Der permanente Völkerrechtsbruch Bundespolizei ist
in Völkerrechtsbrüche an der EU-Außengrenze involviert.
BERLIN/ATHEN (Eigener Bericht) - Die Bundespolizei ist in völkerrechtswidrige Pushbacks an den EU-Außengrenzen involviert. Dies geht einem Medienbericht zufolge aus einem internen Schreiben von Frontex-Direktor Fabrice Leggeri an die EU-Kommission hervor. Demnach stoppte am 10. August ein Schiff der Bundespolizei, das im Rahmen der Frontex-Operation "Poseidon" in der Ägäis kreuzt, ein Flüchtlingsboot vor Samos in griechischen Gewässern. Anschließend zwang die griechische Küstenwache das Boot in türkische Gewässer zurück. Derlei Pushbacks brechen geltendes Völkerrecht, weil sie Flüchtlingen ohne Prüfung ihres Anliegens den Schutz verweigern. Nichtregierungsorganisationen, die vor Ort recherchieren, sprechen von mindestens 150 Vergehen allein von März bis Mitte August. Pushbacks an den EU-Außengrenzen werden zudem seit Jahren verübt; bereits 2014 kamen Beobachter an der griechischen Außengrenze auf 2.000 betroffene Personen, während zahlreiche weitere Fälle an den Grenzen der spanischen Exklaven in Marokko sowie in Südosteuropa verzeichnet werden. Die EU, selbsternannte Hüterin des Rechts, leistet sich an ihren Außengrenzen den permanenten Völkerrechtsbruch.
Zitat: "Zurück in Richtung Türkei"
Der völkerrechtswidrige Pushback, über den aktuell "Der Spiegel" berichtet, fand bereits am 10. August statt. Demnach sichteten an jenem Tag Beobachter auf der griechischen Insel Samos gegen sechs Uhr morgens ein Schlauchboot mit rund 40 Personen an Bord, das vom türkischen Festland her auf Samos zusteuerte. Von den griechischen Behörden alarmiert, stoppte nur 15 Minuten später die "Uckermark", ein Schiff der Bundespolizei, das Boot, das sich dem Bericht zufolge bereits eindeutig in griechischen Hoheitsgewässern befand.[1] Als eine halbe Stunde danach ein Schiff der griechischen Küstenwache eintraf, zog die "Uckermark" ab und kehrte in ihren Hafen auf Samos zurück. Als bald darauf das griechische Küstenwachschiff in denselben Hafen einlief, registrierte die Besatzung der "Uckermark", dass es, so teilt die Bundespolizei mit, "weder Migranten an Bord noch ein Migrantenboot im Schlepptau" hatte.[2] Allerdings war zwei Stunden, nachdem die Bundespolizisten den Rückweg angetreten hatten, ein Foto aufgenommen worden, das zeigt, wie die türkische Küstenwache rund 40 Flüchtlinge aus einem Schlauchboot rettete, das zwischen dem türkischen Festland und Samos trieb - jetzt allerdings in türkischen Gewässern. Die griechischen Behörden erklärten den Vorfall in einem Schreiben an die EU-Grenzbehörde Frontex so: "Das Schlauchboot mit Migranten an Bord hat beim Anblick des Schiffes der griechischen Küstenwache den Kurs geändert und ist zurück in Richtung Türkei gefahren."[3]
Von der Bundeswehr dokumentiert
Vorfälle dieser Art sind längst offiziell belegt. So haben Frontex-Beamte in aller Form schriftlich dokumentiert, wie die griechische Küstenwache in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 rund 30 Flüchtlinge auf einem Schlauchboot vor Lesbos aufgriff. Die Flüchtlinge wurden demnach zunächst auf ein Schiff der Küstenwache und von dort - exakt "um 02.37 Uhr", wie es heißt - auf ein Schlauchboot ohne Motor verfrachtet, in dem die griechischen Grenzbeamten sie in türkische Gewässer schleppten. Dort hilflos treibend, wurden sie später von der türkischen Küstenwache gerettet.[4] Die Frontex-Beamten übermittelten ihre Dokumentation des Geschehens der Frontex-Zentrale in Warschau, die auf den offenkundigen Völkerrechtsbruch freilich nicht reagierte. Erst kürzlich konnten Medienrecherchen nachweisen, dass Frontex-Beamte allein seit April 2020 bei mindestens sechs verbotenen Pushbacks unmittelbar in der Nähe waren und mit ihren Schiffen Flüchtlingsboote blockierten oder gar gefährliche Wellen erzeugten, indem sie in rasantem Tempo an den Booten vorbeifuhren.[5] Auf deutscher Seite waren nicht nur Bundespolizisten, die im Rahmen des Frontex-Operation "Poseidon" in der Ägäis kreuzen, in illegale Pushbacks involviert. Mindestens zweimal, am 19. Juni und am 15. August, konnten auch deutsche Soldaten auf dem Einsatzgruppenversorger "Berlin", der sich an dem NATO-Einsatz gegen Flüchtlinge in der Ägäis beteiligt, Pushbacks dokumentieren.[6]
Auf Inseln ausgesetzt
Bei den Vorfällen handelt es sich lediglich um die Spitze eines Eisbergs. So konnten Reporter der New York Times allein für die Zeit von Anfang März bis Mitte August dieses Jahres 31 Pushbacks aus griechischen in türkische Gewässer identifizieren, von denen mindestens 1.072 Flüchtlinge betroffen waren.[7] Nichtregierungsorganisationen (NGO), die nicht nur punktuell recherchieren, sondern die Entwicklung in der Region kontinuierlich vor Ort beobachten, gehen sogar von noch erheblich höheren Zahlen aus. So kommt die Organisation Mare Liberum, die die Lage an den griechischen Außengrenzen schon seit Jahren analysiert, zu dem Ergebnis, dort seien von März bis Mitte August mindestens 150 Pushbacks an insgesamt rund 5.000 Menschen verübt worden; dabei seien Flüchtlinge zuweilen hilflos auf türkischen Inseln wie Başak, Boğaz und Bayrak ausgesetzt worden.[8] Zugleich habe "nicht nur die Zahl der Pushbacks ... seit März enorm zugenommen", sondern auch "die Gewalt, die die Beamten der Küstenwache gegen Asylsuchende einsetzen", urteilte eine Sprecherin von Mare Liberum im August. Anfang November konnte die Organisation binnen zehn Tagen zwölf Pushbacks dokumentieren, von denen rund 370 Flüchtlinge betroffen waren.[9] Mehrere von ihnen wurden demnach im Niemandsland auf einer kleinen Insel mitten im Grenzfluss Evros ausgesetzt.
In den Grenzfluss geworfen
Wenngleich die Pushbacks in der Ägäis in den vergangenen Monaten mutmaßlich zugenommen haben, so gehören sie doch schon seit Jahren zum Alltag an den Außengrenzen der EU. So hat die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl schon im Jahr 2014 einen detaillierten Bericht über Pushbacks nicht nur an der See-, sondern auch an der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei publiziert. Demnach führten griechische Beamte schon damals "systematisch völkerrechtswidrige Zurückweisungen in die Türkei" durch; Pro Asyl schätzte die Zahl der betroffenen Flüchtlinge in den konkret untersuchten Vorfällen "auf 2.000".[10] Dabei hätten die meisten Flüchtlinge angegeben, sie seien von den Grenzschützern misshandelt und teilweise sogar beraubt worden. In einigen Fällen ging Pro Asyl aufgrund der Schwere der Misshandlungen sogar von Folter aus. An der Landgrenze etwa seien Flüchtlinge zuweilen "in den Grenzfluss Evros geworfen" worden, während sie an der Seegrenze in vielen Fällen "in seeuntauglichen Booten auf dem Meer treibend zurückgelassen" worden seien - eine Praxis, die bis heute anhält. Dabei wies Pro Asyl schon 2014 explizit darauf hin, "mit wenigen Ausnahmen" hätten alle "dokumentierten Völkerrechtsbrüche ... im Operationsgebiet von Frontex statt[gefunden]". An den Frontex-Operationen beteiligten sich regelmäßig auch Polizisten aus der Bundesrepublik.
Pushbacks in Folterlager
Zahlreiche Pushbacks sind zudem an den EU-Außengrenzen in Nordafrika und in Südosteuropa dokumentiert; so konnte etwa das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) Pushbacks an den Grenzen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla nach Marokko nachweisen, während die NGO Border Violence Monitoring Network - abgesehen von Pushbacks aus Ungarn nach Serbien - mindestens 311 Pushbacks aus Kroatien nach Bosnien-Herzegowina belegen konnte.[11] Schwer wiegen darüber hinaus die Pushbacks aus italienischen und maltesischen Gewässern nach Libyen, wo Flüchtlingen die Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen inklusive Folter droht.[12] So wurden am 15. April 51 Flüchtlinge, deren Boot Maltas Seenotrettungszone erreicht hatte, im Auftrag der maltesischen Regierung zurück nach Libyen verschleppt.[13] Die EU und ihre Mitgliedstaaten setzen zudem alles daran, mit ihren im Mittelmeer operierenden Schiffen und Flugzeugen Flüchtlingsboote aufzuspüren sowie die libysche Küstenwache zu ihnen zu lotsen. Damit organisierten sie faktisch Pushbacks in die libyschen Lager, hieß es bereits im Juni in einem Bericht mehrerer Organisationen, die seit geraumer Zeit in der Flüchtlingshilfe im Mittelmeer tätig sind.[14]
Die Fluchtverursacher
Mit den zahllosen illegalen Pushbacks an ihren Außengrenzen leistet sich die EU, die sich gern als Hüterin des Rechts inszeniert, nichts Geringeres als den permanenten Völkerrechtsbruch - dies zu Lasten insbesondere von Menschen, die von den Kriegsschauplätzen europäischer Staaten fliehen; german-foreign-policy.com berichtete.[15]
Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8456