Museum für den Holocaust-Täter Schuchewytsch in Lemberg soll wiederaufgebaut werden
overton-magazin.de, 5. Januar 2024 Richard Kallok 15 Kommentare
Das zerstörte Museum. Bild: Максим Козицкий/Facebook
Eine russische Rakete hatte das symbolträchtige Museumsgebäude in der Sylvester-Nacht zerstört. Was in der Ukraine und in Polen ein heftiges Medienecho hervorrief, wurde in Deutschland übergangen.
Der Bürgermeister von Lemberg (ukrainisch: Lviv), Andrij Sadowy, zeigte sich über den Angriff auf das Museum empört. Die Bombardierung sei ein „Krieg gegen unsere Geschichte“, so Sadowy. Inzwischen hat der ukrainische Ex-Präsident Poroschenko erklärt, dass seine Familienstiftung für den Wiederaufbau des Museums sorgen werde. Dass er sich in dieser Sache besonders engagiert, ist kein Zufall. Poroschenkos Partei „Europäische Solidarität“ war bereits vor 1922 zum Sammelbecken von radikalen Nationalisten geworden.
Schuchewytsch ist in der heutigen Ukraine allerdings auch ohne Poroschenkos Mitwirkung nach Stepan Bandera zum Nationalheld Nr. 2 aufgestiegen. Zahlreiche Denkmäler und große Straßen, letztens sogar in Kiew und der östlichen Ukraine, wurden ihm gewidmet. Dass Schuchewytsch der ukrainische Holocaust-Täter Nr. 1 ist, stört dabei nicht.
Ab 1940 war Schuchewytsch an der Aufstellung des ukrainischen Bataillons „Nachtigall“ beteiligt, einer Formation des Geheimdienstes der Wehrmacht, der „Abwehr“. Schuchewytsch wurde unter dem Kommando eines deutschen Oberleutnants stellvertretender Befehlshaber. Die Aufgabe von „Nachtigall“ waren „Ordnungs- und Sicherungsaufgaben“ hinter der Front. In deren Rahmen war „Nachtigall“ nachweislich sowohl am Judenmassaker in Lemberg (Lviv) als auch an Massenerschießungen von Juden im Raum Winnica beteiligt.
Roman Schuchewitsch (zweiter von links sitzend) unter den höheren Offizieren der Legion „Nachtigall“. Bild: pravda.com.ua
Nach der nicht erwünschten Ausrufung der ukrainischen Unabhängigkeit löste die „Abwehr“ das Bataillon bereits Ende Juli 1941 wieder auf. Die meisten Bataillons-Angehörigen mit Schuchewytsch an der Spitze unterschrieben jedoch noch 1941 neue Ein-Jahres-Verträge und bildeten fortan das Schutzmannschafts-Bataillons 201. Es war Teil der maßgeblich am Holocaust beteiligten Ordnungspolizei unter dem Kommando von SS-Obergruppenführer Erich von dem Bach-Zelewski. Schuchewytsch selbst wurde stellvertretender Kommandeur und Kompaniechef. Dem Schutzmannschafts-Bataillon war offiziell die „Partisanenbekämpfung“ in Weißrussland auferlegt.
Aus Berichten Erich von dem Bach-Zelewskis an den Reichsführer SS ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Zahl der eliminierten Juden die der Partisanen deutlich überstieg. Auch der intensiv mit der ukrainischen Kollaboration beschäftigte schwedische Historiker Anders Rudling kommt zu dem Schluss, dass 201 de facto mit Ausrottungs-Kampagnen beschäftigt war. Dazu muss man wissen, dass fast alle Juden in dem bis 1941 sowjetisch kontrollierten Gebiet nicht in den Vernichtungslagern, sondern mittels Massenerschießungen in Wäldern und am Rande der Ortschaften ermordet wurden und dabei ukrainische Hilfswillige eine maßgebliche Rolle spielten. Nachdem für viele Regionen „judenfrei“ gemeldet werden konnte und sich nach Stalingrad eine Kriegswende abzeichnete, gründete Schuchewytsch mit der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) eine bewaffnete Formation ohne deutsches Oberkommando, die 1943/44 in Wolhynien und Ost-Galizien ca. 80.000 polnische Dorfbewohner ermordete.
Die faschistische Vergangenheit des ukrainischen Nationalismus und die bedeutsame Beteiligung von Ukrainern am Holocaust wurde nach 1945 im aufkommenden Kalten Krieg, speziell jedoch in Deutschland, vielfach verschwiegen, verzerrt und relativiert. Zehntausende ukrainische Kombattanten hatten sich mit der Wehrmacht nach Westen abgesetzt und wurden im Kalten Krieg dort zu Propaganda-Helfern westlicher Regierungen.
Während in der sowjetisch gewordenen West-Ukraine noch bis in die 50er Jahre ukrainische Insurgenten in Kämpfe verwickelt waren, bei denen Schuchewytsch 1950 auch zu Tode kam, hatte Faschistenführer Bandera nach dem Krieg in München Quartier bezogen. Sein Kooperationspartner aus der Zeit des Bataillons „Nachtigall“, der ehemalige Ostbeauftragte der „Abwehr“, Theodor Oberländer, war zwischenzeitlich zum Bundesminister für Vertriebene aufgestiegen. Gegen Erich von dem Bach Zelewski wurde niemals wegen der Verwicklung in Holocaust-Verbrechen Anklage erhoben, offenbar auch, weil es im Prozess gegen ihn unweigerlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Rolle ukrainischer Nationalisten beim Holocaust gekommen wäre.
Bis heute ist man in Deutschland den radikalen ukrainischen Nationalisten ausgesprochen gewogen. Bei wikipedia.de wird – für einen Holocaust-Täter recht ungewöhnlich – in Bezug auf Schuchewytsch behauptet, „seine Rolle sei … sehr umstritten“. Und man liefert eine rührende Geschichte über Schuchewytsch: Unter Bezugnahme auf eine dubiose ukrainische Quelle wird behauptet, Schuchewytsch habe „ein jüdisches Mädchen vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten gerettet“. In den weit längeren Artikeln über Schuchewytsch im englisch-sprachigen und im polnischen Wikipedia fehlt diese Passage.
Als die west-ukrainische Großstadt Ternopil ihr Fußballstadion nach Roman Schuchewytsch benannte, erklärten die polnischen Städte Nysa. Tarnow und Zamosc die Partnerschaft mit der Stadt für beendet. Die deutschen Städte Iserlohn und Erftstadt gingen jedoch neue Partnerschaften mit Ternopil ein (Bandera: Deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften vor Stresstest?). In Erftstadt hatte die Bürgermeisterin nach einem Antrag linker Stadträte ihren Amtskollegen in Ternopil immerhin um eine Stellungnahme gebeten. Dieser lobte in seiner Antwort Schuchewytsch als „ukrainischen George Washington“, dessen Zusammenarbeit mit den Deutschen während Wk 2 erzwungen worden sei. Für SPD, CDU und Grüne war danach klar, dass an der Partnerschaft mit Ternopil festgehalten wird. In den deutschen Partnerstädten von Lemberg, Freiburg und Würzburg, ist die vielfältige offizielle Verehrung von Schuchewytsch, nie öffentliches Thema gewesen.
In Kiew haben gleich 5 deutsche Parteistiftungen ein eigenes Büro. Laut dem, was ihre Websites offenbaren, haben sie sich in Veröffentlichungen und Veranstaltungen vor Ort mit allen möglichen Themen befasst, mit der Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts aber nicht. Kennzeichnend für den relativierenden Umgang mit der faschistischen Geschichte des ukrainischen Nationalismus ist ein Artikel des ukrainischen Historikers Masliychuk auf der Seite der Böll-Stiftung in Deutschland. Er sieht die „Faschismus-N ä h e“ des ukrainischen Nationalismus als „einen zwangsläufigen Umstand“ der damaligen Zeit. „Der steigende Einfluss der nationalistischen Rhetorik“, schrieb er schon 2014, sei „unter Kriegsbedingungen unausweichlich“.
So wird zerredet, was eigentlich klarer Worte bedarf: Die Heroisierung von Faschistenführern und Kriegsverbrechern in der Ukraine muss ein Ende finden, der Verzicht auf den Wiederaufbau des Schuchewytsch-Museums könnte ein erster Schritt sein.
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Schlagwörter: Bandera, Faschismus, Holocaust, Schuchewytsch, ukrainischer Nationalismus
15 Kommentare
Da könnte man dasselbe über Kroatien schreiben. Franjo Tudman war an der Zerschlagung Jugoslawiens maßgeblich beteiligt und man konnte ihn zumindest grob der Ustascha zuordnen. Die Ustascha ist vergleichbar mit der OUN, aggressiver Rassismus mit genozidaler Absicht. Interessant, dass dies in Staaten mit kurzer oder unterbrochener Geschichte der Fall war. Die Ukraine gab es erst kurz, Kroatien nur manchmal. Der Rassismus sollte zur Schaffung einer Identität dienen. Auch mit Tudjman verstanden sich die Deutschen bestens, damals noch über CDU und FDP, Grüne noch nicht. Man muss allerdings sagen, dass Kroatien mit der Tudjman-Zeit ziemlich eindeutig abgerechnet hat, was dieser nicht mehr mitbekam. er starb 1999. Könnte in der Ukraine auch der Fall sein.
Reiner Quatsch, dass die Ukrainer zur Kooperation mit den Deutschen gezwungen wurden. An der Ausrottung der Polen hatten diese nicht das geringste Interesse. „Volk verstehe: Moskowiter, Polen, Ungarn und Juden sind Deine Feinde. Vernichte sie!“ schrieb Bandera in einem Flugblatt. Das sei nicht gemeint, sagen die, die dem Bandera-Kult huldigen. Aber was dann? Außer diesem aggressiven Rassismus hat Bandera nichts zu bieten. Genau dieser ist gemeint. Andrej Melnik hat sich geweigert, sich von Bandera zu distanzieren, nachdem dies zitiert wurde. Eine Distanzierung nämlich hätte ihn die Karriere gekostet. Teilnahme am Bandera-Kult ist verpflichtend, wenn man in der Ukraine etwas werden will.
Interessant ist die Reihenfolge: die Juden kommen erst an vierter Stelle, an erster stehen die Moskowiter, also die ethnischen Russen. Auf der Krim wussten sie sofort, was das bedeutet und stimmten mit 96 Prozent für einen Anschluss an Russland. Nicht, weil sie Putin so knuffig fanden, sondern weil sie das einordnen konnten, was da in Kiew geschah. Äußerst richtig, wie man inzwischen sieht.Im Rest der Ukraine kam dann nach dem Putsch ebenfalls die große Ernüchterung. Hier die Wahlergebnisse der faschistischen Swoboda:
https://de.wikipedia.org/wiki/Allukrainische_Vereinigung_%E2%80%9ESwoboda%E2%80%9C#WahlergebnisseInzwischen bekommen die faschistischen Parteien zusammen nur knapp über 2 Prozent (Vorkriegswert). Die Ukrainer wollen diesen Faschismus nicht. Dem wird nun überall im Land begegnet, indem man Straßen und Plätze nach Schuchkewitsch und Bandera benennt. Das wollen eben diese zwei Prozent, 98 Prozent wollen es nicht. Aber die mit den zwei Prozent haben das Gewaltmonopol. Muss man wissen, sonst versteht man sie Ukraine nicht.
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Der ebenso gegen- wie widerwärtigen Tendenz, ein bisschen den inneren Nazi wieder wachzuküssen, könnte man s ja – auch aus „unverbrüchlicher Solidarität“ mit der Ukraine, den Obersalzberg wieder mit artgerecht neuem Leben erfüllen: Berchtesgaden lädt am 20. April zu einem feierlichen Geburtstagsfest für den „Führer“ ein, für die Jüngsten, wird ein „Jugendlager“ errichtet. Pistorius versucht dann der begeisterten Menge, den Dienst an der Waffe schmackhaft zu machen und auf einer „Video-Wall“, kann sich das frenetische Publikum „Wochenschauen“ der 40er-Jahre über die Heldentaten an der Ostfront gönnen.
Es ist alles so IRRE, das jede perverse Fantasie – heute in traurige Realität umgesetzt werden kann.
Nun,bevor der Poroschenko das Museum wieder aufgebaut hat,bricht das ukr.Regime zusammen.Und zur Not liegt in irgendeinem russischen Depot sicher noch eine vergessene Rakete rum…auch wenn der russischen Armee mehrmals die Raketen ausgegangen sind,wie die Wahrheitsmedien regelmäßig verkünden…
Was ist das für eine url, unter der der Autor eine Homepage betreiben soll? Wenn ich die aufrufe, öffnet sich so ein schmieriger Werbetext für Online -Casinos.
Vielleicht, dass ihr das mal überprüft? Ich glaube, es ist nicht gut, da zu landen. Wollte mir das mal anschauen, weil ich an sachlichen Informationen zu Polen immer interessiert bin und nicht den Eindruck habe, dass es davon reichlich gibt.
Dass „der Westen “ keine Probleme mit Faschisten hat, wenn er sie auf Linie bringen kam, ist keine große Überraschung. Wenngleich ich dem geschätzten Autoren in einem Punkt wiedersprechen würde. Das Bekenntnis der Ukraine zu seinen Hardcore – Nazis als Vorläufer ist nichts, wovon sie sich – sozusagen als Aufgabe für kritische Historiker – mal eben abgrenzen sollten und könnten. It’s a feature not a bug. Sie können sich nicht von sich selbst distanzieren und werden es auch nicht tun. Eher organisiert Höcke in Berlin Menschenketten vor dem Thälmann-Denkmal , um es vor dem Abriss zu schützen.
Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob die Ukrazis im Westen des Landes tatsächlich die Mehrheit haben bzw hatten. Davon, dass sie die Hegemonie haben, konnte ich nich selbst überzeugen und niemand kann mir jemals mehr etwas anderes erzählen. Und bevor die sich davon lossagen, baut Deutschland in Halle ein Heydrich -Denkmal.
Ach so, falls die Russen mal eine Rakete überzähligen haben, die sowieso weg muss, könnten sie sich um das Bandera – Denkmal in Lwow kümmern. Ist ziemlich groß und sollte zu treffen sein.
Überhaupt wurden die Angriffe durch die Russen übergangen. Nicht nur wegen einem fragwürdigen Museum, sondern vielmehr auch die ganzen toten an militärischen Berater der NATO. Die ja offiziell nie dort sind.
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„Eine russische Rakete hatte das symbolträchtige Museumsgebäude in der Sylvester-Nacht zerstört. Was in der Ukraine und in Polen ein heftiges Medienecho hervorrief, wurde in Deutschland übergangen.“
Ja, was zum Teufel verlangt man denn von unseren „Wahrheitsmedien“? Ihre Wahrheit – also die der Wahrheitsmedien – ist ja, dass die braune Gegenwart der Ukraine russische Propaganda sei. Da möchte man doch nicht dabei mitmachen, die wunderbare „Geschichte der Ukraine“, auf die sie so stolz sind, in den Dreck zu treten. Wie soll man da ein Wort drüber verlieren, ohne dumm da zu stehen? Da könnte man ja gleich öffentlich die Hose runterlassen. Schwamm drüber, muss die alternative Devise sein!
Ich finde, die EU sollte „Poroschenkos Partei „Europäische Solidarität““, die wahrscheinlich „proeuropäisch“ genannt wird, finanziell unterstützen und in gelebter Solidarität den Wiederaufbau dieses wundervolle Museum aus ihrem Kulturhaushalt finanzieren.
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Eine saubere Arbeit von der Rakete, alles in handliche Teile zerlegt.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.