»Wir möchten, dass der Staatsanwalt sich winden muss«
16. 024 Redaktion 13 Kommentare

Der Physiker und Jurist Alexander Unzicker und der Rechtsanwalt Peter Schindler haben die vier Luftwaffenoffiziere, die im geleakten Mitschnitt zu hören waren, wegen Anstiftung zu einem Verbrechen angezeigt.
Roberto De Lapuente hat mit Alexander Unzicker gesprochen.
De Lapuente: Was werfen Sie und Herr Schindler den Herren Gerhartz, Fenske, Florstedt und Gräfe vor?
Unzicker: Technisch haben wir es ja in der Anzeige beschrieben. Aber um es anschaulich zu machen: Man kann nicht einfach ein Verbrechen planen. Die Medien verkünden zwar: »Man wird ja wohl noch über ein paar Szenarien reden dürfen« – in eigenartigem Kontrast übrigens zu anderen Ereignissen –, aber genau das ist eben nach § 30 StGB verboten, weil, wie der Bundesgerichtshof zu Recht sagt: durch diese gruppendynamischen Absprachen erhöht sich die Eintrittswahrscheinlichkeit. Es ist eine Art Anstiftung zu schweren Delikten.
»Gleiche Maßstäbe anzulegen ist im Moment ziemlich unpopulär«
De Lapuente: Ist denn Verbrechen nicht ein bisschen hoch gegriffen? Wie kommen Sie darauf?
Unzicker: Viele laute Stimmen in der Öffentlichkeit unterziehen uns natürlich einer Art von Moral-Gehirnwäsche, die man zusammenfassen kann: für die Ukraine darf und muss man einfach alles tun. Aber als Jurist prüft man eben Tatbestände und kommt zum Ergebnis: Nein, man darf nicht in einem fremden Land einfach Brücken sprengen, noch dazu, wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen können. Das kann, mit bedingtem Vorsatz, sogar Mord sein.
De Lapuente: Man könnte nun erwidern – und viele tun das ja auch –, dass Russland diesen Krieg führt und dass es die Brücke militärisch nutzen könnte …
Unzicker: Natürlich ist das die intuitive Reaktion vieler Menschen. Aber man muss nüchtern ins Gesetz schauen: Gibt es Rechtfertigungsgründe? Und die Antwort ist, nein, solange Deutschland dem Ukrainekrieg nicht offiziell beitritt, gibt es diese nicht. Und einfach so privat kann man sich die Rechtfertigung auch nicht basteln. Sonst könnte ja auch einer kommen, die Amerikaner führen völkerrechtswidrig Krieg gegen den Irak, ich werfe mal eine Bombe nach Ramstein rein. Ist das erlaubt? Natürlich nicht. Als Jurist muss man eben die gleichen Maßstäbe anlegen, und das ist im Moment ziemlich unpopulär …
De Lapuente: War Ihnen und Ihrem Kollegen sofort beim Hören des Mitschnittes klar, dass es hier Potenzial zu einer fundierten Anzeige gibt?
Unzicker: Erst ist man natürlich schockiert, über das was dort besprochen wird: Wie kann man so verrückt sein, einen nuklearfähigen Taurus, der Moskau erreichen kann, über die russische Grenze zu schicken? Darüber überhaupt nachzudenken? Wie sollen die das denn bitte anders auffassen als einen möglichen Erstschlag? Aber das scheint ja inzwischen sogar der Bundeskanzler verstanden zu haben, hoffen wir es … ja, nach ein paar Tagen setzt sich das erst, und man fragt sich, was kann man tun? Der Hinterkopf arbeitet irgendwie, und plötzlich fällt einem ein: warum prüft eigentlich niemand den § 30 StGB?
»Abhören unter Feinden? Das geht gar nicht!«
De Lapuente: Sehen Sie Chancen, dass diese Anzeige dazu führen könnte, dass die Staatsanwaltschaft sich einschaltet? Fürchten Sie nicht, dass sich da kein Staatsanwalt rantraut? Staatsanwälte sind immerhin den jeweiligen Innenministerien weisungsgebunden.
Unzicker: Sie haben recht, das ist ein strukturelles Problem, ein rechtsstaatliches Defizit. Aber unabhängig davon sind unsere Chancen gering, weil es ein hochpolitisches Thema ist. Trotzdem: die werden sich schwertun, die Nichtaufnahme von Ermittlungen anständig zu begründen. Wir möchten, dass der Staatsanwalt sich winden muss, den Text zu schreiben. Dass er sich denkt: »Ich kann mir zwar nicht leisten, es laut zu sagen, aber da ist schon was dran.« Dass er sich ein bisschen schämt vielleicht. Daher denke ich, es kann schon zur Bewusstseinsbildung beitragen, auch wenn das sichtbare Ergebnis negativ ist.
De Lapuente: Die Offiziere werden in den Medien mehr oder weniger als Opfer dargestellt. Als Kollateralschäden russischer Manipulation.
Unzicker: Ja, das habe ich auch gelesen, ein »hybrider Angriff«, wie hinterhältig, Abhören unter Feinden, das geht gar nicht! Sie sehen, ich kann diese Berichterstattung nur mit Sarkasmus verdauen. Die Zeiten werden immer verrückter. Wenn heute nochmal ein »Fuck the EU« von Nuland geleakt würde, wäre das inzwischen auch eine russische Gemeinheit.
De Lapuente: Könnten die Angezeigten sich denn auf einen Befehlsnotstand herausreden?
Unzicker: Notstand wohl nicht, aber man fragt sich schon, Soldaten werden ja auf Befehl tätig, wer hat das beauftragt? Aus genau diesem Grund finden wir Ermittlungen hier nötig, auch um das aufzuklären.
De Lapuente: Würden weitere Anzeigen von Bürgerinnen und Bürgern in dieser Sache die Handlungsdringlichkeit der Justiz erhöhen?
Unzicker: Juristisch macht das wenig Unterschied, aber wir freuen uns natürlich über Zuspruch. Wobei es nicht die Masse ausmacht, aber wenn viele kritisches individuelles Denken bewahren, dient das hoffentlich dem Frieden – darum geht es uns eigentlich.
Dazu siehe auch: Anzeige gegen Luftwaffenoffiziere wegen Planung eines Verbrechens und die Verabredung dazu
Dr. Alexander Unzicker ist theoretischer Physiker, Jurist und promovierte in der kognitiven Psychologie. Sein Buch „Vom Urknall zum Durchknall“ (Springer Verlag) über den Zustand der modernen Physik wurde als „Wissenschaftsbuch des Jahres“ gekürt. Bei Westend erschien zuletzt „Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur“ (2019) und „Einsteins Albtraum“ (2022).
Peter Schindler, Rechtsanwalt und Unternehmensberater (Change- und Projekt-Management), ehemals Dezernent für Personalentwicklung und -Controlling an der Universität zu Köln sowie in leitenden Managementpositionen im Personal- und Organisationsbereich verschiedener nationaler und internationaler Konzernunternehmen. Rechtswissenschaftliches Studium in Saarbrücken und Bonn, Referendariat am Landgericht Köln. Bisherige Veröffentlichungen zu den Themen Komplexitätsmanagement, Personalentwicklung im öffentlichen Dienst sowie zu verfassungsrechtlichen Themen, insbesondere zu Demokratie, Rechtsstaat, Meinungsfreiheit.
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Schlagwörter: Anzeige, Mitschnitt, Offiziere, Staatsanwaltschaft, Verabredung zu einer Straftat
13 Kommentare
Nichts wird passieren!
Genauso, wie die knuddeligen Deutschtürken an der Goldgrube in Mainz, nicht in den Knast wandern, wenn wir das nicht selbst in die Hand nehmen!
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Den Herren wünsche ich eine gute Medienpräsenz und das zumindest ihr Wirken ein Zeichen setzt, auf das andere vernetzte Menschen auf ähnliche Schritte folgen werden.
Das ist in meinen Augen, wesentlich effektiver als zu unterwanderteten Demos zu gehen.
Nur weil alles auf Lügen basiert, heisst das noch lange nicht, auf andere Lügen hereinzufallen.
Wo steht heute 2024 D?
Was wurde in den letzten 4 Jahren alles fabriziert und in wieweit hat es zu einem einzigen Thema eine zufriedenstellende Aufarbeitung gegeben?
Null nada nichts, d. H. der viel gepriesene Rechtsstaat ist im Dauerschlaf versunken und die Politdarsteller glänzen im dauergrinsen.
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„Nein, man darf nicht in einem fremden Land einfach Brücken sprengen, “
Was??? Dann muss ich meine Urlaubsplanung wohl noch mal überdenken! ;->
(Und für die Politischen unter uns: https://www.youtube.com/watch?v=17HRV8k1YMw )
Finde ich eine feine Sache und frage mich gerade, ob eine Sarah Wagenknecht der Klage nicht ein wenig mehr öffentliche Präsenz verschaffen könnte. Das Thema passt doch in ihr Programm und ihre Zielsetzung. Freiwillig werden die MSM ja wohl nicht zum Thema berichten. Da braucht´s schon ein gewisses „nudging“ ;)))
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Ich bedanke mich bei den Herren Unzicker und Schindler, für ihren Mut dieses Thema in dieser Zeit aufgegriffen haben und wünsche alles Gute…
eigentlich grenzt diese Kriegstreiberei an Landesverrat…
Bei welcher Staatsanwaltschaft wurde denn überhaupt Anzeige erstattet, bei der von Dödelhausen im Odenwaldkreis, bei der von Schnaakenhausen im Kreis Leer, oder hat man sich gleich an den Generalbundesanwalt gewandt ? Diese weisungsgebundenen Herrschaften werden sich gar nicht winden müssen. In etlichen anderen Fällen hat man kurz und knapp Anzeigen ohne “ Windungen“ abgebügelt. Oder glaubt hier jemand im ernst, dass man diese 4 Büttel, die direkt unter dem Schutz Pistorius` stehen, anklagen wird ? Anders sähe es aus, wenn bei ihnen eine gewisse Skepsis gegenüber der NATO vorhanden wäre, bzw. eine Symphatie für Putin. Dann allerdings wären sie ohnehin schon längst entlassen worden, in Acht und Bann.
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Könnte es auch sein das die Amis den Mitschnitt an die Russen übergeben haben? Schließlich wollen die nicht das ihre Stützpunkte durch ein paar Möchtegern in Deutschland gefährdet werden.
Info: https://overton-magazin.de/dialog/wir-moechten-dass-der-staatsanwalt-sich-winden-muss
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.