aus e-mail vom Doris Pumphrey, 26. Dezember 2022, 20:34 Uhr
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27.12.2022
100 Jahre Sowjetunion
*Rückkehr des sozialistischen Modells
*Dokumentiert. Rede von Juri Afonin. Der globale Kapitalismus ist
gescheitert, in Russland wird eine Resowjetisierung erforderlich
/Von Juri Afonin
/*Der erste Stellvertreter des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei
der Russischen Föderation (KPRF) und Dumaabgeordnete Juri Afonin sprach
am 9. Dezember in Nischni Nowgorod auf einer wissenschaftlichen
Konferenz, die dem 100. Jahrestag der Bildung der UdSSR gewidmet war.
Die Konferenz wurde von der Russischen Akademie der Wissenschaften, der
Bezirksregierung des Gebietes Nischni Nowgorod, der Russischen
Politologengesellschaft, der Russischen Assoziation der Europaforscher
sowie der Nowgoroder Abteilung der Versammlung der Völker Russlands
organisiert. Ihr Titel lautete: »Die UdSSR: eine vergangene Zukunft?«. *
Unser Parteiplenum, das Mitte November stattfand, hat die wichtigsten
Merkmale und Aufgaben unserer Zeit eingehend analysiert und
nachgewiesen: den Bankrott des neoliberalen globalistischen
Entwicklungsmodells; den Wunsch seiner Anhänger, das gescheiterte
räuberische Modell der kapitalistischen Weltregierung mit allen Mitteln
– auch militärischen – aufrechtzuerhalten; die Relevanz des
sozialistischen Erbes und die dringende Notwendigkeit, unter den
heutigen schwierigen Bedingungen zu ihm zurückzukehren.
Die einzigartige Erfahrung der Sowjetunion, deren hundertsten Jahrestag
wir am 30. Dezember begehen, ist in diesen schwierigen Zeiten wichtiger
und aktueller denn je. Einer der überzeugendsten Beweise dafür ist die
in soziologischen Umfragen ermittelte Massenstimmung. Es zeigt sich,
dass sie von Jahr zu Jahr immer prosowjetischer wird.
Nach jüngsten, großangelegten Meinungsumfragen über die Einstellung
unserer Gesellschaft zur Sowjetära halten drei Viertel der Bevölkerung
sie für die beste in der russischen Geschichte. Nur 18 Prozent sind mit
dieser Einschätzung überhaupt nicht einverstanden. 65 Prozent der
Befragten bedauern den Zusammenbruch der UdSSR vorbehaltlos. Genauso
viele sind davon überzeugt, dass die Katastrophe hätte vermieden werden
können.
Diejenigen, die solche Gefühle kategorisch ablehnen, versuchen sie
ausschließlich auf die Nostalgie von Menschen zurückzuführen, die in der
Sowjetunion aufgewachsen sind und sich an die Zeiten ihrer Kindheit und
Jugend erinnern. Das ist jedoch eine oberflächliche und tendenziöse
Interpretation. Sie wird allein schon durch die Tatsache widerlegt, dass
das Interesse an der sowjetischen Geschichte und ihre positive Bewertung
bei jungen Menschen zunimmt, d. h. denjenigen, die am Ende des 20. und
zu Beginn des 21. Jahrhunderts geboren wurden und im postsowjetischen,
kapitalistischen Russland aufgewachsen und ausgebildet worden sind. Die
Analyse der Urteile der älteren Generation führt zu dem Schluss, dass
das sowjetische Entwicklungsmodell von ihnen nicht nur aus subjektiven
Gründen, die mit nostalgischen Gefühlen zusammenhängen, als am besten
geeignet angesehen wird.
Wenn wir darüber sprechen, wie die Bürger des heutigen Russlands über
die Sowjetzeit denken, sollten wir betonen, dass die wichtigsten
Errungenschaften meist im sozialen Bereich genannt werden. Fast 60
Prozent der Befragten sehen die Fürsorge für die einfachen Menschen an
erster Stelle. Mehr als 40 Prozent nennen wirtschaftliche Erfolge und
keine Arbeitslosigkeit. Mehr als ein Drittel verweist auf die ständige
Verbesserung des Lebens der Menschen und die Tatsache, dass die
Sowjetunion die fortschrittlichste Wissenschaft und Kultur vorweisen
konnte. Dies ist nicht nur und nicht so sehr Nostalgie als Ergebnis
eines direkten Vergleichs der sowjetischen und postsowjetischen
sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Erfahrungen. Ein Vergleich,
der zu einer sicheren Schlussfolgerung über die objektiven
Systemvorteile der damaligen Zeit führt.
Jeder, der in der Lage ist, grundlegende Fakten und Daten zu vergleichen
und zu analysieren, kann nicht umhin, zu dem Schluss zu kommen, dass die
sowjetische Geschichte die Vorzüge sozialistischer Regierungsprinzipien
und einer gerechten Verteilung des nationalen Reichtums überzeugend belegt.
In den letzten zehn Jahren wuchs unsere Wirtschaft mit einer
durchschnittlichen jährlichen Rate von nicht mehr als einem Prozent. Die
Wirtschaft der UdSSR wuchs dagegen in den ersten drei Jahrzehnten ihres
Bestehens, als ihre finanziellen und produktiven Grundlagen geschaffen
wurden, im Durchschnitt um fast 14 Prozent jährlich. Das ist ein
Ergebnis, das kein anderer Staat auf der Welt wiederholen konnte.
Nicht anders als das vorrevolutionäre kapitalistische Russland und auch
das heutige steigerte die UdSSR ihre Industrieproduktion in denselben 30
Jahren um das 13fache. Während die USA sie nur verdoppelten, erhöhte
Großbritannien sie um 60 Prozent.
Bereits während des ersten sowjetischen Fünfjahresplans wurden über
1.500 Industriebetriebe errichtet. Darunter befanden sich solche
Giganten wie Dneproges, das Ural-Kusnezker Metallurgiekombinat, die
Stalingrader und Charkower Traktorenwerke, die Moskauer und die
Gorki-Autofabriken. Im gleichen Zeitraum wurde der Bau der
Turkestan-Sibirischen Eisenbahn abgeschlossen. Die Schwerindustrie in
der UdSSR wuchs fast um das Dreifache, der Maschinenbau um das
Vierfache. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der
Industrieproduktion betrug 15 Prozent, die Arbeitsproduktivität stieg um
fast ein Drittel.
In den Fünfjahrplänen der Vorkriegszeit wurden 9.000 große
Industrieunternehmen gegründet. Die Bruttoproduktion stieg im Vergleich
zu 1913 fast um das Achtfache. Neue Industrien wurden buchstäblich aus
dem Nichts geschaffen – Werkzeugmaschinenbau, Traktorenbau, chemische
Industrie und Flugzeugbau.
Hunderte von neuen Städten entstanden – Komsomolsk am Amur,
Magnitogorsk, Elektrostal und viele andere. Allein das
Dnjepr-Wasserkraftwerk erzeugte mehr Energie als alle Kraftwerke im
zaristischen Russland. Die drei Werke in Magnitogorsk, Kusnezk und
Makejewka produzierten so viel Eisen wie die gesamte Industrie des
Zarenreichs.
Trotz der enormen Verluste, die unser Land im Kampf gegen den Faschismus
erlitten hatte, erholte sich die Volkswirtschaft nach dem Sieg nicht nur
rasch, sondern verzeichnete auch ein enormes Wachstum. In den ersten
fünf Nachkriegsjahren nahm die Sowjetunion mehr als 6.000 Industrie- und
Energieanlagen in Betrieb. Die UdSSR stellte selbstbewusst die
wirtschaftliche Überlegenheit der Vereinigten Staaten in Frage. Dort
betrug die Wachstumsrate des Volkseinkommens weniger als drei Prozent
pro Jahr, in unserem Land lag sie bei über vier Prozent. In den USA
wuchs die Industrieproduktion um weniger als drei Prozent jährlich, in
der Sowjetunion um mehr als fünf Prozent. In den 1960er Jahren war einer
von vier Wissenschaftlern der Welt ein Bürger der UdSSR.
Die kolossalen wirtschaftlichen Erfolge zogen ebenso überzeugende
soziale Ergebnisse nach sich. Die sowjetische Wirtschaft ermöglichte es
nicht nur, die Arbeitslosigkeit vollständig zu beseitigen, sondern auch,
jedem einen Arbeitsplatz in seinem Beruf zu garantieren. Diese
historische Leistung beruhte vor allem auf dem raschen Wachstum der Zahl
der neuen Unternehmen und der ständigen Steigerung ihrer
Produktionskapazität.
In den letzten 30 Jahren ist die mittlere Lebenserwartung nach Angaben
von Demographen nur um 1,5 Jahre gestiegen. In den letzten Jahren
verwandelte sich der langsame Anstieg sogar in einen Rückgang, d. h. in
den letzten drei Jahren wurde das symbolische Bevölkerungswachstum durch
Aussterben ersetzt. In dieser Zeit ist die Zahl der indigenen Einwohner
Russlands um zwei Millionen zurückgegangen. Die UdSSR lag bei der
Lebenserwartung Anfang der 1970er Jahre nicht nur vor den USA, sondern
auch vor den meisten führenden europäischen Ländern. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass man in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts im
Durchschnitt 17 Jahre weniger lebte als in Amerika.
Mit Ausnahme der Kriegsjahre, in denen 27 Millionen Sowjetbürger ums
Leben kamen, verzeichnete das Russland der Sowjetzeit ein konstantes und
schnelles Bevölkerungswachstum. Vor dem Großen Vaterländischen Krieg
lebten 111 Millionen Menschen innerhalb der Grenzen der RSFSR. Und diese
Zahl wurde schon zehn Jahre nach dem Sieg wieder erreicht. Bis Anfang
der 1980er Jahre wuchs die russische Bevölkerung im Vergleich zur
Vorkriegszeit um fast 40 Millionen, das sind doppelt so viele wie in den
ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.
Es ist einfach nicht fair, die Schlussfolgerungen derjenigen, die diese
Errungenschaften mit den Ergebnissen der drei postsowjetischen
Jahrzehnte vergleichen, auf rein nostalgische Gefühle zu reduzieren.
Jeder vernünftige Mensch kann nicht umhin, sich zu fragen, warum in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die RSFSR ein Zehntel der
Weltproduktion, auf die UdSSR ein Fünftel, auf die Länder der
sozialistischen Gemeinschaft zusammen 40 Prozent entfielen, aber auf das
heutige Russland weniger als zwei Prozent. Warum haben wir es in den
letzten drei Jahrzehnten nicht geschafft, die Folgen des Niedergangs
unserer Binnenwirtschaft zu überwinden, die seit Anfang der 1990er Jahre
in eine chronische Krise geraten ist? Warum ist sie nach wie vor
unterfinanziert, technologisch rückständig und unproduktiv? Warum kann
sie nicht mit den Problemen fertig werden, die bereits in den ersten
Tagen der Sowjetmacht überwunden wurden? Die unvermeidlichen Antworten
auf diese Fragen ergeben sich nicht aus nostalgischen Gefühlen, sondern
aus elementarer Logik.
Sie führt auch zu einer enttäuschenden, aber ebenso unausweichlichen
Schlussfolgerung: Das Wirtschaftssystem, das sich in unserem Land nach
der Absage an die sozialistische Entwicklung etabliert hat, ist
prinzipiell nicht in der Lage, das Wohlergehen der Bürger zu
gewährleisten. Heute leben mehr als 20 Millionen unterhalb der
Armutsgrenze, beim Mindestlohn liegen wir im sechsten Dezil
(Zehnergruppen) der Staaten.
Wir können nicht akzeptieren, dass fast ein Viertel der Familien mit
Kindern in Armut lebt und mehr als die Hälfte der Familien mit vielen
Kindern, dass die Verarmung Dutzende von Millionen Menschen in die
Schuldenfalle treibt, so dass die Gesamtverschuldung der russischen
Kreditnehmer bei den Banken bereits fast den Umfang des föderalen
Haushalts erreicht. Denn unser Land steht weltweit an erster Stelle, was
das Verhältnis zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und dem Gesamtvermögen
der Milliardäre betrifft, das 36 Prozent des BIP beträgt. Wir können
nicht akzeptieren, dass im 21. Jahrhundert Russland das einzige Land der
Welt ist, in dem das Gesamtkapital von Hunderten von Dollarmillionären
die gesamten Bankeinlagen aller anderen Bürger übersteigt.
All dies deutet nicht nur auf eine weitverbreitete Armut, eine höchst
ungleiche Verteilung des nationalen Reichtums und die Ergebnisse seiner
Verwendung hin. Das schafft jene Art von sozialer Spaltung, die in der
heutigen Zeit, in der die Gesellschaft soweit wie möglich geeint sein
muss, um äußeren Bedrohungen zu begegnen, doppelt gefährlich ist.
Es ist unmöglich, teilnahmslos zur Kenntnis zu nehmen, dass Russland,
das reichste Land der Erde, das im 20. Jahrhundert die größten
Durchbrüche in Wissenschaft, Bildung, Medizin und im Kampf gegen die
gefährlichsten Infektionen erzielt hat, in diesem Jahrhundert auf Platz
96 in der Welt bei der Lebenserwartung und auf Platz 52 beim materiellen
Lebensstandard zurückgefallen ist.
Es ist nicht zu übersehen, dass in einem Land, in dem zu Sowjetzeiten,
selbst in den schwierigsten Kriegsjahren, bis zu 17 Prozent der gesamten
staatlichen Haushaltsausgaben für die Bildung aufgewendet wurden, diese
Ausgaben heute nicht mehr als vier Prozent der gesamten
Haushaltsausgaben betragen und nicht einmal ein Prozent des BIP erreichen.
Natürlich kann die russische Führung nicht umhin, die wachsenden
Systemprobleme zu erkennen. Es ist kein Zufall, dass in den Dekreten und
Ansprachen des Präsidenten in den letzten zehn Jahren immer wieder
strategische Ziele wie die Überwindung des Bevölkerungsrückgangs und der
Massenarmut, ein technologischer Durchbruch, das Erreichen von
Wirtschaftswachstumsraten über dem Weltdurchschnitt und der Aufstieg zu
einer der fünf größten Volkswirtschaften der Welt genannt wurden. Um
diese Ziele nicht nur zu formulieren, sondern auch in der Praxis zu
verwirklichen, bedarf es jedoch eines grundlegenden Kurswechsels, einer
kategorischen Ablehnung des Marktfundamentalismus, einer Rückbesinnung
auf ein vollwertiges Programm unabhängiger Entwicklung und einer
Rückbesinnung auf die besten Erfahrungen der sowjetischen Verwaltung und
des sozialen und wirtschaftlichen Aufbaus. Die herausragenden
Errungenschaften der Sowjetzeit beweisen dies ebenso wie die
Misserfolge, die wir in den letzten Jahrzehnten in diesen Bereichen
erlitten haben.
Das Thema der wichtigsten Plenarsitzung der Konferenz, an der wir
teilnehmen, lautet »Die Erfindung des Sowjetischen: Praktiken,
Paradoxien und Perspektiven der Resowjetisierung«. Aber die Sowjetunion
als ein System von Werten und Prinzipien, als ein soziales und
wirtschaftliches System, muss in keiner Weise neu erfunden und
umgestaltet werden. Die genannten Leistungen dieses Systems sprechen für
sich, wie leider die Fehler und Misserfolge der dreißig postsowjetischen
Jahre selbst für sich sprechen. Dies ist die Grundlage für die
Überzeugung der Kommunisten, dass die Perspektiven der Resowjetisierung
für unser Land nicht nur vielversprechend sind, sondern auch die einzig
möglichen angesichts der bedeutsamen Aufgaben des Wiederaufbaus, vor
denen es heute steht.
Leider kann man von einer Resowjetisierung auf staatlicher Ebene noch
nicht sprechen. Aber wir glauben, dass sie für Russland lebenswichtig
ist. Und eines der wichtigsten Anzeichen dafür ist die rasche
Resowjetisierung des Massenbewusstseins, das für die Verbindung zwischen
den bewährten historischen Errungenschaften des Sowjetsystems und dem
Bild einer Zukunft sensibilisiert ist, in der wir auf den Weg der vollen
Entwicklung und der wahren Souveränität zurückkehren können. Diese
Souveränität, deren einzige Voraussetzung die untrennbare Verbindung
zwischen politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit ist, wurde von
unserem Land erst in der Sowjetära, nur auf der Grundlage des
Sozialismus, vollständig erreicht.
Aber das bittere Paradoxon der Resowjetisierung – kein echtes, sondern
ein fiktives Surrogat, das sie uns oft aufzuzwingen versuchen – kann man
heute getrost als Realität bezeichnen. Dieses Paradox besteht darin,
dass man zwar die Größe der Errungenschaften der Sowjetzeit anerkennt,
sie aber aus dem Kontext des Sozialismus herauslösen will, ohne den sie
nicht verwirklicht werden konnten. Und ohne ihn können sie nicht
reproduziert werden.
Wir können keine Renaissance und keine erfolgreiche Entwicklung
erwarten, wenn wir weiterhin an den Grundsätzen des
Marktfundamentalismus festhalten, an den Einstellungen, die das System
des transnationalen Kapitals hervorbringt. Dessen Ziel, das durch nichts
mehr verdeckt wird, ist die Zerstörung unseres Landes, die Beseitigung
unserer Staatlichkeit. Und wer sich weiterhin auf eine solche
Möglichkeit verlässt, begeht nicht nur einen gefährlichen, sondern einen
kriminellen Fehler.
Unsere Konferenz findet in einer der größten wissenschaftlichen
Einrichtungen in Zentralrussland statt. Und heute ist es besonders
angebracht, sich auf die Erkenntnisse von Wissenschaftlern zu beziehen,
die einen direkten Bezug zu dem von uns behandelten Thema haben.
Kürzlich wurde in der Zeitschrift »Fragen der politischen Ökonomie«
(»Вопросы политической экономии«) der Artikel »Der gebrochene
Entwicklungsvektor der russischen Wirtschaft« veröffentlicht. Er basiert
auf Forschungsarbeiten von Fachleuten der Abteilung für politische
Ökonomie der Staatlichen Universität Moskau. Die in diesem
Analysematerial dargelegten Schlussfolgerungen und Vorschläge stimmen
fast vollständig mit den Positionen, Programmthesen und Forderungen
unserer Partei überein.
Die Autoren beschreiben das Wirtschaftsmodell, das in Russland nach dem
Zusammenbruch der UdSSR eingeführt wurde, als kategorisch ineffizient
und im Widerspruch zu den Entwicklungszielen. Als wichtigsten Beleg für
diese Schlussfolgerung führen sie die folgenden Daten an: Das reale BIP
Russlands ist derzeit um 20 bis 25 Prozent höher als im Jahr 1990,
während sich der Umfang der Weltwirtschaft seit 1990 fast verdreifacht
hat. So war das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den letzten
drei Jahrzehnten weltweit mindestens zwölfmal so hoch wie das Russlands.
Als Hauptgrund dafür wird die ineffiziente und unverantwortliche
Verwaltung der Wirtschaft infolge der Privatisierung genannt. Aufgrund
der praktisch illegalen Privatisierungsgeschäfte sind die meisten
russischen Unternehmen in den Händen von Eigentümern gelandet, die über
keine ernsthaften Managementfähigkeiten verfügen. Gleichzeitig sind sie
nicht bereit, die für die Entwicklung erforderlichen Mittel zu
investieren, sondern sind nur auf ihren persönlichen Profit bedacht und
ziehen unbegrenzte finanzielle Mittel ins Ausland ab. Nur 15 Prozent der
strategisch wichtigen Vermögenswerte verbleiben in den Händen des
Staates. Diese beklagenswerten Ergebnisse der Privatisierung wirken sich
bis heute auf die heimische Wirtschaft aus und bestimmen fast
vollständig deren Charakter und Zukunftsperspektiven.
Den einzig wirksamen Ausweg aus dieser Situation sehen die
Wissenschaftler in der Überführung strategisch wichtiger
Wirtschaftsbereiche in die Hände des Staates. Mit anderen Worten:
Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen und Entfernung der derzeitigen
Oligarchie aus der Verwaltung der Wirtschaft des Landes.
Die Experten fordern auch eine Wiederbelebung der sowjetischen Praxis
der Fünfjahrpläne. In erster Linie sollten sie die vollständige
Wiederherstellung bestehender Einrichtungen und die Schaffung neuer
Einrichtungen für bahnbrechende technologische Entwicklungen umfassen.
Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Wandel nur auf der Grundlage
eines kohärenten staatlichen Programms erfolgen kann, das eine
grundlegende Überarbeitung des wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklungsmodells des Landes beinhaltet. Nach unserer Überzeugung kann
ein solches Programm nur sozialistisch sein und das Beste aus der
sowjetischen Praxis und den jüngsten technologischen Fortschritten vereinen.
Es war die KPRF, die der Gesellschaft ein solches Programm vorschlug,
das aus den Bemühungen der besten Spezialisten hervorging und von
Wissenschaftlern, Industriellen, Vertretern des Bildungswesens und der
Medizin aktiv unterstützt wurde.
Wir haben eine Reihe von Maßnahmen zur Wiederbelebung des russischen
ländlichen Raums und zur grundlegenden Verbesserung der Produktivität
des Agrarsektors entwickelt. Die wichtigsten davon spiegeln sich in
unseren Programmen »Neues Neuland« und »Nachhaltige Ländliche
Entwicklung« wider.
Wir haben ein überzeugendes Programm für die Wiederbelebung der
heimischen Wissenschaft und Bildung vorgelegt, auf dem unser
Gesetzentwurf »Bildung für alle« basiert.
Als wir einer Flut von feindlichen Sanktionen ausgesetzt waren, als der
Westen offen erklärte, dass es sein Ziel sei, unsere Wirtschaft und
damit unser Land selbst zu zerstören, waren wir es, die »Zwanzig
Sofortmaßnahmen für die Umgestaltung Russlands« vorschlugen.
Sie enthalten einen klaren Plan zur Verstaatlichung von
Schlüsselbereichen der Wirtschaft und des Bankensystems.
Wiederherstellung der staatlichen Planung. Gewährleistung der
Ernährungssicherheit und Schutz der Interessen der heimischen
Agrarindustrie. Erleichterung des Finanzsystems des Landes zur Förderung
der wirtschaftlichen Entwicklung. Begrenzung der Ausfuhr von
Finanzmitteln ins Ausland. Starker Schutz der Arbeitnehmer vor
Arbeitslosigkeit und Elend. Eine Verdoppelung des existenzsichernden
Lohns und des Mindestlohns.
Im Titel dieser wissenschaftlichen Konferenz »Die UdSSR: Eine vergangene
Zukunft?« (»СССР: прошедшее будущее?«) steht ein Fragezeichen. Aber für
uns gibt es kein Fragezeichen. Für uns steht anstelle des Fragezeichens
ein festes und selbstbewusstes Ausrufezeichen.
Die immer stärkere Hinwendung des Massenbewusstseins zu sozialistischen
Prioritäten ist nicht mehr nur ein russischer, sondern ein weltweiter
Trend. Und so sehr sich die »Eliten« auch bemühen, dies zu verschleiern,
es fällt ihnen immer schwerer.
Die beiden dramatischen Ereignisse, die die ganze Welt erschüttert haben
– die globale Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 und 2009 sowie die
Coronavirus-Pandemie – haben die Erschöpfung und Sinnlosigkeit des
kapitalistischen Systems in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Und
sie waren ein deutliches Zeichen dafür, dass die Menschheit mit dem
neuen Jahrtausend in eine Periode des endgültigen Zusammenbruchs
eingetreten ist.
Im Westen selbst, dem Zentrum des globalen Kapitalismus, haben führende
akademische Wirtschaftswissenschaftler noch nie so häufig und
selbstbewusst von dessen Bankrott gesprochen wie in den letzten Jahren.
Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat wiederholt darauf hingewiesen,
dass der Kapitalismus unzureichend ist und den Bedürfnissen der
Menschheit nicht gerecht wird. Stiglitz beharrt darauf: »Handlungen, die
die Ungleichheit verstärken – das ist es, was die Politik der
Regierenden in den letzten 30 Jahren ausgemacht hat«.
Thomas Piketty, einer der bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftler in
Europa, fordert eine gesetzliche Begrenzung des Vermögens von
Privatpersonen und Beschlagnahme des Großteils der Vermögen von
Milliardären, um es den Bedürfnissen der Gesellschaft zuzuführen.
Andernfalls, davon ist er überzeugt, wird die Welt unweigerlich in Chaos
und Aufruhr versinken.
Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Historiker Niall Ferguson
redet vom Scheitern und dem perversen Charakter des Neoliberalismus. Er
zählt die zerstörerischen Merkmale des modernen Kapitalismus auf, die
durch seine Ideologie hervorgerufen werden: stark wachsende
Staatsverschuldung, unaufhaltsamer Rückgang der Gesamtnachfrage, Zunahme
der versteckten Arbeitslosigkeit sowie Verschärfung der sozialen
Ungerechtigkeit.
Selbst die weitsichtigsten Mitglieder des Großkapitals müssen dies
akzeptieren, da sie wissen, dass eine systembedingte Katastrophe auch
sie in den Abgrund reißen wird. Ein Beispiel dafür ist der Milliardär
Ray Dalio, der als der reichste amerikanische Investor gilt. Im
Fernsehen und auf Wirtschaftsforen spricht er Klartext: Der
Kapitalismus, wie wir ihn kennen, ist nicht lebensfähig. Ohne einen
grundlegenden Wandel des Weltwirtschaftssystems hin zu echter sozialer
Gerechtigkeit ist eine Krise unvermeidlich, die zu Revolutionen und
Bürgerkriegen auf dem gesamten Planeten führen wird.
Die eklatante und hässliche Ungerechtigkeit eines Systems, das im
Interesse des globalen Kapitals aufgebaut wurde, wird von der
internationalen Forschungsorganisation Oxfam anschaulich dargestellt. In
diesem Jahr veröffentlichte sie den Bericht »Von der Krise zur
Katastrophe«. Dort heißt es: Das Gesamtvermögen der zehn reichsten
Menschen der Welt übersteigt das Vermögen von 40 Prozent der
Weltbevölkerung. Während der Coronavirus-Pandemie hat sich das
Gesamtvermögen der zehn Reichsten auf 1,5 Billionen Dollar mehr als
verdoppelt. Und das Kapital aller Dollarmilliardäre der Welt entspricht
55 Prozent des US-BIP. Gleichzeitig stieg die Zahl der Menschen, die
unterhalb der Armutsgrenze leben, um 163 Millionen. Die Realeinkommen
von 500 Millionen Menschen sind gesunken, das sind dreieinhalbmal so
viele wie in Russland. Heute gibt es mehr als 800 Millionen Menschen auf
der Welt, die mit zwei Dollar pro Tag auskommen müssen.
Die unvermeidliche Folge der sich verschlechternden sozialen Lage ist
das Anwachsen der Proteststimmung in der ganzen Welt, begleitet von
einer offensichtlichen Flucht breiter Massen. Dieser Prozess wird in
Europa und den Vereinigten Staaten immer deutlicher, in den Ländern, die
einst als sicherste Häfen des Kapitalismus galten. Zunächst erschien
dieser Protest vor dem Hintergrund einer epidemischen Krise. Jetzt
befindet sich unser Land in einer neuen Krisenspirale, die aus den
Versuchen des Westens resultiert, wirtschaftliches Engagement in
Russland zu untergraben. Dabei wird die linke, sozialistische Komponente
der Proteste immer deutlicher.
Der Linksruck im öffentlichen Bewusstsein spiegelt sich auch in
Meinungsumfragen in der ganzen Welt wider. Internationalen Umfragen
zufolge sind 60 Prozent der Weltbevölkerung mit dem kapitalistischen
System unzufrieden. Soziologen stellen fest, dass selbst in den USA, die
seit jeher die Hauptbastion des Antikommunismus und Neoliberalismus
sind, die sozialistische Stimmung stetig zunimmt. Heute bekennt sich
mehr als die Hälfte der dort befragten jungen Menschen zum Sozialismus.
Vor diesem Hintergrund hoffen die Globalisierer weiterhin auf einen
Sieg, indem sie einen Kreuzzug gegen diejenigen ausrufen, die eine
Alternative zu ihrem unipolaren Weltkonzentrationslager darstellen.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts erklärte Friedrich Hayek, der
Begründer der Ideologie des modernen Neoliberalismus, mit unverhohlenem
Zynismus: »Das Proletariat ist eine zusätzliche Bevölkerung.« Diese
Worte brachten die kriminelle und unmenschliche Haltung gegenüber den
Arbeitern als »minderwertige Rasse« zum Ausdruck, die es nicht verdient,
in Würde zu leben. Diese Haltung ist charakteristisch für die
Neoliberalen, die der Welt das sozioökonomische Äquivalent des
Nationalsozialismus aufzwingen. Heute müssen wir erkennen, dass für das
globale Kapital und seine Agenten die gesamte Menschheit – mit Ausnahme
der »Auserwählten«, die auf ihr schmarotzen – die gleiche »zusätzliche
Bevölkerung« ist, entbehrliches Material.
Heute befinden wir uns in einer Situation der direkten Konfrontation mit
den Trägern dieser verbrecherischen Ideologie. Sie sind es, die heute
hinter dem Naziregime in Kiew stehen. Wir müssen sie bekämpfen, um den
Donbass, Russland und die russische Welt zu verteidigen.
Wir können den Kampf um unsere Zukunft nur gewinnen, wenn wir das
Wirtschaftsmodell, das die Träger der gleichen Ideologie Russland Ende
des letzten Jahrhunderts aufgezwungen haben, bedingungslos ablehnen. Ein
Modell, das auf der Seite des Feindes gegen uns Krieg führt.
Es zu einem gerechten und wirksamen Modell des Sieges und der
Regeneration zu machen, ist unsere historische Aufgabe. Das ist es, was
eine echte Resowjetisierung für uns bedeutet, das ist ihre wichtigste
Bedeutung.
/(Übersetzung aus dem Russischen: Jutta Schölzel)
/
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.