29.06.2023

in Kürze: Biden/Kuba/Zentralafrika/BRD/ Russen töten

aus e-mail von Doris Pumphrey, 29. Juni 2023, 13:02 Uhr


RT-Liveticker 28.6.23

<https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg/>

19:40 Uhr

*Biden verwechselt Ukraine mit Irak *

Ein peinlicher Versprecher von US-Präsident Joe Biden hat sich in den

sozialen Medien viral verbreitet. Am Mittwoch antwortete der 80-Jährige

vor seiner Abreise nach Chicago im Garten des Weißen Hauses auf Fragen

von Journalisten. Als er danach gefragt wurde, ob die jüngste Meuterei

des Militärunternehmens Wagner in Russland Präsident Wladimir Putin

geschwächt habe, sagte Biden:

/"Es ist schwer zu sagen, aber er verliert eindeutig den Krieg im Irak.

Er verliert den Krieg zu Hause und ist eine Art Paria in der ganzen Welt

geworden. Dies gilt nicht nur für die NATO und die EU, sondern auch für

Japan."/

Auf die Nachfrage, ob Putin nun schwächer als vor diesen Ereignissen

sei, sagte der US-Präsident, dass dem so sei.

Übrigens war es nicht das erste Mal, dass der Demokrat die Ukraine mit

dem Irak verwechselte. Im November 2022 hatte er dies schon einmal in

seinem Kommentar zur globalen Inflation getan. Einige Tage später

brachte er die Städte Cherson und Falludscha durcheinander.



RT-Liveticker 28.6.23

<https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg/>

19:16 Uhr

*Kubas Verteidigungsminister: Russland führend im Kampf gegen von den

USA geschaffenen Faschismus*

Der Minister der Revolutionären Streitkräfte der Republik Kuba, Álvaro

López Miera, ist überzeugt, dass die Ursprünge des Konflikts in der

Ukraine in der aggressiven Politik der Vereinigten Staaten zu suchen

seien. Ihm zufolge habe der Wunsch der USA, die NATO weiter auszubauen,

Russland dazu veranlasst, seine Sonderoperation in der Ukraine zu

starten. Russland spiele eine führende Rolle im Kampf gegen den

Faschismus, den Amerika in Europa zu verbreiten versuche.



https://freeassange.rtde.life/afrika/173889-zentralafrikanische-behoerden-akzeptieren-statt-wagners/

28.6.2023

*Zentralafrikanische Behörden akzeptieren statt "Wagners" auch russische

"Mozarts" und "Beethovens"

*Die Behörden der Zentralafrikanischen Republik erklärten sich bereit,

weitere russische Militärausbilder statt der Wagner-Gruppe einzuladen.

Das afrikanische Land und Mali hatten nach dem Abzug der französischen

Truppen mit der Wagner-Gruppe zusammengearbeitet.


Die zentralafrikanischen Behörden würden jede andere Truppe akzeptieren,

die Russland anstelle der Wagner-Gruppe entsenden würde, erklärte

<https://www.ft.com/content/93381925-9b2e-4c57-b669-7c592536cffc> Fidel

Guanjica, ein Berater des zentralafrikanischen Präsidenten, gegenüber

der Zeitung /Financial Times/. Er sagte:

/"Wenn Moskau beschließt, sie [die Wagner-Gruppe] zurückzurufen und uns

'Beethovens' oder 'Mozarts' anstelle der 'Wagners' zu schicken, werden

wir sie nehmen."/


Die Zeitung stellte fest, dass es nach Angaben ungenannter Diplomaten

keine offensichtlichen Veränderungen in der Zentralafrikanischen

Republik seit den Aktionen der Wagner-Gruppe am 24. Juni gegeben hat.

Auch eine Quelle aus dem Umfeld des Präsidenten der Republik,

Faustin-Archange Touadéra, bestätigte, dass die Situation in Russland

keinen Einfluss auf ihn gehabt habe.

Nach Angaben der /Financial Times/ hielten sich im Februar dieses Jahres

etwa 1.500 Mitglieder der Wagner-Gruppe in der Zentralafrikanischen

Republik auf.


Der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte zuvor erklärt, dass sich

die Beziehungen Russlands zu Afrika vor dem Hintergrund der Aktionen der

Wagner-Gruppe in Russland am 24. Juni nicht verändert haben. Er fügte

hinzu, dass zusätzlich zu der Interaktion zwischen der

Zentralafrikanischen Republik und den Wagner-Kämpfern "mehrere hundert

Soldaten" dort als Ausbilder auf Ersuchen der Behörden dieses Landes

arbeiten, und diese Arbeit wird fortgesetzt. Lawrow erinnerte daran,

dass die Zusammenarbeit mit der russischen Wagner-Gruppe in Mali und der

Zentralafrikanischen Republik nach dem Abzug der europäischen

"Anti-Terror-Kontingente" aus diesen Ländern begann.


------------------------------------

*Bundesregierung rechtfertigt den Bruch internationaler Verträge

*Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass sie sich ganz offiziell nicht

mehr an einen**internationalen Vertrag halten will. Die Rede ist von der

NATO-Russland-Grundakte. Vertragsbruch wird damit zu deutscher Staatsraison.

Siehe:

https://www.anti-spiegel.ru/2023/bundesregierung-rechtfertigt-den-bruch-internationaler-vertraege/



RT-Liveticker 29.6.23

<https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg/>

11:57 Uhr

*Olaf Scholz: Deutschland sollte für weitere Waffenlieferungen an Kiew

bereit sein*

Laut Bundeskanzler Olaf Scholz sollte

<https://www.daserste.de/information/talk/maischberger/videos/zu-gast-bundeskanzler-olaf-scholz-video100.html

man sich innerlich darauf einstellen, dass die Waffenlieferungen an die

Ukraine eine langfristige Angelegenheit werden könnte: /"Ich sage aber

bewusst: Wir müssen uns darauf einstellen, dass es lange dauern

kann."/Dabei betonte er, dass nicht alle Bürger mit der

Regierungsposition hinsichtlich der Waffenlieferungen einverstanden

seien: /"Natürlich gibt es welche, die skeptisch sind, wenn es um

Waffenlieferungen geht oder um die Sanktionsbeschlüsse, die wir gefasst

haben."/

Die Unterstützung der Ukraine sei aber trotzdem notwendig, so Scholz.

Sogar wenn es keinen Durchbruch beim ukrainischen Gegenangriff gebe,

suche Kiew gezielt nach Möglichkeiten, die Frontlinie zu verschieben.

Die Ukraine wisse genau, was sie tue, so der Bundeskanzler.



RT-Liveticker 28.6.23

<https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg/>

18:53 Uhr

*Ukrainischer Kriegsgefangener: In Europa wurde uns beigebracht, so

viele Russen wie möglich zu töten*

Der ukrainische Gefangene Witali Sery erzählte von der Ausbildung, die

er in Frankreich von NATO-Ausbildern erhalten hatte. Das Video des

Gesprächs mit ihm wurde <https://t.me/mod_russia/27923> vom russischen

Verteidigungsministerium veröffentlicht. Sery wörtlich: /"Psychologen

arbeiteten mit uns. Uns wurde gesagt, da wir bereits im Krieg seien,

müssten wir Russen erdrosseln, töten – bis zum Ende. Je mehr, desto

besser, dann wäre es schneller vorbei. Sie haben uns gegeneinander

aufgehetzt."/

Jedoch halfen die Kenntnisse und Fähigkeiten nicht, die der bereits

gefangen genommene Soldat in Frankreich erworben hatte. Als seine Truppe

mit einer Einheit der russischen Streitkräfte konfrontiert wurden,

ergaben sich die Ukrainer. Sery merkte die Professionalität der

russischen Soldaten und ihre hohe Motivation an. In Bezug auf das

ukrainische Kommando offenbarte er: /"Sie haben uns unmenschlich

behandelt, wir waren keine Angriffsbrigade. Wir wurden geschickt, als

wären wir ausgebildete Spezialisten mit militärischer Erfahrung. Dabei

war die 63. Brigade eine rückwärtige Brigade."/


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

29.06.2023

Bandera-Hymne auf dem Marienplatz: Brief an die Münchener Stadträte

freeassange.rtde.life, 29 Juni 2023 17:03 Uhr, Von Dagmar Henn

Am vergangenen Wochenende gab es auf dem CSD in München einen Auftritt des ukrainischen Sängers Mélovin. Dieser Auftritt hätte zumindest danach kritisiert werden müssen. Es dürfte das erste Mal seit 1945 gewesen sein, dass auf dem Marienplatz eine Nazi-Hymne erklang.


© Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons


Der Marienplatz in München


Liebe Stadträtinnen, liebe Stadträte der Landeshauptstadt München,

ist Euch aufgefallen, was auf dem Marienplatz beim CSD gesungen wurde? Der ukrainische Sänger Mélovin trug ein Lied vor, dessen Refrain lautet:

"Bandera ist unser Vater, die Ukraine ist unsere Mutter, wir werden für die Ukraine kämpfen."

Ihr mögt ja gerne verdrängen, welch eigenartige Helden die heutige Ukraine verehrt, aber Ihr solltet wissen, wer Bandera war – schließlich ist er auf dem Münchner Waldfriedhof begraben und verbrachte seine letzten Lebensjahre in unserer Stadt.


"Slawa Ukraini" – Die Grußworte von Nazikollaborateuren und Massenmördern





"Slawa Ukraini" – Die Grußworte von Nazikollaborateuren und Massenmördern






2014, noch vor dem Putsch in Kiew, hatte ich vor diesen ukrainischen Faschisten gewarnt. Als der Münchner Stadtrat eine Resolution verabschiedete, die pauschal alle Seiten während des Maidan zur Gewaltfreiheit aufrief, bat ich die damaligen Stadträte, zumindest eine Formulierung hinzuzufügen, die die deutschen Institutionen auffordert, ihre Zusammenarbeit mit Parteien wie Swoboda in der Ukraine einzustellen. Ich erwähnte, dass Swoboda von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wurde, ebenso wie die von Witali Klitschko gegründete Partei UDAR. Ich erwähnte, dass Swoboda Fackelmärsche zu Ehren von Bandera durchführt, und dass die Mitglieder aufgefordert wurden, mit Schusswaffen bewaffnet zu den Maidan-Demonstrationen zu kommen.

Es hat mich damals überrascht, dass niemand bereit war, diese Ergänzung in den Text aufzunehmen; schließlich wurde immer betont, die Stadt München stehe gegen Rassismus und gegen Nazis. Dennoch erfolgte aus München kein Versuch, den ukrainischen Bürgerkrieg zu stoppen, und der Kiewer Bürgermeister Klitschko, der immerhin selbst ein Freikorps aufgestellt hatte, um im Donbass zu kämpfen, und der sich damals bereits auch mit der Fahne von Asow ablichten ließ, einer unzweifelhaft faschistischen Formation mit entsprechendem Verhalten, wurde bei Besuchen in München mit keinerlei Kritik konfrontiert.

Als ich mich damals in der Vollversammlung gegen diese Resolution wandte, war noch nicht sichtbar, was danach folgen würde. Aber es war sichtbar, um wen es sich bei den ukrainischen Nationalhelden handelt (Bandera ist nur die Spitze des Eisbergs). Jahrzehntelang befand sich die Zentrale der OUN-B, der lange von Bandera geführten radikalsten ukrainischen Nationalisten, in der Münchner Zeppelinstraße. Es wurden genügend Bandera-Anhänger in Bayern aufgenommen, dass bekannt sein muss, um wen es sich dabei handelt.


Der Provokation verpflichtet: Die Ukrainische Sondereinheit "SS-Bären"





Meinung

Der Provokation verpflichtet: Die Ukrainische Sondereinheit "SS-Bären"





In mehr als einer Hinsicht. Es gibt eine ausführliche Recherche eines US-Reporters aus den 1970er Jahren, bei der es um eine "Operation Ohio" geht. Ich kann gerne eine Kopie dieses Artikels zusenden; ich habe ihn vor Jahren auch ins Deutsche übersetzt. Es geht dabei um eine Reihe von Morden, die die OUN-B in den Flüchtlingslagern (DP-Lagern) an politischen Konkurrenten begangen haben soll, etwa Angehörigen der OUN-M. Nach diesen Recherchen, die sehr glaubwürdig scheinen, waren es insgesamt an die hundert Morde, die im Auftrag Banderas noch in Deutschland begangen wurden; gedeckt erst von der US-amerikanischen Besatzungsbehörde und dann von den Behörden der jungen Bundesrepublik.

Es waren Angehörige der OUN-B, die 1941 das Pogrom in Lwow veranstalteten, einer der schrecklichsten Momente in einer an Schrecken nicht armen Zeit. Als die Nazi-Wehrmacht bereits auf dem Rückzug war, erfolgte dann noch das Wolhynien-Massaker an den galizischen Polen. Das ist es, wofür der Name Bandera steht.

Der Sänger Mélovin muss genau wissen, was er da gesungen hat – er stammt aus Odessa, der Stadt des Massakers am 2. Mai 2014, dem Augenblick, an dem der wiederbelebte und an die Macht gekommene ukrainische Nazismus sein wahres Gesicht zeigte. Ein Odessit, der ein Loblied auf Bandera singt? Ganz Odessa weiß, was damals geschehen ist, und wer aus Odessa stammt und dieses Lied singt, stellt sich wissentlich auf die Seite der Mörder.


Nun ist es raus: Westliche Journalisten verstecken Nazi-Insignien ukrainischer Soldaten




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Aber auch das ist noch nicht alles, was es über dieses Stück zu sagen gibt. Es ist das ukrainische Gegenstück zum Horst-Wessel-Lied der Nazis, es wird insbesondere von Asow mit Begeisterung gesungen und verbreitet. Würde der Münchner Stadtrat auch einen Vortrag des Horst-Wessel-Lieds auf dem Marienplatz ohne Protest hinnehmen, wenn es denn nur auf Ukrainisch und in musikalisch modernisierter Form vorgetragen würde?

Die damalige Entscheidung, im Februar 2014, war der erste Schritt auf einem langen Weg in die falsche Richtung. Damals versicherte die Friedhofsverwaltung noch, man werde das Grab Banderas unter Beobachtung halten und es nicht zulassen, dass es zu einer Pilgerstätte für ukrainische Nazis werde. Das ist erst neun Jahre her. Inzwischen geht es längst nicht mehr um ein Grab auf dem Waldfriedhof oder um ein nicht mehr wirklich bedeutendes Büro in der Zeppelinstraße. Inzwischen geht es um die Hymne der ukrainischen Faschisten, gesungen mitten im Herzen der Stadt. Wann war es das letzte Mal, dass eine Nazi-Hymne dort gespielt wurde, vor jubelndem Publikum? 1945?

Liebe Stadträtinnen und Stadträte, Ihr habt Euch schon im vergangenen Jahr nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als Ihr von einer ganzen Reihe russischer Künstler Distanzierungen von der russischen Regierung verlangt habt. Bei allen Beteuerungen, keinen Rassismus dulden zu wollen, habt Ihr selbst rassistisch gehandelt. Denn zum einen ist der einzige Grund, warum Ihr so reagiert habt, die Nationalität dieser Künstler, und zum anderen gab es keinerlei auch nur ansatzweise ähnliche Reaktion in Bezug auf – sagen wir – US-amerikanische Künstler bezüglich des Irakkriegs, oder – damit es nicht so lange her ist – bezüglich der Bombardierung Libyens. Besonders bizarr wird dieses Verhalten, wenn man es mit der fortgesetzten Blindheit den Ukrainern gegenüber vergleicht.


Das verratene Wunder: Was die Geschichte Deutschland nach 1945 lehren wollte





Meinung

Das verratene Wunder: Was die Geschichte Deutschland nach 1945 lehren wollte





Ich fürchte, dass Ihr auch auf diesen Skandal ebenso wenig reagieren werdet, wie damals meine Warnungen gehört wurden. Die Kooperationen deutscher Stiftungen und Institutionen mit ukrainischen Nazis haben mit zum Ausbruch des Bürgerkriegs 2014 beigetragen, und eine klare deutsche Haltung gegen den Angriff auf den Donbass, eine Reaktion auf Odessa, auf die Integration irregulärer nazistischer Einheiten wie Asow in Polizei und Streitkräfte – es gibt hundert Möglichkeiten, wie deutsche Politiker hätten eingreifen können. Sie haben es nicht getan, auch in München nicht, obwohl unsere Stadt gerne zu allen möglichen außenpolitischen Themen Stellung bezieht.

Die heutige Lage ist das Ergebnis dieses Nichthandelns. Aber mehr noch, meine damaligen Befürchtungen wurden weit übertroffen, denn eine ukrainische Nazi-Hymne auf dem Marienplatz hätte selbst ich mir nicht vorstellen können. Dass die Wiederauferstehung dieser Ideologie in der Ukraine nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert wurde, führt auch dazu, dass sie sich, in ein etwas modischeres Gewand gehüllt, ungehemmt wieder verbreitet. Die Mörder von Lwow, Wolhynien und Odessa werden unter Regenbogenfahnen gefeiert – während sich gleichzeitig der Münchner Stadtrat über ein Rammstein-Konzert empört.

Es wäre schön, wenn es zu diesem Vorfall eine Entschuldigung gäbe. Es wäre noch schöner, wenn für die Zukunft sichergestellt würde, dass derartige Stücke nicht gespielt oder Künstler, die derartige Stücke spielen wollen, nicht eingeladen werden. Aber ich fürchte, dass auch hier als Reaktion nur Schweigen folgt oder womöglich gar eine Rechtfertigung versucht wird, weil man doch mit eben dieser Bandera-Ukraine solidarisch sein müsse.

Es ist ein weiter Weg, den unsere Stadt seit Anfang 2014 zurückgelegt hat. Ich warte auf den Moment, an dem sie begreift, dass es der falsche Weg ist.

Grüße aus Moskau,

Eure ehemalige Kollegin


Mehr zum Thema - Wer sind die heutigen Helden der Ukraine? – Geschichtsunterricht mit Wladimir Putin


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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

29.06.2023

Rüstungsexportgenehmigungen bleiben auf extrem hohem Niveau und zeigen Aufrüstung von EU- und NATO-Staaten.  Mitteilung für die Medien

aufschrei-waffenhandel.de, vom 28. Juni 2023


  • Rüstungsexportgenehmigungen bleiben auf extrem hohem Niveau und zeigen Aufrüstung von EU- und NATO-Staaten.

  • Beabsichtigte Förderung der Rüstungsindustrie widerspricht Förderung von Transparenz.

  • Die Belieferung von Jemen-Kriegsparteien muss sofort beendet werden!


Die Bundesregierung hat laut einer parlamentarischen Anfrage im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis 19. Juni den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Höhe von rund 4,6 Mrd. Euro genehmigt. Im Vergleichszeitraum 2022 wurden Ausfuhrgenehmigungen im Wert von rund 4,1 Mrd. Euro erteilt. Auf die Ukraine entfielen Exporte in Höhe von 1,18 Mrd. Euro (1. HJ 2022: 561 Mio. Euro). An Drittländer (ohne die Ukraine) wurden Rüstungsexporte in Höhe von 675 Mio. Euro erteilt, was einem Anteil von rund 14 Prozent entspricht.


Es ist zu begrüßen, dass die Rüstungsexporte in Drittländer im Vergleich zur Vorgängerregierung insgesamt gesunken sind. Gleichzeitig sind mit Südkorea und Indien zwei Drittländer neben der Ukraine unter den TOP 10 der Empfängerländer. Die Reise von Verteidigungsminister Pistorius u. a. nach Indien vor ein paar Wochen scheint also bereits Früchte für die Rüstungsindustrie getragen zu haben. Außerdem zeigt sich an den sehr hohen Gesamtwerten, dass die EU- und NATO-Staaten enorm aufrüsten und die Rekordwerte bei den Rüstungsexportgenehmigungen der letzten beiden Gesamtjahre wohl erneut erreicht werden“, konstatiert Christine Hoffmann, die pax christi-Generalsekretärin und Kampagnensprecherin und kritisiert: „Angesichts dieser Zahlen stellt sich ernsthaft die Frage, warum die Bundesregierung laut Nationaler Sicherheitsstrategie beabsichtigt, die ‚Sicherheits- und Verteidigungsindustrie‘ durch „government-to-government“- Geschäfte bzw. Länderabgaben fördern zu müssen.“


Mit einer neuen Ausgestaltung von „government-to-government“-Geschäften sowie der bereits praktizierten, aber offiziell noch nicht vollzogenen Aufnahme von Drittländern, wie Südkorea als „Wertepartner“ oder wie Indien als „strategischer Partner“ in die Liste der NATO-gleichgestellten Ländern, wird die Transparenz über die erteilten Genehmigungen massiv abnehmen“, warnt Vincenzo Petracca, Sprecher der Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel! und führt dazu aus: „Die unmittelbare Unterrichtung des Bundestages über erteilte Genehmigungen des Bundessicherheitsrates wird über diese Waffenexporte dann nicht mehr stattfinden. Denn „government-to-government“-Geschäfte und Exporte in NATO-gleichgestellte Länder werden vom Verteidigungsministerium bzw. dem Wirtschaftsministerium genehmigt und entsprechend nicht dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Damit werden der Bundestag und die Öffentlichkeit noch später über geplante Waffenausfuhren informiert, als bisher“.


Ein zentraler Fokus muss auch auf die menschenverachtende Exportpraxis der Ampelkoalition gelegt werden für die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligten Länder. Laut Koalitionsvertrag sollen für diese Länder keine Rüstungsexporte genehmigt werden. Im vergangenen Jahr wurden jedoch Genehmigungen für Saudi-Arabien erteilt, trotz Bombardierung ziviler Ziele im Jemen. Nun zeigt eine Kleine Anfrage, dass 2022 für die ebenfalls am Krieg beteiligten Vereinigten Arabischen Emirate Genehmigungen für Kleinwaffenmunition erteilt wurden: 100.000 Stück Munition! Das sind potenziell 100.000 tote Jemenit:innen!“, so Jürgen Grässlin, Sprecher der Aufschrei-Kampagne und Bundessprecher der DFG-VK. „Und nun soll das Land laut Medienberichten sogar sechs Militärtransporter Airbus A400M aus Deutschland erhalten. Auch wenn die Kampfhandlungen im Jemen aktuell ruhen, ist ein Frieden noch nicht in Sicht. Das ist ein Skandal angesichts der Kriegsbeteiligung sowie Verstößen gegen die Waffenembargos für Libyen und Eritrea, den VAE Rüstungsgüter zu liefern, die im Jemen eingesetzt oder zu erneuten Embargobrüchen missbraucht werden können“, kritisiert Grässlin.


Kontakt für die Medien

  • Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne und Bundessprecher der DFG-VK, 0170 - 6113759

graesslin@dfg-vk.de   

  • Christine Hoffmann, Sprecherin der Kampagne und pax christi - Generalsekretärin, 0151 - 74463473, c.hoffmann@paxchristi.de

  • Vincenzo Petracca, Sprecher der Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel! und Vorstandsmitglied der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), V@Petracca.DE

  • Susanne Weipert, Koordinatorin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, 0176 – 45827610, s.weipert@paxchristi.de


Trägerorganisationen der Kampagne:

Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF) • aktion hoffnung Rottenburg-Stuttgart e.V. • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung  • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) •  Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) • Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges e. V. (IPPNW) Deutschland • NaturFreunde Deutschlands • Netzwerk Friedenskooperative  • Internationale katholische Friedensbewegung pax christi - Deutsche Sektion • JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) Deutsche Sektion • Ohne Rüstung Leben (ORL) • Deutsche Franziskanerprovinz • RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) • terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not • Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden (WfGA)


Mehr als hundert weitere Organisationen und Friedensinitiativen arbeiten lokal im Aktionsbündnis der Kampagne mit.


www.aufschrei-waffenhandel.de


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

29.06.2023

AnalyseIrrwege bei der Reform der EU-Fiskalregeln

makronom.de, vom 28. Juni 2023, PHILIPP HEIMBERGER, Europa

Die Bundesregierung hat mit Widerstand auf die Pläne der EU-Kommission zur Reform der europäischen Fiskalregeln reagiert. Und tatsächlich hat der Vorschlag einige Schwächen – allerdings nicht die von Deutschland kritisierten. Ein Beitrag von Philipp Heimberger.


Bild: Christian Lue via Unsplash


Ende April 2023 hat die Europäische Kommission ihren Gesetzesvorschlag zur Reform der EU-Fiskalregeln vorgelegt. Die Vorschläge verlagern den Schwerpunkt von der jährlichen Betrachtung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen hin zu einer längerfristigen Sichtweise. Künftig sollen mehrjährige Budgetpläne von mindestens vier Jahren zwischen der Kommission und der jeweiligen nationalen Regierung auf Basis einer Analyse der Schuldentragfähigkeit festgelegt werden. Dabei wird die Staatsschuldenquote über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren in die Zukunft projiziert, um einen Referenzpfad für die Haushaltsanpassung abzuleiten, der mit einer sinkenden oder sich stabilisierenden Staatsschuldenquote vereinbar ist. Damit soll erreicht werden, dass das Budgetdefizit unter 3% der Wirtschaftsleistung bleibt bzw. langfristig die Schuldenquote bei maximal 60% der Wirtschaftsleistung stabilisiert wird.

Die deutsche Reaktion auf die Vorschläge fiel kritisch aus. So fordert die Bundesregierung unter Federführung des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums strengere Regeln zur Schuldenreduktion – und das, obwohl die Kommission Deutschland in dem Gesetzesvorschlag bereits entgegen gekommen war, indem sie strengere Vorgaben macht als ursprünglich in den Reformleitlinien vorgesehen. Finanzminister Christian Lindner drohte mitunter offen damit, den Reformprozess lahmzulegen, wenn in den Verhandlungen nicht noch stärker auf deutsche Positionen eingegangen wird. Der Weg zu einer Verhandlungseinigung der EU-Mitgliedstaaten ist weiterhin steinig, und der Zeitplan für einen Abschluss vor den EU-Wahlen im Frühjahr 2024 bleibt eng. Deutschland und einige andere haben den Reformprozess verzögert.


Position der deutschen Bundesregierung

Die deutsche Regierung traut der Kommission nicht, wenn diese mehr länderspezifischen Spielraum bei der Analyse der Schuldensituation einzelner Staaten und der bilateralen Verhandlung mehrjähriger Budgetpläne vorschlägt. Die Befürchtung ist, dass die Kommission vor allem mit Hochschuldenländern wie Italien oder Spanien zu lax sein wird.

Im deutschen Positionspapier wird ein schnellerer Abbau der Staatsschuldenquote gefordert. Die Kommission sieht vor, dass die Schuldenquote nach Plan mittelfristig, aber nicht in jedem Jahr sinken soll. Deutschland hingegen will dies noch verschärfen: Die Staatsschuldenquote müsse in Ländern mit hoher Schuldenquote jedes Jahr um mindestens einen Prozentpunkt und in Ländern mit moderaten Schuldenherausforderungen um einen halben Prozentpunkt sinken.

Die Mitgliedstaaten zu einem strengeren Sparkurs zu verpflichten, ist kein Allheilmittel und kann auch ein Schuss ins eigene Knie sein

Dieser Aspekt des deutschen Vorschlags ist problematisch. Denn angesichts der Erfahrungen mit den Krisen der letzten Jahre sollte klar sein, dass Regierungen den jährlichen Schuldenstand nicht präzise kontrollieren können. Dieser ist von äußeren Ereignissen und kurzfristigen wirtschaftlichen Schwankungen abhängig.

Es gibt aber auch gute Gründe, den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission kritisch zu diskutieren. Im Anschluss diskutiere ich fünf konkrete Punkte, in denen besonderer Nachbesserungsbedarf besteht: Sparvorgaben unabhängig von der wirtschaftlichen Situation eliminieren; technische Grundlagen der Schuldenanalyse verbessern; unzureichende Spielräume für öffentliche Klimainvestitionen beheben; stärkere parlamentarische Einbindung sicherstellen; und fiskalpolitische Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten fördern.


Sparvorgaben unabhängig von der wirtschaftlichen Situation eliminieren

Der Internationale Währungsfonds hat erst kürzlich in einer Analyse festgestellt, dass staatliche Sparpolitik im Durchschnitt nicht zu einer Verringerung der Staatsschuldenquote führt. Austeritätspolitik dämpft das Wirtschaftswachstum, vor allem wenn sie in wirtschaftlich ungünstigen Zeiten durchgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten zu einem strengeren Sparkurs zu verpflichten, ist jedenfalls kein Allheilmittel und kann auch ein Schuss ins eigene Knie sein.

Ein besonderes Problem ist in diesem Zusammenhang die im Gesetzesvorschlag der Kommission beinhaltete Regel, dass ein Mitgliedstaat Sparmaßnahmen von mindestens 0,5% der Wirtschaftsleistung tätigen muss, solange das Budgetdefizit bei mehr als 3% liegt. Diese Regel war in den Reformleitlinien der Kommission im November 2022 noch nicht vorgesehen – im aktuellen Gesetzesvorschlag findet sie sich als Zugeständnis an die Hardliner-Positionen Deutschlands und einiger anderer Mitgliedstaaten.

Doch eine solche Regel konterkariert das Reformprinzip des Übergangs zu einer individuellen Schulden- und Budgetanalyse, die mehr Spielraum für die Gestaltung des fiskalpolitischen Kurses in den einzelnen Mitgliedstaaten auf Basis eingehender technischer Schuldentragfähigkeitsanalysen bietet. Des Weiteren droht diese Regel zu kontraproduktiver Austeritätspolitik in den kommenden Jahren zu führen. Denn mehrere Mitgliedstaaten haben als Folge der budgetären Auswirkungen der Covid-Krise und der Teuerungskrise weiterhin Budgetdefizite von deutlich mehr als 3%. Versuche, diese Defizite übermäßig hart mit Budgetkonsolidierung herunterzubringen, ohne dabei adäquat auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abzustellen, kann nach hinten los gehen, indem es die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigt und der Schuldentragfähigkeit mittelfristig schadet.

Wenn das Ziel der Verringerung der Staatsschuldenquoten in allen Mitgliedstaaten ernst zu nehmen sein soll, darf es keine vorab regeltechnisch festgesetzten Mindestwerte für Budgetkonsolidierungen unabhängig von der Wirtschaftslage geben. Die 0,5%-Mindestanpassungsregel sollte gestrichen werden.


Technische Schuldenanalyse verbessern

Die Verwendung von Schuldentragfähigkeitsanalysen durch die Kommission würde stark an Bedeutung gewinnen. Die Schuldenquoten einzelner Mitgliedstaaten werden dabei auf Basis von Annahmen zu Fiskalpolitik, Wirtschaftswachstum, Zinsen, Inflation und Bevölkerungsentwicklung über mehr als zehn Jahre in die Zukunft projiziert.

Einige technische Annahmen müssen kritischer diskutiert werden, da sie maßgeblich die Ergebnisse der technischen Analysen bestimmen werden. Vor allem die sich auf Markterwartungen stützenden Annahmen der Kommission zur Entwicklung der Zinsen sind problematisch und könnten zum Brandbeschleuniger für Schuldenkrisen werden: Denn schlechte Markterwartungen können in einer Art „selbsterfüllenden Prophezeiung“ die Schuldenprojektionen verschlechtern und damit einen Teufelskreis aus geringeren fiskalpolitischen Spielräumen, höheren Zinsen, geringerem Wachstum und verschlechterter Schuldentragfähigkeit lostreten.

Schuldentragfähigkeitsanalysen erfordern außerdem weiterhin die Schätzung nicht beobachtbarer Variablen: Umstrittene Schätzungen des Produktionspotenzials werden für die Projektionen der wirtschaftlichen Wachstumsraten, aber auch für Anpassungen von Budgetzahlen verwendet. Die Schätzung des Produktionspotenzials und der strukturellen Budgetsalden steht seit langem wegen systematischer Verzerrungen in der Kritik. Daher würde eine Aufwertung der Rolle der Schuldentragfähigkeitsanalysen in den EU-Fiskalregeln die Notwendigkeit einer Verbesserung der von der Europäischen Kommission verwendeten Methodik für das Produktionspotenzial nicht beseitigen. Das gilt umso mehr, wenn man sich das deutsche Positionspapier ansieht, in dem die Regierung auf eine Regelobergrenze für das „strukturelle“ Budgetdefizit beharrt, obwohl die Kommission eine solche nicht mehr vorsieht.

Die großen Fehler bei der Schätzung dieses theoretischen Konstrukts, die in der Vergangenheit zu kontraproduktivem Sparzwang im Abschwung beitrugen, sind vielfach dokumentiert. Indem die Bundesregierung auf einer problematischen Schätzgröße besteht, ohne gleichzeitig eine Korrektur von deren Berechnung zu fordern, ignoriert sie den Stand der Forschung ebenso wie die Empfehlungen des EU-Netzwerks der unabhängigen fiskalischen Überwachungsinstitutionen.


Unzureichende Spielräume für öffentliche Klimainvestitionen beheben

Die Transformation der Energie- und Verkehrssysteme in der EU zur Erreichung der Klimaziele erfordert zusätzliche öffentliche Investitionen in Höhe von mindestens 146,5 Milliarden Euro pro Jahr – das entspricht 1% der Wirtschaftsleistung der EU. Es ist jedoch zu erwarten, dass erhebliche Teile der erforderlichen Klimainvestitionen keine positiven Schuldeneffekte haben werden. Der Gesetzesvorschlag der Kommission und die Anwendung des technischen Analyserahmens mit seinem Schwerpunkt auf der Gewährleistung sinkender öffentlicher Schuldenquoten wird daher voraussichtlich zu unzureichenden öffentlichen Investitionen auf nationaler Ebene führen.

Im Kommissionsvorschlag ist weder eine Mitentscheidung des Europäischen noch der jeweiligen nationalen Parlamente vorgesehen

Die Mitgliedstaaten können sich zwar zu einer Reihe von Investitionen und Reformen verpflichten, um den fiskalischen Anpassungspfad um maximal drei Jahre zu verlängern, wenn die Kommission zustimmt, dass die Investitionen mit der Schuldentragfähigkeit vereinbar sind. Details zum Bewertungsrahmen von „guten“ und „schlechten“ Investitionen bleiben jedoch unklar. Die quantitative Analyse der mittelfristigen Auswirkungen der Investitionen auf die öffentlichen Finanzen und das Wachstum, die den längeren Anpassungszeitraum untermauern, ist schwierig und birgt politisches Konfliktpotenzial.

Es ist bereits jetzt offenkundig, dass – wenn die nationalen Regierungen ihre Klima- und Energieziele erreichen wollen – die Einhaltung der reformierten EU-Fiskalregeln nur mit weiteren Maßnahmen möglich sein wird. Dies könnte die Einrichtung eines zusätzlichen EU-Investitionsfonds zur Finanzierung von Investitionen in Klima und Energie sein, der derzeit jedoch nicht Teil des Fiskalregelpakets der Kommission ist.


Stärkere parlamentarische Einbindung sicherstellen

Die Kommission würde mit der avisierten Reform zusätzlich an Macht gewinnen. Sollten ihre technischen Einschätzungen etwa zu einer unvorteilhaften Bewertung der Schuldentragfähigkeit eines EU-Mitgliedstaates führen, würden sich die demokratischen Spielräume für die Budgetpolitik stark einengen. Wenn die Schuldentragfähigkeitsanalyse eine „erhebliche Schuldenherausforderung“ ergibt, könnte die Regierung dann standardmäßig einer strengeren Überwachung unterworfen und mit Sanktionen konfrontiert werden. Dies würde zu einer Erhöhung der Zinskosten für Staatsschulden führen und den Spielraum für fiskalpolitische Entscheidungen auf nationaler Ebene verringern.

Doch den Einschätzungen zur Schuldentragfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten durch die Kommission liegen stets Annahmen zur zukünftigen Entwicklung von Wirtschaftswachstum, Zinsen, Inflation und Fiskalpolitik zugrunde. Diese Annahmen, auf denen auch die bilateralen Verhandlungen über mehrjährige Budgetpläne mit den Mitgliedstaaten basieren würden, sollten der demokratischen Prüfung unterworfen sein. Es ist im Kommissionsvorschlag aber weder eine Mitentscheidung des Europäischen noch der jeweiligen nationalen Parlamente vorgesehen. Zudem bleibt unklar, welchen Spielraum neue Regierungskonstellationen haben, um die mehrjährigen Budgetpläne nachzuverhandeln.


Fiskalpolitische Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten fördern

Leider hat die Kommission zu wenig aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, als eine fehlende fiskalpolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten etwa die Eurokrise stark vertiefte. Stellen wir uns eine Situation wie die aktuelle vor, in der die aus den technischen Analysen der Kommission abgeleiteten Ausgabenpfade Kürzungen in einer Reihe von (großen) Ländern des Euroraums erfordern, um die Fiskalregeln einzuhalten. Negative grenzüberschreitende Effekte gleichzeitiger öffentlicher Budgetkürzungen in mehreren Mitgliedsländern könnten die negativen Wachstums- und Beschäftigungseffekte der Sparpolitik verschärfen. Mit dem Rückgang des Wirtschaftswachstums könnten die öffentlichen Schuldenquoten sogar stärker unter Aufwärtsdruck geraten als ursprünglich von der Kommission erwartet.

Die deutsche Regierung sollte nicht den Irrweg beschreiten, auf übermäßig scharfen Regeln zur Schuldenreduktion zu bestehen

Auch trägt der Vorschlag Abstimmungsproblemen der Fiskalpolitik zwischen den Mitgliedstaaten nicht ausreichend Rechnung und greift zu kurz, wenn es darum geht, die Fähigkeit zur Steuerung des fiskalpolitischen Kurses der Eurozone als Ganzes zu verbessern. Diese Steuerungsfähigkeit ist jedoch entscheidend, damit der gemeinsame Wirtschafts- und Währungsraum für alle Mitgliedstaaten funktionieren kann. Die Berücksichtigung der Auswirkungen der aus den technischen Schuldenanalysen der einzelnen Mitgliedstaaten abgeleiteten Budgetpfade auf den fiskalpolitischen Kurs des Euroraums insgesamt sollte daher für die Kommission verpflichtend sein. Die einzelnen Mitgliedstaaten müssten ihrerseits die Auswirkungen auf den Euroraum bei der Verhandlung länderspezifischer Pläne mit der Kommission in Betracht ziehen.


Schlussfolgerungen

Es braucht einen Abschluss der Verhandlungen zur Reform der EU-Fiskalregeln im Jahr 2023, um zu verhindern, dass die alten EU-Fiskalregeln, die bislang wegen der Auswirkungen der Pandemie ausgesetzt sind, im nächsten Jahr wieder greifen. Denn eine Wiedereinsetzung der alten Regeln würde auf einen Sparkurs schädlichen Ausmaßes in mehreren Mitgliedstaaten hinauslaufen – unrealistische Schuldenabbauregeln träfen auf öffentliche Haushalte, die sich noch nicht vollständig von den Auswirkungen der Covid-19-Krise und der Teuerungskrise erholt haben. Darunter würden wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele leiden.

Die deutsche Regierung sollte nicht den Irrweg beschreiten, im Zuge einer Reform auf übermäßig scharfen Regeln zur Schuldenreduktion zu bestehen. Denn dies wird dem Ziel der Schuldentragfähigkeit nur schaden. Vielmehr wäre es wichtig, in den kommenden Monaten wirklich sinnvolle Überarbeitungen des Kommissionsvorschlages zu diskutieren, die auch die ökonomischen Lehren aus den diversen Krisen der letzten Jahre respektieren. Wie gezeigt, hat der Kommissionsvorschlag hier an verschiedenen zentralen Stellen erheblichen Verbesserungsbedarf.

 

Zum Autor:

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), wo er die Arbeitsgruppe Makroökonomik leitet.


Info: https://makronom.de/irrwege-bei-der-reform-der-eu-fiskalregeln-44502?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=irrwege-bei-der-reform-der-eu-fiskalregeln


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

29.06.2023

Nachrichten von Pressenza: SFB lanciert Petition gegen Atomwaffen

aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 29. Juni 2023, 7:15 Uhr


Nachrichten von Pressenza - 29.06.2023


SFB lanciert Petition gegen Atomwaffen


Eine nukleare Auseinandersetzung ist durch den Ukraine-Krieg wieder zu einer ernsten Gefahr geworden. Mit der Petition «Nein zum Atomkrieg: Atomwaffen verbieten, jetzt!» macht die Schweizerische Friedensbewegung SFB auf die bedrohliche Lage aufmerksam. Sie fordert den Bundesrat auf, schnellstens den Atomwaffenverbotsvertrag&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/sfb-lanciert-petition-gegen-atomwaffen/


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Neofaschisten starten Hassrede gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft auf Kreta


&#8222;Wir werden diesem Bordell ein Ende setzen&#8220;, sagen zwei Kandidaten der neofaschistischen &#8211; nicht nur dem Namen nach, sondern auch in der Praxis &#8211; Spartaner-Partei, die kürzlich in das griechische Parlament eingezogen ist. Sie waren Parlamentskandidaten in Rethymnon und Chania.&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/neofaschisten-starten-hassrede-gegen-die-lgbtq-gemeinschaft-auf-kreta/


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Hauptverursacher des Klimawandels ist der (reiche) Mensch


Die hohen Temperaturen in Mexiko dauern an. Das Land erlebt eine der größten Hitzewellen der letzten Jahre. Die Regierung hat bereits acht Todesfälle durch Hitzschlag gezählt. In Oaxaca starb vor kurzem ein junger Hilfsarbeiter bei der Ananasernte in Loma Bonita.&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/hauptverursacher-des-klimawandels-ist-der-reiche-mensch/


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Volunteer des Monats: Engagement ist erfüllend


Art ist leidenschaftlicher Sportler und passionierter Hobbykoch. Außerdem engagiert er sich bei den KinderHelden in Hamburg. Dabei handelt es sich um ein 1:1 Mentoringprojekt. Der Fokus liegt auf 4 Förderschwerpunkten: Mathematik, Deutsch, Lern- und Arbeitsverhalten oder Selbstbewusstsein. Darüber hinaus gehören&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/volunteer-des-monats-engagement-ist-erfuellend-2/


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Wie die Rüstungslobby in den USA die Gesellschaft durchdringt


Vier Mega-Rüstungskonzerne finanzieren Politiker, Think-Tanks und Kriegsfilme: Gegen China seien noch mehr Milliarden nötig. Ben Freeman und William D. Hartung/INFOsperber upg. Die beiden Autoren sind Wissenschaftler am Quincy Institute for Responsable Statecraft. Dieser Beitrag der Webseite TomDispatch wurde am 4. Mai von Scheerpost verbreitet. Dem&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/wie-die-ruestungslobby-in-den-usa-die-gesellschaft-durchdringt/


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Ukraine – welchen Staat unterstützt Deutschland eigentlich?


Kurz und bündig zur Situation der Gewerkschaften in der Ukraine Als Gewerkschafter*innen (Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin und Arbeitskreis Internationalismus IG Metall Berlin) schauen wir besonders auf die Situation der Gewerkschaften und der von Ihnen vertretenen Beschäftigten. Hierzu ein paar markante&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/ukraine-welchen-staat-unterstuetzt-deutschland-eigentlich/


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Auf den Spuren von Vandana Shiva: Ökofeminismus in Aktion


Hayu Dyah ist eine junge javanesische Frau und Präsidentin von Mantasa, einer indonesischen NGO mit Sitz auf Java. Das Ziel von Mantasa ist es, die Mangelernährung von Frauen und Kindern zu bekämpfen, die im modernen Indonesien noch weit verbreitet ist.&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/auf-den-spuren-von-vandana-shiva-oekofeminismus-in-aktion/


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Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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29.06.2023

Strafverteidiger Dirk Sattelmaier zum vermeintlichen Holocaustverharmloser mit jüdischem Glauben

freeassange.rtde.life, vom 28 Juni 2023 19:40 Uhr, Felicitas Rabe im Interview mit dem Strafverteidiger Dirk Sattelmaier

Der Kölner Strafverteidiger Dirk Sattelmaier verteidigt aktuell in dritter Instanz einen Mitbürger jüdischen Glaubens, der der Holocaustverharmlosung beschuldigt wird. Im Interview berichtet er über diesen einzigartigen Gerichtsfall. Für ihn bestehe der Verdacht, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Coronazeit das Strafgesetz gegen Holocaustverharmlosung missbraucht haben könnten.


© Dirk Sattelmaier


Der Strafverteidiger Dirk Sattelmaier.


Der Beschuldigte Robert Höschele wurde in der ehemaligen Sowjetunion, in Usbekistan geboren. Väterlicherseits stammt er von Russlanddeutschen ab. Die jüdische Familie immigrierte 1981 nach Deutschland. Am 14. Februar 2021 trat der deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens in München auf der Versammlung unter dem Motto "Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung..." als Redner auf. Im Rahmen seiner Rede gegen die Coronamaßnahmen-Politik machte er unter anderem folgende Aussagen:

"Doch 75 Jahre später steckt der Freistaat und seine Menschen in einem 11 Monate dauernden Gefängnis, das einem Arbeitslager gleicht, das die Regierung 'Lockdown' nennt.

76 Jahre nach der Befreiung von Vernichtungs- und Konzentrationslagern wie Auschwitz und Dachau werden Gesetze beschlossen, die das Internieren und Separieren von Menschen vorschreiben."

Die Polizei schritt trotz mutmaßlichem Offizialdelikt nicht ein – Anzeige erfolgte erst neun Monate später

Was ist nun das Besondere an diesem Fall? Sein Mandant sei nicht direkt im Anschluss an seine Münchner Rede angezeigt worden, erklärte Rechtsanwalt Sattelmaier im Interview. Erst neun Monate später, im November 2021, habe ein Verein namens "RIAS Bayern" anlässlich eines im Internet veröffentlichen Videos der Rede Höscheles, Strafanzeige gegen diesen ertsattet. Angeblich soll er sich nach § 130 Abs. 3 StGB der Verharmlosung des Holocausts schuldig gemacht haben.

Die bestrafte Meinung – Es ist in Deutschland kaum noch möglich, Position zu beziehen




Meinung

Die bestrafte Meinung – Es ist in Deutschland kaum noch möglich, Position zu beziehen






Dazu müsse man wissen, so der Strafverteidiger, dass der Volksverhetzungsparagraph 130 StGB ein Offizialdelikt sei. Das heiße, jeder Polizist, der Zeuge solch einer Straftat werde, müsse diese laut Gesetz umgehend zur Anzeige bringen. Auf der Kundgebung am 14. Februar 2021 habe es eine sehr hohe Polizeipräsenz gegeben und keiner der anwesenden Polizisten habe an der Rede etwas beanstandet, geschweige denn zur Anzeige gebracht.

So ermittelte die Staatsanwaltschaft München also erst neun Monate später, nach der Anzeige von RIAS Bayern, gegen den Betriebswirt. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass der jüdische Mitbürger Höschele den Holocaust verharmlost habe und schickte ihm einen Strafbefehl über 90 Tagessätze. Dies entspreche etwa dem Wert von drei Netto-Monatsgehältern, erläuterte Sattelmaier das Strafmaß.

Höschele habe Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben und sich vor dem Amtsgericht München in erster Instanz ohne Anwalt selbst verteidigt. Die Verhandlung fand am 22. November 2022 statt. Im Ergebnis befand das Gericht, Höschele habe den Holocaust verharmlost, und erhöhte das Strafmaß sogar noch auf 120 Tagessätze. Somit sei der bislang nicht vorbelastete Betriebswirt vorbestraft, mit allen Konsequenzen für seine soziale Reputation.


"Im Zweifel für den Schwurbler" – Deutsche Medien über den Bhakdi-Freispruch





"Im Zweifel für den Schwurbler" – Deutsche Medien über den Bhakdi-Freispruch






Mit seinem neuen Strafverteidiger ging Höschele in Berufung. Sattelmaier beantragte nach einer vierstündigen Verhandlung Freispruch. Gleichzeitig ging auch die Staatsanwaltschaft in Berufung und beantragte eine Erhöhung der Strafe auf 130 Tagessätze. Das Berufungsverfahren fand am 6. Juni 2023 vor dem Landgericht München statt. Das Gericht befand Höschele erneut für schuldig, senkte die Strafe aber wieder auf 90 Tagessätze.

Sattelmaier hat für seinen Mandanten hiergegen das Rechtsmittel der Revision eingelegt und geht somit in die dritte und letzte Instanz. Die schriftliche Urteilsausfertigung bzw. -begründung liegt noch nicht vor.


In der Coronazeit übereifrige Anwendung des Gesetzes gegen die Verharmlosung von Nazi-Verbrechen

Nach Sattelmaiers Auffassung sei es bei diesem und anderen Verfahren grundsätzlich problematisch, dass die Staatsanwaltschaften – und im Anschluss an das Ermittlungsverfahren leider auch die Gerichte – in der Coronazeit den Straftatbestand des Verharmlosens von Verbrechen des Nationalsozialismus zu unbedacht angewandt hätten:

"Der Knackpunkt bei diesem und anderen Verfahren in der Coronazeit ist der, dass der Tatbestand des Verharmlosens gem. § 130 Abs. 3 StGB von Verbrechen im Nationalsozialismus meines Erachtens nach von den Strafprozessbehörden im Übereifer angewandt wurde, um unliebsame Meinungen strafrechtlich zu verfolgen."

Und dass in diesem Falle ein jüdischer Mitbürger der Verharmlosung des Holocausts bezichtigt würde, mache es noch schlimmer, so der Strafverteidiger.

"In meinen Augen drängt sich hier leider der Verdacht einer Art von Missbrauch dieses Tatbestands auf. Und wenn es sich um Missbrauch handeln sollte, dann noch einen Juden zu verurteilen, das macht den Fall einzigartig."

Im Interview ging es dann um die Frage, ob Höschele überhaupt den Tatbestand der Verharmlosung von Nazi-Verbrechen erfüllt habe. Dazu müsse man wissen, so Sattelmaier, dass § 130 Abs. 3 StGB, also das Unterstrafestellen des Leugnens, Billigens oder Verharmlosens von Nazi-Verbrechen, erst im Jahr 1994 geschaffen wurde. Dem Gesetzgeber sei die damit verbundene Einschränkung der Meinungsfreiheit klar gewesen. Vor 1994 seien Holocaustleugner in der Regel straffrei davon gekommen, und dem wollte man einen Riegel vorschieben.

Das Schutzgut der Rechtsvorschrift ist der "öffentliche Frieden" – damit sollten in Gewalt ausartende Pogromstimmungen verhindert werden

Die Anwendung des Tatbestandes der Volksverhetzung sei für Juristen grundsätzlich sehr komplex. Bei der 3. Tatvariante des § 130 Abs.3 StGB gelte es zu bewerten, ob eine Verharmlosung eines von den Nationalsozialisten begangenen Kriegsverbrechens vorliege. Im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit habe der Gesetzgeber eine Restriktion in das Gesetz eingebaut:


Israel äußert sich zu Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren durch die Ukraine





Israel äußert sich zu Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren durch die Ukraine





Die Äußerungen des Täters müssen geeignet sein, um den öffentlichen Frieden zu stören. Dabei ging man Anfang der neunziger Jahre davon aus, dass die Aussagen geeignet sein müssen, eine Art "Pogromstimmung" entstehen zu lassen, wo die Bevölkerung regelrecht aufgehetzt werde. Es sei daher ganz wichtig, zu verstehen: Das Schutzgut dieses Strafgesetzes ist der "Öffentliche Frieden".

Insofern sei zunächst einmal gar nicht jede Verharmlosung automatisch strafbar. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hab sich dazu einiges an Rechtssprechung und Gerichtsurteilen angesammelt. Aus diesen Urteilen ergebe sich, dass laut Bundesverfassungsgericht (BVG) das "Leugnen oder Billigen" des Holocausts grundsätzlich immer strafbar sei, da in diesen Fällen eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens indiziert sei. Das gelte aber nicht für das "Verharmlosen". Beim "Verharmlosen" müsse immer explizit geprüft werden, ob die Äußerungen geeignet seien, den öffentlichen Frieden zu stören. Und im Fall Höschele habe sowohl das Amtsgericht München als auch die Staatsanwaltschaft nicht oder höchstens rudimentär geprüft, ob der öffentliche Friede durch Höscheles Aussage gestört worden sei.

Im Jahr 2018 fällte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Grundsatzentscheidung darüber, wann eine Verharmlosung geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, und wann nicht. Das BVerfG definierte quasi, wann eine Verharmlosung von Verbrechen den öffentlichen Frieden stören würde:

"Das BVerfG gab vor, dass die Aussage der Verharmlosung sich so auf den Zuhörer auswirken müsse, dass dieser möglicherweise in eine rechtsgutgefährdende Stimmung, eine sogenannte Pogromstimmung gerate," erklärte Sattelmaier die Definition des Bundesverfassungsgerichts.

Nicht ausreichen würden zum Beispiel eine Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas oder das Hervorrufen von Ängsten. Aber mit genau dem Letztgenannten habe das Amtsgericht den Mandanten verurteilt, so der Rechtsanwalt weiter.

Dabei müsse man sich im Fall Höschele fragen, ob es sich überhaupt um eine Verharmlosung im Sinne des Gesetzgebers handele. Dazu erklärte Sattelmaier:

"Die Staatsanwaltschaften sind in der Coronazeit dazu übergegangen, bereits jegliche noch so geringe Bezugnahme auf Verbrechen der Nationalsozialisten als Verharmlosung zu werten und dann anzuklagen. Und zahlreiche Gerichte – nicht alle – machen das mit."

Eine Gleichsetzung von "damals und heute" sei offenbar gar nicht mehr erforderlich. Dabei beziehe sich Höscheles erste Aussage gar nicht auf den Nationalsozialmus, sondern auf die Präambel des Bundeslandes Bayern und die aus dem Jahr 1946 stammende bayrische Landesverfassung.

Handelt es sich bei Höscheles Aussage überhaupt um eine Verharmlosung von Nazi-Verbrechen?

Verteidiger Dirk Sattelmaier im Interview



Verteidiger Dirk Sattelmaier im Interview







Höscheles zweite Aussage erläuterte der Strafverteidiger wie folgt: In der zweiten Äußerung nehme Höschele Bezug auf die Vernichtungslager Auschwitz und Dachau. Er stelle fest, dass es 75 Jahre danach wieder Vorschriften zum Separieren von Menschen gebe. Diesbezüglich müsse man wissen, so der Anwalt, dass auf der Demo in München die Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Gesichtsmaske tragen konnten, in einem von der Polizei festgelegtem Extra-Areal separiert von den anderen Demonstrationsteilnehmern stehen mussten.

Jeder möge selbst entscheiden, ob er Höscheles Aussage in diesem Kontext als Verharmlosung des Holocausts bewertet, schlug Sattelmaier vor. Es sei in jedem Fall eine Meinungsäußerung:

"Man muss diese Meinung nicht teilen, aber als Jurist kann ich sagen, dass ich diese Meinungsäußerung für nicht strafbar erachte. Denn es handelt sich nicht um eine Verharmlosung im Sinne des Gesetzes und schon gar nicht ist die Aussage geeignet den öffentlichen Frieden zu stören."

Das Gericht werfe Höschele nun allerdings vor, dass er den öffentlichen Frieden mit seinem Aufruf "Widersetzt Euch den Maßnahmen" gestört habe und damit den Tatbestand erfüllt habe. Diese Aussage habe sein Mandant aber in seiner Rede erst an viel späterer Stelle und in einem völlig anderen Kontext geäußert. Insofern könne man diesen Aufruf jetzt nicht mit seinen an früherer Stelle getätigten Aussagen "verwursten",  um dann daraus irgendwie eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des § 130 Absatz 3 StGB zu konstruieren.

Der Kölner Strafverteidiger Dirk Sattelmaier berichtet auf seinem Telegramkanal in der Videoreihe "Neues aus dem Gerichtssaal" regelmäßig von besonderen Gerichtsverfahren und von Fällen, die er als Strafverteidiger vertritt.


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Info: https://freeassange.rtde.life/inland/173838-strafverteidiger-dirk-sattelmaier-zum-vermeintlichen


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29.06.2023

Der Stellvertreterkrieg der Neocons „gegen die Ukraine“: Atomkrieg steht auf dem Tisch. Die Privatisierung der Ukraine

globalresearch.ca, vom 28. Juni 2023

Von Prof. Michel Chossudovsky

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Ausführlicher Bericht: ,


Einführung

In diesem Artikel werde ich mich auf die NeoCon-Agenda konzentrieren, die größtenteils vom Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert inspiriert ist . (PNAC).

Die Neokonservativen üben die Kontrolle über die Außenpolitik aus. Sie sind an der Bestechung und Manipulation von Politikern und Entscheidungsträgern beteiligt. Sie haben im Namen mächtiger Finanzinteressen eine Schlüsselrolle bei der Festlegung der Atomdoktrin gespielt.  

Die PNAC hat die Errichtung einer „Überlegenheit bei Atomwaffen“ (angewandt auf Russland) in Verbindung mit einer gewinnorientierten Expansion des militärisch-industriellen Komplexes gefordert .

Die NeoCon-Agenda, wie sie von der PNAC (2000) formuliert wurde, folgt den Spuren der „Truman-Doktrin“ des Kalten Krieges. In den Worten von George Kennan :

„Der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir uns mit reinen Energiekonzepten befassen müssen. Je weniger wir uns dann von idealistischen Parolen behindern lassen, desto besser.“

Die Neocons haben nicht die Absicht, „den Krieg zu gewinnen“.

Ihr Ziel ist es, „Länder zu zerstören“ .

Es ist eine gewinnorientierte Agenda: „Zerstörung“ führt zum „Wiederaufbau“. Auf dem Spiel steht die künstliche wirtschaftliche und soziale Zerstörung souveräner Nationalstaaten. Die Gläubiger sind dazu da, „die Scherben aufzusammeln“ und sich „wirklichen Reichtum anzueignen“. 

Der zweite Teil dieses Artikels konzentriert sich auf die Agenda der Neocons, im Namen des Finanzestablishments  „ Länder zu privatisieren“ .

Die Privatisierung der Ukraine  als verarmter, verlassener Nationalstaat hat bereits mit der Gründung der Ukraine Reconstruction Bank (URB) durch BlackRock und JPMorgan begonnen. 

Die Gefahr eines Atomkrieges 

Der Einsatz von Atomwaffen steht auf dem Reißbrett des Pentagons. Es wird vom US-Außenministerium unterstützt. 

Unterdessen wird im US-Kongress ein Gesetz zur Einleitung des Dritten Weltkriegs eingebracht. 

„Die Senatoren Lindsey Graham (R-SC) und Richard Blumenthal (D-CT) brachten am 22. Juni eine Resolution  ein , die, wenn sie von Präsident Biden angenommen und unterzeichnet würde, … die USA als NATO-Chef dazu verpflichten würde, im Namen der NATO Krieg direkt gegen Russland (Siehe Eric Zuesse, Duran, 20. Juni 2023)

 
  Klicken Sie auf die untere rechte Ecke, um den Vollbildmodus anzuzeigen

Die NeoCon-Agenda: Das Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert 

Die Neocons stehen fest hinter der Ukraine-Agenda. 

Das Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert (PNAC)  dominiert im Namen mächtiger Finanzinteressen die US-Außenpolitik. 

Die PNAC weist die Planung „aufeinanderfolgender“ Militäreinsätze zurück: Sie beschreibt:

Amerikas „ Langer Krieg“ wie folgt: 

„Kämpfe und gewinne mehrere große Theaterkriege gleichzeitig“

Die Durchführung „ simultaner Theaterkriege“ ist das Rückgrat der hegemonialen Agenda Amerikas.

Es ist ein Projekt der globalen Kriegsführung. Die von den NeoCons kontrollierte PNAC verbietet auch die Durchführung echter Friedensverhandlungen. 

Die Nuklearagenda und die globale Kriegsführung

Der PNAC wurde auf dem Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfs im September 2000 veröffentlicht, kaum zwei Monate vor den Wahlen im November 2001. Es ist zum Rückgrat der US-Außenpolitik geworden. Es ist die Grundlage für die Umsetzung einer hegemonialen globalen Kriegsführungsagenda, verbunden mit der Durchsetzung einer „unipolaren Weltordnung“. 

Victoria Nuland , die im Außenministerium sitzt und derzeit Präsident Biden berät, ist die Ehefrau von Robert Kagan von PNAC.

Warum verlangt die Biden-Regierung ein Atomwaffenprogramm in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar, das bis 2030 auf 2,0 Billionen US-Dollar anwachsen soll?

Überlegenheit im Atomkrieg ist das Rückgrat der NeoCon-Agenda, wie sie im PNAC dargelegt wird.

Ziel ist die „Aufrechterhaltung der nuklearen Überlegenheit“ , insbesondere im Hinblick auf das Gleichgewicht zwischen den USA und Russland.

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Die Nachkriegszeit 

Die USA haben seit dem Ende dessen, was euphemistisch als Nachkriegszeit bezeichnet wird, zahlreiche Kriege geführt:

Korea, Vietnam, Kambodscha, Laos, Afghanistan, Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien, Jemen … und jetzt die Ukraine. 

Das unausgesprochene Ziel besteht nicht darin, „den Krieg zu gewinnen“,  sondern die Zerstörung ganzer Länder herbeizuführen , politisches und soziales Chaos zu schaffen, mit der Absicht, letztlich „die Scherben wieder aufzusammeln“ und die Kontrolle über die Volkswirtschaften souveräner Nationalstaaten zu übernehmen.

Diese Agenda wird auch durch „Regimewechsel“, „Farbrevolutionen“ und den gleichzeitigen Untergang und die Kriminalisierung des Staatsapparats in Verbindung mit „starker Wirtschaftsmedizin“ und der Einführung einer in die Höhe schießenden, auf Dollar lautenden Schulden umgesetzt.

Das ist in Vietnam passiert.  Die Zerstörung eines ganzen Landes, das dann Anfang der 1990er Jahre „privatisiert“ wurde: 

„Vietnam hat von den USA nie Kriegsentschädigungen für die massiven Verluste an Menschenleben und die Zerstörung erhalten, doch eine 1993 in Paris erzielte Vereinbarung verlangte von Hanoi, die Schulden des untergegangenen Saigon-Regimes von General Thieu anzuerkennen. Dieses Abkommen kommt in vielerlei Hinsicht einer Verpflichtung Vietnams gleich, Washington für die Kriegskosten zu entschädigen.“

Und jetzt findet in der Ukraine die völlige Privatisierung eines ganzen Landes statt. 

Die Privatisierung der Ukraine

BlackRock, das weltweit größte Portfolio-Investmentunternehmen, ist zusammen mit JPMorgan zur Rettung der Ukraine gekommen. Sie sollen die Ukrainische Wiederaufbaubank gründen  .

Das erklärte Ziel besteht darin, „Milliarden Dollar an privaten Investitionen anzuziehen, um Wiederaufbauprojekte in einem vom Krieg zerrütteten Land zu unterstützen“. ( FT , 19. Juni 2023)

„… BlackRock, JP Morgan und private Investoren wollen gemeinsam mit 400 globalen Unternehmen, darunter Citi, Sanofi und Philips, vom Wiederaufbau des Landes profitieren .“ … Stefan Weiler von JP Morgan sieht eine „enorme Chance“ für Privatanleger. (Colin Todhunter, Global Research 28. Juni 2023 )

Das Kiewer Neonazi-Regime ist dabei ein Partner. Krieg ist gut fürs Geschäft. Je größer die Zerstörung, desto größer der Würgegriff „privater Investoren“ über die Ukraine :

„BlackRock und JPMorgan Chase helfen der ukrainischen Regierung beim Aufbau einer Wiederaufbaubank, um öffentliches Startkapital in Wiederaufbauprojekte zu lenken, die Hunderte Milliarden Dollar an privaten Investitionen anziehen können.“ (FT, op. cit.)

Die Privatisierung der Ukraine wurde im November 2022 in Zusammenarbeit mit BlackRocks Beratungsunternehmen McKinsey gestartet, einem PR-Unternehmen, das größtenteils dafür verantwortlich ist, korrupte Politiker und Beamte weltweit, ganz zu schweigen von Wissenschaftlern und Intellektuellen, im Auftrag mächtiger Finanzinteressen zu kooptieren. 

„Die Kiewer Regierung beauftragte im November die Beratungsabteilung von BlackRock, um herauszufinden, wie diese Art von Kapital am besten angezogen werden kann, und fügte dann im Februar JPMorgan hinzu. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab letzten Monat bekannt, dass das Land mit den beiden Finanzgruppen und Beratern von McKinsey zusammenarbeite.

BlackRock und das ukrainische Wirtschaftsministerium haben im November 2023 eine Absichtserklärung unterzeichnet.

Ende Dezember 2023 einigten sich Präsident Zelensky und BlackRock-CEO Larry Fink auf eine Anlagestrategie.

Wiederaufbau der Ukraine:  Der Veranstaltungsort der Londoner Konferenz

Sorgfältiges Timing (siehe Zeitleiste unten). Der „gescheiterte Putsch“ von Prigozhin-Wagner (23.-24. Juni) wurde am Tag nach der vom Kiewer Regime und der Regierung Seiner Majestät am 21.-22. Juni 2023 in London veranstalteten Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine initiiert  . Ist das ein Zufall?

„Der Ukraine-Entwicklungsfonds befindet sich weiterhin in der Planungsphase und wird voraussichtlich erst nach dem Ende der Feindseligkeiten mit Russland vollständig aufgelegt . Einen Vorgeschmack erhalten Anleger diese Woche jedoch auf einer Londoner Konferenz, die gemeinsam von der britischen und der ukrainischen Regierung ausgerichtet wird.

Die Weltbank schätzte im März  , dass die Ukraine nach dem Krieg 411 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau benötigen würde, und die jüngsten russischen Angriffe haben diese Zahl in die Höhe getrieben.

Es wurde kein formelles Ziel für die Mittelbeschaffung festgelegt, aber Personen, die mit den Diskussionen vertraut sind, sagen, dass der Fonds versucht, kostengünstiges Kapital von Regierungen, Gebern und internationalen Finanzinstitutionen zu beschaffen und es zu nutzen, um fünf- bis zehnmal so viele private Investitionen anzuziehen.

BlackRock und JPMorgan spenden ihre Dienste, obwohl ihnen die Arbeit einen ersten Einblick in mögliche Investitionen im Land geben wird . Der Auftrag vertieft auch die Beziehung von JPMorgan zu einem langjährigen Kunden.

Was die Ukraine brauchte, riet BlackRock, sei eine Entwicklungsfinanzierungsbank, um Investitionsmöglichkeiten in Sektoren wie Infrastruktur, Klima und Landwirtschaft zu finden und diese für Pensionsfonds und andere langfristige Investoren und Kreditgeber attraktiv zu machen. JPMorgan wurde unter anderem wegen seiner Expertise im Schuldenbereich hinzugezogen.

…  die meisten Anleger wollen das Ende der Feindseligkeiten abwarten . „Wichtig ist, dass die Ukraine bereits weiterdenkt“, sagte Weiler. Wenn der Krieg vorbei ist, wollen sie bereit sein und sofort mit dem Wiederaufbau beginnen. „(FT, 19. Juni 2023, Hervorhebung hinzugefügt)

König Karl V. veranstaltete am Vorabend der Ukraine Recovery Conference einen Empfang im St. James's Palace. Siehe unten.

Der König veranstaltet einen Empfang im St. James's Palace

Der König veranstaltet einen Empfang im St. James's Palace

Zu den Gästen gehörten der Premierminister der Ukraine, Herr Denys Shmyhal; Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Dr. Ursula Von der Leyen, und die Botschafterin Seiner Majestät in der Ukraine, Dame Melinda Simmons, hielten den Vortrag. Führer der ukrainischen Zivilgesellschaft. Zu diesen Anführern gehörte Herr Masi Nayyem [beteiligt an dem von Neonazis gesponserten EuroMaidan 2014], ein hochdekorierter ukrainischer Veteran und Anwalt, der bei einem Kampfeinsatz während der Invasion Schrapnellwunden am Kopf erlitten hatte und sich nun für die Rechte und Unterstützung von Veteranen einsetzt.

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Die Chronologie der Privatisierung der Ukraine 

November 2022. Vertrag mit BlackRock und McKinsey, Wirtschaftsministerium der Ukraine

Dezember 2022. Vereinbarung zwischen BlackRock-CEO Larry Fink und Präsident Zelensky

Februar 2023. JPMorgan tritt dem BlackRock Reconstruction Bank Project bei

18. Juni 2023. Afrika-Friedensinitiative in Sankt Petersburg, Erklärung von Präsident Putin zu den vereitelten Friedensverhandlungen vom März 2022.

21.–22. Juni 2023. Londoner Konferenz zur Ukraine Reconstruction Bank, gemeinsam ausgerichtet von der britischen und der ukrainischen Regierung.

23.–24. Juni 2023. Die „Rebellion“ von Prigozhin Wagner

Abschließende Bemerkungen

Alle wichtigen Finanz- und Politikakteure waren bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in London anwesend. 

Die Ukraine ist im Würgegriff des großen Geldes. BlackRock und JPMorgan.

Zerstörung ist die treibende Kraft hinter dem „Wiederaufbau“. 

Frieden und „Waffenstillstände“ seien nicht „gut fürs Geschäft“.

„Das ukrainische Volk braucht dringend eine Zukunft, die auf Wohlstand und Frieden basiert, aber in Wirklichkeit wird die Ukraine in eine enorme Verschuldung getrieben, die zu Unterwürfigkeit und Dominanz führt.“ (Bharat Dogra, Global Research , 28. Juni 2023)

Das Ergebnis ist Massenarmut und soziale Zerstörung eines ganzen Landes unter dem Deckmantel des „Wiederaufbaus“. 

Die Originalquelle dieses Artikels ist Global Research

Copyright © Prof. Michel Chossudovsky , Global Research, 2023


Info: https://www.globalresearch.ca/the-neocons-proxy-war-against-ukraine-nuclear-war-is-on-the-table-the-privatization-of-ukraine/5823896


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

29.06.2023

Taktische Manöver im Kosovo  Die EU sucht mit taktischen Manövern im Kosovo Serbien aus seinen Bindungen an Russland zu lösen, steckt damit aber fest. Experten fordern, auch Chinas Einfluss in Serbien zu schwächen.

german-foreign-policy. com,  29. Juni 2023,

BERLIN/BELGRAD (Eigener Bericht) – Der Versuch der EU, mit taktischen Manövern im Kosovo Serbien aus seinen traditionellen Bindungen an Russland zu lösen, steckt vor dem heute beginnenden EU-Gipfel fest. In dem gewalttätig eskalierenden Konflikt zwischen dem serbisch- und dem albanischsprachigen Bevölkerungsteil des Nordkosovos hatten sich EU und USA zuletzt überraschend auf die serbische Seite geschlagen und dadurch Belgrad für den Westen zu gewinnen versucht. Hintergrund sind neuere Aktivitäten Serbiens, das immer weniger Rohstoffe und Waffen aus Russland bezieht und damit den Anschein erweckt, sich zumindest ein Stück weit aus dem traditionellen russischen Einfluss lösen zu wollen. Allerdings gelingt es der EU bislang nicht, den Konflikt im Nordkosovo zu serbischen Gunsten zu entschärfen. Gleichzeitig warnt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), nicht nur Russland, auch China habe seinen Einfluss auf die Nicht-EU-Mitglieder in Südosteuropa erheblich gesteigert und sei insbesondere in Serbien mittlerweile zum größten Einzelinvestor aufgestiegen. Um China abdrängen zu können, empfiehlt die SWP der EU, „dreckige“ Investitionen aus der Volksrepublik anzuprangern.


Zitat: Belgrad umgarnen

Die EU und die Vereinigten Staaten hatten die jüngste Eskalation des Konflikts im Norden des Kosovos (german-foreign-policy.com berichtete [1]) genutzt, um zu versuchen, Serbien mit einem taktischen Manöver aus seinen Bindungen an Russland zu lösen und es enger an die westlichen Staaten anzubinden. Im serbischsprachigen Nordkosovo waren gewalttätige Unruhen losgebrochen, als die Regierung in Priština nach einer umstrittenen, von der serbischsprachigen Minderheit boykottierten Wahl neue Amtsträger einsetzen wollte, die nur von wenigen Personen aus der albanischsprachigen Minderheit gewählt worden waren. Im Konflikt zwischen beiden Seiten hatten sich Brüssel und Washington wohl zum ersten Mal überhaupt nicht hinter die kosovarische Regierung gestellt, sondern diese stattdessen aufgefordert, die Wahl zu wiederholen und weitere Schritte zur Beruhigung der Lage zu unternehmen. Als dies nicht geschah, folgten erste Strafmaßnahmen; die USA schlossen das Kosovo von der Teilnahme am Manöver Defender Europe 23 aus, die EU sagte kurzfristig Treffen mit kosovarischen Politikern ab.[2] Beobachter sahen darin einhellig einen Versuch, Serbien zu umgarnen, das als Schutzmacht der serbischsprachigen Minderheit des Kosovo auftritt, und ihm eine mögliche Abkehr von Russland schmackhaft zu machen. Belgrad kooperiert traditionell eng mit Moskau.


Alternativen zu Russland

Hintergrund des westlichen Werbens um Belgrad sind jüngere Aktivitäten Serbiens, die sich als Versuch begreifen lassen, sich ein Stück weit vom russischen Einfluss zu lösen. So hält zwar Gazprom noch eine Mehrheit an dem serbischen Ölkonzern NIS (Naftna industrije Srbije); Serbien hat allerdings den Anteil des Erdöls, den es aus Russland einführt, von rund 84 Prozent im Jahr 2015 auf nur noch 24,5 Prozent im Jahr 2021 reduziert.[3] Zudem hat es nicht zuletzt auf Druck der EU begonnen, seine Erdgaslieferanten zu diversifizieren; ist es bisher weitgehend von Importen aus Russland abhängig, so ist am 1. Februar der Bau einer neuen Pipeline gestartet worden, die Erdgas aus Aserbaidschan über Bulgarien nach Serbien leiten soll. Finanziert wird das Vorhaben großenteils von der EU.[4] Belgrad hat zwar militärische Kooperationsabkommen mit Moskau und mit China unterzeichnet und nutzt im großen Stil russische und inzwischen auch chinesische Waffen. Es plant allerdings derzeit, anstelle russischer französische Rafale-Kampfjets zu erwerben, und will darüber hinaus US-Militärtransportfahrzeuge beschaffen.[5] Fragen auch in Moskau haben zudem Berichte aufgeworfen, denen zufolge annähernd 3.500 in Serbien produzierte Raketen in die Ukraine gelangt sind – nach Angaben aus Belgrad freilich ohne Wissen der dortigen Regierung.[6]


Erfolglose Gespräche

Mit ihrem Versuch, Belgrad gegen Priština zu unterstützen und es damit weiter von Moskau wegzulocken, stecken EU und USA allerdings mittlerweile fest. Am vergangenen Donnerstag hatten sie unter massiven Drohungen den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und den Präsidenten Serbiens, Aleksandar Vučić, nach Brüssel geladen, um dort zumindest die Forderung nach Neuwahlen im Nordkosovo durchzusetzen. Vučić weigerte sich jedoch, mit Kurti persönlich zusammenzutreffen; stattfinden konnte bloß ein indirekter Austausch, bei dem Vučić und Kurti jeweils getrennt mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell verhandelten.[7] Nicht einmal über die Modalitäten für baldige Neuwahlen im Nordkosovo konnte Einigkeit erzielt werden. Wie es mit dem Konflikt weitergehen soll, ist nicht wirklich ersichtlich. Nach dem Treffen der EU-Außenminister am Montag teilte Borrell mit, Brüssel werde, sofern sich nicht bald Fortschritte abzeichneten, zu härteren Sanktionen greifen, unter anderem auch zu solchen finanzieller Art. Laut Berichten könnte sich der heute beginnende EU-Gipfel mit der jüngsten Konflikteskalation im Kosovo befassen.[8] Dort nehmen die Spannungen immer weiter zu; in den vergangenen Tagen kam es bereits zu mehreren Sprengstoffanschlägen unter anderem auf kosovarische Polizeistationen.[9]


Beijing gewinnt Einfluss

Selbst wenn es gelänge, Serbien ein Stück weit aus seinen Bindungen an Russland zu lösen, wäre die Lage in Südosteuropa aus Sicht der EU noch längst nicht geklärt. So weist etwa die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus Berlin in einer aktuellen Untersuchung darauf hin, dass nicht nur Moskau in Belgrad – jedenfalls noch – über erheblichen Einfluss verfügt, sondern auch Beijing. Demnach gingen in den vergangenen zwölf Jahren über 50 Prozent der Projektmittel, die China in Ost- und Südosteuropa ausgab, und vier Fünftel der dortigen Infrastrukturinvestitionen in die Länder Südosteuropas, die der EU nicht angehören (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien sowie das illegal von Serbien abgespaltene Kosovo). Von den insgesamt 136 Projekten wiederum, die China in den Jahren von 2013 bis 2021 in diesen Ländern durchführte, wurden 61 mit Serbien vereinbart. Ihr Gesamtwert: 18,77 Milliarden Euro. Der Wert der Investitionszuflüsse aus China nahm in Serbien in den Jahren von 2010 bis 2022 von 2,4 Millionen Euro auf fast 1,4 Milliarden Euro zu.[10] Damit war die Volksrepublik im Jahr 2022 der größte Einzelinvestor in Serbien und lag nur knapp hinter der EU insgesamt; die Investitionen von deren Mitgliedstaaten betrugen 2022 zusammengenommen 1,46 Milliarden Euro. Beijings Einfluss in Serbien liegt damit auf der Hand.


„Dreckige Investitionen aus China“

Die SWP rät zu einem gezielten Vorgehen, um nicht nur den russischen, sondern auch den chinesischen Einfluss in den Nicht-EU-Staaten Südosteuropas allgemein und ganz besonders in Serbien zu reduzieren. So heißt es etwa, man solle auf „einen schrittweisen EU-Beitritt“ der dortigen Länder orientieren – mit frühzeitigen ersten Teilschritten, um rasche Erfolge vorweisen zu können. Außerdem heißt es, Brüssel solle gezielt „Investitionen in Solar- und Windenergie“ stärken und sie „als strategisches Instrument nutzen“, um sich als vorteilhafter Einflussfaktor gegenüber Russland und China zu positionieren: Man könne damit vor allem bei der serbischen Umweltbewegung punkten, die zum Beispiel gegenüber chinesischen Investitionen auf dem serbischen Rohstoffsektor negativ eingestellt sei, da diese ökologische Schäden verursachten. Ausdrücklich heißt es, man dürfe sich „die Chance“, Investitionen in erneuerbare Energien „auch als narratives Mittel gegen ‘dreckige‘ Investitionen (etwa aus Russland oder China) zu nutzen, nicht entgehen lassen“.[11]


Nicht mehr glaubwürdig

Regierungsfernere Fachleute stufen die Erfolgsaussichten der EU freilich negativ ein. „Das Problem“ der EU sei, dass sie nach jahrzehntelangen folgenlosen Beitrittsversprechen nicht mehr „glaubwürdig“ sei, wenn sie den Nichtmitgliedern Südosteuropas eine Annäherung verspreche, erklärt Florian Bieber, ein Politikwissenschaftler der Karl-Franzens-Universität Graz: Derlei Lockversuche seien heute schlicht „nicht mehr realistisch“.[12] Damit fehlt Brüssel ein zentraler Hebel beim Versuch, seinen Einfluss in Südosteuropa zu zementieren.

 

[1] S. dazu Unruhen im Kosovo (II).

[2] Thomas Gutschker, Michael Martens: Keine Freunde mehr? Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.06.2023.

[3] Marina Vulović: Wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Westbalkan und Nicht-EU-Ländern. SWP-Aktuell 2023/A41. Berlin, 26.06.2023.

[4] Bulgaria and Serbia diversify energy supplies. apnews.com 01.02.2023.

[5] Aleksandar Vasovic, Ivana Sekularac: Serbia discusses price of French rafale jets, in shift from ally Russia. finance.yahoo.com 09.06.2023.

[6] Liefert auch Serbien Waffen? Frankfurter Allgemeine Zeitung 07.06.2023.

[7] Alexandra Brzozowski: No breakthrough at EU crisis talks with Kosovo, Serbia leaders. euractiv.com 23.06.2023.

[8] Alexandra Brzozowski: Early elections in north Kosovo next step, EU says. euractiv.com 27.06.2023.

[9] Alice Taylor: Explosions, and attacks continue in North Kosovo. euractiv.com 28.06.2023.

[10], [11] Marina Vulović: Wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Westbalkan und Nicht-EU-Ländern. SWP-Aktuell 2023/A41. Berlin, 26.06.2023.

[12] „Die EU ist als Vermittlerin nicht glaubwürdig“. tagesschau.de 26.06.2023.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9281

 

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28.06.2023

Nachrichten von Pressenza: Militarismus ist der Elefant im Klimaraum

aus e-mail  von  <newsletter@pressenza.com>, 28. Juni 2023, 7:15 Uhr


Nachrichten von Pressenza - 28.06.2023


Militarismus ist der Elefant im Klimaraum


Ein subjektiver Bericht der über die Internationale Friedenskonferenz für die Ukraine in Wien. Da stand nun der Elefant auf der Bühne, als sich kürzlich in Wien einige Hundert engagierte Friedenskämpfer*innen und Menschrechtsverteidiger*innen – unter ihnen mindestens die Hälfte Frauen und&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/militarismus-ist-der-elefant-im-klimaraum/


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Der posthume Demokrat – oder: Fritz Bauer und die CDU


Vor 55 Jahren, am 1. Juli 1968, starb Fritz Bauer. Wie kein anderer Jurist in der Bundesrepublik hat er als hessischer Generalstaatsanwalt nach dem Krieg die NS-Verbrechen verfolgt. Dafür wurde er von vielen bekämpft und geschmäht &#8211; vor allem von&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/der-posthume-demokrat-oder-fritz-bauer-und-die-cdu/


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Der Prigoschin-Aufstand: Analyse der Situation und der Folgen in der Region


In den letzten Tagen ist der Konflikt in unserer Region stark eskaliert, einschließlich des Übergreifens von Militäraktionen auf russisches Gebiet. Wir verzichten darauf, die allgemein bekannten Fakten über den „Befreiungs“-Marsch von Jewgeni Prigozhin und der Wagner-Gruppe auf Moskau zu wiederholen.&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/der-prigoschin-aufstand-analyse-der-situation-und-der-folgen-in-der-region/


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Wie Tiktok zum Goldrausch beiträgt


Seit Jahren ist im brasilianischen Amazonasgebiet ein regelrechter Goldrausch ausgebrochen. Ein Großteil der Goldsuche findet illegal statt. Die allermeisten der 20.000 illegalen Goldgräber*innen, die sogenannten Garimpeiros, arbeiten aber in indigenen Territorien, wo Goldschürfen verboten ist. Sie dringen immer tiefer in&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/wie-tiktok-zum-goldrausch-beitraegt/


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Putschversuch in Russland


Westen beobachtet gescheiterten Putschversuch in Russland mit Sorge wegen möglicher Instabilität rings um die russischen Nuklearwaffen; Interesse an Schwächung Moskaus überwiegt jedoch. Mit großem Interesse und einiger Sorge haben die westlichen Regierungen, auch die deutsche, den Putschversuch des Milizenführers Jewgenij&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/putschversuch-in-russland/


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Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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28.06.2023

Der Übergang zur Diplomatie (II) Multilaterale Verhandlungen mit Kiew zur Beendigung des Ukraine-Krieges haben begonnen – erstmals unter Beteiligung des Westens. Globaler Süden setzt Suche nach Friedenslösung fort.

german-foreign-policy.com, 28. Juni 2023

BERLIN/KIEW/KOPENHAGEN (Eigener Bericht) – Mit deutscher Beteiligung haben am Wochenende erste multilaterale Verhandlungen mit Kiew über eine Beendigung des Ukraine-Krieges begonnen. Am Samstag fanden in Kopenhagen Gespräche der G7-Staaten, der Ukraine sowie von fünf Ländern des Globalen Südens statt, die an Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine beteiligt waren oder sind. Ziel des Treffens war es explizit, Friedensverhandlungen in Gang zu bringen; weitere Zusammenkünfte sollen folgen. In Kopenhagen ging es unter anderem um Sicherheitsgarantien, darunter nicht nur solche für die Ukraine, sondern auch Garantien für Russland. Öffentlich werden diese freilich noch zurückgewiesen. Außenministerin Annalena Baerbock etwa verlangte am gestrigen Dienstag bei einem Besuch in Südafrika, Russland müsse umgehend „seine Soldaten abziehen“. Unterdessen setzen Staaten des Globalen Südens ihre Suche nach einer Verhandlungslösung fort. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ist erst kürzlich von einer „afrikanischen Friedensmission“ zurückgekehrt. Brasiliens Präsident Lula klagt, es sei offenkundig „Mode unter den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates“ geworden, „in andere Länder einzufallen“. Das müsse enden.


Zitat: Verhandlungen in Kopenhagen

Das Treffen am vergangenen Samstag in Kopenhagen ist – soweit bekannt – das erste gewesen, bei dem die westlichen Staaten in einem größeren Rahmen mit Kiew über eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg gesprochen haben. Offiziell zu dem Treffen eingeladen hatte die Ukraine; vertreten waren außer ihr sowie dem Gastgeber Dänemark die G7-Staaten und fünf Staaten des Globalen Südens, die bereits Vermittlungserfolge zwischen Kiew und Moskau erzielt haben (Türkei, Saudi-Arabien) oder sich noch darum bemühen (Brasilien, Indien, Südafrika). Die Bundesregierung hatte Jens Plötner geschickt, den wichtigsten außenpolitischen Berater von Kanzler Olaf Scholz. China war eingeladen, nahm aber nicht an der Zusammenkunft teil. Russlands Anwesenheit war nicht erwünscht. Das Treffen war offenkundig schon seit geraumer Zeit geplant; bereits im Mai hatte Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen mitgeteilt, sollte die Ukraine bereit sein, mit Ländern wie Brasilien, Indien oder Südafrika über etwaige Friedensverhandlungen zu diskutieren, dann biete sich Kopenhagen als Ort dafür an. Für das Treffen stark gemacht hatten sich auch die USA; allerdings reiste ihr Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan aufgrund eines Krisentreffens zum Putschversuch in Russland nicht an und war nur per Video zugeschaltet.[1]


Selenskyjs „Friedensformel“

Über den Inhalt des Treffens hüllt sich die Bundesregierung in Schweigen. Ein hochrangiger Mitarbeiter der EU-Kommission ließ sich mit der Auskunft zitieren, in Kopenhagen habe sich „ein genereller Konsens“ dahingehend gezeigt, eine Verhandlungslösung müsse „die Prinzipien der UN-Charta, etwa die territoriale Integrität und die Souveränität“ aller Staaten, bestätigen.[2] Dies lässt keine weiterreichenden Schlüsse zu; ein Bekenntnis zu den UN-Grundsätzen enthalten sämtliche bisherigen Verhandlungsvorstöße von der „Friedensformel“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bis zu Beijings Zwölf-Punkte-Papier.[3] Gewisse Aufschlüsse erlaubt ein Bericht des ehemaligen brasilianischen Außenministers Celso Amorim, der als Architekt der Politik von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bezüglich des Ukraine-Kriegs gilt und der, als Lulas außenpolitischer Berater, an dem Treffen in Kopenhagen teilnahm. Amorim zufolge präsentierte der Leiter des Kiewer Präsidialamtes, Andrij Jermak, dort einen Entwurf für eine Abschlusserklärung, die mehrere Elemente der Selenskyj‘schen „Friedensformel“ enthielt. Diese sieht den vollständigen Rückzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine vor – auch von der Krim. Friedensgespräche auf ihrer Basis wären daher nach Lage der Dinge nur bei einer dramatischen russischen Niederlage möglich.[4]


Sicherheitsgarantien

Der Entwurf für die Abschlusserklärung scheiterte entsprechend – wie Amorim bestätigt, an den Einwänden der Länder des Globalen Südens, die unverändert nicht dazu bereit sind, sich dem Druck des Westens zu beugen und sich gegen Russland zu positionieren.[5] Sollte Jermak gehofft haben, einen Keil zwischen sie und Moskau zu treiben, sah er sich getäuscht. Wie unter Berufung auf den deutschen Teilnehmer des Treffens, Kanzlerberater Plötner, berichtet wird, griffen die Gespräche allerdings weiter aus und bezogen auch die Frage nach Sicherheitsgarantien ein – und zwar nicht nur nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die voraussichtlich nötig werden, weil ein ukrainischer NATO-Beitritt unter anderem an den Vereinigten Staaten scheitern dürfte (german-foreign-policy.com berichtete [6]), sondern darüber hinaus nach Garantien für Russland. Man könne Moskau beispielsweise versichern, heißt es, „dass keine Marschflugkörper auf dem Gebiet der Ukraine stationiert werden“.[7] Damit wird erstmals erkennbar, dass der Westen bereit sein könnte, Zugeständnisse an Russland zu machen, die in der Öffentlichkeit bislang entschieden zurückgewiesen werden. Wie Amorim bestätigt, sollen dem Treffen weitere folgen. Im Gespräch ist die nächste Zusammenkunft schon für Juli; ob der Plan aufgeht, ist allerdings ungewiss.


Die afrikanische Friedensmission

Unterdessen treiben die fünf Staaten des Globalen Südens, die in Kopenhagen vertreten waren, ihre eigenen Friedensbemühungen energisch voran. Indiens Premierminister Narendra Modi etwa betonte am vergangenen Donnerstag während eines Besuchs in den USA, New Delhi habe „vom Beginn der Ereignisse in der Ukraine an“ danach gestrebt, „den Streit durch Dialog und Diplomatie zu lösen“; es sei unverändert „bereit“, alle Bemühungen um Frieden zu unterstützen.[8] Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa war erst Mitte Juni gemeinsam mit drei anderen afrikanischen Staatschefs und Vertretern dreier weiterer Länder des Kontinents in die Ukraine und nach Russland gereist, um dort mit einer „afrikanischen Friedensmission“ nach Wegen zur Beendigung des Krieges zu suchen.[9] Die afrikanischen Bemühungen sollen weiter vorangetrieben werden. Außenministerin Annalena Baerbock war am gestrigen Dienstag bei einem Besuch in Südafrika bestrebt, Näheres über den Stand der Dinge in Erfahrung zu bringen. Während ihre südafrikanische Amtskollegin Naledi Pandor mitteilte, Pretoria werde sich durch den Putschversuch in Russland nicht von der Suche nach Frieden abbringen lassen [10], hielt Baerbock beinhart an der Forderung fest, Russland müsse „seine Bombardierungen einstellen und seine Soldaten abziehen“ [11]. Nur so könne „der Krieg enden“.


„Niemand will Krieg“

Umfassende Friedensbemühungen entfaltet seit einiger Zeit insbesondere Brasilien unter Präsident Lula. Lula hielt sich Mitte vergangener Woche in Rom auf, um in Gesprächen unter anderem im Vatikan, der seinerseits um ein Ende des Waffengangs bemüht ist, nach Wegen aus dem Krieg zu suchen. Er verband das mit der Forderung, die globale Ordnung an die veränderten Kräfteverhältnisse anzupassen – das umso mehr, als es offenkundig „Mode unter den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates“ geworden sei [12], „in andere Länder einzufallen“, urteilte Lula in der italienischen Hauptstadt. Am Samstag präzisierte er in Paris, „als die Vereinigten Staaten in den Irak einmarschierten“, hätten sie „niemanden konsultiert“; „als Sarkozy und England in Libyen einmarschierten“, hätten sie das ebenfalls nicht getan, „und als Putin in die Ukraine einmarschierte“, habe er sich auch nicht um internationale Zustimmung dafür bemüht. So könne es nicht weitergehen.[13] Lula sprach sich zudem ganz entschieden gegen „einen neuen Kalten Krieg“ zwischen den Vereinigten Staaten und China aus: „Niemand will noch Krieg.“[14] Man könne nicht Milliardensummen in Konflikten verschwenden, wenn weltweit 800 Millionen Menschen Hunger litten.


Keine Eile

Eilig haben die westlichen Mächte es mit der Beendigung des Ukraine-Krieges freilich nicht. Mit Blick auf das geplante Nachfolgetreffen zu der Zusammenkunft in Kopenhagen wurden westliche Diplomaten mit der Einschätzung zitiert, es sei „nicht unbedingt schlecht“, dass es noch ein wenig dauern könne, bis das Treffen zustande komme: Dann hätten „die Ukrainer noch ein bisschen Zeit, noch ein paar mehr Gewinne auf dem Schlachtfeld herauszukitzeln“. Das verbessere ihre Position.[15]

 

Mehr zum Thema: Der Übergang zur Diplomatie (II).

 

[1], [2] Copenhagen meeting helps advance Ukraine ‘peace summit’ plan. euractiv.com 27.06.2023.

[3] S. dazu Auf der Seite des Krieges.

[4], [5] Jamil Chade: Crise fragilizou Rússia, diz Amorim; emergentes bloqueiam proposta de Kiev. noticias.uol.com.br 25.06.2023.

[6] S. dazu Risse in der NATO.

[7] Kristina Dunz: Russlands Angriff auf die Ukraine: Geheimes Friedenstreffen in Kopenhagen. rnd.de 26.06.2023.

[8] Aniruddha Dhar: PM Modi on Ukraine war: ‘India ready to contribute in any way to restore peace’. hindustantimes.com 22.06.2023.

[9] Médiation entre Zelensky et Poutine : missiles, train bloqué, cocktail sur la Neva… Ce qu’il faut retenir de la mission de paix africaine. jeuneafrique.com 20.06.2023.

[10] S Africa: ‘Peace mission’ in Ukraine unaffected by Russia mutiny. aljazeera.com 27.06.2023.

[11] Rede von Außenministerin Annalena Baerbock bei der Deutsch-Südafrikanischen Binationalen Kommission. 27.06.2023.

[12] Lula vai enviar Celso Amorim para participar de encontro na Dinamarca sobre a Ucrânia. gazetadopovo.com.br 22.06.2023.

[13] Brasilien: Lula hinterfragt die Rolle internationaler Organisationen in Konflikten. latina-press.com 24.06.2023.

[14] Lula vai enviar Celso Amorim para participar de encontro na Dinamarca sobre a Ucrânia. gazetadopovo.com.br 22.06.2023.

[15] Copenhagen meeting helps advance Ukraine ‘peace summit’ plan. euractiv.com 27.06.2023.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9280


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Öffentlicher Gerichtstermin am 29. Juni: NachDenkSeiten versus Bundespressekonferenz

nachdenkseiten.de, vom 19. Juni 2023 um 10:00 Ein Artikel von: Florian Warweg

Nach längerem Hin und Her sowie einem abgelehnten Verfügungsantrag ist es so weit: Am 29. Juni gibt es die erste öffentliche Verhandlung im Hauptverfahren am Berliner Landgericht zwischen dem NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg und dem privaten Verein „Bundespressekonferenz e.V.“ (BPK), welcher in Deutschland über das Monopol zur Durchführung der sogenannten Regierungspressekonferenzen verfügt. Dessen Vorstand will den NachDenkSeiten mit allen Mitteln den Zugang zu den Regierungspressekonferenzen verweigern. Man fürchte, das wurde so offen kommuniziert, einen Präzedenzfall für alle „alternativen Medien“. Für unsere Leser zeichnen wir die Argumentation der NachDenkSeiten sowie die der beklagten Seite, dem BPK e.V., nach.


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Hintergrund: Was bisher geschah

Am 18. August 2022 erhielt der Autor dieser Zeilen auf dem Postweg ein Schreiben vom Vorsitzenden des BPK-Mitgliedsausschusses, Jörg Blank, seines Zeichens „Kanzlerkorrespondent“ bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa), in welchem ihm dieser mitteilte, dass der Ausschuss sich „nach eingehender Prüfung“ bestätigt sähe, den Antrag auf Mitgliedschaft in der BPK abzulehnen. Die einzig angeführte Begründung? Ich würde angeblich für die NachDenkSeiten nicht regelmäßig zu bundespolitischen Themen schreiben. Wie konstruiert und leicht widerlegbar diese Argumentation ist, erschließt sich durch eine kurze Inaugenscheinnahme meiner seit dem 1. Juni 2022 für die NachDenkSeiten verfassten Artikel, die sich in ihrer großen Mehrheit nachweislich bundespolitischen Themen widmen. Wenn man zu der Thematik recherchiert, wird deutlich, dass es derzeit zum Beispiel kaum andere Journalisten in der Bundesrepublik gibt, die so regelmäßig und in der politischen Breite wie ich für die NachDenkSeiten parlamentarische Initiativen im Bundestag (schriftliche Fragen, Kleine Anfragen an die Bundesregierung, Anträge etc.) auswerten und aufbereiten.

Noch eklatanter wird es, wenn man sich anschaut, was problemlos aufgenommene Mitglieder der BPK journalistisch so an Artikeln zu „Bundespolitik“ produzieren. Exemplarisch sei auf den ehemaligen Tagesspiegel-Redakteur und bis Ende 2022 Mitglied des umstrittenen Überwachungsportals „Gegneranalyse“, Matthias Meisner, verwiesen. Bis zum heutigen Tag bleibt Matthias Meisner das einzige Mitglied der Bundespressekonferenz, welches sich proaktiv und öffentlich gegen die Mitgliedschaft eines NDS-Redakteurs bei der Bundespressekonferenz ausgesprochen und eine entsprechende Kampagne initiiert hatte.

Daneben gibt es noch die öffentliche Bekanntmachung des Videobloggers Tilo Jung, der seit 2022 de facto über das Aufzeichnungsmonopol in der BPK verfügt. Kein anderer Journalist berichtet derzeit regelmäßig und videobasiert über die Regierungspressekonferenzen in der BPK. Eine Präsenz der NDS auf der BPK wäre also eine direkte Konkurrenz für Jung und sein mediales Business-Modell. Der Macher von Jung & Naiv erklärte im Juni 2022 folglich nicht ganz überraschend unter einem Tweet von Meisner, dass er „postwendend“ Einspruch gegen die Mitgliedschaft eines NDS-Redakteurs eingelegt habe. Seine Behauptung gegenüber Meisner, er wüsste von „Dutzenden“ solcher Einsprüche, ist nachweislich falsch. Selbst der BPK-Vorstand spricht lediglich von insgesamt sechs Widersprüchen, die eingegangen seien – wohlgemerkt bei über 900 Vereinsmitgliedern. Es legten also nur rund 0,67 Prozent der Gesamtmitgliederschaft Widerspruch ein.

Doch Meisner selbst, wie dargelegt die Hauptstimme gegen eine Mitgliedschaft der NachDenkSeiten in der BPK, schreibt spätestens seit 2023 weder regelmäßig zu bundespolitischen Themen (ein Blick auf seine Website, in der er alle Artikel aufführt, bestätigt dies), noch erfüllt er derzeit die Grundvoraussetzung in der Satzung der BPK, die vorschreibt, dass man „aus Berlin und/oder Bonn ständig und weit überwiegend über die Bundespolitik“ zu berichten habe. Herr Meisner lebt nämlich seit Beginn 2023 vornehmlich im europäischen Ausland, genauer in Prag.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Hauptpropagandist gegen unsere Mitgliedschaft in der BPK erfüllt selbst nicht einmal die Mindestanforderungen, die laut Satzung an den Erhalt und die Beibehaltung der Mitgliedschaft gestellt werden, dies hat aber bisher keinerlei Konsequenzen für seinen dortigen Mitgliedsstatus. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den Ausschluss von Boris Reitschuster aus der BPK. Als einzige Begründung für den Rausschmiss wurde damals vom BPK-Vorstand angeführt, dass er gegen die Satzung verstoßen habe, indem er „keine Tätigkeit aus Berlin oder Bonn für eine Firma, die in Deutschland ansässig ist“, ausübe. Das auf seiner Seite angegebene Impressum weise eine Adresse in Montenegro auf. Fragen wirft in diesem Zusammenhang allerdings auch das Impressum auf, welches der nach Selbstauskunft „freie Journalist in Berlin und Prag“ Matthias Meisner auf seiner Homepage Meisnerwerk angibt:

Die als Impressum angegebene Adresse widerspricht ebenfalls den in der BPK-Satzung definierten Anforderungen an eine Mitgliedschaft. Denn „Mission Lifeline“ ist ein Dresdner Verein, dessen alleiniger Vereinszweck die Seenotrettung von Menschen im Mittelmeer ist. Eine anerkennenswerte Tätigkeit, doch verfügt der Verein über keinerlei Status als journalistisches Medium.

Ähnliche Fragen wie bei Meisner stellen sich zudem für die zahlreichen Vertreter von Lobby-Medien in der BPK wie zum Beispiel Clean Energy Wire, das Bundeswehr-Magazin, Finanztip, Energie & Management, das IT-Portal Golem, Diabetes Ratgeber, Apothekerzeitung oder das Deutsche Ärzteblatt. So sind allein für letztere Publikation aktuell elf Journalisten bei der BPK als Mitglied aufgelistet. Dass diese in die BPK aufgenommenen Vertreter der genannten Medien „ständig und weit überwiegend über Bundespolitik“ schreiben, ist mehr als fraglich.

Vor diesem skizzierten Hintergrund entschloss sich die NachDenkSeiten-Redaktion, den Klageweg einzuschlagen.

Argumentation für Aufnahme bei der BPK

Das Hauptargument unseres Anwalts ist es, dass der Verein BPK e.V. mit der alleinigen Ausrichtung der dreimal die Woche stattfindenden Regierungspressekonferenzen unter Teilnahme aller Ministerien und des Regierungssprechers über mindestens ein „faktisches Monopol“ verfügt. Zwar dürfen private Vereine grundsätzlich die Entscheidung über Mitgliedschaft willkürlich gestalten. Eine Ausnahme bestehe jedoch „im Fall eines situativen Anwendungsbereichs der Grundrechte. Insoweit unterliegen Monopolisten im Wege mittelbarer Drittwirkung der Grundrechtsbindung.“ Im aktuellen Fall geht es sogar um den besonders sensiblen Grundrechtsbereich der Presse- und Medienfreiheit.

Keine andere private oder staatliche Institution in der Bundesrepublik richtet nachweislich sonst noch Regierungspressekonferenzen aus. Der regelmäßige gleichzeitige Zugang zu allen Ministerien- und Regierungssprechern ist somit alternativlos und nicht substituierbar.

„Die Pressefreiheit“, so ein wegweisendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, „kann nicht nur durch Maßnahmen der Regierung oder der Polizei, nicht nur durch übermächtige Pressekonzerne, sondern auch durch freiwillige Zusammenschlüsse von Journalisten beeinträchtigt werden, wenn durch die Auflagenstärke des Zusammenschlusses und darüber hinaus noch durch einen irreführenden Namen die Gefahr eines auch nur teilweisen Nachrichtenmonopols heraufbeschworen wird. Dieser Fall ist hier gegeben, und er ist gerade für sehr kleine Publikationsorgane, die ständig um ihre wirtschaftliche Existenz ringen müssen, bedrohlich. Die Pressefreiheit ist aber nur dann gewährleistet, wenn auch kleine Publikationsorgane und wenn alle parteipolitischen Richtungen zu Wort kommen.“ (Urteil vom 11. Mai 1971 – 6 U 99/70)

Des Weiteren wird argumentiert, dass, wie bereits zuvor im Artikel ausgeführt, die von mir verfassten Artikel „ganz überwiegend“ als bundespolitisch einzuordnen sind, und zudem darauf verwiesen, dass die BPK weder in der Satzung noch in irgendeiner anderen Form den von ihr genutzten Begriff „Bundespolitik“ definiert.

„Der Antragsgegner bleibt bereits eine brauchbare Definition schuldig, was er unter „ständig und weit überwiegend über die Bundespolitik berichten“ versteht. Diesseits wird bezweifelt, dass solches in justiziabler Form überhaupt möglich wäre.“

Auch grundsätzlich erscheint es im Hinblick auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie Artikel 5 des Grundgesetzes fragwürdig, wenn ein privater Verein, der das Monopol auf Regierungspressekonferenzen hält, die Forderung aufstellt, Journalisten müssten sich für Zugang zu diesen auf ein bestimmtes Ressort fokussieren und diese Zuteilung dann noch quantitativ ohne jegliche Definitionsgrundlage von „Bundespolitik“ überprüfen und bestimmen.

Davon abgesehen ist der Antragsteller bei den NachDenkSeiten jedoch explizit für das Ressort Bundespolitik zuständig, und in seinem Arbeitsvertrag sind die Abdeckung der BPK und seine Tätigkeit als „Parlamentskorrespondent“ auch entsprechend als zentrales Aufgabenprofil genannt. Im Arbeitsvertrag heißt es dazu:

„Für die NachDenkSeiten ist Florian Warweg als Parlamentskorrespondent tätig und wird in dieser Funktion auch die Bundespressekonferenz abdecken.“

Es gibt für einen Journalisten mit Schwerpunkt Bundespolitik keinen adäquaten Ersatz zur Bundespressekonferenz. Nur dort stehen dreimal die Woche Pressesprecher aller Ministerien und der Sprecher des Kanzlers unmittelbar Rede und Antwort. Die Presseabteilungen der jeweiligen Bundesministerien sind kein adäquater Ersatz. Presseanfragen der NachDenkSeiten wurden zum Beispiel, etwa im Falle des vom Familienministerium finanzierten Projekts „Gegneranalyse“, erst mit wochenlanger Verspätung beantwortet. Zudem macht es natürlich einen entscheidenden qualitativen Unterschied, ob ein Journalist die Möglichkeit hat, direkt alle Ministeriensprecher zu befragen und diese unmittelbar antworten müssen, oder die jeweiligen Presseabteilungen einzeln abgefragt werden müssen – mit keinerlei Garantie, eine zeitnahe Antwort zu bekommen.

Argumentation gegen die Aufnahme: Der Warweg trug mal eine „Free Assange“-Maske in der BPK

Zunächst begründete der BPK-Vorstand seine Entscheidung, mich nicht aufzunehmen, ausschließlich mit der Behauptung, ich würde für die NachDenkSeiten nicht „ständig und weit überwiegend über Bundespolitik“ berichten. Im Schreiben des Anwalts, der den BPK e.V. vertritt, wurden dann aber noch weitere Gründe nachgeschoben.

„Sorge vor Missachtung journalistischer Standards“

So heißt es zum Beispiel unter der oben genannten Überschrift in dem Schreiben des den BPK e.V. vertretenden Anwalts:

„Zudem hat sich der Kläger in der Vergangenheit nicht an die Vorgaben des Beklagten gehalten. Auf einem Foto, welches im Rahmen seiner früheren Tätigkeit als Korrespondent des russischen Propagandasenders RTV (sic!) entstand, zeigte er sich mit einer „Free Assange“-Maske in dem Raum für die Abhaltung der Bundespressekonferenzen. Dieses Foto wurde jedoch auch von den Nachdenkseiten verwendet. Eine solche Maske ist als aktivistisches Statement in der Praxis des Beklagten nicht geduldet. Es widerspricht dem bei dem Beklagten etablierten journalistischen Selbstverständnis. Das sitzungsleitende Vorstandsmitglied des Beklagten konnte im konkreten Fall die Maske jedoch nicht erkennen, da der Kläger sich auf dem Foto abgewandt und während der Sitzung möglicherweise eine andere, neutrale Maske getragen hat. Hätte der Vorstand die beschriftete Maske gesehen, hätte er sie als unzulässige Demonstration im Rahmen der Pressekonferenz gerügt. (…) Dass der Kläger gerade mit diesem Foto auf der Vorstellungsseite seines neuen Mediums seine journalistische Grundhaltung demonstriert, belegt ein Grundverständnis, das dem bei dem Beklagten etablierten Leitbild journalistischer Tätigkeit widerspricht.“

Bei dem reklamierten Foto handelt es sich um folgende Aufnahme, die zur Bebilderung des Artikels von Albrecht Müller „Florian Warweg – Verstärkung für die NachDenkSeiten“ genutzt worden war:

Das Foto war zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre alt und am 17. Juni 2020, einem Mittwoch, um 12:52 aufgenommen worden, also vor dem offiziellen Beginn der BPK, die mittwochs immer um 13 Uhr beginnt. Ich hatte es damals lediglich als Foto-Gag genutzt, zu diesem Zeitpunkt herrschte noch gar kein Maskenzwang in der BPK. Ich twitterte das Foto einen Tag später. Es gab dazu über zwei Jahre lang keinerlei kritische Rückmeldung vom BPK-Vorstand, obwohl das Foto dort bekannt war. Aber fast drei Jahre später soll das plötzlich ein Skandal sein und wird ernsthaft als Argument gegen meine Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz aufgeführt?

Davon abgesehen hatte ich nie den Status eines „Korrespondenten“, geschweige denn war ich für den „Propagandasender RTV“ tätig. Wikipedia führt unter TV-Sendern mit dieser Abkürzung folgende Medien auf:

„Kein hinreichender Nachweis über die Tätigkeit als Parlamentskorrespondent“

Der geneigte Leser kann sich ja selbst ein Bild machen, welche der Artikel, die ich beispielsweise im Verlauf der letzten zwei Monate verfasst habe, nicht unter den Oberbegriff „Bundespolitik“ fallen:


„Sorge vor vereinsschädigendem Verhalten“

Zu diesem Punkt heißt es:

„Der Kläger hat sich mehrfach überaus kritisch und zum Teil beleidigend über langjährige Mitglieder des Beklagten in seinen Artikeln und in den sozialen Netzwerken (zum Beispiel auf Twitter) geäußert. Dem Beklagten ist bewusst, dass kritische Berichterstattung – auch über andere Journalisten – erlaubt sein muss und möchte dies nicht unterbinden. Beleidigende Äußerungen und die Verbreitung von falschen Tatsachen sind für den Beklagten jedoch nicht hinnehmbar. Hier hat er auch gegenüber seinen Mitgliedern die Pflicht, diese vor unzumutbaren Angriffen zu schützen und hat darüber hinaus ein berechtigtes Interesse, die Arbeit des Vereins nicht zu beschädigen.“

Doch die Behauptung, ich hätte „langjährige Mitglieder“ der BPK auf Twitter oder in Artikeln beleidigt, wird mit keinem einzigen Beispiel belegt. Mir fiele auch ernsthaft kein Fall ein, der den Tatbestand „Beleidigung“ erfüllen würde. Das einzige Mal, dass ich mich auf Twitter zu einem BPK-Vorstandsmitglied geäußert hatte, war dieser Tweet:

Weiter heißt es dazu im Schreiben des BPK-Anwalts, erneut ohne jeden konkreten Beleg:

„Der Kläger hat durch seine Artikel in der Vergangenheit mehrfach die Glaubwürdigkeit anderer Mitglieder in Frage gestellt, und es besteht die Befürchtung, dass der Kläger die Veranstaltungen des Beklagten offenbar als Bühne nutzen will, um sich selbst als einzig kritische Alternative zu prägender Mehrheit der Mitglieder zu inszenieren.“

BPK hat keine Monopolstellung

Die Vorstandsvertreter der BPK behaupten, dass die BPK keine Monopolstellung innehabe, da es ja, so einer der zentralen Argumentationsansätze, dem bei Abweisung des Eilantrags sogar der entsprechende Richter folgte, öffentlich zugängliche Live-Übertragungen der Regierungspressekonferenzen gäbe. Doch dies ist nachweislich falsch. Diese Live-Übertragungen gibt es nicht. Es gab diese lediglich als explizite Ausnahme in der Hochphase der Corona-Maßnahmen. Hierzu hatten sich übrigens die BPK-Vorstandsmitglieder bei der Befragung durch den Richter im Zuge des Eilantrags auch nicht vollumfänglich wahrheitsgemäß geäußert. Sie implizierten gegenüber dem Richter wider besseren Wissens, dass es die Live-Übertragungen der gesamten Regierungspressekonferenz weiterhin gibt. Die NachDenkSeiten fragten beim Leiter Stabsstelle Kommunikation des öffentlich-rechtlichen Senders Phönix, Uwe-Jens Lindner, an, wie es um die Live-Übertragungen der Regierungspressekonferenzen in der BPK steht. Seine Antwort war unmissverständlich:

Regierungspressekonferenzen sind grundsätzlich von der Live-Übertragung ausgenommen und erst nach 30 Minuten frei lediglich für eine ausschnittweise Verwendung. Damit will der Verein sicherstellen, dass ein Großteil der Informationen der Regierungs-PK seinen Mitgliedern exklusiv zugutekommt.

Während der Corona-Zeit galt für Regierungspressekonferenzen eine grundsätzliche Ausnahme: In diesem Zeitraum war die Live-Übertragung durch phoenix gestattet, um zu vermeiden, dass zu viele Menschen im BPK-Saal zusammenkommen. Diese generelle Ausnahme besteht seit einiger Zeit nicht mehr.

Ein weiteres angeführtes Argument gegen die Monopolstellung lautet, dass sich doch jeder Journalist mit konkreten Fragen an die jeweils zuständigen Pressestellen von Ministerien und Behörden wenden könnte. Diese seien nach dem Informationsfreiheitsgesetz zur zeitnahen Auskunft verpflichtet.

Auch sei der gesamte Inhalt der sogenannten Regierungspressekonferenzen mit den Sprecherinnen und den Sprechern der Bundesregierung, die regelmäßig stattfinden, auch Nichtmitgliedern des Beklagten auf dem Onlineportal der Bundesregierung innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der Presskonferenzen als anonymisiertes Wortprotokoll zugänglich.

Ebenso spräche gegen eine Monopolstellung des Beklagten die Tatsache, „dass eine Befragung von Mitgliedern der Bundesregierung und anderen Gästen des Beklagten auch außerhalb von den Veranstaltungen des Beklagten für Journalisten jederzeit möglich ist und auch tatsächlich im Rahmen der journalistischen Arbeit ständig erfolgt: Die bereits erwähnten Pressestellen gewähren Journalisten und Zeitungen auf Anfrage Interviews und laden zu Hintergrundgesprächen ein.“

Bezeichnend auch die weitere Argumentation, dass zudem auch „der parlamentarische Raum, eine nicht zu unterschätzende Quelle für Informationen ist“ und dass „regelmäßige Kontakte zu Fraktionen und Parteien, zu Ausschüssen des Bundestages, zu Experten und Fachleuten einen guten Überblick auch über den Regierungsalltag geben.“ Man verweist folglich auf die Informationsmöglichkeiten in der Legislative, um zu behaupten, man hätte keinen Monopolcharakter in Bezug auf Pressekonferenzen der Exekutive.

Das Schreiben des BPK-Anwalts endet mit dem vielsagenden Satz:

„Da die Satzung keine Begründungspflicht für die Zurückweisung des Einspruches vorsieht, ist dies vorliegend ohnehin unproblematisch. Dies scheint der Beklagte jedoch nicht verstehen zu wollen.“

Die Verhandlung zwischen dem NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg und dem BPK e.V. findet am 29. Juni 2023 um 11:30 Uhr am Landgericht Berlin (Tegeler Weg 17-21) im Sitzungssaal 111 statt. Die Verhandlung ist öffentlich.


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28.06.2023

Nahostkonflikt Annexion als Ziel

jungewelt.deAusgabe vom 28.06.2023, Von Helga Baumgarten, Jerusalem

Palästina: Israels Rechtsaußenregierung steigert Gewalt in besetzten Gebieten und Gaza


Raneen Sawafta/REUTERS

Rette sich, wer kann: Schutz suchen vor israelischer Militäraktion in Dschenin (19.6.2023)

Hintergrund: Dschenin und »Islamischer Dschihad« Die Kleinstadt Dschenin im Norden der Westbank und das angrenzende Flüchtlingslager Dschenin sind in aller Munde. Dort wurde im Mai 2022 die palästinensische Journalistin Schirin Abu Akleh, die für Al-Dschasira arbeitete, von einem Scharfschützen der israelischen Armee erschossen. Ihr Tod und das gewaltsame Vorgehen der Polizei bei ihrer Beerdigung in Jerusalem stießen weltweit auf Empörung.

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Seit 1967 müssen die Palästinenser unter einem Besatzungsregime leben, das von der israelischen Armee aufrechterhalten wird. Inzwischen sind sie mit immer fanatischeren Siedlern konfrontiert. Diese Siedler meinen, dass ihnen das gesamte historische Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss von Gott versprochen sei. Für die Palästinenser sei dort kein Platz. Inzwischen gerieren sie sich als Kolonialherren, die den Willen Gottes, wie sie ihn interpretieren, mit immer mehr Gewalt gegen die Palästinenser durchsetzen. Dörfer werden angezündet, Menschen zusammengeschlagen und erschossen, Moscheen werden entweiht und geschändet, Korane werden zerrissen und angezündet. Die Siedler verüben ihre Gewalttaten fast immer unter dem Schutz der Armee, die sich oft aktiv an der Gewalt gegen die Palästinenser beteiligt. Dabei setzt die Armee, zuletzt in Dschenin vor einer Woche, wieder Kampfhubschrauber und bewaffnete Drohnen ein, zum ersten Mal seit der zweiten Intifada.

Diese Besatzungsgewalt ist nicht neu und unter allen israelischen Regierungen, egal welcher Couleur, zu beobachten. In der Altstadt Jerusalems wurde direkt nach dem Junikrieg 1967 das historische Maghrebi-Viertel dem Erdboden gleichgemacht. Kein Haus blieb stehen, selbst eine Moschee wurde zerstört. Die Bewohner, an die tausend Menschen, wurden vertrieben.


Langer Krieg

1970/1971 schlug Ariel Scharon im Gazastreifen regelrechte Schneisen in die dortigen Flüchtlingslager, um breite Straßen für seine Panzer zu bekommen. Die aus Israel 1948 vertriebenen Palästinenser, die dort überleben mussten, verloren zu Tausenden ihre ärmlichen Behausungen und wurden erneut vertrieben in Richtung Sinaihalbinsel. Die jungen Palästinenser, die Widerstand geleistet hatten, wurden in neuerrichteten Lagern ebenfalls auf der Sinaihalbinsel festgehalten.

1994, in den ersten Monaten des von vielen mit Optimismus begrüßten Osloer Prozesses, der im September 1993 eingeleitet worden war, verübte der Siedler Baruch Goldstein, ein aus den USA eingewanderter Arzt, ein Massaker mitten in der Ibrahimi-Moschee in Hebron an betenden palästinensischen Gläubigen. Er erschoss 29 Menschen und verwundete mehr als 100. Die Armee stellte die Palästinenser in Hebron, die Opfer, für einen Monat unter Ausgangssperre. Die Siedler durften sich dagegen frei bewegen. Goldstein war ein Anhänger des extrem rechten Rabbis Meir Kahane – genau wieder heutige Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir.


Schließlich läuft seit 2006/2007 der »lange Krieg gegen Gaza«, wie ich ihn in Anlehnung an Amira Hass nenne. In diesem Krieg gegen die Menschen in Gaza und ihre gesamte Gesellschaft zerstört die israelische Armee gemäß der sogenannten Dahija-Doktrin in regelmäßigen Abständen in tage- oder wochenlangen Angriffen alles, was ihr in den Weg kommt.


Sinnloses Massaker

Weder während des Osloer Prozesses seit September 1993 noch beim »Camp David II« genannten Treffen Jassir Arafats mit Ehud Barak 2000 noch als Reaktion auf den arabischen Friedensplan 2002 signalisierte Israel jemals Bereitschaft, mit den Palästinensern Frieden zu schließen, basierend auf gegenseitiger Anerkennung. Der ehemalige katholische Patriarch Michel Sabbah brachte es 2014 auf den Begriff: »Was in Gaza passiert, ist kein Krieg, es ist ein Massaker. Ein sinnloses Massaker, denn es bringt Frieden und Sicherheit für Israel keinen Schritt näher. (…) Der einzige Weg heraus ist die Anerkennung des zugrundeliegenden Problems, nämlich der Besatzung. (…) Frieden wird es erst geben, wenn Israel einen freien und souveränen palästinensischen Staat anerkennt. (…) Die jetzige Führung glaubt nur an militärische Macht und Stärke. Sie haben hochentwickelte Waffen, um zu töten. Aber sie haben keine Bereitschaft, Frieden zu schließen. Dazu bringen sie keinen Mut auf.« Michel Sabbah könnte heute genauso argumentieren wie 2014. Hat doch der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu gerade gefordert, den Palästinensern die Idee eines palästinensischen Staates auszutreiben und ihr Streben danach zu »eliminieren«.

Terror und Gegenterror

Schon nach dem Krieg 1967 konnte jeder, der Augen hatte, erkennen, wohin die Besatzung führen würde. Die sozialistische Organisation Matzpen in Israel hat das im September 1967 laut Haaretz auf den Begriff gebracht: »Unser Recht auf Schutz vor Vernichtung gibt uns nicht das Recht, andere zu unterdrücken. Besatzung führt zu Fremdherrschaft. Fremdherrschaft führt zu Widerstand. Widerstand führt zu Unterdrückung. Unterdrückung führt zu Terror und Gegenterror. Terroropfer sind für gewöhnlich unschuldige Menschen. Das Festhalten an den besetzten Gebieten wird uns in ein Volk von Mördern und Ermordeten verwandeln. Für einen sofortigen Abzug aus den besetzten Gebieten.«

Netanjahus Ziel ist heute die Annexion der 1967 besetzten Gebiete mit der damit einhergehenden schrittweisen »Eliminierung« seiner palästinensischen Bewohner, sei es durch Vertreibung oder Vernichtung. Sein Minister Ben-Gvir ruft inzwischen dazu auf, Dutzende, Hunderte, wenn nötig Tausende Palästinenser zu töten. Von der sogenannten internationalen Gemeinschaft hört man kritisch-tadelnde Worte, denen keine Taten folgen. Eine Ausnahme sind die klaren Worte von Sven Kühn von Burgsdorff, EU-Vertreter in Israel, der die Angriffe der Siedler auf das Dorf Turmus Aja als Terrorismus benennt und ein Ende der Besatzung fordert. Die Palästinenser bleiben derweil konfrontiert mit einem Staat, der auf Siedlerkolonialismus basiert – einem Apartheidstaat. Von ihm wollen sie sich endlich befreien.

Siehe auch


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/453618.nahostkonflikt-annexion-als-ziel.html


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Wenn der Blitz der Geschichte zuschlägt, kommt man am besten gleich zur Sache

freeassange.rtde.life, 27 Juni 2023 16:20 Uhr,  Ein Kommentar von Pepe Escobar

Nach den außergewöhnlichen Ereignissen in Russland, während des "längsten Tages" dieses Jahres, blieb Präsident Putin in allen Belangen der Gewinner. Nebenbei hat er die Mainstream-Medien des kollektiven Westens zu einem absoluten, intergalaktischen Arsch gemacht – wieder einmal.

Wenn der Blitz der Geschichte zuschlägt, kommt man am besten gleich zur SacheQuelle: AFP © Roman Romokhov


 

Ein Anwohner spricht mit einem Mitglied der Wagner-Gruppe in Rostow am Don am 24. Juni 2023.


Nach dem gescheiterten Putschversuch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mobilisierte Präsident Putin praktisch jeden Russen und jede Russin, um die militärische Sonderoperation (MSO) – oder laut einigen Kreisen, den "Beinahe-Krieg" – schneller zu beenden.

Zusammen mit dem FSB hat Putin nun eine beeindruckende Liste von Verrätern der 5. und 6. Kolonne zusammengestellt, mit denen gebührend umgegangen werden wird. Und er genießt jetzt die uneingeschränkte Freiheit, de facto Befugnisse bei der Anwendung des Kriegsrechts im Rahmen eine Antiterroroperation (ATO) zu besitzen.

So sehr Putin im August 2020 dem ewig regierenden Lukaschenko half und einen Regimewechsel in Weißrussland verhinderte, so sehr verhinderte der gute alte Batka, dass Russland im Juni 2023 in einen Bürgerkrieg abrutscht. In Moskau und darüber hinaus ist derzeit eine komplexe, weitreichende ATO im Gange, während verschiedene westliche Exemplare aus der Subzoologie fassungslos, benommen und verwirrt sind: Sollte das nicht Putins Begegnung mit dem Schicksal von Zar Nikolaus II. sein?

Ein erster Blick auf das Schachbrett verrät uns, dass alle Figuren an ihren richtigen Platz geschoben wurden. Prigoschin erhält in Weißrussland einen goldenen Fallschirm, Verteidigungsminister Schoigu könnte kurz vor der Entlassung stehen, vielleicht sogar zusammen mit Generalstabschef Gerassimow. Ja, es gibt zutiefst dysfunktionale Ebenen im Verteidigungsministerium. Die "Musiker" von Wagner werden entweder als reguläres Armeekorps in die russische Armee eingegliedert, dürfen ihrem Chef nach Minsk folgen oder nach Hause gehen.

Möglicherweise machen sie weiterhin Geschäfte in Afrika, denn die Nachfrage für "Musiker" ist dort riesig.

Was geschah also wirklich vor und nach dem "längsten Tage des Jahres"? Unsummen von CIA-Geldern könnten den Besitzer gewechselt haben. Und am Ende könnte sich der "Putsch" als die größte russische Operation aller Zeiten erweisen, um den Westen zu trollen.


Viktor Orbán im Bild-Interview: Ein ukrainischer Sieg über Russland ist unmöglich





Viktor Orbán im Bild-Interview: Ein ukrainischer Sieg über Russland ist unmöglich






Die Mutter aller Verschleierungen

Wieder einmal beweisen die Fakten vor Ort, dass Putin der unbestrittene oberste Verteidiger Russlands ist. Nachdem er einige Stunden lang strategisches Schweigen bewahrt hatte, erhielt sein späteres Eingreifen die volle Unterstützung der Zivilbevölkerung, des FSB, der Tschetschenen, der Armee, der Kommunisten und aller anderen dazwischen.

Die genauen Bedingungen der Vereinbarung zwischen Lukaschenko und Prigoschin, mit Unterstützung des Gouverneurs der Region Tula, Alexei Djumin, sind noch unklar. Prigoschin gab bekannt, dass er mit den Bedingungen zufrieden sei, während Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zu Protokoll gab, dass ein Strafverfahren gegen Prigoschin eingestellt werden soll. Eine wichtige Forderung von Prigoschin war der Rücktritt von Verteidigungsminister Schoigu und Stabschef Gerassimow. Das könnte in naher Zukunft geschehen – oder auch nicht.

Und das bringt uns zu der immer noch faszinierenden Möglichkeit, dass dies die Mutter aller Verschleierungen war. Prigoschin baute diesen ganzen Zirkus auf, nur um ein Treffen mit Schoigu und Gerassimow in Moskau zu bekommen. Hat da jemand Übertreibung gesagt?  Das Szenario "Mutter aller Verschleierungen" impliziert auch einen Schachzug, der einem 5D-Schachspiel würdig wäre: Am Samstag befand sich die Gruppe Wagner 200 Kilometer von Moskau entfernt – am Sonntag dann 100 Kilometer vor Kiew. Hat da jemand Sun-Tsu-Kriegskunst der nächsten Stufe gesagt?


Ukrainischer Verteidigungsminister: Erwartungen an unsere Gegenoffensive "überschätzt"





Ukrainischer Verteidigungsminister: Erwartungen an unsere Gegenoffensive "überschätzt"






Zwischen Souveränität und Verrat

Alexander Dugin wies zu Recht darauf hin, dass dies auch eine Übung in Souveränität war:

"Nur der souveräne Lukaschenko trat zusammen mit dem souveränen Putin selbst Prigoschin entgegen. Es stellte sich heraus, dass viele den Präsidenten und das Volk hereinlegen können, indem sie im Verborgenen agieren, angeblich sogar in Putins Namen. Aber die Rettung des Vaterlandes in einer kritischen Situation ist nicht ihre Spezialität. Die Konsequenz daraus ist, dass Russland eine souveräne Elite braucht, sonst wiederholt sich alles."

Was den benommenen und verwirrten kollektiven Westen betrifft – insbesondere die NATO-Kiew-Junta, die Wagner umgehend von "Terroristen" in "Freiheitskämpfer" umbenannte –, so ist die Spezialität, die sie beherrschen, sich im eigenen Sumpf zu ertränken. Die Mainstream-Medien behaupteten, dass die "westlichen Offiziellen" von der Meuterei "überrascht" worden seien. Das hängt jedoch davon ab, wie viel Geld während der Vorbereitung zu dem Putsch den Besitzer gewechselt hat, und in welche Richtung.

Die MSO – jetzt ATO – wird fortgesetzt und die russische Armee kämpft unbeirrt weiter. Die "Gegenoffensive" der Ukraine torkelt weiter den Rand einer Klippe entlang und macht sich bereit, die tiefschwarze Leere zu umarmen. Ein Sieg Putins in allen Belangen bedeutet, dass sich die gesamte Zivilbevölkerung – und das Militär – dafür einsetzen, ihn und die russischen Institutionen zu bewahren und zu perfektionieren. Es gibt absolut kein Land im gesamten Westen, in dem wir dieses Maß an öffentlicher Unterstützung für die Regierung finden. Die russische Politik ist ein besonderes Wesen. Sie funktioniert sowohl auf höchster Ebene als auch an der Basis – anders als im Westen, wo tiefe Zwietracht zwischen Eliten und Volk die Norm ist.

Natürlich sollte auch stets darauf hingewiesen werden, dass es die weniger patriotischen russischen Oligarchen sind, die jedes Mal davonlaufen, wenn etwas passiert, das dem "längsten Tage des Jahres" ähnelt. Der Westen setzte seine Wetten einige Stunden lang auf das baldige Auseinanderfallen und die darauffolgende Zerstückelung Russlands. Nein, nicht jetzt und nicht heute. Und auch nicht in absehbarer Zeit.

Die Nachfolge im Kreml wird vom Team Putin und von ausgewählten patriotischen Oligarchen bereits vorbereitet. Unter den Anwärtern gibt es einen geheimen Namen, der jeden verblüffen wird, wenn er bekannt wird. Für die Öffentlichkeit ist er immer noch unsichtbar und agiert im Verborgenen. Sein Name soll vorerst geheim bleiben. Was derzeit zählt, ist, dass Russland insgesamt gestärkt aus dem "längsten Tag" hervorgegangen ist. Der Mann und die Frau auf der Straße zeigten sich als wahre Patrioten, die bereit waren, das Vaterland zu verteidigen, egal was auch immer dafür nötig ist.

Es gab keine Konfrontationen zwischen jenen, die zur Verteidigung der russischen Institutionen antraten, und jenen, die auf der Seite von Wagner standen. Die Bürger unterstützen tatsächlich beide Seiten. Sie setzen Wagner mit den "höflichen grünen Männern" gleich, die 2014 zur friedlichen Rückeroberung der Krim beitrugen und kein einziger Polizist oder Soldat stand ihnen gegenüber.

Putin sitzt also fester im Sattel denn je. Aber jeder sollte immer bedenken: Das Einzige, was Putin nicht verzeihen kann, ist Verrat.

Aus dem Englischen.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf Twitter folgen.


Mehr zum Thema - Nord Stream 2 – Der wahre Grund für den Abscheu der US-Regierung


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://freeassange.rtde.life/meinung/173711-wenn-blitz-geschichte-zuschlaegt-kommt-man-am-besten-gleich-zur-sache


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Jacques Baud: „Das war sicher kein Putschversuch, wie unsere Medien die Sache aufgeblasen haben“



Jacques Baud im Gespräch mit Florian Rötzer am 26. Juni.


27. Juni 2023 72 Kommentare

Warum man im Westen von falschen Annahmen ausgeht, was der Aktion von Prigoschin zugrunde lag und warum Putin wahrscheinlich gestärkt aus dem Vorfall hervorgeht. Ein Gespräch.

 

Jacques Baud  war Oberst der Schweizer Armee, arbeitete für den Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienst, die Vereinten Nationen und für die Nato in der Ukraine. Er ist Autor mehrerer Bücher über Nachrichtendienste, asymmetrische Kriegsführung, Terrorismus und Desinformation. Das Gespräch wurde am 26. Juni geführt.

Am Wochenende gab es die große Aufregung über den angeblichen Militärputsch von Prikoschin mit seinen Wagner-Milizen, der allerdings  schnell wieder abgeblasen wurde. Der Deal scheint zu sein, dass er nach  Weißrussland gehen muss. Damit wäre er wohl getrennt von seinen Wagner-Einheiten und entmachtet. Aber was war das Ganze in Ihren Augen? War das jetzt tatsächlich ein ernsthafter Putschversuch? Oder war es doch eine Art Spiel, eine Erpressung? Oder war es ein abgekartetes Spiel mit dem Kreml?

Jacques Baud: Nein, das war sicher kein Putschversuch, wie unsere Medien die Sache aufgeblasen haben. Im Grunde genommen muss man, um das zu verstehen, zur Schlacht von Bachmut im Oktober letzten Jahres zurückgehen. Am 18. Oktober letztes Jahr hat General Surowikin, der Oberbefehlshaber der russischen Streitkräften in der Ukraine, eine neue Strategie definiert. Er sagte: „Wir machen jetzt keine großen Angriffsoperationen mehr, sondern werden den vorrückenden Feind zerstören.“ Bachmut hat er als Beispiel, so könnte man sagen, für seine Strategie benutzt, indem er die die Operation Fleischwolf startete. Dafür hat er einen Vertrag mit der Sicherheitsfirma Wagner unterzeichnet. Das heißt, Wagner war beauftragt, für sechs Monate den Feind in Bachmut zu zerstören. Der Vertrag lief von Ende Oktober letztes Jahr bis Ende April dieses Jahres. Das Ziel der Operation war nicht, Bachmut einzunehmen, sondern den Feind in der Stadt zu vernichten. Die Wagner-Truppen haben ihren Auftrag durchgeführt und Ende April hat der russische Generalstab gesagt: Okay, Auftrag erfüllt. Der Vertrag ist jetzt abgelaufen und danke sehr, Sie können zurückkehren. Wir werden jetzt Fallschirmjäger oder andere Truppen in Bachmut einsetzen.

Nur eine Verständnisfrage. Hat Prigoschin die Zahl der Soldaten für diesen Einsatz aufgestockt?

Jacques Baud: Genau. Man muss sich erinnern, dass Wagner im Grunde genommen eine Sicherheitsfirma ist, nicht eine Kampforganisation. Solche Verbände sind für den Häuserkampf geeignet, d.h. das ist grundätzlich Infanteriearbeit. Man braucht Gefechstechnik, aber nicht unbedingt Großwaffen wie Panzer, schwere Artillerie etc. Das Problem ist natürlich, dass man, um einen Feind in einer Stadt zu vernichten, jedes Haus einnehmen und den Feind in jedem Haus zerstören muss. Und das ist genau, was die Wagner-Truppen gemacht haben. Das Problem ist, dass Ende April zwar vielleicht zwischen 95% und 99% der ukrainischen Truppen in Bachmut zerstört waren, aber es blieb noch ein ganz kleiner Teil der Stadt in den Händen der Ukrainer. Deshalb hat Prigoschin gesagt, man sollte die Sache jetzt nicht stoppen, auch wenn der Vertrag abgelaufen war, und die Arbeit fertig machen. Er verlangte weitere Ressourcen, insbesondere Artillerieunterstützung, um die Arbeit beenden und 100% der Stadt einnehmen zu können.

Er wollte also eine Vertragsverlängerung und mehr Geld und Ausrüstung?

Jacques Baud: Es ging ihm vor allem um eine Vertragsverlängerung, aber auch um die Artillerieunterstützung, weil die Wagner-Truppen zwar Infanteriewaffen hatten und von der russischen Armee selbstverständlich Treibstoff, Munition usw. versorgt wurden, aber keine eigene  Artillerieunterstützung hatten. Das ist das Psychodrama, das wir Anfang Mai dieses Jahres gesehen haben. Prigoschin hat gegen den Generalstab, gegen Gerassimow und Shoigu protestiert und gesagt: „Man gibt mir keine Mittel mehr, keine Artillerieunterstützung, das geht nicht so weiter.“ Aber im Prinzip war sein Vertrag abgelaufen. Das ist das Problem.

Im Generalstab in Moskau hat man schlussendlich entschieden, den Vertrag bis zum 21. Mai zu verlängern. Am 20. Mai war Bachmut eingenommen, der Feind war zerstört und die Wagner-Truppen wurden zurückgezogen. Sie wurden durch Fallschirmjäger oder andere Verbände der russischen Streitkräften ersetzt. Dazu kam, dass in der Zwischenzeit die Bedrohung durch die ukrainische Gegenoffensive entstanden ist. Deswegen gelangte man zur Schlussfolgerung, dass die russischen Streitkräfte einer Gegenoffensive nur widerstehen können, wenn sie voll integriert sind. In so ein Dispositiv kann man Wagner nicht integrieren. Das ist eine Privatfirma. Und die Integration eines Privatunternehmens in ein dynamisches Verteidigungssystem, wie das in der Ukraine erforderlich ist, bringt viele operationelle Probleme mit sich …

Bachmut war eine Ausnahme, da es sich um eine von den anderen operativen Aktivitäten getrennte operative Zone handelte. Es war keine Koordination mit anderen Verbänden erforderlich. Aber für die Verteidigung gegen die ukrainische Gegenoffensive sind andere Mittel, eine andere Koordination, Führung und die Integration der Mittel und so weiter notwendig. Das kann man fast nicht oder sehr schwierig mit einer Privatfirma machen.


Der Generalstab in Moskau wollte mit den Privatverbänden Schluss machen und sie in die russischen Streitkräfte integrieren


Das Verteidigungsministerium hat doch verlangt, dass alle privaten Milizen oder Freiwilligenverbände, es gibt an die 40 in Russland, auch von Gazprom und Oligarchen, sich dem Verteidigungsministerium unterstellen müssen. Einige haben diesen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnet, nur Prigoschin wollte das nicht.

Jacques Baud: Man spricht immer von den Russen. Man sollte aber von der russischen Koalition sprechen. Neben der russischen Armee mit dem Kommando in Moskau gab es noch die Milizen der selbständigen Republiken Donezk und Lugansk. Die hatten natürlich andere Regeln und haben seit 2014 auch Privatverbände eingesetzt. Das wurde schon vor der jetzigen militärischen Operation gemacht. Es handelte sich um lokale Milizen, kleine Privatarmeen. Aber die  Republiken wurde in die Russische Föderation integriert. Und jetzt hat der Generalstab in Moskau entschieden, mit diesen Privatverbände Schluss zu machen und sie in die russischen Streitkräfte zu integrieren. Man hatte damals auch die Möglichkeit erwähnt, aber das kann auch nur ein Gerücht sein, eine Fremdenlegion innerhalb der russischen Streitkräfte mit allen diese Privatverbänden und Söldnern zu kreieren. Sicher ist, dass das Oberkommando in Moskau keine selbständigen, halb privaten oder privaten Verbände haben will. Alles soll unter einem Kommando mit einem einheitlichen Führungssystem stehen. Das ist eigentlich ganz logisch.

Aber in der Ukraine ist es doch ähnlich. Da gibt es doch auch viele freiwillige Verbände, die zum Teil dem Verteidigungsministerium, zum Teil dem Innenministerium unterstehen. Ob alle da integriert sind, ist nicht klar. Aber die Ukraine hat mit diesen Verbänden doch Erfolge erzielt.

Jacques Baud: Ja, in der Ukraine gibt es drei verschiedene Verbände. Da sind natürlich die ukrainischen Streitkräfte, die direkt dem Generalstab untergestellt sind. Dann gibt es die Freiwilligenverbände des Innenministeriums, die zum Teil auch in die Streitkräften integriert sind, im Rahmen einer interministeriellen Organisation. Und dazu gibt es npch die sogenannte ukrainische freiwillige Armee. Das sind rechte Extremisten mit der rotschwarzen Flagge, man kann hier von Neonazis sprechen. Sie sind nicht dem Verteidigungsministerium unterstellt, aber operieren in den gleichen Gebieten. Ich weiß nicht, wie die Koordination funktioniert, aber das sind oft sehr brutale Freiwillige, die im Grunde genommen die Arbeit der ukrainischen Streitkräften ergänzen. Das ist eine andere Mechanik dort. Das Hauptproblem bei den Ukrainern ist jedoch die Koordination und operative Integration, zusätzlich zur funktionalen Integration der Waffen natürlich, da sie sehr unterschiedliche Waffen aus verschiedenen Quellen haben. Das macht die Integration dieses Systems extrem schwierig. Sie sind bisher nicht in der Lage gewesen, ihre Streitkräfte sauber in einer Kommandostruktur zu integrieren.

Aber kommen wir zurück zu den Russen und Prigoschin. Das russische Verteidigungsministerium hat den 1. Juli als Termin für die Auflösung der Privatverbände gesetzt. Und dann fangen Sie an zu verstehen, warum Prigoschin so reagiert hat …

Noch mal zuvor eine Frage. Warum hat man hier zu Lande eigentlich nichts oder nur wenig davon gehört? Weder von dem befristeten Vertrag mit Wagner über Bachmut noch von dem, dass die Privatverbände bis zum 1. Juli aufgelöst werden sollen.

Jacques Baud: Ja, ich weiß, niemand redet davon. Aber das ist offene Information. Man gibt uns nur einen Teil der Wahrheit oder einen Teil der Informationen. Und dafür hat man nachher diese Überraschungen wie mit Prigoschin. Aber zurück zur Geschichte. Am 1. Juli sollte also Prigoschin seinen Verband aufgelöst haben. Und dann könnten er und die einzelnen Soldaten Verträge mit den russischen Streitkräften schließen. Die anderen Privatverbände haben das als ganz normal akzeptiert. Nur Prigoschin wollte das nicht tun. Und das ist jetzt das Problem.


Im Grunde ist es ein unternehmerischer oder wirtschaftlicher Konflikt


Es gibt ja auch noch Kadyrow mit seinen tschetschenischen Verbänden. Was ist damit?

Jacques Baud: Die Truppen von Kadyrow sind ein Territorialverband von Tschetschnien, kein Privatverband. Das ist wie die Nationalgarde in den USA zum Beispiel.

Sie unterstehen also dem Verteidigungsministerium?

Jacques Baud: Ja, das entspricht ungefähr dem, was es auch in der Ukraine mit den Verbänden des Innenministeriums gibt. Das ist ein ähnliches Organisationsprinzip. Die Kadyrow-Truppen sind organisatorisch völlig anders als Wagner aufgestellt. Prigoschin wollte den Fall Wagner noch mit Gerassimow und Schoigu diskutieren. Deswegen ist er mit seiner Truppe nach Rostow gefahren. Anscheinend waren Gerassimow und Schoigu kurz in Rostow gewesen, und Prigoschin wollte sie dort treffen und den Fall diskutieren. Das ist eine ähnliche Situation, als wenn beispielsweise in Deutschland oder in Frankreich eine Firma geschlossen wird und die Angestellten auf die Straße gehen und protestieren. Der Unterschied ist natürlich, dass es hier keine normale Arbeiter waren, weil sie Gewehre, Panzer und so weiter hatten. Es ging nicht um eine politische Angelegenheit, einen Putsch oder einen Umsturz der Regierung. Übrigens wurde Putin nie erwähnt, weil Prigoschin vor ihm Respekt hat. Er hat nie im Sinn gehabt, die Regierung zu stürzen, er wollte nur seinen Fall, zusammen mit seiner Truppe, gewissermaßen unter vier Augen, mit Gerasimow und Schoigu diskutieren.

Wir haben im Westen die Sache aufgeblasen. Vor allem in den USA wurde mehrmals gesagt, dass das Ziel der ukrainischen Gegenoffensive nicht unbedingt operationell sein könnte. Das heißt, man erwartet nicht, dass die Ukrainer Gelände gewinnen, sondern man hat im Sinn, dass diese Gegenoffensive eine Panik und dann ein politisches Problem zu kreieren. Das sage nicht ich, sondern Medien in den USA und in Großbritannien.  Das ist ein bisschen verrückt als Idee. Aber unsere Medien haben Prigoschins Aktionen als Panik und politischen Umsturz angenommen oder wahrgenommen. Aber, wie gesagt, Prigoschin hat nie gesagt, die Regierung in Moskau stürzen zu wollen. Er hatte nie den Plan, übrigens auch nicht die Mittel, das zu realisieren. Und man sieht heute auch, dass er keine politische oder populäre Unterstützung hatte. Die Vorstellung, dass er einen Putsch machen könnte, ist  daher völlig falsch. Im Grunde ist es ein unternehmerischer oder wirtschaftlicher Konflikt und hat nichts mit Politik zu tun.

Wagner ist ja auch in Afrika oder in Syrien tätig. Wird denn die Miliz jetzt vollständig aufgelöst?

Jacques Baud: Ich weiß die Details nicht, aber ich nehme an, dass Wagner als Kampfgruppe, die im Donbass eingesetzt wird, aufgelöst wird. Aber Wagner als Firma bleibt bestehen. Sie wird nach wie vor in Afrika für Sicherheitseinsätze eingesetzt. Wagner ist ja eine Sicherheitsfirma, keine Kampffirma. Sie sind nicht ausgerüstet für Kampfhandlungen. Wie gesagt, Bachmut war eine Ausnahme, weil man beim Häuserkampf keine schweren Waffen benötigt, sondern Handgranaten, Sturmgewehre und ein paar tragbare Panzerabwehrwaffen. Und das ist es.  Jedes Mitglied einer Sicherheitsfirma kann diese Waffen beherrschen. Die Einheiten in Mali, Niger oder Burkina Faso werden ihre Sicherheitsaufträge im Dienste oder zugunsten der afrikanischen Länder weitermachen. Nur wird die Kampfeinheit in Ukraine und Russland aufgelöst.

 

Letztlich glaube ich, dass Putin gestärkt aus dieser Angelegenheit hervorgehen wird


Es heißt ja jetzt im Westen, aber natürlich auch in der Ukraine, dass Putin durch den Vorfall geschwächt sei. Sehen Sie das auch so?

Jacques Baud: Das ist vielleicht ein Problem wie bei einem Glas, das man als halb voll oder als halb leer betrachten kann. Der Vorfall hat im Westen und in der Ukraine ein falsches Signal gesendet. Man nahm an, dass wegen der Gegenoffensive Unruhen in Russland entstehen können. Das ist meines Erachtens eine völlig falsche Annahme, die aber im Westen vertreten wird. Das sieht man auch in den Medien, die den Vorfall als Schwäche von Russland oder Putin interpretieren. Wenn man die Sache sauber analysiert, würde ich sagen, ist es fast das Gegenteil, weil diese Krise innerhalb von 24 Stunden ohne Blutbad, ohne große politische Auseinandersetzung in Russland gelöst wurde. Sehr viele Russen haben die Geschehnisse in den Medien verfolgt, wo das sehr breit gezeigt wurde. Als zum Beispiel die Wagner-Truppen in Rostow angekommen sind, hat Putin den russischen Streitkräfte befohlen, nicht zu schießen. Das heißt, die russische Regierung hat eine Strategie der gewaltlosen Lösung gewählt, wie sie auch geschah.

Es wurden aber doch Kampfhubschrauber abgeschossen. Geriet das aus der Kontrolle?

Jacques Baud: Das ist sehr umstritten. Auch die Bilder. Was ich gesehen habe, und das könnte das erklären, ist, dass diese Hubschrauber als ukrainische Hubschrauber gesehen und bekämpft wurden. Ich weiß nicht, von wem. Die Details kenne ich nicht. Aber es können die Soldaten, die an dem Marsch der Gerechtigkeit, wie Prigoschin das genannt hat, teilgenommen haben, gewesen sein, weswegen sie wegen eines bewaffneten Aufstands nach Artikel 279 des russischen Strafgesetzes angeklagt wurden. Auch wenn sie  nicht direkt Gewalt ausgeübt haben, haben sie eine gewisse Gewalt geschaffen. Ich weiß nicht, ob alle Teilnehmer angeklagt werden oder ob es eine Amnestie geben wird, wie das für Prigoschin der Fall zu sein scheint.

Aber sicher ist, dass es in der Situation Chaos gegeben hat, durch das Menschen vermutlich das Leben verloren haben. Wenn man die Krise mit einem gewissen Abstand anschaut, dann sieht man, dass sie gewaltlos gelöst wurde und dass die Macht von Putin in keiner Weise und in keinem Moment in Frage gestellt wurde. Deswegen sage ich, das Glas ist halb voll oder halb leer. Letztlich glaube ich, dass Putin gestärkt aus dieser Angelegenheit hervorgehen wird.

Übrigens sind die Verträge zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium im Westen nicht bekannt, aber in Russland schon. Alles, was ich gesagt habe, findet man natürlich in der Presse. Das heißt, wir haben, und das werfe ich unseren Medien vor, eine falsche Vorstellung der Realität, und basierend auf den falschen Vorstellungen treffen wir falsche Entscheidungen. Ich glaube, das ist das Hauptproblem in einer solchen Situation. Aber im Grunde glaube ich, wird Putin gestärkt aus dieser Angelegenheit kommen.

Wenn der Konflikt um diese vertraglichen Angelegenheiten ging, muss man doch annehmen, dass der Kreml und auch der russische Geheimdienst natürlich hätten wissen müssen, was da kommen könnte, also dass versucht werden könnte, Forderungen auch gewaltsam durchzusetzen. Das geschah doch nicht überraschend, oder doch?


Jacques Baud: Ich glaube, das war eine Überraschung. In Russland haben sie das sicher ein paar Stunden vorher  antizipieren können. Für den Westen war es aber eine totale Überraschung, auch wenn Medien berichten, dass die CIA das vorausgesehen haben soll. Das ist eine falsche Interpretation. Als Prigoschin im Mai sein erstes Psychodrama gegen das Militärkommando in Moskau gemacht hat, wurde die Möglichkeit erwogen, dass er etwas in Moskau unternehmen könnte. Das war im Raum der Möglichkeiten, aber nicht im Bereich der Wahrscheinlichkeiten. Sicher haben die verschiedenen Nachrichtendienste diese Möglichkeit erwähnt, aber sie haben sie nicht antizipiert, dass das so und an diesem Zeitpunkt passieren würde. Das weiß man, weil die ukrainische Kommandostruktur überhaupt nicht reagiert hat. Sie hätten in ihrer Offensive profitieren können. Wenn sie den Aufstand tatsächlich erwartet hätten, wären Operationen vorbereitet worden, um diese chaotische Situation auszunutzen. Aber das war nicht der Fall. Dem entspricht auch die Analyse von einigen Leuten, die ich kenne, die im Nachrichtendienst sind.


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Info: https://overton-magazin.de/top-story/jacques-baud-das-war-sicher-kein-putschversuch-wie-unsere-medien-die-sache-aufgeblasen-haben


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Nach AfD-Erfolg in Sonneberg: Buhlen um Wagenknecht

freeassange.rtde.life, 28 Juni 2023 12:32 Uhr, Von Dagmar Henn

Plötzlich haben sie alle lieb, der Focus, die Welt, sogar die FAZ. Weil ihnen eine Wagenknecht-Partei als einzige Rettung erscheint. Vielleicht ist das nur ein vorübergehender Schock, aber vor dem Hintergrund der üblichen Beschimpfungen ein eigenartiges Schauspiel.


Quelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld


Sahra Wagenknecht im Bundestag, 15.06.2023


Es gibt leise Anzeichen von Panik. Wenn man daran denkt, mit welcher Leidenschaft in den letzten Jahren über Sahra Wagenknecht hergezogen wurde, erweckt die heutige Berichterstattung schon fast den Eindruck, nun würde der Mainstream sie geradezu anbetteln, doch eine neue Partei zu gründen. Schließlich gilt seit Sonntag als endgültig bestätigt, dass das ehemalige Wählerpotential der Linken im Osten der Republik mittlerweile bei der AfD das Kreuz macht.


spiegel




Analyse

"Spitzengespräch": Strack-Zimmermann und Wissler führen Scheindebatte über den Frieden





Am weitesten geht da der Focus, dessen Kommentar schon im Titel verkündet "Nur Sahra Wagenknecht kann die AfD jetzt noch stoppen". Es gebe eine neue soziale Gruppe in Deutschland, die Anti-Grünen. Und die Linkspartei würde diesen Wählern kein Angebot mehr machen. So eine kleine Verunglimpfung kann er sich allerdings trotz der sichtlichen Bettelei um eine Parteigründung nicht sparen. Bei den Überschneidungen mit der AfD in der Gegnerschaft zu den Russland-Sanktionen und deutschen Waffenlieferungen spiele "auch ein stabiler Anti-Amerikanismus eine Rolle, den ihr Mann Lafontaine seit 40 Jahren verfolgt, schon mit der Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses gegen seinen Parteifreund Helmut Schmidt zu Beginn der achtziger Jahre."

Damals waren viele in der Bundesrepublik gegen diesen Doppelbeschluss, aber "Anti-Amerikanismus" war da nicht der ausschlaggebende Faktor, sondern eher die Tatsache, dass die USA damals im Grunde etwas Ähnliches beabsichtigten, wie es auch ein NATO-Eintritt der Ukraine zur Folge hätte – nämlich eine massive Verringerung der Vorwarnzeit für die Sowjetunion, falls diese US-Raketen je gestartet würden. Es war kein Geheimwissen damals, dass im Falle einer Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion das Schlachtfeld Deutschland heißen würde. Viele hielten das eben nicht für erstrebenswert (was vielleicht mit dazu beigetragen hat, dass man den Ukrainern so gründlich das Denken verdrehte, ehe ihr Land für die gleiche Rolle auserkoren wurde).


Wobei der Focus-Autor bei einer Parteigründung mehr Schwierigkeiten sieht, als sie das Wahlrecht tatsächlich enthält. Sicher, für einen Einzug in den Bundestag wurden die Voraussetzungen noch einmal weiter verschärft, indem es nicht mehr länger möglich ist, mit drei Direktmandaten ins Parlament zu kommen, sprich, die Gelegenheit wurde genutzt, um die einstmals großen Parteien noch weiter abzusichern. Aber es braucht keine fünf Prozent für die Gründung, und zwar 16 Landesverbände, aber die könnten auch aus jeweils sieben Personen bestehen, da gibt es kein Minimum. Die Gründung einer Partei folgt weitgehend dem Vereinsrecht, denn juristisch gelten die meisten Parteien als nicht eingetragene Vereine.


Deutschland: Entweder die AfD wählen oder gar nicht





Meinung

Deutschland: Entweder die AfD wählen oder gar nicht






Die neue Partei, so der Focus, richte sich auf "ein Milieu, das sich nicht nationalistisch, sondern national definiert, nicht liberal, sondern sozial", und nennt das "die Wagenknecht-Lücke". Allerdings wirkt der Kommentar wie ein Bestellzettel, auf dem schon einmal aufgezeichnet ist, was verboten ist – den "Klimawandel leugnen" beispielsweise. Eine Lightversion des momentanen Angriffs auf die Lebensverhältnisse der Mehrheit, mit nur etwas langsamerem Heizungsverbot? Das wird nicht funktionieren.

Die "ungesteuerte Migration" dürfe man "aus sozialen Gründen" ablehnen, wegen des Kampfes um soziale Zuwendungen oder Wohnraum. Auch wegen der Lohndrückerei, die über all die Jahrzehnte das Hauptmotiv war?

Und man dürfe die These ablehnen, "in der Ukraine würden Deutschlands Werte und universalistisch Menschenrechte verteidigt" und Sanktionen und Waffenlieferungen ablehnen. Aber sagen, dass die ukrainischen Nazis Nazis sind und es eine Schande ist, sie zu unterstützen und dass dieses Kiewer Regime entsorgt gehört, das geht natürlich dem Herrn vom Focus zu weit. Aber man darf gegen das Woke sein, in allen Schattierungen.


Ein Erdbeben – (demokratisch) ausgerechnet im Landkreis Sonneberg?




Meinung

Ein Erdbeben – (demokratisch) ausgerechnet im Landkreis Sonneberg?






Die FAZ, die einst als das"Hausblatt der deutschen Bourgeoisie" galt, drängt in eine ähnliche Richtung und interviewt eine Politikwissenschaftlerin, die an einer Studie mitgewirkt hat, deren Titel lautet "Bridging Left and Right? How Sahra Wagenknecht Could Change the German Party Landscape", wie Sahra Wagenknecht die deutsche Parteienlandschaft verändern könnte – aber "Brücken bauen zwischen Links und Rechts"? Ganz plötzlich wird genau das, was jahrelang sofort den Vorwurf "Querfront" auslöste, behandelt wie eine lebensrettende Medizin, als könne man den Schaden, den dieses vage und mit immer mehr Kriterien beladene "rechts", das inzwischen schon aktiviert wird, wenn jemand keine Transfrau in der Frauensauna will, mit einem Handstreich fortwischen.

Dieses Interview versucht sogar, der Linken, die ohne Wagenknecht und Grundmandate vermutlich den Bundestag nur noch von außen betrachten dürfte, eine solche neue Partei schmackhaft zu machen. Sie könne schließlich "als Partnerin attraktiver" sein "für SPD und Grüne". Und es gäbe Grünen-Wähler, die fänden, diese gingen zu viele Kompromisse ein, auf die könne die Linke dann ja setzen.

Währenddessen solle die Wagenknecht-Partei "mit dezidiert linken Inhalten Leute gewinnen", die "enttäuscht sind von der Politik oder sich verloren fühlen mit der progressiven gesellschaftspolitischen Position von Grünen, SPD und Linkspartei". "Progressive gesellschaftspolitische Positionen", da ging es einmal um Lebensqualität für die arbeitende Bevölkerung und nicht darum, das Geschlecht öfter wechseln zu können als die Konfession (ist eigentlich ein Kirchenaustritt teurer als ein Geschlechtswechsel?). Dementsprechend wirkt auch hier der erkennbare Wunsch nach dieser neuen Partei wie mit gespreizten Fingern geschrieben, als ginge es um eine Art Lebertran, der jetzt halt geschluckt werden muss, ehe das Urböse der AfD noch stärker wird und die ganze woke Klientel zu verschlingen droht.

Menetekel, Tiefpunkt, Schnauze voll – Hysterie nach Wahl eines AfD-Kandidaten





Menetekel, Tiefpunkt, Schnauze voll – Hysterie nach Wahl eines AfD-Kandidaten






Eines aber haben diese Texte gemein: sie behandeln die politische Landschaft nur wie ein Supermarktregal, in dem es eine neue Waschmittelmarke braucht. Die ganze Situation wird einzig aus dem Blickwinkel der Wahlen gesehen, und wie man es verhindern könne, dass die AfD weiter wächst. Das könnte ein grundlegendes Missverständnis sein. Denn auch, wenn die vielfältigen Sprech- und Denkverbote die Frage, was von wem gesagt werden kann, mit einem für eine demokratisch verfasste Gesellschaft unüblichen Gewicht versehen, geht es doch nicht nur darum, dass noch eine Stimme von links erklärt, Waffenlieferungen an die Ukraine seien eine schlechte Idee oder es gäbe dringendere Probleme als das gewünschte Pronomen.

Es geht darum, diese Politik zu beenden. Den Wahnsinn zurückzudrehen. Es geht nicht um die Frage, ob jetzt lauter oder leiser protestiert wird, oder ob der uniformen Mehrheit eine weitere Stimme widerspricht. Im Kern nämlich lassen all die Bitten um die linke Alternative erkennen, dass sie selbstverständlich erwarten, dass dennoch alles weitergeht wie bisher. Nur, dass die Unzufriedenen ein kleines Ventil haben, das vielleicht – und es fragt sich von vorneherein, für wie lange – nicht als "Nazi" beschimpft wird.

"Es gibt den Trend, alles, was nicht innerhalb eines engen Meinungsspektrums liegt, in die rechte Ecke zu stellen", sagt Wagenknecht selbst in einem aktuellen Interview in der Welt. Auch das gehört in die Reihe der Artikel der plötzlichen Erleuchtung. "Kaum ein Zug fährt pünktlich, als Kassenpatient wartet man Monate auf einen Facharzttermin, zigtausende Lehrer, Kita-Plätze und Wohnungen fehlen, und das normale Leben wird immer teurer. Aber statt Probleme zu lösen, schafft die Ampel zusätzliche." Allein, dass das unwidersprochen bleibt, ist ungewöhnlich.


Sachsens Ministerpräsident Kretschmer fordert Reparatur der Nord Stream-Gaspipelines





Sachsens Ministerpräsident Kretschmer fordert Reparatur der Nord Stream-Gaspipelines






Aber Wagenknecht weicht der Frage nach einer Parteigründung aus. Eine Partei bräuchte "schon beim Start solide Strukturen und eine entsprechende Satzung". Sicher, die Erfahrung, die sie mit "Aufstehen" machte, war nicht günstig; doch zumindest ist die Wahrscheinlichkeit, dass Anhänger von trotzkistischen Sekten diesmal die Kontrolle übernehmen, geringer.

Dennoch, auf die Frage nach dem Verhältnis zur AfD verweist sie auf deren rechtsextremen Flügel, mit dem sie nichts zu tun haben wolle, übersieht aber den Rechtsextremismus der Grünen, die eben nicht nur für "ein privilegiertes großstädtisches Milieu, das Politik und Journalismus dominiert und mit teils großer Überheblichkeit die öffentlichen Debatten bestimmt" stehen, sondern auch für eine Politik, die außenpolitisch von äußerster Aggression geprägt und in ihrem Kern kolonial und rassistisch ist.

Auch wenn Wagenknecht sich zumindest noch ziert, was sicher auch den massiven Angriffen der letzten Jahre nicht nur aus der Linken, sondern auch aus den Medien geschuldet ist, stellt sich der Chor, in dem um diese Partei gebettelt wird, gerade auf und wird zumindest für Unterhaltung sorgen. Das Problem ist nur, dass eine Partei, die so begrenzt und gezähmt ist, wie sie sich die Autoren dieser Artikel vorstellen, das politische Problem nicht löst, das nur gelöst werden kann, wenn die Sprechverbote fallen. Gerade dieses Milieu, das nun plötzlich erwartet, von Wagenknecht den Rettungsring zugeworfen zu bekommen, wird sich bei der kleinsten Abweichung vom Pfad der Tugend wieder in die woke Meute zurückverwandeln, um die es sich eigentlich handelt.


Maischberger und die Schlacht um die Ukraine





Meinung

Maischberger und die Schlacht um die Ukraine






Denn sie machen sich keine Sorgen um den Zustand des Landes, die Deindustrialisierung, die Verarmung, die damit einher gehen wird, auch nicht um jenen braunen Bodensatz, den ihre Liebe zum Russlandfeldzug aufwirbelt, sondern nur um den Stimmenanteil der AfD. Sollte der wieder sinken, lassen sie sich in die Sessel fallen und machen weiter wie bisher. Der einzige Grund, warum sie eine Wagenknecht-Partei plötzlich für wünschenswert halten, ist, dass damit ein Teil der jetzigen AfD-Wähler abgezogen wird, in der Hoffnung, den Stimmen damit politische Wirkung zu nehmen. Sahra Wagenknecht sollte nicht nur über eine neue Partei nachdenken, sondern auch darüber, ob sie ihnen diesen Gefallen tun will.


Mehr zum Thema"Was tun!?" – Sammeln sich schon Kräfte der LINKEN für eine neue Partei?


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28.06.2023

Trotz Warnung von Sicherheitsexperten: Pistorius verstößt mit dauerhafter Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen gegen NATO-Russland-Grundakte

nachdenkseiten.de, 28. Juni 2023 um 12:30 Ein Artikel von: Florian Warweg

„Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren”, erklärte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem gemeinsamen Besuch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 26. Juni in Vilnius. Doch mit diesem Schritt verstößt Pistorius wissentlich gegen die NATO-Russland-Grundakte. In diesem völkerrechtlichen Dokument versichert die NATO, „zusätzlich substanzielle Kampftruppen“ werde das Bündnis nicht „dauerhaft“ in den Staaten des ehemaligen Ostblocks stationieren. Die NATO hatte erst im April 2023 erneut betont, dass sie sich „voll und ganz“ an die NATO-Russland-Grundakte halten wird. Auch Sicherheitsexperten regierungsnaher Denkfabriken wie der SWP und ranghohe Bundeswehr-Generäle hatten zuvor vor so einem Schritt gewarnt.


Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es gilt bis heute als unklar, wie es zu dieser Zusage des amtierenden deutschen Verteidigungsministers kam. Nach übereinstimmenden Medienberichten sorgte dieser Schritt von Pistorius für Irritation und Verwunderung bei breiten Teilen von Politik wie Militär. So berichtet beispielsweise die NZZ:

„Die Ankündigung von Boris Pistorius, eine schwere Brigade mit 4.000 Soldaten fest in Litauen zu stationieren, hat den Bundestag und die Streitkräfte offenkundig sehr überrascht. Selbst in höchsten militärischen Ämtern scheint niemand vorab informiert gewesen zu sein. Ranghohe Militärs hatten zuvor von einer solchen Festlegung abgeraten.“

Völlig neu ist die Idee jedoch nicht. Es war Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich, welcher im August 2022 im Rahmen seiner damaligen Baltikum-Reise, scheinbar ohne vorherige Rücksprache mit der Bundeswehr-Generalität, erklärt hatte, er könnte sich die feste Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen vorstellen. Allerdings sollen ihn dann Führungskräfte der Bundeswehr regelrecht zurückgepfiffen und ihm darlegt haben, dass dies eigentlich nicht leistbar sein. Seitdem hat Scholz seine damalige Aussage auch nie wieder aufgegriffen.

Das jetzige Vorpreschen von Pistorius sorgt daher weitflächig für Überraschung. Auch der bekannte und als in Bundeswehrkreisen gut vernetzt geltende Militärblogger Thomas Wiegold schreibt dazu in seinem Blog Augen geradeaus! :

„Die Aussage von Pistorius kam deshalb gleich mehrfach überraschend. Zum einen hatte die Bundesregierung die dauerhafte Stationierung der Brigade oder auch nur wesentlicher Teile bislang abgelehnt, unter anderem mit Verweis auf die fehlende Infrastruktur. Zum anderen gehörte Deutschland bislang zu den Nationen, die im Gegensatz zu osteuropäischen NATO-Staaten an der Vereinbarung in der NATO-Russland-Grundakte festhielten, keine substanziellen Kampftruppen dauerhaft auf dem Territorium ehemaliger Mitglieder des Warschauer Vertrags zu stationieren.“

Die NATO-Russland-Grundakte, offiziell als „Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der NATO und der Russischen Föderation“ bezeichnet, wurde am 27. Mai 1997 in Paris als völkerrechtliche Absichtserklärung zwischen der NATO und Russland unterzeichnet. Gleich zu Beginn der Erklärung heißt es:

„Die Nordatlantikvertrags-Organisation und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Russische Föderation andererseits, im Folgenden als NATO und Russland bezeichnet, gestützt auf eine auf höchster politischer Ebene eingegangene dauerhafte politische Verpflichtung, werden gemeinsam im euro-atlantischen Raum einen dauerhaften und umfassenden Frieden auf der Grundlage der Prinzipien der Demokratie und der kooperativen Sicherheit schaffen.“

Am Rande der Unterzeichnung des völkerrechtlichen Dokuments hatte der damalige Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, für alle Teilnehmer überraschend erklärt:

„Ich habe soeben beschlossen, alle Atomsprengköpfe abbauen zu lassen, die gegen Ihre Länder gerichtet sind.“

Der damalige ARD-Korrespondent in Paris sprach von „großes Erstaunen bei der NATO, aber auch bei der russischen Delegation und ein Jelzin, der sich diebisch freut über den Überraschungscoup.“

Diese völkerrechtliche Erklärung, ausgefertigt in drei Sprachen – Englisch, Französisch und Russisch –, wurde auf der einen Seite von den Staats- und Regierungschefs aller NATO-Mitgliedsstaaten und dem damaligen NATO-Generalsekretär sowie auf der anderen von Russlands Präsident Boris Jelzin unterschrieben. Das Papier sollte das Verhältnis zwischen dem Nordatlantischen Bündnis und Russland völlig neu begründen. Der Eingangstext liest sich wie ein Dokument aus längst vergangenen Zeiten:

„Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken. Diese Akte bekräftigt die Entschlossenheit der NATO und Russlands, ihrer gemeinsamen Verpflichtung zum Bau eines stabilen, friedlichen und ungeteilten, geeinten und freien Europas zum Nutzen aller seiner Völker konkreten Ausdruck zu verleihen.

Die Übernahme dieser Verpflichtung auf höchster politischer Ebene stellt den Beginn grundlegend neuer Beziehungen zwischen der NATO und Russland dar. Beide Seiten beabsichtigen, auf der Grundlage gemeinsamen Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz eine starke, stabile und dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln.“

Bei Punkt IV der Akte zu „Politisch-Militärischen Angelegenheiten“ beteuert die NATO, dass sie „nicht die Absicht und keine Pläne“ habe, „nukleare Waffen im Hoheitsgebiet neuer Mitglieder zu stationieren, noch die Notwendigkeit sehen, das Nukleardispositiv oder die Nuklearpolitik der NATO in irgendeinem Punkt zu verändern – und dazu auch in Zukunft keinerlei Notwendigkeit sehen.“ Dies schließe die Tatsache ein, dass die NATO entschieden hat, sie habe nicht die Absicht, keine Pläne und auch keinen Anlass, nukleare Waffenlager im Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten einzurichten.

Es ist in diesem Punkt IV der Akte, in dem auch aufgeführt ist, dass die NATO verspricht, „substanzielle Kampftruppen“ nicht dauerhaft in osteuropäischen NATO-Staaten zu stationieren.

In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Stimmen aus dem transatlantischen Lager, die behaupten, die NATO hätte spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Krieges die Grundakte aufgekündigt beziehungsweise sähe sich nicht mehr an diese gebunden. Doch diese Behauptung ist nachweislich falsch. In einem NATO-Dokument von April 2022 wird eindeutig erklärt:

„Die NATO hält sich voll und ganz an die NATO-Russland-Grundakte.”

In diesem Zusammenhang betont die NATO ebenfalls, dass das Bündnis am vereinbarten Rotationssystem festhalten werde.


Screenshot_2023_06_30_at_02_35_22_Trotz_Warnung_von_Sicherheitsexperten_Pistorius_verst_t_mit_dauerhafter_Stationierung_einer_Kampfbrigade_in_Litauen_gegen_NATO_Russland_Grundakte


Wir halten fest: Mit seiner Initiative einer festen Stationierung von 4.000 Kampfsoldaten an der sogenannten „NATO-Ostflanke“ in Litauen stößt Pistorius nicht nur seine eigene Generalität vor den Kopf und ignoriert die Empfehlungen von Beratern der Bundesregierung, nein, er steht damit sogar im Widerspruch zu offiziellen NATO-Verlautbarungen.

Selbst Markus Kaim, verantwortlich für den Bereich Sicherheitspolitik bei der regierungsnahen Denkfabrik Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), welche zur Aufgabe hat, die Bundesregierung zu sicherheitspolitischen Themen zu beraten, warnte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vor einer Aufkündigung der NATO-Russland-Grundakte:

„Das wäre eine Steilvorlage für die russische Propaganda im Moment. Da frage ich mich, wem würde man damit nutzen? Es gibt eine Zukunft nach Präsident Putin, wie auch immer die aussehen wird. Und die lautet ein gedeihliches, kooperatives, westlich russisches Verhältnis, was wir zumindest, der Westen, wir die NATO, nach wie vor anstreben. Weil das wäre auch ein nicht unwichtiges Signal, daran festzuhalten, auch in schwierigen Zeiten.“

Doch statt zumindest perspektivisch ein „gedeihliches, kooperatives, westlich russisches Verhältnis“ anzustreben, scheint Pistorius komplett und langfristig mit Russland brechen zu wollen.

Titelbild: Bundeswehr/Lea Bacherle


Mehr zum Thema: Bundesverteidigungsministerium gibt Auskunft zu Leopard-Panzer in der Ukraine mit Flagge der faschistischen OUN-B

„Keine Erkenntnisse“ – Bundesregierung widerspricht Angaben von US-Regierung und zahlreichen Medien zur Bewaffnung von Neonazi-Milizen mit NATO-Material

Erst Pistorius bei Tagesschau hochgejubelt und jetzt sein Sprecher: ARD-Hauptstadt-Korrespondent wird neues Sprachrohr des Verteidigungsministers


Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=99971


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Wagner-Aufstand: Das Bild wird klarer

aus e-mail von Doris Pumphrey, 28. Juni 2023, 10:21 Uhr


https://www.anti-spiegel.ru/2023/das-bild-wird-klarer/

27.6.2023


*Das Bild wird klarer

*Von Thomas Röper


In den Tagen nach dem Wagner-Putsch gab es viele Spekulationen, auch ich

habe einen spekulativen Artikel

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/war-der-putschversuch-nur-eine-show-um-von-etwas-anderem-abzulenken/

geschrieben, obwohl ich das bekanntlich ungern tue. Und wie das mit

Spekulationen so ist, sie erweisen sich oft als unwahr. Die

Spekulationen darüber, dass Verteidigungsminister Schoigu abgesetzt

worden sei, haben sich als unwahr erwiesen. Schoigu war zwar nach dem

Putsch einige Tage lang nicht öffentlich aufgetreten, saß aber wieder

mit am Tisch, als Putin sich am Montagabend

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/das-grosse-raetselraten-ueber-putins-rede/

mit den Chefs der russischen Sicherheitsbehörden traf.


Sowohl meine Quellen als auch die öffentlichen Erklärungen in Russland

zeigen alle in die gleiche Richtung: Der Putschversuch war keine Show,

kein schlauer Trick, er war echt. Alles, was derzeit bekannt wird,

deutet darauf hin, dass meine erste Einschätzung, die ich noch am

Samstag, während der Putsch noch lief, bereits unter der Überschrift

„Umsturzversuch – Prigoschin hat sich verrechnet

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/prigoschin-hat-sich-verrechnet/>“ 

veröffentlicht habe, ziemlich zutreffend gewesen sein dürfte.


Prigoschin war offenbar wirklich so derartig in seiner eigenen Blase

gefangen, dass er der Meinung war, mit seinem „Marsch der Gerechtigkeit“

eine Welle der Sympathie und Unterstützung beim russischen Volk und

zumindest bei Teilen der russischen Eliten auszulösen. Dass er damit

falsch lag, war bereits am Samstagnachmittag offensichtlich. Alle

einflussreichen Personen in Russland, die sich bis dahin geäußert haben

(und das waren sehr viele), hatten Prigoschins Handeln scharf verurteilt

und eine harte Strafe für ihn gefordert, weil er mit seiner Aktion nur

den Gegnern Russlands in die Hände gespielt hat. Dass das so ist, sehen

wir an den Berichten der westlichen Medien, die seitdem Jubel-Artikel

veröffentlichen, in denen behauptet wird, Putin sei geschwächt worden.


*Ist Putin nun geschwächt?

*Dabei ist das Gegenteil der Fall, denn Wagner war die mächtigste

Organisation Russlands, die nicht dem russischen Staat untersteht. Und

selbst die hat es nicht geschafft, Putin zu schwächen. Im Gegenteil,

denn Prigoschins Aktion hat vor allem eines gezeigt: Sowohl die

russischen Eliten als auch das russische Volk (und erst recht die Armee)

haben sich in der Situation geschlossen hinter Putin und seine Politik

gestellt.


Russland sieht sich im Krieg mit dem Westen und Prigoschin ist Russland

mit seiner Aktion in den Rücken gefallen, so sieht es die Mehrheit in

Russland. Das alleine hat gereicht, damit seine Aktion von fast allen

verurteilt wurde. Hinzu kommt, dass Prigoschin riskiert hat, die an der

Front kämpfenden Einheiten zu entzweien, was im schlimmsten Fall zu

einem Bürgerkrieg hätte führen können.


*Warum ich den Aufstand als „Putschversuch“ bezeichne

*Prigoschin wollte keinen Bürgerkrieg und er wollte auch Putin nicht

stürzen, er wollte „nur“ Verteidigungsminister Schoigu loswerden. Aber

seine nicht durchdachte, ja sogar ausgesprochen dumme, Aktion hat das

Risiko in sich getragen, sich zu einer unkontrollierbaren Situation

auszuwachsen. Und das alles nur wegen seines persönlichen Kleinkrieges

mit Schoigu.


Dass ich von einem „Putschversuch“ spreche, auch wenn niemand den

Präsidenten stürzen wollte, liegt daran, dass Prigoschin Schoigu aus dem

Amt entfernen, also Druck auf Putin ausüben wollte, damit der Schoigu

feuert. Damit hat Prigoschin die Souveränität des Präsidenten

angegriffen, um ihm seinen Willen aufzuzwingen – und das ist in meinen

Augen schon ein Putschversuch, denn es würde eine Einschränkung der

verfassungsmäßigen Machtbefugnisse des Präsidenten bedeuten.


Schoigu stand (ob zu recht oder nicht, ist nicht entscheidend)

unbestritten in der Kritik, aber selbst seine größten Kritiker haben

sich in der Situation hinter ihn gestellt, denn dass Prigoschin für

seine eigenen Ambitionen die Einigkeit Russlands und seiner Streitkräfte

riskiert, das war nicht nur aus Putins Sicht, sondern aus der Sicht der

Russen insgesamt unverzeihlich.


*Oberstes Ziel: Kein Blutvergießen

*Putins oberstes Ziel war es daher, ein großes Blutvergießen und eine

mögliche Eskalation zu verhindern. Aus diesem Grund hat er die

Wagner-Kolonnen ohne Gegenwehr über die Autobahn Richtung Moskau fahren

lassen. Und aus diesem Grund hat er am Ende angeordnet, dass sogar die

Organisatoren des Putschversuches straffrei bleiben. Die Einigkeit

Russlands ist Putins höchstes Ziel und wenn er den Putschisten dafür

Straffreiheit zusichern muss, dann ist das ein Preis, den Putin –

vielleicht widerstrebend – zu zahlen bereit ist.


Die Rede

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/praesident-lukaschenko-im-wortlaut-ueber-seine-verhandlungen-mit-prigoschin/>,

die Lukaschenko am Dienstag über die Ereignisse und seine Verhandlungen

mit Prigoschin gehalten hat, bestätigt das. All das, was Lukaschenko

erzählt hat, deckt sich mit dem, was ich schon am Samstag vermutet habe:

Prigoschin war emotionalisiert, hat nicht rational oder durchdacht

gehandelt und die Lage in Russland vollkommen falsch eingeschätzt, was

ihm Laufe des Samstages, während seine Kolonne Richtung Moskau fuhr,

immer klarer wurde. Daher hat er, nachdem Lukaschenko ihm

Sicherheitsgarantien angeboten hatte, seine Kolonnen stoppen lassen,

kurz bevor sie die um Moskau errichteten Verteidigungsanlagen der

regulären russischen Armee erreicht haben.


Auch Putins Reden

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/das-grosse-raetselraten-ueber-putins-rede/

bestätigen das, denn Putin betont in all seinen Reden das gleiche: Er

dankt denen, die die Wagner-Kolonnen durch ihre Entschlossenheit und

durch ihre Besonnenheit fast ohne Blutvergießen aufgehalten haben und

lobt die Wagner-Soldaten für ihren Mut und ihren Einsatz an der Front.

Die Firma Wagner selbst hingegen dürfte nun genau überprüft werden

<https://www.anti-spiegel.ru/2023/weitere-erklaerung-putins-wagner-wurde-vollstaendig-vom-russischen-staat-finanziert/>,

denn sie hat Milliarden vom russischen Staat bekommen, und nun wird die

Verwendung der Gelder wohl genau überprüft.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Eine deutsche Brigade nach Litauen und polnische Fantasien

freeassange.rtde.life, vom 27 Juni 2023 11:26 Uhr,Von Dagmar Henn

Klingt eigentlich ziemlich harmlos, wenn man den baltischen Wahn beiseite lässt: die Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen. Wenn, ja wenn da nicht gewisse NATO-Vorstellungen bezüglich der Ostsee wären und nicht auch noch die Polen mitspielen würden.


Quelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld


Boris Pistorius in Litauen, 26. Juni 2023


Wenn eines feststeht bei der geplanten Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen, dann, dass es dabei nicht um Litauen geht. Alle drei baltischen Staaten sind zwar ungeheuer von ihrer Bedeutung überzeugt und tönen ständig, wie sehr sie doch von Russland bedroht sind. Aber es gibt nur zwei Gründe, warum Russland nicht schlicht völlig ignorieren kann, was dort geschieht, und die Zwergstaaten einfach ihrem Schicksal überlassen. Der eine ist die nennenswerte russische Minderheit, die in zwei der drei Staaten, Lettland und Estland, nach wie vor keine Bürgerrechte besitzt, und der andere heißt Kaliningrad. Und Letzteres ist nur deshalb ein Thema, weil diese drei Staaten so erbittert darum ringen, noch russlandfeindlicher zu sein als die Ukraine.


Litauen zerrt Deutschland in die militärische Konfrontation mit Russland





Meinung

Litauen zerrt Deutschland in die militärische Konfrontation mit Russland





Litauen, wo die Bundeswehrbrigade stationiert werden soll, ist noch der demokratischste Teil dieses Trios; allerdings werden auch dort Nazikollaborateure verherrlicht, und über ihre Verbrechen zu reden steht unter Strafe. Aber wenigstens gab es keine litauischen SS-Einheiten. Es ist gewissermaßen Baltikum light.

Litauen ist ungefähr so, als würde man die Bevölkerung Berlins auf der Fläche von Bayern verteilen, 2,9 Millionen Einwohner auf 65.000 Quadratkilometern; es ist also vor allem leeres Land. Was noch dadurch verstärkt wird, dass zwei Drittel der Einwohner in den Städten leben. Nachdem unbewohnte Fläche etwas ist, an dem in Russland keinerlei Mangel besteht, ist die hysterische Furcht vor einer russischen Besetzung, die dort kultiviert wird, schwer nachvollziehbar; wenn das Land nicht in der NATO wäre, würde es schlicht niemanden interessieren. Aber das mag der Schlüssel sein: die Abhängigkeit von Subventionen aus der EU. Sie fließen üppiger, wenn man es schafft, eine strategische Bedeutung zu konstruieren.

Diese allerdings ist und war immer schon nur dann existent, wenn sie sich gegen Russland richtete; im Falle Litauens vor allem gegen Kaliningrad. Man darf annehmen, dass es diese Lage ist, die die NATO animiert, mehr Militär in Litauen aufzustellen. Schließlich hegt man mittlerweile Träume, die ganze Ostsee unter NATO-Kontrolle zu bringen und der russischen baltischen Flotte die Ausfahrt zu sperren. Ein völlig idiotischer Plan, so unnütz wie wahnsinnig, aber so ist sie nun einmal, die NATO.

Die Eile, mit der jetzt zugesichert wurde, dass das deutsche Kontingent ganz sicher nach Litauen kommt, hat aber einen ganz anderen Grund. Der liegt vielmehr darin, dass noch ein anderer Kandidat versuchen könnte, sich in Litauen niederzulassen: Polen hat sich schon dazu bereit erklärt.


Bundeswehr-Pläne: Deutschland  will 4000 Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren





Bundeswehr-Pläne: Deutschland will 4000 Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren






"Duda habe ihm ein 'sehr interessantes Angebot' unterbreitet", zitiert die Welt aus einem Interview des litauischen Präsidenten Nausėda. Das ist natürlich eine Kränkung für die Bundeswehr, die seit 2017 die Führung der NATO-Mission in Litauen hat. Und schon steigt die Bereitschaft des deutschen Verteidigungsministers, die vorhandene multinationale Truppe von 1.500 NATO-Soldaten, die bisher dort stationiert ist, um eine ganze Brigade aufzustocken.

Der Grund für den ganzen Aufwand ist der sogenannte Suwalki-Korridor, die etwa 70 Kilometer lange Landgrenze zwischen Polen und Litauen, die Weißrussland von Kaliningrad trennt, und um den die NATO großes Aufhebens macht, weil an dieser Stelle angeblich die Landverbindung zu den baltischen Staaten unterbrochen werden könnte; in Wirklichkeit dürfte es eher um die Möglichkeit gehen, Kaliningrad von jeder Landverbindung abzuschneiden.

Dabei ist der ganze Einsatz in Litauen entweder überflüssig oder suizidär. Solange die NATO keine Provokationen in Richtung Kaliningrad startet, braucht es dort keine zusätzlichen Truppen. Sollte aber eine solche Provokation beginnen und Russland Kaliningrad verteidigen müssen, dann wäre die zu verlegende Brigade nur zusätzliches Kanonenfutter, woran auch eine großzügige Ausstattung mit schwerem Gerät nichts ändern würde.

Witzig an der Geschichte ist nur das Detail, dass Gorbatschow Deutschland angeboten haben soll, Kaliningrad, das ehemals deutsche Königsberg, wieder zurückzugeben. Ein alter Spiegel-Artikel aus dem Jahr 2010 zitiert den ehemaligen Leiter des politischen Referats der deutschen Botschaft in Moskau, Joachim von Arnim, mit der Antwort auf dieses Angebot:

"Wenn die Sowjetunion Probleme mit der Entwicklung des nördlichen Ostpreußen habe, so sei das ihre Sache."

Nun, die damalige Generation erinnerte sich noch daran, dass eine Exklave, die womöglich nur über den Seeweg versorgt werden kann, nicht nur Freude bringt und ließ das Problem mit Polen und Balten vermutlich mit einer gewissen Schadenfreude in sowjetischen, später russischen Händen.

Landblockade Kaliningrads durch Litauen: Estland fordert NATO-Sicherheitsgarantien





Landblockade Kaliningrads durch Litauen: Estland fordert NATO-Sicherheitsgarantien






Vor diesem Hintergrund ist es besonders bizarr, jetzt deutsche Truppen zu entsenden, um genau das Stück Land zu bedrohen, das man 1990 hätte haben können, aber nicht wollte. Und sich dann ausgerechnet durch polnische Konkurrenz dazu drängen zu lassen, als könne man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Nachbar, der jetzt schon darauf lauert, sich Galizien zurückzuholen, irgendwann auch Kaliningrad ins Visier nimmt. Die US-Neokons wären sicher davon begeistert.

Intelligent ist es nicht, eine ganze Brigade gewissermaßen zu Geiseln der polnischen Regierung und der Neokons zu machen. Aber intelligente Politik ist in Deutschland schon etwas her.


Mehr zum Thema - Polen unter PiS: Revisionismus, um die letzten Brücken abzureißen

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Info: https://freeassange.rtde.life/meinung/173689-deutsche-brigade-nach-litauen-und


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Fremde FedernRüstungsindustrie, Einwanderungsland, Next Level Aussichtslosigkeit

makronom.de, vom 27. Juni 2023,

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.



Die Welt und ihre Wirtschaft wird indischer


piqer: Thomas Wahl

Migration ist ein globales und offenbar extrem komplexes Phänomen. Insofern ist der Blick aus der Vogelperspektive, den der ECONOMIST auf das weltweite, von indischen Migranten angeführte Phänomen wirft, spannend.

Von den 281 Millionen Migranten, die sich heute rund um den Globus verteilen – allgemein definiert als Menschen, die außerhalb ihres Geburtslandes leben – sind nach den jüngsten Schätzungen der UNO aus dem Jahr 2020 fast 18 Millionen Inder. Mexikanische Migranten, die die zweitgrößte Gruppe bilden, zählen etwa 11,2 Millionen. Die Auslandschinesen kommen auf 10,5 Millionen.

Das sind ganz andere Gruppen, als die, die wir in Deutschland aufnehmen, wahrnehmen oder gar fürchten. Der Artikel betont dabei den quantitativen, aber auch qualitativen Erfolg indischer Refugiés, die auch für das Image ihres Landes stehen. Während die Inder im Ausland eher positiv wahrgenommen werden, schlägt den Chinesen eher Misstrauen entgegen. Was auch auf geopolitische Verwerfungen hindeutet.

Eine große Zahl von Chinesen der zweiten, dritten und vierten Generation lebt im Ausland, vor allem in Südostasien, Amerika und Kanada. Doch in vielen reichen Ländern, darunter Amerika und Großbritannien, übersteigt die Zahl der in Indien geborenen Menschen die der in China geborenen.

Indisch stämmige Migranten verteilen sich über den ganzen Globus. So etwa in den westlichen Staaten:

  • 2,7 Millionen leben in Amerika,
  • über 835.000 in Großbritannien,
  • 720.000 in Kanada und
  • 579.000 in Australien.

Junge Inder strömen in den Nahen Osten, wo niedrig qualifizierte Jobs im Baugewerbe und im Gastgewerbe besser bezahlt werden als im Heimatland:

  • 3,5 Mio. indische Migranten leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten und
  • 2,5 Mio. in Saudi-Arabien.

Weitere findet man in Afrika und anderen Teilen Asiens und der Karibik. Bekanntlich leisten gerade Arbeitsmigranten meist auch einen wichtigen Beitrag zum BIP ihres Heimatlandes. So erreichten Indiens Überweisungen aus dem Ausland 2020 einen Rekordwert von fast 108 Mrd. $, etwa 3% des BIP und damit mehr als in jedem anderen Land. Aber die Inder in Übersee mit ihren guten Sprachkenntnissen, dem hohen Bildungsstand und ihrem Know-how fördern auch intensiv den grenzüberschreitenden Handel und die Investitionen.

Indien hat wesentliche Voraussetzungen, um ein führender Exporteur von Talenten zu sein: eine große Zahl junger Menschen und eine erstklassige Hochschulbildung. Dass die Inder die englische Sprache beherrschen, ein Erbe der britischen Kolonialherrschaft, ist wahrscheinlich auch hilfreich. Nur 22 % der indischen Einwanderer in Amerika, die älter als fünf Jahre sind, geben an, dass sie nur begrenzte Englischkenntnisse haben, verglichen mit 57 % der chinesischen Einwanderer, … .

Dazu kommt, die Einwanderungsregeln vieler reicher Länder filtern nach gefragten hohen Qualifikationen. Was z.B. dazu führte, dass 2022 73% der amerikanischen h-1b-Visa, die an Spezialisten in „Fachberufen“ wie Informatiker vergeben werden, an in Indien geborene Menschen gingen. Was als „Brain Drain“ für das Geburtsland sicher auch Nachteile hat. So analysierte eine Studie den Verbleib

von Studenten, die 2010 die hart umkämpften Aufnahmeprüfungen für die Indian Institutes of Technology, die Elite-Ingenieurschulen des Landes, absolvierten. Acht Jahre später stellten die Forscher fest, dass 36 % der 1 000 Besten ins Ausland abgewandert waren, unter den 100 Besten waren es sogar 62 %. Die meisten gingen in die USA.

Eine andere Studie untersuchte die besten 20%

der Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz (definiert als diejenigen, deren Arbeiten im Wettbewerb für eine Konferenz im Jahr 2019 angenommen wurden). Dabei wurde festgestellt, dass 8 % ihren ersten Abschluss in Indien gemacht haben. Aber nur eine winzige Anzahl von Forschern arbeitet heute dort.

Und so besitzen auch fast 80% der in Indien geborenen Bevölkerung im schulpflichtigen Alter mindestens einen Bachelor-Abschluss.

Bei den in China geborenen Amerikanern sind es nur  50 % und lediglich 30 % der amerikanischen Gesamtbevölkerung können dies von sich behaupten. Und so verwundert es nicht, dass Inder die am höchsten verdiente Migrantengruppe in Amerika sind –  mit einem mittleren Haushaltseinkommen von fast 150.000 Dollar pro Jahr. Das ist doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt und weit vor chinesischen Migranten, mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von über 95.000 Dollar. In Australien liegt das mittlere Haushaltseinkommen unter indischen Migranten bei fast 87.000 Dollar pro Jahr, verglichen mit einem Durchschnitt von etwa 62.000 Dollar in allen Haushalten und etwa 58.000 Dollar bei den in China geborenen.

Und so steigen Mitglieder der indischen Diaspora auch zunehmend an die Spitze der Geschäftswelt sowie der Politik auf. So sind heute bei den amerikanischen S&P 500-Unternehmen 25 Geschäftsführer indischer Abstammung, gegenüber 11 vor einem Jahrzehnt.

In der Technologiebranche war es, laut Vinod Khosla, Mitbegründer von Sun Microsystems, für indische Unternehmer noch in den 1980er Jahren schwierig, in Amerika Geld zu sammeln.

„Sie waren Leute mit einem lustigen Akzent und einem schwer aussprechenden Namen und sie mussten höhere Hürden überwinden“, sagt er. Jetzt werden Adobe, Alphabet, Googles Muttergesellschaft, ibm und Microsoft alle von Menschen indischer Abstammung geführt. Die Dekane an drei der fünf führenden Business Schools, einschließlich der Harvard Business School, sind es auch.

Vergleichbares gilt ebenfalls für die Politik. Johns Hopkins-Forscher zählten im britischen Unterhaus 19 Mitglieder indischer Abstammung, darunter Premierminister Rishi Sunak. Man identifizierte sechs Indischstämmige im australischen Parlament und fünf im amerikanischen Kongress. Amerikas Vizepräsidentin Kamala Harris hat eine tamilisch-indische Mutter. Chef der Weltbank ist Ajay Banga, geboren in Pune in Westindien, nachdem er mehr als ein Jahrzehnt lang MasterCard geführt hatte.

Die chinesische Diaspora ist die einzige andere Gruppe mit vergleichbarem Einfluss in der Welt. Eine Analyse von The Economist, die zu Beginn der Covid-19-Pandemie durchgeführt wurde, schätzt, dass mehr als drei Viertel des gesamten 369-Milliarden-Dollar-Vermögens der Milliardäre in Südostasien von huaqiao kontrolliert werden, einem Mandarin-Begriff für ethnische Chinesen, die Bürger anderer Länder sind.

Vergleicht man Südostasien mit Europa und Nordamerika, sieht dieses Bild etwas anders aus. Es gibt z.B. weniger Chefs chinesischer Abstammung, die S&P 500-Unternehmen leiten, als Chefs indischer Abstammung. Man vermutet, dass sich viele der chinesischen Geschäftsleute eher dafür entscheiden, in China zu arbeiten und zu investieren. Gibt es doch genügend schnell wachsende chinesische Unternehmen, wie etwa den Smartphone-Hersteller Xiaomi, den Internet-Suchdienst Baidu und ByteDance, die in Peking ansässige Muttergesellschaft von TikTok, einer global agierenden Social-Media-App.

Der wachsende indische Einfluss wird zunehmend auch gestützt durch das westliche Misstrauen gegenüber China und seiner aggressiven Politik. Viele Westler sehen das Land zunehmend als Feind, der auf einen neuen Kalten Krieg zusteuert. Das belastet die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen gegenüber China.

Huawei, ein chinesischer Telekommunikationsausrüster, der in der Vergangenheit verdächtigt wurde, Embargos zu brechen und ein Kanal für die Spionage der chinesischen Regierung zu sein, wurde in Amerika verboten. Einige europäische Länder sind dem Beispiel gefolgt. Strenge Überprüfungen ausländischer Investitionen in amerikanische Unternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit zielen offen auf chinesisches Geld im Silicon Valley. Einzelne Personen, die im Verdacht stehen, auf Chinas Geheiß zu handeln, darunter ein ehemaliger Harvard-Professor, wurden bestraft.

Auch wenn Modi und seine hindunationalistische Bharatiya Janata Party Anlass zur Sorge gibt, indische Firmen können hier viel freier agieren.

Indiens Anspruch, eine von liberalen Werten geprägte Demokratie zu sein, erleichtert der Diaspora die Integration im Westen. Die Diaspora wiederum bindet Indien an den Westen. Ein verblüffendes Beispiel dafür war 2005, als die USA ein Abkommen schlossen, das Indien faktisch als Atommacht anerkannte, obwohl das Land sich weigerte, den Atomwaffensperrvertrag … zu unterzeichnen. Lobbyarbeit und Geldbeschaffung durch indische Amerikaner halfen dabei, das Abkommen durch den Kongress zu bringen.

Sicher, unter Modis Führung werden Indiens Verbindungen zum Westen einem Stresstest unterzogen. Im Land wächst die nationalistische Rhetorik und liberale Freiheiten werden angegriffen. Außenpolitisch ist Indien kein williger Follower der USA oder des Westens. Es betont seinen Status als unabhängige Macht, hat sich geweigert, Russlands Invasion der Ukraine zu verurteilen und kauft billig russisches Öl und Dünger.

Indien ist eine gewichtige Stimme der BRICS-Staaten, einer Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften. Die Abkürzung „BRICS“ steht für die Anfangsbuchstaben der fünf zugehörigen Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Der Club erwägt gerade, Saudi-Arabien und den Iran beitreten zu lassen. Das alles könnte den Ruf Indiens gefährden und der indischen Soft Power schaden. Andererseits werden die Übersee-Inder das versuchen auszugleichen. Und in der Konfrontation mit China wäre der Westen um so mehr auf Indien angewiesen. Ebenso wie auf die fachlich guten indischen Migranten. Es bleibt also spannend.

economistIndia’s diaspora is bigger and more influential than any in history



Next Level Aussichtslosigkeit in Großbritannien


piqer: Silke Jäger

John Harris ist ein von mir sehr geschätzter Reporter, der unermüdlich durch Großbritannien reist und mit den Menschen spricht. Ihnen einfach zuhört. Wissen will, was sie bewegt. Und sie nicht ausstellt, wenn er berichtet.

Er hat sich schon, so lange ich ihn lese, Sorgen gemacht. Um die Menschen, die kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen. Um die, die keine Perspektive sehen. Und um das Land, das sie so sehr im Stich lässt.

Aus diesem Text sticht aber noch etwas anderes aus den ohnehin schon düsteren Zeilen heraus. Harris ist selbst von Erschöpfung und Perspektivlosigkeit betroffen. Das sagt er nicht direkt, sondern erzählt es aus der Perspektive zweier Frauen, die in seiner Heimatstadt wohnen.

Die eine ist Altenpflegerin und verdient 10,70 Pfund die Stunde, was im Moment 12,48 Euro entspricht. Sie verdient damit als erfahrene Pflegefachkraft ungefähr das, was in Deutschland eine Pflegehilfskraft bekommt. Sie hat keine Hoffnung, dass sie demnächst mehr verdienen könne. Denn aus ihrer Sicht wäre der naheliegendste Grund für eine Lohnerhöhung ihr Einsatz während der Covid-Pandemie gewesen. Doch auch dafür gab es keine finanzielle Anerkennung.

Die andere ist selbstständige Buchhalterin und fürchtet sich vor dem Auslaufen ihres Hauskreditvertrages. So wie schätzungsweise zwei Millionen Brit:innen, deren zinsgebundene Verträge bald auslaufen und die dann mehrere Hundert Pfund im Monat nachzahlen müssen. Man schätzt, dass circa 4% der Haushalte in UK ihre Ersparnisse deshalb verlieren werden. Diese Aussicht gibt der Frau das Gefühl, sich nicht mehr hocharbeiten zu können, sondern mit dem, was sie jetzt hat, für immer zufrieden sein zu müssen.

Diese Beispiele symbolisieren unterschiedliche Arten von Aussichtslosigkeit. Und was Harris so anfasst, ist, dass nicht mehr nur diejenigen hoffnungslos sind, die von prekären Jobs oder von staatlicher Unterstützung leben müssen, sondern inzwischen auch die Mittelschicht. Leute wie er selbst.

Auf die Frage, was diese Menschen von der Politik erwarten, kommt:

If we have a Conservative government, it gets worse every year.

und

Everything is so out of your control … I feel like it doesn’t make much difference any more.

Die Rhetorik der letzten Jahre und die wirtschaftlichen Probleme erzeugen bei den Menschen eine tiefe Erschöpfung. Niemand will mehr leere Versprechungen hören, aber jede:r erwartet nur noch diese von der politischen Klasse.

Harris meint:

Now, I hear echoes of the weariness and bafflement I used to associate with the post-industrial places whose furies took us out of the EU, but this time in our market towns and suburbs. I worry about that. I think we all should.

GuardianBritain is used to crises now. But this widespread hopelessness is new – and frightening Autor: John Harris



Rüstungskonzern Hensoldt AG: Profit schlägt Compliance?


piqer: Lars Hauch

Russlands Überfall auf die Ukraine ist ein PR-Glücksfall für die deutsche Rüstungsindustrie. Als Olaf Scholz das Ulmer Werk der Hensoldt AG besucht, verkündet Vorstandschef Thomas Müller dem Kanzler und Aktionärsvertretern, Hensoldts Produkte seien technologisch „die besten, wirklich die besten elektronischen Systeme zur Verteidigung unserer liberalen Grundordnung“.

Überraschung: In Wirklichkeit scheint Hensoldt es mit liberalen Werten nicht ganz so genau zu nehmen. Dem Spiegel wurden diverse interne Dokumente zugespielt. Daraus entstanden ist ein Text, der viele Fragen aufwirft. Vor einem Monat erschien er bei Spiegel+. Hier nun ohne Paywall bei Spiegel International. Es folgt eine Zusammenfassung.

Die Bundesregierung hat vor drei Jahren 25,1 Prozent der Hensoldt AG gekauft. Technik von Hensoldt steckt in allen möglichen Waffensystemen, unter anderem dem Leopard-2 sowie Iris-T. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Hensoldts Aktienkurs sich beinahe verdreifacht.

Compliance (= Regeltreue) ist besonders in der Rüstungsindustrie ein wichtiges und heißes Eisen. Deals werden oft über Ecken, unter Beteiligung diverser Unternehmen und Regierungen, eingefädelt. Korruption und Grauzonen gibt es entsprechend zuhauf. Leitend zuständig für Compliance ist bei der Hensoldt AG ein Jurist namens Solms Wittig. Laut internen Unterlagen mischt Sittig sich regelmäßig in laufende Geschäfte ein und macht sich dadurch nicht nur Freunde.

Besser kann man die Rolle von Compliance wohl nicht beschreiben. Die Aufpasser warnen, mahnen — aber können längst nicht jedes Fehlverhalten verhindern. Ein Beispiel dafür sind Hensoldts Geschäfte mit Uganda.

Uganda wird seit 37 Jahren autoritär von Yoweri Museveni regiert. Hensoldts hausinterne Analyse warnte 2020, es gebe ein „sehr hohes und kritisches Korruptionsrisiko“. Wegen des „Geschäftspotenzials“ drang man laut Spiegel-Recherchen dennoch in den Markt ein. Ein üblicher Vorgang: Hensoldt engagierte eine lokale Beraterfirma, die über die nötigen Verbindungen für einen Deal verfügt. Der Leiter der Geschäftsentwicklung Afrika schrieb an seine Kollegen gar, die Berater hätten besonderen Zugang zur Armee und Spezialkräften, die von Musevenis Sohn geleitet werden. Er sei ein „Bekannter von uns“. Hensoldt hat sich auf Nachfrage nicht zu dieser Beziehung äußern wollen. Der Deal sei jedoch nicht zustande gekommen.

An die Luftwaffe Ugandas lieferte Hensoldt dann aber doch. Compliance-Chef Sittig schrieb im Dezember 2020 einem Mitglied des Exekutivkomitees: „Wir haben einen Fall, der uns Kopfschmerzen bereitet.“ Ugandas Luftwaffe sollte Sensoren bekommen, die vor herannahenden Raketen warnen. An dieser Stelle wird es etwas kompliziert. Denn, wie in der Rüstungsbranche üblich, Hensoldt war nicht direkter Vertragspartner, sondern Zulieferer, in diesem Fall an die israelische Rüstungsfirma Bird Aerosystems. Das israelische Unternehmen arbeitete in Uganda mit einem einflussreichen Waffenhändler namens Boaz Badichi zusammen, der für Deals mit Despoten bekannt ist. Badichis Firma sowie eine lokale Tochterfirma bemühten sich zwei Jahre darum, den Deal mit der Luftwaffe auf die Beine zu stellen.

Compiance-Chef Wittig schlug Alarm. Es sei nicht klar, ob Hensoldt sich strafbar mache. Denn obwohl Hensoldt ja „bloß“ Zulieferer war, könnte ihr Mittäterschaft vorgeworfen werden, falls der israelische Waffenhändler in Korruption verwickelt sei. Sittig forderte eine Prüfung durch externe Rechtsexperten. Das dauerte der Verkaufsabteilung von Hensoldt aber offenbar zu lang. Der Deal wurde ohne weitere Prüfung durchgezogen.

Auf Nachfrage sagte Hensoldt, es habe keine konkreten Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten gegeben. Ergänzende Ermittlungen hätten das letztlich bestätigt. Derlei Ermittlungen sind allerdings schwierig, und das hat in der Waffenbranche System. Die internationalen Unternehmen outsourcen gewisse Bereiche an lokale Partner, deren Methoden sie kaum kontrollieren können — und vermutlich auch nicht wollen. Laut internen Dokumenten gab es innerhalb Hensoldt einen heftigen Streit um das richtige Vorgehen. Letztlich setzten sich die Verkaufsleute gegen die Compliance-Abteilung durch. Wenn Compliance ernst genommen wird, sollte es eigentlich anders herum laufen.

Im Spiegel-Artikel wird noch ein weiteres Beispiel ausgeführt, dabei geht es um fragwürdige Deals mit Katar. Hensoldt hat die Anschuldigungen der Spiegel-Recherche übrigens allesamt zurückgewiesen. Wie wertegeleitet und feministisch deutsche Außenpolitik ist, wenn Profit in einem Rüstungsunternehmen mit Staatsbeteiligung offenbar über Compliance geht, muss die Bundesregierung beantworten.

spiegel Documents Hint at Dark Dealings at a German Defense Company Autoren: Sven Becker, Rafael Buschmann, Nicola Naber & Niklas Olschewski



Über Putins Schwäche


piqer: Theresa Bäuerlein

Nach den plötzlichen und chaotisch wirkenden Entwicklungen in Russland – auf einmal marschierte Söldnerführer Jewgenij Prigoschin auf Moskau zu und zog nach einer bizarren Vereinbarung mit dem Kreml blitzschnell wieder ab – habe ich nach Hintergrundartikeln gesucht, um besser zu verstehen, was da los ist.

Einer der Besten, die ich gefunden habe, ist aus dem New Yorker. Der Autor sprach dafür mit Mikhail Zygar, einem der kenntnisreichsten Reporter und Kommentatoren, über die Macht des Kremls.

Im Januar 2023 schrieb Zygar in der New York Times einen prophetischen Kommentar über Prigoschin mit dem Titel „The Man Challenging Putin for Power“. Zygar lebt seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Europa im Exil. Er ist ehemaliger Chefredakteur von TV Rain (auf Russisch Dozhd), einem unabhängigen Sender, den Putin nach Beginn des Krieges geschlossen hat. Sein 2016 erschienenes Buch „All the Kremlin’s Men“ war in Russland ein Bestseller, darin untersucht er Putins Herrschaft und die innere Dynamik seines Führungszirkels.

Für den Artikel im New Yorker beschreibt er, wie sich die Beziehung zwischen Putin und Prigoschin entwickelt hat. Nach einem neunjährigen Knastaufenthalt und Jobs als Hot-Dog-Verkäufer und im Catering schaffte Prigoschin es ins Putins Nähe, wurde sein Günstling, wurde reich, dann Anführer der Wagner-Truppe. Seit dem Ukraine-Krieg trat er jedoch mehr und mehr als Gegner Putins auf – nicht weil er gegen den Krieg war, sondern weil er nicht damit einverstanden war, wie dieser geführt wurde.

Sie [Putin und  Prigoschin] überwarfen sich in dem Moment, als Prigoschin zu glauben begann, er sei beliebt“, sagte Zygar. Als Prigoschin letzten Herbst durch Russland reiste, um Gefangene für die Wagner-Gruppe zu rekrutieren, „fühlte er sich wie ein Rockstar“. Seine Gabe war, dass er „so effektiv mit ihnen in ihrer Sprache sprach“, sagte Zygar. „Es kam der Moment, in dem Prigoschin nicht mehr Putins Marionette war. Pinocchio wurde ein echter Junge.“

Der auffälligste Aspekt des gerade geschehenen Aufstandes, so Zygar:

Putin ist schwächer geworden. Ich habe das Gefühl, dass er das Land nicht wirklich regiert. Jedenfalls nicht so, wie er es einst tat. Er ist immer noch Präsident, aber alle verschiedenen Clans“ – die Fraktionen innerhalb der Regierung, des Militärs und vor allem der Sicherheitsdienste – „haben jetzt das Gefühl, dass das ‚Russland nach Putin‘ näher rückt. Putin ist noch am Leben. Er ist immer noch in seinem Bunker. Aber es wächst das Gefühl, dass er eine lahme Ente ist, und sie müssen sich auf ein Russland nach Putin vorbereiten.

In ideologischer Hinsicht, so Zygar,

…verbindet Prigoschin zwei Ideen. Die erste ist die Anti-Korruption und die Anti-Oligarchen. Trotz seines eigenen immensen Reichtums hat er sich immer als Oligarchen-Bekämpfer dargestellt. Gleichzeitig ist er super illiberal. Er hasst den Westen und behauptet, er sei der wahre Beschützer der traditionellen Werte. Wahrscheinlich hat er mehr Anhänger als die Wagner-Gruppe; es gibt Leute in der Armee, der F.S.B., dem Innenministerium, die seine ideologischen Verbündeten sein könnten.

Im Gegensatz zu Putin und seinen Anhängern, die Propaganda über Staatsfernsehen und andere offizielle Kanäle verbreiten, nutzen Prigoschin und seine Anhänger Social Media, vor allem Telegram. Dort inszenieren sie sich als das „wahre“ Russland.

Sollte Putin demnächst stürzen, so Zygar, könnten ihm entweder extrem harte Elemente folgen, die von den Sicherheitsdiensten unterstützt werden, oder ein „relativ“ liberaler Clan, vertreten durch Premierminister Michail Mischustin und den Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin.

Die Atmosphäre erinnert ein wenig an die späten Tage Josef Stalins in den frühen fünfziger Jahren, als er eine weitere Säuberungsaktion (gegen Juden, „wurzellose Kosmopoliten“ und andere vermeintliche Feinde) plante, während Rivalen wie Georgi Malenkow und Nikita Chruschtschow „geduldig“ auf den Tod des alten Mannes warteten, damit sie ihren Zug machen konnten. Putin, so Zygar, wisse genau, wie Autokraten wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Putschversuche ausnutzten, um Massenverhaftungen vorzunehmen, Medien und Informationen weiter zu unterdrücken und die Regierung neu zu ordnen. Er könnte diesem Beispiel folgen. Die üblichen Stimmen in den sozialen Medien haben den ganzen Tag über eine Kakophonie der Spekulationen ausgelöst. Das wird so schnell nicht aufhören.

Was das für die Ukraine bedeutet? Einerseits ist es ein wichtiger Moment in diesem Krieg, sogar eine historische Chance, glaubt Zygar. „Sie müssen jetzt angreifen. Das ist der Moment, in dem die russische Armee mit internen Problemen beschäftigt ist.“

Gleichzeitig gibt es aber keine Garantie dafür, dass das derzeitige Chaos in Russland nur eine gute Nachricht für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenski ist. Zygar befürchtet, dass Putin nach einer solchen innenpolitischen Blamage wie der Prigoschin-Affäre ins Ausland ausschlagen und den Krieg in der Ukraine eskalieren könnte.

new yorkerPutin’s Weakness UnmaskedAutor: David Remnick



China plant 455 Gigawatt Solar- und Windleistung in Wüsten


piqer: Ralph Diermann

Im Westen Rumäniens entsteht derzeit der aktuell größte Solarpark Europas, die 1,6 Millionen Module kommen auf eine Spitzenleistung von gut einem Gigawatt. Das nur zur Einordnung einer Meldung, die der Erneuerbare-Energien-Infodienst IWR jetzt veröffentlicht hat: China plant, in der Wüste Gobi sowie in anderen Wüsten bis 2030 Solar- und Windparks mit einer Leistung von zusammen 455 Gigawatt zu bauen – also rund 400 Mal so viel wie die XXL-Anlage in Rumänien. Bei voller Auslastung würden sie etwa so viel Strom liefern wie 1.000 mittelgroße Kohlekraftwerksblöcke.

Ein gigantisches Vorhaben, da nicht nur Windräder und Solarmodule gebaut werden müssen, sondern auch entsprechende Stromleitungen, die die Energie aus den abgelegenen Wüsten in die Verbrauchszentren transportieren. Wobei China bei den Erneuerbaren derzeit ohnehin kräftig klotzt. Das zeigt etwa eine Meldung des Solar-Branchendienstes TaiyangNews: Allein zwischen Januar und Mai dieses Jahres hat China 61 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert. Das entspricht etwa vier Fünftel der gesamten heute in Deutschland installierten Menge.

iwrChina plant gigantische 455 GW Solar- und Windkraftleistung in Wüsten bis 2030



Erst der Shitstorm, dann die Begeisterung


piqer: Squirrel News

Wenn es um die Qualität wichtiger Zukunftsentscheidungen geht, dann sollte man die öffentliche Meinung lieber nicht als Beraterin heranziehen. Umfragen zeigen jedenfalls immer wieder, dass sie sich ziemlich schnell ändern kann. Und die jüngsten Boulevard-Attacken auf die Wärmepumpe haben auch nicht gerade zu einem Klima geführt, in dem durchdachtes, kühles Abwägen überall an erster Stelle steht – um es mal ganz, ganz vorsichtig zu formulieren.

Eine interessante Sicht auf die Dynamik von gesellschaftlichen Herausforderungen, Lösungsvorschlägen, öffentlicher Resonanz und Akzeptanz hat nun Uwe Schneidewind in einem Interview mit der taz geäußert. Schneidewind war ja selbst Wissenschaftler, bis er dann 2020 in die Politik ging und Bürgermeister von Wuppertal wurde.

Im Interview erklärt er nun, warum der Wandel zuerst einmal mehr Zeit brauchte, als er es sich vorgestellt hatte, und warum es mühsam sein kann, Bürger von den Vorzügen einer Veränderung zu überzeugen, an die sie bisher noch nicht gewöhnt waren. Sein zwischenzeitliches Fazit:

Man muss immer erst einmal durch eine Shitstormphase durch. ­Danach sind dann meist alle begeistert.

Der Rest des Interviews ist nicht ganz so prägnant wie diese zwei Sätze. Aber auf jeden Fall lesenswert.

taz„Das knirscht ordentlich“Autorin: Dunja Batarilo



Deutschland, das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt


piqer: Theresa Bäuerlein

„Wir sind kein Einwanderungsland und wir können es auch nicht werden,“ sagte Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl 1989. Das ist noch keine 35 Jahre her und wirkt dennoch wahnsinnig veraltet. Heute hat nur ein Land auf der Welt in absoluten Zahlen mehr Einwanderer als Deutschland: die USA.

ZEIT ONLINE hat in dem hier empfohlenen Überblick Daten zu allen Zu- und Wegzügen nach und aus Deutschland seit dem Jahr 1952 ausgewertet.

Dem statistischen Bundesamt zufolge hat mittlerweile rund ein Viertel der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass mindestens ein Elternteil bei der Geburt keinen deutschen Pass besaß.

Rund 58 Millionen Zuzüge gab es insgesamt in den vergangenen 70 Jahren, 42 Millionen Migrant:innen verließen Deutschland wieder. Die ZON-Redaktion hat in Grafiken die bisher vier großen Phasen der Zuwanderung seit dem zweiten Weltkrieg dargestellt:

Phase 1: Ab 1955 holte die Bundesrepublik rund 14 Millionen sogenannte Gastarbeiter ins Land, vor allem aus Italien, der Türkei und Jugoslawien. Elf Millionen gingen wieder zurück.

Phase 2: Nach dem Zerfall des Ostblocks und Jugoslawiens wanderten viele Menschen aus Polen nach Deutschland ein, außerdem die sogenannten Spätaussiedler – Menschen mit deutschen Wurzeln aus Ost- und Mitteleuropa. 774.000 von ihnen kamen allein 1989 und 1990.

Phase 3: Ab den Nullerjahren nahm die EU zwölf neue Mitgliedsstaaten auf. Allein zwischen 2011 und 2021 kamen rund 6,3 Millionen Menschen aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Etwa 1,6 Millionen Menschen kamen im gleichen Zeitraum aus humanitären Gründen, vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Phase 4: Seit Russland 2022 die Ukraine überfiel, erlebt Deutschland den größten Zuzug seit Gründung der Bundesrepublik. Mehr als eine Million Ukrainer:innen kamen 2022 ins Land.

Außerdem gibt es eine wachsende Migration aus asiatischen Staaten.

Die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland kommt mittlerweile aus China. Und Indien liegt in der Liste der größten Herkunftsländer heute auf Platz fünf.

Die Einwanderer leben nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt.

Die meisten Ausländer leben bis heute im Westen Deutschlands, vor allem in den Städten. In die BRD zogen bis zur Wiedervereinigung weit mehr Migranten als in die DDR, später zogen viele Einwanderer dorthin, wo bereits andere Einwanderer lebten. Hinzu kommt ein wirtschaftlicher Grund: Das Lohnniveau ist im Westen Deutschlands bis heute höher als im Osten. Das machte vor allem westdeutsche Städte für Migranten attraktiv.

Staatsbürger der Türkei leben bis heute vor allem in westdeutschen Städten mit Industrie, in Ostdeutschland leben heute so gut wie keine Menschen mit türkischem Pass. Im Osten leben wiederum deutlich mehr Vietnamesen als im Westen – die Familien der Zehntausenden ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam. Geflüchtete wiederum dürften ihren Wohnort nicht selbst wählen, sondern werden nach einem politisch ausgehandelten Quotensystem im Land verteilt. Deswegen leben fast überall in Deutschland Syrer:innen.

Wie geht es weiter mit Deutschland als Einwanderungsland? Das hätte Kohl sich vermutlich nicht im Traum einfallen lassen, aber:

Kaum jemand bezweifelt heute, dass Deutschland angesichts einer alternden Bevölkerung auf Zuwanderung angewiesen ist. Schätzungen zufolge braucht das Land rund 400.000 Migrantinnen und Migranten jedes Jahr, damit die Zahl der Arbeitskräfte stabil bleibt. Die Frage ist: Werden die Menschen weiter ins Land kommen? Und wird die Politik in der Lage sein, zu steuern, wer kommt?

Global betrachtet, so argumentiert der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler Parag Khanna, befinden sich überalterte Länder wie Deutschland längst in einem Wettstreit um junge Arbeitskräfte. Die große Frage der kommenden Jahre wird sein, ob Deutschland attraktiv genug sein wird, um nicht nur Menschen aus Europa, sondern auch aus den jungen Gesellschaften im Mittleren Osten und Nordafrika, aus China und Indien anzuziehen.

zeitDie Millionen, die kamenAutor: Jakob Bauer, Paul Blickle, Philip Faigle, Valentin Peter, Julius Tröger, Vanessa Vu & Benja Zehr



KI (LLM) erweitert das Methodenspektrum der Sozialwissenschaft


piqer: Ole Wintermann

In diesem SCIENCE-Text wird auf eindrückliche und spannende Weise beschrieben, wie die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, die auf Sprachmodellen (LLM) basiert, die Methodik der Sozialwissenschaft bedeutend erweitern könnte. Der Text ist ein großartiges Beispiel für die potenzialorientierte Sicht auf KI und eine starke Empfehlung wert.

KI kann menschenähnliche Reaktionen und Verhaltensweisen simulieren und damit die Grundlage dafür schaffen, dass sozialwissenschaftliche Analysen sehr viel schneller, vielfältiger und effizienter durchgeführt werden können, da KI menschliche Teilnehmende an Fragebögen, Beobachtungsstudien oder Experimenten ersetzen oder auch alternative Erklärungsansätze für menschliches Verhalten anbieten könnte. KI bietet also die Möglichkeit, mehr Verhaltensparameter zu messen und zu interpretieren.

In der politischen Analyse könnte KI alternative Handlungs- und Verhaltensszenarien in Abhängigkeit politischer Ideologien entwickeln helfen. Die Autoren sprechen vom “Ideologischen Turing-Test”:

„Once LLMs can pass the Ideological Turing Test—meaning that they can accurately represent opposing viewpoints in a way indistinguishable from real humans—researchers can use them to generate future scenarios.“


"Sobald LLMs den ideologischen Turing-Test bestehen - d. h., dass sie gegnerische Standpunkte so genau darstellen können, dass sie von echten Menschen nicht zu unterscheiden sind - können Forscher sie verwenden, um Zukunftsszenarien zu erstellen.

In der Forschung über soziale Interaktion könnte KI den Part von einzelnen Personen übernehmen. Hiermit könnten unterschiedliche Interaktionsmuster erzeugt werden. Gerade in der Interaktionsforschung könnte ausgerechnet die KI helfen, so die Autoren, inhärente Annahmen und Verzerrungen, die durch Forschende und Probanden in die Experimente unbewusst eingeschleust werden, offenzulegen und zu eliminieren. Dass hierbei die LLM ja selbst Ergebnis kulturell erzeugter Sprachmuster ist und Sprache auch ein Spiegelbild menschlicher Vorurteile sein kann, muss aber natürlich beachtet werden. Zwar versuchen bereits die KI-Modellierer selbst auf die “reine” und durch Vorurteile unbelastete KI wert zu legen. Aber schon die Frage, was eine „unbelastete“ KI sein soll, ist an sich wieder eine normative Frage, so die Autoren.

Die Sozialwissenschaft muss rechtzeitig Richtlinien für die ethische Verwendung der LLM, den passenden Datenschutz, die algorithmische Fairness, die Umweltfolgekosten der LLM sowie den Missbrauch erarbeiten, so die Autoren.

„Only by maintaining transparency and replicability can we ensure that AI-assisted social science research truly contributes to our understanding of human experience.“


"Nur wenn wir für Transparenz und Replizierbarkeit sorgen, können wir sicherstellen, dass die KI-gestützte sozialwissenschaftliche Forschung wirklich zu unserem Verständnis der menschlichen Erfahrung beiträgt."

scienceAI and the transformation of social science researchAutor: Igor Grossmann, Matthew Feinberg , Dawn C. Parker, Nicolas A. Christakis, Philip E. Tetlock & William A. Cunningham


Info: https://makronom.de/ruestungsindustrie-einwanderungsland-next-level-aussichtslosigkeit-44495?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ruestungsindustrie-einwanderungsland-next-level-aussichtslosigkeit


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Tiefschwarze Wolken über dem „Green Deal“

lostineu.eu, 28. Juni 2023

Im Europaparlament fällt ein wichtiges Umweltschutzgesetz durch. Und der europäische Rechnungshof zweifelt an den Klimazielen.

Scheitert die ehrgeizige Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Europäischen Union? Vier Jahre nach dem Startschuss für den „European Green Deal“ sind tiefschwarze Wolken aufgezogen. Die EU drohe ihre ehrgeizigen Klimaziele zu verfehlen, warnt der Europäische Rechnungshof in Luxemburg. Auch im Europaparlament in Brüssel herrscht Krisenstimmung – dort ist das umstrittene Renaturierungs-Gesetz durchgefallen.

Bei einer Kampfabstimmung im Umweltausschuss fand sich keine Mehrheit für den Entwurf der EU-Kommission. Deutsche Christdemokraten, Konservative und Rechtsextreme stimmten dagegen; der Entwurf fiel mit 44 zu 44 Stimmen durch.

Damit wankt nicht nur eine zentrale Säule des europäischen „Green Deal“. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerät in Bedrängnis. Die CDU-Politikerin wird von ihren eigenen Parteifreunden bedrängt, eine Kehrtwende zu vollziehen und den Entwurf zurückzuziehen.

Das Gesetz sei zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht, sagt der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Die Vorlage sei „rückwärtsgewandt und ideologisch“, erklärt seine Parteifreundin Christine Schneider. „Er wird zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden.“


Druck und Drohungen

Noch weiter geht Manfred Weber (CSU). Der EVP-Chef hat seine Truppen auf ein „Nein“ eingeschworen. Befürwortern des Entwurfs soll Weber sogar mit dem Rauswurf aus der Fraktion gedroht haben. Nur mit massivem Druck und Drohungen, so heißt es im Europaparlament, habe Weber das umstrittene Renaturierungs-Gesetz zu Fall bringen können.

Das endgültige „Aus“ bedeutet die Schlappe im Umweltausschuss jedoch nicht. Das letzte Wort hat das Plenum. Bei der für Mitte Juli geplanten Abstimmung droht ein Showdown zwischen den Befürwortern – Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Liberale – auf der einen und den konservativen und rechten Gegnern auf der anderen Seite.

Ein Fragezeichen muss man wohl jetzt schon hinter die EU-Klimaziele machen. Das EU-Programm „Fit for 55“ sei intransparent und schlecht finanziert, kritisiert der Europäische Rechnungshof in einem Sondergutachten. Auch die nationalen Energie- und Klimapläne seien zu vage.

„Wir brauchen mehr Transparenz“, forderte die Leiterin der Prüfung, Joëlle Elvinger. Die Datenlage sei zu schlecht. Wie so oft, wenn von der Leyen EU-Politik macht…

Siehe auch Backlash beim Klima. Mehr zur Klimapolitik hier


Info: https://lostineu.eu/tiefschwarze-wolken-ueber-dem-green-deal


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




Weiteres:




Update: Deutschland verletzt Nato-Russland-Grundakte


lostineu.eu, vom 27. Juni 2023

Verteidigungsminister Pistorius will die Nato-Ostflanke stärken und 4000 deutsche Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren. Verletzt er damit die Nato-Russland-Grundakte?

Dies hatten wir in unserem Newsletter geschrieben. Daraufhin entwickelte sich eine lebhafte Debatte auf Twitter. Die Nato habe die Grundakte spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Krieges aufgegeben, hieß es.

Doch das ist falsch, wie ein Blick auf die Nato-Homepage zeigt. Zitat: „NATO fully abides by the NATO-Russia Founding Act.“ Man halte den Vertrag weiter ein, denn Truppen würden ja nur vorübergehend verlegt.

Dies entspreche der Grundakte. Darin erklärte die Nato, „zusätzlich substantielle Kampftruppen“ werde man nicht „dauerhaft“ in den Staaten des ehemaligen Ostblocks stationieren.

Genau dies läßt sich von den deutschen Plänen jedoch nicht mehr sagen. Deshalb habe Berlin auch lange gezögert, Litauen verbindliche Zusagen zu machen, heißt es bei der SWP, einem regierungsnahen Thinktank.

Offenkundig wird vermutet, dass die Bundesregierung ungebrochen an der Nato-Russland-Grund­akte festhalten will und daher Vorbehalte hat gegenüber einer permanenten militärischen Präsenz in Litauen.

SWP 2023

Einen Bruch sieht offenbar auch der Militärblogger Th. Wiegold. Pistorius Entscheidung sei überraschend, schreibt er auf seinem Blog:

(Schließlich) gehörte Deutschland bislang zu den Nationen, die im Gegensatz zu osteuropäischen NATO-Staaten an der Vereinbarung in der NATO-Russland-Grundakte festhielten, keine substanziellen Kampftruppen dauerhaft auf dem Territorium ehemaliger Mitglieder des Warschauer Vertrags zu stationieren.

Blog „Augen geradeaus“

Das war einmal – ab sofort nimmt Deutschland keine Rücksicht auf Russland mehr…

Siehe auch „Berlin verletzt Nato-Vertrag“

P.S. Zur neuen Rechtsposition der Bundesregierung sagte Christian Wagner, einer der Sprecher des Auswärtigen Amts, laut „telepolis“: Die Nato-Russland-Grundakte könne „kein beschränkender Faktor für den Ausbau der Nato-Ostflanke sein“. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ergänzte, der russische Angriff auf die Ukraine in einem „eklatanten Gegensatz“ zur Grundidee und den Zielen des Abkommen zwischen der Nato und Russland stehe. Deswegen fühle sich die Bundesregierung „an dieser Stelle auch nicht daran gebunden“.

8 Comments

  1. KK
    29. Juni 2023 @ 02:03

    @ european:
    „Den Irak-Krieg der USA nicht zu vergessen.“
    Und was immer gern vergessen wird: das perfide und letztlich dann gewaltsame Vorgehen gegen Grenada.
    Besonders auffällig: es geht immer gegen vermeintlich schwächere – wenn es um einen Gegner wie Russland geht, dann provozieren die USA nur, und lasssen dann letztlich andere für sich ganz vorne den Kopf hinhalten.
    Wird sicher auch bei China so kommen. Japan und Australien werden ja schon gut angestachelt und aufgerüstet, und Japans Pazifismusideologie wurde auch sicher nicht ganz freiwillig – gegen den Willen der Bevölkererungsmehrheit – beerdigt.

Reply

  • european
    28. Juni 2023 @ 19:50

    Vielleicht kann sich noch jemand daran erinnern, wie sehr seitens des Westens immer betont wurde, dass es „leider“ Gorbatschow’s Pech war, dass die Versprechen bezüglich der NATO-Osterweiterung niemals in Vertragsform schriftlich festgehalten worden waren. Man kann sie zwar in den Baker-Minutes nachlesen und auf Seite 8-9 steht es so eindeutig wie es eindeutiger nicht sein könnte. Als Deutsche bleibt man nur noch beschämt zurück, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach deutschem, gültigem, Recht auch ein mündlich abgeschlossener Vertrag ein Vertrag ist.
    Nun haben wir hier den Fall, dass es einen richtigen Vertrag gibt, so schwarz auf weiß gedruckt, und den halten wir auch nicht ein mit der Begründung, dass er unter anderen Voraussetzungen geschlossen wurde.
    Gleichzeitig in Deutschland: „Im vergangenen Jahr seien rund 132 Milliarden US-Dollar (125 Milliarden Euro) mehr Direktinvestitionen aus Deutschland abgeflossen, als aus dem Ausland in Deutschland investiert wurden.“
    https://www.businessinsider.de/wirtschaft/deindustrialisierung-geldabfluss-aus-deutschland-fuer-investitionen-so-hoch-wie-nie-iw/#:~:text=Im%20vergangenen%20Jahr%20seien%20rund,Ausland%20in%20Deutschland%20investiert%20wurden.
    Willkürliche Rechtsauslegung führt zu Rechtsunsicherheit und dazu, dass Investoren in Länder gehen, wo es Rechtssicherheit gibt. Das ist eine logische Konsequenz. Die deutschen Politiker mögen innerhalb Deutschlands mit dieser Rechtsverdrehung durchkommen. International werden sie damit nicht erfolgreich sein. Zum Schaden des Landes.

    Reply

  • european
    28. Juni 2023 @ 18:18

    @Stefan

    „Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat“ vor.“

    Oh, oh. Das ist sehr dünnes Eis. Wenn das das Kriterium ist, dann hat die Nato/USA dieses Abkommen schon längst gebrochen, lange vor der Ukraine. Siehe Kosovo, Libyen, Afghanistan uvm. Den Irak-Krieg der USA nicht zu vergessen. Millionen Tote, direkt und indirekt, und man kann nicht mal alle erfassen, weil die Schäden von Uranmunition lange nachhallen, z.B. durch Krebserkrankungen, Totgeburten, Fehlgeburten, Entstellungen. Gleiches gilt für Vietnam mit Agent Orange, der bis heute nachwirkt und den Kosovo, das Land mit der höchsten Rate an Brustkrebs und Lungenkrebs.

    Ganz aktuell dazu die Studie des Watson-Institutes der Brown University in Rhode Island, USAhttps://watson.brown.edu/costsofwar/papers/2023/IndirectDeaths

    Reply

  • Stefan
    28. Juni 2023 @ 17:41

    Die Nato Grundakte wurde von Russland aufgekündigt. Denn sie sieht auch
    „Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat“ vor.

    Reply

  • KK
    28. Juni 2023 @ 11:47

    @ Hekla:
    “ Gehört inzwischen auch Vertragsbruch zu unseren Werten?“

    Offensichtlich; es zeichnet sich ja bereits ab, dass keiner mehr wirklich welche mit „uns“ abschliessen möchte. Siehe Brasilien, siehe Tunesien – um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen.

    Wer hat diese Typen bloß gewählt?

    Reply

  • Hekla
    27. Juni 2023 @ 21:28

    Ich las verschiedentlich, evtl. auch im Tagesspiegel, dass der Vertragsbruch von Pistorius damit begründet wird, dass der Vertrag unter ganz anderen Rahmenbedingungen geschlossen wurde… wenn man diese Linie fährt, kann man eigentlich auch das komplette Völkerrecht in die Tonne treten; seine Grundlagen sind mit dem Westfälischen Frieden von 1648, unter ganz anderen Rahmenbedingungen gelegt worden. Und was müsste dann das Bundesverfassungsgericht zu Grundgesetzverstössen sagen – nicht so schlimm, das GG ist unter ganz anderen Rahmenbedingungen in Kraft gesetzt worden?
    Gehört inzwischen auch Vertragsbruch zu unseren Werten?

    Reply

  • KK
    27. Juni 2023 @ 19:35

    @ Stef:
    „Bin gespannt, mit welchem Dreh dieser abermalige Vertragsbruch Deutschlands auch wieder den Russen selbst zugeschrieben wird….“

    Mit einem Dreh um 360 Grad natürlich!

    Reply

  • Stef
    27. Juni 2023 @ 18:06

    Bin gespannt, mit welchem Dreh dieser abermalige Vertragsbruch Deutschlands auch wieder den Russen selbst zugeschrieben wird….


  • Info: https://lostineu.eu/update-deutschland-verletzt-nato-russland-grundakte


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

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