aus e-mail von Felix Weiland, 7. Juli 2024, 8:10 Uhr
Gerhard Hanloser kennt beide - sowohl die Querdenker als auch die
Antideutschen.
Preisfrage: Beschreibt das folgende Resümee eher die Antideutschen oder
die Querdenker-Szene?
"Mit Blick auf die Wahlabsichten lässt sich sagen, dass es sich um eine
Bewegung handelt, die eher von links kommt, aber stärker nach rechts
geht. Diese Analyse würden Menschen, die sich als Querdenker:innen
verstehen, vermutlich ablehnen, da mehr als die Hälfte von ihnen sich
gegen ihre Einteilung in eine links/rechts-Schematik positioniert." (*)
Die (alte) Friedensbewegung ist diesem "eher von links kommenden" Teil
des politischen Spektrums gegenüber kommunikationsunfähig oder
beschimpft es sogar als inkontinent.
Diese Spaltung der Friedensbewegung geht von den Antideutschen aus.
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Probleme der Friedensbewegung heute
Fünf Thesen für ihre Revitalisierung
Von Gerhard Hanloser
(Dokumentation der Thesen, die der Autor zur Fragestellung
»Friedensarbeit unter Druck von rechtsaußen« auf der Landeskonferenz der
Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
(DFG-VK) am 27. April in Duisburg vorgetragen hat.)
1. Die Friedensbewegung in der Form der 80er Jahre ist definitiv
Geschichte. Ein relevanter Teil des politischen und kulturellen Milieus,
das sich der Friedensbewegung zurechnete, ist Teil des neoliberalen
Techkapitalismus (Rául Sánchez Cedillo) geworden wie die Grünen oder
wichtige Fraktionen innerhalb der SPD. Die Kirchen sind kaum noch von
einem aktivistischen Pazifismus bestimmt. Das war in den 80er Jahren
anders. Konservative Einzelstimmen konnten sich immer am Rand der
Friedensbewegung artikulieren wie etwa Alfred Mechtersheimer. Einzelne
nationalrevolutionäre Grüppchen wollten in der Friedensbewegung, die
gegen den NATO-Doppelbeschluss mobil machte, in der Traditionslinie von
konservativ-revolutionären Strömungen der Zwischenkriegszeit, eine
antiwestliche ultranationalistische Position einbringen und für diese
werben. Sie konnten nie eine relevante Rolle spielen. Insgesamt war die
Friedensbewegung klar dem (bürgerlich-)linken politischen Spektrum
zuzuordnen oder zumindest war sie davon geprägt.
Traditionskommunistische Kräfte spielten darin immer eine große und
nicht zu unterschätzende Rolle. Mit der Zunahme multipler Krise hat sich
nun auch ein multiples, oft widersprüchliches Friedenslager
herausgebildet. Es folgt nicht mehr den klassischen Zuordnungen von
links und rechts.
2. Die alte Friedensbewegung oder gar antimilitaristische Stimmen (die,
beispielsweise graswurzelanarchistische, immer eine Minderheit innerhalb
der sehr breiten Friedensbewegung waren) sind marginalisiert. Die
widersprüchliche »neue Friedensbewegung« entstammt der neuen
Protestbewegung, die sich im Zuge der Coronamaßnahmen artikulierte und
deren aktivistische Kerne bereits die »Mahnwachen«-Bewegung 2015
bildeten. Diese Protestbewegung ist schwer zu fassen. Es wäre verkürzt
und falsch, sie unisono der AfD oder anderen rechten bis rechtsradikalen
Gruppen und Parteien zuzuschlagen. Der Regierungspolitik und
hegemonialen Medien begegnen viele Protagonisten dieser »neuen
Friedensbewegung« mit einer fundamentalen Kritik und Ablehnung. In ihr
gibt es wissenschaftsfeindliche esoterische Stimmen wie auch
wissenschaftsaffine und bildungshungrige Personen. Sie präsentieren sich
zuweilen als »jenseits von links und rechts« und pflegen eine Offenheit,
die auch rechte bis rechtsradikale Kräfte unter sich duldet. Dies war
bereits während der Coronamaßnahmenbewegungen zu beobachten, die sich
auch an reichskriegsflaggenschwingenden »Reichsbürgern« nicht stießen.
Geschärftes Krisenbewusstsein (für staatliche Kontrolle beispielsweise
oder auch die Kriegsgefahr) wie offensichtliche Krisenleugnung (z. T. in
Hinblick auf die Klimakrise oder die populistische bzw. neofaschistische
Gefahr) gehen bei diesen »neuen Friedensfreunden« Hand in Hand. In ihr
finden sich sämtliche Probleme wie Chancen des aktuellen Kapitalismus
gespiegelt: alternative Informationsbeschaffung via Social Media, sozial
prekärere Zusammensetzung als die alte, doch recht bürgerlich-gediegene
Friedensbewegung der 80er. Auch dies könnte eine Chance darstellen,
schließlich müssen die soziale Frage und die Friedensfrage zusammen
gedacht werden. Einige inhaltliche Probleme teilt die »neue
Friedensbewegung« mit traditionskommunistischen Teilen der alten
Friedensbewegung, beispielsweise die Unfähigkeit oder den Unwillen,
reaktionäre Regime und Regierungen bzw. globale gesellschaftliche
Strömungen auch als solche zu benennen, sofern sie nicht mit den USA
verbündet sind: seien es Russland, der Iran oder islamistische
Bewegungen. Aufgrund eines fehlenden materialistischen Analyserahmens
der globalen Verhältnisse tendieren einige wesentliche Teile der »neuen
Friedensbewegung« zu verschwörungsmythologischen
Komplexitätsreduktionen. Eine klare Zuweisung dieser »neuen
Friedensbewegung« und ihrer Akteure nach rechts, würde dem Phänomen wie
auch den engagierten Personen dennoch nicht gerecht.
3. Die alte Friedensbewegung befindet sich nun in einem Konflikt. Wie
soll sie sich zu dieser Kraft stellen, die – gestärkt durch ihre
Straßenpräsenz während der Coronakrise – an manchen Orten der
Bundesrepublik Deutschland schon dabei ist, organisatorisch wie
personell die alten Friedensbewegungsstrukturen zu überflügeln? Die alte
Friedensbewegung der 80er nahm die Kriegsgefahr im Kalten Krieg so
ernst, dass sie auf Quantität, also Masse abzielte, sie trat mit
expliziter Offenheit gegenüber allen politischen Kräften in der BRD auf.
Dadurch war die Friedensbewegung zwar nie eine homogen linke Bewegung,
aber eine relevante und sichtbare Kraft in der alten BRD des Kalten
Kriegs. Wollte man sich in diese Tradition stellen, so wären die Reste
der alten Friedensbewegung aufgerufen, alle Menschen mit echtem
Friedenswillen zu sammeln und Berührungsängste abzulegen (das schlösse
die Militaristen der AfD freilich aus!). Nun gibt es allerdings unter
Antikriegsaktiven und AntifaschistInnen eine Spaltung. Eine relevante
und eher an der Spitze von linken Großorganisationen wie der VVN-BdA
angesiedelte Strömung sieht die faschistische Gefahr als weit größer
oder zumindest der Kriegsgefahr ebenbürtig an. Man setzt hier auf breite
Bündnisse von links bis hin zu bürgerlichen Kräften. Sie drängt darauf,
die eigenen Aktivitäten »linksgeschlossen« zu halten, und attackiert
andere Versuche als »rechtsoffen«.
4. Der Autor dieser Zeilen geht von der Analyse aus, dass die
Kriegsgefahr die weit drängendere ist. Die auf Rüstung und Krieg
setzenden liberal-autoritären Kräfte von Grünen, FDP bis CDU sind
führend. Ihnen sekundiert eine unter neoliberalem Spardruck stehende
öffentlich-rechtliche Medienlandschaft, in der viele konformistische
Medienschaffende arbeitende. Im Vergleich zu den 80er Jahren ist es für
Friedensstimmen wesentlich schwieriger, gehört und gesendet zu werden,
sie stehen gegen die »Kriegstüchtigkeit«, an der auch die großen Medien
mitzuarbeiten scheinen. Auch wenn es künftig zu rechtsliberalen bis
rechtsradikalen Bündnissen oder gar Koalitionen kommen sollte (CDU, FDP
und AfD sind sich inhaltlich vor allem in ihrer gegen die arbeitende
Klasse gerichtete Politik einig, was in Hinblick auf außenpolitische
Fragen – noch – nicht der Fall ist), so wird eine antimilitaristische
Bewegung, die ein neuerliches »Kanonen statt Butter« sabotiert, von
entscheidender Bedeutung sein. Die Anti-AfD-Proteste dagegen haben
sicherlich beachtliche Teile der Zivilgesellschaft mobilisiert, bleiben
aber inhaltlich vollkommen unbestimmt. Erst über eine
friedenkonstituierende wie kriegächtende sowie soziale Fragen
aufwerfende Bewegung kann auch der Antifaschismus einen sozialen Gehalt
bekommen oder wiedererlangen, den er längst verloren hat. In gleicher
Art muss die Friedensbewegung zu einem kritischeren Inhalt kommen.
5. Bündnisse sollten mit Kräften geschlossen werden, die tatsächlich für
eine friedvolle, sozial gleiche und internationalistisch gerechte Welt
streiten. Der Weg dorthin sollte durch klare Analysen und rationale
Theorien geebnet werden. Die Friedensbewegung ist aufgerufen – in
Redebeiträgen und Aufrufen zu ihren Aktivitäten –, die
kapitalismustheoretischen und imperialismuskritischen Grundlagen ihrer
Praxis zu festigen. Natürlich schließt dies ein organisatorisches
Bündnis und eine Zusammenarbeit mit Verschwörungsmythologen wie
beispielsweise der Kölner Arbeiterfotografie oder mit den esoterischen
Kräften der Partei »Die Basis« aus. Sie sollten keine Rede- und
Organisationsmacht bekommen. Allerdings muss die Friedensbewegung daran
arbeiten, dass sie solche Personenkreise auf Demonstrationen zu dulden
versteht, mit ihnen ins Gespräch kommt, sie freundlich, aber mit
bestimmten und guten Argumenten, in ihre Grenzen weist. Eine Anwesenheit
von Nazis sollte als Versammlungsleitung immer unterbunden werden. Den
sowohl von außerinstitutionellen, vormals »antideutsch« genannten
Gruppen wie von manchen herrschenden Medien und Politikern kommenden
Vorhaltungen, man wäre »rechtsoffen«, man solle sich noch mehr
distanzieren oder gar den Kreis der geduldeten
DemonstrationsteilnehmerInnen noch enger ziehen, sollte souverän
begegnet werden. Auch der »Querfront«-Begriff wird derzeit viel zu
beliebig und unbestimmt verwendet, als dass er analytische und
handlungsanleitende Kraft hätte. Das aus welchen Gründen auch immer
motivierte Geschäft dieser »Kritiker« der Friedensbewegung ist das der
Denunziation von Friedenspolitik in der »Zeitenwende«.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.