Überlegung einbezogen werden. Großmächte lassen sich nicht in ihr machtpolitisches Einflussgebiet hineinreden. Die Kubakrise von 1962 hat das mit Blick auf die USA gezeigt: Kennedy konnte damals nicht zulassen, dass die Sowjets militärisch auf Kuba Fuß fassten. Er war bereit, deshalb sogar bis in einen Nuklearkrieg zu ziehen.
Wenn ein Angriff Russlands auf die Nato unwahrscheinlich ist, warum spielt das Verteidigungsministerium dann solche Pläne durch?
Zunächst ist das der Job eines jeden Verteidigungsministers und schlichtes militärisches Handwerk. Dem Bundesverteidigungsministerium geht es darum, dem Verfassungsauftrag an die Bundeswehr zu entsprechen und die Verteidigungsfähigkeit endlich wiederherzustellen. Dazu braucht es Geld – neben dem fehlenden Personal und Material. Dafür wird Russland zur permanenten Bedrohungslage erklärt. Ich halte das für den falschen Weg. Selbst in der Hochzeit des Kalten Krieges hatten wir kein Feindbild und haben es auch nicht gebraucht. Die Abwesenheit eines Feindbildes ist für sich bereits ein starkes Mittel einer Verteidigungsstrategie. Es kann potenziellen Gegnern irrationale Ängste nehmen oder diese mildern.
Deutschland ist mittlerweile zum wichtigsten Unterstützer der Ukraine in der EU aufgestiegen. Bundeskanzler Olaf Scholz fordert von den anderen Mitgliedstaaten mehr Handlungswillen ein. Sollte Deutschland weiter Waffen und Geld an die Ukraine liefern?
Die Waffenlieferungen sollen der Ukraine helfen, sich gegen die russische Aggression zu wehren. Vom Grundsatz her ist das richtig und völkerrechtsgemäß. Man muss sich dabei aber immer fragen, was mit diesen Waffenlieferungen erreicht werden soll. Etwa vor einem Jahr erklärte die Bundesregierung: „Wir liefern Panzer, um die Kriegswende herbeizuführen.“ Das war damals schon kurzsichtig: Waffen zu liefern, ohne zugleich realistische politische Ziele zu definieren. Bis vor kurzem lautete eine Parole sogar, die Ukraine solle die Krim und den Donbass zurückerobern. Das gab und gibt die Lage überhaupt nicht her. Es ist sinnlos, Krieg zu führen, ohne zuvor realistische politische Ziele zu setzen. Das wusste übrigens schon Clausewitz.
Von westlicher Seite heißt es, wenn die Ukraine nicht mehr Waffen erhält, ist sie Russland ausgeliefert. Wollen Sie die Ukraine im Stich lassen?
Der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj hat vor wenigen Wochen gesagt, die Ukraine und Russland befänden sich in einer operativen Pattsituation. Das ist aus meiner Sicht eine zu optimistische Einschätzung, weil Russland die militärische Initiative und Eskalationsdominanz auf seiner Seite hat. Es sieht so aus: Russland hat das militärische Heft des Handelns in der Hand. Moskau konsolidiert und arrondiert zurzeit die besetzten Gebiete, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es im Raum Charkiw und Odessa offensiv weitergehen wird.
Russland scheint das Kriegsgeschehen in der Ukraine zu dominieren. Dennoch nimmt die Bereitschaft im Westen ab, Kiew mit Geld und Waffen auszustatten. Ist die Nato kriegsmüde?
Die Nato will nicht Kriegspartei werden. Die finanziellen und materiellen Zuwendungen aus den USA versiegen. Insofern frage ich mich seit langem: Wohin sollen Waffenlieferungen führen, wenn sie nicht die Kriegswende zugunsten der Ukraine bringen? Weshalb werden sie nicht um diplomatische Maßnahmen ergänzt? Es gab viele Friedens- und Verhandlungsinitiativen in den letzten Monaten, von Deutschland und aus der EU ist nichts gekommen. Nach wie vor fehlen mir ein realistisches strategisches Konzept für den militärischen Abschluss der Kampfhandlungen und vor allem ein politisches Konzept, wie man aus diesem Konflikt, in dem es keine militärische Lösung gibt, herauskommt.
Sie sagen, von Regierungen aus europäischen Staaten nehmen Sie keine Friedensinitiativen wahr. Wird der Ukraine-Krieg letztlich in Washington entschieden?
Es sieht so aus, dass die Russen darauf setzen, dass die nächste US-Regierung andere Prioritäten haben wird. Sowohl bei einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus als auch bei einer zweiten Amtszeit von Joe Biden dürfte sich das Hauptaugenmerk der USA mehr in Richtung Naher Osten und Indopazifik verschieben, um Chinas Macht- und Einflusspolitik im Südchinesischen Meer und in Taiwan einzugrenzen. Dann werden die USA – so die nicht unberechtigte russische Hoffnung – eher zu einem Ausgleich mit Russland bereit sein. Im Endeffekt wird also über das Schicksal der Ukraine in Washington und Moskau entschieden werden. Wir Europäer müssen aufpassen, dass wir nicht in einem Jahr so überrascht und blank dastehen wie beim überhasteten Abzug aus Afghanistan 2021. Es ist nämlich nicht unwahrscheinlich, dass im Laufe des Jahres der Konflikt in der Ukraine einfriert. Solche „Frozen Conflicts“ gibt es in vielen Regionen, etwa in Korea oder auf den Golanhöhen. Ich habe die Befürchtung, dass wir in eine ähnliche Lage hineinstolpern, weil wir Europäer nur darauf warten, was die Amerikaner machen, statt selber Initiative zu ergreifen.
Erich Vad auf einer Friedenskundgebung am Brandenburger Tor am 25.2.2023, neben ihm Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine (v.r.n.l.)Monika Skolimowska/dpa
Auch Sahra Wagenknecht fordert Friedensverhandlungen für die Ukraine. Sie hatten gemeinsam mit ihr im Februar 2023 zu einer großen Friedensdemonstration in Berlin aufgerufen. Werden Sie sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht anschließen?
Es ist wichtig, dass politische Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht und andere aktiv für Friedensverhandlungen eintreten, um aus diesem sinnlos gewordenen Krieg herauszukommen. Ich bin unabhängiger Sicherheits- und Militärexperte und Berater.
Sie waren lange Jahre Militärberater von Angela Merkel im Kanzleramt. Würden Sie rückblickend sagen, dass die deutschen Beziehungen zu Russland auf einer Fehleinschätzung beruhten?
Politik ist ein offener Prozess. In den internationalen Beziehungen entwickelt sich vieles anders, als man es eingeschätzt hat. Wir wissen ja auch nicht, wo genau wir im nächsten Jahr um diese Zeit stehen werden und ob unser außenpolitisches Agieren richtig war und ist. Die Kanzlerin hat nach der Krim-Annexion 2014 alles getan, die Konflikte in einem politischen Prozess, im Rahmen der Verhandlungen Minsk 1 und 2 zu lösen. Aus heutiger Sicht sagen viele, das hätte man sich sparen können. Ich sehe das anders. Deutschland hat damals versucht, aus diesem gefährlichen Konflikt politisch herauszuführen und nicht ausschließlich auf Waffenlieferungen zu setzen. Ich war von 2006 bis 2013 im Kanzleramt tätig. Damals hatten wir eine Sicherheitslage mit Fokus auf Afghanistan. Die Landes- und Bündnisverteidigung und Russland spielten damals eine nachgeordnete Rolle. Die gesamte Dynamik der Entwicklung werden natürlich Historiker bewerten müssen.
Sie verfügen sicher aus Ihrer Zeit im Kanzleramt über zahlreiche Kontakte. Haben Sie versucht, über Ihre Kanäle nach Moskau und Washington Friedensvermittlungen zu starten?
Ich habe natürlich noch aus meiner Zeit im Bundeskanzleramt ein hervorragendes Netzwerk, das ich zur Einschätzung nutze und das sich auch durch meine Tätigkeit als Unternehmensberater mit Schwerpunkt auf Sicherheitsfragen erweitert hat. Aufgrund dessen weiß ich auch, dass das Kriegsgeschehen in der Ukraine in anderen Ländern anders, differenzierter, ausgewogener und realistischer diskutiert und kommentiert wird als in Deutschland. Es ist bedauerlich, dass wir hier nicht so eine offene Debatte über den Ukraine-Krieg hatten, wie sie zum Beispiel in den USA geführt wird. In der deutschen Medienlandschaft nehme ich leider sogar eine ziemlich verblüffende Einstimmigkeit bis hin zu einem Schwarz-Weiß- und Freund-Feind-Denken wahr.
Erich Vad mit Angela Merkel in Afghanistan
Sie haben die Minsker Verhandlungen angesprochen. Wurden Putin genügend Garantien gegeben, dass die Nato-Osterweiterung vor der Ukraine haltmachen wird?
Die Bundeskanzlerin hatte sehr früh erkannt, welche Gefahren eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bergen würde. Beim Nato-Gipfel 2008 in Bukarest, als eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens thematisiert wurde, waren sie und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy diejenigen, die eine sofortige Aufnahme dieser Länder verhinderten. Angela Merkel wusste, dass das – neben dem innenpolitischen Dissens in der Ukraine – eine rote Linie für die Russen bedeutete, deren Überschreitung, wie im Falle Georgiens geschehen, Krieg zur Folge hätte. Die Nato hat in der Folge einen anderen Weg beschritten. Es wurde weiter die Aufnahme der Ukraine forciert. Das gehört zur nicht gern thematisierten politischen Vorgeschichte des völkerrechtswidrigen russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich gegen die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine ausgesprochen. Hat er die richtige Entscheidung getroffen?
Die Lieferung der Taurus-Systeme hätte das Kriegsgeschehen eskaliert, ohne aber zu einem gewünschten militärischen Wendepunkt des Krieges zu führen. Die Raketen verfügen über eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Damit fliegen sie mehr als doppelt so weit wie vergleichbare britische und französische Systeme, die die Ukrainer bereits haben. Deshalb finde ich es richtig, dass das Kanzleramt die Lieferung von Taurus verweigert.
Befürworter weiterer Waffenlieferungen argumentieren, die Taurus-Raketen wären ein Gamechanger und könnten Kiew eine bessere Verhandlungsposition sichern. Was sagen Sie dazu?
Den so oft beschworenen Gamechanger bei unserer Militärhilfe gegenüber der Ukraine gab es nie. Im letzten Jahr wurden die Leopard-2-Panzer als Gamechanger bezeichnet. Ein massiver medialer Druck auf das Kanzleramt forderte deren Lieferung an die Ukraine aus den Beständen der Bundeswehr. Aber weder Kampfpanzer, Taurus-Raketen noch die geforderten F-16-Kampfflugzeuge können Wunderwaffen sein und die militärische Gesamtlage zugunsten der Ukraine verändern. Die Ukraine braucht jetzt vor allem dringend Artilleriemunition für die Verteidigung. Auf deren Bereitstellung hat sich die EU einhellig verpflichtet. Doch diese Verpflichtung ist kaum umsetzbar, weil die Mitgliedstaaten nicht die Kapazitäten dazu haben. Die ganze Debatte in Deutschland trägt bisweilen heuchlerische Züge. Manche Politiker übertrumpfen sich in Kriegsrhetorik, obwohl sie wenig von Krieg und Militär verstehen. Wir liefern weiter Waffen an die Ukraine, ohne im Ernst daran zu glauben, dass das zielführend sein kann, und gleichzeitig setzen sich Hunderttausende wehrfähige Ukrainer ins Ausland ab. Allein fast 200.000 von ihnen sind nach Deutschland gekommen, praktizieren quasi eine Kriegsdienstverweigerung light und beziehen Bürgergeld. Ist das kohärente Politik?
Andererseits haben Sie gesagt, dass Russland militärisch der Ukraine überlegen ist. Sollen sich die jungen Ukrainer in einen aussichtslosen Krieg stürzen?
Nein, da haben Sie recht. Es haben sich auch Zigtausende junge Russen abgesetzt, um sich dem Krieg zu entziehen. Dafür habe ich menschlich gesehen natürlich jedes Verständnis. Was mich persönlich belastet, ist, dass die den Kriegsdienst leistenden jungen ukrainischen und russischen Soldaten tausendfach verheizt werden in einem Krieg, für den es keine militärische Lösung gibt. Ich finde es eigenartig, dass am Krieg unbeteiligte Deutsche die größten ukrainischen Patrioten zu sein scheinen. Politiker, die keinen Militärdienst geleistet und jahrzehntelang pazifistisch argumentiert haben, wollen plötzlich für die Ukrainer alles geben und am liebsten „all in“ gehen. Ob das die Glaubwürdigkeit von Politik fördert?
Sie haben schon sehr früh kritisiert, dass Waffenlieferungen an die Ukraine nicht an politisch-diplomatische Initiativen gekoppelt wurden. Fühlen Sie sich durch den Kriegsverlauf in Ihrer Haltung bestätigt?
Bereits im November 2022 hatte der amerikanische Generalstabschef Mike Milley erklärt, dass eine militärische Lösung sehr unwahrscheinlich wird. Die Kräfteverhältnisse können nicht allein durch Waffenlieferungen gedreht werden. Der einflussreiche amerikanische Thinktank Rand Corporation hat diese Sicht bestätigt. Ich habe diese Position in der Ukraine-Debatte vertreten, während viele Leitmedien in Deutschland ein regelrechtes Wunschkonzert veranstalteten: Zuerst wurde im vergangenen Jahr eine Frühjahrsoffensive publizistisch heraufbeschworen. Nachdem diese Fata Morgana verpufft war, sollte es eine Frühsommeroffensive werden, und so weiter. Ich habe keine erfolgreiche ukrainische Militäroffensive wahrgenommen. Es gab vereinzelte Vorstöße, die an keiner Stelle die russische Verteidigung durchstoßen konnten und sich nachhaltig auf das Kriegsgeschehen auswirkten. Spätestens da musste man doch anfangen mit realistischen Schlussfolgerungen, wenn sich – wie es Kurt Biedenkopf einmal sagte – die Realität immer sichtbarer durchfrisst.
Der Krieg in der Ukraine verfestigt sich zu einem Stellungskrieg. Verteidigungsminister Boris Pistorius warnt vor einer „Kriegsmüdigkeit“ der Bevölkerung. Haben Sie den Eindruck, dass in dieser Situation eine breitere Debatte über eine Friedenslösung möglich wird?
Ja, wenngleich die Denk- und Diskurskorridore in Deutschland eng geworden sind. Das finde ich bedauerlich, schließlich leben wir in einem freiheitlich-demokratischen Land und müssen bereit sein, breiter an die Probleme der internationalen Beziehungen heranzugehen; das, was Hannah Arendt einmal „Denken ohne Geländer“ genannt hat. Wir müssen die Weltunordnung um uns herum verstehen lernen, damit wir uns auf die Konflikte von morgen einstellen können. Schließlich nehmen die Krisenherde und Kriegsschauplätze zu. Eine einfache Aufteilung der Welt in Demokratien und Autokratien, in unversöhnliche Freunde und Feinde entspricht weder der zunehmenden Multipolarität der Welt noch kann sie im Interesse Deutschlands liegen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Scholz und Biden: „Zwei Männer mit dem gleichen Problem: die Ukraine“
berliner-zeitung.de, vom 10.02.2024 | 09:14 Uhr, dpa/BLZ/Tomasz Kurianowicz
In der Nacht von Freitag auf Samstag haben sich Biden und Scholz zu Ukraine-Gesprächen getroffen. Die Ergebnisse zeigen: Beide sind stark angeschlagen.
Bundeskanzler Olaf Scholz und der amerikanische Präsident Joe BidenJulia Nikhinson/IMAGO
Die Appelle werden drängender: US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben in der Nacht von Freitag auf Samstag eindringlich davor gewarnt, bei der Unterstützung der Ukraine nachzulassen. Scholz sagte am Freitag (Ortszeit) nach einem Treffen mit Biden im Weißen Haus in Washington, wenn es nicht gelinge, ein Ja des US-Kongresses zu weiteren Finanzmitteln für Kiew zustande zu bringen, sei die Fähigkeit der ukrainischen Streitkräfte bedroht, das eigene Land gegen den russischen Angriffskrieg zu verteidigen.
„Wir sollten nicht drum herumreden: Für die Frage, ob die Ukraine in der Lage sein wird, das eigene Land zu verteidigen, ist die Unterstützung aus den Vereinigten Staaten unverzichtbar.“ Biden, der seit Monaten versucht, neue Milliarden-Hilfen durch das Parlament zu bringen, mahnte, ein Nein des Kongresses, diese freizugeben, käme „krimineller Nachlässigkeit“ gleich.
Die Probleme der größten Waffenlieferanten
Die USA und Deutschland sind die mit Abstand wichtigsten Waffenlieferanten für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Scholz beziffert den Wert der von Deutschland gelieferten und zugesagten Rüstungsgüter auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die USA geben den Umfang ihrer Militärhilfe mit 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) an.
Sowohl Scholz als auch Biden haben gerade auf unterschiedliche Weise damit zu kämpfen, die Hilfe aufrechtzuerhalten. Scholz fürchtet, dass die USA mit ihrer Ukraine-Unterstützung aussteigen und Deutschland den Großteil der Ukraine-Hilfen übernehmen muss. Das würde Scholz innenpolitisch stark schwächen. Der Kanzler hat zu Jahresanfang eine Initiative gestartet, um die EU-Partner – vor allem wirtschaftsstarke wie Frankreich, Spanien und Italien – zu mehr Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte zu bewegen. Der Erfolg ist bisher mäßig.
Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz vor dem Weißen HausMichael Kappeler/dpa
Biden lobte den Beitrag Deutschlands
Biden wiederum versucht seit Monaten, neue Hilfen für Kiew durch den Kongress zu bringen. Die Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump blockieren das jedoch. Zuletzt signalisierten sie zwar zumindest im Senat etwas Bereitschaft, sich zu bewegen. Doch eine Lösung ist noch lange nicht in Sicht. Am Donnerstag hatte ein neues Gesetzespaket, das unter anderem 60 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) für die Ukraine vorsieht, eine erste formale Hürde im Senat genommen. Noch laufen aber Verhandlungen dazu, und eine finale Abstimmung im Senat steht aus. Ob das Paket dort durchkommt – und vor allem, ob es in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, Chancen hat –, ist aber noch völlig offen.
Angesichts der monatelangen innenpolitischen Blockade in den USA werden derzeit schon minimale Bewegungen als Fortschritt gewertet. Auch Scholz bemühte sich, Zuversicht zu versprühen. Der Kanzler sagte nach dem Gespräch mit Biden, der US-Präsident und er seien beide fest davon überzeugt, dass neue US-Hilfen kommen müssten, „aber auch zuversichtlich, dass der amerikanische Kongress am Ende eine solche Entscheidung treffen wird“. Er betonte, dies wäre dann auch die richtige Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Dass seine Hoffnung vergeblich ist, dass er einfach nur lange genug warten muss, bis die Unterstützungsbereitschaft der Freunde der Ukraine in Europa und Nordamerika und anderswo nachlässt.“
Biden lobte den Beitrag Deutschlands. An Scholz gerichtet sagte er: „Sie haben etwas getan, von dem niemand dachte, dass es gelingen könnte: Sie haben die deutsche Militärhilfe für die Ukraine in diesem Jahr verdoppelt.“ Die USA müssten nun ihren Beitrag leisten. Bei dem Gespräch der beiden im Oval Office, Amerikas Regierungszentrale, das etwa eine Stunde und 45 Minuten dauerte, sprachen Biden und Scholz auch über die Krise im Nahen Osten. Der Kanzler forderte Israel im Anschluss auf, bei seiner Militäroperation im Gazastreifen das Völkerrecht im Blick zu behalten.
Reaktionen auf den Besuch
Die Reaktionen auf den Besuch fielen kontrovers aus. Der Spiegel stellt fest, dass es frappierende Parallelen zwischen Biden und Scholz gebe. Beide kämpften um ihr politisches Überleben. Beide würden versuchen, Ukraine-Hilfen zu stabilisieren. Beide seien sehr unbeliebt in der Bevölkerung. Marina Kormbaki hat für den Spiegel das Treffen begleitet und eine durchwachsene Analyse publiziert. Für Biden kam das Treffen mit Scholz zur Unzeit, da er innenpolitisch unter Druck stehe. Seine Konkurrenten würden ihm vorhalten, kein klares Erinnerungsvermögen mehr zu haben. In der Tat hat Biden in den vergangenen Tagen immer wieder historische Zusammenhänge verwechselt.
Im Spiegel steht: „Sonderermittler Robert Hur bezeichnet den 81-jährigen Präsidenten (...) als ‚wohlmeinenden, älteren Herren mit schlechtem Gedächtnis‘. All die Amerikanerinnen und Amerikaner, die Biden für zu alt für eine zweite Amtszeit halten, dürften sich bestätigt sehen. Er, alt und schusselig? Eben diesen Eindruck wollte Biden in der eilig anberaumten Pressebegegnung widerlegen. Stattdessen aber bestätigte er ihn. Biden sprach von ‚Mexikos Präsident al-Sisi‘, wo er doch Ägyptens Staatschef meinte. Erst am Tag zuvor hatte er bei einem Sponsorenevent zweimal von einem Gespräch mit Helmut Kohl im Jahr 2021 berichtet, dabei ist Kohl seit 2017 tot. Biden meinte wohl Angela Merkel.“
Bei dem Kamingespräch zwischen Biden und Scholz ging es vor allem um die Ukraine.Michael Kappeler/dpa
Der Text stellt dar, dass die Deutschen bald ein großes Problem mit der Ukraine bekommen könnten. Das Risiko ist existent, dass sich die USA immer weiter aus der Ukraine zurückziehen, auch falls Biden wieder gewinnen sollte. Der Kongress ist durch Ukraine-Kritiker blockiert. Im Spiegel heißt es: „Die Amerikaner könnten Deutschlands zunehmendes militärisches Engagement auch als Ermunterung dafür deuten, die Hilfe für die Ukraine zurückzufahren, vielleicht auch ihre militärische Präsenz in Europa.“ Und: „Von Mal zu Mal wirkt Scholz’ Appell an die USA ein bisschen dringlicher, auch flehentlicher. Und mit jedem Mal wirkt das Schreckensszenario konkreter, dass die USA die Ukraine fallen lassen. Dass das überfallene Land den Krieg verliert.“
Müsste Deutschland dann die Hauptlast tragen? Und wie würde die Wahlbevölkerung dann reagieren? Würde eine weitere Belastung die AfD noch mehr stärken?
Am Ende heißt es in dem Text: „(...) Scholz blieb auf dieser Reise eine Antwort schuldig. Als der Kanzler aus dem Weißen Haus trat, hatte er bloß Zeit für drei Fragen. Die vierte Frage, gestellt von einem US-Reporter, lautete: ‚Herr Bundeskanzler, ist Ihr Land bereit, von Amerika die Führung zu übernehmen, wenn Amerikas Ukrainehilfe scheitert?‘ Doch da war Scholz schon auf dem Weg zu seiner Limousine.“
Dieses von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Foto zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) mit seinem amerikanischen Doppelgänger Chris Coons, Senator im Bundesstaat Delaware. Bundesregierung/dpa
New York Times: Die Zustimmungswerte von Herrn Scholz sind gesunken
In der New York Times wird am Samstag berichtet, dass das Treffen zwischen Biden und Scholz keine konkreten Ergebnisse gebracht habe. Und auch in diesem Text wird Scholz als angeschlagen dargestellt. Deutschland habe nach dem Beginn des Ukraine-Krieges eine Führungsrolle übernommen, die Ukraine unterstützt und alle Verbindungen zu Russland gekappt. Heute seien aber die ökonomischen Folgen dieser Unterstützung zu spüren.
„Der politische Preis für Herrn Scholz war hoch. Deutschland ist seit langem daran gewöhnt, der wirtschaftliche Motor Europas zu sein, aber im vergangenen Jahr schrumpfte seine Wirtschaft um 0,3 Prozent, und für 2024 wird ungefähr die gleiche Leistung erwartet. Die Kosten des Krieges in der Ukraine und die wirtschaftlichen Probleme Chinas – die den Automobilsektor und die verarbeitende Industrie in Herrn Scholz’ Land am härtesten getroffen haben – haben das Problem noch verschärft.“
Dann heißt es weiter: „Die Zustimmungswerte von Herrn Scholz sind gesunken, und einige Experten sagen voraus, dass rechte Parteien bei den Wahlen in diesem Jahr besser abschneiden werden als je zuvor. Scholz, ein vorsichtiger Arbeitsrechtler aus Hamburg, versucht daher vorsichtig, den Schmerz der deutschen Wähler zu lindern und eine größere öffentliche Debatte über Militärausgaben zu vermeiden. Aber er hat gesagt, dass er in Bezug auf das, was er nach dem Einmarsch in der Ukraine als ‚Zeitenwende‘ oder ‚Wendepunkt‘ für Deutschland bezeichnete, keinen Rückzieher machen wird.
Auch Biden musste feststellen, dass sein öffentliches Ansehen in Bezug auf die Kriegsanstrengungen abnahm, da sich mehr Amerikaner und mehr Republikaner im Kongress gegen eine Fortsetzung der Hilfe aussprachen. Aber er hat argumentiert, dass eine Abkehr von dem Konflikt genau das ist, was der russische Präsident Wladimir W. Putin will.“
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10.02.2024
Annalena Baerbock: Das ist keine Außenpolitik, das ist ein Ego-Trip
Die wertebasierte Außenpolitik bewirkt wenig. Aber ist das der Ministerin überhaupt wichtig? Nach mehr als zwei Jahren im Amt sind auch Diplomaten enttäuscht. Eine Analyse.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf dem Flugplatz in Dschidda. Auf dem Weg ins ostafrikanische Dschibuti durfte der Airbus der Flugbereitschaft der Luftwaffe nicht Eritrea überfliegen, daher musste die Delegation zunächst in Saudi-Arabien anhalten.Michael Kappeler/dpa
Wenn die deutsche Außenministerin ein Lieblingswort hat, ist es: Müssen. Immer muss etwas geschehen, am besten sofort. Während ihrer Ägyptenreise im Januar forderte sie: Die Krankenhäuser in Gaza, „müssen funktionieren können“. Nach dem Massaker an Juden am 7. Oktober sagte sie: „Der Terror der Hamas muss sofort aufhören.“ An Moskau gerichtet ließ sie im Februar 2023 wissen: „Das Bomben muss aufhören.“ Beim Grünenparteitag Ende November erklärte die Außenministerin: „Das Ertrinken im Mittelmeer muss aufhören.“ In New York teilte sie mit: „Wir müssen an Reformen der UN arbeiten.“ Zur Weltklimakonferenz kritisierte Baerbock: „Die COP28 hätte noch einen Schritt weitergehen müssen.“ Zum Lieferkettengesetz mahnte sie: „Auf Deutschland muss sich Europa verlassen können.“ Zum Konflikt im Sudan: „Wir müssen den Druck auf beide Seiten erhöhen“ Und so geht es durch alle Politikfelder von Sozialpolitik bis Industriestrompreis.
Annalena Baerbock weiß offenbar, was nottut. Was sie und wir und alle anderen tun müssen. Sie hat eine Vorstellung von der Welt, wie sie sein sollte: gerechter, humaner, schmerzfreier, moralischer, inklusiver … feministischer sowieso. Das erinnert an Fairtrade-Verpackungen: Make the world a better place.
Annalena Baerbock besucht den Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah.Michael Kappeler/dpa
Annalena Baerbock beschränkt sich auf moralische Imperative
Aber wird die Welt dadurch zu einem besseren Ort? Funktionieren die Krankenhäuser im Gazastreifen? Ist der Krieg in Gaza zu Ende, der Terror der Hamas vorbei? Wirft Putin keine Bomben mehr? Ist das Ertrinken im Mittelmeer beendet? Wurden ambitioniertere Klimaziele beschlossen? Sind die Kriegsparteien im Sudan zusammengekommen? Die Antwort auf all diese Fragen lautet: Nein.
Nun kann man der Ministerin zugutehalten, dass sich schon ganz andere, vom amerikanischen Präsidenten bis zum UN-Generalsekretär, für humanitäre Rücksicht im Nahen Osten starkmachten und niemand dauerhaft Erfolg hatte. Sicher, auch wenn die Chance noch so klein ist, sollte man sich für die Wahrung des humanitären Völkerrechts einsetzen. Doch ist es sinnvoll, jedem außen- und innenpolitischen Problem mit moralischen Appellen zu begegnen?
Was die Bundesaußenministerin von ihren Kolleginnen und Kollegen, ihren Vorgängerinnen und Vorgängern unterscheidet, ist eine Beschränkung auf moralische Imperative. Zu Forderungen nach besseren Zuständen müssten sich aber Verhandlungen, Deals, Ergebnisse gesellen. Wo sind die diplomatischen Erfolge, wo wurde im Geheimen erfolgreich verhandelt?
Annalena Baerbock fordert autoritäre Staatsführer auf, die Menschenrechte zu achten. In patriarchalisch strukturierten Ländern tritt sie als Verteidigerin von Frauenrechten auf. Sie verweigert auch den Kontakt, wenn sie ihr Gegenüber für unverbesserlich hält; mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hat sie anscheinend seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor zwei Jahren nicht mehr telefoniert. Doch die Bilanz der Außenministerin ist nach mehr als zwei Jahren mager. Ihre Appelle verhallen ungehört oder sorgen gar für Schaden, wie bei Baerbocks öffentlicher Feststellung, der chinesische Präsident Xi Jinping sei ein Diktator. Dass Baerbock in China noch empfangen, geschweige denn ernst genommen wird, gilt als ausgeschlossen. Und an der Lage in China hat sich durch ihre Aussagen nichts verändert.
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock steigt bei einem Tankstopp in Dschibuti aus.Michael Kappeler/dpa
Südsudan: Annalena Baerbock besucht Geflüchtete in Gorom.Michael Kappeler/dpa
Annalena Baerbock empfängt ihren polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski in Berlin.John Macdougall/AFP
Annalena Baerbock bei der COP28 in DubaiSebastian Rau/Imago
Annalena Baerbock trifft Eli Cohen in Israel.Ilia Yefimovich/dpa
Annalena Baerbock besucht die Grenze von Süd- und Nordkorea.Soeren Stache/dpa
Annalena Baerbock in NigeriaAnnette Riedl/dpa
Annalena Baerbock verstreut in Neu-Delhi Rosenblätter im Gedenken an Mahatma Gandhi.Carsten Koall/dpa
Annalena Baerbock bei der UN in New YorkBritta Pedersen/dpa
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in der Ukraine im Mai 2022.photothek.de
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock trägt bei einem Landwirtschaftsprojekt in Ouallam in Niger Melonen auf den Schultern. Die Ministerin lässt sich zeigen, welche Lasten Frauen bei der Hitze tragen müssen.Kay Nietfeld/dpa
Annalena Baerbock informiert sich im verlassenen Ort Schyrokyne an der Frontlinie zwischen der ukrainischen Armee und den von Russland unterstützten Separatisten über die Lage im Konfliktgebiet Donbass.Bernd von Jutrczenka/dpa
Berechenbarkeit ist in der Diplomatie nicht besonders nützlich
Doch wieso konzentriert sich die Außenministerin auf Belehrungen statt auf handfeste Ergebnisse? Als Außenministerin hätte Baerbock – anders als beispielsweise der Bundespräsident – mehr als warme Worte im Arsenal. Dass sie lieber auf Worte setzt, dürfte auch an ihrem relativen Erfolg liegen. Mit Zustimmungswerten von gut 35 Prozent schneidet sie zwar deutlich schlechter ab als die meisten Außenminister der Vergangenheit – doch besser als der Bundeskanzler (20 Prozent), Friedrich Merz (29 Prozent) oder Robert Habeck (26 Prozent). Nur Verteidigungsminister Boris Pistorius ist beliebter (50 Prozent).
Baerbock ist berechenbar, eine Eigenschaft, die bei Diplomaten nicht besonders nützlich ist. Ihre Gegenüber wissen, was bei ihren Gesprächen und Pressekonferenzen zu erwarten ist. Doch das scheint ihr egal. Viel wichtiger scheint ihr der Eindruck zu sein, den sie auf Nachrichtenfotos und in der Tagesschau macht: Sie zeigt sich barfüßig auf den Palau-Inseln im Pazifik, beim Tragen von Wasserkrügen im Niger oder beim Ausstieg aus einer Militärmaschine mit Hilfsgütern für Gaza in Ägypten. Resultate vor Ort sind sekundär.
Baerbocks Vorhersagbarkeit ist ihre größte Schwäche. Realpolitik – das Schachern und Austarieren gemeinsamer und gegenläufiger Interessen, inklusiver kleiner Geheimnisse und zugedrückter Augen – ist ihre Sache nicht. Man wird natürlich auch keinen ausländischen Diplomaten finden, der die deutsche Außenministerin offen kritisiert. Mienenspiel und Körpersprache mögen Distanz ausdrücken, mehr nicht. Man hört mitunter vermeintliche Hochachtung. Davor, wie viel sie doch gelernt habe in ihren zwei Jahren, vor ihren hehren Motiven. Das Lob klingt vergiftet.
Gerade autoritäre, zentralistische Staaten verfügen über exzellent geschultes Personal. Die jeweils herrschenden Vorstellungen von politischer Korrektheit geben die Sprach- und Denkschablonen vor; die Repliken sitzen dann wie eingeübte Handgriffe. Anders bei Baerbocks fast schon legendärer Pressekonferenz mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang im April 2023. Zweimal ging sie ihren Kollegen kritisch an – Chinas Zurückhaltung im Ukrainekrieg, Chinas Taiwan-Politik –, zweimal antwortete er unbeeindruckt. Beim dritten Mal – Zivilgesellschaft und Menschenrechte – wurde Qin deutlich: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“
Ähnlich verlief auch eine Pressekonferenz mit dem türkischen Außenminister. Es kam zur offenen Konfrontation mit Mehmet Cavusoglu, als Baerbock die Freilassung des türkischen Kulturförderers Osman Kavala verlangte. Sie forderte, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu achten. „Warum kommen Sie immer wieder mit Osman Kavala?“, fragte Cavusoglu wütend und warf Deutschland vor, Kavala zu instrumentalisieren und ihn zu finanzieren.
Annalena Baerbock in Palau im Südpazifik Britta Pedersen/dpa
Der Vergleich mit Andrij Melnyk
Es gibt einige deutsche Diplomaten, die dafür kein Verständnis haben – erst recht, wenn sie sich ihr Leben lang in Ländern mit fremder Kultur und schwer zu durchschauenden Führungsstrukturen herumschlagen. Zwar will kein Vertreter des Auswärtigen Amts namentlich genannt werden, doch hinter vorgehaltener Hand üben sie Kritik. Da hat man im Gastland mühsam Vertrauen aufgebaut, teils über Jahre hinweg, und dann kommt die Frau Ministerin und zeigt, wo moralisch der Hammer hängt.
Ein ehemaliger deutscher Botschafter (nicht in China) bezeichnet die Pekinger Pressekonferenz im April als Paradebeispiel. In Asien, wo die „Wahrung des Gesichts“ von überragender Bedeutung sei, stelle man sein Gegenüber nicht vor aller Öffentlichkeit bloß. Erst recht unhöflich sei es, einen Dritten zu einer Unhöflichkeit zu veranlassen. Eben das tat Baerbock, als sie Qin Wang geradezu zwang, ihr Schulmeisterei vorzuwerfen. Der Ton, der auf einem Grünenparteitag wohl Inklusion und Zuwendung demonstriert – „ey, ich sag das jetzt mal ganz offen“ –, wirkt im Pekinger Regierungsviertel wie die herablassende Provokation einer uralten Zivilisation.
Ausbaden dürfen es die deutschen Diplomaten vor Ort. Sie bekommen, spätestens nach dem dritten Mai Tai, zu hören, was man von der Dame aus Berlin hält.
Eine Gesprächspartnerin aus einer Botschaft Osteuropas vergleicht Baerbocks Kommunikationsstil mit dem von Andrij Melnyk. Social Media werde von Baerbock bewusst eingesetzt, um öffentlichkeitswirksam Themen zu platzieren und in der eigenen Fan-Bubble positiv und meinungsstark aufzutauchen. Vor allem die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auswärtigen Amt würden diesen Stil schätzen, die älteren dafür umso weniger. Unter erfahrenen Diplomaten herrsche der Konsens, dass ausgerechnet der schrille Ton das Weiterkommen bei delikaten Verhandlungen verhindere. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass der gegenwärtige, weit ruhigere ukrainische Botschafter Oleksij Makejew viel mehr erzielt hätte als sein Vorgänger. Die deutschen Gesprächspartner wüssten seine freundliche und doch direkte Art weitaus mehr zu schätzen – und zeigten sich verhandlungsbereiter.
Ein Bundestagsabgeordneter, der bei Gesprächen mit autoritären Regierungen jahrelang Erfahrungen gesammelt hat, sieht es ähnlich. Zu Beginn seiner Tätigkeit sei er, wie Baerbock, im Ausland selbstgewiss, fast arrogant aufgetreten. Heute müsse er rückblickend feststellen, dass er sich mit den Jahren geöffnet habe für andere Perspektiven. Erst das Verständnis für das Gegenüber hätte Austausch und Ergebnisse zustande gebracht. Das Brüskieren von Staatschefs ersticke jede erdenkliche Annäherung im Keim. Bilaterale Kompromisse und konkrete Ergebnisse könnten so nicht erzielt werden. Und genau das sei Baerbocks Problem.
Außenministerin Annalena Baerbock und der chinesische Außenminister Qin Gang (r.) geben eine gemeinsame Pressekonferenz.Sören Stache/dpa
Nur die wenigsten brennen für eine wirklich bessere Welt
Moralisierende Außenpolitik ist ein Nullsummenspiel. Moral ist weder teilbar noch verhandelbar, sie ist absolut. Das unterscheidet Moral von Interessen. Interessen sind verhandelbar. Interessengeleitete Politik kann hier geben und dort nehmen, hier verzichten und dort verlangen. Interessengeleitete Politik kann auch überraschen – ein plötzliches Angebot, ein Schachzug, eine unerwartete Konstellation. Moralisten können nicht bluffen. Schier undenkbar, dass die Ministerin ihren chinesischen Amtskollegen dafür lobt, dass sein Land den islamistischen Terror in Xinjiang unter Kontrolle bekommen hat.
Hinzu kommt, dass in den politischen Klassen aller Länder (erst recht in den Führungsetagen) nur die wenigsten für eine wirklich bessere Welt brennen. Die Bereitschaft, zu Deutschland aufzuschauen und die deutsche Außenministerin als Vorbotin dieser besseren Welt zu empfangen, ist global gesehen schwach ausgeprägt.
Schon früh wurde gemutmaßt, dass die Ministerin das wisse und immer wusste. Dass allein ihr Machtinstinkt sie verleite, ihr Amt in ihrer spezifischen Weise auszufüllen. Ein Machtinstinkt, der nicht nach außen, sondern nach innen schielt. Wie ein ewiger Wahlkampf. Ihre Adressaten wären dann nicht die ausländischen Diplomaten und Politiker, sondern ihre heimische Fanbase: Journalisten, die progressive NGO-Blase um Themen wie Gender, LGBTQ+, Klima und Menschenrechte, die feministisch angehauchte Wählerschaft und schließlich die eigene, grüne Partei. Die hat von allen Ampel-Parteien die besten Werte in Umfragen. Seit der Bundestagswahl hat sich die Zustimmung kaum verändert und liegt immer irgendwo zwischen 12 und 16 Prozent.
Zum eigentlichen Thema hat Baerbock den Feminismus gemachtEine solche Einschätzung deckt sich mit dem „progressiven“ Selbstverständnis eines Deutschlands, das die relevanten Teile seiner außen- und sicherheitspolitischen Souveränität an supranationale Institutionen wie EU und Nato delegiert hat. Dort wird die „richtige“, die Politik für „Erwachsene“ gemacht. Die Handlungsräume der Berliner politischen Klasse beschränken sich demzufolge – in Altkanzler Gerhard Schröders Worten – zunehmend auf „Familie und das andere Gedöns“.
Baerbock und ihre Anhänger würden das wohl als diskriminierend von sich weisen. In einer ZDF-Doku mit dem Titel „Mensch Baerbock, die undiplomatische Diplomatin“ unterstreicht die Ministerin: „Robert Habeck hat mal gesagt: Macht kommt von machen. Ich bin in der Politik, um Dinge zu verändern.“ Doch welche Dinge verändert sie, und wo?
Zu den Veränderungen, die es in die Nachrichtenlage geschafft haben, gehört der künftige Bezug von zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas aus Katar in die Bundesrepublik. Des Wdeiteren die Aufhebung des deutschen Waffenexportverbots nach Saudi-Arabien; bald werden Eurofighter-Kampfjets und Iris-T-Lenkflugkörper in die Wüste geliefert. Beide Entscheidungen erforderten das Nicken der Außenministerin, und beide fallen definitiv nicht unter die Rubrik „wertebasierte Außenpolitik“.
Wendet sich Baerbock am Ende doch der Real- und Interessenpolitik zu? Oder untermauert die magere Ausbeute beim Kardinalziel „Bessere Welt“ nur die Tatsache, dass Prozesse wie Demokratisierung, gesellschaftlicher Wandel und Wandel der Wertevorstellungen keine Jahre, sondern Jahrzehnte in Anspruch nehmen – wenn nicht noch längere Zeiträume?
Zum eigentlichen Thema hat Baerbock den Feminismus gemacht – und damit eine Saite angeschlagen, die in der Tat global widerhallt. Unter dem Radar von Politik und Öffentlichkeit wird die Rolle der Frau in der Gesellschaft diskutiert, und zwar auf allen Kontinenten, in allen Religionen und Kulturen. Die Debatte folgt der Globalisierung und der dadurch ausgelösten Umwälzung der Produktionsverhältnisse.
Botschafterin für feministische Außenpolitik (und Beauftragte für Menschenrechte und globale Gesundheit) ist seit Juli 2023 die ehemalige deutsche OSZE-Botschafterin Gesa Bräutigam. Wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt, würden bereits gut 70 Prozent der AA-Fördermittel „gendersensibel“ oder „gendertransformativ“ eingesetzt; der Wert solle in der laufenden Legislaturperiode auf 93 Prozent steigen.
Feministische Außenpolitik, für viele Deutsche ein typischer Gedöns-Begriff, ist wahrscheinlich das eine Thema, mit dem die Ministerin im Ausland mehr Menschen anspricht als in ihrer Heimat – einfach weil sich in patriarchalischen Gesellschaften viele Frauen überhaupt zum ersten Mal von einer hochrangigen Amtsinhaberin ernst- und wahrgenommen fühlen.
Annalena Baerbock macht ein Foto mit ihrem Smartphone, als sie am 30. OSZE-Ministertreffen in Skopje teilnimmt.Sebastian Gollow/dpa
Umgeben von einer Gruppe, „die überzeugt ist, Baerbock könne über Wasser laufen“
Doch auch im polarisierten Deutschland mobilisiert das Wort, vornehmlich innerhalb Baerbocks etablierter Fanbase: begeisterte, meist weibliche Angehörige der Generationen Z und Y. Dem Ausbau dieser Fanbase widmet die Ministerin Herz, Hirn und Hand. Im Ergebnis wird ihr Amt zur medial begleiteten Selfpromotion, einer postpolitischen Performance für das urban-emanzipierte Publikum. Dort werden Träume von Weltinnenpolitik wahr: Baerbock als Superwoman „Wertewatcher“. Kein Wunder, dass ihr im aufgeklärten Blätterwald, von der Taz bis zur Süddeutschen Zeitung, die Herzen zufliegen. „Feministische Außenpolitik provoziert –“, kommentierte der Bayerische Rundfunk, „und genau darum haben wir sie nötig.“
Ihren eigenen Fanclub besitzt die Ministerin auch im Amt. Hinter vorgehaltener Hand sagt ein deutscher Diplomat, sie werde umgeben von einer Gruppe, „die überzeugt ist, Baerbock könne über Wasser laufen“.
Zum engsten Umfeld der Ministerin gehört die ehemalige Geschäftsführerin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, inzwischen deutsche Staatsbürgerin und beamtete Staatssekretärin. Weitere Personen aus ihrem Umfeld sind der ehemalige Spiegel-Redakteur Ralf Beste, seit März 2022 Abteilungsleiter Kultur und Gesellschaft, oder Thomas Bagger, der im vergangenen August, nach nur einem Jahr als Botschafter in Polen, ebenfalls zum Staatssekretär berufen wurde. Als Fotograf, vielleicht die wichtigste Funktion nach der Ministerin, dient ihr vornehmlich der externe Profi Dominik Butzmann von der Agentur Phototek.
Doch werden die Blütenträume der schönen neuen Wertewelt wirklich reifen? Ein pensionierter Diplomat mit exzellentem Netzwerk sagt: „Baerbock steht für einen Zeitgeist, der eigentlich schon Vergangenheit ist. Das kommt alles noch aus Rot-Grün.“ Also aus den sorglosen frühen 2000ern mit der Spaßpartei FDP in der Opposition und dem Turnschuhminister Joschka Fischer. Heute ist der altgediente Diplomat überzeugt, dass die Zukunft dem Pragmatismus und der multipolaren Unordnung gehört.
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10.02.2024
Wahlen im Osten der Republik: Wagenknecht schließt Koalitionen mit CDU nicht aus
In diesem Jahr finden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. Vor dem Hintergrund der hohen Umfragewerte für die AfD bringen sich Sahra Wagenknecht und ihre neue Partei BSW mit der Ankündigung ins Gespräch, eine Koalition mit der CDU nicht auszuschließen.
Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), bei einer Debatte des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024
Die 2024 anstehenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands sorgen für Nervosität bei den etablierten Parteien – wegen der nach wie vor hohen Prognosen für die AfD.
Nun schließt Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende der Anfang des Jahres gegründeten Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW), nicht aus, auch Koalitionsgespräche mit der CDU zu führen. Über Koalitionen werde man nach den Wahlen entscheiden, äußerte Wagenknecht gegenüber Zeitungen der Mediengruppe Bayern am heutigen Samstag.
Allerdings schränkte die Ex-Linke ihr Angebot an die Union etwas ein: Denn ein "Weiter so" werde es mit der von ihr geführten Partei BSW nicht geben. Der Berliner Tagesspiegelzitiert Wagenknecht mit der Aussage:
"Es muss sich spürbar etwas für die Menschen verbessern, nur dann gehen wir in eine Regierung. Aber darüber reden würden wir natürlich auch mit der Union."
Aus der Union kommen bisher noch ablehnende Signale. So hatte Anfang dieser Woche Andrea Lindholz, die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, erklärt:
"Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit der neuen Partei von Sahra Wagenknecht ebenso wenig vorstellen wie mit der Linkspartei."
Nach der Trennung von der Linkspartei im Herbst 2023 hatte das BSW aus dem Stand hohe, teils zweistellige Umfragewerte erzielt, die sich in letzter Zeit allerdings bei sieben Prozent stabilisiert haben. Die neue Partei fährt eine restriktive Linie bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern. Jedes einzelne neue Mitglied wolle man kennenlernen, heißt es. Wagenknecht dazu: "Junge Parteien ziehen leider nicht nur konstruktive Mitstreiter an." Jedoch hätten sich bislang über 16.000 Interessenten registriert, die die neue politische Formation unterstützen wollten.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
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10.02.2024
Enthüllung: Correctiv traf sich häufiger mit Bundesregierung als bislang bekannt
Laut Bundesregierung gab es außer eines „Gedankenaustauschs“ im Juni 2020 keine Treffen zwischen Correctiv und Ministerienvertretern. Jetzt kommen zwei weitere Termine ans Licht.
Correctiv-Geschäftsführer David Schraven (l.) und Claudia Roths Behördenleiter Andreas Görgen: Sie trafen sich im November 2022 zu einem Austausch über russische Exiljournalisten. Correctiv wird unter anderem von der Kulturstaatsministerin gefördert.Fotomontage: Berliner Zeitung Foto: Imago
David Schraven, Geschäftsführer des Rechercheportals Correctiv, und mehrere Vertreter der früheren Bundesregierung unter Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich im Juni 2020 zum nichtöffentlichen „Gedankenaustausch“ im Bundesinnenministerium getroffen.
Das berichtete kürzlich die Berliner Zeitung. Nach offiziellen Angaben sprachen sie über die Bekämpfung von „Desinformation“ im Kontext der Corona-Pandemie. Auf Anfrage teilten mehrere Ministerien mit, weitere Treffen dieser Art habe es nicht gegeben – weder auf Staatssekretärsebene noch in den Ebenen darunter.
Jetzt kommt heraus: Nach dem 2. Juni 2020 fanden mindestens zwei weitere Treffen von Regierungsvertretern, Correctiv-Geschäftsführer David Schraven und weiteren Faktencheckern statt. Das geht aus der Antwort von Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten und wirtschaftspolitischen Sprechers Leif-Erik Holm hervor, die der Berliner Zeitung exklusiv vorliegt. Holm hatte die Bundesregierung am 31. Januar schriftlich angefragt, wann und aus welchem Anlass sich Vertreter von Bundesministerien und -behörden mit Journalisten von Correctiv in den vergangenen Jahren zu Gesprächen getroffen hatten.
Mindestens zwei weitere Treffen zwischen Correctiv und Regierung
Laut Hebestreit fand rund anderthalb Monate nach dem Treffen, über das die Berliner Zeitung berichtet hatte, erneut ein Austausch „zum Thema Desinformation“ statt. Am 15. Juli 2020 trafen sich David Schraven, der frühere Regierungssprecher Steffen Seibert und „andere Faktenchecker“, wie es in Hebestreits Antwort heißt.
Dann wird in Hebestreits Schreiben ein weiterer Termin verzeichnet: Am 28. November 2022 traf sich Schraven mit Andreas Görgen, dem Behördenleiter von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), zu einem „Austausch“. Sie hatten über „russische Exiljournalisten“ gesprochen, ist in der Antwort zu lesen. Auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigte eine Sprecherin der Kulturstaatsministerin das Treffen und teilte mit, sei es dabei um Programme gegangen, mit denen russische Exiljournalisten „unterstützt werden“ könnten.
Correctiv erhielt in den vergangenen Jahren Gelder aus dem Hause der Kulturstaatsministerin im Kanzleramt und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth. So förderte sie das Correctiv-Projekt „Lokaljournalismus qualifizieren, Demokratie stärken“ in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt 199.000 Euro. Das geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine andere Anfrage des AfD-Abgeordneten Holm hervor, die der Berliner Zeitung ebenfalls vorliegt.
Laut Hebestreit besteht weder eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher Treffen, noch habe man eine entsprechende Dokumentation durchgeführt. Gesprächsinhalte würden ebenfalls nicht protokolliert. Man habe innerhalb der üblichen Frist von einer Woche lediglich Daten zu den Bundesministerien, dem Bundeskanzleramt, der Beauftragten für Kultur und Medien sowie dem Bundespresseamt ermitteln können – „umfassende Ressortabfragen“ habe man nicht leisten können. Heißt: Möglicherweise sind die Informationen, die Hebestreit anführt, nicht vollständig.
Hebestreit nennt auch öffentliche Termine von Correctiv und Regierung
Ein weiterer Journalist, der in der Antwort des Regierungssprechers auf Holms neueste Anfrage erwähnt wird, ist der Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels. Er hat, so ist in der Antwort zu lesen, an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Presse, Medien und wir?!“ am 28. November 2023 teilgenommen. Auch Hebestreit selbst war auf dem Podium vertreten. Der Ort und die weiteren Teilnehmer wurden nicht genannt – danach hatte Holm jedoch auch nicht gefragt.
Auf Anfrage der Berliner Zeitung teilt Justus von Daniels mit, die Podiumsdiskussion habe am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Berlin stattgefunden. Es habe sich um eine Schülerdiskussion gehandelt, „zu der ich als Teilnehmer auch eingeladen war“. Eine öffentliche Veranstaltung also, die für Correctiv nicht ungewöhnlich ist: So tritt Correctiv-Geschäftsführer David Schraven immer wieder in Podien, Talks und Panels auf, zu denen Journalisten, NGOs, Sprecher sozialer Netzwerke oder Regierungsvertreter eingeladen sind.
Der letzte derartige Termin war laut Hebestreit ein Podiumstalk zum Thema „Desinformation und Fake News – wie gehen wir damit um?“ am 22. Oktober 2022 auf der Frankfurter Buchmesse. Schraven diskutierte mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. In der Antwort der Bundesregierung werden drei weitere öffentliche Panels genannt, an denen Schraven seit 2019 teilgenommen hat. Themen waren Desinformation, Fake News und digitale Kommunikation.
Correctiv-Gründer Schraven: „Es kann sein, dass es weitere Gespräche gab“
Die Berliner Zeitung fragte auch das Bundespresseamt um detaillierte Informationen an: Wo traf sich Schraven mit Ex-Regierungssprecher Seibert, liegen genauere Informationen zu den Gesprächsinhalten vor? Das Bundespresseamt sah sich außerstande, die Anfrage bis Redaktionsschluss zu beantworten. Eine Anfrage der Berliner Zeitung zu den Details seiner Treffen mit Seibert und Görgen ließ Correctiv-Gründer David Schraven ebenfalls unbeantwortet.
Ende Januar hatte er gegenüber der Berliner Zeitung erklärt, bei derartigen Treffen handle es sich um „unverbindliche Gespräche“. Man führe über diese zudem „kein Buch“. Der Correctiv-Geschäftsführer weiter: „Es kann sein, dass es weitere Gespräche gab, warum auch nicht.“ Es komme „grundsätzlich immer mal wieder vor“, dass sich Mitarbeiter von Correctiv mit Ministeriumsmitarbeitern unterhalten oder zu einer Gesprächsrunde eingeladen würden.
Der AfD-Politiker Leif-Erik Holm sieht sich dagegen in seiner Skepsis gegenüber Correctiv bestärkt: Die Frage, „wie unabhängig Correctiv wirklich ist und agiert“, stellt sich ihm zufolge nach den Recherchen der Berliner Zeitung und der jüngsten Antwort der Bundesregierung „immer lauter“.
Zuvor hatte auch der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) gegenüber der Berliner Zeitung kritisiert, angesichts des Treffens von Correctiv und Regierungsvertretern im Bundesinnenministerium am 2. Juni 2020 entstünde der Eindruck, „dass Transparenzmaßstäbe an Dritte, insbesondere Politiker, angelegt und mit Vehemenz eingefordert werden, die Correctiv nicht selber erfüllt“. Später ergänzte er in einem Post auf Facebook, Correctiv hätte selbst zur Aufklärung beitragen können, „auch um die Frage zu klären, wie im Juni 2020 zum Beispiel der Begriff der ‚Desinformation‘ nach Ansicht der Teilnehmer definiert wurde“.
Holm geht in seinen Vorwürfen jedoch noch weiter. Natürlich könne man sich „hinter verschlossenen Türen mit Regierungsvertretern und hochrangigen Ministerialbeamten treffen“, sagte er der Berliner Zeitung. Man wirke jedoch „eher wie eine Agentur, die der Regierung ihre Propagandadienste verkauft“, wenn man auf gemeinsamen Veranstaltungen „öffentlich ins gleiche Horn“ wie die Sprecher der Regierung blase und „gleichzeitig Staatsgelder in Millionenhöhe“ abgreife, schäumt der AfD-Bundestagsabgeordnete. Für ihn sehe das nach „kritischem, unbequemen und vor allem unabhängigen“ Journalismus „ganz und gar nicht aus“.
Zuletzt hatte sich Holm in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ zuversichtlich gegeben, dass ein AfD-Parteiverbot „nach hinten losgehen“ werde. Die AfD stehe „fest auf dem Boden des Grundgesetzes“, betonte der Politiker. Dem Verfassungsschutz unterstellte er, dieser sei zum „Regierungsschutz“ mutiert.
Die Debatte um ein mögliches Verbot der AfD hatte eine Correctiv-Recherche maßgeblich angeheizt; demnach hätten mehrere Politiker von AfD, CDU und Werteunion gemeinsam mit Rechtsextremen Ende November vergangenen Jahres über die „Remigration“ von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund konferiert.
Correctiv übersetzt das Remigrationskonzept des Rechtsextremen Martin Sellner mit „millionenfacher Vertreibung“. Die AfD bestreitet bis heute eine ideologische Nähe zu Sellner und anderen rechtsextremen Teilnehmern des „Geheimtreffens“ in Potsdam – obwohl Parteichefin Alice Weidel seither zwei ihrer Mitarbeiter entlassen hat, die bei dem Treffen waren.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
10.02.2024
Militärpakt Deutschland-Japan
aus e-mail von Doris Pumphrey, 10. Februar 2024, 13:35 Uhr
/Über die wachsende militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
Japan schrieb die/Frankfurter Rundschau am 15. April 2021
und Deutschlands Botschafter in Japan, Clemens von Goetze,
unterzeichneten ein sogenannte Übernahme- und Cross-Servicing-Abkommen
(ACSA). Es erleichtert den Austausch von Lebensmitteln, Treibstoff und
Munition zwischen den japanischen »Selbstverteidigungskräften« und der
Bundeswehr. Für Tokio ist Deutschland somit der siebte ACSA-Partner nach
den USA, Australien, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Indien.
Mit diesem Abkommen glauben einmal mehr zwei Staaten aus Europa und
Asien, ihre sicherheitspolitische Verbundenheit unter Beweis stellen zu
müssen. In Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten scheint man
der Auffassung zu sein, die Sicherheitsdynamiken im Indopazifik stünden
nahtlos in Verbindung mit denen Europas. Die deutsch-japanische
Zusammenarbeit hat sich seit 2020 intensiviert und vor zwei Jahren einen
kräftigen Schub erlebt, als nacheinander Bundeskanzler, Außenministerin
und Präsident nach Tokio pilgerten. Für Olaf Scholz und Annalena
Baerbock war Japan die erste Destination in Asien nach Amtsübernahme –
ein klarer Wink an die Adresse Beijings. Diese Kommunikation auf
höchster Ebene ist denn auch ein hervorstechendes Merkmal der neu
aufgestellten Beziehung.
Die militärische Annäherung hatte im November 2021 begonnen, als die
deutsche Fregatte »Bayern« in Tokio anlegte, um an gemeinsamen
Seemanövern teilzunehmen. Im September 2022 führten beide Staaten zum
ersten Mal gemeinsame Übungen im Luftraum durch. Im gleichen Tenor – nur
intensiver – soll es in diesem Jahr weitergehen. Missionen dieser Art
seien ein »Bekenntnis zur Freiheit der Meere«, meinte Scholz dazu. Und
für Japan ist Deutschlands Präsenz in Ostasien – jetzt, wo sich die
Deutschen wieder zu einer militärischen Macht gemausert haben – mehr als
nur Symbolik. Japans Projekt, eine »Allianz von Gleichgesinnten« gegen
China zu schmieden, nimmt immer mehr Fahrt auf.
Doch es ist schon merkwürdig, dass die deutsch-japanische
Wiederannäherung und ihre Remilitarisierung kaum zu internationalen
Reaktionen führen. Noch vor zehn Jahren hätte diese »Zeitenwende« –
nicht zuletzt in den beiden Staaten selbst – für rote Köpfe gesorgt. Die
grausame kriegerische Vergangenheit ist vielerorts noch nicht vergessen,
wie auch der Dreimächtepakt von 1940 zwischen Deutschland, Japan und
Italien. »Warum hat niemand Angst vor der Wiederaufrüstung von Japan und
Deutschland?« fragte sich auch der niederländische Publizist und
Japankenner Ian Buruma unlängst in einem /Bloomberg/-Artikel. Buruma
sieht die Antwort in den neuen Kräften, die für die Veränderungen
verantwortlich sind.
Im Kalten Krieg waren es sowohl in Deutschland als auch in Japan die
Falken und die Rechte, die für eine militärische Aufrüstung und
Wiederbelebung des patriotischen Geistes eintraten. Heute seien es
»weniger besorgniserregende Figuren«, die einer stärkeren Verteidigung
das Wort reden: in Deutschland etwa die einst pazifistischen Grünen und
in Japan Premierminister Kishida Fumio – ein Gemäßigter. Doch gerade die
Tatsache, dass die Idee der militärischen Neubelebung im Mainstream
angekommen ist, macht nicht nur Friedensaktivisten in Japan Angst. Der
Weg zurück zum alten Nachkriegspazifismus, mit dem sich viele
identifizieren, scheint mehr und mehr versperrt.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
10.02.2024
Sieg über Nazismus: Bundesregierung will Russen aus Kapitulationsmuseum "schmeißen"
meinungsfreiheit.rtde.life, 10 Feb. 2024 07:52 Uhr, Von Wladislaw Sankin
Die Causa "Museum Berlin-Karlshorst" wird seit Monaten auf der höchsten deutschen Regierungsebene verhandelt ‒ im Kanzleramt. Es wird daran gearbeitet, die russischen Vertreter aus dem Trägerverein rechtlich konform zu entfernen. Vor April 2022 hieß der Ort der Kapitulation "Deutsch-Russisches Museum".
Am 8. Mai 1945 wurde im Berliner Vorort Karlshorst der endgültige Akt der bedingungslosen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands und seiner Streitkräfte unterzeichnet. Auf dem Bild: Marschall der Sowjetunion Georgi Schukow (Mitte) bei der Unterzeichnung der Erklärung.
Die bundesdeutsche Erinnerungskultur hat sich mit dem Thema "NS-Verbrechen gegenüber der Sowjetunion" auch fast 80 Jahre nach dem Ende des Krieges nicht angefreundet. 27 Millionen Opfer, die Hälfte davon Zivilisten... Auch die aufrichtige Freude über den Sieg über den Hitler-Faschismus ist ihr wesensfremd ‒ trotz all der endlosen Hitler- und Goebbels-Dokus im Fernsehen. Der Grund dafür: Wie zu Hitlers Zeiten liegt auch heute der Feind im Osten. Denn wenn dem nicht so wäre, müsste man zusammen mit den Russen die Kapitulation Hitler-Deutschlands feiern.
Aber das geht nicht, schließlich sind die Russen bekanntlich abstoßende, einfach unappetitliche Genossen ‒ das weiß man aus unseren Medien nur zu gut. Zu ihnen muss man Sicherheitsabstand einhalten. Zu kitschig-pompös ist ihre Erinnerung an den Krieg, zu militaristisch, zu putintreu sind sie im Allgemeinen, und alles, was sie berühren, wird sowieso zur Propaganda ‒ ein Grund für die Abneigung findet sich immer. Kratzt man bei einem politischen Bundesdeutschen ein bisschen an der Oberfläche, findet man schnell diesen abgrundtiefen Russenhass.
Dies ist zugegebenermaßen eine krude These, und sie blendet jene unserer Freunde aus, die mit uns jährlich am 9. Mai die Blumen zu Ehren der Sieger im monumentalen Treptower Park niederlegen. Allerdings haben diese ehrlichen Deutschen in Berlin kein Mitspracherecht und können die Walze des um sich greifenden Geschichtsrevisionismus nicht stoppen. Diese Walze macht nun auch vor dem Ort der Kapitulation, dem Museum Berlin-Karlshorst (vor der Umbenennung im Jahr 2022: "Deutsch-Russisches Museum"), nicht mehr Halt.
Das "Problem" mit diesem Erinnerungsort stellen die Medien wie folgt dar: Zum Trägerverein dieses Museums gehören nunmehr seit 30 Jahren Vertreter dreier russischer Ministerien, nämlich des Verteidigungs-, Außen- und Kulturministeriums. (Die deutsche Seite ist hingegen ähnlich repräsentiert, und zwar durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Verteidigung, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Berliner Senat und eine Reihe weiterer staatlich finanzierter Einrichtungen). Die Russen haben im Verein die Sperrminorität. Finanziert wird das Museum dabei nur aus dem deutschen Haushalt, was in dieser Konstellation nun viele als ungerecht empfinden.
Außerdem habe der zweite Vorsitzende auf russischer Seite, Wladimir Lukin, Putin durch eine Ausstellung begleitet und dessen historischen Aufsatz, wonach auch Polen Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs haben soll, ausdrücklich gelobt. Man möchte mit "Kriegstreibern" und "Vertrauten des Kremlherrschers" nichts mehr gemein haben, so die deutschen Zeitungen.
"Die Struktur des Vereins erscheint im Lichte der jetzigen politischen Situation nicht mehr tragfähig und muss verändert werden", sagte ein Sprecher der Kulturministerin Claudia Roth noch vor einem Jahr. "Viel zu oft" seien Mitglieder, die Moskau in den Verein entsandt habe, "Werkzeuge der russischen Propaganda". "Wie Claudia Roth verzweifelt versucht, sich von einer russischen Altlast zu befreien", titelteDieWelt dazu. Der Wunschkatalog dazu, was mit dem Museum künftig geschehen soll, wird, wie gewöhnlich, von einem Funktionär aus Kiew angeführt: "Das Museum Berlin-Karlshorst sollte neu definiert und umgestaltet werden." Das Museum müsse nun vor allem "russische Propaganda" aufdecken.
Was gefällt dem Ukrainer denn nicht? Im Museum werden die Vorgeschichte und der Verlauf des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion thematisiert. Auch solche vergessenen Opfergruppen der Nazis, wie sowjetische Kriegsgefangene, geraten in den Fokus. Mit Stolz beherbergt das Museum auch eine Top-Location von welthistorischer Tragweite: Das Offizierskasino der deutschen Wehrmacht, wo vom 8. auf den 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet wurde. Heute finden im ehemaligen Festsaal zahlreiche Podiumsdiskussionen statt. All das müsse nun mal neu "geframet" werden.
Ich war in den Jahren 2016 bis 2020 häufiger Gast im Museum und führte Gespräche mit dessen Mitarbeitern. In den Gesprächen ging es auch darum, das Museum und seine Thematik im bildungspolitischen Sinne sichtbarer und bekannter zu machen. Darum hat sich das Museum nach Kräften bemüht. Seit Eskalation des Ukraine-Krieges im Februar 2022 geht es dem Museum jedoch nur darum, sich dem allgegenwärtigen antirussischen Zeitgeist anzupassen.
Es wurden die ukrainische Flagge gehisst und Statements zur Verurteilung Russlands veröffentlicht. Kontakte zu offiziellen russischen Akteuren wurden aufgekündigt, was die Arbeit des Trägervereins auch paralysierte. Stattdessen lädt das Museum "im Exil lebende Russinnen und Russen" zur Mitarbeit ein, um "propagandafreie Geschichtsaufbereitung" zu ermöglichen. "Propagandafrei" heißt, kritisch bis ablehnend zum russischen Staat und dessen Erinnerungskultur zu stehen.
Der langjährige Museumsdirektor Dr. Jorg Morré wirft Russland den Bruch des Völkerrechts und die "Instrumentalisierung der öffentlichen Beschäftigung mit Geschichte für politische Zwecke" vor ‒ all das macht "eine Zusammenarbeit, wie sie im Museum Berlin-Karlshorst vor 30 Jahren initiiert worden war, momentan nicht möglich". Fast wortgleich klingt auch der Vorwurf der Bundesregierung: Nicht vorstellbar sei die Zusammenarbeit, weil Russland verzerrte historische Narrative zur Legitimation des "Angriffskrieges gegen die Ukraine" anführe. Der Wissenschaftler und die Politik reden mit einer Zunge.
Doch juristisch ist es schwer möglich, die Russen aus dem Trägerverein zu "schmeißen", wie der Merkur es formuliert. Laut seinem aktuellen Bericht soll dazu vom Kanzleramt ein Veto gekommen sein. Aber: "Die beteiligten Ressorts arbeiten derzeit daran, eine neue, dauerhaft tragfähige Lösung für den Trägerverein des Museums zu finden."
Der Druck auf das Kanzleramt wächst. In den vorigen Jahren hat der Ex-Direktor des Museums Hohenschönhausen und glühende Antikommunist Hubertus Knabe die Medienkampagne für die Liquidierung des Museums Berlin-Karlshorst in seiner jetzigen Form angeleitet. Er bediente sich starker Sprachbilder und nannte die Situation für die Deutschen "babylonische Gefangenschaft" und "zweite Kapitulation"(!).
Nun kümmert sich der bekannteste FDP-Falke und Dauer-Talkshowgast Marie-Agnes Strack-Zimmermann um das Thema. Gegenüber der "geschundenen Ukraine" sei das Ganze unerträglich und inakzeptabel. Außerdem übermittle das Verbleiben der Russen im Trägerverein "ein fatales Signal der Schwäche" an Moskau.
Es besteht kein Zweifel, dass der "Rausschmiss" der Russen aus dem Trägerverein gravierende Auswirkungen auf die thematischen Schwerpunkte des Museums haben würde ‒ bis zur Unkenntlichkeit. Nur dank ihrer Mitarbeit konnte die Museumssammlung so angereichert werden, wie sie jetzt ist. Nun wird die Büchse der Pandora zur Umgestaltung bereits mit dem Begriff "Multiperspektivität" geöffnet: Unter diesem Dach finden im Museum auch die "konkurrierenden" historischen Narrative aus Osteuropa Platz.
Dazu hat das Museum noch vor einem Jahr die Veranstaltungsreihe "Geschichte im Konflikt. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg im östlichen Europa" ins Leben gerufen. Manchen dieser Narrative zufolge war der deutsche Vernichtungskrieg ein unbedeutender Gewaltexzess, die wahren Aggressoren und Besatzer aber waren und sind die Russen. Deshalb müssen auch die Denkmäler an ihre Soldaten, welche die Hitler-Deutschen unter dem höchsten Blutzoll verjagt haben, weg. Ein Foto, das die Demontage eines Sowjet-Denkmals in Litauen dokumentiert, "schmückt" vielsagend das Werbeplakat dazu.
Und was sehen wir da? Da kommt der Leiter des "Okkupationsmuseums" in Riga zu einer Podiumsdiskussion und hält einen Impulsvortrag, der die restlose Entfernung der sowjetisch und russisch geprägten Erinnerungssymbole aus dem öffentlichen Raum begründet. Er macht keinen Hehl daraus, dass Riga eine knallharte antirussisch inspirierte Geschichtspolitik verfolgt. Von anwesenden leitenden Mitarbeitern des Museums Berlin-Karlshorst muss der staatlich bezahlte Propagandist aus Lettland keinen Widerspruch fürchten.
Im Gegenteil, der "Impuls" wird aufgefangen, und neben ihm im Sessel sitzt sein Berliner Kollege Morré und sinniert darüber, ob es sich lohnt, auch in Deutschland sowjetische Denkmäler abzureißen. Einmischung der Politik, verzerrende Geschichtsbilder, revisionistische Narrative oder gar Revanchismus kann er da nicht erkennen.
In der Veranstaltungsreihe kommen auch solche verdienten Wissenschaftler wie Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller zu Wort. Sein Steckenpferd ist die Leningrader Blockade und er hat viel dafür getan, dass dieses Thema zumindest in den Medien seinen gebührenden Platz findet. Gemäß dem Themenschwerpunkt des Museums spricht er allerdings im Saal der Kapitulation am Vorabend des 80. Jahrestages des Blockadendurchbruchs nicht von den Lücken in der Erinnerungskultur im Täterland, sondern bevorzugt es, den vermeintlichen Sowjet-Kitsch der Heldenverehrung der Lächerlichkeit preiszugeben. Egal, was der Russe macht, er macht es immer falsch, er kann nicht einmal die Opfer gebührend betrauern, lautet die unterschwellige Botschaft.
Es ist jedoch wichtig zu differenzieren. Niemand beschuldigt an dieser Stelle die Mitarbeiter des Museums Berlin-Karlshorst, russophob zu sein. Im Gegenteil. Sie leisten ehrliche Arbeit und klären über Verbrechen des deutschen Nazismus in Osteuropa sachlich korrekt auf ‒ noch. Russlandhass ist nicht die Eigenschaft eines Einzelnen, sondern ein politischer Rahmen, ein Spannungsfeld, das Tür und Tor für Geschichtsrevisionismus öffnet. Sein Motto lautet: Egal, was passiert, Russland ist immer schuld. Nicht Kiew hat Nazi-Kollaborateure auf den Schild gehoben, nein ‒ Moskau hat darauf mit "verzerrenden" Narrativen reagiert. Niemand kommt in der Bundesrepublik auf die Idee, US-Amerikaner oder Israelis infolge von Völkerrechtsbrüchen ihrer Staaten aus irgendwelchen Gremien zu "schmeißen". Mit den Russen ist dies nicht nur möglich, es ist erwünscht. Denn, wie erwähnt, sind sie unappetitlich.
Sie heben beispielsweise, wie im Welt-Artikel beschrieben, ihre Wodkagläser in einem von ihnen angemieteten Kellerraum des Museums auf. Manche von ihnen tragen Kosakenuniformen und posten öffentlich irgendwas Unterstützendes für den notleidenden Donbass. Ein Welt-Redakteur konfrontiert den Museumsdirektor Morré mit einem Foto dieser "obskuren" Männer. "Das ist gruselig. Das darf nicht passieren", sagt er angewidert.
Nein, Herr Morré. Gruselig ist etwas anderes. Gruselig ist, Herr Morré, wenn ein bekannter deutscher Historiker und Ex-Museumsdirektor das Verbleiben der Russen im Trägerverein Ihres Hauses als "zweite Kapitulation" der Deutschen bezeichnet. Gruselig ist Ihr Schweigen zum Ausschluss der Russen aus dem Auschwitz-Gedenken und zur Lüge Ihrer Landsfrau Ursula von der Leyen, die Alliierten und nicht die Russen hätten Auschwitz befreit.
Gruselig sind zahlreiche Vorschläge ihrer Mitbürger in der Kommentarspalte unter dem besagten Welt-Artikel, ihr Museum finanziell auszutrocknen und ganz "dichtzumachen" und "Sowjet-Gerümpel" aus dem Treptower Park und anderen Gedenkanlagen zu entfernen. Toben da nicht etwa die so vielbeschworenen "Nazis", gegen die jetzt überall "Zeichen" gesetzt werden?! Sie warten nur auf ihre Chance, die Geschichte der eigentlich unfassbaren deutschen Verbrechen auf sowjetischem Boden vergessen zu machen, und Ihre Hilfe zur Produktion zahlreicher Hetzartikel, die den "Rauswurf der Russen" fordern, bringt sie diesem Traum ein Stück näher.
Gruselig ist auch Ihre eigene Bereitwilligkeit, Geschichtsrevisionismus und Relativismus mit Euphemismen wie "neue Perspektiven" oder "kreative Umdeutung" zu übertünchen. Und da ist der angebliche neue politische Rahmen (in Wirklichkeit ein ganz alter) keine Rechtfertigung für all diejenigen, die die Freiheit der Wissenschaft und Meinung ernst nehmen und eigentlich genug Mut aufbringen sollten, dem russophoben Zeitgeist zu trotzen. Wenn das Fundament, auf dem das Museum Berlin-Karlshorst bislang gestanden hat, durch eine Änderung in der Struktur des Trägervereins (den Rauswurf) verwässert wird, wird es von der gefährlichen Flut der Geschichtsrevision ganz weggeschwemmt. Heute steht das Wasser schon im Keller.
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Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus. Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland. Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
10.02.2024
Nato könnte Affront gegen Putin wagen – Aus Sorge vor Trumps Wahlsieg
Die Militärhilfe für die Ukraine soll Aufgabe der Nato werden – aus Sorge vor einem Wahlsieg Donald Trumps. Der Schritt könnte Russland verärgern
Brüssel – Die Nato will in Zukunft offenbar die Koordinierung der Waffenlieferungen an die Ukraine in die eigene Hand nehmen. Möglicherweise, um die Hilfe von Kurswechseln in der US-amerikanischen Politik weniger abhängig zu machen – es wäre ein Kurswechsel historischen Ausmaßes.
Konkret heißt das: Die Nato will angeblich die Militärhilfen des Ramstein-Formats zukünftig zu ihrer eigenen Aufgabe machen. Das berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf westliche Regierungsverstreter und Diplomaten. Ein Grund dafür sei die Sorge vor einer möglichen Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus.
Angst vor Trump treibt die Nato um – er könnte das Bündnis zum Einsturz bringen
Bisher wird die militärische Unterstützung der Ukraine von der US-amerikanischen „Ramstein Air Base“ in Rheinland-Pfalz aus koordiniert. Vertreter von 50 Staaten treffen sich dort regelmäßig, um über die Hilfslieferungen zu beraten. Es gab jedoch auch schon Zusammenkünfte an anderen Orten, etwa im Vorfeld des NATO-Verteidigungsministertreffens in Brüssel oder virtuell per Videokonferenz.
Hilfen für die Ukraine von der Nato - doch keine souveränen Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten?
Bislang hatte die Nato bisher stets betont, dass es sich den Hilfen für die Ukraine um souveräne Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten handele – wohl auch um Russland nicht zu erzürnen. Dennoch könnte sich der Schritt als sinnvoll erweisen.
Zudem hat sich die Einschätzung der Nato bezüglich der russischen Sichtweise auf die Militärhilfen für die Ukraine inzwischen geändert. Aus russischer Perspektive stehe ohnehin fest, dass die Allianz in den Konflikt involviert ist – schließlich liefern fast alle Nato-Länder inzwischen Waffen zur Verteidigung im Ukraine-Krieg. Daher hält man es laut Handelsblatt inzwischen für ratsam, das Ramstein-Format in die Nato-Strukturen zu integrieren, um sich auf den möglichen Machtwechsel in Washington vorzubereiten.
Bevor das Vorhaben umgesetzt werden kann, muss die Nato aber noch über den von US-Sicherheitsberater Jake Sullivan und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ausgearbeiteten Schritt beraten. Nach Informationen der Zeitung soll das in wenigen Tagen geschehen.
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Nato-Generalsekretär Stoltenberg ist überzeugt – Bundesregierung zeigt sich skeptisch
Stoltenberg sei von der Maßnahme überzeugt und treibe diese intern seit längerem voran, auch wenn er nach außen hin versuche, die Sorge vor Trumps Rückkehr herunterzuspielen, hieß es weiter. „Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten unabhängig vom Ausgang der Wahlen weiterhin ein fester Nato-Verbündeter sein werden, weil dies im Interesse der USA liegt“, sagte Stoltenberg kürzlich dem US-Sender CNN.
Die Bundesregierung stehe dem Schritt jedoch skeptisch gegenüber, berichtete das Handelsblatt. Es bestehe die Angst, mit einem solchen Vorhaben das Narrativ des Kremls zu bedienen, die Nato führe Krieg gegen Russland. Außerdem habe es aus Berlin geheißen, man könne im Ramstein-Format diejenigen Staaten besser einbinden, die keine Nato-Mitglieder sind. (tpn)
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.