09.01.2023

Das Buch der guten Werke 1914-1918

seniora.org, 09. Januar 2023

Die Jahrzahl 1914-1918  – furchtbarstes Datum neuerer Geschichte!  – macht es uns bitter schwer, an Gute Werke dieser Zeit zu denken.

Mit einem Vorwort zusammengestellt und herausgegeben von Bernhard Diebold 1932 im Societäts-Verlag Frankfurt am Main

Zitat: Denn eine ganz andere fatale Art von Werken wurde damals in der Welt getan, vor deren Zahl die guten Werke winzig klein geworden sind. Aber wie nur zehn Gerechte die tausend Verbrechen der Stadt Sodom entsühnen könnten, um durch ihr Beispiel unseren Glauben an das Menschliche im Menschen zu erhalten, so geschahen auch im Weltkrieg ein paar gute Werke als Gegenbeispiel und Ausnahme zur Regel des Krieges.


Bernhard Diebold

Dieses Buch enthält als Auswahl aus einer vielfachen Fülle einhundertsechsundsechzig Beiträge von Zeitgenossen des großen Krieges, die es für ihren schwer erschütterten Menschenglauben als einen bescheidenen Trost erachten, daß sie während der Jahre der Vernichtung von 1914 bis 1918 einmal ein gutes Werk an sich erleben durften. Es sind Leute aus allen Lagern der Nation, des Standes, der Rasse und Partei, die dieses Trostes bedürftig sind: Kaufleute, Arbeiter, Beamte, Lehrer, Handwerker, Angestellte. Offiziere.


Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, liebe Freunde, "Gute Werke" klingt religiös und trifft nicht den wahren Kern der Sache: Es geht um menschliche, menschenfreundliche Reaktionen im Kriegsgeschehen des Ersten Weltkriegs. Im WW1 waren ja die Gegner genauso blindwütig und idiotisch gegeneinander aufgestachelt worden, wie das jetzt wieder im Ukrainekonflikt gemacht wird, insbesondere von deutscher Seite. Der Autor Bernhard Diebold verfasste sein Werk 'der Völkerversöhnung statt Krieg' 1932, ist Schweizer und Jude. Er verstarb 1945 in Zürich. Wir erhielten den Hinweis zu diesem Buch mit Dank von unserem treuen Seniora-Leser und Mitdenker Wolf Gauer aus Südamerika, der sich über unsere Idee gefreut hatte, in Zukunft vermehrt auch Texte zu bringen, die das mitmenschliche Zusammengehörigkeitsgefühl ansprechen und den oft angsterzeugenden Kriegs- und Katastrophenberichten etwas entgegensetzen. Herzlich Margot und Willy Wahl


Dieses Buch beweist mit seinen vielen Stimmen, daß ein Mensch inmitten der entsetzlichsten Gefährdung seiner Menschlichkeit, nämlich im Kriege, dennoch die Stimme seines Herzens zu hören vermag in dem Getöse, das alle Ohren des Gefühls betäuben sollte. Und es ist sonderbar und wunderbar, daß diese leise Stimme von innen oft noch vernehmlicher zu unserem Krieger redet als die Todesgefahr, als das lauteste Kommando und die nur harte Pflicht gebietende Uniform.


So geschahen denn neben den Taten der soldatischen Pflichterfüllung und gegen alle Kriegsvernunft auch jene regelwidrigen Werke der Aufopferung und der kameradschaftlichen Gesinnung, die nicht nur geschehen sind von Kamerad zu Kamerad der eigenen Nation, sondern von Feind zu Feind. In Etappe, Gefangenschaft und Lazarett, ja selbst im Niemandsland zwischen den blutigen Gräben haben die offiziellen Feinde sich plötzlich nicht mehr als Feind erkennen können, sobald sie nicht als namenlose Massen gegen sich anstürmten, sondern auf einmal als mitleidender Einzelmensch dem leidenden Einzelmenschen von der anderen Seite gegenüber standen.


Und nichts beleuchtet krasser die seelische Zwiespältigkeit des Kriegers, der den beim Sturmangriff soeben noch mit schwerer Verwundung niedergekämpften Feind einen Augenblick später in die Arme nimmt, labt und die selbstgeschlagenen Wunden verbindet. Im einzelnen Erlebnis wird die krasse Sinnlosigkeit dieser doppelten Moral noch zur viel größeren seelischen Verblüffung als in dem riesigen Kontrast von Kriegs-Maschinerie und Sanitäts-Maschinerie, die beide der gleichen obersten Befehlsgewalt unterstellt sind: die mit der einen Hand mit aller Sorgfalt zu heilen sucht, was die andere Hand soeben noch brutal vernichten wollte.


So widersinnig müht sich der moderne Kriegsgott um Tod und Leben. Er ist kein großer Gott mehr, dieser alte Mars, der mit dem roten Kreuz geschmückt auf blutigroten Tod ausgeht. In der Mechanik seiner Massenarbeit kennt er den Feind nicht mehr als Krieger, nur als Zahl. Und vor der Zahl der Massen steht er nun ohne den echten Haß von Feind zu Feind im Zwange seiner Uniform. Und nur die Uniform kennzeichnet ihn dem Gegner als den Feind, den man vernichten soll.


Aber in dieser Uniform stecken zu gleicher Zeit zwei ganz verschiedene Seelen des nämlichen Mannes. Die eine Seele gehört dem Soldaten und untersteht der allgemeinen Pflicht: das Herz wird unempfindlich in der Disziplin, um all das Grauenhafte zu ertragen. Man tötet jenseits seiner anderen Seele. Ein toter Soldat ist eine tote Uniform. Die andere Seele aber bleibt die private des Mannes im Zivilanzug, der außerhalb der zwingenden Regel des Krieges sich vor den eigenen Waffentaten seiner Hand entsetzen würde. Zweierlei Mensch lebt in der Uniform, sofern ihr Träger nicht als soziales Menschgeschöpf entartet ist. Ach so oft nur vergaß der Mann der Uniform den Doppelgänger seiner nackten Seele!


Dieses Buch hat keine Tendenz; denn es gilt nur der Versöhnung. Jede Tendenz erzeugt eine Gegentendenz: neuen Krieg. Dieses Buch ist nicht »gegen«! Dieses Buch ist nur »für«! Und zwar für die Versöhnung jener, die nach diesem Kriege sich immer noch zu nationalem oder politischem Haß, um eben dieses Krieges willen, verpflichtet glauben. Bücher des Friedens, Filme der Abschreckung vom Kriege, treiben gegen ihre tiefere Absicht die feindlichen Gruppen gegeneinander. Dieses Kriegsbuch aber versucht die » positive Methode«, die nicht abschreckt vom Gegner, sondern ihn uns verbindet. Es will den unvermeidlichen Streit der Gesinnungen an jener Stelle überbrücken, wo jeder politische Gegner dem Gegner die Hand reichen darf in jenen Ernstfällen der Menschenprüfung, wo selbst der nationale Feind dem Feinde   – unter weit schlimmerer Bedrängnis   – Gutes tat.


Es sind zum größten Teil nicht unerhörte Heldentaten der Humanität, die hier gesammelt werden konnten. Auch die Liebeswerke der neutralen Länder, des Roten Kreuzes und der Quäker, die während dieser Schreckensjahre die einzige Vermittlung von Feind zu Feind und die Fürsorge für die Notleidenden im Hinterland auf sich nahmen, bleiben hier unerwähnt, weil hier die Tat von Mensch zu Mensch, von Feind zu Feind verzeichnet werden soll. O diese Tat ist oft nur klein und wäre unter friedlichen Verhältnissen nicht mehr als selbstverständlich.


Aber es herrschten 1914-1918 die für keine Situation und kein Gefühl mehr selbstverständlichen Verhältnisse des Krieges! In vielen dieser Geschichten ist oft das gute Werk nur eine winzige Kleinigkeit, die aber riesengroß wird in der Seele eines Unglücklichen und wie ein kleiner Stern ihm aus der schwarzen Welt herausleuchtet. Ein paar gute Worte eines Lagerkommandanten empfinden die Gefangenen als größte Wohltat an ihrem verlorenen Selbstgefühl. Doch nur: weil dieses arme kleine Wort des Feindes im Zwang des Kriegs nicht statthaft, ja vielleicht verboten, auf jeden Fall ganz außerordentlich und verblüffend war. Ein paar Zitronen für ein krankes Kind aus einer feindlichen Soldatenhand können für einen Augenblick das Evangelium der Liebe bedeuten.


So groß ist der Kontrast der Liebe und des Krieges. Das Unerwartete schafft Wunder. Aus der Wüste quillt ein Quell. Halbwilde Beduinen schenken verschmachtenden Gefangenen in Afrika ein paar Säcke Datteln. Feindliche Flieger werfen einen Kranz über die Linien zur Ehrung des gefallenen Kameraden von drüben. Ein Rabbiner hält dem sterbenden Gegner stundenlang das Kreuz Christi vor die erlöschenden Augen. Württembergische Soldaten stehlen in der Lombardei aus ihrem eigenen Lager Holz für ein altes frierendes Mütterchen. Ein deutscher Major sorgt für Tierschutz im besetzten Belgien. Für einen Schluck aus der Feldflasche küßt ein verwundeter Russe seinem Feind dreimal die Hand und macht ein Kreuz darüber, weil er sie segnen will mit dem heiligsten Zeichen, das er kennt   – so riesengroß und wunderbar erscheint ihm diese kleine, kleine Tat. Denn er ist namenlos verwundert und in seiner primitiven Welt erschüttert, daß der »Unmensch aus höherer Pflicht«   – ganz gegen jeden Sinn des Krieges der Soldaten gegen die Soldaten   – auf einmal ein völlig anderes Gesicht erhält: es ist das Antlitz jenes seelischen Doppelgängers ohne Uniform.


Der widersinnige Kontrast von Vernichtung und Rettung wird ihm zum unvergleichlichen Wunder. So mancher Begleitbrief dieser Einsendungen schließt im Bewußtsein seines kleinen Inhalts mit den Worten: »Das war zwar keine Heldentat, aber ...« Und dieses »aber« weist in oft ungelenken Worten hin auf die Unbegreiflichkeit der Güte eines Menschen, der doch töten muß; auf die wunderbare Verwandlung des Menschen aus einem Töter des Lebens in einen Helfer des Lebens. Durch dieses Wunder der Verwandlung wird alle Großheit oder Kleinheit einer guten Tat auf bösem Schauplatz relativ und untersteht einem äußerlich nicht wägbaren Maß der Seele.

Die gute Tat ist nicht allein zu messen nach dem Geber, sondern auch nach der Gesinnung des Empfängers. Denn die empfangene Wohltat war oft unendlich größer als die gegebene Gabe. Und Geben macht oft seliger als nehmen. Die gute Tat hat zwei Hände: die des Empfängers und die des Gebers. Die Hand des Gebers schenkt durchaus nicht immer aus dem Impuls einfachsten Menschgefühls. Wir kennen die Handlungen der soldatischen Ritterlichkeit, das echte Sportsgefühl der Fairneß, das auf Erziehung und Kultur beruht.


Es sind Taten einer bewundernswerten Disziplin, vor denen aber die nicht minder »fairen« Taten jener einfachen und namenlosen Muschiks, Landser, Poilus und Tommys, die jener Erziehung zum Gentleman hier nicht bedurften, nur noch erstaunlicher erscheinen. Und es gibt auch Taten der nackten Eitelkeit des Edelmuts   – die aber immer noch weit besser ist als jene Eitelkeit der muskelstarken Brutalität im Sinne der Kaserne, die »die Vernichtung des Feindes um jeden Preis« befahl und sie an armen Kriegsgefangenen übte. Frontkrieger, die der tödlichen Vernichtung nahe waren, verstanden jene Art von Heroismus nicht mehr   – vom echten Major bis zum echten »Mann«. Auf den echten Mann kommt es an! Die Uniform ist eine Haut mit Dienstabzeichen. Darunter steckt der »Kamerad« oder der Unmensch.


Dieses Buch ist eine Auswahl von vielen hundert Bekundungen des Dankes an den feindlichen Helfer oder des Dankes an das Schicksal: daß unter Tausenden von Greueln die eine gute Tat geschehen durfte. Es ist kein Buch der Literatur   – denn kaum ein Dutzend Schriftsteller hat sich gemeldet   – sondern ein Buch der Erlebnisse und Bekenntnisse. Wenige davon sind in gepflegtem Stil gehalten; manche Schriftstücke zeigten eine ungeübte Hand und eine Rechtschreibung, die von der geistigen Einfachheit des Autors deutlich Kunde gab.


Auch erfahren wir, daß die Ausdrücke des Krieges sich immer noch erhalten haben: die Gulaschkanone; der Affe (Tornister); der Pudel (Bouteille, Feldflasche); das tote Niemandsland zwischen den Fronten; das Nix bum-bum! des Mannes, der nicht mehr schießen will; der Ausruf Guerre finie! zwischen zwei Feinden; und endlich jene geheimnisvolle »Sanitätsstunde«, während der die beiden Feinde ihre Verwundeten und Toten sammelten in der Stille zwischen den Schlachten. Manche baten den Herausgeber, er möge ihr schlechtes Deutsch in gutes Deutsch verwandeln.

Aber diesen Gefallen hat ihnen der Herausgeber durchaus nicht da getan, wo das ungelenke Deutsch viel weniger schlecht als schlicht war. Er hat zwar manches in der Erzählungsfolge umstellen müssen; hat manchen großen Strich durch die Schilderung der Schlacht gemacht; hat auch manchen Ort, manche Regimentsangabe und leider auch manchen Namen eines guten Täters streichen müssen, um einer überstrammen Militärbehörde und zivilem Denunziantentum nicht durch dies »Buch der Guten Werke« noch vierzehn Jahre nach dem Krieg womöglich einen Fingerzeig zu geben: daß hier ein Mensch gegen die höhere Disziplin sich ganz privat das einzig Menschenwürdige an vorschriftswidriger Humanität geleistet hat.


Bis auf solche Art von Aenderung und Kürzung der Berichte sollte der persönliche Ausdruck dieser »guten Krieger« von 1914-1918 möglichst bewahrt werden   – auf die Gefahr hin, daß gerade die literarischen Leser so manchen Satz sentimental, aufschneiderisch und romantisch finden werden. Aber der Literat hat es kraft seiner Hebung so viel leichter, sein eigenes Bedürfnis nach Sentiments und nach romantischer Selbstbespiegelung in die vornehmste Sprache der Gefühlsdistanz und der Bescheidenheit zu übersetzen; und er bedarf nicht wie die einfachen Gemüter der Ausdrucks-Muster aus dem sentimentalen Zeitungs- und Romanstil. Nicht jede Sentimentalität ist falsches Gefühl. Nicht alles Fabulieren ist Aufschneiderei. Auch die unglaublichsten Geschichten von Zufällen können so wahr sein   – ja so wahr wie das Leben.


Natürlich gab es unter den Abgewiesenen auch Erzähler aus purer Ichsucht und Eitelkeit. Da schrieb wahrhaftig ein Neutraler: wie er im Schnellzug zwischen Basel und Frankfurt für einen Schwerverwundeten von seinem wohlerworbenen Sitzplatz aufgestanden sei! und meint nun, diese außerordentliche Opfertat müsse im »Buch der Guten Werke« für die Ewigkeit und einen Platz im Himmel aufgehoben werden. Und aus dem ehemals deutschen Polen beginnt ein Brief: »Hiermit sende ich Ihnen einige Heldentaten, welche ich während des Weltkrieges als aktiver Soldat geleistet habe«. Und ein anderer schreibt im Wahne seines Selbstgefühls: »Da sprang ich aus dem Graben, um dem Kriege ein Ende zu machen!«


Aber auch bei diesen Beispielen ist eine üble Selbstbespiegelung zu unterscheiden von dem naiven Selbstgefühl des Mannes, der sein Erlebnis zwischen Feind und Feind sich und dem anderen hier verewigen wollte; oft nur damit auf diesem Wege sein ehemaliger Schützling oder Wohltäter von ihm erfahre. Immer wiederholt sich dieser Wunsch in den Begleitbriefen, dem Feindes-Kameraden von damals den schuldigen Dank zu erstatten, da ja der Name und die Adresse vergessen, oder der Zettel mit der Bleistiftaufschrift im Kriegsbetrieb verloren worden sei. Es kamen Dankesbriefe vom Bürgermeister eines besetzten Dorfes an Stabsärzte, die sich für die »feindlichen« Einwohner aufgeopfert haben. Es kamen Briefe von ehemaligen Gefangenen an ihre Quartierleute. Auf einer Visitenkarte danken die Offiziere eines französischen Brigadestabs dem bayrischen Unteroffizier, der sie auf dem Verwundetentransport in gute Obhut nahm, wobei der Dank genau so ehrt wie die Hilfe.


Die große Masse solcher kleinsten Züge der Humanität ergeben schließlich die ganze Erkenntnis: daß unter tausend Teufeln des Krieges neunhundert nur gezwungene arme Teufel waren.

Die im Kriege menschen-mögliche gute Tat besteht nur in wenigen Grundformen: Hilfe an Verwundeten, Schutz eines Schwachen, Fürsorge für Zivilbevölkerung, Milderung des Gefangenenschicksals. Diese Grundformen variieren je nach Schauplatz, Land, See, Luft; je nach Nationalität; je nach Rasse und Temperament der Beteiligten. Aber trotz dieser Aehnlichkeit der meisten kleinen oder großen Werke, sind sie im Einzelnen doch so verschieden wie alle Handlungen des Alltags, die sich auch täglich immer wiederholen und dennoch niemals seelisch gleich sind.


Immer wieder ist es der Trunk aus der Feldflasche, die Bergung im Geschützhagel, die letzte Zigarette im gemeinsamen Granatloch, die Münze oder der Ring als Dank für Hilfe in höchster Not. An dieser Aehnlichkeit der Situationen erkennt man, wie die Menschen in der ganzen Welt sich plötzlich gleich werden: wenn sie nur guten Herzens sind und sich in gleicher Not und gleicher Primitivität der peinlich anspruchlosesten Bedingungen des Lebens zusammenfinden.


Vor dem kostbaren Schluck aus der Feldflasche wird dem Verdurstenden der Wert von Aktienkapital oder »Weltanschauung« so völlig unwertbar wie dem, der arm ist an materiellen oder geistigen Gütern. In letzter Bedrängnis werden Brot und Wasser, oder ein Päckchen Verbandzeug zum größeren Friedensstifter als alle Garantieverträge. Diese Versöhnung von Mann zu Mann und Feind zu Feind gilt es in diesem »Buch der Guten Werke 1914-1918« festzuhalten.


Allerdings: der Krieg besteht durchaus nicht aus den Guten Werken. Sondern die guten Werke geschahen trotz des Krieges! Und für die allerwenigsten ward die Disziplin des Krieges auch zur moralischen Anstalt und zu jenem Stahlbad pflichtfreudiger Männlichkeit. Es wurden Tausende von guten Werken getan. Aber auf zehntausend gute Werke kamen zehn Millionen Tote, die nicht an guten Werken sterben mußten. Und wenn ein guter Feind dem eben blutig bezwungenen Gegner mitleidig das Bajonett aus den Eingeweiden zog, so war die entsetzliche Voraussetzung der guten Tat, daß man sich eben vorher Bajonette in den Leib gestoßen hatte. Und von zehn steckenden Bajonetten wurde wohl nur eines herausgezogen!


Die »Regel« des Krieges ist die grausamste, die je aufgestellt wurde, und was hier »gutes Werk« genannt wird, geschah im allgemeinen außerhalb der Kriegesregel; geschah meistens sogar gegen den harten Anspruch an die Entherztheit des Menschen, die in der militärischen Sprache so gerne zur Beherztheit umgedeutet wird. Dies stille Buch verlangt ganz stille und langsame Leser, damit sie vor der Kleinheit der guten Geschehnisse im großen Weltkrieg sich jederzeit die allgemeine und allmächtige Not vergegenwärtigen, vor der so unscheinbare gute Dinge zu sichtlich Guten Werken wachsen konnten. Hinter diesen kleinen Geschichten des Friedens aber tobt der rohe Krieg und der böse Tod. Nur vor dem blutigen Vorhang gewinnt das kleine Spiel der guten Krieger seine menschliche Bedeutung.


Dies Buch dient allen Nationen und ist doch ein deutsches Buch. Von Hundertsechsundsechzig Stücken stammen in dieser Auswahl hundertfünfundfünfzig Berichte von deutsch sprechenden und deutsch schreibenden Kriegsteilnehmern. Von diesen deutschen Schreibern redet nur etwa ein Drittel von Taten deutscher Soldaten, während die doppelte Zahl die Humanität des einstigen Feindes rühmt! Franzosen, Engländer, Russen und die weitere Entente vom Amerikaner bis zum Neger. Nachdem allein von deutscher Seite aus die guten Werke aller ehemals feindlichen Nationen willig gerühmt und dankbar geschildert werden, darf dieses aus dem Volke heraus entstandene Buch als wahres Dokument des Friedens gelten.


Quelle: https://www.projekt-gutenberg.org/diebold/gutwerke/chap001.html


Bernhard Diebold

Geboren am 6. 1. 1886 in Zürich; gestorben am 9. 8. 1945 in Zürich.

Nach einem abgebrochenen Jurastudium war Diebold bis 1908 Schauspielvolontär in Wien; danach studierte er Philologie und Theaterwissenschaft in Wien, Berlin und Bern (dort Promotion 1912). 1913-1917 arbeitete er als Dramaturg in München, anschließend in Berlin als Feuilletonredakteur der »Frankfurter Zeitung«. 1935 zog er als Jude sich nach Zürich zurück.

Quelle: Killy Literaturlexikon

 

Bernhard Diebold

Als das Theater der Kaiser, Toller und Brecht in den zwanziger Jahren seine grosse Zeit erlebte, war dies zugleich auch die Sternstunde der deutschen Theaterkritik. Und einer der bedeutendsten Kritiker neben Julius Bab, Alfred Polgar und Alfred Kerr war damals der Berliner Redaktor der Frankfurter Zeitung, Dr. Bernhard Diebold. Der gebürtige Zürcher galt nicht bloss als unbestrittener Fachmann für das expressionistische Drama, er sprach auch in Sachen Film ein gewichtiges Wort mit, und seine Haltung war politisch ebenso kompromisslos wie künstlerisch unbestechlich. 1928 nahm er den Fall Wagner vor den nationalistischen und rassistischen »Verehrern« in Schutz, und noch 1932 wagte er es, ein Buch der guten Werke herauszugeben, das mit allem Nachdruck Völkerversöhnung statt Krieg forderte. Keine Frage, dass Diebold, der dazu noch jüdischer Konfession war, nach 1933 Deutschland verlassen musste. So kam er, halb Heimkehrer, halb Emigrant, nach Zürich zurück, und wer den imposanten Mann, der auf demütigende Weise das Romanische Café mit dem Odéon hatte vertauschen müssen, nach 1935 näher kannte, der wusste, dass er in seinem besten Streben innerlich gebrochen war.

Quelle: http://www.linsmayer.ch/autoren/D/DieboltBernhard.html


Info: https://seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/das-buch-der-guten-werke-1914-1918

09.01.2023

Anton Hofreiter erfindet sich neu

taz.de, vom 31. 12. 2022, Von Tobias Schulze

Vor einem Jahr war der Grüne der große Verlierer der neuen Ampelkoalition: Statt in einem Ministerium, landete Hofreiter in der dritten Reihe. Dann begann der Krieg in der Ukraine

Fordert Waffen für die Ukraine und kann das auch begründen: Hofreiter vor der russischen Botschaft in Berlin Foto: Amin Akhtar/laif


Als Anton Hofreiter zum Jahresende Bilanz zieht, trifft er eine erfreuliche und eine niederschmetternde Feststellung. Die erfreuliche zuerst: „Mir als Person geht es gut.“

Hätte anders kommen können. Vor zwölf Monaten war Hofreiter die tragische Figur der Ampel. Jetzt aber, an seinem vorletzten Arbeitstag des Jahres, als er im Bundestag zum Gespräch empfängt, macht er einen aufgeräumten Eindruck. Alleine stehen lassen will er den Satz trotzdem nicht. Er fügt ein „aber“ an und es folgt der niederschmetternde Teil: „Die Weltlage ist nicht schön und man kann die Sorge haben, dass das nächste Jahr noch schlimmer wird.“ Damit ist er schon wieder bei seinem neuen großen Thema: Er befürchtet, dass Russland keines seiner Kriegsziele aufgegeben hat, einen neuen Angriff auf Kiew plant und zuschlägt, sobald die neuen Rekruten ausgebildet sind – falls nicht vorher genug Waffen an die Ukraine geliefert werden.

Man sollte immer mit dem Schlimmsten rechnen: Das, sagt Hofreiter, hat er in diesem Jahr gelernt. Nicht noch mal soll ihn etwas so überraschen wie der russische Angriff am 24. Februar, den er so großflächig, an drei Fronten, nicht erwartet hatte; der im Großen die Weltlage und das Leben von Millionen Ukrai­ne­r*in­nen durcheinandergewirbelt hat, im Kleinen aber auch seine Pläne.

Im Januar sieht es für den Oberbayern nach einem ruhigen Jahr aus. Er ist neu in seinem Job als Vorsitzender des Europa-Ausschusses, der in der Hierarchie des Bundestags nicht weit oben steht. Ein beschauliches 2022: Vielleicht wäre das für Hofreiter auch nicht schlecht nach acht Jahren als Fraktionschef und der Enttäuschung bei der Regierungsbildung. Verkehrsminister oder Landwirtschaftsminister, beide Ämter waren nach der Bundestagswahl in Reichweite – bevor Robert Habeck in letzter Minute den Realo Cem Özdemir als Minister durchsetzte. Für Hofreiter ging es statt nach oben in die dritte Reihe.

Bis zum 24. Februar. „Die anderen Sachen waren erst mal völlig weggeblasen“, sagt er über die Zeit nach Kriegsbeginn. Innerhalb weniger Wochen entsteht in der Öffentlichkeit ein neues Bild von Anton Hofreiter. Schnell ist der 52-Jährige ein Symbol, der Inbegriff der neuen Grünen, die von allen Parteien am leidenschaftlichsten für Militärhilfe werben.

Es ist eine Rolle, die Hofreiter für die Medien wieder interessant macht. Auf die Aufmerksamkeit, die ihm als Fraktionschef sicher war, muss er jetzt nicht verzichten. Als Maßstab kann man die Nachrichtenagentur dpa nehmen: In 190 ihrer Meldungen kommt Hofreiter in diesem Jahr vor, nur 30 weniger als im Vorjahr.

Man sollte aber nicht glauben, dass ihn das Verlangen nach Aufmerksamkeit so eifrig nach Panzern rufen lässt. Zumindest ist es das nicht allein. Es ist kein Zufall, dass es bei den Grünen kaum Kontroversen über die Waffenlieferungen gibt. Die Partei hat sich über Jahrzehnte ans Militärische rangerobbt, Hofreiter war die ganze Zeit dabei. Als Vorsitzender des Kreisverbands München-Land nahm er 1999 am Parteitag zum Kosovokrieg teil. Er stimmte für den Antrag des Vorstands, der es der Bundeswehr erlaubte, weitere Angriffe zu fliegen. Später erlebte er in den langen Oppositionsjahren in Berlin, wie die Grünen Kriterien für Militäreinsätze erarbeiteten, denen sie zustimmen würden.

Das ist der Hintergrund, vor dem man Anton Hofreiters Neuerfindung betrachten muss. Allerdings: Als besonders stürmisch fiel Hofreiter in all diesen Debatten nie auf, auch intern nicht. Was kam also dieses Jahr dazu?

Vieles hat mit seinem Ausschuss zu tun. Wer im Bundestag für die Europapolitik zuständig ist, hat naturgemäß viel mit Ver­tre­te­r*in­nen anderer EU-Staaten zu tun. „Es weitet den Blick“, sagt Hofreiter über den Austausch mit ihnen. „Dann fällt einem auf, dass Deutschland ein ähnliches Problem hat wie die USA: Wegen der eigenen Größe und Bedeutung berücksichtigt man die internationalen Debatten zu wenig und die nationalen zu stark.“

Manches hat man dann früher auf dem Schirm als andere. Der russische Truppenaufmarsch beschäftigt Fach­po­li­ti­ke­r*in­nen schon Wochen vor dem Krieg. Am Abend des 23. Februar ist klar, dass es ernst wird. Hofreiter erzählt, dass er sich den Wecker damals extra früh stellt. Um 5 Uhr liest er in den Eilmeldungen, dass der Angriff massiver ausfällt, als er beim Schlafengehen erwartet hat. Als sich wenige Stunden später die Grünen-Fraktion zu einer Videokonferenz trifft, fordert er schon Waffen. So weit sind noch nicht alle Abgeordneten. Ab jetzt ist Hofreiter oft vorne dran.

Auch mit den Reisen. Als einer der ersten Bundespolitiker fährt er im April in die Ukraine. Im November folgt eine zweite Reise. In Kiew steht ein Abendessen mit befreiten Kriegsgefangenen auf dem Programm. Einer erzählt, wie er im Gefecht einen Arm verlor, in die Hände der Russen geriet und gefoltert wurde. „Ich habe danach nichts mehr runterbekommen“, sagt Hofreiter.

Natürlich nimmt er von solchen Reisen auch mit, welche Waffen sich die Ukrainer wünschen. In Deutschland hat er sich Ex­per­t*in­nen gesucht, die er bei militärischen Fachfragen anruft. Hofreiter stürzt sich gern in Fakten – früher bei der Biodiversität, jetzt eben bei den Panzern. Eigentlich eine gute Angewohnheit. Es kann aber befremdlich wirken, wenn Hofreiter jetzt Waffengattungen runterrattert, statt bedrohte Tierarten. Er lerne so was nicht gern, beteuert Hofreiter. „Man sollte das als Ausschussvorsitzender nicht wissen müssen“, sagt er. „Traurigerweise muss man es aber doch, weil einem aus der Regierung immer wieder Argumente vorgehalten werden, die sich als falsch herausstellen, wenn man sie überprüft.“

Man kommt dann schnell zu Olaf Scholz, mit dem sich Hofreiter in diesem Jahr kein einziges Mal persönlich getroffen hat, der aber doch zu seinem Antagonisten wurde. Sein Verhältnis zum Kanzler stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. 2019 verhandelten Winfried Kretschmann und Hofreiter vor einer Bundesratssitzung mal mit Scholz über den CO2-Preis. Die FAZ schrieb, der damalige Finanzminister habe ein Konzept der beiden demonstrativ in den Müll geschmissen. Hofreiters Erinnerung weicht nur im Detail ab: Das Papier sei unterm Tisch gelandet.

Dabei haben die beiden Männer eines gemeinsam: Immer mit dem Schlimmsten zu rechnen, ist in der Ukraine-Politik auch zu einer Prämisse des Kanzlers geworden.

Am Abend des 23. Februar ist klar, dass es ernst wird. Hofreiter erzählt, dass er sich den Wecker damals extra früh stellt

Bei Scholz ist das Schlimmste ein Atomschlag der Russen. Er will das nicht provozieren. Damit begründet der Kanzler, warum er der Ukraine keine Kampfpanzer gewährt. Bei Hofreiter dagegen ist ein Atomschlag kaum vorstellbar, zu gravierend wären die Folgen für Russland selbst. Das Schlimmste ist für ihn ein russischer Sieg und ein neuer Krieg an anderer Stelle. Folgt man dem Gedanken, dürfte man bei Kampfpanzern noch nicht mal aufhören. Es sind zwei konträre Perspektiven, und aus jeder wirkt die andere brandgefährlich.

In einem Punkt nimmt sich Hofreiter inzwischen zurück. Er mosert zwar gelegentlich weiter über den Kanzler und dessen EU-Politik. „Wenn man in Europa unterwegs ist, merkt man, dass es da einfach an Gespür für die anderen Länder mangelt“, sagt er zum Beispiel. Er geht Scholz aber seltener so frontal an wie noch im April. „Das Problem ist im Kanzleramt“, sagt er damals in einem RTL-Interview.

Spitzen-Grüne lassen in den Tagen danach kaum eine Gelegenheit aus, sich von Hofreiter zu distanzieren. Er hat gegen einen Grundsatz verstoßen, mit dem die Grünen gut gefahren waren und den sie jetzt gerne auf die Koalition ausdehnen würden: Konflikte intern austragen, nach außen geschlossen auftreten. Nur hat Anton Hofreiter darauf keine Lust mehr. Als Fraktionschef musste er lange genug Rücksicht nehmen. Minister durfte er trotzdem nicht werden. Also redet er jetzt offener – was die Partei nicht mehr gewohnt ist. „Wenige reden noch gut über ihn“, schreibt der Spiegel im Sommer.

Am Jahresende hat sich das gelegt. Die Grünen haben in der Zwischenzeit festgestellt, dass in der Ampel gar nicht alle so nett über sie reden, wie sie über die Ampel. Hofreiter ist nicht mehr der Einzige, der gelegentlich zurückschlägt. Auf der anderen Seite hat er eben einen halben Gang zurückgeschaltet. Er sagt nicht, dass er es übertrieben hat. Er sagt, dass im Bundestag das Maximum erreicht sei, seitdem die Abgeordneten Ende April für die Lieferung schwerer Waffen stimmten.

Auf jeden Fall ist er heute nicht der Paria der Grünen. Trifft man als Reporter auf den Fluren des Bundestags zufällig den Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour, wenn man gerade auf dem Weg zum Gespräch mit Hofreiter ist, weiß der bei der Ankunft ein paar Minuten später schon, was man den Parteichef gefragt hat („Wird der noch mal was?“) und was der Parteichef geantwortet hat (leider vertraulich).

Die Frage ist nicht abwegig. 2023 müssen die Grünen ihre Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen für die Europawahl bestimmen. 2024 dürfen sie vielleicht einen EU-Kommissar bestimmen. Hat Hofreiter Interesse? Hätte er den nötigen Rückhalt? Hofreiter will nicht den Eindruck erwecken, dass ihn solche Fragen sonderlich beschäftigen. Zu seinen Chancen sagt er nur: „Man wird schauen, was die Zeit bringt.“ Auch das vergangene Jahr sei ja anders verlaufen, als man dachte.


Info: https://taz.de/Portraet-Anton-Hofreiter/!5901694&SuchRahmen=Print


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

09.01.2023

NATO: vom Verteidigungsbündnis zum Angriffspakt

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg will künftig auch präventiv angreifen dürfen: Im Bild online mit der University South-Florida © NATO (Bild)

globalbridge.ch, 07. Januar 2023 Autor: Christian Müller in Geschichte, Medienkritik, Militär

(Red.) Unter diesem Titel hat Christian Müller am 2. April 2021 transparent gemacht, was NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einer Zoom-Konferenz mit der Florida-University in den USA verraten hat: Die NATO hat vor, den Paragraphen 5 ihrer Statuten so abzuändern, dass sie auch Präventiv-Schläge durchführen kann. Zum damaligen Artikel:

NATO: vom Verteidigungsbündnis zum Angriffspakt


Christian Müller / 2.04.2021  Die NATO wurde 1949 als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion gegründet. Jetzt will sie auch präventiv angreifen dürfen.

1949, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, haben die USA, Kanada und zehn westeuropäische Länder die NATO gegründet, die Nordatlantik-Pakt-Organisation. Ihre Aufgabe war klar: die gemeinsame Verteidigung im Falle eines Angriffs der Sowjetunion. 1952 traten auch Griechenland und die Türkei bei. Und am 9. Mai 1955, also drei Jahre später, trat auch Westdeutschland der NATO bei. Erst jetzt reagierten die Sowjetunion und die neun in ihrem Einfluss stehenden Staaten Mittel- und Osteuropas und gründeten, am 14. Mai 1955, also fünf Tage später, den Warschauer Pakt.


Der Zweck der NATO wurde im Artikel 5 der Gründungsurkunde klar definiert: 

Artikel 5

«Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.

Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.»

Artikel 6 

Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere der Parteien jeder bewaffnete Angriff

– auf das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;

– auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder irgendeinem anderen europäischen Gebiet, in dem eine der Parteien bei Inkrafttreten des Vertrags eine Besatzung unterhält oder wenn sie sich im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses befinden.»

Die Kurzversion dieser Bestimmungen: Wenn auf ein Mitglied der NATO ein bewaffneter Angriff stattfindet, ist das wie ein bewaffneter Angriff auf mehrere oder alle Staaten der NATO, weshalb dann alle NATO-Mitglieder gemeinsam den bewaffneten Angriff abwehren.


Jetzt ist alles anders …

Am 25. März 2021 führten die US-amerikanische «University South Florida» in Tampa Florida und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine gut einstündige Online-Konferenz durch. Die Dozenten und Studierenden hatten Gelegenheit, Stoltenberg Fragen zu stellen, Stoltenberg war bereit zu antworten. Dabei erklärte Stoltenberg Folgendes (ab Minute 24): Früher war es einfach, es herrschte entweder Friede oder Krieg. Deshalb steht in Artikel 5 des Gründungsvertrages, dass die NATO bei bewaffneten Angriffen reagieren muss. Heute ist das ganz anders: Es gibt die Desinformation, die Cyber-Attacken, den hybriden Krieg. Deshalb muss die NATO den Artikel 5 umformulieren: Die NATO soll auch reagieren dürfen auf solche, also nicht bewaffnete Angriffe im ursprünglichen Sinn des Wortes. Und Jens Stoltenberg legte auch Gewicht darauf, dass die NATO nicht nur ein militärisches Bündnis sei, sondern vor allem auch ein politisches.


Mit diesem neuen, von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg propagierten Verständnis des «bewaffneten Angriffs» gibt sich die NATO den Freipass, ein anderes Land – konkret also vor allem Russland oder China – auch schon präventiv anzugreifen. Denn Desinformation, Cyber-Attacken und hybrider Krieg, das alles existiert bereits, seit Jahren und in allen Richtungen. Und klar dabei ist nichts: Wenn etwa – supponiert – ein Mitglied des israelischen Geheimdienstes Mossad aus einem Hotel in Moskau das IT-System des Schweizer Technologie-Konzerns RUAG hackt, dann kann das problemlos als russische Cyber-Attacke «identifiziert» werden.


Stoltenberg verdreht auch die Geschichte

Wenig überraschend in dieser Online-Konferenz war auch, dass der NATO-Generalsekretär einmal mehr betonte, die Osterweiterung der NATO sei keine Provokation gegenüber Russland und für Russland keine Bedrohung (im Video ab Minute 8.30). Dass der hochrenommierte US-amerikanische Historiker und auf Russland spezialisierte US-Diplomat George F. Kennan im Februar 1997, wenige Tage nach dem zweiten Amtsantritt Bill Clintons, in der «New York Times» ausdrücklich davor warnte, in Europa die NATO nach Osten zu erweitern, das weiss auch NATO-General Stoltenberg. Kennan 1997: «Unsere Meinung ist, offen herausgesagt, dass eine NATO-Erweiterung der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der ganzen Zeit seit dem Kalten Krieg wäre.» Doch US-Präsident Bill Clinton liess sich nicht beeindrucken und gab für die Osterweiterung grünes Licht. Mit genau den von George F. Kennan vorausgesagten Folgen.


Und was bedeutet der Klimawandel für die NATO?

Natürlich wollte eine USF-Studentin auch wissen, wie sich die NATO dem Klimawandel stellen werde. Stoltenberg bestätigte, dass der Klimawandel auch für die NATO eine «Herausforderung» – das euphemistische Synonym für das Wort «Problem» – sei.  Zum Beispiel, so Stoltenberg, müssten wegen des Anstiegs des Meeresspiegels die von den Kriegsschiffen der NATO benützten Meereshäfen umgebaut werden (im Video ab Minute 44). (Drei Tage vorher hatte Stoltenberg schon an einer Medienkonferenz in Brüssel und in Anwesenheit von US-Staatssekretär Antony Blinken erklärt, dass der Klimawandel eine grosse Herausforderung für die NATO sei, zum Beispiel auch für die Kampfanzüge, die auf extremere Wetterkonditionen angepasst werden müssen.) Und was mit den Millionen von Menschen, deren heutiger Lebensraum aufgrund der Erhöhung des Meeresspiegels unter Wasser gerät? Kein Thema für die NATO.


Die Strategie-Änderungen der NATO laufen unter dem Titel «NATO 2030» (siehe Aufmacherbild oben). Frage: Wer hat die Kompetenz, diese schwerwiegenden Änderungen gutzuheissen? Die Kriegs- und Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten? Die Regierungen der Mitgliedstaaten? Oder werden da dann auch die Parlamente der Mitgliedstaaten noch ein Wort mitzureden haben, was dringend nötig wäre?


Es lohnt sich, genau hinzuhören, wenn NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Politikern, Medienvertretern oder auch Studierenden im Gespräch ist. Besser schlafen kann man danach allerdings nicht.


Bis hier der damalige Artikel von Christian Müller auf Infosperber.ch.

Und heute, was hat sich seit dem 24. Februar geändert?

Es wird immer klarer, dass Putin nichts anderes entschieden hat, als was die NATO propagiert und programmiert hat: präventiv mit militärischen Mitteln angreifen zu dürfen, auch wenn man erst mit nicht-militärischen Mitteln provoziert und angegriffen worden ist (siehe dazu unbedingt Jens Stoltenberg im März 2021 ab Minute 24):


– Die USA haben sich, man weiss es dank einem abgehörten Telefon der US-amerikanischen Ukraine-Verantwortlichen Victoria «Fuck EU» Nuland, schon vor dem Putsch auf dem Kiever Maidan mit einem Einsatz von über fünf Milliarden US-Dollar in die ukrainische Politik eingemischt.

– Die USA haben 2013/14 auf dem Maidan intensiv Einfluss genommen, inkl. einem persönlichen Auftritt des damals prominentesten US-Senators McCain auf der Maidan-Rednerbühne.


– Die USA haben nach dem Putsch auf dem Maidan mit der Vertreibung des demokratisch gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch de facto entschieden, wie die neue Regierung zusammengesetzt wurde (inkl. vier Mitglieder der Neonazi-Partei Swoboda).


– Die USA haben anschließend im großen Stil mitgeholfen, die ukrainische Armee auszurüsten und die Truppen zu schulen, wie US-Generäte es heute nicht nur bestätigen, sondern sogar stolz darauf sind.


– Die von den USA gesteuerte NATO ist schon lange vor 2014 mit der Ukraine eine «Partnerschaft» eingegangen. Die Ukraine wurde von der NATO in Dutzenden von speziellen Programmen unterstützt (im Detail hier nachzulesen). Es ging immer um die sogenannte «interoperability», die NATO-Armee und die Armee der Ukraine «kompatibel» zu machen, so, dass sie im Kriegsfall perfekt zusammenarbeiten können. So etwa wurden die Hierarchiestufen in der ukrainischen Armee den NATO-Hierachiestufen angeglichen und die ukrainischen Offiziere mussten Englisch lernen, um die NATO-Befehle zu verstehen.


– In Polen und in Rumänien wurden Raketen-Abschuss-Basen erstellt, die dazu dienen können, Russland mit nuklear-geladenen Raketen zu beschiessen.


– Immer mehr gigantische NATO-Manöver mit Tausenden von aus den USA eingeflogenen Soldaten wurden im Norden wie im Süden gezielt an der russischen Grenze durchgeführt.

– Wie jetzt in der Ukraine immer konkreter sichtbar wird, wurden im Südosten der Ukraine an der Grenze zu den sich unabhängig erklärten Regionen von Donezk und Lugansk immense militärische Installationen erstellt.


– Die Bombardierungen der Russland-freundlichen Regionen Donezk und Lugansk wurden 2021 immer massiver.


– Die aufgrund all dieser Entwicklungen von Russland im Dezember 2021 verlangten Sicherheitsgarantien wurden von den USA und von der NATO pauschal verweigert.

Um es in den Worten von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu sagen: Die NATO hat bis am 24. Februar 2022 Russland zwar noch nicht mit traditionellen militärischen Mitteln angegriffen, aber mit x schwerwiegenden Massnahmen massiv provoziert und bedroht: Sie hat genau die Situation geschaffen, bei der die NATO gemäß den künftigen NATO-Statuten berechtigt sein will, schon präventiv anzugreifen. Sie will das Recht haben, so Stoltenberg, selber zu entscheiden, wann sie selber angreifen darf. (Minute 27: «Wir werden unseren Feinden nie bekanntgeben, wann wir Artikel 5 ‹aktivieren›.»)


Man erinnert sich: Am 5. Juni 1967 haben die israelischen Luftstreitkräfte in einem Präventivschlag (!) gegen die ägyptischen Air Bases den als «Sechstagekrieg» in die Geschichte eingegangenen damaligen Krieg begonnen – und Israel wurde für diesen «cleveren» Präventiv-Schlag international bejubelt. Die USA haben mehrere Kriege präventiv begonnen, oft waren andere NATO-Staaten mit dabei. Aber wenn Putin – gemäss der NATO-Doktrin, sie selber müsse entscheiden können, wann ein Präventivschlag fällig sei – wenn Putin entscheidet, es sei zu gefährlich, abzuwarten, bis die NATO Russland angreift, jetzt sei ein Präventivschlag von russischer Seite angemessen, dann schreien alle westlichen und nicht zuletzt alle NATO-Staaten, dass Putin «unprovoked» die Ukraine angegriffen habe – unterstützt von den meisten westlichen großen Medien. Das ist auf gut Deutsch die reine Heuchelei.


PS: Seit heute können auf der Schweizer Plattform Infosperber.ch, auf der der oben wiedergegebene Beitrag von Christian Müller am 2. April 2021 erstmals erschienen ist, die folgenden drei Sätze des Redaktionsleiters Urs P. Gasche gelesen werden (siehe die gelbe Box): «Wenn Historiker die Vorgeschichten analysieren und sich fragen, ob diese Kriege vielleicht hätten verhindert werden können, stellen sie damit die Verantwortung der Kriegsführenden nicht in Frage. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat eine lange Vorgeschichte. Über sie gilt es – aufgrund der heutigen Quellenlage – ebenfalls zu informieren, ohne die Verantwortung Russlands für den Krieg in Frage zu stellen.» So einfach ist es: Die Vorgeschichte des Krieges in der Ukraine kann sein wie sie will, die Verantwortung für den Krieg in der Ukraine trägt sowieso allein Russland. Die Frage zu stellen, wer mindestens mitverantwortlich ist – und dies notabene in hohem Masse – ist nicht erlaubt. – Globalbridge.ch nimmt sich das Recht, auch diese Frage zu stellen. (cm)


Meinungen in Beiträgen auf Globalbridge.ch entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.


Info:https://globalbridge.ch/nato-vom-verteidigungsbuendnis-zum-angriffspakt



unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

09.01.2023

„Das Gerede von roten Linien”  In Berlin werden Forderungen nach der Lieferung von Kampfpanzern und Kampfjets an die Ukraine laut. Westliche Militärs unterstützen deren Pläne, die Krim zurückzuerobern.

german-foreign-policy.com, 9. Januar 2023

BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Nach der Ankündigung der Bundesregierung, der Ukraine Schützenpanzer zu liefern, werden in Berlin weiterreichende Forderungen nach der Lieferung von Kampfpanzern und Kampfflugzeugen laut. Er „wünsche“ sich „eine europäische Initiative für die Lieferung von Leopard 2“, erklärt der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter. Vizekanzler Robert Habeck schließt Leopard 2-Lieferungen an Kiew nicht aus. Carlo Masala, Professor an der Münchner Bundeswehr-Universität, spricht sich dafür aus, den ukrainischen Streitkräften auch Kampfjets zur Verfügung zu stellen; diese benötige man für „Gegenoffensiven“. Masala und andere plädieren dafür, Russlands rote Linien nicht zu beachten. Zu den Gegenoffensiven, die zur Zeit diskutiert werden, gehört auch der Versuch, die Krim militärisch zurückzuerobern. Ein pensionierter US-General hält das bis August dieses Jahres für möglich. Freilich sei es dazu nötig, dass der Westen noch mehr Waffen an die Ukraine liefere, erklärt ein Ex-Berater des US-Generalstabs. Pläne, die Krim zurückzuerobern, sind in Kiew bereits im März 2021 per Präsidialdekret in Kraft gesetzt worden. Bei einer Realisierung könnten hunderttausende Russen zwangsvertrieben werden.


Zitat: Vom Marder zum Leopard

Die Ankündigung der Bundesregierung, der Ukraine Schützenpanzer vom Typ Marder zu liefern, wird von Hardlinern unmittelbar mit weiterreichenden Forderungen quittiert. Berlin hatte Kiew in der vergangenen Woche zugesagt, bis Ende März 40 Marder zur Verfügung zu stellen und ukrainische Soldaten an der Waffe auszubilden. Gleichzeitig hatte Washington der Ukraine US-Schützenpanzer vom Typ Bradley versprochen, Paris einen Tag zuvor französische Spähpanzer vom Typ AMX-10 RC.[1] Nun werden Forderungen lauter, auch Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in den Krieg zu schicken. So erklärt etwa die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Wir lassen nicht locker. Nach dem Marder kommt der Leopard. Ich bleibe dran.“[2] Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, äußert: „Ich würde mir wünschen, dass wir als Hauptherstellungsland für den Leopard 2 eine europäische Initative starten für die Lieferung von Leopard 2“.[3] Auch die Vizepräsidentin des Bundestags Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) plädiert für die Übergabe von Kampfpanzern: „Stehen zu bleiben, wäre falsch.“[4] Vizekanzler Robert Habeck schließt Leopard 2-Lieferungen an Kiew nicht mehr aus.[5]


Vom Panzer zum Kampfjet

Sogar noch weiter reichende Schritte werden inzwischen diskutiert. Bereits Ende Dezember hatte Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, konstatiert, bezüglich der Waffenlieferungen an die Ukraine werde inzwischen „von Schützenpanzern und Kampfflugzeugen geredet, die bisher weitgehend tabu waren“.[6] Masala befürwortete dies: „Panzer und Flugzeuge sind die einzige Lösung.“ Eine Lieferung von Kampfjets hatte bereits Mitte Dezember die Slowakei angekündigt. Nach Mitteilung von Außenminister Rastislav Káčer bereitete sich damals eine ukrainische Delegation auf eine Reise in die Slowakei vor, um gemeinsam mit slowakischen und US-amerikanischen Spezialisten die Übergabe der Flugzeuge vorzubereiten. „Ich bin optimistisch“, sagte Káčer, „dass die Flugzeuge bald in der Ukraine erscheinen werden“.[7] Masala erklärt jetzt nach der Entscheidung, Schützenpanzer zu liefern: „In zwei Monaten reden wir möglicherweise über Kampfflugzeuge“.[8] Noch ein Stück weiter geht der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk, der während seiner Amtszeit als Botschafter in Deutschland mit der Forderung vorgeprescht war, schwere Waffen zu liefern. Melnyk wünscht nun neben Kampfflugzeugen auch „Kampfdrohnen, Kriegsschiffe, U-Boote, ballistische Raketen“ – und zwar „schon morgen“.[9]


Nötig für „Gegenoffensiven“

Laut Masala sind inzwischen Hemmungen weitgehend gefallen, die bislang die Lieferung schwerer Waffen verhindert hatten – Hemmungen, man könne damit Russlands rote Linien überschreiten und nicht mehr nur verdeckt, sondern auch offen zur Kriegspartei werden. Bereits zuvor hatte etwa Strack-Zimmermann gefordert, die roten Linien zu ignorieren: „Wer von der Sorge fabuliert“, es werde mit bestimmten Waffenlieferungen „eine rote Linie gegenüber Russland überschritten“, der erzähle „die Geschichte des Aggressors, nicht die der Opfer“, behauptete Strack-Zimmermann.[10] Häufig zitiert wird in diesen Tagen ein Beitrag in der New York Times, in dem sich ein Experte des International Institute for Strategic Studies (IISS) aus London offen dafür aussprach, Moskaus rote Linien zu missachten: „Rote Linien sind fast immer weich, veränderlich und bedingt“.[11] Masala urteilt nun: „Dieses ganze Gerede von ‘Putin eskaliert, wenn wir bestimmte Waffensysteme liefern‘, ist jetzt endgültig vom Tisch“; dies öffne nun in der Tat „die Tür für andere Waffenlieferungen“.[12] Über den Zweck der Lieferung von Kampfpanzern, womöglich auch Kampfjets und mehr äußert Masala, „kriegsentscheidend“ sei diese zwar noch nicht; sie erleichtere allerdings „Gegenoffensiven der Ukrainer im Osten und im Süden“.


Die Rückeroberung der Krim

Zu den ukrainischen Offensiven, die in jüngster Zeit immer wieder diskutiert werden, zählt eine Offensive zur Rückeroberung der Krim. Sie erhält unter westlichen Militärs zunehmend Unterstützung. So geht Ben Hodges, Ex-Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte in Europa, davon aus, die Ukraine werde die Krim bis August dieses Jahres einnehmen können. Dazu müssten zunächst die zwei Versorgungswege für die Halbinsel unbrauchbar gemacht werden – die Krim-Brücke und der Landweg über Mariupol.[13] Damit werde die Krim „unhaltbar“, sagt Hodges voraus. Mick Ryan, ein Ex-Generalmajor aus Australien, der in der Vergangenheit unter anderem die U.S. Joint Chiefs of Staff beraten hat, hat Voraussetzungen skizziert, die es der Ukraine ermöglichen sollen, die Krim militärisch unter Kontrolle zu bekommen.[14] Demnach müsse die Ukraine zuerst die Gebiete Cherson und Saporischschja zurückerobern, um sodann die Krim über die schmale Landbrücke anzugreifen. Der Westen wiederum müsse bei seiner Unterstützung für die Ukraine Geschlossenheit wahren und seine Waffenlieferungen aufstocken. Kiew habe eine Liste der benötigten Waffen schon längst zusammengestellt, berichtet Ryan: Es handle sich um „Panzer, panzerbrechende Geschosse, Hubschrauber, Kampfjets“. Die Pläne seien da; es gehe nur noch „um politischen Willen“.


Zwangsvertreibungen

Die Rückeroberung der Krim hat die ukrainische Regierung bereits rund ein Jahr vor dem russischen Überfall zu planen begonnen. So hat Präsident Wolodymyr Selenskyj am 24. März 2021 eine Strategie per Dekret verbindlich gemacht, die zuvor vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine erarbeitet worden war und die „De-Okkupation und Reintegration“ der Krim vorsieht. Dazu seien eine Reihe verschiedenster Maßnahmen auf den Feldern von Politik, Diplomatie und Wirtschaft notwendig, aber auch militärische Schritte, hieß es. Versucht die Ukraine tatsächlich, die Krim auf militärischem Wege zurückzuerobern, dann könnte sie auf diese Pläne zurückgreifen. Im Rahmen der „De-Okkupation“ müssten unter anderem, das fordert die Krim-Beauftragte der ukrainischen Regierung, Tamila Taschewa, die 800.000 Russen, die seit 2014 auf die Krim umgezogen seien, zwangsweise vertrieben werden.[15]

 

[1] Eckart Lohse, Markus Wehner, Michaela Wiegel: Eine neue Dimension der Unterstützung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.01.2023.

[2] Markus Decker, Jan Emendörfer: Von „hätte früher kommen müssen“ bis „Riesenfortschritt“: Reaktionen auf die deutschen Waffenlieferungen. rnd.de 05.01.2023.

[3] Hofreiter: Müssen auch Kampfpanzer Leopard 2 liefern. daserste.de 06.01.2023.

[4] Rufe nach Leopard-Panzern für die Ukraine werden nach Marder-Zusage lauter. welt.de 08.01.2023.

[5] Habeck schließt Leopard-Lieferung nicht aus. welt.de 08.01.2023.

[6] „Panzer und Flugzeuge sind die einzige Lösung“. Süddeutsche Zeitung 27.12.2022.

[7] MiG-29 für die Ukraine. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.12.2022.

[8] Markus Decker, Jan Emendörfer: Von „hätte früher kommen müssen“ bis „Riesenfortschritt“: Reaktionen auf die deutschen Waffenlieferungen. rnd.de 05.01.2023.

[9] Can Merey: Melnyk: Ukraine braucht von Verbündeten auch Kampfjets, Kriegsschiffe und U-Boote. rnd.de 06.01.2023.

[10] Sven Christian Schulz: „Putin kennt keine roten Linien“. fr.de 08.01.2023.

[11] Nigel Gould-Davies: Putin Has No Red Lines. nytimes.com 01.01.2023.

[12] Markus Decker, Jan Emendörfer: Von „hätte früher kommen müssen“ bis „Riesenfortschritt“: Reaktionen auf die deutschen Waffenlieferungen. rnd.de 05.01.2023.

[13] When another military offensive might happen in Ukraine, and what it would look like. npr.org 02.01.2023.

[14] Fabian Sommavilla: Sehnsucht nach der Krim: Gelingt 2023 die Rückeroberung? derstandard.at 31.12.2022.

[15] Andrea Jeska: Droht den Krim-Russen die Vertreibung? NZZ am Sonntag 18.12.2022.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9125

09.01.2023

Exklusiv Korruption durch Kredit?: Lindner droht Strafverfahren wegen Bank-Grußwort

tagesspiegel.de, 08.01.2023, 16:09 Uhr, Von Jost Müller-Neuhof

Der Minister hielt eine Video-Rede für die Bank, die seinen Hauskauf finanziert. Nun prüft die Staatsanwaltschaft die Aufhebung von Lindners Abgeordneten-Immunität.


Zitat: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bei der Erstellung eines Minister-Grußworts für eine Karlsruher Privatkundenbank im Mai 2022 offenbar verschwiegen, dass er bei dem Institut einen Kredit für seinen privaten Hauskauf aufgenommen hat. Weil er sich nach dem Grußwort bei derselben Bank einen weiteren Kredit geben ließ, droht ihm jetzt ein Strafverfahren wegen Vorteilsannahme.


Wie der Tagesspiegel erfuhr, prüft die Korruptionsabteilung der Berliner Generalstaatsanwaltschaft derzeit die Aufhebung von Lindners Immunität als Abgeordneter, um förmlich ermitteln zu können. Ein Sprecher betonte, dies sei „in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird“. Eine Entscheidung wird zeitnah erwartet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist – wie in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird – aufgrund der Berichterstattung des „Spiegel“ in eine bei Abgeordneten in Hinblick auf deren Immunität übliche Vorprüfung eingetreten, die noch andauert.

Ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft

Lindners Handeln könnte strafbar sein, wenn die zweite Kreditvergabe mit dem dienstlichen Grußwort in Zusammenhang steht. Das ist eine Frage der näheren Umstände. Für eine Vorteilsannahme ist allerdings kein Bezug zu einer konkreten Diensthandlung erforderlich. Es soll verhindert werden, dass durch Amtsträger der bloße Anschein von Käuflichkeit erweckt wird. Daher könnten nun auch Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung gegen die BBBank drohen.


Lindner bestreitet eine Verbindung zwischen Kredit und Grußwort

Lindner bestritt auf Anfrage, dass es eine Verbindung zwischen seiner Immobilienfinanzierung und dem Grußwort gebe. Es habe aus seiner Sicht zudem keine Pflicht bestanden, die private Geschäftsverbindung zur BBBank im Ministerium offen zu legen.


Anlass für das Prüfverfahren der Staatsanwaltschaft waren Medienberichte des „Spiegel“ im vergangenen Oktober über Lindners privaten Hauskauf . Der Politiker hatte im Januar 2021 eine Immobilie in Berlin-Nikolassee für insgesamt 1,65 Millionen Euro erworben. Zugleich ließ er bei der BBBank, offenbar auch mit Blick auf hohe Sanierungskosten, eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro eintragen, die regelmäßig zur Absicherung von Krediten dienen.


Lindner war schon als Abgeordneter für Werbebotschaften der BBBank aufgetreten und hatte als Redner auf Abendveranstaltungen mehrere zehntausend Euro kassiert. Als die badische Genossenschaftsbank ihn um ein Grußwort für das 100-jährige Firmenjubiläum bat, beschied Lindner, nunmehr im Amt des Bundesfinanzministers, dies positiv und ließ im Mai 2022 eine Videoansprache produzieren.


2,8

Millionen ist die Höhe der Grundschulden, die Lindners Kredite bei der BBBank absichern sollen.


Wenige Wochen später, Anfang Juli 2022, lieh Lindner sich erneut Geld bei der BBBank und ließ eine weitere Grundschuld eintragen, diesmal über 450.000 Euro. Ob Linder dies bereits bei der Produktion des Minister-Grußworts beabsichtigte, ist unklar. Entsprechende Anfragen des Tagesspiegels an seinen Anwalt bleiben unbeantwortet.


Auch wollen weder Lindner persönlich noch das Bundesfinanzministerium bisher konkrete Angaben dazu machen, ob Lindner seine private Geschäftsbeziehung im Zusammenhang mit seinem dienstlich erstellten Grußwort intern transparent gemacht hat, etwa durch einen Vermerk oder Angaben gegenüber Beteiligten. Das Ministerium verweigert Auskünfte zu dieser Frage ganz, obwohl es als öffentliche Stelle dazu rechtlich verpflichtet wäre.


Lindner persönlich teilte über seinen Anwalt mit, es entbehre jeglicher Grundlage, dass „Dinge verheimlicht“ worden seien, da es diesbezüglich keine Offenlegungspflicht gegeben habe. Die Frage der Heimlichkeit kann allerdings eine herausgehobene Rolle bei der Frage spielen, ob in solchen Fällen eine strafbare Vorteilsannahme liegt.




Info: https://www.tagesspiegel.de/politik/korruption-durch-kredit-lindner-droht-strafverfahren-wegen-bank-grusswort-9145764.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE




Weiteres:




Korrumpierungseffekt


de.wikipedia.org, abgerufen am 9. Januar 2023 um 11:05 Uhr

 Beim Korrumpierungseffekt verdrängt sekundäre Motivation die vorherige primäre Motivation. Vorher hat die Tätigkeit selbst motiviert (intrinsisch), nachher motivieren vor allem Ergebnisse, die außerhalb der Tätigkeit liegen (extrinsisch, z. B. versprochene Belohnungen). Fällt nun der äußere Anreiz weg, geht das ursprünglich gerne und freiwillig gezeigte Verhalten zurück.


Andere Namen sind Korruptionseffekt, Verdrängungseffekt, Effekt der übermäßigen Rechtfertigung oder Selbst-Korrumpierung. Im Englischen heißt es overjustification effect (etwa: Überrechtfertigungs-Effekt).

Der Effekt kann auftreten, wenn Menschen bewusst oder unbewusst ihr eigenes Verhalten zunächst mit äußerem Druck (zwingende Umstände) oder einer Belohnung begründen, obwohl die wahre Ursache des Verhaltens in eigenen Wünschen oder Interessen lag (zum Beispiel Neugier). Auf das tatsächliche Verhalten bezogen kann es durch die Gabe eines äußeren Anreizes zu einer kurzfristigen Steigerung des bestärkten Verhaltens kommen.[1] Fällt der Anreiz dann aber weg, sinkt die Häufigkeit des entsprechenden Verhaltens jedoch unter das ursprüngliche Ausgangsniveau.[2][3] Intrinsische Motivation kann nur korrumpiert werden, wenn sie vorhanden und groß genug ist. Ist das Anfangsinteresse ohnehin gering, funktionieren äußere Anreize hingegen.[4]


Inhaltsverzeichnis

Theorie

Selbstwahrnehmungstheorie

Daryl Bem[5] leitete diesen Effekt aus seiner Selbstwahrnehmungstheorie ab. Der Effekt wird zusammenfassend so erklärt: Die Person nimmt wahr, dass sie für eine Tätigkeit, die sie bisher gern ausgeübt hat, eine Belohnung erhält. Daraus resultiert eine kognitive Neubewertung der Tätigkeit. Die Person nimmt nunmehr an, dass sie die Tätigkeit doch nicht so gerne tut, denn sie wird ja dafür so belohnt, wie sie es von anderen, von ihr weniger gern getanen Tätigkeiten kennt. Die bisherige Bewertung der Person über die Gründe für ihr Handeln wird korrumpiert und es kann darüber zu einer Änderung der Motivation kommen, was sich nachteilig auf die Leistungen in der ehemals gern ausgeübten Tätigkeit auswirken kann.

Diese Theorie hat unter anderem in der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie (ABO) kontroverse Diskussionen ausgelöst. Vor allem wegen ihrer Voraussage, dass eine (finanziell höhere) Belohnung nicht in allen Fällen angebracht sei, insbesondere dann nicht, wenn sich die Person engagiert mit einer Tätigkeit beschäftigt. Denn dieses Engagement stellt den Optimalzustand in vielen kommerziellen Tätigkeitsfeldern dar und sollte deshalb auch höher belohnt werden. Es ist schwer vertretbar, warum eine Person, die intrinsisch motiviert arbeitet und dabei mehr leistet, nicht höher belohnt werden sollte als andere Personen, die die ihnen übertragenen Arbeiten aus extrinsischen Motiven lediglich zufriedenstellend oder routiniert erledigen. Dies führte zu Kritiken und zu weitergehenden Forschungen.


Kognitive Evaluationstheorie

Neuere Forschungsbefunde[2][6][7][8][9] konnten die kognitive Evaluationstheorie nach Deci und Ryan (1980; 1985)[10][11] untermauern, wonach das Auftreten eines Korrumpierungseffekts davon abhängig ist, wie eine Person einen äußeren Anreiz (zum Beispiel eine materielle Belohnung) im Hinblick auf die eigene Kompetenz und Selbstbestimmung wahrnimmt. Aus der Selbstbestimmungstheorie hervorgehend, können drei zentrale Vorbedingungen (engl. Basic Needs) für die Entwicklung von intrinsischer Motivation identifiziert werden: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Wird das Streben nach Autonomie und Kompetenz durch äußere Anreize untergraben, kommt es zum Korrumpierungseffekt.

Es hängt somit davon ab, wie ein äußerer Anreiz wahrgenommen wird.[6][2] Wird das Autonomieerleben gestärkt bzw. wird eine Belohnung als nicht kontrollierend wahrgenommen, kann die intrinsische Motivation gesteigert werden. Derselbe Effekt tritt auf, wenn die Belohnung gleichzeitig als Anerkennung eigener Kompetenz wahrgenommen wird. Ist dies jedoch nicht der Fall und eine Belohnung führt zu einer Reduzierung eigenen Kompetenzerlebens oder wird als kontrollierend erlebt, kommt es zum Korrumpierungseffekt. Laut der kognitiven Evaluationstheorie kann ein äußerer Anreiz somit einerseits informatorische (d. h. Steigerung der Autonomie und des Kompetenzerlebens) und andererseits kontrollierende (d. h. Verringerung des Autonomieerlebens) Eigenschaften beinhalten. Weiterhin wird zwischen verbalen (positivem Leistungsfeedback) und materiellen Belohnungen unterschieden. Materielle Belohnungen werden unterteilt in erwartete und nicht erwartete Belohnungen (je nach vorherigem Wissen der betreffenden Person, ob nach der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine Belohnung erfolgen wird). Belohnungen werden nach der kognitiven Evaluationstheorie noch zusätzlich nach ihrer Kontingenz in Bezug auf die Tätigkeit kategorisiert. Besteht keine Kontingenz (engl. task-noncontingent rewards) wird eine Belohnung vollkommen losgelöst von der eigentlichen Tätigkeit vergeben (beispielsweise lediglich für die Teilnahme an einem Experiment). Wird die Belohnung jedoch für die Ausführung einer bestimmten Tätigkeit gewährt – unabhängig davon, wie gut die Tätigkeit ausgeführt wird – handelt es sich um eine aufgabenkontingente Belohnung (engl. task-contingent reward). Wenn die Belohnung nur bei Erreichen eines bestimmten Leistungsniveaus vergeben wird, handelt es sich um eine leistungskontingente Belohnung (engl. performance-contingent reward). Für alle diese verschiedenen Formen von Belohnungen können mit Hilfe der kognitiven Evaluationstheorie Vorhersagen für Effekte auf die intrinsische Motivation getroffen werden. So findet bei leistungskontingenten Belohnungen ein erhöhtes Ausmaß an Verhaltenskontrolle statt, welches sich negativ auf die intrinsische Motivation auswirken sollte. Bei nicht erwarteten Belohnungen sollte jedoch kein negativer Effekt auftreten. Verbale Belohnungen sind stark mit einer Anerkennung eigener Kompetenz verknüpft und sollten daher eher als informatorisch wahrgenommen werden. Trotzdem kann es auch Kontexte geben, in denen solches positives Leistungsfeedback als kontrollierend erlebt wird.


Forschungen zum Korrumpierungseffekt

In der häufig zitierten Feldstudie von Lepper, Greene und Nisbett (1973)[3] sollten Kleinkinder mit sogenannten „Magic Markers“ Bilder malen. Alle Kinder wurden in drei Gruppen aufgeteilt. In der „expected award“-Gruppe wurde jedes Kind in jedem Fall belohnt, wenn es überhaupt anfing zu malen. Die Kinder wussten somit, dass sie für das Malen von Bildern belohnt werden würden. In der „unexpected award“-Gruppe wurde den Kindern nach dem Malen eine unerwartete Belohnung gegeben. In der „no- award“-Gruppe wurde keine Belohnung vergeben. Nach ungefähr zwei Wochen wurden die Kinder nochmals untersucht, um eine eventuelle Veränderung der intrinsischen Motivation beim Malen zu erfassen. Kinder in der „expected award“-Gruppe verbrachten weniger Zeit mit Malen und erstellten Bilder in schlechterer Qualität als Kinder in den anderen Gruppen.

Greene, Sternberg und Lepper (1976)[12] gaben Grundschülern neue Mathematikspiele und maßen 13 Tage lang, wie viel Zeit die Kinder freiwillig mit den Spielen verbrachten. In den folgenden 11 Tagen erhielten die Kinder Belohnungen für dieselbe Tätigkeit. Nach Absetzen der Belohnung sank, wie vorhergesagt, die Beschäftigungsdauer unter das Anfangsniveau und unter das Niveau der Kontrollgruppe.

Deci[13] lieferte 1971 erste experimentelle Bestätigungen zum Korrumpierungseffekt. Auch eine Metaanalyse von 1999 mit 128 Studien[2] zeigte bedeutsame negative Effekte von Belohnungen und damit einhergehender eingeschränkter Autonomie durch externe Verhaltenskontrolle auf die intrinsische Motivation. Materielle und erwartete Belohnungen hatten sowohl auf das selbstberichtete Interesse als auch auf eine freiwillige, an das Experiment anschließende Aufnahme der Tätigkeit einen negativen Effekt. Gleiche negative Effekte resultierten nach aufgabenkontingenten Belohnungen. Auch leistungskontingente Belohnungen führten nach Wegfall der Belohnung zu weniger Beschäftigung mit der Tätigkeit. Es fand sich jedoch kein Einfluss auf das selbstberichtete Interesse. Bei Belohnungen ohne Kontingenz (vgl. kognitive Evaluationstheorie) war kein Effekt auf die intrinsische Motivation zu verzeichnen. Besonders interessant war der Befund, dass sich verbale Belohnungen positiv auf die intrinsische Motivation auswirkten.

Auch die Verhaltensökonomen Ernst Fehr und Armin Falk haben in einer Studie 2002 zeigen können, dass sich finanzielle Anreize kontraproduktiv auf die Motivation auswirken können.[14]

Bruno S. Frey und Iris Bohnet zeigten auf, dass die Verdrängung der intrinsischen Motivation durch monetäre Anreize und Regulierungen dann von besonderem Interesse ist, „wenn die intrinsische Motivation nicht vollständig substituiert und so das Verhalten der Individuen nicht mehr in gleichem Ausmaß beeinflußt werden kann“.[15]


Anwendung

Pädagogik

Wie können Eltern und Lehrer den Effekt der übermäßigen Rechtfertigung vermeiden? Entscheidend ist, welche Botschaft beim Kind ankommt.[16] Wenn man es schon dafür belohnt, sich mit der gewünschten Aufgabe bloß zu beschäftigen und diese Belohnung auch zuvor ankündigt (wie in der Studie von Greene, Sternberg und Lepper, 1976.[12]), tritt der Effekt mit größerer Wahrscheinlichkeit auf, als wenn man es unerwartet dafür belohnt, die Aufgabe bewältigt zu haben.[11] Leistung zu belohnen darf aber nicht dazu führen, dass sich das Kind unter ständiger kritischer Beobachtung fühlt, weil die dadurch ausgelösten negativen Gefühle („Bewertungsangst“) eine vorher vorhandene intrinsische Motivation ebenfalls zerstören können.[17] Vermeiden sollte man den Vergleich mit Anderen (zum Beispiel Mitschülern); gelobt werden sollte die individuelle Verbesserung.[4] Vor allem sollten Erzieher die Botschaft vermeiden, dass das jeweilige Gebiet (Sportart, Schulfach oder ähnliches) Fähigkeiten erfordert, die man entweder hat oder nicht hat.[18] Optimal ist die Botschaft, dass Anstrengung funktioniert, dass Üben hilft, dass das Kind sich also auf jedem Gebiet verbessern kann, wenn es sich Mühe gibt. Wie häufig gelobt wird, muss auch an den kulturellen Kontext angepasst werden. In fernöstlichen Kulturen werden Kinder viel seltener gelobt als in Westlichen,[19] während der intrinsische Wunsch, die eigene Leistung zu verbessern, bei Kindern aus westlichen Kulturen stärker ist[20][21]


Anreizsysteme in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst

Ein Korrumpierungseffekt, verursacht durch finanzielle Anreizsysteme, darf nicht unterschätzt werden.[1] Dabei geht es nicht um die Entlohnung zur Grundsicherung. Häufig werden aber neben einem Grundgehalt zusätzlich noch leistungsabhängig Zuschüsse und Boni ausgezahlt. Viele Unternehmen und öffentliche Behörden setzen monetäre Anreize als Mittel zur Steigerung der Motivation ein. Solch ein stark monetär ausgerichtete System birgt jedoch das Potential eines Korrumpierungseffekts. Zur Aufrechterhaltung intrinsischer Motivation sollten auch andere Möglichkeiten der Belohnung (wie beispielsweise positives Leistungsfeedback zur Steigerung eigenen Kompetenzerlebens) nicht unterschätzt werden. Haben Angestellte eine gute Leistung erbracht, so sollte dies lobend erwähnt und ein Dank dafür ausgesprochen werden.

Ganz wesentlich ist auch der Arbeitskontext, in dem solche zusätzlichen Belohnungen stattfinden.[22] Eine Belohnung soll das Bedürfnis nach Autonomie befriedigen, wenn sie nicht Gefahr laufen soll, intrinsische Motivation zu korrumpieren. Wird ein Anreiz – egal ob finanziell oder verbal – jedoch so vermittelt, dass er als kontrollierend erlebt wird (beispielsweise bei verbalen Feedback: "Das haben Sie sehr gut hinbekommen. Genauso wie es von Ihnen verlangt war. Sie sollten weiter so machen!") kann das Bedürfnis nach Autonomie untergraben werden. Ein Korrumpierungseffekt wird wahrscheinlich. Belohnungen, die informatorischen Charakter haben (zum Beispiel verbales Feedback in Form eines Dankes für sehr gute Umsatzzahlen) sind an dieser Stelle geeigneter. Denn diese stellen eine Anerkennung der Bemühungen der betreffenden Person dar, ohne dabei jedoch weitere Bedingungen an die Person zu stellen und so zu erlebter Kontrolle zu führen. Auch Sonderleistungen, die dieses Bedürfnisse nach Autonomie und Kompetenzanerkennung befriedigen (beispielsweise eine Kostenerstattung für einen PC-Kurs oder für eine Reise zu einer Tagung) kommt auf diese Weise eine wichtige Bedeutung zu.[2][23]

Werden unerwartet Prämien für eine besonders gute Leistung vergeben, so ist kein Korrumpierungseffekt zu erwarten.[2]




Kontroverse


Die Forschungen zum Korrumpierungseffekt wurden insbesondere von verhaltensanalytischer Seite kritisiert.[24][25][26] Vor allem wird darauf verwiesen, dass darin nicht zwischen dem "Belohnen" einer Person und dem "Verstärken" eines Verhaltens differenziert wird (zu den Unterschieden siehe bei Verstärkung). Die Kritik gilt auch dem Konzept der intrinsischen Motivation, das in sich widersprüchlich und unempirisch sei.[27]

Cameron und Pierce (1994)[28] konnten in einer der ersten Metaanalysen zu den Einflüssen von Belohnungen und Verstärkern auf die intrinsische Motivation keinen Korrumpierungseffekt finden. Es trete lediglich ein minimaler, negativer Effekt auf die intrinsische Motivation auf, wenn eine Belohnung erwartet und nur für die Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit vergeben wurde (vgl. kognitive Evaluationstheorie: Task-contingent reward). Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass Belohnungen und Verstärker keine wirklich schädigenden Effekte auf die intrinsische Motivation hätten.

Nach einer in den Folgejahren durchgeführten Metaanalyse von 2001[29] mit 145 Studien (teilweise nochmals analysiert aus vorhergehenden Metaanalysen) lässt sich ein Absinken der intrinsischen Motivation infolge von Belohnungen in der Regel auf den falschen Einsatz von Verstärkern zurückführen. Negative Effekte von Belohnungen würden nur dann gefunden, wenn bei zunächst hohem Interesse materielle, erwartete (vorher angekündigte) und von der Leistung unabhängige Belohnungen erteilt wurden (vgl. kognitive Evaluationstheorie: Aufgabenkontingente Belohnungen). Wenn leistungskontingente Belohnungen vergeben wurden, stiege die intrinsische Motivation sogar an. War das Interesse bereits von Anfang an gering, wurde die intrinsische Motivation durch eine Belohnung jedoch verstärkt. Weiterhin konnten verbale Belohnungen bei hohem anfänglichen Interesse die intrinsische Motivation ebenfalls verstärken. Alles in allem fassen die Autoren zusammen, dass ihre Metaanalyse keinen Hinweis auf schädliche Wirkungen von Belohnungen erbracht hätte ("In terms of the overall effects of reward, our meta-analysis indicates no evidence for detrimental effects of reward on measures of intrinsic motivation", S. 21). Der Korrumpierungseffekt wird von den Autoren als Mythos bezeichnet.

Deci, Ryan und Koestner kritisierten in einer Antwort ihrerseits Fehler in den Metaanalysen von Cameron et al. Die Auswahl der von ihnen ausgewerteten Studien sei einseitig. Unter anderem seien auch Gruppen enthalten, die anfänglich keine starke intrinsische Motivation hatten. In diesen Fällen sei von Anfang an zu erwarten, dass kein nennenswerter Korruptionseffekt eintreten würde.[30][31]


Siehe auch


Literatur

  • Bruno S. Frey: Markt und Motivation. Wie ökonomische Anreize die (Arbeits-) Moral verdrängen. Vahlen, München 1997, ISBN 3-8006-2168-1.
  • J. M. Harackiewicz, A. M. Durik, K. E. Barron: Multiple goals, optimal motivation, and the development of interest. In: Joseph P. Forgas, Kipling D. Williams, Simon M. Laham (Hrsg.): Social Motivation: Conscious and Unconscious Processes. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-83254-3, S. 21–39.


Weblinks



Einzelnachweise


  1. H. J. Snelders, S. G. Lea: Different kinds of work, different kinds of pay: An examination of the overjustification effect. In: The Journal of Socio-Economics. 25(4), 1996, S. 517–535.
  2. E. L. Deci, R. Koestner, R. M. Ryan: A meta-analytic review of experiments examining the effects of extrinsic rewards on intrinsic motivation. In: Psychological Bulletin. 125(6), 1999, S. 627–668; rug.nl (PDF; 7 MB)
  3. M. R. Lepper, D. Greene, R. E. Nisbett: Undermining childrens intrinsic interest with extrinsic reward: A test of the “overjustification” hypothesis. In: Journal of Personality and Social Psychology, 28(1), 1973, S. 129–137.
  4. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2008, ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 142.
  5. D. J. Bem: Self-perception. An alternative interpretation of cognitive dissonance phenomena. In: Psychological Review. 74, 536 – 537 1967.
  6. E. L. Deci, R. Koestner, R. M. Ryan: Extrinsic rewards and intrinsic motivation in education: Reconsidered once again. In: Review of Educational Research. 71(1), 2001, S. 1–27.
  7. A. Rummel, R. Feinberg: Cognitive evaluation theory: A meta-analytic review of the literature. In: Social Behavior and Personality. 16, 1988, S. 147–164.
  8. S.-H. Tang, V. C. Hall: The overjustification effect: A metaanalysis. In: Applied Cognitive Psychology. 9, 1995, S. 365–404.
  9. U. J. Wiersma: The effects of extrinsic rewards in intrinsic motivation: A meta-analysis. In: Journal of Occupational and Organizational Psychology, 65(2), 1992, S. 101–114.
  10. E. L. Deci, R. M. Ryan: The empirical exploration of intrinsic motivational processes. In: L. Berkowitz (Hrsg.): Advances in experimental social psychology. Academic Press, New York 1980, S. 39–80.
  11. E. L. Deci, R. M. Ryan: Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. Plenum, New York 1985.
  12. D. Greene, B. Sternberg, M. R. Lepper: Overjustification in a token economy. In: Journal of Personality and Social Psychology, 34(6), 1976, S. 1219–1234.
  13. E. L. Deci: Effects of externally mediated rewards on intrinsic motivation. (PDF; 223 kB). In: Journal of Personality and Social Psychology. 18(3), 1971, S. 105–115.
  14. E. Fehr, A. Falk: Psychological foundations of incentives. In: European Economic Review. 46, 2002, S. 687–724.
  15. Bruno S. Frey, Iris Bohnet: Die Ökonomie zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. In: Homo oeconomicus. Band XI, Nummer 1, ACCEDO Verlagsgemeinschaft, München 1994, S. 2. bsfrey.ch (PDF)
  16. J. Henderlong, M. R. Lepper: The effects of praise on children’s intrinsic motivation: A review and synthesis. In: Psychological Bulletin. 128(5) 2002, S. 774–795.
  17. J. M. Harackiewicz: Performance evaluation and intrinsic motivation processes: The effects of achievement orientation and rewards. In: D. Buss, N. Cantor (Hrsg.): Personality Psychology: Recent trends and emerging directions. Springer, New York 1989, S. 128–137.
  18. C. S. Dweck: Self-theories: Their role in motivation, personality, and development. Psychology Press, Philadelphia 1999.
  19. F. Salili: Learning and motivation: An Asian perspective. In: Psychology and Developing Societies. 8, 1996, S. 55–81.
  20. S. J. Heine: Is there a universal need for positive self-regard? In: Psychological Review, 106(4), 1999, S. 766–794.
  21. C. C. Lewis: Educating hearts and minds: Reflections on Japanese preschool and elementary education. Cambridge University Press, Cambridge UK 1995.
  22. R. M. Ryan, V. Mims, R. Koestner: Relation of reward contingency and interpersonal context to intrinsic motivation: A review and test using cognitive evaluation theory. In: Journal of Personality and Social Psychology. 45(4), 1983, S. 736–750.
  23. R. M. Ryan, V. Mims, R. Koestner: Relation of reward contingency and interpersonal context to intrinsic motivation: A review and test using cognitive evaluation theory. In: Journal of Personality and Social Psychology. 45(4), 1983, S. 736–750.
  24. Alyce M. Dickinson: The detrimental effects of extrinsic reinforcement on "intrinsic motivation". In: The Behavior Analyst. Band 12, Nr. 1, 1989, S. 1–15., PMC 2742036 (freier Volltext)
  25. "social scientists who warn that high pay will ruin the interest and motivation of … workers, rarely counsel low reward of professional services and creative efforts", Albert Bandura: Social foundations of thought and action. A social cognitive theory. Prentice-Hall, Englewood 1986, ISBN 0-13-815614-X, S. 236.
  26. Falko Rheinberg: Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In: Jutta Heckhausen, Heinz Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln. Springer, Berlin 2010, ISBN 978-3-642-12692-5, S. 365–387.
  27. Steven Reiss: Extrinsic and intrinsic motivation at 30: Unresolved scientific issues. In: The Behavior Analyst. Band 28, Nr. 1, 2005, S. 1–14., PMC 2755352 (freier Volltext)
  28. Judy Cameron, W. David Pierce: Reinforcement, reward, and intrinsic motivation: A meta-analysis. In: Review of Educational Research. Band 64, Nr. 3, 1994, S. 363–423, doi:10.3102/00346543064003363., rer.sagepub.com (Memento des Originals vom 25. Februar 2016 im Internet Archive; PDF; 7,1 MB)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  29. Judy Cameron, Katherine M. Banko, W. David Pierce: Pervasive negative effects of rewards on intrinsic motivation. The myth continues. In: The Behavior Analyst. Band 24, Nr. 1, 2001, S. 1–44., PMC 2731358 (freier Volltext).
  30. Edward L. Deci, Richard M. Ryan, Richard Koestner: The Pervasive Negative Effects of Rewards on Intrinsic Motivation: Response to Cameron (2001). In: Review of Educational Research. Band 71, Nr. 1, Frühling 2001, S. 43–51, doi:10.3102/00346543071001043.
  31. auch Edward L. Deci, Richard M. Ryan, Richard Koestner: Extrinsic Rewards and Intrinsic Motivation in Education: Reconsidered Once Again. (PDF; 1,5 MB). In: Review of Educational Research. Band 71, Nr. 1, Frühling 2001, S. 1–27, doi:10.3102/00346543071001001.


Diese Seite wurde zuletzt am 9. Juni 2021 um 11:21 Uhr bearbeitet.



Info: https://de.wikipedia.org/wiki/Korrumpierungseffekt

08.01.2023

Klasse gegen Klasse KP Chinas entmachtet Jack Ma

jungewelt.de, Ausgabe vom 09.01.2023, Von Jörg Kronauer, Kommentar


imago images/VCG

Jack Ma, Gründer der Alibaba Group, spricht während des China Green Companies Summit am 29. September 2020 in Haikou


Der Abstieg des Jack Ma setzt sich fort. Noch vor wenigen Jahren war der Gründer des chinesischen Internetriesen Alibaba ein international gefeierter Star: Im Jahr 2014 schaffte er in New York mit seinem Unternehmen den bis dahin größten Börsengang der Geschichte; im Jahr 2017 plazierte ihn das US-Wirtschaftsblatt Fortune auf Platz zwei seiner Liste der »Greatest Leaders«. Kurz zuvor, im Januar 2017, hatte er persönlich mit Donald Trump über Pläne für sein US-Geschäft diskutiert. Dann kam sein Wendepunkt: Am 24. Oktober 2020 brüskierte er in einer Rede auf einem Finanzforum in Shanghai Chinas Staatsbanker – und nun schlug Beijing zurück. Ma tauchte ab, wurde lange nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Im November hieß es, er habe sich nach Tokio abgesetzt. Im Dezember verlor er den Vorsitz in einem einflussreichen Unternehmerforum in der Provinz Zhejiang, und am Wochenende musste er seine Kontrolle über die Ant Group preisgeben, Alibabas Finanzarm. Zu den zehn reichsten Chinesen zählt er immer noch; seine Macht aber schwindet schnell.


Der Grund? Nun, eines liegt nahe: Ma war schlicht zu mächtig geworden. Der Milliardär kontrollierte ein Konzerngeflecht, das großen Einfluss in der Finanzbranche hatte, über Daten von Hunderten Millionen Kunden verfügte und seit 2016 mit der South China Morning Post eine Tageszeitung besaß, die international wahrgenommen wird. Wer sich unter solchen Bedingungen mit der herrschenden Partei anlegt, kann ihr gefährlich werden. Ma ist zuweilen mit Michail Chodorkowski verglichen worden, der sich ab 2001, damals der reichste Russe, mit der Regierung anlegte, Kontakte in den Westen pflegte sowie politische Ambitionen entwickelte. Die Geschichte seines Absturzes ist bekannt.


Ist Ma also nichts anderes als ein chinesischer Chodorkowski? Ja und nein. Ja – siehe oben. Nein: Sein Fall hat weitere Dimensionen. Als Ma sich im Oktober 2020 mit den Staatsbankern anlegte, ging es ihm darum, eine Option zu hochriskanten Finanzgeschäften zu eröffnen – im Interesse seines Konzerns, aber gegen das klare Interesse der Allgemeinheit, die bei einem Finanzcrash ja gewöhnlich die Zeche zahlt. Dass sich derlei Partikularinteressen durchsetzen, dass damit die Herrschaft der Partei letztlich gebrochen und das politische System auch für den Zugriff von außen geöffnet wird: Darauf haben lange Zeit Politik und Wirtschaft im Westen gehofft. Mas Abstieg zeigt: Ihre Hoffnung hat getrogen.


Und: Ma wird nicht einfach durch konkurrierende Milliardäre ausgetauscht. In der Leitung der Ant Group stärkt die Partei systematisch ihren Einfluss. Als das Unternehmerforum in Zhejiang Mas Ablösung an seiner Spitze bekanntgab, hielt ein Parteivertreter die Hauptrede und bekräftigte den Führungsanspruch der Partei. Parallel schrumpft in China die Zahl der Milliardäre – im vergangenen Jahr um rund ein Fünftel. Mit Ma wurde nicht einfach ein rivalisierender Milliardär ausgeschaltet, sondern ein Vertreter seiner Klasse, der daran ging, der Partei die Macht abzuringen.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/442423.klasse-gegen-klasse.html


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Wie Lieferungen westlicher Panzer an die Ukraine die Frontlage verändern – eine Analyse

meinungsfreiheit.rtde.life, 8 Jan. 2023 18:59 Uhr, Von Michail Mokschin und Andrei Restschikow

Nach der Zusage des französischen Präsidenten Macron, Radpanzer des Typs AMX-10 RC an die Ukraine zu liefern, fordert Kiew mehr und schwerere Panzer. Der Beginn der Lieferungen westlicher Maschinen zeuge aber auch vom Ende sowjetischer Panzerbestände im Westen, erklären Experten.


Quelle: Gettyimages.ru © Anadolu Agency



Der Westen beabsichtigt, mit Lieferungen von Panzern an die Ukraine eine rote Linie zu überschreiten. Dieses Thema wird bereits von Großbritannien und Deutschland mit ihren Partnern besprochen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprach, Kiew Radpanzer vom Typ AMX-10 RC zu liefern, doch die ukrainische Regierung besteht auf der Übergabe schwererer Maschinen, darunter des US-amerikanischen M1 Abrams und des deutschen Leopard 2. Warum bittet die Ukraine um NATO-Panzer und wie können sie den Verlauf der Kampfhandlungen beeinflussen?


Großbritannien und Deutschland verhandeln mit internationalen Partnern über militärische Hilfen an Kiew, deren Teil Panzer werden können. Dies gab der britische Außenminister James Cleverly bekannt. Demnach benötige die Ukraine diese Lieferungen "für das nächste Stadium der Selbstverteidigung". Die Frage, "woher sie kommen werden und wer unter den Alliierten sie liefern" werde, sei allerdings offen.


"Vielleicht alt, aber leistungsstark": Frankreich will der Ukraine "leichte Panzer" liefern





"Vielleicht alt, aber leistungsstark": Frankreich will der Ukraine "leichte Panzer" liefern





Zuvor hatte Macron am 4. Januar versprochen, Radpanzer vom Typ AMX-10 RC an die Ukraine zu liefern. Als Reaktion darauf behauptete der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, dass diese Lieferung das Fehlen von "rationalen Gründen" gegen Lieferungen westlicher Kampfpanzer belege. Selenskij bezeichnete Macrons Entscheidung als ein klares Signal an alle Verbündeten der Ukraine.


Diese Entscheidung war der erste Fall von Lieferungen von Panzern westlicher Bauart an Kiew. Wie viele Maschinen übergeben werden, wurde nicht berichtet. Nach Schätzungen französischer Experten könnte Paris 30 solcher Panzer übergeben, weil sie durch modernere Maschinen ersetzt werden.


Der AMX-10 RC war in den 1970er Jahren als Spähpanzer entwickelt worden. Er wurde von französischen Truppen zur Aufklärung und Panzerbekämpfung eingesetzt, darunter während der Operation "Barkhane" in Afrika, die offiziell im November des vergangenen Jahres beendet wurde. Nach Schätzungen westlicher Experten kann der AMX-10 RC dank seiner Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit schnell zuschlagen. Die Maschine kann bei Militäroperationen vor Kolonnen von Kampfpanzern eingesetzt werden. Allerdings sei ihre vergleichsweise leichte Panzerung ein bedeutender Nachteil angesichts der schweren russischen Geschütze.


Im Herbst des vergangenen Jahres übergab Australien an die Streitkräfte der Ukraine 90 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Bushmaster, die gegen Personenminen und weitere Bedrohungen geschützt sind. Darüber hinaus stellte das Pentagon der Ukraine über 2.000 militärische Fahrzeuge, darunter 477 MRAP und über 1.200 Humvee, zur Verfügung.


Leopard 2 für Kiew? Konzertierter politisch-medialer Druck auf Berlin





Analyse

Leopard 2 für Kiew? Konzertierter politisch-medialer Druck auf Berlin





Doch Kiew bittet den Westen um schwerere Panzer, darunter US-amerikanische M1 Abrams und deutsche Leopard 2. Die Rede ist auch von französischen Leclerc-Panzern, die schwerer, leistungsstärker und besser geschützt sind als der AMX-10. Diese Frage wird in Paris unter anderem wegen Schwierigkeiten bei der Ausbildung ukrainischer Panzerbesatzungen erst untersucht.


Die Administration von Joe Biden schließt Lieferungen von Abrams-Kampfpanzern an die Ukraine aus. Diese Panzer wiegen 55 Tonnen und werden von einer Turbine angetrieben, die Treibstoff äußerst schnell verbraucht. Diese Angaben machte eine anonyme Quelle aus US-amerikanischen offiziellen Kreisen gegenüber der Zeitung The Washington Post. Abrams-Panzer fallen oft aus und erfordern eine große Erfahrung bei ihrer Wartung, so die Meldung. Allerdings erklärte Biden am 4. Januar, dass Washington Lieferungen von Schützenpanzern des Typs Bradley an die Ukraine erwäge.


Diese Maschine ist mit einer leistungsfähigen Kanone ausgestattet und war seit den 1980er Jahren das wichtigste Transportmittel der US-Infanterie am Schlachtfeld. Die US-amerikanische Armee verfügt über Tausende von Bradleys. Der Bradley ist ein gepanzertes Fahrzeug, das auch als Transporter eingesetzt und bis zu zehn Personen, Munition und Funkgeräte befördern kann. Die Maschine wird durch Ketten angetrieben, ist aber viel leichter und manövrierfähiger als ein Kampfpanzer.


Im ersten Quartal des laufenden Jahres wird Deutschland der Ukraine 40 Marder-Schützenpanzer übergeben, wie der Sprecher der Bundesregierung Steffen Hebestreit am Freitag bekannt gab. Dieser Schützenpanzer war in den 1970er Jahren für die Panzergrenadiere der Bundeswehr entwickelt worden und bleibt bis heute die Hauptmaschine in seiner Klasse.

Indessen behauptete der Pressesprecher des Pentagon, Brigadegeneral der Luftwaffe Patrick Ryder, in Bezug auf die Möglichkeiten, der Ukraine Abrams-Panzer zu liefern, dass er über keine weiteren Angaben dazu verfüge. Er merkte an, dass die USA ein neues Militärhilfspaket ankündigen wollen. Mittel- und langfristig erwäge Washington "alle verfügbaren Varianten".

Nach Angaben der US-amerikanischen Zeitung Politico werde das neue Militärhilfspaket erstmals radargesteuerte Flugabwehrraketen vom Typ Sea Sparrow zum Abfangen von Flugzeugen und Marschflugkörpern beinhalten. Wie die Zeitung berichtete, sei es den ukrainischen Militärs bereits gelungen, sowjetische Raketensysteme vom Typ Buk für neue US-amerikanische Munition umzubauen.


USA schließen Lieferung von Abrams an die Ukraine aus technischen Gründen aus





USA schließen Lieferung von Abrams an die Ukraine aus technischen Gründen aus






Zuvor hatte der US- Militärexperte Peter Suciu in einem auf dem Portal 1945 veröffentlichten Kommentar den Panzer M1 Abrams unter den drei Waffensystemen genannt, die die USA niemals der Ukraine übergeben würden. Die beiden weiteren Waffensysteme seien F-16-Jäger und Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS. Das Erscheinen dieser Flugzeuge und Raketen im Dienst der ukrainischen Armee sei als eine direkte Beteiligung der NATO am Krieg gegen Russland ausgelegt worden, so Suciu. Der Grund für das Verweigern der Abrams-Panzer sei allerdings ein anderer. Nach Meinung des Experten vermutet das Pentagon, dass eine Ausbildung der ukrainischen Soldaten an diesem Panzer zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.


Auf die gleiche Weise begründete der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu die Unmöglichkeit, Leclerc-Panzer an die Ukraine zu übergeben. Deren Wartung sei für das ukrainische Militär zu kompliziert. Lecornu erklärte dies in einem Interview mit der Zeitung Le Figaro vor dem neuen Jahr gleich nach seinem Besuch in Kiew und dem Gespräch mit Selenskij.

Der Doktor für Militärwissenschaften Konstantin Siwkow sagte:

"Den westlichen Partnern der Ukraine sind die Vorräte sowjetischer Panzer, die an die ukrainischen Streitkräfte übergeben wurden, ausgegangen."

Siwkow erinnerte an das vom Pentagon im November des vergangenen Jahres angekündigte Militärhilfspaket. Damals wurde gemeldet, dass die USA im Rahmen des weiteren, 400 Millionen US-Dollar schweren Pakets 45 Panzer vom Typ T-72 der Ukraine bereitstellen werden. Er erklärte:

"Was jetzt kommt, ist eine Kompilation sowjetischer T-72-Panzer, genauer gesagt, jener Exportversion, die im Dienst der ehemaligen Tschechoslowakei stand. Ihre Panzerung ist im Vergleich zu Kampfpanzern der sowjetischen Armee schwächer, sie sind mit ausländischen Triebwerken und einigen weiteren ausländischen Bauteilen ausgestattet. Diese Panzer, 45 an der Zahl, werden im Kampfgebiet erscheinen. Doch wie Sie verstehen, werden sie keinen bedeutenden Einfluss auf den Kampfverlauf nehmen."

Unter substanziellen Lieferungen seien einige Hunderte Kampffahrzeuge zu verstehen, so Siwkow:

"Genau deswegen fordert Kiew Panzer, egal welche. Doch weil den Europäern sowjetische Maschinen ausgegangen sind, wird die Rede von Waffen westlicher Bauart sein. Dabei sehen wir den Unwillen der USA, der Ukraine Panzer vom Typ M1 Abrams zu liefern, und auch die Verbündeten der USA zeigen bei Lieferungen von Panzern keine besondere Eile."

Die Radpanzer AMX-10 RC seien im Grunde keine vollwertigen Panzer, sagte Siwkow. Es handele sich um Panzerjäger oder Spähfahrzeuge mit Radantrieb. Ihre Panzerung sei schwach und schütze nur gegen Kugeln und Splitter, die 105-Millimeter-Kanone entspreche nicht den modernen Anforderungen an Panzerdurchschlagskraft. Solche Maschinen können durch einfachste Geschosse eines Kampfpanzers vernichtet werden, so Siwkow.


Der Militärexperte Wladislaw Schurygin stimmte Siwkows Einschätzung des französischen Radpanzers AMX-10 RC zu. Er erklärte:

"Sie stellen keine Gefahr dar – im Grunde ist es eine Kanone mit Selbstantrieb, ein selbstfahrendes Geschütz, das wie eine Haubitze schießen kann."

Doch werden die Lieferungen westlicher Panzer anstelle von sowjetischen auch bedeutendere "Geschenke" umfassen, vermutete Schurygin:

"In dem Maße, wie solche leichten Panzer 'ausgeschaltet' werden, werden über den eingeschlagenen Weg Lieferungen von etwas wie den deutschen Leopard-Panzern beginnen. Möglicherweise werden auch die Engländer etwas übergeben."

"In jedem Fall werden die Panzer kommen, denn für den Westen ist es unmöglich, solche Technik der Ukraine nicht zu übergeben", versicherte Schurygin. Daher würden die ukrainischen Streitkräfte alle geforderten Kampfpanzer erhalten: "Natürlich wird das Erscheinen von westlichen Panzern bei der ukrainischen Armee die Frontlage beeinflussen. Während der Spezialoperation schalteten die russischen Streitkräfte über 2.000 gegnerische Panzer aus, darunter solche, die von den USA in den ehemaligen Ostblockstaaten aufgekauft und dem ukrainischen Militär übergeben wurden. Man kommt nicht umhin, weitere auszuschalten."


Anders als der mediale Mainstream: Deutsche lehnen Panzerlieferung an Kiew mehrheitlich ab




Anders als der mediale Mainstream: Deutsche lehnen Panzerlieferung an Kiew mehrheitlich ab






Ergänzend könnte hinzugefügt werden, dass der Sekretär des ukrainischen Nationalsicherheits- und Verteidigungsrats Alexei Danilow dem Bundeskanzler Olaf Scholz mit "Kämpfen gegen Russen bei Berlin" drohte, sollte die BRD keine Kampfpanzer an Kiew liefern. Laut einer Umfrage, die vom soziologischen Institut YouGov im Auftrag der dpa durchgeführt wurde, lehnt eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung Panzerlieferungen an die Ukraine ab.


Der Leiter des Zentrums für globale Forschungen und internationale Beziehungen des Instituts für aktuelle internationale Probleme der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums Wadim Kosjulin merkte ebenfalls an, dass Kiew nach Ersatz für sowjetische Technik suchen muss. Er erklärte:

"Momentan sehen wir aber nur, dass der Westen nur altes Gerät und keine leistungsfähigen modernen Waffen liefert. Und dieser Vorgang wird sich fortsetzen."

Kosjulin zufolge seien für Russland Lieferungen von modernen Kampfpanzern eine der roten Linien. Im Westen wisse man nicht, welche Waffenlieferungen Russland für ein Überschreiten der roten Linie erachten werde, und versuche, Moskaus Reaktion durch "kleine Schritte" abzutasten. Der Experte vermutete:

"Ich denke, dass Lieferungen moderner Waffen zum Überschreiten der roten Linie werden könnten. Für Russland würde dies signalisieren, dass die NATO sich am Konflikt direkt beteiligt."

Wie Kosjulin erklärte, würden Panzerlieferungen an die Ukraine das Kräfteverhältnis verändern, weil zu deren Vernichtung Ressourcen und Waffen erforderlich werden. Gegenwärtig beteilige sich die NATO am Ukraine-Konflikt vergleichsweise zurückhaltend. Moderne Panzerfahrzeuge, Luftabwehrsysteme, Raketensysteme sowie Flugzeuge und leistungsstarke Drohnen würden nicht geliefert. Allerdings verfüge das ukrainische Militär bereits über fortschrittliche Fernmelde- und Spähmittel, so Kosjulin.


Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.


Mehr zum ThemaAuf Marder folgt Leopard ‒ Deutsche Medien fordern Eskalation


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/europa/159262-wie-lieferungen-westlicher-panzer-frontlage-veraendern


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Bidens Existenzangst in der Ukraine - Biden’s existential angst in Ukraine

seniora.org, 08. Januar 2023, Von M. K. Bhadrakumar, Januar 8, 2023 - indianpunchline.com

"Aus einer gesamtstrategischen Perspektive kann man gar nicht genug betonen, welch verheerende Folgen es hätte, wenn Putin sein Ziel, die Ukraine zu übernehmen, erreichen würde".


Zitat: Der parteiübergreifende Konsens im Beltway darüber, dass die Vereinigten Staaten die "unverzichtbare" Weltmacht sind, wird in der Regel den Neocons zugeschrieben, die seit den 1970er Jahren die treibende Kraft der US-Außen- und Sicherheitspolitik sowohl in den Regierungen der Demokraten als auch der Republikaner waren.


President Vladimir Putin attending Christmas Mass, Annunciation Cathedral, Kremlin, Moscow, January 7, 2023 (Bild)


Der Artikel in der Washington Post vom Samstag mit dem Titel Die Zeit ist nicht auf der Seite der Ukraine, der von Condoleezza Rice, der ehemaligen Außenministerin unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush, und Robert Gates, der sowohl unter Bush als auch unter seinem Nachfolger Barack Obama von der Demokratischen Partei tätig war, mitverfasst wurde, verdeutlicht dieses Paradigma.


Rice und Gates unterstützen den Krieg von Präsident Biden gegen Russland. Sie vertreten jedoch die These, dass die USA und die NATO-Verbündeten in der Ukraine "drastisch" eingreifen sollten, um eine direkte militärische Intervention zu verhindern, die andernfalls unvermeidlich werden könnte.


Die Stellungnahme erinnert an die beiden Weltkriege, die den Aufstieg der USA zur Weltmacht markierten, und warnt, dass die von den USA geführte "regelbasierte Ordnung" - ein Codewort für die globale Hegemonie der USA - in Gefahr ist, wenn Biden in der Ukraine versagt.


Rice und Gates räumen indirekt ein, dass der hybride Krieg, den Russland führt, im Gegensatz zur bisherigen triumphalistischen Darstellung des Westens auf der Siegesstraße ist. Offensichtlich zerrt die erwartete russische Offensive an ihren Nerven.


Die Stellungnahme steht auch im Zusammenhang mit der amerikanischen Politik. Die Pattsituation um den Sprecher des Repräsentantenhauses und ihre dramatische Zuspitzung in einem erbitterten politischen Kampf zwischen den Republikanern lässt einen dysfunktionalen Kongress bis zu den Wahlen 2024 erahnen.


Der Sprecher Kevin McCarthy, der übrigens die Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Donald Trump hatte, hat schließlich gewonnen, aber erst nachdem er eine Reihe von Zugeständnissen an den populistischen Flügel gemacht hat, was seine Autorität geschwächt hat. Die AP berichtete: "Es wurde mit dem Finger gezeigt, Worte wurden gewechselt und Gewalt wurde offenbar gerade noch abgewendet... Es war das Ende einer bitteren Pattsituation, die die Stärken und die Zerbrechlichkeit der amerikanischen Demokratie gezeigt hatte."


Ein hochrangiger Kreml-Politiker hat sich interessanterweise bereits dazu geäußert. McCarthy selbst nannte in seiner Erklärung nach der Wahl zum neuen Sprecher des Repräsentantenhauses bei der Bekanntgabe seiner Prioritäten für die kommenden Monate das Engagement für eine starke Wirtschaft, die Bekämpfung der illegalen Einwanderung über die mexikanische Grenze und den Wettbewerb mit China, ließ aber jeden Hinweis auf die Lage in der Ukraine oder die Bereitstellung von Mitteln für Kiew aus.


Noch im November hatte er erklärt, die Republikaner im US-Repräsentantenhaus würden sich einer unbegrenzten und ungerechtfertigten Finanzhilfe für die Ukraine widersetzen.


Nun sind Rice und Gates Republikaner, die sich weigern, im Gleichschritt mit Trump zu marschieren. Aber auch wenn er an Einfluss verloren hat, ist Trump immer noch ein aktiver Akteur, der eine massive Präsenz und funktionale Kontrolle ausübt und bei weitem die größte Stimme in der Republikanischen Partei ist. Was die GOP heute ausmacht, ist zweifellos Trump. Daher wird seine Unterstützung für McCarthy von entscheidender Bedeutung sein.


Biden ist sich dessen bewusst. Es ist denkbar, dass der Meinungsartikel von Rice und Gates vom Weißen Haus in Auftrag gegeben, vom US-Sicherheitsapparat unterstützt und von den Neocons geschrieben wurde. Tatsächlich erschien der Meinungsartikel am Tag nach der gemeinsamen Erklärung von Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz vom 5. Januar, in der sie ihre "unerschütterliche Solidarität" mit der Ukraine betonten.


Unter dem immensen Druck von Biden haben sich Deutschland und Frankreich letzte Woche den USA angeschlossen, um der Ukraine Schützenpanzer zu liefern. Scholz ließ sich auch dazu überreden, sich gegenüber Biden zu verpflichten, dass Deutschland gemeinsam mit den USA eine zusätzliche Patriot-Luftabwehrbatterie an die Ukraine liefern wird. (Ein SPD-Spitzenpolitiker hat inzwischen Vorbehalte geäußert.)


Am selben Tag, an dem der Meinungsartikel unter der Überschrift von Rice und Gates erschien, arrangierte das Pentagon - ungewöhnlich für einen Samstag - ein Pressebriefing von Laura Cooper, stellvertretende Verteidigungsministerin für Russland, die Ukraine und Eurasien, für internationale Sicherheitsfragen. Cooper wies ausdrücklich darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine die globale Stellung der USA selbst bedroht. Sie sagte u.a.:

"Aus einer gesamtstrategischen Perspektive kann man gar nicht genug betonen, welch verheerende Folgen es hätte, wenn Putin sein Ziel, die Ukraine zu übernehmen, erreichen würde. Dies würde die internationalen Grenzen in einer Weise neu definieren, wie wir es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Und unsere Fähigkeit, diese Errungenschaften rückgängig zu machen und die Souveränität einer Nation zu unterstützen und ihr beizustehen, ist etwas, das nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt Anklang findet."


Die Katze ist endlich aus dem Sack - die USA kämpfen in der Ukraine, um ihre globale Hegemonie zu bewahren. Ob Zufall oder nicht, der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov hat am Wochenende in einem aufsehenerregenden Interview in Kiew zugegeben, dass Kiew sich bewusst von der NATO in ihrem Konflikt mit Moskau benutzen lässt!


Zitat Reznikov: "Auf dem NATO-Gipfel in Madrid" im Juni 2022 "wurde klar umrissen, dass die Hauptbedrohung für die Allianz im kommenden Jahrzehnt die Russische Föderation sein würde. Heute ist die Ukraine dabei, diese Bedrohung zu beseitigen. Wir führen heute die Mission der NATO aus. Sie vergießen nicht ihr Blut. Wir vergießen das unsere. Deshalb sind sie verpflichtet, uns mit Waffen zu versorgen."


Reznikov, ein ehemaliger Offizier der sowjetischen Armee, behauptete, dass er persönlich kürzlich Urlaubsgrußkarten und Textnachrichten von westlichen Verteidigungsministern in diesem Sinne erhalten hat.


Der Einsatz könnte nicht höher sein, wenn Reznikov Klartext redet, nicht wahr? Am Samstag kündigte das Pentagon das bisher größte Sicherheitspaket der Biden-Administration für die Ukraine im Rahmen des Presidential Drawdown an.


Offensichtlich zieht die Biden-Regierung alle Register. Eine weitere Sitzung des UN-Sicherheitsrats ist für den 13. Januar angesetzt.


Aber Putin hat deutlich gemacht, dass "Russland für einen ernsthaften Dialog offen ist - unter der Bedingung, dass die Kiewer Behörden die wiederholt gestellten klaren Forderungen erfüllen und die neuen territorialen Gegebenheiten anerkennen."


Was den Krieg anbelangt, so sind die Nachrichten aus dem Donbass äußerst besorgniserregend. Soledar ist in russischer Hand und die Wagner-Kämpfer ziehen die Schlinge um Bakhmut, einen strategischen Kommunikationsknotenpunkt und Dreh- und Angelpunkt der ukrainischen Einsätze im Donbass, immer enger.

Andererseits zeigt sich Moskau wider Erwarten unbeeindruckt von sporadischen, theatralischen ukrainischen Drohnenangriffen innerhalb Russlands. Die russische öffentliche Meinung steht weiterhin fest hinter Putin. Der Befehlshaber der russischen Streitkräfte, General Sergej Surowikin, hat der Befestigung der so genannten 'Kontaktlinie' Priorität eingeräumt, die sich als wirksam gegen ukrainische Gegenangriffe erweist.


Das Pentagon ist sich über Surovikins Gedankengang nicht sicher. Nach dem, was sie von seinem brillanten Erfolg bei der Vertreibung von NATO-Offizieren aus dem syrischen Aleppo im Jahr 2016 wissen, ist der Zermürbungskrieg Surovikins Stärke. Aber man weiß ja nie. Man sollte sich also auf eine Panzerschlacht wie bei Kursk im 2. Weltkrieg vorbereiten!


In der Zwischenzeit rüstet Russland in Weißrussland immer weiter auf. Die Raketensysteme S-400 und Iskander sind dort stationiert worden. Ein Angriff der NATO (Polen) auf Weißrussland ist nicht mehr realistisch. Am 4. Januar begrüßte Putin das neue Jahr, als die gewaltige Fregatte Admiral Gorschkow mit dem "hochmodernen Hyperschall-Raketensystem Zircon, das keine Entsprechung hat", zu einer "Langstrecken-Mission über den Atlantik, den Indischen Ozean und das Mittelmeer" aufbrach.

Eine Woche zuvor wurde das sechste raketenbestückte strategische Atom-U-Boot der Borei-A-Klasse, die Generalissimus Suvorov, in die russische Marine aufgenommen. Diese U-Boote können 16 ballistische Interkontinentalraketen vom Typ Bulava transportieren. 


Der Nebel des Krieges umhüllt die russischen Absichten. Rice und Gates haben gewarnt, dass die Zeit für Russland arbeitet: "Die militärischen Fähigkeiten und die Wirtschaft der Ukraine hängen jetzt fast vollständig von den Lebensadern des Westens ab - in erster Linie von den Vereinigten Staaten. Ohne einen weiteren großen ukrainischen Durchbruch und Erfolg gegen die russischen Streitkräfte wird der westliche Druck auf die Ukraine, einen Waffenstillstand auszuhandeln, mit den Monaten des militärischen Stillstands zunehmen. Unter den derzeitigen Umständen würde jeder ausgehandelte Waffenstillstand den russischen Streitkräften eine starke Position verschaffen."


Bidens Telefonat mit Scholz am Freitag zeigt, wie besorgt er ist. Angesichts der Zersplitterung der politischen Klasse im eigenen Land kann sich Biden auch keine Risse in der Einheit der Verbündeten leisten.


Seltsamerweise war dies auch die Hauptaussage eines Artikels, den ein führender russischer Experte, Andrej Kortunow, vor zwei Wochen in der Tageszeitung der Kommunistischen Partei Chinas, Global Times, unter dem Titel US domestic woes could push Ukraine to sidelines of American public discourse veröffentlichte.


Kortunov schrieb: "Wenn man die Emotionen beiseite lässt, muss man akzeptieren, dass der Konflikt nicht nur für die Ukraine und Russland, sondern auch für die USA bereits existenziell geworden ist: Die Biden-Administration kann eine Niederlage in der Ukraine nicht hinnehmen, ohne große negative Auswirkungen auf die Positionen der USA in der ganzen Welt zu befürchten."

Kortunow schrieb dies gut eine Woche, bevor Rice und Gates die gleiche metaphysische Wahrnehmung der Realität bekamen.


Quelle: https://www.indianpunchline.com/bidens-existential-angst-in-ukraine /


Übersetzung mit deeple pro von seniora.org

______

 Biden’s existential angst in Ukraine

By M. K. Bhadrakumar

January 8, 2023

https://www.indianpunchline.com/bidens-existential-angst-in-ukraine/

The bipartisan consensus in the Beltway on the United States being    the ‘indispensable’ world power is usually attributed to the neocons who have been the driving force of the US foreign and security policy in both Democratic and Republican administrations through the decades since the 1970s.

The op-end in the Washington Post on Saturday titled Time is not on Ukraine’s side, coauthored by Condoleezza Rice, former Secretary of State under a Republican president George W. Bush, and Robert Gates, under both Bush and his successor Barack Obama from the Democratic Party, highlights this paradigm.

Rice and Gates are supportive of President Biden’s war against Russia. But their thesis is that the US and NATO allies should ‘dramatically’ step up in Ukraine to forestall a direct military intervention that may otherwise become inevitable. 

The op-ed harks back to the two world wars that marked the US’ ascendance as world power and warns that the US-led ‘rules-based order’ — code word for US global hegemony — is in peril if Biden fails in Ukraine. 

Rice and Gates indirectly acknowledge that the hybrid war that Russia has been waging is actually on a winning streak, contrary to the western triumphalist narrative so far. Evidently, the expected Russian offensive is rattling their nerves. 

Equally, the op-ed is contextual to American politics. The House speaker stalemate and its dramatic denouement in a bare-knuckle political fight among Republicans presages a dysfunctional Congress between now and 2024 election. 

The are speaker, Kevin McCarthy, who, incidentally, had former president Donald Trump’s backing, finally won but only after making a series of concessions to the populist wing, which has weakened his authority. The AP reported, “Fingers were pointed, words exchanged and violence apparently just averted… It was the end of a bitter standoff that had shown the strengths and fragility of American democracy.”

senior Kremlin politician, interestingly, already commented on it. McCarthy himself, in his statement after election as the new House speaker, while announcing his priorities in the months ahead, listed commitment to a strong economy, counteracting illegal immigration through the Mexican border and competing with China, but omitted any reference to the situation in Ukraine or providing funds to Kiev. 

Indeed, earlier in November, he had asserted that the Republicans in the US House of Representatives would resist unlimited and unjustified financial aid to Ukraine. 

Now, Rice and Gates are borderline Republicans who refuse to march in lockstep with Trump. But, although a diminished player, Trump still remains an active player, a massive presence and exercises functional control and is by far the largest voice in the Republican Party. Arguably, what defines the GOP today is Trump. Therefore, his backing for McCarthy is going to be consequential.

Biden understands that. Conceivably, the Rice-Gates op-ed was mooted by the White House, sponsored by the US security establishment and scripted by the neocons. In fact, the op-ed appeared on the day after the January 5 joint statement by Biden and German Chancellor Olaf Scholz underscoring their ‘unwavering solidarity’ with Ukraine. 

Under immense pressure from Biden, Germany and France joined the US last week to provide Ukraine with Infantry Fighting Vehicles. Scholz also was persuaded to commit to Biden that Germany will join the US in supplying an additional Patriot air defense battery to Ukraine. (A top SPD politician has since voiced reservations.) 

On the same day as the op-ed appeared under the byline of Rice and Gates, Pentagon arranged, unusually for a Saturday, a Press briefing by Laura Cooper, Deputy Assistant Secretary of Defense, International Security Affairs for Russia, Ukraine, Eurasia. Cooper noted explicitly that the war in Ukraine threatens the US’ global standing itself. She Sais, inter alia: 

“From an overall strategic perspective, it is hard to emphasise enough the devastating consequences if Putin were to be successful in achieving his objective of taking over Ukraine. This would rewrite international boundaries in a way that we have not seen since World War II. And our ability to reverse these gains and to support and stand by the sovereignty of a nation, is something that resonates not just in Europe, but all around the world.” 

The cat is out of the bag, finally — the US is fighting in Ukraine to preserve its global hegemony. Coincidence or not, in a sensational interview in Kiev, Ukrainian Defence Minister Oleksii Reznikov also admitted over the weekend that Kiev has consciously allowed itself to be used by NATO in the bloc’s wider conflict with Moscow! 

To quote Reznikov, “At the NATO Summit in Madrid” in June 2022, “it was clearly delineated that over the coming decade, the main threat to the alliance would be the Russian Federation. Today Ukraine is eliminating this threat. We are carrying out NATO’s mission today. They aren’t shedding their blood. We’re shedding ours. That’s why they’re required to supply us with weapons.” 

Reznikov, an ex-Soviet army officer,  claimed that he personally recently received holiday greeting cards and text messages from Western defense ministers to this effect.

The stakes couldn’t be higher, isn’t it, with Reznikov doing some plain speaking? On Saturday, Pentagon announced the Biden Administration’s single biggest security assistance package for Ukraine so far from the Presidential Drawdown.

Evidently, the Biden Administration is pulling out all the stops. Another UN Security Council meeting has been scheduled for Jan. 13.

But Putin has made it clear that “Russia is open to a serious dialogue   – under the condition that the Kiev authorities meet the clear demands that have been repeatedly laid out, and recognise the new territorial realities.”

As for the war, in immediate terms, the tidings from Donbass are extremely worrisome. Soledar is in Russian hands and the Wagner fighters are tightening the noose around Bakhmut, a strategic communication hub and linchpin of Ukrainian deployments in Donbass. 

On the other hand, contrary to expectations, Moscow is unperturbed about sporadic theatrical Ukrainian drone strikes inside Russia. The Russian public opinion remains firmly supportive of Putin. The commander of the Russian forces, Gen. Sergey Surovikin has prioritised the fortification of the so-called ‘contact line.’ which is proving effective against Ukrainian counterattacks.

Pentagon is unsure of Surovikin’s thought process. From what they know of his brilliant success in evicting NATO officers from Syria’s Aleppo in 2016, attrition war is Surovikin’s forte. But one never knows. So, one had better prepare for a tank battle as in Kursk in World War 2!

Meanwhile, a steady Russian build-up in Belarus is underway. The S-400 and Iskander missile systems have been deployed there. A NATO (Polish) attack on Belarus is no longer realistic. On January 4, Putin hailed the New Year, as the formidable frigate Admiral Gorshkov carrying “cutting-edge Zircon hypersonic missile system, which has no analogue” embarked on a “a long-distance naval mission across the Atlantic and Indian Oceans, as well as the Mediterranean Sea.”

A week earlier, the sixth missile-carrying strategic nuclear-powered submarine of the Borei-A class, The Generalissimus Suvorov, joined the Russian Navy. Such submarines are capable of carrying 16 inter-continental ballistic missiles Bulava.   

The fog of war envelops Russian intentions. Rice and Gates have warned that time works in favour of Russia: “Ukraine’s military capability and economy are now dependent almost entirely on lifelines from the West — primarily, the United States. Absent another major Ukrainian breakthrough and success against Russian forces, Western pressures on Ukraine to negotiate a cease-fire will grow as months of military stalemate pass. Under current circumstances, any negotiated cease-fire would leave Russian forces in a strong position.” 

Biden’s call to Scholz on Friday shows the angst in his mind. With the fragmentation of the political class at home, Biden can ill afford cracks in allied unity as well.

Curiously, this was also the main thrust of an article a fortnight ago by a top Russian pundit Andrey Kortunov in the Chinese Communist Party daily Global Times titled US domestic woes could push Ukraine to sidelines of American public discourse

Kortunov wrote, “Putting emotions aside, one has to accept that the conflict has already become existential not only for Ukraine and Russia, but for the US as well: the Biden administration cannot accept a defeat in Ukraine without facing major negative implications for the US positions all over the world.”

Kortunov was writing well over a week before Rice and Gates began getting the same metaphysical perception of the reality.


Info: https://seniora.org/politik-wirtschaft/bidens-existenzangst-in-der-ukraine-biden-s-existential-angst-in-ukraine?acm=3998_1609


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Die Philippinen: Für China und USA von zentraler strategischer Bedeutung

meinungsfreiheit.rtde.life, 8 Jan. 2023 10:40 Uhr, Von Timur Fomenko

Die Philippinen unterhalten wichtige Handelsbeziehungen zu Peking, aber Washington sieht in dem Archipelstaat einen militärischen Stützpunkt bei potenziellen Feindseligkeiten gegen China in der Taiwan-Frage. Auf welche Seite wird sich Manila schlagen?


Quelle: Legion-media.ru © KTSDESIGN (Bild)


Ferdinand Marcos Jr., der Präsident der Philippinen, eröffnete das Jahr 2023 mit einem Besuch in China, bei dem 14 bilaterale Abkommen zwischen Manila und Peking unterzeichnet wurden.


Die Falken im US-Kongress treiben die USA in einen Konflikt um Taiwan hinein





Analyse

Die Falken im US-Kongress treiben die USA in einen Konflikt um Taiwan hinein





Zwischen den beiden Ländern ist diese Art der Diplomatie nichts Ungewöhnliches. Sie sind enge Wirtschaftspartner, wobei China der größte Exportmarkt der Philippinen und eine wichtige Quelle für eingehende Investitionen ist, vor allem im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI). Die beiden Staaten haben natürlich einige Meinungsverschiedenheiten, insbesondere wenn es um das Südchinesische Meer geht, aber sie haben sich entschieden, das Gesamtbild der bilateralen Beziehungen zumindest vorerst nicht zu trüben.


Es gibt jedoch einen Elefanten im Raum, der seinen Schatten auf die Beziehung zwischen Manila und Peking wirft. Dieser Elefant ist das Land, das sich selbst als den wahren und rechtmäßigen Beherrscher der Philippinen betrachtet – die Vereinigten Staaten von Amerika. Während Marcos Jr. die Zusammenarbeit mit China entwickelt, sieht sich der neugewählte Präsident erheblichem Druck aus Washington ausgesetzt, den USA zu erlauben, ihre militärische Präsenz im Land zu erhöhen, und möglicherweise – aufgrund der kritischen geostrategischen Lage der Philippinen – in einen potenziellen Taiwan-Konflikt verwickelt zu werden. Das hat die Außenpolitik des Archipelstaats zu einer Gratwanderung werden lassen, die im Falle eines Misserfolgs leicht im Desaster enden könnte


Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping am 4. Januar 2023 bei einer Begrüßungszeremonie für den philippinischen Präsidenten Ferdinand Romualdez Marcos Jr. in der Großen Halle des Volkes in Peking.Shen Hong / www.globallookpress.com (Bild)



Die Philippinen sind ein Grundpfeiler der amerikanischen Macht im asiatisch-pazifischen Raum. Das liegt daran, dass der Inselstaat das zweifelhafte Etikett trägt, das einzige Land in Asien zu sein, das buchstäblich eine Kolonie der USA war. Einst ein Herrschaftsgebiet des königlichen Spaniens, wurden die Inseln nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 von Washington annektiert. Dieser Krieg ermöglichte es den USA, eine Großmacht im Pazifik zu werden, und die Philippinen blieben bis 1946 in ihrem Besitz, nachdem die USA die Japaner von den Inseln vertreiben konnten.


ASEAN-Staaten widersetzen sich: Beim Gipfeltreffen mit EU keine Verurteilung Russlands wegen Ukraine





ASEAN-Staaten widersetzen sich: Beim Gipfeltreffen mit EU keine Verurteilung Russlands wegen Ukraine





Infolge der Erlangung der Unabhängigkeit blieben die Philippinen weiterhin ein Verbündeter der USA. Als eine Reihe von Inseln vor der Küste Südostasiens ermöglichen die Philippinen den USA, militärische Macht auf den asiatischen Kontinent zu projizieren – zum Beispiel durch die Nutzung von Marinestützpunkten während des Vietnamkriegs. Im Norden der Inseln liegen Taiwan und Festlandchina. Angesichts dieser strategischen Lage betrachten die USA die Philippinen als entscheidendes Element auf dem Schachbrett bei jedem zukünftigen Konflikt mit China. Die Philippinen sind unerlässlich, um China daran zu hindern, seine Ansprüche auf das gesamte Südchinesische Meer auszudehnen und sich gegen eine Eventualität in der Taiwan-Frage zu wehren. Die USA hätten das mit ihren jüngsten Annäherungsversuchen an Manila nicht deutlicher machen können.


Aber so einfach sind die Dinge nicht. Obwohl es zwischen Manila und Peking Meinungsverschiedenheiten über umstrittenes Territorium im Südchinesischen Meer gibt – und man wegen der jüngsten Geschichte instinktiv pro-amerikanisch ist –, ist die Realität, dass die Philippinen auch eine arme Nation sind und die Annäherung an die USA diesen Zustand nicht lindert. Die Philippinen brauchen einen Exportmarkt, sie brauchen Investitionen in die Infrastruktur und sie brauchen den chinesischen Tourismus. China ist nicht nur ein Nachbar, sondern das am besten positionierte Land der Welt, um all diese Dinge bereitzustellen. Dies hat die bilateralen Beziehungen trotz Momenten der Spannungen stabil gemacht. Infolgedessen verhalten sich die Philippinen in ihrer Außenpolitik nicht wie ein offener Verbündeter der USA, wie es ein Land wie Japan tut, sondern versuchen, zwischen Washington und Peking sorgfältig auszugleichen.


Diese Neuausrichtung der philippinischen Außenpolitik begann mit der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte im Jahr 2016, welcher versuchte, die geopolitische Autonomie des Landes zu behaupten, indem er Peking aktiv umwarb, während er Washington auf Abstand hielt. Dies lag daran, dass das Verständnis von Duterte darüber, was nationale Interessen ausmacht, und seine Herangehensweise an Themen wie Kriminalität und Wirtschaft, nicht mit den Visionen der USA übereinstimmten. Obwohl Duterte die USA nicht vollständig aus dem Land geworfen hat – wie seine Entscheidung zeigt, das "Abkommen über die Truppenbesuche" nicht zu kündigen –, positionierte er sein Land so, dass es nicht als Rammbock der USA gegen Peking benutzt werden könnte, weil er verstand, dass China in vielerlei Hinsicht ein nützlicher Partner ist.


Kurz nach Taiwan-Provokation Pelosis: USA versprechen "Verteidigung" der Philippinen





Kurz nach Taiwan-Provokation Pelosis: USA versprechen "Verteidigung" der Philippinen






Es wird angenommen, dass der neugewählte Präsident, Ferdinand Marcos Jr., möglicherweise mehr zu den USA neigt als Duterte, insbesondere angesichts der Erblast, die er durch seinen Vater trägt. Seine Entscheidung, das Jahr mit einem offiziellen Besuch in China zu beginnen, um in den bilateralen Beziehungen einen "Gang höher zu schalten", wie er es nannte, ist jedoch ein Hinweis darauf, dass die Strategie des Ausgleichs zwischen Washington und Peking in der philippinischen Außenpolitik fortgesetzt wird. Es ist klar, dass Marcos Jr. bei seinem Besuch nicht nur versucht hat, den Aspekt der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu stärken, sondern auch China zu versichern, dass die Philippinen nicht zu einer militärischen Plattform für die USA werden.


Wie sich das aber letztendlich auswirken wird, bleibt abzuwarten. Es wird angenommen, dass die USA im Jahr 2023 versuchen werden, die Spannungen in der Straße von Taiwan weiter zu verschärfen. Das Ziel dabei wird natürlich sein, jegliche Einheit und harmonische Beziehungen zwischen China und den asiatischen Ländern zu brechen, mit der Absicht, die eigene militärische Macht tiefer zu projizieren, so wie man es im Fall der Ukraine auch getan hat. Wie wird Manila diese Krisen meistern? Wie wird man den Anfragen der USA nach mehr Zugang für die amerikanischen Streitkräfte begegnen? Und wie wird China mit dieser Situation umgehen? Während der Staatsbesuch von Ferdinand Marcos Jr. an der diplomatischen Front vielversprechend war, sagt er wenig darüber aus, was letztendlich folgen wird.


Aus dem Englischen


Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.


Mehr zum Thema - Die militärisch-strategische Dynamik des neuen Kalten Krieges im asiatisch-pazifischen Raum


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/asien/159182-philippinen-fuer-china-und-usa


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Ziel: Dritter Weltkrieg? – CNN rekrutiert Washingtons schlimmsten Kriegstreiber

meinungsfreiheit.rtde.life, 7 Jan. 2023 20:38 Uhr, Von Caitlin Johnstone

CNN hat fast Lichtgeschwindigkeit erreicht und innerhalb einer Millisekunde den ehemaligen Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses, Adam Kinzinger, als Experten rekrutiert, kaum dass dieser von seinem politischen Amt abgetreten war.


Quelle: Legion-media.ru © Olekcii Mach (Bild)


Zitat: Adam Kinzinger, der vor seinem Abgang aus dem Repräsentantenhaus stattliche Wahlkampfspenden von den Waffenherstellern Lockheed Martin, Boeing, Raytheon und Northrop Grumman erhielt, galt wohl als der ungeheuerlichste Kriegshetzer auf dem Capitol Hill.


Neue Twitter-Bombe: Wie US-Geheimdienste die Tech-Giganten gefügig machten





Analyse

Neue Twitter-Bombe: Wie US-Geheimdienste die Tech-Giganten gefügig machten





Niemand im Kongress setzte sich so aggressiv dafür ein, den Dritten Weltkrieg loszutreten, wie Kinzinger es im vergangenen Jahr tat. Er versuchte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einen heißen Krieg gegen Russland ermöglicht hätte, falls Moskau bestimmte "rote Linien" in der Ukraine überschreiten sollte, fand aber keine Unterstützer dafür, weil selbst seine Kollegen in der Fraktion der Falken den Vorstoß für zu verrückt hielten. Kinzinger war die lauteste Stimme im US-Kongress, die bereits in den ersten Kriegswochen nach einer Flugverbotszone über der Ukraine rief, eine Forderung, die selbst von den Massenmedien kritisiert wurde, da dies zwangsläufig dazu geführt hätte, dass das US-Militär russische Kriegsflugzeuge hätte abschießen müssen, was auf aggressive Weise einen Atomkrieg provoziert hätte.


Kinzinger war im Jahr 2022 ein dermaßen wahnsinniger und gemeingefährlicher Verrückter, dass er noch während seiner Amtszeit offizielles Mitglied der vom Imperium geförderten Online-Trollfarm namens "NAFO" (North Atlantic Fellas Organization) wurde, die von einem regelrechten Neonazi gegründet wurde, der von Kinzinger sowohl vor als auch nach der Enthüllung dieser Tatsache offen unterstützt wurde – selbst nachdem Enthüllungen über den Hass des Gründers auf Juden und seine Zuneigung zu Hitler im Netz auftauchten. Noch als amtierender Kongressabgeordneter hetzte er mit dem entsprechenden Hashtag seine Mitstreiter bei "NAFO" auf Twitter-User, um deren Kritik an einer US-Außenpolitik, die seiner psychopathischen Kriegstreiberei entgegenstand, in den sozialen Medien anzugreifen und mit Kommentaren zu überfluten.



Vor dem Krieg in der Ukraine forderte Kinzinger, unmittelbar nach dem Abzug der US-Truppen, die erneute Invasion Afghanistans und tobte über den öffentlichen Widerstand gegen einen "endlosen Krieg". Davor bejubelte er Trumps Ermordung des iranischen Militärführers Qasem Soleimani, forderte US-Interventionismus in Venezuela, verteidigte den von den USA unterstützten Krieg gegen den Jemen, rief zur Invasion Syriens auf und drängte ganz allgemein bei jeder Gelegenheit auf mehr Krieg und Militarismus. Davor half er dem Imperium, als Mitglied der US Air Force, Iraker zu töten. Kinzinger ist online ein derartig unausstehlicher Kriegstreiber, dass selbst ich ihn "den schlimmsten Twitter-Account aller Zeiten" genannt habe.


Kein Wunder also, dass er umgehend von einem kriegstreibenden Propagandanetzwerk aufgegriffen wurde, sobald er verfügbar wurde, um sicherzustellen, dass seine Kriegstreiberei eine möglichst große Plattform erhält. So witzelte Dave DeCamp von Antiwar über das Engagement von Kinzinger bei CNN: "All seine Appelle für den Dritten Weltkrieg müssen ihm diesen Job eingebracht haben."


Die USA haben Europa erfolgreich aus dem Zug in die Zukunft geworfen





Analyse

Die USA haben Europa erfolgreich aus dem Zug in die Zukunft geworfen





Die Eingliederung von Kinzinger in die Industrie der Kriegspropaganda war so vorhersehbar, dass Glenn Greenwald sie im vergangenen Oktober in eine Twitter-Umfrage mit einbezog und sein Publikum fragte, wohin die Karriere von Kinzinger nach seinem Ausscheiden aus dem Kongress voraussichtlich führen werde, wobei CNN eine der Optionen war. Wie einer seiner Twitter-Follower es ausdrückte: "Die Drehtür vom Kongressabgeordneten zum Medienkommentator zum Lobbyisten dreht sich in Washington so schnell, dass sie tatsächlich die Rotation der Erde relativ zur Sonne beeinflusst."


Krieg ist der Kitt, der das US-Imperium zusammenhält, und um diesem Zweck zu dienen, bedarf es endloser Kriegspropaganda. Kriegspropagandisten trennt bei den endlosen militärischen Massakern, die sie unterstützen, nichts mehr von jenen Menschen, die tatsächlich den Abzug betätigen. Wir sehen dies in der Art und Weise veranschaulicht, wie Kinzinger in der Lage war, nahtlos vom Abwerfen von Bomben als Pilot der Air Force zur Verabschiedung von Gesetzen zum Abwerfen von Bomben im US-Kongress hin zum Erzeugen von Zustimmung zum Abwurf von Bomben bei CNN übergehen konnte.


Wir leben unter dem Joch eines Imperiums, das von Lügen und dem Blut von Menschen angeheizt und von den fortwährenden Bemühungen mörderischer Kriegsschlampen wie Adam Kinzinger vorangetrieben wird.


CNN ist der perfekte Arbeitsplatz für ihn.


Aus dem Englischen


Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Ihre Website findet sich hier und man kann ihr auf Twitter unter @caitoz folgen.


Mehr zum Thema - "Erneuerung der Demokratie": Hillary Clinton bekommt neuen Job an Universität


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/159176-cnn-rekrutiert-washingtons-schlimmsten-kriegstreiber


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Putins Grußbotschaft an Indien: Die Stärke der russisch-indischen Partnerschaft

meinungsfreiheit.rtde.life, 8 Jan. 2023 14:37 Uhr, Von Andrew Korybko

Aus Putins prägnanter Grußbotschaft zum neuen Jahr an Indien lässt sich viel extrapolieren, was die Absicht der vorliegenden Analyse ist. Es soll kurz umrissen werden, was Präsident Putin in jedem Teil seiner Grußbotschaft gemeint hat, um dem Leser ein solides Verständnis über die Zukunft der russisch-indischen strategischen Partnerschaft zu vermitteln.







Quelle: Legion-media.ru © Mattia Dantonio


Präsident Putin entsandte zum Jahreswechsel Grußbotschaften an alle Staatsführer der engsten Partner seines Landes, zu denen natürlich auch Indien gehört. Die Grußbotschaft, die er an Präsidentin Droupadi Murmu und Premierminister Narendra Modi schickte, enthielt mehr, als man zwischen den Zeilen vielleicht zu lesen vermag. Der nachfolgende Text gibt den Inhalt der Mitteilung des russischen Staatschefs an die indischen Amtskollegen wieder:


"In der Grußbotschaft an die Präsidentin der Republik Indien, Droupadi Murmu, und an den Premierminister Indiens, Narendra Modi, betonte Präsident Putin, dass Russland und Indien im Jahr 2022 den 75. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen begingen und – sich auf die positiven Traditionen der Freundschaft und des gegenseitigen Respekts stützend – beide Länder ihre besonders privilegierte strategische Partnerschaft weiter ausbauen, nebst Energie, Militärtechnologie und anderen Bereichen der Zusammenarbeit, groß angelegte Handels- und Wirtschaftsprojekte verfolgen und ihre Bemühungen koordinieren, um wichtige Angelegenheiten regionaler und globaler Herausforderungen anzugehen. In seiner Botschaft unterstrich Präsident Putin, dass er zuversichtlich sei, dass Indiens kürzlich angetretene Präsidentschaften bei der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und bei der G20 neue Möglichkeiten für den Aufbau einer mehrdimensionalen russisch-indischen Zusammenarbeit zum Nutzen beider Völker eröffnen werden, im Interesse der Stärkung von Stabilität und Sicherheit in Asien und der ganzen Welt."


Indiens Außenminister zu Lawrow: Neu-Delhi will Vorteile seiner Kooperation mit Moskau beibehalten



Indiens Außenminister zu Lawrow: Neu-Delhi will Vorteile seiner Kooperation mit Moskau beibehalten






Aus dem obigen Text kann vieles extrapoliert werden, was die Absicht dieser Analyse ist. Es soll kurz umrissen werden, was Präsident Putin in jedem Teil seiner Grußbotschaft gemeint hat, um dem Leser ein solides Verständnis über die Zukunft der russisch-indischen strategischen Partnerschaft zu vermitteln.


Die Grußbotschaft eröffnete damit, die drei Vierteljahrhunderte währenden Beziehungen zwischen beiden Ländern hervorzuheben, was betont, wie weit diese Beziehungen formal bereits zurückreichen. Putin hielt es auch für angebracht, Beobachter daran zu erinnern, dass Russland und Indien einander immer mit gegenseitigem Respekt begegnet sind, was im Gegensatz dazu steht, wie gewisse andere Länder diesem südasiatischen Staat entgegentreten. Auf dieser Grundlage konnte man strategisch erfolgreiche Beziehungen aufbauen, die Präsident Putin ebenfalls kurz angesprochen hat.


Die "groß angelegten Handels- und Wirtschaftsprojekte", auf die er sich bezog, stehen wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Nord-Süd-Transportkorridor (NSTC), auf den sich der russische Präsident im vergangenen Monat mehrmals bezog. Das erste Mal während eines Treffens mit dem Rat für strategische Entwicklung und nationale Projekte am 15. Dezember, das zweite Mal eine Woche später am 22. Dezember während einer spontanen Pressekonferenz und zum letzten Mal zwei Tage später am 24. Dezember während eines informellen Gipfeltreffens mit den Staatsoberhäuptern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).


Die Dimension im Bereich der Energie der russisch-indischen strategischen Partnerschaft ist diejenige, die im vergangenen Jahr am stärksten skaliert wurde, nachdem Russland zu Indiens führendem Öllieferanten wurde. Diese Beziehung ist für beide Seiten von Vorteil, da Moskau zuverlässig Einnahmen generieren kann, aus denen heraus es seine Haushaltspläne formuliert, während Neu-Delhi zuverlässig Lieferungen erhält, um seine Wirtschaft, die im vergangenen Jahr doppelt so schnell gewachsen ist, weiter anzukurbeln. Beide Länder arbeiten auch sehr eng im Bereich der Kernenergie zusammen, während Flüssigerdgas (LNG) ebenfalls ein vielversprechender Vektor bleibt.


Und es wird wieder nichts! Baerbocks Abfuhr in Indien





Meinung

Und es wird wieder nichts! Baerbocks Abfuhr in Indien






Zum Thema der militärischen Zusammenarbeit: Russische Waffen helfen Indien, die Glaubwürdigkeit seiner Abschreckungsfähigkeiten gegenüber China und Pakistan aufrechtzuerhalten, was wiederum das Risiko eines heißen Konflikts zwischen diesen Ländern verringert und damit die Chancen auf politische Lösungen bei Streitigkeiten erhöht. Darüber hinaus versorgt Moskau Neu-Delhi mit hochmoderner Technologie, bei der man auch bereit ist, diese in Indien herstellen zu lassen, was kein anderer Partner Indiens im militärischen Bereich auch nur in Erwägung ziehen würde.


Der vage Hinweis von Präsident Putin auf "andere Bereiche der Zusammenarbeit" impliziert wahrscheinlich Russlands Forderung an Indien, seine Exporte nach Russland um das satte Fünffache zu steigern. Damit soll nicht nur das Handelsdefizit zwischen beiden Ländern ausgeglichen werden, das dadurch entstanden ist, dass Neu-Delhi im vergangenen Jahr außerordentlich viel Öl aus Russland bezogen hat, sondern es sollen durch die Exportsteigerung auch die Wirtschaftsbeziehungen umfassend diversifiziert werden, um dem NSTC mehr Gewicht zu verleihen.

Indem Putin in seiner Grußbotschaft dazu übergeht, wie Russland und Indien weiterhin "ihre Bemühungen koordinieren, um wichtige Angelegenheiten regionaler und globaler Herausforderungen anzugehen", spielt Präsident Putin auf den Wunsch an, gemeinsam mit dem Iran ein drittes Einflusszentrum zu schaffen, um der Bi-Multipolarität zum Durchbruch zu verhelfen.


"Definitiv keine Kolonie" – Indien fährt souveränen Kurs und trotzt antirussischen Sanktionen





Analyse

"Definitiv keine Kolonie" – Indien fährt souveränen Kurs und trotzt antirussischen Sanktionen




Der letzte Satz über die persönlichen Hoffnungen des russischen Staatschefs in Bezug auf die strategische Partnerschaft kann als Bekräftigung der Unterstützung seines Landes für die angestrebte Führung Indiens im Globalen Süden durch seinen Vorsitz in der G20 und seine langjährige Forderung nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat interpretiert werden. Präsident Putin drückt auch seine Zuversicht aus, dass Indiens rascher Aufstieg zu einer global bedeutenden Großmacht im vergangenen Jahr auch für Russland weiterhin von beiderseitigem Vorteil sein wird.


Alles in allem lässt sich also der Schluss ziehen, dass die Grußbotschaft des russischen Staatsoberhauptes an Indien zur Jahreswende tatsächlich viel aussagekräftiger ist, als viele Beobachter vielleicht gedacht hätten. Putin bewegte sich prägnant entlang der Bandbreite der russisch-indischen Beziehungen und lobte die neu entdeckte Rolle seines strategischen Partners in globalen Angelegenheiten. Niemand sollte daher daran zweifeln, dass sich die besondere und privilegierte russisch-indische strategische Partnerschaft auch in diesem Jahr als eine der einflussreichsten entwickeln wird.


Aus dem Englischen


Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe. Er spezialisiert sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien, Chinas "Neue Seidenstraßen"-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt sowie hybride Kriegsführung.


Mehr zum Thema - Telefonat statt Treffen: Putin sprach mit Indiens Premierminister Modi


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.a

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/159252-putins-grussbotschaft-an-indien


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.01.2023

Lebenshaus-Newsletter, 8. Januar 2023

Liebe Freundinnen und Freunde,


diesen Newsletter möchte ich einleiten mit einem kurzen Gedanken von Ammon Hennacy (1893 - 1970), US-amerikanischer christlicher Pazifist, Anarchist und prägende Persönlichkeit der Catholic-Worker-Bewegung.


Nur zwischen den Kriegen

ein Pazifist zu sein, ist so,

wie nur zwischen den Mahlzeiten

ein Vegetarier zu sein.


(Ammon Hennacy - zit. nach: Frieden stiften - jeden Tag)


Mehr über Ammon Hennacy ist hier zu finden: https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=c1672bcf6a&e=51d2a34ef5


An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei all den Menschen bedanken, die "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie" im vergangenen Jahr mit einer Spende unterstützt haben! Selbst die Finanzierungslücke, die zu Weihnachten noch bestand, konnte bis zum Jahresende geschlossen werden. Herzlichen Dank!!!


Ich wünsche einen guten Start in das Jahr 2023 sowie genügend Kraft und Hoffnung angesichts der Herausforderungen, die sich uns stellen!


Ihr / Euer

Michael Schmid


Die Texte und Informationen in unserem Newsletter und auf unseren Websites dienen der Information und sollen zum Nachdenken und zur Diskussion anregen. Sie entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autor*innen und geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.


Wir freuen uns, wenn unsere Newsletter an andere Menschen weitergeleitet werden.

Artikel



** Warum ein US-Friedensaktivist in Deutschland ins Gefängnis muss

------------------------------------------------------------


Während die Atomkriegsgefahr in Europa steigt, wird der US-Amerikaner LaForge in ein Hamburger Gefängnis geschickt. Bei einem Protest gegen US-Atomwaffen betrat er den Fliegerhorst Büchel. Er sagt: Nuklearwaffen sind das Verbrechen. Von David Goeßmann. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=b46d88ab65&e=51d2a34ef5



** Mit Fehlern behaftete Würdigung des Zivilen Ungehorsams in Mutlangen von 1983-1987

------------------------------------------------------------


Es gibt Bücher, die einen als Rezensenten in einen Konflikt bringen. Was tun, wenn das Thema des zu besprechenden Buches in der eigenen Lebensgeschichte eine herausragende Rolle spielte, aber beim Lesen immer mehr falsche Darstellungen und sehr fragwürdige Interpretationen ins Auge springen? Es handelt sich um Richard Rohrmosers Promotion, in der er sich dem Zivilen Ungehorsam gegen die Atomrüstung im baden-württembergischen Mutlangen in den 1980er Jahren widmet. Von Michael Schmid. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=9ccab96b62&e=51d2a34ef5



** Ja zur Hilfe für die Menschen in der Ukraine! Nein zu Waffenlieferungen!

------------------------------------------------------------


Die "Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" (DFG-VK) kritisiert die geplante Lieferung von Panzern an die Ukraine: "Statt endlich die zivile Hilfe auszuweiten, werden immer mehr und immer größere Waffensysteme in den Krieg geliefert. Damit wird die Eskalationsspirale angeheizt und der Krieg ausgeweitet", kritisiert der DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin, Experte für Waffenexporte: "Deutschland muss mit aller Kraft zivil helfen!" >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=b61ba5e09a&e=51d2a34ef5



** "Ruhm für die Ukraine!"

------------------------------------------------------------


Am 28. Dezember 2022 hielt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem hauseigenen Parlament in Kiev eine Rede, die auf seiner Plattform - der Plattform des ukrainischen Präsidenten - in Ukrainisch, Russisch und Englisch zum Lesen zur Verfügung steht. Globalbridge.ch hat die ganze Rede in die deutsche Sprache übersetzt und hat sich zusätzlich erlaubt, zur Abkürzung der Lesezeit die bemerkenswertesten Sätze darin in fette Schrift zu setzen. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=403827262f&e=51d2a34ef5



** Ukraine: Chronik der westlichen Einmischung

------------------------------------------------------------


Die Intervention des Westens im Umsturz von 2014 wird oft heruntergespielt. Sie passt nicht ins NATO-Narrativ von diesem Krieg. Von Helmut Scheben. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=e9236e62cf&e=51d2a34ef5



** Ukraine: "Ohne Hilfe der USA hätte es keinen Staatsstreich gegeben"

------------------------------------------------------------


Kein westliches Land hätte einen solchen Gewalt-Aufstand wie auf dem Maidan toleriert, sagte der damalige Ministerpräsident Asarow. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=8304b95ce7&e=51d2a34ef5



** Aushungern, Belagern: Politik im 21. Jahrhundert

------------------------------------------------------------


Aserbaidschan sperrt seit bald drei Wochen die Lebensader Bergkarabachs. Abertausende sind ohne Lebensmittel und Medikamente. Von Amalia van Gent. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=1d726fc496&e=51d2a34ef5



** Atomkraft: Schluss jetzt! Streckbetrieb ist nutzlos und gefährlich

------------------------------------------------------------


Der Atomkonsens sah ein Aus der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke (AKW) Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland zum 31. Dezember 2022 vor. Doch mit der Entscheidung zum Streckbetrieb bis April 2023 haben die Bundesregierung und der Bundestag diesen breiten gesellschaftlichen Kompromiss aufgekündigt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert diese Entscheidung aufs Schärfste und warnt vor den atomaren Gefahren auch im Streckbetrieb. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=bcb73ca710&e=51d2a34ef5 (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=114e547e61&e=51d2a34ef5)



** 2022 sind weltweit die Zahl der AKW und die Atomstromproduktion gesunken

------------------------------------------------------------


Ende 2022 erzeugten weltweit laut der Statistiken der amtlichen IAEA (International Atomic Energy Agency) nur noch 422 Atomreaktoren Strom. 20 Jahre früher im Jahr 2002 waren es noch 444. Nachdem schon im Jahr 2021 die weltweite Atomstromproduktion mit 2.653 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden) kleiner war als fünfzehn Jahre zuvor im Jahr 2006 mit 2661 TWh (IAEA), wird im Jahr 2022 durch den Stillstand vieler alter und defekter AKW gerade in Frankreich die Atomstromproduktion nochmal gesunken sein. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=0c3305f5b0&e=51d2a34ef5



** Fallstricke des gewaltfreien Reformismus

------------------------------------------------------------


Mit aufsehenerregenden gewaltfreien Aktionen setzt die "Letzte Generation" klare Zeichen gegen den drohenden Klimakollaps. An vielen Punkten zeigen sich allerdings eine erschreckende Naivität und Staatsgläubigkeit der Organisation, die Lou Marin in seinem Kommentar ebenso kritisiert wie die banalen Minimalforderungen und fragwürdige interne Strukturen. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=31995799ee&e=51d2a34ef5



** Gemeinsame Erklärung: Klimaschutz statt Repression: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt auch im Umgang mit der "Letzten Generation"!

------------------------------------------------------------


Mit dem Vorwurf der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" nach § 129 StGB fahren die Strafverfolgungsbehörden schweres Geschütz gegen gewaltfreien Klimaprotest auf, der mit der Einhaltung der Klimaschutzziele ein verfassungs- und völkerrechtlich legitimiertes Anliegen verfolgt. Angesichts der weitreichenden Grundrechtseingriffe, die durch diesen Vorwurf gerechtfertigt werden, halten wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin nach § 129 StGB gegen Menschen aus der Bewegung "Letzte Generation" für unverhältnismäßig. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=6ff90448b1&e=51d2a34ef5



** Eine Erde, Eine Gesundheit – Samen der Freiheit gegen Hunger, Mangelernährung und Krankheit ausbringen

------------------------------------------------------------


Das industrielle Landwirtschaftsmodell basiert auf Gewalt und Krieg – Krieg gegen die Erde und gegen unsere Körper. Es hat zu strukturellem Hunger, Mangelernährung und Krankheit geführt. Wir müssen zu gewaltfreien Alternativen übergehen, die die Gesundheit des Planeten und der Menschen schützen, die die biologische Vielfalt regenerieren und gesunde Böden und gesunde Lebensmittel schaffen. Von Vandana Shiva. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=6459b29492&e=51d2a34ef5



** Kältestrom und Wärmestrom: Ernst Bloch und die Gaspreisbremse

------------------------------------------------------------


"Wärmestrom - Kältestrom": Was Ernst Bloch mit der gegenwärtigen Angst vor dem Frieren, der Gaspreisbremse der Bundesregierung und dem Ende der Weimarer Republik zu tun hat. Eine Analyse. Von Michael Jäger. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=bf9ca70001&e=51d2a34ef5



** Es gibt nur eine Menschenwürde - Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

------------------------------------------------------------


In einem von PRO ASYL, BAfF e.V. und Flüchtlingsrat Berlin initiierten Appell fordern 62 Organisationen das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Leistungsempfänger*innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen in das reguläre Sozialleistungssystem und damit auch in das Bürgergeld integriert werden. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=cc231fd25c&e=51d2a34ef5

Hinweise



** Rendite für die Rüstungsindustrie: "Die Wunschlisten beim Militär sind lang"

------------------------------------------------------------


Neue Bomber, neue Bomben: Ampelkoalition rüstet Bundeswehr auf. Friedensbewegung fordert Ende "nuklearer Teilhabe". Gespräch mit Martin Singe >> ogy.de/zj7b



** Bundeswehr: Zahl der Kriegsdienstverweigerer hat sich 2022 fast verfünffacht

------------------------------------------------------------


Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist im vergangenen Jahr stark gestiegen. Das hat vor allem mit dem Ukrainekrieg zu tun. Viele Antragsteller gaben an, nicht mit einer kriegerischen Auseinandersetzung gerechnet zu haben. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=66d85fce20&e=51d2a34ef5


Zur Kriegsdienstverweigerung siehe ebenfalls:

* Mehr zum KDV-Verfahren und Beratung bei der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=1ceaf52323&e=51d2a34ef5

* Aktion: Nein – meine Kinder gebe ich nicht. Nein – schießen werde ich nicht! "Jetzt den Kriegsdienst verweigern!" >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=24863b08a0&e=51d2a34ef5

* Zu persönlichen Erfahrungsberichten und Hintergrundinformationen zur Kriegsdienstverweigerung in Deutschland West und Ost: "Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten" >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=9ae6b637ab&e=51d2a34ef5



** Petition: Russland, Belarus, Ukraine: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer

------------------------------------------------------------


Zeigen wir unsere Solidarität mit Verweigerern und Deserteuren! Unterzeichne jetzt! Fordere die Europäische Union mit uns auf:

* Geben Sie Deserteuren und Verweigerern aus Belarus und der Russischen Föderation Schutz und Asyl!

* Fordern Sie die ukrainische Regierung auf, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen und ihnen ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren!

* Öffnen Sie die Grenzen für diejenigen, die sich unter hohem persönlichen Risiko in ihrem Land gegen den Krieg stellen!


Link zur Petition >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=1c16db18a4&e=51d2a34ef5

Die Unterschriftensammlung läuft noch bis März 2023. Die Petition wurde initiiert von: Connection e.V., Internationaler Versöhnungsbund, War Resisters‘ International und dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung.

Weitere Organisationen, welche die Petiton unterstützen, finden sich hier >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=b94a228906&e=51d2a34ef5


Siehe ebenfalls: Rudi Friedrich: Kriegsdienstverweigerung in Russland, Ukraine und Belarus, in: FriedensForum 1/2023 >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=38e4a17f93&e=51d2a34ef5



** Mit Wärme-Rekord ins neue Jahr

------------------------------------------------------------


In Europa ist der Jahreswechsel wärmer als je zuvor, und in Nordamerika bricht ein arktischer Wintersturm alle Rekorde. Das Wetter-Rekordjahr 2022 bleibt sich bis zum Ende treu.>> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=bdd4299f08&e=51d2a34ef5



** Deutschland verfehlt Klimaziel für 2022

------------------------------------------------------------


Obwohl Haushalte und Industrie 2022 weniger Energie verbrauchten, hat Deutschland sein Klimaziel verfehlt. Hauptursache ist der Mehreinsatz fossiler Brennstoffe, so die Jahresbilanz von Agora Energiewende. Der Thinktank warnt vor Trends, die das Erfüllen der Klimaziele auch in den nächsten Jahren infrage stellen. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=015fac48c3&e=51d2a34ef5



** Lage in Lützerath spitzt sich zu

------------------------------------------------------------


Die Auseinandersetzung um den Erhalt des von Abbaggerung bedrohten Ortes Lützerath im Rheinland wird schärfer. Während sich die Polizei in Richtung des Ortes vorarbeitet, um die Räumung vorzubereiten, mobilisieren Klimabewegte und Umweltverbände für den Erhalt des Ortes und einen sofortigen Kohleausstieg. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=ff78807e22&e=51d2a34ef5


Demo am 14. Januar 2023, 12 Uhr, in Lützerath: "Lützerath schützen – Kohle stoppen – Räumung verhindern" >> ogy.de/56f7

Veranstaltungstermine finden sich u.a.:

* Netzwerk Friedenskooperative (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=fcaf77a483&e=51d2a34ef5)

* Die AnStifter (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=e2bf215e5b&e=51d2a34ef5)

* Bessere Welt Links. Norbert's Bookmarks für engagierte Leute (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=b383e0c9b0&e=51d2a34ef5)

* Plattform Zivile Konfliktbearbeitung (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=299a1b32e3&e=51d2a34ef5)

* .ausgestrahlt Termine (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=1e2b4c7344&e=51d2a34ef5)


============================================================

Lebenshaus Schwäbische Alb e.V.

Bubenhofenstr. 3

D-72501 Gammertingen

Germany

08.01.2023

«Ohne Hilfe der USA hätte es keinen Staatsstreich gegeben»

seniora.org, vom 07. Januar 2023, Red. infosperber / 7.01.2023 - übernommen von infosperber.ch

Kein westliches Land hätte einen solchen Gewalt-Aufstand wie auf dem Maidan toleriert, sagte der damalige Ministerpräsident Asarow.


Protestiernde in Kiew am 18.2.2014. Mstyslav ChernovCC BY SA 3.0
Protestiernde in Kiew am 18.2.2014 © ChernovCC-BY-SA-3.0


upg. Als Grund für die wochenlangen Unruhen im Jahr 2013/14 auf dem Maidan in Kiew wird immer wieder folgendes Narrativ erzählt: Der damalige Präsident Janukowitsch habe sich unerwartet geweigert, das mit der EU ausgehandelte Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen. Das habe eine spontane Protestbewegung ausgelöst. Als sich die Lage zuspitzte, hätte sich dann das westliche Ausland eingemischt, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen.


Premierminister war damals Nikolai Asarow. Er war vier Jahre lang bis zu seinem Rücktritt Ende Januar 2014 Regierungschef   – und damit der am längsten regierende Premierminister der unabhängigen Ukraine. Asarow widerspricht dem westlichen Narrativ. Er lebt heute in Moskau und erarbeitet in einem «Komitee zur Rettung der Ukraine», das in Opposition zur derzeitigen Regierung in Kiew steht, politische Vorschläge für die Zukunft der Ukraine. Wir dokumentieren im Folgenden ein Interview, das der Journalist Stefan Korinth im November 2016 mit Asarow über den genauen Hergang aus dessen Sicht führte.


Dieses Interview erschien am 21. November 2016 auf Teleopolis.


Herr Asarow, wir sprechen heute [2016], zum dritten Jahrestag des Maidanbeginns. Auslöser der Proteste damals war ja die Ablehnung des Assoziierungsabkommens durch Sie und Präsident Viktor Janukowitsch. In deutschen Medien hiess es damals immer, Sie hätten das Abkommen überraschend abgelehnt. In den Medien wurden auch selten Gründe genannt. Könnten Sie für das deutsche Publikum die Ablehnungsgründe nochmal genau erläutern?


Nicolai Asarow 600x670










Nikolai Asarow © ITAR/TASS

















Nikolai Asarow: In den westlichen Medien ist diese Frage sehr wenig objektiv betrachtet worden. Bitte beachten Sie, dass das Assoziierungsabkommen bereits 2012 paraphiert worden war. Das heisst, die Vereinbarung war im Prinzip fertig, zwei Jahre, bevor der Maidan passierte. Daraus folgt die einfache Frage: Warum wurde das Abkommen 2012 oder 2013 nicht unterschrieben, wenn es denn fertig war? Der Grund dafür ist, dass die Europäische Kommission die Unterzeichnung des Abkommens von der Freilassung Julia Timoschenkos abhängig gemacht hat. Und die ukrainische Seite war unzufrieden mit den im Abkommen festgehaltenen Ergebnissen zum Freihandel.


Das Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU sollte im Prinzip zeitgleich mit einem Freihandelsabkommens zwischen der Ukraine und Russland in Kraft treten. Das hätte bedeutet, dass die ukrainischen Grenzen auf beiden Seiten offen gewesen wären für Waren, Dienstleistungen und Kapital. Das führte zu einem Konflikt zwischen Russland, der Ukraine und der EU, mit dessen Lösung wir uns beschäftigen mussten.


Diese Verhandlungen haben sich sehr, sehr schwierig gestaltet. Sie müssen sich das so vorstellen, dass wir die Fragen am Anfang jeweils bilateral besprochen haben. Das heisst, wir sind nach Brüssel gefahren, haben dort gesprochen. Danach sind wir nach Moskau gefahren und haben dort gesprochen. Und nachdem diese Gespräche nichts gebracht haben, weil auf beiden Seiten keine Einigung erzielbar war, habe ich den Vorschlag gemacht: «Egal wo, aber lasst uns zu dritt zusammensitzen und das klären.»


«Die EU hat dreiseitige Gespräche komplett abgelehnt»

Und erst im September 2013 hat Russland solchen trilateralen Gesprächen überhaupt zugestimmt. Obwohl es schon nicht einfach war, Russland zu einem dreiseitigen Treffen zu bewegen, hat es die EU aber komplett abgelehnt, und gesagt: «Das ist kein Thema, was einem dreiseitigen Gespräch zusteht. Das ist eine Sache nur zwischen der Ukraine und Europa!»


In dieser Zeit hat sich ein Handelsbilanzdefizit von elf Milliarden im Handel zwischen der Ukraine und Europa ergeben. Das heisst die ukrainischen Importe waren um elf Milliarden höher als die Exporte nach Europa. Uns war klar, dass wir in dem Moment, wo wir die Grenzen für Waren und Dienstleistungen öffnen, sofort mit der hohen wirtschaftlichen Entwicklung der westlichen Unternehmen konkurrieren müssen.


Deswegen haben wir uns an die EU gewendet und darum gebeten, Unterstützung für die Modernisierung unserer Wirtschaft zu bekommen. Damit wir auf mittlere Sicht zumindest konkurrenzfähig im Freihandel mit Europa werden können. Und wir hatten Hoffnung, dass diese Frage positiv beschieden wird. Aber an dieser Stelle gab es eben keine Einsicht und auch keine Unterstützung.


Ich würde gern noch zwei, drei Gedanken zum Inhalt dieses Assoziierungsabkommens anbringen.


Bitte

Das, was wir in Wahrheit nach Europa exportieren können, sind zum grossen Teil Agrarprodukte. Aber ausgerechnet diese Produktkategorien wollte die EU sehr limitieren durch Einfuhrquoten. Ein Beispiel: Als wir die Gespräche mit Europa begonnen haben, war die Quote für die Einfuhr von Getreide in die EU 20’000 Tonnen. Im Verlauf der Gespräche habe ich es geschafft, dass wir die Quote zumindest auf 200’000 Tonnen erhöhen konnten. Aber die Ukraine produziert mehr als 60’000’000 Tonnen. Und das potenzielle Volumen, das die Ukraine exportieren könnte, sind 30 ’000’000 Tonnen. Die Frage, die sich für mich natürlich gestellt hat, ist: «Was ist das für ein Freihandelsabkommen, wenn gerade das, was wir exportieren können, sich nicht exportieren lässt, weil man es durch Quoten sehr stark begrenzt?»


Oder wir hätten mehr als 1’000’000 Tonnen Fleisch in die EU liefern können. Und man hat uns eine Quote von 20’000 Tonnen zugestanden. Wir wären auch in der Lage gewesen, ein grosses Volumen an Stahl zu exportieren. Die Produkte des Maschinenbaus, die wir unter Umständen auch hätten exportieren können, die waren natürlich limitiert und reglementiert durch die technischen Normen der EU, die nicht identisch waren mit denen der Ukraine.


Aus diesen ganzen Punkten heraus hat sich Ende 2013 die Meinung manifestiert, dass der ökonomische Teil des Assoziierungsabkommens in der derzeitigen Form für die Ukraine nicht vorteilhaft gewesen ist. Aber ich unterstreiche nochmal: Alle Gespräche sowohl mit der EU als auch mit Russland wurden vertraulich geführt. Nichts davon ist an die Medien durchgesickert. Wir haben darauf gehofft, irgendwie einen Kompromiss zu finden.


Aber im November 2013: Was hatten wir damals vom Gipfeltreffen mit der EU? Die finanzielle Hilfe für die Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft wurde abgelehnt. Die Erhöhung der Quoten wurde abgelehnt. Ein Überbrückungskredit wurde ebenfalls abgelehnt. Daher hat sich für uns die Frage gestellt, die Unterschrift zu verschieben, bis wir die eben benannten Probleme mit einem Kompromiss gelöst haben.


Diesen Moment hat man zur Vorbereitung eines Staatsstreichs genutzt. Auf der diplomatischen Ebene hat Barroso [damals EU-Kommissionspräsident] sehr klar gesagt: «Wenn ihr das nicht unterschreibt, wird es ein anderer Präsident und ein anderer Premierminister unterschreiben.» Ich glaube, dass diese Aussage sehr deutlich unterstreicht, welches Machtverhältnis zwischen der EU und der Ukraine damals existierte.


Aufarbeiten der Geschichte[*]

upg. Ein Krieg darf nicht davon abhalten, die Vorgeschichte zu analysieren. Die Nato unter Führung der USA war für den 20-jährigen Angriffskrieg gegen Afghanistan verantwortlich, der eine Viertel Million Tote forderte. Präsident George W. Bush und seine Koalition der Willigen waren für den Angriffskrieg gegen den Irak, der über eine halbe Million Todesopfer forderte, verantwortlich. Wenn Historiker die Vorgeschichten analysieren und sich fragen, ob diese Kriege vielleicht hätten verhindert werden können, stellen sie damit die Verantwortung der Kriegsführenden nicht in Frage. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat eine lange Vorgeschichte. Über sie gilt es   – aufgrund der heutigen Quellenlage   – ebenfalls zu informieren, ohne die Verantwortung Russlands für den Krieg in Frage zu stellen.


Bevor wir zum Maidan kommen, wollte ich noch kurz beim Abkommen bleiben und einmal genauer zu den Interessen nachfragen. Sie haben gerade geschildert, dass die wirtschaftlichen Aspekte des Vertrages nicht so vorteilhaft für die Ukraine waren. Aber was waren denn dann die Vorteile, die sie sich die ukrainische Staatsführung von diesem Vertrag erhofft hat? Denn auch eine Beitrittsperspektive enthielt das Abkommen ja explizit nicht.

Das stimmt. Wir haben eigentlich über die gesamten vier Jahre lang immer wieder die Frage über eine langfristige EU-Mitgliedschaft der Ukraine auf die Tagesordnung gesetzt. Das wurde aber kategorisch abgelehnt. Und es ist richtig, im Abkommen selbst gibt es keinerlei Hinweis auf eine langfristige Beitrittsperspektive.


Aber was haben wir trotzdem als Vorteile gesehen? Erstens habe ich sehr viele Chancen gesehen, die Assoziierung mit der EU zur Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft zu verwenden. Wir wollten im Prinzip über das Abkommen europäische Investitionen ins Land holen und mit Hochtechnologie unsere Wirtschaft modernisieren. Wir sind davon ausgegangen, dass der Wettbewerb zwischen ukrainischen und europäischen Unternehmen mittel- und langfristig zu positiven Strukturveränderungen in der ukrainischen Wirtschaft führt.


Aber der wesentliche Teil des Assoziierungsabkommens war auf Rechtssicherheit und die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Wirtschaft ausgerichtet. Insbesondere in der Frage der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit haben wir grosse Hoffnungen auf dieses Abkommen gesetzt, besonders die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit von der Exekutive um- und durchzusetzen. Die Umsetzung aller europäischen Normen angefangen von der Meinungsfreiheit über Menschenrechte mit dem Ziel einer demokratischen Gesellschaft.


Also wir haben in der Assoziierung mit der EU sowohl die Möglichkeit gesehen, uns gesellschaftspolitisch weiterzubilden und an europäische Normen anzunähern als auch das Potenzial zur wirtschaftlichen Modernisierung. Leider haben wir uns da tiefgreifend geirrt.


«Ich habe immer gesagt: Die Ukraine ist ein neutraler Staat»

Welche Interessen hat die EU denn Ihrer Meinung nach mit dem Vertrag verfolgt?

Heute ist das vollkommen klar. Das Hauptziel der europäischen Politiker war die Umsetzung amerikanischer Vorgaben, um alles zu unternehmen, dass die Ukraine geopolitisch nicht in die euro-asiatische Zollunion Russland-Kasachstan-Weissrussland eintritt. Und insbesondere die Verbindung zwischen der Ukraine und Russland zu schwächen. Und damit auch indirekt einen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu begründen.


Ich habe auf meinen Treffen mit den europäischen Führungsspitzen oft die Frage gestellt: «Warum braucht ihr das?» Ich habe nie eine Antwort bekommen. Ich habe immer gesagt: Die Ukraine ist ein neutraler Staat. Ein Staat, und das habe ich immer zum Ausdruck gebracht, der sehr gute Beziehungen haben sollte zu Europa genauso wie zu Russland. Und wir hatten weder das Ziel in die Nato einzutreten noch in einen Militärpakt mit anderen Staaten gegen Russland.


Vor uns stand die riesengrosse Aufgabe, die Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft voranzutreiben und deshalb sollte die politische Seite auch eigentlich eher im Hintergrund sein. Ich bin heute nach den vergangenen drei Jahren, in denen wir real die Entwicklungen haben mitverfolgen können, aber umso mehr überzeugt, dass besonders die Aussenpolitik der EU alles andere als unabhängig gewesen ist.


Sie haben ja gerade schon angedeutet, dass es militärische Regelungen in dem Abkommen gab …

… nein, es gab keine Paragrafen für militärische Zusammenarbeit.


Es ist aber in mehreren Artikeln des Vertrages [Artikel 7, 10 und 13] die Rede von «gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik», von gemeinsamer Terrorabwehr und militärischer Zusammenarbeit mit der EU.

Das sind allgemeine Themen. Terrorismusbekämpfung   – ja. Aber militärische Zusammenarbeit im klassischen Sinne   – nein.


Also es hat definitiv keine militär-politischen Absichten in dem Abkommen gegeben?

Nein.


«Diese Leute haben die Wirtschaft komplett zugrunde gerichtet»

In Ihrem Buch «Die Wahrheit über den Staatsstreich* schreiben Sie, dass Sie «die Ukraine nach Europa führen» wollten. Nun hiess es im Westen immer, Sie seien «pro-russisch». Wie passt das denn zusammen?

Ich war nie ein pro-russischer Politiker, wenn man «pro-russisch» so definiert, dass ich irgendwelche Vorgaben aus Russland umgesetzt habe. Heute sagt man, dass die, die jetzt an der Macht sind, «pro-westlich»-orientierte Politiker sind. Und die, die weggeräumt worden sind, hat man als «pro-russisch» dargestellt. Das ist grundfalsch.


Diejenigen, die jetzt an der Macht sind, führen die Ukraine sicherlich nicht nach Europa, sondern werfen sie viele Jahre in ihrer Entwicklung zurück. Wenn nach Europa, dann in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts.


Diese Leute haben die Wirtschaft komplett zugrunde gerichtet. Während meiner Zeit als Premierminister lag das durchschnittliche Einkommen bei 500 Dollar, die durchschnittliche Rente bei 200 Dollar und die Preise für Grundnahrungsmittel und Dienstleistungen waren fünf- bis sechsmal niedriger als in Europa. Das heisst die Kaufkraft der 500-Dollar-Einkommen muss man, um sie mit Europa zu vergleichen, mit fünf multiplizieren.


Und heute ist das Durchschnittseinkommen auf 120 Dollar und die Renten auf 30 bis 40 Dollar gesunken. Die Preise aber sind drei- bis viermal höher als früher. Zeigen Sie mir nur ein europäisches Land, in dem vergleichbar niedrige Einkommensverhältnisse herrschen. In welchen Ländern sind rechtsradikale Parteien an der Macht und wo herrscht eine derartige Medienzensur vor wie in der heutigen Ukraine? In welchen europäischen Ländern sind Bücher und Filme verboten? Die, die heute an der Macht sind, führen definitiv keine pro-westliche Politik. Es sind, einfach ausgedrückt, Diebe und Gauner.


Ich war immer beeindruckt vom Lebensniveau in westlichen europäischen Ländern. Deshalb habe ich alles unternommen, um die Ukraine näher an westliche Standards und an das westliche Lebensniveau heranzuführen. Ich habe zum Beispiel während meiner Amtszeit erstmals in der Ukraine eingeführt, dass alle Pharmazieprodukte der GMP entsprechen müssen   – der Good Manufacturing Practice, dem europäischen Standard für pharmazeutische Produkte. Ich hatte auch vor, das in allen anderen Zweigen der Wirtschaft einzuführen.


Aber man muss im Hintergrund verstehen, dass Russland trotzdem unser grösster Wirtschafts- und Handelspartner war. Deswegen war es für uns existenziell, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland zu pflegen. Russland hat uns grosse Mengen an Öl, Gas und andere Energieträger zur Verfügung gestellt. Und historisch gesehen, haben wir mit Russland eine sehr stark gemeinschaftlich-integrierte Wirtschaft. Über die gemeinsamen Energieleitungen hat uns Russland in den kalten Wintern grosse Mengen an Energie zur Verfügung gestellt. Deswegen war es strategische Aufgabe jeder unserer Regierungen, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland zu pflegen. Und darin besteht auch die zum Ausdruck gebrachte «pro-russische» Haltung unserer Regierung.


Was war denn aus Ihrer Sicht Russlands Interesse in diesen Dreier-Verhandlungen gewesen, wenn es dazu gekommen wäre?

Die Interessen Russlands sind in dieser Hinsicht einfach und transparent. Durch die Ukraine gehen die Erdöl- und Erdgasleitungen nach Europa. Über diese deckte Westeuropa damals mehr als 30 Prozent seines Gasbedarfs. Durch die Ukraine gehen auch die Hauptinfrastrukturträger Russlands nach Europa: Schiene, Strasse, Telekommunikation. Die wichtigsten eisfreien Häfen liegen am Schwarzen Meer.


Die Ukraine war für Russland das Haupttransitland. Die Ukraine war auch der Hauptabsatzmarkt russischer Produkte. Wir haben in Russland Waren im Wert von mehr als 30 Milliarden Dollar eingekauft. Deswegen war für Russland wichtig, dass die Ukraine ein freundschaftlich gesinntes und stabiles Land bleibt. Und das ist auch wichtig für die gemeinsamen Beziehungen zwischen der Ukraine Europa und Russland.


«Ab dieser Nacht hat der Staatsstreich begonnen»

… Dann kommen wir zum Maidan. Sie haben ja damals im Regierungsviertel das alles aus nächster Nähe mitbekommen. Wie haben Sie denn persönlich die ersten Tage und Wochen des Maidan erlebt? War da schon abzusehen, dass das was Grösseres wird?

Die Demonstrationen haben am 21. November 2013 angefangen. Das waren im Prinzip friedliche und relativ kleine Demonstrationen. An manchen Tagen haben sich da bis zu tausend Leute zusammengefunden und hauptsächlich waren das Studenten. Diese Situation war ungefähr bis zum 28. November so, also bis zu dem Moment, als Präsident Janukowitsch am 28. November in Vilnius abgelehnt hat, das Assoziierungsabkommen zu unterschreiben. An diesem Tag hat das Aktionskomitee der Studenten offiziell die Entscheidung getroffen, die Proteste zu beenden.

In der Nacht vom 29. auf den 30. November sind nicht mehr als 50 bis 100 Demonstranten auf dem Platz der Unabhängigkeit gewesen. Wobei der grössere Teil derjenigen schon keine Studenten mehr waren, sondern ältere Zugereiste aus der Westukraine. Und genau ab dieser Nacht hat der Plan zum Staatsstreich begonnen.


Stellen Sie sich einfache Fragen: Wie konnten auf dem Platz der Unabhängigkeit um 4 Uhr nachts mehr als zehn Kamerateams nationaler und internationaler Medien, insbesondere polnischer Medien, sein? Das heisst, sie haben gewusst, da wird etwas passieren. Wenn sie um 4 Uhr morgens Kameras bereithalten und aufbauen, macht man das normalerweise nur, wenn man einen guten Hinweis darauf hat, dass irgendwas passiert.


Ungefähr um halb 5 Uhr morgens kamen aus Richtung Hotel Ukraina rund 100 Leute zum Maidan hinunter   – Vertreter des radikalen Rechten Sektors, bewaffnet mit Eisenstangen und Schlagstöcken. Und die haben angefangen, auf die wenigen Polizisten auf dem Platz einzuschlagen. Auf dem Platz lief ständig eine Kamera der Polizei, deshalb ist das aufgenommen worden. Ich habe diese Aufzeichnungen auch selbst gesehen. Diese Kämpfer des Rechten Sektors gingen mit glühenden Stöcken, die sie zuvor in den brennenden Mülltonnen angesengt hatten, auf die Polizisten los und versuchten, ihnen diese in die Gesichter zu stechen. Die Polizisten haben Verstärkung angefordert. Und es ist ein Spezialkommando der Berkut gekommen. Und die haben angefangen, diese 100 Kämpfer auseinanderzutreiben. In dem Zusammenhang sind auch die vertrieben worden, die ursprünglich im Zeltlager waren. In diesem Moment haben alle ukrainischen und europäischen TV-Sender angefangen zu filmen und zeigten diese Sequenz dann alle halbe Stunde im Fernsehen.


Und dann sind natürlich Bilder um die Welt gegangen, von Leuten mit eingeschlagener Nase und Blut im Gesicht, um in diesem Moment eine Stimmung zu erzeugen. Es ist alles so dargestellt worden, wie ein abscheulicher und zu verurteilender Gewaltexzess der Polizisten gegen Demonstranten. Und niemand hat die Bilder von den Provokateuren gezeigt, die diesen Konflikt begonnen haben.


In den Medien wurden Aufrufe verbreitet, zum Maidan zu kommen und die Gebäude des Präsidenten und weitere Regierungsgebäude zu besetzen. In diesem Moment hat der Prozess der bewaffneten Machtergreifung angefangen. Die Polizisten waren nicht mit Schusswaffen ausgerüstet, deshalb ist es den radikalen Demonstranten gelungen, alle wesentlichen Gebäude zu blockieren, wie das Rathaus und die Präsidentenadministration. Besetzt war auch das Gewerkschaftsgebäude. Trotz dieser klaren Verletzung aller Verfassungsnormen und Gesetze hat Präsident Janukowitsch keine Massnahmen ergriffen, diese Demonstranten gewaltsam auseinanderzutreiben.


In diesen Tagen haben die radikalen Kräfte am Maidan Barrikaden aufgebaut. Diese Kämpfer haben auch die friedlichen Demonstranten benutzt, um aus deren Schutz heraus mit Molotow-Cocktails und Steinen auf Polizisten zu werfen. Im Rathaus war ein Verhörzentrum, wohin gefangengenommene Sicherheitskräfte gebracht wurden oder auch Leute, die sie als Spione betrachtet haben. Es war völlig offensichtlich, dass ein Szenario der Machtübernahme in Gang gesetzt worden war.


Ich hatte die Botschafter der EU-Länder und den amerikanischen Botschafter eingeladen. Ich konnte sie nicht ins Regierungsgebäude einladen, denn es war blockiert von den Maidankämpfern. Deswegen hat dieses Treffen im Aussenministerium stattgefunden.


Ich habe ihnen Bilder gezeigt, insbesondere von diesen Provokateuren. Ich habe Beispiele gezeigt und gesagt: «Meine Herren Botschafter, Ihr habt einen grossen Einfluss auf Eure Länder und auf die militanten Demonstranten. Ruft sie zur Ordnung auf! Wenn sie sich nicht friedlich verhalten, wird der Staat gezwungen sein, sie mit Polizeigewalt zur Ordnung zu rufen. Die gesamte Ukraine arbeitet ruhig und im Zentrum Kiews gibt es eine Gruppe radikaler Putschisten, die versuchen, die Macht zu übernehmen.» Als Antwort der Botschafter: Schweigen.


Ich habe mich damals auch an den deutschen Botschafter gewandt. «Herr Botschafter, können Sie sich vorstellen, wenn in Deutschland eine Gruppe von militanten Demonstranten das Kanzleramt blockieren und besetzen würde? Welche Massnahmen würde in Deutschland die Polizei unternehmen?» Darauf hat er gelächelt, und gesagt: «Das ist in Deutschland unmöglich, weil Deutschland ein demokratisches Land ist.»


Ich habe das als Verhöhnung empfunden und als Zynismus. Und das habe ich ihm auch so gesagt. «Ihr denkt, in der Ukraine darf man sowas machen, aber zu Hause nicht. Man kann in der Ukraine das Regierungsgebäude besetzen. Man kann in der Ukraine Polizisten umbringen, Molotow-Cocktails werfen und zusehen, wie Leute wie Fackeln abbrennen. Und ihr glaubt, dass das alles demokratisch richtig ist.» Ich habe damals verstanden, dass Hilfe vonseiten der europäischen Botschafter und des amerikanischen Botschafters sicher nicht zu erwarten ist.

Ausserdem hat unser Geheimdienst mir jeden Tag berichtet, dass die Führer des Maidan ständig zu Konsultationen in der amerikanischen Botschaft waren. Das ist im Prinzip auch offen zugegeben worden und hat auch Obama bestätigt. Nach Kiew kamen auch Frau Nuland [Assistant Secretary of State im US-Aussenministerium] und der Chef des State Departements. Ich habe mich mit Victoria Nuland getroffen und ihr die Situation geschildert. Sie hat sie besser gekannt als ich. Und sie hat versucht, mich zu überzeugen, dass die Ukraine eine Regierung der nationalen Einheit braucht.


Ich habe ihr geantwortet, dass es in der Ukraine eine Regierung gibt, die nach der Verfassung und den Gesetzen demokratisch gewählt ist. Eine Woche vor diesem Treffen hatten ich und mein Kabinett noch das Vertrauen des Parlaments ausgesprochen bekommen, nachdem ich ein Misstrauensvotum gestellt hatte. Was geht es Frau Nuland überhaupt an, welche Regierung es in der Ukraine gibt? Wir erzählen ihnen auch nicht, was es für einen Regierung in den USA geben soll. Welche Veranlassung haben sie, uns zu erklären, welche Regierung wir brauchen?


Den gesamten Dezember über sind verschiedenste Vertreter westlicher Länder nach Kiew gereist. Da waren Kaczyński, McCainWesterwelle und viele andere. Alle diese Vertreter haben auf dem Maidan gesagt, dass sie die Demonstranten unterstützen. Nuland hat gesagt, dass der Erfolg der Demokratie, so wie sie diesen Staatsstreich genannt hat, die USA fünf Milliarden Dollar gekostet hat. Aber was hat es die Ukraine gekostet? Hunderte Milliarden, 50’000 Tote und viele bittere Schicksale.


«Vonseiten der westlichen Diplomaten gab es das permanente Mantra, unter keinen Umständen Gewalt anzuwenden gegen die Demonstranten»

Ich wollte noch kurz beim Maidan bleiben. Präsident Janukowitsch hätte also selbst entscheiden können, den Maidan mit Gewalt zu räumen? Oder hätte das der Entscheidung eines Polizeiführers bedurft?

Nach der Verfassung der Ukraine unterstehen alle Polizei- und Militärstrukturen dem Präsidenten. Die Regierung befasst sich mit sozialen und ökonomischen Fragen. Aber kein Vertreter der Regierung, des Parlaments oder der Präsident selbst hat den Auftrag zur gewaltsamen Räumung des Maidan gegeben. Die Polizisten hatten keine Schusswaffen, sie hatten Schlagstöcke, Schilder und manche hatten Reizgas.


Jetzt haben Sie ja schon erklärt, was Sie den westlichen Vertretern während des Maidan gesagt haben. Was haben die denn Ihnen gegenüber für Druck gemacht?

Vonseiten der westlichen Diplomaten gab es das permanente Mantra, unter keinen Umständen Gewalt anzuwenden gegen die Demonstranten. Ich weiss, dass Herr Biden [damals US-Vize-Präsident] Janukowitsch offen bedroht hat: Wenn er eine gewaltsame Auflösung der Demonstration durchführt, wird er eine persona non grata in Europa und in der Welt. Und gegen ihn würden Sanktionen beschlossen.


Das hat bei Janukowitsch zu einer Situation der Unentschlossenheit geführt. Und die Putschisten merkten, dass sie nicht bestraft wurden. Janukowitsch hat drei Monate lang mit ihnen Gespräche geführt. Jeden Tag haben sie mehrere Stunden gesessen, um Bedingungen für einen Kompromiss auszuhandeln. Und jedes Mal haben die Demonstranten die Versprechungen, die sie abgegeben haben, nicht eingehalten.


Ein Beispiel: Janukowitsch hatte mit den Demonstranten ausgehandelt, dass das Ministerium für Landwirtschaft geräumt werden soll. Das haben sie zugesagt, aber nicht gemacht. Er hat mit ihnen besprochen, dass sie die Blockade des Regierungsgebäudes aufheben sollen. Das haben sie versprochen, aber auch nicht eingehalten. Dasselbe gilt für das Rathaus. Und so weiter.


«Es war keine Revolution, sondern ein Staatsstreich»

In der Ukraine heisst es heute, der Maidan war eine «Revolution der Würde». Was halten Sie davon? Was war der Maidan?

Es ist völlig offensichtlich, dass es ein Staatsstreich gewesen ist. Es ist aber auch augenscheinlich, dass man einem Staatsstreich einen gewissen demokratischen Anschein geben muss. Und genau deshalb hat man den Maidan als Revolution dargestellt.


Aber wie kann das eine Revolution sein, wenn im ganzen Land eine normale Situation herrschte und nur im Zentrum Kiews sowas passierte? Wenn Sie hundert Meter weggegangen sind von diesen Maidanbarrikaden, lief das Leben in Kiew zu dieser Zeit ganz normal. Das zeigt, dass in dem ganzen Maidanprozess ein minimaler Anteil der ukrainischen Bevölkerung involviert war. Im Wesentlichen einige tausend bewaffnete Kämpfer und Aktivisten.


Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, mit denen fertig zu werden, wenn Janukowitsch die Vollmachten genutzt hätte, die ihm als Präsidenten nach der Verfassung zustehen. Der Versuch der bewaffneten Machtübernahme ist ein Verbrechen. Die Tötung von Polizisten ist auch ein Verbrechen, das bewaffnete Besetzen von Gebäuden ist genauso ein Delikt. Da entsteht eine einfache Frage: Warum hat der gesamte Sicherheitsapparat des Landes drei Monate lang nicht auf diese Verbrechen reagiert?


Heute gibt es schon eine grosse Anzahl an Beweisen. Es gibt heute sogar schon ein Geständnis von einem radikalen Aktivisten, dass er mit zwei Schüssen zwei Polizisten getötet hat («Maidan: Ich schoss ihnen ins Genick»). Es gibt auch Dokumentationen von westlichen Sendern. Es ist heute schon dokumentiert, woher die Sniper gekommen sind, wer sie gewesen sind und wer die friedlichen Demonstranten erschossen hat. Und alle diese Verbrechen sind nur begangen worden, um ein Ziel durchzusetzen: die Machtübernahme. Deswegen ist es völlig offensichtlich, dass es keine Revolution war, sondern ein Staatsstreich.


Welche Informationen haben Sie denn über die Sniper?

Zum Beispiel Herr Pashinsky, das ist einer der radikalen Putschisten, ist damals festgehalten worden beim Wegbringen von Scharfschützengewehren vom Maidan. Einer der Berater des derzeitigen Innenministers Awakow hat geholfen, einen der Scharfschützen zu befreien, der auf dem Maidan festgenommen wurde. Sie haben von diesen Festnahmen gewusst. Sie haben diese Sniper befreit. Die Sniper sind verschwunden mit unbekanntem Aufenthalt.


Die Vertreter von Staatsanwaltschaft und Polizei haben es innerhalb von drei Jahren nicht geschafft, nur einen einzigen Zeugen zu finden oder sonst irgendwie zu beweisen, dass die Scharfschützen aus den Strukturen Janukowitschs oder Berkuts gewesen wären. Oder in irgendeiner Weise zu belegen, dass der damalige Innenminister Sachartschenko oder Janukowitsch den Auftrag für die Sniper gegeben hätten. Ich unterstreiche: Innerhalb von drei Jahren keinerlei Beweise.


Dafür gibt es bei uns eine grosse Anzahl von Beweisen, dass insbesondere Jazenjuk, Poroschenko, Pashinsky und Turtschinow in die Organisation dieser bewaffneten Auseinandersetzungen involviert gewesen sind. Die Maidan-Morde haben ihnen geholfen, die Bevölkerung aufzuwühlen und auf dieser Basis die Verfolgung von Janukowitsch anzugehen. Sie wollten Janukowitsch damals umbringen und sie wollten das öffentlich tun. Eine grosse Anzahl von bewaffneten Radikalen hat sich auf den Weg gemacht zur Residenz des Präsidenten. Janukowitsch ist gezwungen gewesen, mit seinem Hubschrauber nach Charkow zu fliegen. Während dieser Zeit ist schon die Machtübernahme in den Städten fortgeschritten.


In Ihrem Buch beschreiben Sie, dass es auf Sie selbst bzw. auf Ihren Dienstwagen, in dem Ihre Frau sass, einen Anschlag gab. Können Sie diese Situation nochmal schildern?

Nachdem Janukowitsch von Kiew nach Charkow geflogen ist, war mein Aufenthalt in Kiew lebensbedrohlich. Meine Personenschützer haben mich darüber informiert, dass für meine Sicherheit nicht garantiert werden kann. Ich habe die Entscheidung getroffen, in den Osten des Landes zu fahren, in dem es damals ruhig war und die gesamte Situation anders war. Ich wollte mit dem Flugzeug fliegen. Meine Frau kann aus Gesundheitsgründen nicht mit kleinen Flugzeugen fliegen. Deswegen habe ich sie mit dem Auto nach Donezk geschickt. Als sie von zu Hause weggefahren ist, ist gleich ein Jeep hinter ihnen hergefahren. Er ist dem Auto ungefähr 100 Kilometer gefolgt. Dann hat er sie überholt. Alle haben gedacht, er ist jetzt weggefahren.


Allerdings haben sie diesen Jeep einige Minuten später wieder gesehen, als er ihnen auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite entgegen kam. Und auf den Trittbrettern des Jeeps stand ein Mann mit einer Maschinenpistole. Als dieser Jeep sich dem Auto meiner Frau näherte, hat der Mann einen Feuerstoss auf das Auto meiner Frau abgegeben. Zum Glück war die Strasse nicht eben und alle Kugeln sind im Motor eingeschlagen, nur eine Kugel hat das Glas zerfetzt. Der Motor hat gebrannt und der Jeep ist mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Kiew weggefahren. In dem Auto, auf das geschossen wurde, waren vier Personen, die zum Glück nicht verletzt wurden. Sie haben sich dann umgesetzt in ein zweites Auto, das im Konvoi mit ihnen gefahren war und sind weiter nach Donezk gefahren. Natürlich hatten die Attentäter erwartet, dass ich im Auto sass und schossen deshalb.


Plan für eine friedliche Regelung in der Ukraine

Zur Zukunft der Ukraine: Was ist nun aus Ihrer Sicht nötig, wer muss sich bewegen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden?

Ein Staatsstreich, eine Wirtschaftskrise und ein militärischer Konflikt im Osten des Landes   – das sind Folgen des Konfrontationskurses zwischen den USA und Russland. Es hätte keinerlei Staatsstreich gegeben, wenn das nicht aus den USA gutgeheissen und gefördert worden wäre.


Donald Trump hat vor kurzem sehr einfach und klar gesagt: «Der Konflikt in der Ukraine ist ein Konflikt zwischen den USA und Russland.» Deswegen gibt es auch nur einen Ausweg aus der Situation: Eine Vereinbarung zu finden zwischen den USA und Russland, in der ein Massnahmenkatalog zur Stabilisierung des Landes verabschiedet wird. Natürlich kann auch Deutschland einen grossen Beitrag dazu leisten, wenn es eine prinzipielle und objektive Position dort übernehmen würde. Ich habe das bisher leider nicht so sehen können.


Ich habe einen eigenen Plan für eine friedliche Regelung in der Ukraine. Er besteht aus zehn Punkten. Der Hauptpunkt ist, die Akzeptanz, dass in der Ukraine ein Staatsstreich stattgefunden hat, und dass die derzeitige ukrainische Regierung eine nicht-legitime Regierung ist. Wenn man diesen Fakt anerkennt, dann kann man die Situation in der Ukraine schnell lösen. So lange aber die Leute in der Ukraine an der Macht sind, deren Arme bis zu den Ellenbogen im Blut waren, und die diesen Staatsstreich durchgeführt und den bewaffneten Konflikt in der Ostukraine ausgelöst haben, kann man den Konflikt nicht lösen. Das bedeutet, die amerikanische Position muss anerkennen, dass es sich um einen Staatsstreich gehandelt hat.


Eines der Hauptprobleme überhaupt in der Ukraine ist die gigantische Anzahl unkontrollierter Waffen, die aus diesem Konflikt jetzt hervorgegangen sind und die nicht-formalen Bataillone und Regimente, die kaum als rechtsstaatlich zu bezeichnen sind. Wie kann man die Situation in einem Land stabilisieren, wenn im Prinzip die gesamte Opposition entweder im Gefängnis oder im Exil sitzt oder unter extremem Druck steht? Mit wem kann man denn einen Kompromiss finden?

Einen Kompromiss kann man nur zwischen verschiedenen politischen Kräften finden, in welchen den unterschiedlichen Meinungen, Sichtweisen und Mentalitäten in der Ukraine auch Rechnung getragen wird. Aber so lange, wie es eben keinen Dialog mit den Leuten gibt, die sich im Osten des Landes gegen dieses Regime erhoben haben, so lange wird es auch keinen Kompromiss dort geben.


Ist in Ihren Augen Deutschland, ist Angela Merkel, viel zu passiv?

Nicht nur passiv. Was immer verdrängt und eigentlich nie erwähnt wird, ist, dass Deutschland eigentlich als Garantiemacht am 21. Februar eine Erklärung mit unterzeichnet hat, in der der Übergang festgelegt worden war, also wie es zum Jahresende zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen kommen sollte. Und diese Erklärung wurde damals vom deutschen Aussenminister Steinmeier unterzeichnet. Drei Aussenminister haben unterschrieben: Polen, Deutschland und Frankreich. Und an diesem gleichen Tag hat man Janukowitsch weggejagt. Da fragt man sich natürlich über den Wert eines solchen Papiers und einer solchen Unterschrift. Diejenigen, die den Staatsstreich realisiert haben, haben sich offen und zynisch gegen Deutschland gestellt.

Welche Perspektive sehen Sie für sich persönlich, nochmal als Politiker in der Ukraine einzugreifen?

Ich bin bereit, meine Erfahrungen und Kenntnisse einzubringen, um einen friedlichen Weg zur Regulierung des Konfliktes in der Ukraine zu finden. Ich bin überzeugt, dass sich früher oder später die Ukraine mit der Wiederbelebung der Wirtschaft beschäftigen muss, sowie mit der Wiederherstellung normaler Beziehungen zu Russland und zu Europa. Ich glaube, dass hier meine Erfahrungen und mein Wissen für das ukrainische Volk sehr wertvoll sein können.


Ich war nie ein Radikaler. Ich habe immer nach Kompromisslösungen gesucht. Ich war immer darauf ausgerichtet, das Land zu vereinen und nicht zu teilen. Ich bin bereit, an der Wiederherstellung der Wirtschaft mitzuwirken.


Ihnen und Ihrem Sohn wird von westlicher Seite vorgeworfen, selbst Teil dieses oligarchischen Systems in der Ukraine gewesen zu sein. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Was kann man einem erfolgreichen Premierminister vorwerfen, unter dessen Führung sich das Land entwickelt hat? Eine Zeit, in der das Einkommen gestiegen ist, in der im Land Strassen, Stadien, Flughäfen gebaut wurden. Schauen wir in die Realität: Seit drei Jahren versucht eine grosse Gruppe von Ermittlern und Staatsanwälten krampfhaft, gegen mich irgendwelche Anschuldigungen zusammenzubauen. Alle Vorwürfe, die bis jetzt gegen mich erhoben wurden, sind falsch.

Zeigen Sie mir bitte einen Menschen in der Ukraine, der mir wirklich Korruption vorwerfen kann. Jemand, der sagt, er ist damals zu mir, dem Premierminister, gegangen und hat ihm Geld gegeben und hat so irgendeine Frage geklärt. Zeigen Sie mir, wo diese Gelder sein sollen? Was soll ich damit gemacht haben?


Ich habe kein Vermögen, kein Geld ausserhalb der Ukraine. Die EU hat Sanktionen gegen mich beschlossen und Konten beschlagnahmt auf Basis eines Anschuldigungsbriefes der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ohne jegliche Beweise. Ich stelle die einfache Frage: Welche Konten in welchen Banken haben sie denn beschlagnahmt? Es gibt keine.


Das Kiewer Regime lügt ohne jegliche Scham. Kürzlich hat der Vorsitzende der Oschad-Bank bekanntgegeben, dass auf den Konten von Asarow und Janukowitsch Milliarden liegen würden, er aber auf Basis des Bankengesetzes keine Details nennen könne. Aber welche Einzelheiten kann er denn eröffnen? Ich habe in 20 Jahren ein einziges Konto gehabt   – in dieser Bank. Dorthin sind mein Gehalt, meine Pension und alle meine Verdienste etwa durch meine Tätigkeiten in der Akademie der Wissenschaften geflossen. Und die Summe beträgt ungefähr eine Million Griwna. Nicht eine Milliarde, sondern eine Million. Griwna. Was beim derzeitigen Wechselkurs ungefähr einer Summe von 40’000 Dollar entspricht. Jeder dieser Dollars kann mit konkreten Dokumenten seiner Herkunft belegt werden. In den vergangenen drei Jahren konnte keine konkrete Anklage zu falschen Tätigkeiten gestellt werden.


Ich habe in meiner gesamten Politikerlaufzeit einen Grundsatz gehabt, und dem bin ich immer treu geblieben: Nie Business-Interessen mit nationalen Interessen zu vermischen. Deswegen habe ich meinem Sohn nicht ein einziges Mal an irgendeiner Stelle einen Staatsauftrag zukommen lassen. Er lebt seit 25 Jahren selbstständig und komplett unabhängig von mir.


Sie haben ja die Sanktionen schon angesprochen. Anfang des Jahres gab es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, der entschied, dass die Sanktionen gegen Sie nicht rechtmässig sind. Trotzdem werden diese aufrechterhalten. Was sagt Ihnen das über die «Realpolitik» der EU?

Ich bin sehr enttäuscht. Insbesondere über das politische System, aber auch über das Rechtssystem. Der Europäische Rat trifft Entscheidungen über Sanktionen gegen mich. Seit drei Jahren bitte ich den Europäischen Rat: «Fordern Sie bitte Beweise und Dokumente über mich aus der Ukraine an und geben diese einem kompetenten Juristen. So dass sich jemand objektiv mit diesen Materialien auseinandersetzt. Und danach treffen Sie bitte Ihre Schlussfolgerungen.»

Ich möchte mich nicht rechtfertigen, ich bitte nicht um irgendeine besondere Behandlung, ich will nicht bevorzugt werden. Das Einzige, was ich fordere, ist eine objektive Analyse und Auseinandersetzung mit den Vorwürfen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass jeder unvoreingenommene Jurist, der die absurden Vorwürfe liest, die gegen mich in der Ukraine erhoben werden, zum Schluss kommen wird, dass die Sanktionen nicht begründet sind.

_____________________
Dieses Interview erschien am 21. November 2016 auf Teleopolis.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________


Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Quelle: https://www.infosperber.ch/politik/welt/ohne-hilfe-der-usa-haette-es-keinen-staatsstreich-gegeben/

[*] Wir von seniora.org übernehmen mit Dank den zur Aufklärung des Ukrainekrieges wichtigen Text, gehen aber mit der Einschätzung des Infosperber zur "Aufarbeitung der Geschichte" nicht einig. Wir halten die militärische Intervention Russlands zum Schutz der russisch sprechenden Bevölkerung und der russischen Bürger in der Ukraine für eine präventive Massnahme, die mit den zitierten räuberischen Angriffskriegen in Afghanistan und Irak nicht vergleichbar ist.

Abonnieren Sie die Nachrichten von Seniora.org!


Weitere Beiträge in dieser Kategorie


Info: https://seniora.org/politik-wirtschaft/ohne-hilfe-der-usa-haette-es-keinen-staatsstreich-gegeben?acm=3998_1607


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

07.01.2023

Allein mit dem Wort

aus e-mail von Doris Pumphrey, 7. Januar 2023, 13:23 Uhr


Frieden – Freiheit – Demokratie Eine Fantasie von vorgestern?Für Carl von

Ossietzky, Julian Assange und Michael Ballweg



„*Die Krise des Jahres 1923 hatte den deutschen Volkskörper bis ins Mark

erschüttert“1*


Das lesen wir so beim österreichischen Publizisten Bruno Frei in seiner

1978 erschienen Ossietzky Biografie, verfasst zum 40sten Todesjahr seines

Kollegen.


Für uns Heutige liegen zu Beginn des Jahres 2023 immerhin drei Jahre

Freiheitsberaubung und massiver Demokratieverlust hinter uns. Auch für den

Krieg wird längst wieder unerlässlich getrommelt, alle Reserven werden für

diesen unrühmlichen Zweck locker gemacht und 24 Stunden täglich wird Hass

versprüht gegen ein europäisches Nachbarland, dem wir viel zu verdanken

haben.


*Pazifismus und Antimilitarismus nur für Friedenszeiten?*


Das freie antimilitaristische Wort Carl von Ossietzkys ist - über 100 lange

Jahre kriegerischer Zeiten hinweg – scheinbar echolos verhallt. Wer von den

Jungen kennt wohl heute noch das einst renommierte linksbürgerliche

Wochenblatt „Die Weltbühne“, deren Chefredakteur Ossietzky einst war? Der

ihm verspätet zugeteilte Nobelpreis von 1936 nutzte dem zuletzt am 28. 02.

33 inhaftierten, verleumdeten und schwer gequälten Weimarer Journalisten

und Friedenspatrioten nichts mehr. Das Preisgeld unterschlugen die Nazis.

Ihr misshandeltes Opfer verschied bald nach der Scheinfreilassung sang- und

klanglos unter den stets argwöhnischen Augen seiner Gestapo Bewacher. Der

Meisterjournalist der Weimarer Jahre hatte sich in der KZ-Haft eine offene

Tuberkulose zugezogen, die unter den verordneten Bedingungen nicht mehr

auszukurieren war.


*Eine auf dem linken Auge blinde Justiz nur in Weimar?*


Es waren allerdings Weimarer Richter, die den eloquenten Verfechter des

freien Wortes vorverurteilt hatten. Wegen vorgeblichem Landesverrat und

„Beleidigung der Reichswehr“ musste der Whistleblower von damals schon zu

Republikzeiten „sitzen“. Dabei hatte er sich nur kämpferisch vor seine

Autoren gestellt, die sich ihrerseits rechtzeitig ins Ausland abgesetzt

hatten. Der bekannteste unter ihnen, Kurt Tucholsky hatte in der

„Weltbühne“ das Wort gewagt: „Soldaten sind Mörder“. Ein Walter Kreiser

hatte am selben Ort „Windiges aus der Deutschen Luftfahrt“ zu verzeichnen

gehabt und die illegale Aufrüstung der Reichswehr einem breiteren Publikum

offenbart. „Der Kampf gegen die Seuche des Militarismus war allerdings für

Ossietzky die patriotischste aller Aufgaben“2, so Frei. Darin war er sich

mit Tucholsky, seinem Mitherausgeber durchaus einig. Beide hatten die

Realität des Völkermordens als Soldaten im Ersten Weltkrieg anschaulich

miterlebt. Der ehemalige Kriegsteilnehmer Ossietzky war der aus Frankreich

herüberschwappenden Antikriegsbewegung des Henri Barbusse „Guerre a la

Guerre“ - „Krieg dem Kriege“ - gefolgt und setzte sich seit 1919 schon für

die deutsch-französische Aussöhnung ein. Das Jahr 1921 sah ihn mit an der

Spitze des Aktionsausschuss „Nie wieder Krieg!“. Das temporäre

Friedensbündnis hat es verstanden, im Berliner Lustgarten große

Menschenmassen zu mobilisieren. Der Federfuchs Ossietzky gehörte zu jenen

wenigen unter den Pazifisten, die „schärfsten Protest gegen die

Weltblockade Sowjetrusslands einlegten“3 . Auf seinem Weg vom Pazifisten

zum Antimilitaristen forderte der spätere Weltbühnenherausgeber mit

Nachdruck: „Der Pazifismus muss politisch werden!“


Während der 1889 in Hamburg geborene Journalist Carl von Ossietzky, trotz

seines Adelstitels übrigens ein Kind sehr kleiner Verhältnisse, noch mit

den Füßen im 19. Jahrhundert wurzelt, liegen zwischen ihm und seinem

Kollegen im Geiste, Julian Assange fast 100 Jahre, scheinbar eine ganze

Epoche.


Sein nachgeborener Kollege Assange kommt 1971 in Queensland in „Down Under“

zur Welt. Er beherrscht die Mathematik und die Computersprache. Eines Tages

bekommt er „Windiges über US-amerikanische Kriegsverbrechen“ zugespielt.

Wie sein europäischer Vorgänger Ossietzky hat er ein pochendes Gewissen,

ein überdeutliches Gespür für das Menschenrecht und einen glasklaren

Verstand. Er nutzt seine Fähigkeiten, genau wie vor ihm ein Ossietzky am

anderen Weltende zu einer anderen Zeit die Printmedien genutzt hatte. Er

nutzt die Plattform des weltumspannenden digitalen Netzes, um Dokumente

über menschenunwürdige, kriegerische Kardinalverbrechen der allgemeinen

Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als freiheitsliebender, freisinniger

Mensch kann er sich offenbar noch nicht vorstellen, wie gewaltig, wie

gewaltsam und wie hinterhältig die Maschinerie der fortbestehenden,

kriegerischen Tiefenstaatstrukturen tatsächlich sind. In seiner politischen

Naivität sieht Assange vielleicht, so wenig wie vor ihm Ossietzky, dass

diese Kräfte alle, die ihnen in die Suppe spucken, zermalmen wollen.


*Rufmord – ein altbewährtes Mittel der Vorverurteilung*


Zunächst werden dem Computergenie Sexualdelikte angelastet, sein

persönlicher Ruf wird zerstört. Bald aber wird klar und deutlich, dass auch

er sich mit dem Vorwurf der Spionage und des Hochverrates konfrontiert

sieht. 4 Wie einst Ossietzky wird er zunächst verleumdet, dann seiner

Freiheit beraubt. Während sich allerdings der Weimarer Zeitungsmann

standhaft, wider besseren Rat, weigert zu fliehen, entzieht sich Assange

zunächst durch seine „Flucht“ in die ecuadorianische Botschaft dem

ungerechtfertigten Haftbefehl. Ossietzkys Ehre gebot es ihm dagegen als

patriotisches Vorbild zu wirken. Herr Hitler war für ihn nur ein

„Winterkönig“ . Aber auch für den gewitzteren Assange gab es im

demokratisch verfassten, wertebasierten Westen kein Entkommen. Keine

machtvolle internationale Solidaritätsbewegung konnte bisher sein Leiden

verkürzen oder auch nur abmildern.


Fünf Jahre währte der bittere Leidensweg Ossietzkys. Der Australier Julian

Assange aber erduldet nun schon seit über zehn Jahren die unmenschliche

Isolationshaft. Inzwischen sitzt er in einem britischen Gefängnis für

Schwerverbrecher. Ohne Urteil, auf Geheiß der US-amerikanischen Justiz ist

er im Londoner Belmarsh Hochsicherheitstrakt unter Bedingungen

untergebracht, die der ehemalige Foltersonderbeauftragte des

UN-Menschenrechtsrates Nils Melzer5 als menschen- und völkerrechtswidrig

angeprangert hat.


*Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit – Wegwerfprodukte im „Werte

gebundenen Westen“?*


Presse- und Meinungsfreiheit gelten zwar nominell als höchstgeschätzte

Rechtsgüter im kollektiven, sich als Demokratien drapierenden westlichen

„Werteverbund“. Strengsten verurteilt wird ihre Verletzung aber vor allem

außerhalb der NATO - “Verteidungsgemeinschaft“. Nicht nur Exekutive und

Judikative auch die journalistische Zunft tut sich mit dem Kollegen Assange

schwer.6 Sein Beispiel wirkt einschüchternd, schließlich wird an ihm

stellvertretend für alle ein Exempel statuiert und die Pressefreiheit mal

ebenso zu Grabe getragen, Meinungsfreiheit hat schließlich ihre Grenzen.

Und so ist es denn nur konsequent, wenn erst recht keine Feder des

Aufschreis für einen inhaftierten deutschen Patrioten namens Michael

Ballweg gerührt wird. Der neuesten Diffamierungsmethode gemäß wurde dieser

Stuttgarter Unternehmer und Familienvater schon frühzeitig mit dem immer

wirkenden Geschmäckle des Rechtsradikalismus belegt. Das geht im Zeitalter

der regierenden Antifa leicht und funktioniert ganz nach dem Motto “Etwas

bleibt immer haften“.


Michael Ballwegs Name darf ja nicht in einem Atemzug mit Assange genannt

werden, gilt er doch als zwielichtige Gestalt. Er soll sich früh mit dem

ominösen, höchst staatsgefährdenden Reichsbürgerclub zusammengetan haben,

als keine Seele ihm mehr einen Versammlungsort vermieten wollte. Und wozu

sollte ein solcher Ort dem Herrn Ballweg auch gedient haben, wo doch zwei

Jahre lange sämtliche Versammlungen überhaupt Pandemie-bedingt verboten

waren, besonders wenn sie von selbsternannten „Querdenkern“ organisiert

waren. Da haben die sich zwar pausenlos aufs Grundgesetz berufen und

wollten sogar die Demokratie noch verbessern, aber das haben schon ganz

andere vor ihnen versucht. Das konnte nun einmal nicht geduldet werden aus

Gründen der staatserhaltenden Gesundung des Gesundheitswesens.


Das konnte nicht geduldet werden, denn dieser Mann hat freihändig aus dem

Stand hunderttausende Mitbürger zu mobilisieren gewusst, Menschen wie er

aus der Mitte unserer demokratisch verfassten, prosperierenden Gesellschaft

heraus. Die Massen strömten friedlich, fröhlich und frei auf seinen Ruf hin

in die Landeshauptstadt um ein Ende der Maulkorberlasse zu fordern, ein

Ende der jegliches Geschäft schädigenden, jegliches Persönlichkeitsrecht

verletzenden Maßnahmen. Sie forderten die Rücknahme der

gesundheitspolitisch begründeten Blitzgesetze. Sie spendeten reichlich

Tatkraft und finanzielle Mittel um mutig ihrem Demokratieverständnis

Ausdruck zu verleihen. Auch von Hundestaffeln und Wasserwerfern ließen sie

sich nicht einschüchtern, denn es stand viel auf dem Spiel und sie traten

für eine gerechte Bürgersache ein. Selbst der Neffe John F. Kennedys war

Ballwegs Ruf gefolgt um mitten im Herzen Berlins, an der Siegessäule zu

bekunden, dass sich hier keine Neonazis zusammengerottet hatten, ganz im

Gegenteil.


*Das neueste Exempel heißt Michael Ballweg*


Julian Assange zu verteidigen, für ihn einzutreten, für ihn auf die Straße

zu gehen bleibt unsere Sache, die Sache jedes entschiedenen Demokraten und

bewussten Kriegsgegners. Vergessen wir aber über Assange nicht, was gerade

heute in nächster Nähe geschieht. Es handelt sich um Unrecht begangen an

einem friedliebenden, freundlichen, treuen Steuerzahler, Mitbürger und

engagierten Verfechter demokratischer Rechte.


Auch an ihm wird derzeit ein Exempel statuiert auf dass sich keiner mehr

traue, Widerspruch einzulegen gegen Regierungsmaßnahmen, die für untragbar

erachtet werden.


Seit über sechs Monaten wird direkt in unserer Mitte, nebenan an dem

ehemaligen Betriebswirt und IT-Unternehmer aus Stuttgart, Michael Ballweg

ein düsteres Exempel statuiert. Es handelt sich um einen deutschen

Patrioten, um einen, der sich für Bürger- und Menschenrechte einsetzte, ein

Mann, der für die Verteidigung demokratisch verbriefter Rechte, gutgläubig

auf unser Grundgesetz vertrauend, alles aufs Spiel setzte.


Die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtet* „Michael Ballweg, Gründer und

Gesicht der bundesweiten Querdenken-Bewegung sitzt seit über einem halben

Jahr in Stuttgart Stammheim. „Der in einem bei der Staatsanwaltschaft

Stuttgart wegen des Verdachts des Betrugs und der Geldwäsche geführten

Ermittlungsverfahren festgenommene Tatverdächtige befindet sich in

Untersuchungshaft“, weil sich bei der Durchsuchung konkrete Anhaltspunkte

dafür ergeben hätten, dass sich der Tatverdächtige mit seinen

Vermögenswerten ins Ausland begeben wollte, sei Haftbefehl wegen

Fluchtgefahr beantragt und vom Haftrichter beim Haftprüfungstermin auch

erlassen worden. 7*


*Trotz des Protests seiner Anwälte **bleibt "Querdenken"-Initiator Michael

Ballweg auch über die Frist von einem halben Jahr in Untersuchungshaft*

<*" rel="noopener">https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/63157971>*. Das ordnete das

Oberlandesgericht Stuttgart nach Angaben vom Dienstag an. Nach aktueller

Sach- und Beweislage sei der Beschuldigte bei bestehender Fluchtgefahr

weiterhin des versuchten gewerbsmäßigen Betruges und der Geldwäsche

dringend verdächtig, erklärte eine Sprecherin. Auch habe die

Staatsanwaltschaft die Ermittlungen seit der Festnahme am 29. Juni

2022"durchweg mit der gebotenen Beschleunigung zügig geführt". Somit lägen

die Voraussetzungen dafür vor, dass der 48-Jährige über sechs Monate hinaus

in Untersuchungshaft bleibt.8*


Der ehemalige Betriebswirt und Unternehmer Ballweg kandidierte 2020 für das

Oberbürgermeisteramt in Stuttgart. Seine Leitideen: Eigenverantwortung,

Selbstbestimmung, Liebe, Freiheit, Frieden und Wahrheit*.*



„Die Krise des Jahres 1923 hatte den deutschen Volkskörper bis ins Mark

erschüttert“ schrieb Bruno Frei in seiner Ossietzky - Biografie. Was aber

wird uns das Jahr 2023 bringen? Was sind wir Bürger einer noch demokratisch

verfassten Republik bereit zu geben, um auch unseren Enkeln ein Leben in

Frieden Freiheit und Demokratie zu sichern?


Irene Eckert am Dreikönigstag, 6. Januar 2023



1 Bruno Frei „Ossietzky Biografie“ siehe Fußnote 2, Ruhrbesetzung,

Hyperinflation, Währungsreform, Hitlerputsch in München, Reichswehr

beseitigt „Rote“ legitime parlamentarische Mehrheitsregierungen in Sachsen

und Thüringen, Reichswehrtruppen marschierten nach Dresden und Weimar; es

gab mehrere Dutzend Tote und Verletzte. Die "Proletarischen

Hundertschaften" wurden aufgelöst, die kommunistischen Minister entlassen

(Sachsen), oder sie traten zurück (Thüringen)

https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/dossier-nationalsozialismus/39531/kampf-um-die-republik-1919-1923/


2Bruno Frei


3Bruno Frei 'Carl von Ossietzky. Eine politische Biografie', Berlin 1978,

Das Arsenal, Verlag für Kultur und Politik S. 62 , Helene Stöcker und Kurt

Hiller vertraten u.a. diese Position S. 114, Der deutsche Botschafter in

Moskau Brockdorff-Rantzau schrieb in einem Geheimbericht vom Mai 1923 „Ich

erachte es als meine Pflicht zu erklären, dass ich den Gang nach Westen

nicht für gangbar halte, ohne das deutsche Volk in seiner Mehrheit einem

Helotentum auszuliefern, Das deutsche Volk in seiner breiten Masse wird

sich auf die Länge eine solche würdelose Existenz nicht bieten lassen. Ich

sehe daher vorderhand die einzige Möglichkeit, das deutsche Volk aus dem

Elend zu befreien, …, nicht etwa in einer bedingungslosen Hingabe an die

Sowjetunion, wohl aber in einer planmäßigen, selbstbewussten Zusammenarbeit

mit Russland auf wirtshcaftlichem und politischem Gebiet.“ S. 103f. zitiert

nach Bruno Frei


4 *Die US-Regierung hat Julian Assange wegen der Entgegennahme und

Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen angeklagt und verlangt von

Großbritannien seine Auslieferung. **Dem hat die britische Regierung

zugestimmt

<*" rel="noopener">https://www.zeit.de/digital/2022-06/julian-assange-abschiebung-grossbritannien-usa-wikileaks>*

*. **https://www.zeit.de/2022/42/julian-assange-wikileaks-auslieferung-usa-ithaka

<**" rel="noopener">https://www.zeit.de/2022/42/julian-assange-wikileaks-auslieferung-usa-ithaka>**

vom

15. Okt. 22*


5

https://www.piper.de/buecher/der-fall-julian-assange-isbn-978-3-492-07076-8


*https://www.youtube.com/watch?v=fjWA6i9nbKk

<*" rel="noopener">https://www.youtube.com/watch?v=fjWA6i9nbKk>*


Der UN-Berichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder

erniedrigende Behandlung, der Völkerrechtler Nils Melzer, legt sein Mandat

vorzeitig nieder. Melzer war auch mit Kritik an der Berliner Polizei

bekannt geworden.

https://www.sueddeutsche.de/politik/un-berichterstatter-fuer-folter-hoert-auf-1.5521675


6Vor genau einem Jahr befasste sich immerhin das Studio M von Monitor mit

der Sache Assange in eienr mutigen, sehr aufschlussreichen Weise,

Begleittext: „Auf der Plattform Wikileaks enthüllte Julian Assange ab 2010

geheime US-Militärdokumente zu Einsätzen in Afghanistan oder dem Irak.

Mittlerweile sitzt er seit mehr als 1.000 Tagen in Großbritannien im

Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Bald könnte Assange an die USA

ausgeliefert werden, dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Ein britisches

Berufungsgericht hat das Abschiebeverbot im Dezember aufgehoben. Doch wie

fair ist sein Verfahren? Was ist wichtiger: der Schutz von Menschenrechten

und die Pressefreiheit oder der Schutz von Staatsgeheimnissen und des

Machtapparates? MONITOR-Redaktionsleiter Georg Restle diskutiert diese

Fragen mit seinen Gästen: Nils Melzer (UN-Sonderberichterstatter über

Folter), John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter in Deutschland), Prof.

Herta Däubler-Gmelin (Bundesjustizministerin a.D.) und Constanze Kurz

(Sprecherin des Chaos Computer Clubs) in der ersten MONITOR studioM Ausgabe

in diesem Jahr. Die Ausgabe wurde am 12.01.2022 aufgezeichnet.

https://www.youtube.com/watch?v=idSiuGn96cE


7Augsburger Allgemeine berichtete über den „Fall“ schon am 30. 06. 22


8Ebd. 01. 01. 23 und

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.michael-ballweg-querdenken-initiator-bleibt-in-u-haft.74f8b8cd-e993-4ce1-96d6-6cb452f36ea3.html

07.01.2023

Ukrainischer Verteidigungsminister: Kiew kämpft für die NATO

meinungsfreiheit.rtde.life, 7 Jan. 2023 15:48 Uhr

Im Gegenzug dafür, dass die Ukraine faktisch für die NATO kämpfe und Blut vergieße, erwarte das Land weitere Unterstützung des "zivilisierten Westens" in Form von Waffen und Munition, so der ukrainische Verteidigungsminister Alexei Resnikow.


Quelle: www.globallookpress.com © Nina Liashonok/Keystone Press Agency (Bild)


Der ukrainische Verteidigungsminister Alexei Resnikow hat in einem Interview mit einem Fernsehsender erklärt, dass sein Land Blut vergieße, um den Auftrag der NATO zu erfüllen. Kiew erwarte, dass der "zivilisierte Westen" im Gegenzug dafür Waffen und Munition liefere.

In einem Beitrag für den ukrainischen Sender TSN des Netzwerks 1+1 am Donnerstagabend wies Resnikow darauf hin, dass die NATO auf dem Madrider Gipfel im vergangenen Sommer Russland zur größten Bedrohung für den von den USA geführten Block erklärt habe. Er erklärte:

"Heute geht die Ukraine auf diese Bedrohung ein. Wir führen heute die Mission der NATO aus, ohne ihr Blut zu vergießen. Wir haben unser Blut vergossen, also erwarten wir von ihnen, dass sie uns Waffen liefern."

Waffenschmiede Rheinmetall verkündet Rekordjahr





Waffenschmiede Rheinmetall verkündet Rekordjahr







Resnikow behauptete auch, seine NATO-Kollegen hätten ihm sowohl in Gesprächen als auch per SMS gesagt, die Ukraine sei der "Schild der Zivilisation" und "verteidige die gesamte zivilisierte Welt, den gesamten Westen".


Ukrainische Vertreter, von Präsident Wladimir Selenskij abwärts, rufen routinemäßig öffentlich nach Panzern, Raketen, Artillerie und Munition. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hatte im Dezember vor seinem Generalstab erklärt, Moskau kämpfe faktisch gegen den sogenannten "kollektiven Westen". Nach seinen Schätzungen hatte die Regierung in Kiew allein im Jahr 2022 Waffen, Munition und andere Güter im Wert von fast 100 Milliarden Dollar erhalten.


Resnikow führte diese Bemühungen an und prahlte im Oktober gegenüber dem US-Magazin Politico damit, dass er den politischen Prozess des Pentagons durchschaut habe. Sein Ziel sei es, die Latte immer höher zu legen, bis die Ukraine Kampfpanzer erhalte.


Diese Schwelle ist zwar noch nicht erreicht, aber am Freitag kündigte Washington als Teil eines Waffenpakets im Wert von drei Milliarden Dollar die Lieferung von 50 Bradley-Schützenpanzern an, den modernsten Panzern, die bisher nach Kiew geschickt wurden. Anfang dieser Woche hat auch Frankreich eine Reihe von leichten Radpanzern zugesagt.


Mit diesen Lieferungen sollen die Verluste der Ukraine auf dem Schlachtfeld ersetzt werden. Im letzten Monat hatte Kiews oberster General Waleri Saluschny der Zeitschrift Economist erklärt, er benötige 300 weitere Panzer, bis zu 700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen, um Offensivoperationen durchzuführen. Das ist mehr als die Anzahl dieser Fahrzeuge in britischen oder deutschen Beständen.


Moskau besteht darauf, dass westliche Waffenlieferungen nur dazu dienen, den Konflikt zu verlängern, und hat die Unterstützer der Ukraine wiederholt gewarnt, dass dies zu einer umfassenden militärischen Konfrontation zwischen Russland und der NATO führen könnte.


Mehr zum Thema – Welche Chancen gibt es für einen Frieden in der Ukraine?


Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/159195-ukrainischer-verteidigungsminister-kiew-kaempft-fuer-die-nato


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

07.01.2023

UNO: Russland vergleicht Tempelberg-Besuch von Ben-Gvir mit Auslöser der Zweiten Intifada

    meinungsfreiheit.rtde.life, 7 Jan. 2023 13:13 Uhr

    Nur wenige Tage nach der Regierungsbildung hat der neue israelische Sicherheitsminister Ben-Gvir am Tempelberg provoziert. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung.


Quelle: AFP © Michael M. Santia



Wassili Aleksejewitsch Nebensja ist ein russischer Diplomat. Er war von 2013 bis 2017 stellvertretender Außenminister der Russischen Föderation. Seit 2017 ist er der Botschafter Russlands bei den Vereinten Nationen und in deren Sicherheitsrat.(Bild)


Zitat: Auf der jüngsten Sitzung des UN-Sicherheitsrats verurteilte der russische Diplomat und UN-Delegierte Wassili Nebensja die jüngsten Provokationen des israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir, der am 3. Januar das Gelände des Tempelbergs im besetzten Osten Jerusalems aufgesucht hatte. Nebensja sagte, dass der jüngste Vorfall nicht von den Ereignissen im Jahr 2000 getrennt betrachtet werden könne, als der damalige israelische Premierminister Ariel Scharon das Gelände aufsuchte.


UN-Sicherheitsrat befasst sich mit umstrittenem Tempelberg-Besuch von Israels Sicherheitsminister





UN-Sicherheitsrat befasst sich mit umstrittenem Tempelberg-Besuch von Israels Sicherheitsminister





Der Besuch Scharons auf dem Tempelberg gilt bis heute als Mitauslöser der zweiten palästinensischen Intifada, was zu Hunderten von Toten führte.

Nebensja wies darauf hin, dass die Spannungen im besetzten Jerusalem eine Quelle der Destabilisierung in der Region seien. Das neue israelische Kabinett solle von seiner Politik ablassen, Palästinenser weiter zu vertreiben oder ihren Besitz und ihr Land zu konfiszieren.


Der russische Außenminister Sergej Lawrow drängte bereits darauf, dass beide Seiten ihre Differenzen auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung beilegen, was möglicherweise zur Umsetzung einer Zweistaatenlösung führen könnte, wie die Nachrichtenagentur WAFA berichtete.


Das Judentum verehrt den Tempelberg als seinen heiligsten Ort. Für Muslime ist der Hügel mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee die drittheiligste Stätte nach Mekka und Medina. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung.


Mit dem Amtsantritt der rechtsradikalen Regierung in Israel scheint der Konflikt in den palästinensischen Gebieten wieder zu eskalieren. Netanjahu hatte seinen nationalistischen und ultrareligiösen Koalitionspartnern Zugeständnisse machen müssen, um überhaupt ein Regierungsbündnis schmieden zu können, unter anderem mit Ben-Gvirs umstrittener Partei Otzma Jehudit. Ben-Gvir war in der Vergangenheit wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt worden.


Mehr zum Thema - "Radikalste Regierung in der Geschichte Israels" – Bürger sollen das Land in Massen verlassen


Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/159177-uno-russland-vergleicht-tempelberg-besuch


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

07.01.2023

Proteste gegen die NATO? Spione, Spione, überall Spione!

meinungsfreiheit.rtde.life, 7 Jan. 2023 13:56 Uhr, Von Dagmar Henn

Kaum hat das Jahr begonnen, startet auch schon eine neue Kampagne gegen die bösen Putin-Freunde in Deutschland. Inzwischen wird der Ton noch etwas schärfer, und die Folgen sind noch schwerer einzuschätzen. Aber die neuesten Artikel verheißen nichts Gutes. 



Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Lorenzo Filippucc

Anti-NATO-Protest in München am 1. Oktober 2022 (Bild)


Eigentlich sind Nachrichten, wie das Wort selbst schon nahelegt, etwas, das nach einem Ereignis entsteht. Im Verlauf der letzten Jahre scheint sich die Abfolge zwischen Nachricht und Ereignis gelegentlich umzudrehen; gerade dann, wenn es um Kernanliegen regierungsfreundlicher Propaganda geht. Es wird erst die Erzählung konstruiert, und dann geschieht etwas, das die Erzählung zu bestätigen scheint. So war jedenfalls der Ablauf beispielsweise bei jener "Sturm auf den Reichstag" genannten Demonstration, der eine lebhafte Berichterstattung vorausgegangen war, die Kritiker der Corona-Maßnahmen samt und sonders ins rechte Lager verwiesen hatte und die sich dann nach jenem reichlich künstlichen Ereignis bestätigt fühlen konnte.


Umfrage: Mehrheit der Deutschen gegen weitere Waffenlieferungen





Umfrage: Mehrheit der Deutschen gegen weitere Waffenlieferungen






Augenblicklich kann man dabei zusehen, wie eine weitere solche Vorabnachricht erzeugt wird. Das zentrale Motiv ist bereits seit Jahren in Arbeit. Es lautet, jede NATO-kritische Position sei keine wirkliche politische Position, sondern Agententätigkeit im Auftrag des Kreml. Angelegt ist diese Wendung bereits in den Begriffen, die vor Jahren in Umlauf gebracht wurden, sei es nun Putinversteher oder Kremltroll. Als wäre die Auseinandersetzung um das Verhältnis zu den USA wie zu Russland nicht eines der zentralen Debattenfelder deutscher Politik schon seit den Weimarer Tagen, sondern nur ein künstlich, durch äußeres Einwirken hervorgerufener Streit, der eine gleichsam genetisch angelegte Westorientierung zu untergraben sucht.


Das ist historischer Unfug, dem nicht nur die innenpolitischen Konflikte um die Wiederbewaffnung der BRD unter Konrad Adenauer entgegenstehen, sondern selbst noch die Verweigerung einer Verfassungsdebatte, die auf die sogenannte Wiedervereinigung hätte folgen müssen und die genau deshalb nicht erfolgen durfte, weil sie womöglich zu einer Neutralität der erweiterten Bundesrepublik geführt hätte.


Trotz aller transatlantischer Netzwerke war weder die Unterordnung unter die USA noch deren Ausmaß je unumstritten, und gerade die Entwicklung der letzten Monate beweist, dass es dafür selbst abseits jedes deutschen Großmachtwahns leicht nachvollziehbare materielle Gründe gibt. Mehr noch, in einer Gesellschaft, die zumindest so weit demokratisch verfasst ist, dass über die politischen und wirtschaftlichen Interessen aller Bevölkerungsgruppen gesprochen werden kann, hätte der Anschlag auf Nord Stream eine heftige Debatte auslösen müssen, ob nicht eine grundsätzliche Änderung des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten angebracht wäre. Denn in der Welt der objektiven Tatsachen, jenem fernen mythischen Bereich, in dem die Gesetze der Physik und der Ökonomie gelten und nicht ominöse Werte und Regeln, gibt es damit ein Land, das eine kriegerische Handlung gegen Deutschland unternommen hat, und das heißt nicht Russland.

Landshut: Ein Tänzchen um die Meinungsfreiheit





Meinung

Landshut: Ein Tänzchen um die Meinungsfreiheit






Man muss sich das immer wieder in Erinnerung rufen, wenn man die Erzählungen betrachtet, an denen die westliche Presse arbeitet; insbesondere, wenn diese Erzählungen in die Kategorie der Ex-Ante-Nachrichten gehören, der ein Ereignis vorbereitenden Berichterstattung.


Diesmal beginnt die Kette bei dem in Lettland angesiedelten, mit "proukrainisch" noch verniedlichten Portal The Insider, das sich diverser Preise europäischer Institutionen rühmt, aber eine Berichterstattung liefert, mit der verglichen die Bild zurückhaltend und auf Wahrhaftigkeit bedacht ist. Nachdem dieses Portal auch mit bekannten Akteuren wie Bellingcat kooperiert hat und sich der "Aufklärung" im Falle Skripal rühmt, könnte man sagen, es wird von einem gewissen Duft des MI6 umweht.


Am 27. Dezember erscheint dort ein Artikel über "prorussische" Proteste in Deutschland. Die Berichterstattung zielt auf eine Reihe von Personen, und die Kernaussage – die nicht sonderlich überraschen wird – findet sich bereits in der Einleitung:


"Obwohl das offizielle Berlin Kiew bedingungslos unterstützt und die Rechtfertigung der russischen Aggression in Deutschland strafrechtlich verfolgt wird, gibt es eine ganze Reihe Verteidiger der 'russischen Welt' in der BRD. Im Frühjahr organisierten sie Autokonvois und Demonstrationen zur Unterstützung Putins und des Krieges, und jetzt demonstrieren sie gegen die NATO und 'für Frieden' mit Russland; tatsächlich für ein Ende der militärischen Unterstützung Kiews. Die Protestierer selbst präsentieren sich als unabhängige Aktivisten, aber in Wirklichkeit kooperieren sie aktiv mit der russischen Botschaft und nutzen örtliche rechtsextreme Aktivisten als ihre Verbündeten."

Friede auf Erden – aber Krieg gegen Russland





Meinung

Friede auf Erden – aber Krieg gegen Russland






So weit, so bekannt; ein einzelner Artikel, schon gar auf einem solchen Portal, besagt gar nichts, außer, dass die alte Geschichte wieder aufgewärmt wird, die jeden gleichsam ausbürgert, der der NATO-Position widerspricht.


Am 3. Januar wird dieser Bericht von Reuters aufgegriffen und erweitert. Wir sind immer noch im angelsächsischen Bereich, auch wenn der Reuters-Bericht von diversen deutschen Medien weitergereicht wird. Die Liste der benannten Personen ist erweitert und ein Detail der Erzählung deutlich verstärkt. Der Hintergrund ist einfach: "Wenn Deutschland, die größte Wirtschaft der Europäischen Union, Kiew den Rücken zudreht, dann wird die europäischen Einigkeit zu diesem Krieg zerbrechen. (...) Die Mehrheit der Deutschen unterstützt noch die Ukraine, aber nach einem steilen Anstieg der Energiekosten zeigen Umfragen, dass weniger von ihnen die militärische Unterstützung erhöhen wollen."


Das Ziel ist also nicht nur eine Aufrechterhaltung der bisherigen Regierungsposition, sondern eine "Erhöhung der militärischen Unterstützung"; genau das, was aus rein technischen Gründen ein verdeckter Kriegseintritt wäre. Um dies durchzusetzen, beziehungsweise um im Interesse der Durchsetzbarkeit eines solchen Schritts abweichende Stimmen zum Verstummen zu bringen, muss nun die schon lange angedeutete Deutung als "russische Agententätigkeit" weiter verschärft werden.


Russische Botschaft in Berlin verurteilt Marder-Lieferungen an Kiew: "Ein Schritt zur Eskalation"





Russische Botschaft in Berlin verurteilt Marder-Lieferungen an Kiew: "Ein Schritt zur Eskalation"





Natürlich geht ein solcher Spin nicht ohne Pathos. "Durch Interviews und die Durchsicht von Nachrichten in sozialen Netzwerken und andere öffentlich verfügbaren Informationen hat Reuters die Schlüsselgestalten identifiziert, die darin verwickelt sind, in Deutschland eine Pro-Moskau-Sicht zu fördern, seit der Krieg begann." Mehr noch: "Reuters fand heraus, dass einige der lautesten Agitatoren für eine Veränderung der deutschen Politik zwei Gesichter haben. Einige nutzen Decknamen und haben verborgene Verbindungen nach Russland und zu russischen Institutionen, die unter internationalen Sanktionen stehen, oder zu rechtsextremen Organisationen."


Das klingt wirklich gefährlich, oder? Allerdings muss man dabei berücksichtigen, wie niedrig inzwischen in Deutschland die Schwelle liegt, jenseits derer "Verbindungen nach Russland" bereits als illegal bewertet werden. Inzwischen löst der Kauf einer Musik-CD von einer in Russland ansässigen Privatperson Strafverfahren wegen Sanktionsumgehung aus, und im November fällte das OLG Düsseldorf ein Urteil wegen Spionage, das an die wildesten Auswüchse der Adenauer-Jahre erinnert. Wobei Reuters tatsächlich so weit geht, russischen Staatsbürgern Kontakte zur russischen Botschaft als belastend vorzuhalten.


Besonders verwerflich ist es nach Reuters, an Gedenkveranstaltungen für sowjetische Gefallene des Zweiten Weltkriegs teilzunehmen. Das war auch in dem Artikel von The Insider bereits so; man sollte allerdings zumindest bei einer Nachrichtenagentur wie Reuters annehmen, dass der Beitrag der Roten Armee zur Befreiung vom Nazismus noch bekannt ist. Was schreibt Reuters über eine seiner Zielpersonen? "Er tauchte auf Veranstaltungen zum Gedächtnis an die in Deutschland bestatteten sowjetischen Kriegstoten neben russischen Diplomaten auf."


Regelbasierte Abgabenordnung – oder: Wie das Finanzamt einen Hilfsverein mundtot machen will





Meinung

Regelbasierte Abgabenordnung – oder: Wie das Finanzamt einen Hilfsverein mundtot machen will




Wie man es von solchen Texten seit Jahren gewohnt ist, dienen Fotos dazu, enge Verbindungen zu behaupten. Diese Behauptungen funktionieren, weil das Niveau politischer Erfahrungen in Deutschland mittlerweile extrem niedrig ist und die meisten Leser daher solche Aufnahmen wie Familienbilder deuten und nicht wahrnehmen, dass es bei politischen Handlungen Bündnisse geben kann, die nicht notwendigerweise große Nähe bezeugen, sondern schlicht einem bestimmten Zweck dienen.


Aber das Muster wurde in den letzten Jahren etabliert und spätestens während der Auseinandersetzungen um die Corona-Maßnahmen durchgesetzt. Nachdem es inzwischen als normal gilt, mit Menschen außerhalb eines engen Meinungsspektrums nicht mehr zu kommunizieren, sollte man daran erinnern, wie der politische Umgang in einer demokratischen Umgebung aussieht: Man kann in bestimmten Fragen, beispielsweise zur Migration, vehement verschiedener Ansicht sein und doch bei anderen, beispielsweise der Ausstattung der örtlichen Feuerwehr, an einem Strang ziehen. Jeder, der jemals auch nur auf kommunaler Ebene politisch tätig war, kann das bestätigen.


Selbst im Umgang mit wirklichen Feinden ist eine Strategie des "Mit dem rede ich nicht" nur begrenzt sinnvoll; der Ursprung der gesamten Diplomatie liegt nicht im Gespräch zwischen Freunden. Und dennoch hat sich das als Verhalten selbst bei "schwachen" Abweichungen in Deutschland etabliert; und in Ergänzung dazu wurde es möglich, die schlichte Tatsache des Kontakts bereits zum Vorwurf zu machen, weil ja jeder, der sich an die vorgegebenen Regeln politischer Tugend hält, gar keinen Kontakt zu "verdächtigen" Personen haben kann.


Verhaftung des Chefredakteurs von "Sputnik Litauen": Russland appelliert an UNO und OSZE





Verhaftung des Chefredakteurs von "Sputnik Litauen": Russland appelliert an UNO und OSZE





Um selbst für Reuters als verdächtig zu gelten, reichen Lappalien aus. So wird dort ein Telegram-Kanal namens "Putin Fanclub" angeführt, dem Folgendes vorgeworfen wird: "Für die 36.000 Abonnenten werden regelmäßig Bilder von Putin gepostet, Meldungen über seine öffentlichen Auftritte und deutsche Übersetzungen seiner Reden. Ein dort gepostetes verändertes Video zeigt, wie Putin Joe Biden beim Armdrücken schlägt. Ein weiterer Post vom 26. Oktober drängt die Deutschen dazu, Putins Warnung vor einem nuklearen Konflikt ernst zu nehmen."


Ist daran irgendetwas illegal? Die Veröffentlichung deutscher Übersetzungen von Reden eines ausländischen Staatsoberhaupts, dem Präsidenten eines Staates, mit dem sich Deutschland – man muss das leider immer wieder betonen – nicht im Krieg befindet? Nichts daran überschreitet die Grenzen der Meinungsfreiheit, die es doch eigentlich geben soll in Deutschland. Aber Reuters hält es für angemessen, die Betreiber dieses Kanals zu erkunden.


Und nun wandert die Geschichte in deutsche Medien und wird noch weiter in eine bestimmte Richtung gedreht. Der Tagesspiegel greift sich aus dem Büfett des Reuters-Artikels eine einzelne Person heraus, Oleg Eremenko, der nun besonders finster gezeichnet wird. Schließlich habe er in seiner Zeit bei der russischen Armee zugestandenermaßen beim Militärgeheimdienst GRU gearbeitet, woraus sich eine passende Gruselgeschichte stricken lässt. Anker dafür ist ein mehrere Jahre altes Foto, auf dem Eremenko neben Igor Girkin/Strelkow steht, der angeblich ebenfalls einmal für den GRU tätig gewesen sei. Und natürlich wird die Skripal-Geschichte ebenfalls angehängt, auch wenn sie in keinster Weise je belegt worden ist.


Europäische Journalistenföderation fordert von Lettland Einhaltung der Menschenrechtskonvention





Europäische Journalistenföderation fordert von Lettland Einhaltung der Menschenrechtskonvention





In Wirklichkeit sind die meisten Angehörigen von Militärgeheimdiensten mit Spionageabwehr und Signalauswertung befasst. Es wurde zwar in den letzten Jahren einige Mühe darauf verwandt, die russische GRU mindestens so finster wirken zu lassen wie einst das KGB, aber wie bei allen solchen Diensten gibt es eine Menge harmloser und nur einen kleinen Teil operativer Tätigkeiten, und die schlichte Tatsache, dass jemand dort tätig war, besagt erst einmal gar nichts, weil es wie in jeder anderen Behörde auch Buchhalter und Sekretärinnen, Elektriker und Archivare gibt.


Aber die Kombination funktioniert: Russe, Militär und Geheimdienst ergibt das ultimative Böse, und den Punkt "ehemalig" kann man getrost ignorieren. Der Tagesspiegel nutzt die Geschichte sogar, um die SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig anzugreifen, die sich irgendwie mangelnder Zuverlässigkeit schuldig gemacht haben muss. "Schwesig nahm im April 2021 an einer Veranstaltung zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Greifswald teil. Eremenko, der Initiator dieses Gedenktermins, überreichte dort eine Tafel zum Gedenken an seinen Großvater Nikolai Ljaschtschenko, einen Generalmajor der Roten Armee, der später als 'Held der Sowjetunion' ausgezeichnet wurde. In Greifswald hatte dieser in den letzten Wochen des Krieges die kampflose Übergabe der Stadt ausgehandelt."


Der Tagesspiegel hat sich allen Ernstes beim Büro von Schwesig erkundigt, warum sie mit Eremenko zusammengetroffen sei. Dabei ist es selbst in Deutschland üblich, zu Anlässen wie der Einweihung einer Gedenktafel Verwandte der derart Bedachten einzuladen, das ist ein völlig normales protokollarisches Verfahren. Auch die Anwesenheit des russischen Botschafters bei einem solchen Termin entspricht schlicht der Norm. Was nicht der Norm entspricht, ist, daraus einen Skandal stricken zu wollen.


Pipeline "Druschba" und russisches Erdöl: Schwedt und das Ende der "Freundschaft" nach 60 Jahren





Pipeline "Druschba" und russisches Erdöl: Schwedt und das Ende der "Freundschaft" nach 60 Jahren





Allerdings hatte es dazu bereits im Mai einen Anlauf der FAZ gegeben, die Eremenko unter anderem vorgeworfen hatte, zusammen mit Rainer Rupp Geld für sowjetische Veteranen gesammelt zu haben. "Ukraine-Hasser und Stasi-Freund" war die Formulierung gewesen, zu der die FAZ gegriffen hatte.


Die Geschichte war damals ohne Folgen geblieben, weil die Zusammenstellung der Hauptrichtung der Erzählung widersprochen hatte, die NATO-Gegner seien allesamt böse Rechte. Der Tagesspiegel nutzt nun die konstruierte Spionageumgebung, um jetzt über Eremenko das Feld der Verdächtigen zu erweitern: "Im August vergangenen Jahres trat er in Berlin auf einem Fest der DKP auf. In einer Diskussionsrunde über 'Frieden mit Russland' saß er gemeinsam mit dem früheren stellvertretenden Generalstaatsanwalt der DDR, Hans Bauer, auf dem Podium."


Die Aussagen, mit denen Eremenko von dieser Veranstaltung zitiert wird, sind ebenso unschuldig wie seine Anwesenheit bei der Übergabe der Gedenktafel über ein Jahr zuvor. Er kritisierte die Darstellung Russlands und der Russen in Kindergärten und Schulen. Dies zu einer Zeit, als längst vielfache Meldungen über Mobbing vorlagen und Sendungen wie die KiKA-Nachrichten immer wieder Geschichten vom bösen Wladimir Putin erzählten.


Gälten in Deutschland noch die Regeln einer demokratischen Kultur, man würde mit den Schultern zucken und fragen, was diese Aufregung soll. An die Missachtung dieser Gepflogenheiten, an die Hysterie, mit der auf ein Abweichen reagiert wird, hat man sich bereits gewöhnt. Aber in dieser letzten Welle von Artikeln, die mit The Insider begonnen hatte, doch vermutlich noch nicht an ihrem Ende angelangt ist, geschieht etwas Neues. Es wird versucht, aus politischen Äußerungen, selbst so protokollarisch-formellen wie der Übergabe von Gedenktafeln, eine Agententätigkeit zu konstruieren. Für unaufmerksame Leser, die all die eingeflochtenen Verweise auf andere zentrale Propagandaerzählungen wie Skripal und MH17 akzeptiert haben, durchaus überzeugend.


Ukraine-Krieg: Deutschland liefert Kiew Schützenpanzer Marder und Flugabwehrraketensystem Patriot





Ukraine-Krieg: Deutschland liefert Kiew Schützenpanzer Marder und Flugabwehrraketensystem Patriot





Nun haben diverse Beispiele in den vergangenen Monaten, sei es nun der Fall der tanzenden Julia aus Landshut oder seien es die Artikel über den Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e. V., belegt, dass solche Texte das Vorspiel staatlicher Maßnahmen darstellen und dass die Richtung, die die Vorwürfe in diesen Artikeln nehmen, anzeigt, wie diese Maßnahmen aussehen könnten. Am Beispiel des angeblichen Reichsbürgerputsches konnte man sehen, zu welch gigantischer Größe sich ein faktisches Nichts aufblasen lässt.


Die massiven Verschärfungen der Paragrafen 140 und 130 StGB, die bereits den Resten der Meinungsfreiheit in Deutschland weitgehend den Garaus machten, scheinen nicht zu genügen, um die von der Bundesregierung gewünschte Kriegspolitik weiter abzusichern. Was sich in dieser neuesten Welle von Artikeln abzeichnet, ist der Versuch, jegliche politische Tätigkeit, die sich gegen die NATO richtet, zur Agententätigkeit zu erklären und als solche zu behandeln, und die Liste der Organisationen, auf die gezielt wird, ist sehr umfassend. Natürlich bleibt die Hoffnung, dass es nicht oder zumindest noch nicht dazu kommt, dass das, was sich aus diesen Artikeln lesen lässt, in Handlungen umgesetzt wird, aber verlassen sollte man sich darauf nicht. Dieser Einstieg ins Jahr 2023 lässt wenig Raum für Hoffnung.


Mehr zum ThemaDiplomatische Gretchenfrage: Tausche ein Russisches Haus gegen drei Goethe-Institute?


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/159135-proteste-gegen-nato-spione-spione-ueberall-spione


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

07.01.2023

falsche Unterstützung der Tafeln

aus e-mail von Alfred Müller, 7. Jannuar 2023, 17:56 Uhr


Leserbrief zum HAZ-Artikel „Sparkasse unterstützt fünf Tafeln in der Region mit insgesamt 100.000 Euro“, v. 6.1.23


Eine verkehrte Maßnahme
In Deutschland steigt die Armut von einem Rekord zum anderen — hinter jeder dieser Zahlen
steht ein individuelles Schicksal. Doch dies muss nicht sein. Gegen Armut hilft Geld. Diese
Weisheit ist über ein höheres Bürgergeld, höhere Renten, Abschaffung des Niedriglohnsek-
tors, gesicherte Arbeitsplätze und eine bessere Entlohnung in die Praxis umzusetzen.
Wer ein ausreichendes Einkommen hat, ist nicht gezwungen, sich über Armenspeisungen
durch „Tafeln“ erniedrigen zu lassen und seine Würde und Wertschätzung zu verlieren.
Die Expansion der Tafeln ist nicht nur Ausdruck der steigenden Armut, sondern ebenfalls
unzureichender Sozialleistungen des Staates und Lohnzahlungen der Unternehmen. Es besteht
eine Abwärtsspirale, die nichts mit konjunkturellen Schwankungen und der Inflation zu tun
hat, sondern in unserem Wirtschaftssystem immer schon eingebaut war und ist. Mit dem Pro-
duzieren von privatem Reichtum wird gleichzeitig Armut erzeugt und der wirtschaftliche
Erfolg und die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen wird durch die Armut der Lohnabhän-

gigen erzielt.


Das, was die Ehrenamtlichen der Tafeln machen, ist eine ganz tolle und ganz wichtige Arbeit
– und genau da fängt das Problem an. Die Tafeln beseitigen nicht die Armutsursache, sondern
verlängern das Elend der Betroffenen. Sie verhindern eine bedarfsgerechte Mindestsicherung
und reduzieren den Druck auf die Politik. Sie sind ein billiges Konzept der Nahrungsmittel-
beseitigung und stopfen vorhandene Versorgungslücken. Sie sind kein zusätzliches Angebot
der Armutslinderung, vernebeln den Anspruch auf ausreichende Einkommen und eröffnen
den Bedürftigen keine verfügbaren Handlungsperspektiven. Seit Beginn der „Tafelbewe-
gung“, die durch die großen weltweit tätigen Unternehmensberatungen ins Leben gerufen
wurde, haben die staatlichen Stellen die Einrichtungen der Tafeln kräftig gefördert, auch um
die Sozialleistungen möglichst gering halten zu können und die Unternehmen in ihren

Lohndruck zu unterstützen.


So lobenswert die Subventionszahlungen der Sparkasse sein mögen, sie setzen am verkehrten
Hebel an. Das Geld sollte in andere wichtige Bereiche, wie die Klimaschutzpolitik, fließen
und die Politik, die Sparkasse und die Gewerkschaften sollten sich für eine ausreichende

Daseinsvorsorge einsetzen.


Statt mildtätiger Gaben über „Tafeln“ muss die Armutsbeseitigung wieder in den Vorder-
grund treten. Solidarisches und barmherziges Handeln bedeutet vor allem, dass man gegen die
strukturellen Ursachen der Armut kämpft. Wer den Armen helfen will, sollte mit seiner
Barmherzigkeit und seinem Mitgefühl die Wunden der Armen heilen und nicht das Elend der
Bedürftigen verewigen. Der Zulauf zu den Tafeln ist nichts anderes als das Zeichen einer
verfehlten Sozialpolitik und Wirtschaftsordnung. Damit alle Menschen in Deutschland genug
zu essen und zu trinken haben, müssen wir eine menschenwürdige Wirtschaft aufbauen und
die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellen. Die ehrenamtliche Tafelarbeit und die
Fördermaßnahmen dürfen nicht dazu dienen, wirtschaftliches und staatliches Versagen zu

kaschieren.


Alfred Müller, Hildesheim
06.01.2023

Deutsche Panzer an die Ostfront! / SPD-Kühnert Zeitpunkt ist klug

aus e-mail von Doris Pumphrey, 6. Januar 2023, 20:34 Uhr


RT-Liveticker 6.1.2023

<https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg-kiew-lehnt/>18:06 

Uhr

*SPD-Generalsekretär Kühnert zur Marder-Entscheidung:

Lange Abwägung war politisch klug*


Nach Darstellung des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert hat die

Entscheidung des Bundeskanzlers, Olaf Scholz, zur Lieferung von

Schützenpanzern in die Ukraine nichts mit dem Druck der

Koalitionspartner FDP und Grüne zu tun. Am Freitag sagte der Politiker

bei einer Online-Diskussion: /"Ich glaube, weder im Weißen Haus noch

anderswo werden allzu intensiv die Tweets von

Verteidigungsausschuss-Vorsitzenden und anderen verfolgt."/


Scholz' Entschluss habe etwas "mit politischer Klugheit und einer langen

Abwägung zu tun, den richtigen Moment für solche Entscheidungen zu

treffen", sagte Kühnert. Er sei froh, dass auch der FDP-Vorsitzende und

Finanzminister Christian Lindner es am Donnerstag als richtig bewertet

habe, dass Scholz nicht im Alleingang entschieden habe. Der Entschluss

des Kanzlers sei "in enger Abstimmung mit unseren internationalen

Partnern" erfolgt – auch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.


https://www.anti-spiegel.ru/2023/deutsche-panzer-an-die-ostfront/

6.1.2023

*Deutsche Panzer an die Ostfront!

*/Von Thomas Röper

/

Das Mantra des deutschen Kanzlers Scholz der letzten Monate war

eindeutig: „Bei Waffenlieferungen an die Ukraine wird es keine deutschen

Alleingänge geben!“


*Scholz hat nichts gegen Waffenlieferungen aller Art

*Die Aussage war nicht etwa ein Ausdruck des Zauderns des

Bundeskanzlers, wie die Medien irrtümlich meinten, sondern vollkommen

ernst gemeint. Scholz hat nichts gegen die Lieferung jeder Art von

Waffen für den Krieg gegen Russland, er will nur nicht der erste sein,

der das tut. Daher hat der französische Präsident Macron Scholz am

Mittwoch den Gefallen getan, die Lieferung älterer französischer

Spähpanzer vom Typ AMX-10 RC zu verkünden. Auch die USA haben kurz

darauf die Lieferung von Bradley-Schützenpanzern an Kiew genehmigt.

Daraufhin war für Scholz der Weg frei, am Freitag nach einem Telefonat

mit US-Präsident Biden ebenfalls die Lieferung von

Marder-Schützenpanzern an Kiew freizugeben.


Damit ist bereits klar, dass Scholz auch die Lieferung von

Leopard-Panzern gestatten wird, sobald der erste NATO-Staat beginnt,

Kampfpanzer westlicher Bauart an Kiew zu liefern. Dabei handelt es sich

also nur um eine Frage der Zeit.


Deutschland liefert der Ukraine außerdem eine

Patriot-Flugabwehrbatterie, was Scholz vor einigen Wochen, als es um die

Lieferung einer Patriot-Flugabwehrbatterie an Polen ging, die Polen in

der Ukraine stationieren wollte, noch vehement abgelehnt hat. Aber es

ist das gleiche Spiel, wie bei den Panzern: Scholz wollte nur nicht der

erste sein und nachdem die USA im Dezember die Lieferung von

Patriot-Flugabwehrbatterien an die Ukraine gestattet haben, hat Scholz

nun zusammen mit den Marder-Panzern auch die Lieferung einer

Patriot-Flugabwehrbatterie der Bundeswehr an Kiew freigegeben.


*Gemäß Völkerrecht ist Deutschland im Krieg gegen Russland

*Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat schon am 16. März 2022

ein 12-seitiges Gutachten

<https://www.bundestag.de/resource/blob/892384/d9b4c174ae0e0af275b8f42b143b2308/WD-2-019-22-pdf-data.pdf> herausgegeben,

in dem er der Frage nachgegangen ist, ab wann ein Staat Kriegspartei im

russisch-ukrainischen Konflikt ist. Ich habe über das Gutachten

ausführlich berichtet, meinen Artikel finden Sie hier

<https://www.anti-spiegel.ru/2022/waffenlieferungen-und-ausbildung-von-soldaten-ist-deutschland-kriegspartei/>.


Im Kern stellte das Gutachten zwei Themenfelder fest, bei denen

Deutschland aus völkerrechtlicher Sicht zu einer Kriegspartei werden

kann. Waffenlieferungen machen Deutschland demnach nicht zu einer

Kriegspartei, aber: /„Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch

die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in

Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung

verlassen.“


/Da ukrainische Soldaten in Deutschland an NATO-Waffensystemen

ausgebildet werden, ist dieser Punkt erfüllt. Sowohl die US-Armee bildet

ukrainische Soldaten in Deutschland aus, als auch die Bundeswehr. Auch

für die Marder-Panzer und vielleicht sogar für die

Patriot-Flugabwehrsysteme dürften die ukrainischen Soldaten in

Deutschland ausgebildet werden.


Das zweite Themenfeld, bei dem Deutschland aus völkerrechtlicher Sicht

zu einer Kriegspartei werden kann, ist die Übermittlung von

Geheimdienstinformationen. Dazu heißt es in dem Gutachten: /„Hier sind

die genauen Umstände entscheidend: Je substanzieller die Unterstützung

wird und je abhängiger die unterstützte Partei, also die Ukraine in

unserem Fall, davon ist, desto näher kommt man der roten Linie.

Strategisch relevante Geheimdienstinformationen fallen dabei natürlich

ins Gewicht. Ihrer Natur gemäß sind sie aber natürlich geheim und für

die gegnerische Seite nicht oder nur schwer nachzuweisen.“


/Dass die USA die Ukraine nicht nur mit Geheimdienstinformationen in

Echtzeit versorgen und der Ukraine bei der Auswahl von Angriffszielen

helfen, sondern sogar aktiv in die militärischen Planungen der Ukraine

eingebunden sind, ist bekannt

<https://www.anti-spiegel.ru/2022/die-usa-und-grossbritannien-sind-in-der-ukraine-de-facto-kriegsparteien-gegen-russland/>.

Die USA sind damit aus völkerrechtlicher Sicht in jedem Fall in jedem

Fall Kriegspartei gegen Russland.


*Der BND liefert Daten an die Ukraine

*Anfang Oktober 2022 wurde bekannt, dass auch der BND die Ukraine mit

Geheimdienstinformationen versorgt. Darüber hat die „Zeit“ berichtet und

in dem Artikel der „Zeit“

<https://www.zeit.de/2022/40/ukraine-russland-krieg-bnd-geheimdienstinformationen/komplettansicht

konnte man erfahren: /„Die Analysen und Aufklärungsergebnisse, darunter

Geodaten, können in die Kriegsplanung einfließen und der ukrainischen

Armee dabei helfen, Kampfkraft und Moral russischer Einheiten

einzuschätzen oder ihre Stellungen zu überprüfen. Die Daten-Lieferungen

sind der geheimdienstliche Teil der Zeitenwende.

Die Informationen stammen vom Bundesnachrichtendienst (BND). Sie speisen

sich aus Satellitenbildern, abgefangenen Funksprüchen und

Mobiltelefongesprächen.“


/Außerdem will der BND überprüft haben, ob dieses Vorgehen eine deutsche

Kriegsbeteiligung bedeutet: „/Um sicherzugehen, gab der BND im Mai eine

Prüfung der „rechtlichen Zulässigkeit von Übermittlung targeting-fähiger

Informationen an die Ukraine“ in Auftrag. Ergebnis: Die Daten-Weitergabe

sei gesetzeskonform und bedeute völkerrechtlich keinen Kriegseintritt

Deutschlands.“


/Das Gutachten, dass der BND in Auftrag gegeben hat, würde ich gerne mal

sehen, denn offensichtlich kommt es zu einem anderen Ergebnis als das

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Wie aktiv der

BND bei der Übermittlung der Informationen ist, haben wir auch erfahren:

/„Andererseits hören und sehen die Deutschen in der Ukraine Details über

die russische Armee, die den Ukrainern manchmal entgehen –

Satellitenaufnahmen eines russischen Flugfeldes etwa, bei dem der BND

die genaue Lage und Zahl der Flugzeuge erfassen konnte. Oder Hinweise

auf ein russisches Munitionsdepot. Aber weil die Daten oft mit der

Verzögerung von bis zu mehreren Tagen übermittelt werden, seien sie

„nicht unmittelbar“ für die Planung und Steuerung tödlicher Angriffe

nutzbar, heißt es in Berlin. Manchmal teilt der BND Satellitenbilder,

manchmal nur Textberichte über das, was zu sehen ist. Eine der Auflagen

lautet, nur Aufnahmen aus der Ukraine selbst zu übermitteln, keine aus

Russland. Insgesamt haben die Deutschen bislang weit mehr als hundert

Hinweise geschickt, im Schnitt mehr als einen pro Tag.“


/*Ist Deutschland Kriegspartei?

*Dass der BND damit zu weit geht, stand auch in dem Artikel:

/„Scholz geht mit der neuen Praxis ein erhebliches Risiko ein. Er bewegt

sich entlang einer politischen Kontaktlinie, deren genauer Verlauf nicht

bekannt ist – allein der russische Präsident entscheidet, wann er sie

für überschritten hält. (…) Intern haben sich die Deutschen von Anfang

an keine Illusionen gemacht, dass der diskrete Informationsfluss

verborgen bleibt. Das ukrainische Militär sei zu sehr von russischen

Informanten durchdrungen, als dass sich eine so wichtige Operation

verheimlichen ließe. Die Russen, heißt es in Berlin, wüssten längst

Bescheid.“


/Im Klartext bedeutet das, dass die deutsche Regierung bewusst volles

Risiko fährt und sich de facto an dem Krieg gegen Russland beteiligt

hat. Da sind die Lieferungen von Panzern gegen Russland nur konsequent.

Ob das allerdings eine gute Idee ist, steht auf einem anderen Blatt.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

06.01.2023

Warum schweigt Merkel?

Oskar Lafontaine


nachdenkseiten.de, 06. Januar 2023 um 8:27 Ein Artikel von

Ukraine: Milliarden und Waffen in ein Fass ohne Boden? Ein Zwischenruf von Oskar Lafontaine.




In Frankreich hat sich Pierre de Gaulle, Enkel von Charles de Gaulle, Bankmanager und Unternehmensberater, in einem erstaunlichen Interview zu Wort gemeldet: “Die öffentliche Meinung beginnt, sich des perversen Spiels und der Lügen der Amerikaner und insbesondere der NATO bewusst zu werden. Die Ukraine-Krise wird genutzt, um Europa zu destabilisieren . Die Kriegsauslöser sind die Amerikaner und die NATO, und ich möchte als Beweis die Äußerungen von Frau Merkel anführen, die sagte, sie habe nie die Absicht gehabt, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen, die unterzeichnet wurden, um die Sicherheit der russisch-sprachigen Bevölkerung im Donbass zu gewährleisten .. Frau Merkel hat alles getan, um der NATO zu erlauben, die Ukraine zu bewaffnen, hat alles getan, um die Grundlagen für diesen Konflikt zu legen. Indem sie diese ukrainische nationalistische Expansion zuließ, hat sie zugelassen, dass 16.000 bis 18.000 Menschen bombardiert und getötet wurden.”


Der Enkel Charles de Gaulles stellt im Hinblick auf die Vorgeschichte des russischen Einmarschs richtigerweise fest, dass die Amerikaner und die NATO die Kriegsauslöser sind. Eine Feststellung, die in Deutschland sofort zum Vorwurf des Putin-Verstehers und zur Ausgrenzung aus dem politischen Dialog führen würde. Viel wichtiger ist aber der Vorwurf de Gaulles an Angela Merkel, sie habe zugelassen, dass 16.000 bis 18.000 Menschen im Donbass getötet wurden. Diese zweifelhafte Rolle Merkels, die sich aus ihrem am 7. Dezember von der “Zeit” veröffentlichten Interview ergibt, wird weltweit diskutiert und veranlasste Putin zur Frage, ob man im Westen überhaupt noch jemanden trauen und Vereinbarungen treffen könne.


Warum schweigt Merkel dazu?

In der Tat ist eine Mitverantwortung Deutschlands an der fehlenden Umsetzung des Minsker Abkommens nicht zu leugnen. Und sie ist ein weiterer Grund dafür, dass die Bundesregierung ihre US-hörige Politik aufgeben und auf einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen drängen muss. Das umso mehr, weil auch der Bericht des europäischen Rechnungshofes vom September 2021 eine Änderung der Ukraine-Politik der Bundesregierung dringend erfordert: “Sachverständige schätzen, dass enorme Summen – in der Größenordnung von zig Milliarden Dollar – jährlich in der Ukraine aufgrund der Korruption verloren gehen.” Dazu kommen sich häufende Berichte, dass ein Teil der in die Ukraine gelieferten Waffen nicht bei der Armee ankommt, sondern auf den Schwarzmärkten der Waffenhändler verhökert wird.


Die zwingend notwendige Änderung der deutschen Ukraine-Politik mit dem Ziel, einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen, einer Waffenruhe und Verhandlungslösung, habe ich in einem Interview mit Radio München dargelegt.


Rubriken:

Das kritische Tagebuch


Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=92164



Weiteres:



Oskar Lafontaine, diese Regierung und der Ukraine-Krieg


radiomuenchen.net, 30: Dezember 2022

"Von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen", sagte einst der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt - heute liefert die Bundesregierung schwere Waffen in die Ukraine. Warum? Weil Deutschland ein Vasallen-Staat der USA ist. So die Analyse von Oskar Lafontaine in seinem aktuellen Buch „Ami, it´s time to go“, Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas, das im Westend-Verlag erschienen ist. Der ehemalige Vorsitzende der SPD, Kanzlerkandidat, Bundesfinanzminister und Politiker der Linken plädiert für eine Selbstbehauptung Europas.


Radio München · Oskar Lafontaine, diese Regierung und der Ukraine-Krieg

Audio https://soundcloud.com/radiomuenchen/oskar-lafontaine-diese-regierung-und-der-ukraine-krieg?utm_source=www.radiomuenchen.net&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Fradiomuenchen%252Foskar-lafontaine-diese-regierung-und-der-ukraine-krieg Dauer 31:18 min.


Hören Sie dazu unsere Autorin Sylvie-Sophie Schindler im Gespräch mit Oskar Lafontaine.

„Ami, it's time to go“, Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas, ist im Westend-Verlag. Es hat 64 Seiten, kostet als Kindle 9 Euro 90 und als Paperback 12 Euro.


Info: https://www.radiomuenchen.net/podcast-archiv/radiomuenchen-themen/2013-04-04-17-34-58/2114-oskar-lafontaine-diese-regierung-und-der-ukraine-krieg.html


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

Seite 290 von 511

< 1 2 3 4 .. 10 .. 20 .. 30 .. 100 .. 200 .. 260 .. 270 .. 280 .. 287 288 289 290 291 292 293 .. 300 .. 310 .. 320 .. 400 .. 480 .. 490 .. 500 .. 508 509 510 511 >
Diese Webseite verwendet Cookies. Hier erfahren Sie alles zum Datenschutz ok