26.10.2023

Transformation  Industriepolitik in der Dekarbonisierung

makronom.de, vom 25. Oktober 2023, HUBERTUS BAERDT, Energie & Umwelt

Verschiedene politisch ausgelöste Entwicklungen begründen eine erweiterte industriepolitische Rolle des Staates – deren zeitlicher und inhaltlicher Rahmen aber genau beschrieben werden sollte. Ein Beitrag von Hubertus Bardt.


Bild: Ant Rozetsky via Unsplash


Auch jenseits der gegenwärtigen Krisen ist klar, dass der Staat der Wirtschaft bei der Transformation helfen muss – eine Möglichkeit dafür ist die Industriepolitik. In einer neuen Makronom-Serie erörtern wir deren Vor- und Nachteile. Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie hier.

Die industriepolitische Diskussion kannte in Deutschland traditionell zwei Pole: horizontale und vertikale Industriepolitik.


Die horizontalen Ansätze umfassen Maßnahmen, die für die Industrie- oder Wirtschaft als Ganzes gute Investitionsbedingungen schaffen und nicht zwischen Unternehmen verschiedener Branchen oder dergleichen differenzieren. Diese Standortpolitik umfasst beispielsweise das Ausmaß der Steuerbelastung, die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften, eine effiziente Bürokratie, Rechtssicherheit, gute Infrastruktur und anderes mehr. Sie soll den Wettbewerb zwischen den Unternehmen und Branchen nicht verzerren, aber die Wachstumschancen insgesamt erhöhen. Die staatliche Rolle bleibt damit neutral und auf die Setzung der allgemeinen Rahmenbedingungen beschränkt.


Dem gegenüber stehen vertikale Ansätze, die die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Branchen oder Einzelunternehmen stärken sollen. Auch spezifische Regulierungen oder steuerrechtliche Regelungen gehören dazu. Die Auslobung gezielter Subventionen, politische Maßnahmen zur Bildung von nationalen oder europäischen „Champions“ durch Fusion oder die Schaffung von Zollschranken zum gezielten Schutz zählen zu den interventionistischeren Instrumenten einer vertikalen Industriepolitik. Ihnen gemein ist eine aktivere staatliche Rolle als Gestalter der Industriestruktur.


Allgemeine Maßnahmen besser als selektive Interventionen

Die Beschränkung der staatlichen Rolle auf den Gestalter allgemeiner Rahmenbedingungen, also auf eine horizontale Industrie- oder Standortpolitik, bei gleichzeitiger Beschränkung der vertikalen Wirkungen auf das nötigste entsprich der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft. Speziell besonders interventionistische Instrumente waren eher als Ausnahme zu betrachtet und wurden kritisch bewertet. Der chinesische Staatskapitalismus hingegen kann als extreme Ausprägung einer interventionistischen Industriepolitik angesehen werden, aber auch in Frankreich gibt es eine stärkere Tradition staatlicher Steuerung. Oftmals wird der Begriff der Industriepolitik ausschließlich auf die mit ausgeprägter Intervention in Märkte verbundenen vertikalen Instrument bezogen (Bulfone, 2023). Mit Blick auf die industriepolitischen Ansätze der USA wird die Förderung von Forschung und Entwicklung als erfolgreicher angesehen als die Unterstützung einzelner Unternehmen oder der Schutz gegen Importe (Hufbauer/Jung, 2021). Auch eine Analyse der OECD kommt zu dem Schluss, dass allgemeine, nicht zielspezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen effektiver sind als selektive Interventionen (Criscuolo et al., 2022).

Auch unter veränderten politischen Rahmenbedingungen bleibt eine investitionsfördernde Standortqualität die Basis einer wettbewerbsbasierten wirtschaftlichen Dynamik. Die Transformationsherausforderungen erfordern gute Standort- und attraktive Investitionsbedingungen. Nur eine sich dynamisch entwickelnde Wirtschaft hat die Veränderungsfähigkeit und insbesondere Investitions- und Innovationsperformance, die für die Anpassung an sich stark verändernde Umweltbedingungen notwendig sind. Die Dekarbonisierung erfordert erhebliche Investitionen, die nur bei adäquaten Standortbedingungen möglich sind. Die staatliche Förderung erfordert eine dynamisch wachsende Wirtschaft auch in den nicht unmittelbar von der Transformation betroffenen Branchen, um die nötigen fiskalischen Impulse setzen zu können. Und im Systemkonflikt der marktwirtschaftlichen Demokratien ist eine prosperierende Wirtschaft Voraussetzung dafür, das Wohlstandsversprechen der Marktwirtschaft einzulösen – besser als der chinesische Staatskapitalismus.


Industrielle Standortqualität

Die Attraktivität eines Standorts für Investitionen hängt von vielfältigen Faktoren ab. Der IW-Standortindex misst die industrielle Standortqualität in 45 Ländern auf Basis einer Reihe von Variablen in den Kategorien Staat, Wissen, Infrastruktur, Markt, Ressourcen und Kosten (Institut der deutschen Wirtschaft, 2013). Aufgrund der an das Verarbeitende Gewerbe angepasste Entwicklung werden Faktoren berücksichtigt, die für die Industrie in Deutschland insgesamt relevant sind. Dabei erlaubt der Datenstand 2021 (bei einigen Indikatoren auch früher) keine Berücksichtigung des Energiekostenschocks von 2022. Dieser hat insbesondere für die energieintensiven Industrien zu einer massiven Verschlechterung der Standortbedingungen in Deutschland geführt.

Industrielle Standortqualität in Deutschland (IW-Standortindex)

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Nach Teilkategorien, Rangplätze 2016 und 2021. Quelle: eigene Berechnungen


Der Blick auf die Teilindizes macht das Profil der deutschen Standortqualität deutlich. Zu den Stärken gehören der staatliche Ordnungsrahmen und die Wissensbasis für die Industrie, die im internationalen Vergleich gute Infrastruktur sowie der erreichbare Markt. Die Ressourcenausstattung ist hingegen nur im internationalen Mittelfeld angesiedelt. Auf der Gegenseite stehen die Kostendimensionen wie insbesondere Arbeits- und Energiekosten sowie Steuerbelastungen. Hier liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz.


In dem kurzen Zeitraum zwischen 2016 und 2021 hat sich die Standortqualität im Vergleich zu den Wettbewerbsländern in fast allen Kategorien zum Teil deutlich verschlechtert (die Verbesserung in der Kategorie Wissen ist im Wesentlichen ein statistisches Artefakt aufgrund nicht mehr verfügbarer Einzelindikatoren, im letzten vollständigen Jahr 2020 lag Deutschland hier auf einem ebenfalls verschlechterten Rangplatz 9). Insbesondere die Kostendimension ist noch einmal deutlich schlechter geworden.


Industriepolitisch bedrohlich ist, dass sich die ausgesprochene Standortschwäche zuletzt deutlich verschärft hat, während die bisherigen Stärken erodieren. Die Stärke der gut ausgebildeten Mitarbeiter wird angesichts der Fachkräftelücke zweifelhaft, die Infrastrukturmängel treten deutlich zutage und die Regulierungsqualität leidet unter enger Regulierung und schwacher staatlicher Verwaltung. Auf der Gegenseite sind die Lohnstückkosten weiter angestiegen, die Steuerlast ist relativ zu anderen Ländern höher geworden, während bei den Sozialabgaben Kostenanstiege drohen – und der hohe Anstieg der Energiekosten, der insbesondere im Vergleich zu den USA erhebliche Wettbewerbsnachteile mit sich gebracht hat, war für die energieverbrauchenden Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Belastung.


Erweiterte staatliche Rolle erforderlich!

Aktuelle und für die nächsten Jahre und Jahrzehnte prägende, politisch ausgelöste Entwicklungen, die zu erheblichen Strukturveränderungen führen können (Bardt, 2019; Bardt/Lichtblau, 2020), begründen eine erweiterte Rolle des Staates. Mit der Dekarbonisierung auf Termin wird ein bestimmtes Marktergebnis, nämlich der Verzicht auf fossile Energiequellen, bis 2045 vorgegeben. Das politisch gesetzte Ziel kann industrielle Produktion in erheblichem Umfang gefährden. Die uneinheitliche internationale Bepreisung von Emissionen verteuert emissionsintensive und energieintensive Produktion in den ambitionierteren Ländern und gibt einen Anreiz zur Verlagerung dahin, wo die entsprechenden Kosten niedriger sind. Die Preisasymmetrien und die unterschiedlichen Anspruchsniveaus sind eine politisch eingeführte Marktverzerrung, die zu nicht intendierten negativen Effekten führt.


Die notwendigen Investitionen am heimischen Standort lassen sich vielfach kaum refinanzieren und können für einzelne Betriebe Milliardendimensionen erreichen – ohne dass eine erweitere Produktionsmöglichkeit zur Verfügung steht. Eine marktbasierte Lösung ist damit kaum möglich. Neben der Emissionsbepreisung müssen daher auch unterstützende Instrumente stehen. Zudem basiert die Dekarbonisierungs-Transformation auf Termin darauf, dass schnell genug eine klimafreundliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen möglich ist. Wenn ein solches Energiesystem etabliert werden kann, mit der energieintensive Unternehmen auch nach der Transformation wieder wettbewerbsfähig sind, muss den Unternehmen der Übergang dahin ermöglicht werden. Die staatliche Intervention über den international ungleichen Emissionspreis und weitere Regulierungsvorgaben erfordert eine erweitere staatliche Rolle, um die Kosten der ursprünglichen Politik zu begrenzen.


Diese Überlegungen erweitern die Argumentation für eine horizontale Industriepolitik. Gleichzeitig unterscheiden sie sich von klassisch vertikaler industriepolitischer Intervention dadurch, dass nicht einfach mit vermeintlichen zukünftigen Marktchancen bestimmter Unternehmen oder Branchen argumentiert und dieses Ergebnis mit staatlichen Mitteln herbeigeführt werden soll. Klar ist aber auch, dass mit einer erweiterten Industriepolitik immer die Gefahr besteht, dass dies protektionistisch missbraucht wird und sich eine zunehmende interventionistische Marktergebnisgestaltung etabliert. Die Aufgabe ist daher insbesondere, die Grenzen dieser Industriepolitik zu beschreiben und die Maßnahmen hinsichtlich Zeit und Umfang zu limitieren.

 

Zum Autor:

Hubertus Bardt leitet den Bereich Wissenschaft am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und ist Lehrbeauftragter an der Rheinischen Fachhochschule Köln und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Auf Twitter: @H_Bardt



Info: https://makronom.de/industriepolitik-in-der-dekarbonisierung-45256?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=industriepolitik-in-der-dekarbonisierung


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

26.10.2023

Nachrichten von Pressenza: Julian Assange in Berlin ausgezeichnet – Exklusiv-Interview mit Stella Assange

aus e-mail von <newsletter@pressenza.com>, 26. Oktober 2023


Nachrichten von Pressenza - 26.10.2023


Julian Assange in Berlin ausgezeichnet &#8211; Exklusiv-Interview mit Stella Assange


Julian Assange muss uns nicht mehr vorgestellt werden. Sein Kampf ist unser Kampf, der Kampf für die Freiheit der Meinungsäußerung: eine Freiheit, die heutzutage zunehmend durch die grassierende Desinformation und die &#8222;Meinungsdiktatur&#8220;bedroht ist, die immer mehr in unsere Demokratien&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/10/julian-assange-in-berlin-ausgezeichnet-exklusiv-interview-mit-stella-assange/


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Wettern der Woche: Terror und Toleranz


Es ist etwas länger her, aber es wird berichtet, dass beim Öffnen des Buchs mit den &#8218;Sieben Siegeln&#8216; vier Reiter erscheinen, die auf die Menschheit losgelassen werden. Legen Sie mich jetzt bitte nicht auf Einzelheitern fest, aber mir ist bekannt,&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/10/wettern-der-woche-terror-und-toleranz/


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Eine Bühne für die Faschos?


Beinahe ganztägig von 13.30 bis 0.45 Uhr am 21. Oktober 2023, strahlte ZDF-Info verschiedene Dokumentationen aus über Abläufe in den faschistischen Anfangsjahren, mit ihren schrecklichen Gewalttaten, die vor allem gegen die Juden gerichtet waren. Als Zielgruppe der Sendung kann die&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/10/eine-buehne-fuer-die-faschos/


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Die Klimakrise als Gesundheitskrise


In Zeiten steigender Treibhausgasemissionen gerät das empfindliche Gleichgewicht unseres Klimas aus den Fugen. Der jüngste Bericht des Weltklimarats bestätigt diese Entwicklung und verdeutlicht die weitreichenden Auswirkungen. Doch im Hintergrund dieser weltweiten Problematik entsteht eine weniger offensichtliche Gefahr: Der Klimawandel entwickelt&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/10/die-klimakrise-als-gesundheitskrise/


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Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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26.10.2023

Hamas: Netanjahus geliebter Feind

makroskop.eu, vom 19. Oktober 2023, Von Yotam Givoli

Jahrelang haben Netanjahu und die religiöse Rechte in Israel die Hamas gestärkt – auf Kosten der Anti-Terror-Instanz, der moderaten Palästinensischen Autonomiebehörde. Nachdem das Massaker Netanjahus Regierung stabilisiert hat, bleibt es unklar, ob Israel die Hamas im Gazastreifen entwaffnen und stürzen wird.


"Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln." – Carl von Clausewitz


Am Samstagmorgen wachte ich durch eine Gruppennachricht meines Reservekommandanten auf. Er bat uns, wegen eines "dramatischen Ereignisses" in Bereitschaft zu sein. Eine Stunde später berichtete mir meine Großmutter, die in einem Kibbuz in der Nähe des Zauns zum Gazastreifen lebt, am Telefon, dass sie draußen Schüsse höre. Man habe ihr gesagt, sie solle sich im Schutzraum einschließen, da viele Kämpfer der Hamas in der westlichen Negev eingedrungen seien und sich die ausgedünnten israelischen Sicherheitskräfte in skandalöser Weise zurückhielten. Glücklicherweise verjagten zwei zufällig anwesende Hubschrauber die Bewaffneten und retteten die zahlenmäßig unterlegenen Einsatzkräfte des Kibbuz. Viele andere israelische und internationale Zivilisten, die nicht so viel Glück hatten, wurden während der Hamas-Mordserie massakriert, entführt oder verwundet.


Diese unvorstellbare Brutalität der Hamas ist in Ramallah wohlbekannt – denn sie wurde von Januar bis Juni 2007 auch während des Putsches in Gaza gegen die Fatah praktiziert.


Diese Episode der Hamas-Herrschaft wird in der Liste der Terrorregime, die im Zuge der US-Kreuzzüge zur Durchsetzung der Demokratie im Nahen Osten an die Macht kamen, stets ausgelassen. Und das, obwohl die Hamas – damals wie heute – in ihrem Selbstverständnis alle früheren Vereinbarungen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel ablehnte (einen Staat, den sie nicht anerkannte), den bewaffneten Kampf befürwortete, sich über Kriegsrecht und Bürgerrechte hinwegsetzte und eine gewalttätige islamistische Ideologie vertrat. Sie machte auch keinen Hehl aus ihrer Gleichgültigkeit gegenüber der Verfassung der Palästinensischen Autonomiebehörde und deren Wahlregeln.


Unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2006 begann Innenminister Said Seyam mithilfe iranischer und syrischer Gelder den Aufbau einer parallelen Streitmacht unter seinem Kommando. Zwischen Januar und Juni 2007 hatte diese der Hamas ergebene Truppe die gesamte mittlere Führungsebene der Sicherheitskräfte der eigenen Regierung gemeuchelt. In gerade einmal sechs Tagen im Juni wurden Hunderte von palästinensischen Verwaltungsangestellten abgeschlachtet, und die Hamas-Kräfte erlangten die volle Kontrolle im Gazastreifen. Präsident Mahmud Abbas hat sein gesamtes Ministerium sofort entlassen, um seine Herrschaft in Westjordanien zu schützen. Jonathan Schanzer von der Foundation for Defense of Democracies hat diese Brutalität näher erläutert:

„Nach Angaben des Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte (...) war ein Großteil der Hamas-Gewalt wahllos und zeugte von einer vorsätzlichen Missachtung der Kriegskonventionen (...). Laut PCHR war die Gewalt Mitte Juni in Gaza durch "außergerichtliche und vorsätzliche Tötungen" gekennzeichnet (…). Die Hamas hat auch einige politische Feinde entführt und hingerichtet. Berichten zufolge tötete die Hamas sogar Anhänger der Palästinensischen Autonomiebehörde, die bereits verletzt waren, oder schoss aus nächster Nähe auf Fatah-Kämpfer (…). Das PCHR berichtete außerdem von Angriffen auf Privathäuser und Wohnhäuser, Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal, das mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammenarbeitet.“

Während des Gaza-Kriegs 2014 befahl Saleh al-Arouri, ranghohes Mitglied des Politbüros der Hamas, Verbündeter der iranischen Revolutionsgarden sowie Chef der Hamas im Westjordanland, seinen Leuten von seinem Wohnsitz in der Türkei aus, die Palästinensische Behörde in Ramallah zu stürzen. Israelische und palästinensische Sicherheitskräfte vereitelten den Plan jedoch kurz vor der Ausführung. Es handelte sich nicht um einen Reichsbürger Scherz, sondern um ein hochkompetentes Netzwerk von Planern, Kämpfern und Wissenschaftlern, das mit Munition und Millionen von Dollar ausgestattet war und von einem gut vernetzten Erzterroristen organisiert wurde.


Netanjahu hat die Hamas genährt

Netanjahu bildete seine zweite Regierung im Jahr 2009, knapp zwei Jahre nach dem Putsch der Hamas in Gaza. Nach Angaben des damaligen Leiters des IDF-Zentralkommandos, Admiral Gadi Shamni, legten das Oberkommando der IDF und Verteidigungsminister Ehud Barak Netanjahu kurz nach seinem Amtsantritt einen umfassenden Plan vor. Die Auflösung der Hamas-Regierung im Westjordanland sollte genutzt werden, um das religiös-soziale Netzwerk auszutrocknen, welches der Hamas zum Wahlsieg und zur Durchführung des Putsches in Gaza gedient hatte.


Netanjahu aber weigerte sich und hat sich seitdem immer wieder geweigert. Stattdessen haben er und die religiöse Rechte eine Politik gefördert, die die Hamas von einer ressourcenarmen Terrororganisation in einen Quasi-Staat mit gut ausgerüsteten und ausgebildeten Streitkräften verwandelt hat, dessen Politbüro zu einem legitimen Verhandlungspartner aufgewertet wurde.


Es handelt sich um keine Verschwörungstheorie, sondern um eine gut dokumentiere Politik: "Diejenigen, die die Gründung eines palästinensischen Staates vereiteln wollen, sollten die Stärkung der Hamas und den Transfer von Geld an die Hamas unterstützen", erklärte Netanjahu auf einer Sitzung der Likud-Partei im März 2019. Das sei Teil der "Strategie, einen Unterschied zwischen den Palästinensern in Gaza und denen in Judäa und Samaria zu machen." Der ehemalige ägyptische Präsident Hosni Mubarak bestätigte diese Worte in einem Interview mit einer kuwaitischen Zeitung: "Netanjahu ist nicht an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert, sondern will eine Trennung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland schaffen, wie er mir Ende 2010 sagte."

Seit dem brutalen Massaker der Hamas ist die israelische Presse voll von solchen Beweisen und Zitaten. Interessierte Leser verweise ich auf die Historiker Adam Raz und Prof. Dmitry Shumsky sowie die Journalisten Avi Issacharoff, Jonathan Lis und Amnon Abramovich. Wir begnügen uns mit einem Zitat aus dem Artikel von Raz, der am 13. Oktober in der Tageszeitung "Haaretz" erschienen ist:

„Seit mehr als einem Jahrzehnt trägt Netanjahu zum politischen und militärischen Aufbau der Hamas bei (...) die Freilassung palästinensischer Gefangener; die Überweisung von Bargeld; der katarische Gesandte geht hin und her, wie es ihm gefällt; der umfangreiche Transit von Gütern, einschließlich Baumaterialien, alles mit israelischer Zustimmung, obwohl er weiß, dass ein erheblicher Teil davon eher für den Terror als für die zivile Infrastruktur bestimmt ist; die Erhöhung der Quoten für Arbeitsgenehmigungen für Gazaner in Israel und vieles mehr - all dies hat eine Symbiose zwischen dem Gedeihen des grundlegenden Terrorismus und der Erhaltung von Netanjahus Herrschaft geschaffen.“

Mit der Autorisierung der Geldtransfers sollte Abbas geschwächt und die Aufteilung des Landes verhindert werden, so die Haaretz weiter. Ohne das Geld aus Katar (und dem Iran) hätte die Hamas nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um ihr Terrorregime aufrechtzuerhalten. Ihr Regime hätte am seidenen Faden gehangen.


Der Geldstrom aus Katar, den Netanjahu genehmigt und fließen lassen hat, diente de facto schon seit 2012 dem Aufbau der Hamas. Damit hat Netanjahu die Finanzierung von Abbas übernommen, der zuvor entschieden hatte, der Terrororganisation keine finanziellen Mittel mehr zukommen zu lassen.


Netanjahus Vertraute in Politik und Medien und wichtige religiöse Rechte wissen, dass Abbas ein ernstzunehmender Partner für einen Friedensprozess wäre. Weil sie die Kompromissbereitschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde fürchten, verteidigen sie den Kurs Netanjahus ganz offen. Deutlich äußerte sich dahingehend Bezalel Smotrich, Finanzminister und Vorsitzender der Religiösen Zionistischen Partei 2015: "die Palästinensische Autonomiebehörde ist diplomatisch gesehen eine Belastung und die Hamas ein Gewinn". Im August 2018 erklärte der damalige Likud-Minister für Nachrichtendienste und Kabinettsmitglied Israel Katz gegenüber der Tageszeitung "Israel Hayom": "Wenn Abbas nach Gaza zurückkehrt, wird Israel darunter leiden".

Zu denjenigen, die diese Politik kritisieren, gehören der ehemalige Premierminister Ehud Barak, die ehemaligen Direktoren des Inlandgeheimdienstes Yuval Diskin und Nadav Argaman sowie viele Reserveadmiräle wie Gadi Shamni und Yair Golan.


Gadi Eisenkot, ehemaliger Generalstabschef und jetziges Mitglied des Kriegskabinetts, erklärte im Juni 2023: "Wir sind jetzt mit einer Kombination von Faktoren konfrontiert, die für uns sehr gefährlich sind. Der erste ist die Demontage der PA und die Stärkung der Hamas. So seltsam es klingen mag, unsere Regierung teilt mit der Hamas die Vision, die Palästinensische Autonomiebehörde zu demontieren und die Hamas zu stärken."


Der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister Efraim Sneh kritisierte zwei Wochen zuvor in der Tageszeitung "Yediot" die Sicherheitspolitik der Regierung scharf: "Die Nachsicht gegenüber der Hamas wird durch die Tatsache belegt, dass seit August 2014 kein einziger hochrangiger Hamas-Funktionär getötet wurde". Snehs Behauptung wurde einen Tag vor dem Massaker vom ehemaligen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman bestätigt, der aussagte, dass Netanjahu während seiner Amtszeit von Mai 2016 bis November 2018 "unaufhörlich alle gezielten Tötungen unterbunden" habe.


Snehs Vorwürfe gehen noch weiter: Netanjahu lasse al-Arouri ungehindert wirken, obwohl dieser der Architekt des Netzwerks von Bankkonten und Verbindungsstellen sei, über das der Iran – völlig ungehindert – finanzielle, organisatorische, beratende und politische Unterstützung an die Hamas liefere.


Gestützt wird dieser Vorwurf durch eine Affäre im Sommer 2018. Im Juli hatte der Hamas-Führer im Gazastreifen, Yahya Sinwar, einem von Ägypten vermittelten Versöhnungsabkommen mit der Fatah zugestimmt, wonach die militärischen Kräfte der Hamas einem paritätisch besetzten Komitee unter der Leitung von Abbas unterstellt werden sollten, welches die volle Kontrolle über den Durchgang im Gazastreifen hätte erhalten sollen. Daraufhin verlautbarte Netanjahu, dass "eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah die Erreichung des Friedens erschwert". Netanjahu schickte seinen Vertrauten, den nationalen Sicherheitsberater Meir Ben-Shabat, um eine alternative Lösung zwischen Israel und der Hamas auszuhandeln. Um die Hamas dazu zu bewegen, Katar und Israel gegenüber der PA und Ägypten zu bevorzugen, gestattete Netanjahu al-Arouri, der den Gazastreifen aus Angst seit Jahren nicht mehr besucht hatte, am 2. August 2018 mit einer israelischen Immunitätsgarantie einzureisen – entgegen der Position von Verteidigungsminister Lieberman.


Der Plan ging auf: Al-Arouri vereitelte die palästinensische Versöhnung und verankerte die Souveränität der Hamas, indem er sich mit Israel darauf einigte, feindliche Aktivitäten in der Nähe des Grenzzauns gegen eine monatliche Zahlung von 15 Millionen Dollar aus Katar einzudämmen. Der wütende Lieberman trat zurück und verkündete: "Der Versöhnungsprozess ist nichts anderes als eine Kapitulation vor dem Terror. Wir erkaufen uns kurzfristig etwas auf Kosten unserer langfristigen nationalen Sicherheit.“


Sneh schloss seinen Artikel mit Worten, die angesichts der jüngsten Ereignisse  kraftvoll nachklingen: "Wenn wir die Aktionen der Hamas in Gaza nicht lähmen, die Autorität in Ramallah nicht stärken und die Gewalt der [jüdischen] Siedler nicht eindämmen, wird die nahende Sicherheitskatastrophe nicht verhindert werden".


Ein kritisches Timing

Die Hamas verübte das Massaker genau zu dem Zeitpunkt, als der Oberste Gerichtshof Israels eine Reihe von Gesetzesänderungen der Regierung diskutieren sollte, die nach allen Einschätzungen nur geringe Chancen hatten, verabschiedet zu werden. Netanyahu und seine Koalitionspartner haben klargestellt, dass sie keine gerichtliche Intervention akzeptieren werden. Daraufhin erklärten eine hochrangige Beamte, dass sie sich im Falle einer Verfassungskrise auf die Seite der Rechtsstaatlichkeit gegen die Exekutive stellen werden. Angesichts der landesweiten Proteste und des gewaltlosen Ungehorsams gegen eine gänzlich unpopuläre Justizreform und der sich ausweitenden Konflikte innerhalb der Regierung scheint es, dass Netanjahus Regierung am Vorabend des Anschlags äußerst instabil war.


Dass nicht wenige Israelis der Regierung die Schuld an den Massakern der Hamas geben, zeigen auch die sinkenden Umfragewerte der Likud. Solange sich Israel jedoch im Kriegszustand befindet – der voraussichtlich lange andauert – wird Kritik an der Regierung, geschweige denn am Regierungschef, als Schädigung der nationalen Moral angesehen.


Netanjahu selbst weigert sich, Verantwortung zu übernehmen. Sein Medienapparat hat bereits damit begonnen, die Schuld auf die Armee abzuwälzen. Allerdings scheint Netanjahu Warnungen des ägyptischen Geheimdienstes missachtet zu haben, die ihm Quellen zufolge vor dem Angriff persönlich übermittelt wurden. Das bestätigte auch der ranghohe republikanische Kongressabgeordnete Michael McCaul und Vorsitzender des Heimatschutzausschusses des Repräsentantenhauses: "Wir wissen, dass Ägypten die Israelis drei Tage zuvor gewarnt hat, dass so etwas passieren könnte.“


Der Reservistenadmiral Yair Golan, Mitglied der linken Partei Meretz und Nationalheld, nachdem er auf das Schlachtfeld stürmte und sechs Menschen retten konnte, sieht in dem Überraschungserfolg der Hamas ein strukturelles Problem:

„Wir haben Truppen und Panzer aus Kostengründen reduziert, und wir wollten uns stärker auf den Iran und die Hisbollah konzentrieren, zu Lasten der allgemeinen Sicherheit. Hinzu kommt, dass die meisten IDF-Routinekräfte in Judäa und Samaria dienen, weil es dort häufig zu Spannungen kommt. Die jüdische Bevölkerung lebt dort auf 4 Prozent des gesamten Territoriums, aber sie ist über das ganze Gebiet verstreut. Daher waren die meisten Routinekräfte dort stationiert, und wenn sie Ersatz brauchten, zogen sie Kräfte von der Südgrenze ab, die stabil erschien.“

Eyal Hulata, Israels nationaler Sicherheitsberater unter der Bennett-Lapid-Regierung, erklärte, dass "die Gaza Division während des Torafestes Sukkot und anderer Feiertage normalerweise verstärkt wird, dieses Mal aber erhebliche Kräfte ins Westjordanland verlegt wurden – ein höchst ungewöhnliches Vorgehen.“ Einer der Gründe war, dass die Regierung Netanjahu messianischen Siedlern erlaubte, die gesamte Sukkot-Woche in der palästinensischen Kleinstadt Huwara zu feiern und damit eine Provokation zu begehen, die militärischen Schutz erforderte. In diesem Fall deuten Berichte und Aussagen von Offizieren der Reserve darauf hin, dass sich Israels Sicherheitskräfte auf nachrichtendienstliche Hinweise verließen und keine Reserveeinheiten im Süden hielten, weil sie schon seit Monaten davon ausgingen, dass "die Hamas abgeschreckt wird".


Netanjahu gegen Gallant

Aufgrund der generösen Politik Netanjahus und der religiösen Rechten gegenüber der Hamas ist deren Entwaffnung und Sturz – genauso wie der Sturz des Palästinensischen Islamischen Dschihad – im Gazastreifen ein schwieriges Unterfangen, das viele israelische Soldaten und Bewohner des Gazastreifens in Gefahr bringt. Fraglich bleibt auch, ob diejenigen, die die Hamas 14 Jahre lang genährt haben, ehrlich daran interessiert sind, dieser Politik ein Ende zu setzen. Die Tatsache, dass Lieberman von Netanjahu als Bedingung für die Beteiligung seiner rechtsliberalen Partei Israel Beiteinu in einer Koalition die Entwaffnung und den Sturz der Hamas verlangte und Netanjahu beides ablehnte, lässt einige Rückschlüsse auf die Haltung des Premierministers zu.

In verschiedenen israelischen Medien wurde mehrfach über Meinungsverschiedenheiten zwischen Netanjahu und seinem Verteidigungsminister Gallant über den Verlauf der Militäraktion berichtet. Dass sich große Teile der israelischen Armee in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen versammelt haben und auf Einsatzbefehle warten, muss nicht unbedingt auf eine Operation zur Entwaffnung der Hamas hindeuten. Ebenso wäre eine Operation in den dichter besiedelten Gebieten des Gazastreifens denkbar, um sich danach auf eine neue, tieferliegende Linie zurückziehen und eine geschützte Pufferzone zu errichten.


Auf Anordnung des Stabschefs des Premierministers, Tzachi Braverman, hinderte letzte Woche Netanjahus Sicherheitspersonal Gallants Anwesenheit bei einer Lagebesprechung für mehrere Minuten. Das ist insofern bemerkenswert, als das israelische Gesetz dem Verteidigungsminister direkte Befugnisse über den Stabschef der IDF und Zugang zu allen Staatsgeheimnissen verleiht. Einem Bericht zufolge handelte es sich dabei nicht um einen Einzelfall. Seit Beginn des Krieges hat Netanjahus Büro Gallants Gefolge immer wieder Schwierigkeiten bereitet und ihnen den Zugang zu seinem Büro verwehrt. Auch an diesem Sonntag berief Netanjahu ein Treffen mit den Chefs der Sicherheitskräfte ein, bei dem sein Verteidigungsminister nicht anwesend war.


Dieses dreiste Verhalten lässt nicht ausschließen, dass Netanjahu vor dem Eintritt von Ganz und Eisenkot in das Entscheidungsgremium und gegen Bidens Appell auf den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung verzichtet hat, um den internationalen Druck zur Einstellung der Kampfhandlungen zu erhöhen. Die steigende Zahl unbeteiligter palästinensischer Opfer entspricht auch der Strategie der Hamas: Sie ruft die Menschen nicht nur dazu auf, sich nicht wie von Israel gefordert nach Süden zu bewegen, sondern hindert sie in einigen Fällen auch daran.

Westliche Linke sind geneigt, dieser grausamen Strategie anheim zu fallen. Angesichts der sich anbahnenden humanitären Katastrophe fordern sie ein Ende der Kämpfe – und spielen damit der Hamas in die Karten. Klüger wäre es, sich der Forderung des ehemaligen US-Direktors für politische Planung im Außenministerium und Nahost-Koordinators Dennis Ross anzuschließen: "die Hamas [durch eine gezielte Bodenoffensive] zu entwaffnen und nicht zu versuchen, palästinensische Zivilisten zu treffen".


Im Gegensatz zu dem, was oft behauptet wird, ist die Hamas nicht bloß eine mörderische Terrororganisation, die ohne politische Agenda Israelis und ihre innenpolitischen Gegner vernichten will. Sie hat eine klare politische Agenda: Israelis und Araber sollen sich weiter entfremden und gegenseitig töten, anstatt eine bessere Zukunft für sich selbst anzustreben. Wer einem Frieden näherkommen will, muss daher die Entwaffnung und den Sturz der Hamas nachdrücklich unterstützen.


Yotam Givoli ist ein deutsch-israelischer Historiker. Nach seinem Masterstudium in Cambridge, wo er sich mit der westdeutschen Politik im arabisch-israelischen Konflikt beschäftigte, promoviert er in Neuerer Deutscher Geschichte an der Universität Mannheim. Seine Familie lebt in "Gaza-Envelope". Er ist Reservist in der internationalen Abteilung einer israelischen Verteidigungsstreitkraft.


Info: https://makroskop.eu/34-2023/hamas-netanjahus-geliebter-feind




Weiteres:




Justizreform

Israels Justizreform gefährdet das Friedensabkommen



makroskop.eu, 27. April 2023, Von Yotam Givoli

Bild; Oren Rozen/CC BY-SA 4.0/wikimedia.org

Welches Interesse haben konservative und libertäre Netzwerke an der Justizreform in Israel? Die Reform des Justizwesens in Israel, die Ministerpräsident Netanjahu am 27. März vorläufig stoppte, kommt nun in Form eines Gesetzespakets, das die israelische Justiz der Exekutive unterstellt. Es wäre eine allmächtige Exekutive – ohne Kontrolle durch die Verfassung, das Parlament oder eines föderalen Systems.

Hinter dieser Revolution, angeführt von Likud-Justizminister Yariv Lewin, stehen einflussreiche Lobbys, Fonds und Seilschaften. Darunter eine Achse aus amerikanischen Top-Finanziers und Neokonservativen. Ihr Haupteinflusskanal: das Kohelet Policy Forum, eine israelische Lobby, die diese Initiative ausgearbeitet hat und ihr einen Anstrich intellektueller Redlichkeit verleiht. Der Experte der Koalition in den aktuellen Verhandlungsrunden ist Aviad Bakshi, Leiter der Rechtsabteilung von Kohelet. Ihr Spitzenkandidat für den Obersten Gerichtshof ist zugleich einer der Gründer der Lobby: Gideon Sapir.

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Yotam Givoli ist ein deutsch-israelischer Historiker. Nach seinem Masterstudium in Cambridge, wo er sich mit der westdeutschen Politik im arabisch-israelischen Konflikt beschäftigte, promoviert er in Neuerer Deutscher Geschichte an der Universität Mannheim. Seine Familie lebt in "Gaza-Envelope". Er ist Reservist in der internationalen Abteilung einer israelischen Verteidigungsstreitkraft.


Info: https://makroskop.eu/14-2023/die-justizrevolution-in-israel-gefahrdet-das-friedensabkommen

26.10.2023

Israel will Krieg und einen “entscheidenden Sieg”, weil seine Zukunft in Gefahr ist

linkezeitung.de, vom 22. Oktober 2023 ⋅ Hinterlasse einen Kommentar

von Piero Messina – https://southfront.press

Übersetzung LZ











Wir tanzen im Krater eines Vulkans. Israel hat sich entschieden: Es wird Gaza aus der Luft, zu Lande und zur See angreifen. Die Entscheidung der Regierung in Tel Aviv setzt den gesamten Nahen Osten einem langen und grausamen Konflikt aus, dessen endgültige geopolitische Folgen völlig unvorhersehbar sind. Auf dem Spiel steht jedoch nicht nur das Überleben Palästinas (falls es je eines gab), sondern auch Israels.


Der Druck, den der Tsahal auf den Gazastreifen ausübt, kann Auswirkungen auf die gesamte Region haben, da Ägypten und Jordanien um ihre innere Stabilität fürchten. Mehr als zwei Millionen Palästinenser sind von Hunger bedroht, da die Nahrungsmittelvorräte zur Neige gehen, so ein Vertreter des UNRWA im Gazastreifen. Eine massive Flüchtlingswelle aus Palästina könnte zum politischen und sozialen Zusammenbruch der beiden Staatsgebilde führen. Es ist daher kein Zufall, dass der ägyptische Präsident Abdel Fattah El Sisi und der jordanische König Abdallah II. beschlossen haben, gemeinsam gegen das Vorgehen Israels Stellung zu beziehen und das zu verurteilen, was als “kollektive Bestrafung bei der Belagerung oder Vertreibung” der Palästinenser definiert wird.


Die beiden Staatsoberhäupter warnen davor, dass eine Verlängerung des Krieges im Gazastreifen die Region in eine “Katastrophe” zu stürzen droht, und richten einen neuen Appell an Israel, den Krieg sofort zu beenden, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Belagerung aufzuheben und humanitäre Hilfe für die palästinensische Enklave zu leisten. Um Missverständnisse zu vermeiden, stellte der ägyptische Präsident Al Sisi klar, dass “die Idee, Palästinenser in den Sinai zu vertreiben, bedeutet, Ägypten in einen Krieg gegen Israel hineinzuziehen.


Tel Aviv ist sich sicher, dass Hunderttausende von Menschen, die von der Hamas und damit von der Muslimbruderschaft indoktriniert werden, die innenpolitische Situation in Ägypten und übrigens auch in Jordanien in die Luft sprengen werden. Das Militärregime in Ägypten ist instabil, insbesondere vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Ernährungsprobleme. Entweder werden sie in Form von Flüchtlingen nach Europa fliehen und die Völker der Nachbarländer an sich binden, oder sie werden, wenn eine radikale Ideologie unter der Führung eines starken Führers siegt, den Staat Israel hinwegfegen.


Warum hat Israel beschlossen, alles aufs Spiel zu setzen und es jetzt zu tun? Warum gerade jetzt? Abgesehen von Gründen der nationalen Sicherheit (wurden die israelischen Geheimdienste überrumpelt? Haben sie die Warnungen unterschätzt? Haben sie die Augen verschlossen, weil es notwendig war, die Feindseligkeiten jetzt zu eröffnen?), lohnt es sich vielleicht, die komplexe Situation im Inneren des jüdischen Staates in die Gleichung einzubeziehen. Das Land befindet sich nämlich immer noch in Aufruhr wegen der umstrittenen Justizreform von Premierminister Benjamin Netanjahu, der die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs zugunsten der Exekutive und der Knesset, Israels Einkammerparlament, beschneiden will.


Das Reformprojekt wurde in den letzten Monaten nicht nur von der Zivilgesellschaft, sondern auch von großen Teilen des Sicherheitsapparats bekämpft. In dem Versuch, die Regierung über Wasser zu halten, hat Netanjahu den extremsten Seelen der Exekutive, wie dem Minister für innere Sicherheit Itamar Ben Gvir, Raum und Macht eingeräumt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Hamas die Gelegenheit ergriffen hat, einen Moment besonderer Schwäche und Spaltung des jüdischen Staates auszunutzen, um einen verheerenden Schlag zu führen. Aber wir können auch nicht ausschließen, dass Tel Aviv ein seit langem geplantes militärisches und expansionistisches Projekt in Angriff nehmen will. Denn auch die jüngste Geschichte der militärischen Strategien der IDF lehrt uns dies.


In Tel Aviv wurde schon immer alles minutiös geplant. Aus dem IDF-Operationshandbuch wissen wir seit jeher, was die wichtigsten Herausforderungen sind, die es zu bekämpfen gilt: Staaten – ferne (Iran) und nahe (Libanon), gescheiterte, zerfallende (Syrien); substaatliche Organisationen (Hisbollah, Hamas); oder terroristische Organisationen ohne Verbindung zu einem bestimmten Staat oder einer Gemeinschaft (Globaler Dschihad, Palästinensischer Globaler Dschihad, Islamischer Staat und andere).


In der israelischen Militärdoktrin hat sich jedoch etwas geändert. Seit mindestens drei Jahren ist die IDF bereit, einen “Ring of Fire”-Kampf zu führen, d. h. einen endgültigen Krieg, eine Art “All-in”, in dem sich das Land von regionalen Mächten umgeben sieht.


Es gibt einige interne Dokumente der israelischen Regierung und Armee, die genau dies belegen. Im Jahr 2018 stellt Ministerpräsident Netanjahu den Bericht “National Security 2030” vor. Dieses Dokument “geht davon aus, dass die Verteidigungseinrichtung sich darauf vorbereitet, mit dem Iran im Jahr 2030 fertig zu werden. In einer Situation, in der der Iran keine nuklearen Fähigkeiten erlangt hat, und unter der Annahme, dass ein ähnliches Regime wie das derzeitige immer noch die Kontrolle ausübt, wird der Umgang mit dem Iran im Jahr 2030 wahrscheinlich ähnlich sein wie der Umgang mit dem Iran heute. Die Aufgabe, mit dem Iran fertig zu werden, wird sich jedoch grundlegend ändern, wenn wir davon ausgehen, dass der Iran über eine nukleare Kapazität verfügt. In diesem Fall wird sich das Kräfteverhältnis zwischen Israel und dem Iran ändern, und es ist möglich, dass der Iran unter einem nuklearen Schutzschirm es wagen wird, Bodentruppen, einschließlich gepanzerter Elemente, im Irak und in Syrien einzusetzen. Im ersten Szenario sollte Israel in erster Linie seine Luftwaffe verstärken, während im zweiten Szenario die IDF mit einer neuen und bedeutenden staatlichen Landbedrohung fertig werden müssen, und die Bedeutung, die Israels Fähigkeiten zur gepanzerten Kriegsführung zukommt, wird sich ändern. Ein weiteres Beispiel: Sollten die Muslimbrüder in Ägypten erneut die Macht ergreifen, wird die neue Situation die Diskussion über den Einsatz der IDF-Bodeneinheiten und die Verbesserung der israelischen Verteidigungsfähigkeiten in bewaffneten Konflikten zwischen Staaten neu entfachen”.


Wenn man das Dokument National Security 2030 liest, versteht man, dass Tel Aviv wirklich besorgt ist: “Szenarien wie ein nuklearer Iran, die erneute Machtergreifung der Muslimbruderschaft in Ägypten oder der Zerfall des haschemitischen Regimes in Jordanien sind keine Null-Wahrscheinlichkeitsszenarien”. Palästina stellt für die Verfasser des Dokuments keine “strategische” Gefahr dar: “Während eine dritte Intifada und der palästinensische Terrorismus Israel nicht strategisch bedrohen, werden sich geopolitische Veränderungen, die Israel nicht kontrollieren kann, entscheidend auf Israels Fähigkeit auswirken, mit den Bedrohungen fertig zu werden”.

National Security 2030 ist nur ein politisches Programm. Aber es wurde von den IDF mit einem sehr spezifischen strategischen Dokument entwickelt. Es geht um die Verabschiedung eines Vierjahresplans namens “Momentum” (Tnufa auf Hebräisch), der zunächst für den Zeitraum 2020-24 aufgelegt wurde. Üblicherweise bestimmen Vierjahresprogramme die Aufstockung der Streitkräfte, die Ausbildung, die Ressourcenzuweisung und die allgemeine Effizienz der IDF. Öffentlichen Erklärungen der IDF zufolge basierte der neue Plan auf dem Szenario eines Mehrfrontenkriegs und sollte die Soldaten auf einen “schnellen und massiven Einsatz von Gewalt gegen feindliche Systeme” vorbereiten. Berichten zufolge nahm die Tnufa auch mehrfach Bezug auf die Idee, “multidimensional” und “multikräftig” zu sein, d. h. die Ressourcen der Marine, des Landes, der Luft, des Internets und des Geheimdienstes enger zu integrieren. Das Schlüsselkonzept zum Verständnis der aktuellen israelischen Militärstrategie ist der “Mehrfrontenkrieg”.


Tel Aviv wähnt sich damit für die letzte Herausforderung gerüstet.


Dieser Prozess hat bereits vor einigen Jahren begonnen. Jetzt hat sich auch für das Kommando des Tsahal das Konzept des Sieges geändert. Ein Sieg ist entweder endgültig oder er ist kein Sieg. Im Jahr 2020 kündigten die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) die Entwicklung eines neuen operativen Konzepts mit dem Namen Decisive Victory (Entscheidender Sieg) an, das die Art und Weise, wie Israel Kriege führt, verändern und den Sieg auf dem Schlachtfeld neu definieren sollte. Der Grund für diesen Wandel war die Entwicklung der nichtstaatlichen Bedrohungen durch bewaffnete Gruppen im Gazastreifen und im Libanon. Das Konzept sollte wichtige Reformen der IDF in den Bereichen Ausbildung, Interoperabilität zwischen den Streitkräften, Waffenbeschaffung und zivil-militärische Beziehungen vorantreiben. Die Bemühungen stießen jedoch auf erhebliche Herausforderungen in Bezug auf die Politik, die finanziellen Ressourcen und die Auswirkungen auf die Streitkräftestruktur der IDF.


Eines ist von nun an sicher. Dieser Krieg wird anders sein. Der Erfolg der Hamas, die Gewalt der terroristischen Aktionen, der strukturierte und massive Einsatz von Raketen aus dem Gazastreifen und die Fähigkeit der palästinensischen Kommandos, durch Techniken, Taktiken und strukturierte Verfahren, die den israelischen Geheimdienst überrumpelten, in israelisches Gebiet einzudringen, verdeutlichen das Entstehen von Kriegsszenarien und Bedrohungen, die sich stark von denen unterscheiden, die den zweiten Libanonkrieg, die Operation “Strong Cliff” (2014) und die Operation “Wall Guardian” (2021) kennzeichneten. Diese Kampagnen können nicht als Referenz für die Vorbereitungen der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) auf den laufenden Krieg herangezogen werden, einfach weil die aktuelle Situation das Ergebnis der Überschneidung aller potenziellen Bedrohungen ist: interne, externe, regionale und globale, die miteinander verwoben sind.


Es ist ganz klar, dass sich die israelische Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen und zur Abwehr wahrscheinlicher interner und externer Bedrohungen, vom Westjordanland bis zum Libanon, nach den Grundsätzen der strategischen Doktrin der IDF entwickeln kann, wie sie von General Gadi Eizenkot, dem Chef des israelischen Verteidigungsgeneralstabs von 2015 bis 2019, dargelegt wurde, auf die 2020 das neue operative Konzept “Entscheidender Sieg” folgte, das Gruppen wie Hamas und Hisbollah nicht als “Aufständische” oder “Guerillas”, sondern als “organisierte, gut ausgebildete und für ihre Aufgaben gut ausgerüstete Armeen” definiert, die in der Lage sind, ihre Fähigkeiten mit der Zeit zu verbessern. Die Reform der IDF, die dem Diktat der strategischen Doktrin und des operativen Konzepts folgt, wurde auch durch die Besorgnis über die Aussicht auf eine horizontale Eskalation, d.h. die gleichzeitige Eröffnung mehrerer Fronten, geprägt, die tatsächlich stattfindet und zu einer Regionalisierung des Konflikts führt. Nach dieser Logik könnte der aktuelle Konflikt, der im Gazastreifen begann, Zusammenstöße im Westjordanland, im Südlibanon oder auf den Golanhöhen auslösen.


Die Folgen dieses Konflikts, der ein weiterer Teil eines dritten Weltkriegs ist, der Stein für Stein ausgefochten wird (denn es handelt sich um den Konflikt zwischen dem krisengeschüttelten Westen und dem entstehenden Brics-Modell), gehen über den Nahen Osten hinaus. Und sie schaffen es, den ganzen Planeten ins Chaos zu stürzen. In den Vereinigten Staaten haben sie eine Simulation des schlimmsten wirtschaftlichen Szenarios in Verbindung mit den Auswirkungen des Nahen Ostens geschaffen. Den allerschlimmsten. Es ist ein 10-Punkte-Dekalog.


1) Der Konflikt wird zu einem regionalen Konflikt und Washington wird offiziell involviert.

2) Die OPEC antwortet mit einem Ölembargo.

3) Der Iran sperrt die Straße von Hormuz.

4) Der Ölpreis steigt auf 300 Dollar pro Barrel.

5) Europa gerät in eine Energiekrise, die schlimmer ist als die von 2022.

6) Die Explosion der Energiepreise heizt die Inflation an und veranlasst die Zentralbanken, die Zinsen wieder anzuheben.

7) Die Finanzkrise und das globale Bankensystem.

8) Die Schuldenkrise zwingt die Fed dazu, zur Rettung der Märkte wieder auf den Plan zu treten. Monetärer Kurzschluss.

9) Der Petrodollar-Handel bricht zusammen.

10) Weimar 2.0, Hyperinflation.


Abschließend ist eine kurze soziologische Analyse erforderlich. Bei der Bewertung der strategischen Entscheidungen Israels und der Entscheidung, geradewegs auf das zuzugehen, was Tel Aviv als den entscheidenden Sieg erhofft, müssen auch einige soziale und demografische Parameter berücksichtigt werden.


Ein Faktor, dem Israel große Bedeutung beimisst, ist die demografische Entwicklung. Die Demografie spielt in diesem Konflikt eine entscheidende Rolle, ebenso wie ihre Entwicklung im Laufe der Zeit. Beide Bevölkerungsgruppen sind im letzten Jahrhundert gewachsen, was die Spannungen in einem relativ kleinen Gebiet erhöht hat, vor allem, wenn man die Wüstengebiete ausklammert, die für menschliche Siedlungen unbrauchbar sind.


Israel hatte bei seiner Gründung im Jahr 1948 etwas mehr als eine Million Einwohner, aber das Land ist gewachsen und hat heute 9 Millionen Einwohner, die nach den jüngsten Prognosen der Vereinten Nationen (mittlere Variante) im Jahr 2030 10 Millionen und im Jahr 2050 13 Millionen erreichen sollen. Im Vergleich zu den muslimischen Giganten, die es umgeben, ist es immer noch ein Floh. Darüber hinaus ist das demografische Wachstum keineswegs homogen, und in der Tat gibt es sehr bemerkenswerte Unterschiede zwischen den verschiedenen sozio-ethnischen Gemeinschaften Israels, die von großer politischer und sozialer Bedeutung sind.


In zwanzig Jahren wird die israelische Gemeinschaft zu dreißig Prozent aus Haredim, ultra-orthodoxen Juden, bestehen. Das Verhältnis zwischen den Haredim und dem Rest der israelischen Gesellschaft könnte schwerwiegende geopolitische Folgen für Israel haben; die Mehrheit der Haredim steht dem Zionismus, wenn nicht sogar der Existenz des Staates Israel skeptisch gegenüber. Ihr zahlenmäßiges Wachstum wird auch für die Sicherheit Israels selbst immer problematischer, da das israelische Verteidigungsmodell im Wesentlichen auf einem militärischen Druckmittel beruht, um sowohl ein offensives als auch ein defensives konventionelles Potenzial aufrechtzuerhalten, das zur Abschreckung ausreicht. Haredim sind vom Militärdienst befreit.


Aus demografischer Sicht ist Israel klein im Vergleich zur wachsenden muslimischen Welt um es herum, und sein demografisches Wachstum kommt vor allem aus Gemeinschaften, die dem national-zionistischen Establishment misstrauisch oder zurückhaltend gegenüberstehen. Bis 2030 werden in Ägypten 125 Millionen Einwohner erwartet, im Iran 92 Millionen, im Irak 52 Millionen, in der Türkei 89 Millionen und in Syrien 30 Millionen. Ebenfalls im Jahr 2030 werden durchschnittlich 36,5 Prozent der muslimischen Bevölkerung in den Israel umgebenden Ländern zwischen 15 und 34 Jahre alt sein. Auch aufgrund dieses Risikos der “Auslöschung” ist ein globaler Krieg für Israel heute eine notwendige Strategie. Es ist kein Zufall, dass Bibi Netaniayhu in Anlehnung an Winston Churchills Rede den Krieg mit diesen Worten ankündigte: “Die westliche Welt stand euch vor 80 Jahren in eurer dunkelsten Stunde zur Seite, dies ist unsere dunkelste Stunde”.

https://southfront.press/israel-wants-war-and-a-decisive-victory-because-its-future-is-at-risk/


Info: https://linkezeitung.de/2023/10/22/israel-will-krieg-und-einen-entscheidenden-sieg-weil-seine-zukunft-in-gefahr-ist

unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

26.10.2023

Zurück in den Handelskrieg   Handelskrieg zwischen EU und USA droht mit einem erneuten Inkrafttreten von Strafzöllen auf Stahl aus der EU erneut zu eskalieren. Versuche, ihn auf dem EU-USA-Gipfel beizulegen, sind gescheitert.

german-foreign-policy-com, 26. Oktober 2023

WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die EU und die Vereinigten Staaten stehen womöglich vor einer neuen Eskalation ihres Handelskriegs. Versuche, das zu verhindern, sind beim EU-USA-Gipfel am vergangenen Freitag gescheitert. Auf dem Gipfel sollte zum einen ein Weg gefunden werden, die Vergünstigungen des 369 Milliarden US-Dollar schweren Inflation Reduction Act (IRA) auch für Elektroautos zu erhalten, die aus der EU in die USA importiert werden. Das wäre insbesondere für deutsche Kfz-Konzerne von großer Bedeutung gewesen. Das Bestreben schlug fehl: Washington hatte als Gegenleistung EU-Strafzölle gegen China verlangt, die WTO-Regeln brechen und lediglich von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für gut befunden wurden. Nicht gelungen ist es außerdem, eine Lösung für Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der EU in die USA zu finden. US-Präsident Donald Trump hatte Strafzölle auf sie verhängt, die sein Nachfolger Joe Biden ausgesetzt hatte, allerdings nur zum Teil sowie zeitlich beschränkt; die Frist läuft aktuell ab. Setzen die USA die Strafzölle wieder in Kraft, dürfte die EU mit Gegenzöllen antworten. Die neuen Belastungen träfen vor allem Deutschland in einer ernsten Wirtschaftskrise.


Zitat: Strafzölle

Herbe Rückschläge für die Wirtschaft in der EU hat am vergangenen Freitag der EU-USA-Gipfel gebracht, zu dem US-Präsident Joe Biden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel in Washington empfing. Ursprünglich war geplant, eine Lösung für den Streit um die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU zu finden, die US-Präsident Donald Trump im Jahr 2018 verhängt hatte. Die Biden-Administration hatte sie im Herbst 2021 befristet teilweise ausgesetzt. Seither können Firmen aus der EU bis zu 3,3 Millionen Tonnen Stahl und bis zu 0,38 Millionen Tonnen Aluminium strafzollfrei in die Vereinigten Staaten exportieren. Die Genehmigung dafür läuft aber zum Jahresende aus. Außerdem wurden die Kontingente im vergangenen Jahr mit EU-Exporten in einem Umfang von 3,97 Millionen Tonnen Stahl und 0,67 Millionen Tonnen überschritten.[1] Noch kurz vor dem Gipfeltreffen war aus Brüssel zu hören gewesen, man sei sich sicher, zumindest eine Verlängerung der aktuellen Regelung, vielleicht gar die komplette Aufhebung der Strafzölle erreichen zu können – als kleine Geste des Entgegenkommens in Zeiten, in denen das transatlantische Bündnis in harten globalen Machtkämpfen stecke und sich keinerlei durch internen Zwist bedingte Reibungsverluste leisten könne.


Absage an die WTO

Daraus ist nichts geworden. Washington hatte als Gegenleistung von Brüssel verlangt, auf Stahlimporte aus China prinzipiell und ohne jede nähere Begründung Strafzölle in Höhe von 25 Prozent zu erheben. Dies bräche eindeutig die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Kommissionspräsidentin von der Leyen sei, so wird berichtet, „zu diesem Zugeständnis bereit“ gewesen, habe sich aber sowohl in ihrem Apparat als auch bei den Mitgliedstaaten nicht durchsetzen können.[2] Die EU-Kommission hatte deshalb zu prüfen begonnen, ob sie nicht ein Antisubventionsverfahren gegen den Import chinesischen Stahls einleiten könne. Ziel war es, eine WTO-konforme Begründung für die Verhängung von Strafzöllen möglichst nahe an den von Washington gewünschten 25 Prozent zu finden.[3] Als sicher gilt, dass ein derartiges Vorgehen den Konflikt mit China weiter eskalieren ließe; erst kürzlich hat die EU-Kommission ein Antisubventionsverfahren gegen chinesische Elektroautos eingeleitet, die vor allem deutsche Hersteller zu verdrängen begonnen haben.[4] Mit einem solchen Verfahren gaben sich nun aber die Vereinigten Staaten nicht zufrieden. Eine Einigung blieb daher, für die EU überraschend, aus. Zwar heißt es, man wolle weiter verhandeln; allerdings ist nicht klar, wie unter den gegebenen Bedingungen eine Einigung aussehen soll.


IRA-Vergünstigungen

Einen zweiten herben Rückschlag musste Brüssel am vergangenen Freitag im Streit um den Zugang von Konzernen aus der EU zu den Vergünstigungen des Inflation Reduction Act (IRA) hinnehmen. Der Sache nach geht es dabei vor allem um Interessen der Kfz-Branche in der EU. Der IRA sieht vor, dass der Kauf von Elektroautos mit lukrativen Summen staatlich bezuschusst werden kann. Voraussetzung ist aber, dass die Rohstoffe für die Batterien zu mindestens 40 Prozent aus den Vereinigten Staaten stammen; bis 2029 wird dieser Anteil auf 80 Prozent erhöht. Damit kämen europäische und insbesondere auch deutsche Kfz-Hersteller nicht in Betracht – ein ernster Nachteil im harten Wettbewerb um den Elektroautomarkt. Für die deutschen Autokonzerne wiegt dies besonders schwer: Im vergangenen Jahr verkauften sie rund 360.000 Fahrzeuge in die USA – mehr als in jedes andere Land.[5] Washington hat, um Kfz-Hersteller mit Produktionsstätten in Kanada und Mexiko nicht zu schädigen – auch US-Konzerne haben dort Standorte –, inzwischen erklärt, Rohstoffe aus Staaten, die mit den USA ein Freihandelsabkommen unterhalten, würden US-Rohstoffen gleichgestellt. Davon profitieren voraussichtlich auch Kfz-Konzerne aus Südkorea: Bereits seit 2012 ist ein Freihandelsabkommen zwischen Südkorea und den USA in Kraft.


Inspektionen bei EU-Konzernen

Als Ausweg für verbündete Länder, die kein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten unterhalten, ist ersatzweise der Abschluss eines Rohstoffabkommens geplant. Japan, dessen Handelsabkommen mit den USA nicht als Freihandelsabkommen anerkannt wird, hat ein solches Rohstoffabkommen bereits Ende März mit Washington vereinbart. Damals hieß es, es werde als Modell für weitere derartige Vereinbarungen mit der EU und Großbritannien dienen. Allerdings sei damit zu rechnen, dass Washington höhere Anforderungen etwa an Arbeitsschutzstandards stellen werde.[6] Genau das ist nun der Fall. Für das geplante Rohstoffabkommen mit der EU verlangen die USA nun unter anderem, dass sie Inspektionen in Bergwerken durchführen dürfen, aus denen europäische Unternehmen ihre Bodenschätze beziehen. Sie könnten dann, heißt es, „global gegen Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte vorgehen“; Konzerne aus der EU dürften dann „für Verstöße in von ihnen betriebenen Minen in Afrika“ von Washington „mit Sanktionen“ belegt werden.[7] Dies ist für die EU nicht akzeptabel. Die Option, mit einem transatlantischen Rohstoffabkommen die nötigen Voraussetzungen für den Zugriff europäischer Unternehmen auf attraktive IRA-Vergünstigungen zu schaffen, ist ihr also versperrt.


Transatlantische Rivalitäten

Das Scheitern der Verhandlungen um die Stahl- und Aluminium-Strafzölle und um den IRA lässt die erneute Eskalation des transatlantischen Handelskriegs erwarten, der im Herbst 2021 auf Eis, aber nicht beigelegt wurde. Setzt die US-Administration die Strafzölle wieder in Kraft, könnte die EU wie 2018 beispielsweise mit der Verhängung von Gegenzöllen auf die Einfuhr von Bourbon Whiskey, Harley Davidson-Motorrädern und Jeans antworten.[8] Die neuen Belastungen, die für die Industrie in der EU entstünden, kämen zu denen hinzu, die im Lauf der eskalierenden Machtkämpfe gegen Russland und China entstanden sind – so etwa die hohen Energiepreise in Deutschland wegen des Wegfalls russischen Erdgases oder die im Konflikt mit China aktuell drohenden Handelsbeschränkungen bei Rohstoffen wie Gallium, Germanium und Graphit. Die Option, wenigstens innerhalb des transatlantischen Bündnisses Reibungsverluste zu vermeiden, scheint nun zu scheitern – an den alten transatlantischen Rivalitäten zwischen der deutsch dominierten EU und den USA.

 

[1], [2] Moritz Koch, Annett Meiritz, Julian Olk: Gescheiterter Gipfel? EU und USA kommen handelspolitisch nicht voran. handelsblatt.com 20.10.2023.

[3] EU-Kommission prüft Strafzölle auf chinesischen Stahl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.10.2023.

[4] S. dazu Paradebranche unter Druck (II).

[5] Export. vda.de.

[6] David E. Bond, Iain MacVay, Chris Thomas, Julia Marssola, Ian Saccomanno: Will the United States’ New Critical Minerals Agreements Shape Electric Vehicle Investments? whitecase.com 28.06.2023.

[7], [8] Hendrik Kafsack: Handelsgespräche mit USA geplatzt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.10.2023.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9386


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Nahostkonflikt »Unsere Stimmen werden unterdrückt«

jungewelt.de, 26.10.2023

Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Palästina und Jordanien beklagen das Schweigen ihrer Zentrale zu Israels fortgesetzten Angriffen auf Gaza


 

Mohammed Salem/REUTERS

Ein Palästinenser sitzt vor den Trümmern eines bei einem israelischen Angriff zerstörten Hauses (Khan Younis / Gaza, 19.10.2023)


Im Folgenden dokumentieren wir ein internes Schreiben von Mitarbeitern der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) Palästina und Jordanien an die weltweiten Büros der Stiftung bezüglich deren Positionierung zum Krieg gegen Gaza, das jW am Dienstag erhalten hat.


An die Büros und die Mitarbeiter:innen der Rosa Luxemburg Stiftung weltweit.
Ein Brief aus dem Herzen der RLS Palästina und Jordanien: Die andauernde Nakba in Palästina: »Kein Raum für Zweideutigkeit im Angesicht des Genozids«.


Wir schreiben diesen Brief mit großer Dringlichkeit. Wir sind Zeug:innen eines anhaltenden Genozids in Palästina geworden, der uns sowohl als Palästinenser:innen als auch als Mitarbeiter:innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung betrifft.


Jedes Wort dieses Briefes ist für uns wichtig, und deshalb sollte dieser bis zum Ende gelesen werden. In den letzten 15 Tagen wurde alle sieben Minuten eine Palästinenser:in in Gaza getötet, darunter auch Säuglinge in Brutkästen. Diese schrecklichen Bilder brennen sich in unsere Gegenwart und unser kollektives Gedächtnis ein. Sie haben ein außerordentliches Gewicht in der Erzählung unserer Existenz als Nation, die seit 75 Jahren von ethnischer Säuberung bedroht ist. Wir spüren sehr deutlich, dass unsere Grundrechte, unsere Stimme zu erheben, unseren Schmerz zu äußern, unterdrückt werden. Die erschütternde Zahl von mehr als 5.700 Toten und über 20.000 Verletzten, von denen erschütternde 70 Prozent unschuldige Frauen und Kinder sind, sowie die Massenverhaftungen von Palästinensern (4.000 wurden in den letzten 15 Tagen im Westjordanland verhaftet – in dem, was man jetzt als »New Guantanamos« bezeichnet, leiden über 11.000 palästinensische politische Gefangene unter schweren Gewalteinwirkungen, wie z. B. gebrochenen Gliedmaßen. Lebenswichtige Güter wie Wasser, Nahrung und Strom wurden in den letzten 15 Tagen auf ein Minimum reduziert oder komplett entzogen). Hinzu kommt, dass in weniger als zwei Wochen mehr als anderthalb Millionen Bewohner des Gazastreifens gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben wurden!


Die systematische Unterdrückung der palästinensischen Stimmen und die Aufrechterhaltung der Erzählung des Unterdrückers sind entmutigend vertraut. Jüngste Beiträge, wie der auf der Instagram-Seite von RLS Global vom 19. Oktober 2023 (der nur Stunden nach dem Krankenhausmassaker gepostet wurde (bei dem innerhalb von zwei Minuten 700 Palästinenser getötet wurden), der die Worte des Direktors von RLS in Tel Aviv wiedergibt, unter dem Titel»Inmitten des Schreckens durchbrechen progressive Stimmen in Israel-Palästina die Logik der Eskalation«, lassen uns fragend zurück: Welche palästinensischen Stimmen? Unsere Stimmen werden zum Schweigen gebracht, ihnen wird eine Plattform verweigert, um gehört zu werden. Dies ist unsere nackte Realität. Wir haben die Entfernung dieses Beitrags beantragt, da er uns nicht repräsentiert und wir ihn als Affront und entmenschlichend betrachten. Er wurde gelöscht. Seit 75 Jahren wehren wir uns gegen diese Ungerechtigkeit. Wir führen unseren Kampf seit den Anfängen der Kolonialisierung Palästinas. Unsere Stimmen wurden und werden unterdrückt, unsere Geschichten totgeschwiegen und unsere Existenz marginalisiert. Trotz alledem wird die Welt auf unsere anhaltende Notlage aufmerksam.


Hunderttausende von Menschen in ganz Europa, in der Welt, gehen auf die Straßen, um ein Ende des anhaltenden Genozids in Palästina zu fordern. Was uns zutiefst beunruhigt, ist die Tatsache, dass wir selbst in unserer eigenen Organisation, die seit jeher linksradikale Ideale vertritt, keinen Raum haben. Bedauerlicherweise hat unsere Zentrale den anhaltenden Genozid in Palästina noch nicht eindeutig verurteilt. Dieses Schweigen ist beunruhigend, insbesondere, weil wir palästinensische Kolleg:innen und Partner haben, die in Gaza leben. Wir leben in ständiger Angst um ihr Leben. Und mit jeder Minute, die dieser von Israel ausgeübte Genozid andauert, steigt die Gefahr für ihr Leben.


Wie kann dieses Schweigen mit unserem gemeinsamen Engagement für Gerechtigkeit und den
Kampf gegen Unterdrückung in Einklang gebracht werden? Wie kann eine Organisation, die sich stets gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung eingesetzt hat, zögern, eine entschiedene Haltung gegen diese schweren Verbrechen einzunehmen, die gegen unser Volk begangen werden? In den letzten Tagen haben wir eine weltweite Welle der Solidarität für die palästinensische Sache erlebt, und wir hofften, dass die RLS, die tief im Radikalismus verwurzelt ist, sich dieser wachsenden Welle der revolutionären Verantwortung und Gerechtigkeit anschließen würde.

Wir sind uns der Herausforderungen bewusst, die das Eintreten für die palästinensische Sache mit sich bringt. Insbesondere angesichts des wachsenden Rechtsextremismus in Europa und weltweit. Als Verfechter:innen des Sozialismus glauben wir jedoch, dass es eine moralische Pflicht ist, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, die über alle Hindernisse hinausgeht, denen wir begegnen könnten. Wir wenden uns mit diesem Brief an alle unsere geschätzten Kolleginnen und Kollegen in den Rosa-Luxemburg-Büros weltweit und bitten Sie inständig, Ihre Stimme zu erheben und gegen den Genozid in Palästina aufzustehen.


Wir beobachten derzeit, dass sich die westlichen Medien in erster Linie auf die Verurteilung der
Hamas konzentrieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die derzeitige Krise in Gaza nicht nur auf das jüngste Massaker (7. Oktober 2023) zurückzuführen ist. Es muss im Kontext des historischen Kampfes des palästinensischen Volkes seit 1948 verstanden werden.

Der Gazastreifen wird seit 16 Jahren belagert und hat im Laufe der Jahre zahlreiche israelische
Angriffe überstanden. Leider waren die Erklärungen oder Artikel der verschiedenen RLS-Büros, aus dem Nordafrika-Büro in Tunis oder dem Büro in Tel Aviv, für uns sehr entmutigend. Auf der RLS-Hauptseite vom 10. Oktober 2023 wurde zum Beispiel nicht auf das Ausmaß des Unrechts
eingegangen. Sie sprach in unserem Namen von »beiden Seiten« und vermied Begriffe wie
»Kriegsverbrechen«, »Kolonisierung«, »Genozid« oder »Belagerung« in bezug auf die anhaltenden Greueltaten gegen das palästinensische Volk. In diesen turbulenten Zeiten ist es eine bittere Ironie, dass israelischen Stimmen, die von unserem Volk als (Stimmen der, jW) Unterdrücker und Besatzer wahrgenommen werden, uneingeschränkter Raum für ihre Erzählungen gewährt wird und die Stimmen der Besetzten übertönt werden. Wir haben zahllose Fälle erlebt, in denen unsere Stimmen zum Schweigen gebracht und ausgelöscht wurden. Am schlimmsten ist es, wenn uns systematisch die Stimme verweigert wird und unser kollektives Leiden in den Annalen eines der dunkelsten und groteskesten Kapitel der Menschheitsgeschichte in Vergessenheit gerät.

Die Verstöße umfassen Folgendes, wie z. B. den Einsatz von weißem Phosphor, den Einsatz von
Hunger zum Zwecke, Menschen umzubringen, den Entzug von Wasser, Strom und Medikamenten für mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen, organisierte Angriffe durch zionistische Siedler:innen im Westjordanland. Unser Volk wird in den palästinensischen Lagern und in der Diaspora systematisch zum Schweigen gebracht, und sein Grundrecht auf Rückkehr wird ihm verweigert. Diese Unterdrückung eskaliert weiter und belastet uns mit der unerträglichen Last der Ungerechtigkeit.


Eine grundlegende Art und Weise, wie der Westen mit zweierlei Maß misst, ist die falsche
Gleichwertigkeit, ein Narrativ, das »beide Seiten« fälschlicherweise als gleichwertig darstellt und die massive Machtasymmetrie zwischen dem Staat Israel und der verstreuten palästinensischen Bevölkerung verschleiert. Sie sind nicht gleich; der eine dominiert, der andere wird dominiert; der eine kolonisiert, der andere wird kolonisiert.


Mit Einigkeit und unerschütterlicher Entschlossenheit fordern wir die RLS weltweit auf, sich dem weltweiten Aufschrei nach einem Ende des anhaltenden Genozids anzuschließen und sich
entschlossen mit Ihren palästinensischen Kolleg:innen zu solidarisieren. Wir hoffen, dass die
Geschichte diesen Akt des revolutionären, gerechten und entschieden sozialistischen Engagements feiern wird.


Wir stehen gegen Ungerechtigkeit und Kolonialismus und unterstützen den Willen des Volkes zur Befreiung. Wir stehen an der Seite unserer Partner, die uns aufgrund ihrer politischen Ausrichtung und gemeinsamer politischen Praxis immer vertraut haben. Wir wenden uns dagegen, dass Palästinenser:innen ihrer Handlungsfähigkeit beraubt werden, und gegen das Narrativ, das die Palästinenser:innen ausschließlich als Opfer darstellt.


Abschließend berufen wir uns auf den Geist von Rosa Luxemburg, die verkündete: »Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.«


Mit freundlichen Grüßen,
Die Mitarbeiter:innen der RLS Palästina und Jordanien.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/461839.nahostkonflikt-unsere-stimmen-werden-unterdr%C3%BCckt.html


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Meinungsfreiheit: Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz

nachdenkseiten.de, 25. Oktober 2023 um 13:00 Ein Artikel von: Redaktion

Der Rechtsanwalt Peter Schindler und der Jurist und Autor Alexander Unzicker haben Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eingereicht. Hintergrund der Klage sei die Tatsache, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am 22.05.2023 im ARD-/ZDF-Morgenmagazin historische Tatsachen, etwa dass „Russland den Krieg in der Ukraine auch führt, weil eigene Sicherheitsinteressen verletzt worden sind durch den Westen“ als „russisches Narrativ“ abqualifiziert habe, so die Kläger. Wir dokumentieren hier die zugehörige Erklärung und verlinken die Klageschrift.

Die Klageschrift und ein Transkript der hier behandelten Sendung des ARD-/ZDF-Morgenmagazins vom 22.05.2023 werden am Ende des Artikels verlinkt. Hier folgen zunächst Zitate aus der Presseerklärung von Peter Schindler und Alexander Unzicker vom 19.10.2023:

„Haldenwang sieht durch die Verbreitung „russischer Narrative“, zu denen auch gehört, dass „der Westen die NATO ausweiten will, „tatsächliche Angriffe auf die Demokratie“ sowie eine Destabilisierung des demokratischen Systems in Deutschland. Darüber hinaus konstruiert der Präsident des Verfassungsschutzes in diesem Interview einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung dieser vermeintlichen „russischen Narrative“ einerseits und einer russischen Desinformationspropaganda, der AfD und Rechtsextremismus andererseits.

Eine von den beiden Klägern geforderte Richtigstellung und Unterlassungserklärung lehnte das Bundesamt für Verfassungsschutz unter anderem unter dem Hinweis, dass der verwendete Begriff „Narrativ“ doch nur als eine „sinnstiftende Erzählung“ gemeint sei, der nichts über den Wahrheitsgehalt der Aussage aussage, ab. Eine einfache Google-Recherche unter dem Stichwort „russische Narrative“ und die zahlreichen etwa von der Bundesregierung veröffentlichten Warnungen hiergegen widerlegen diese Schutzbehauptung schnell und gründlich.

Schindler und Unzicker sehen sich in ihren Grundrechten auf den geschützten sozialen Geltungsanspruch und die Meinungsfreiheit verletzt, da sie sich allein durch die Verbreitung von wahren historischen Tatsachen dem absurden Vorwurf des Verfassungsschutzes ausgesetzt sehen, sich als Verbreiter von das demokratische System destabilisierenden „russischen Narrativen“ an russischer Desinformationspropaganda zu beteiligen und sie auch noch in einen vom BfV abstrus konstruierten Kontext mit Rechtsextremismus gebracht werden.

Unter diesen Verdacht gestellt, gehört seit seiner Rede am 07.09.2023 vor dem Europäischen Parlament dann wohl auch der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der nicht nur die seit 1997 von zahlreichen prominenten Wissenschaftlern, Politkern und Militärangehörigen aus USA und Deutschland geäußerte Meinung zum Vorfeld des Russland-/Ukraine-Kriegs, sondern auch die Absicht der NATO, diese auszuweiten, gleich mehrfach ausdrücklich bestätigte.

Von der eigenen Grundrechtsverletzung der Kläger abgesehen, hat die Klage gegen den Verfassungsschutz ganz erhebliche grundsätzliche Bedeutung für die Meinungsfreiheit, zumindest hier in Deutschland.

Sowohl Bestrebungen der EU wie auch des deutschen Staates zielen darauf ab, „Desinformationen“ zu unterbinden. Dieser Begriff ist nicht nur äußert dehnbar und weist eine verfassungswidrige Unschärfe auf, sondern wird geradezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn wahre belegbare historische Tatsachen als Teil einer Desinformationspropaganda eingestuft und die Verbreiter dieser Tatsachen ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Dann nämlich ist exakt der Zustand erreicht, den George Orwell in seinem dystopischen Roman ‚1984‘ beschrieben hat.

Wie wichtig die Klage von Schindler und Unzicker ist, beweist auch ganz aktuell die „Westminister Declaration“, die von 137 Vertretern aus Wissenschaft, Kultur und Medien unterschrieben worden ist – Ein offener Diskurs ist der Grundpfeiler einer freien Gesellschaft: „Wir schreiben als Journalisten, Künstler, Autoren, Aktivisten, Technologen und Wissenschaftler, um vor der zunehmenden internationalen Zensur zu warnen, die jahrhundertealte demokratische Normen zu untergraben droht.“

Die Klageschrift findet sich unter diesem Link.


Das Transkript der hier behandelten Sendung des ARD-/ZDF-Morgenmagazins vom 22.05.2023 findet sich unter diesem Link

Titelbild: photobyphotoboy/ Shutterstock


Rubriken: Erosion der Demokratie Strategien der Meinungsmache


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Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105790


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Israel in seinen eigenen Worten

aus e-mail von Doris Pumphrey, 25. Oktober 2023, 16:03 Uhr


*Benjamin Netanyahu*, damaliger Premier Minister, sagte am 19. November

1989 in einer Rede an der Bar-Ilan-Universität: "Israel hätte die

Unterdrückung der Demonstration in China ausnützen sollen, als die

Aufmerksamkeit der Welt sich auf dieses Land konzentrierte, um eine

Massenvertreibung der Palästinenser aus den besetzten Gebieten

auszuführen." (Quelle: Die israelische Zeitung Hotam vom 24.November 1989)

25.10.2023

Vijay Prashad: Soll Palästina in die Hölle geschickt werden?

Fliehende Palästinenser nach israelischer Bombardierung im Gazastreifen. Bild: Screenshot Democracy Now

telepolis.de, 25. Oktober 2023

Israel will jeglichen palästinensischen Widerstand gegen das Besatzungsregime zerschlagen. Das Projekt sei älter als der 7. Oktober, sagt der Historiker. Was nun? Gastbeitrag.

Eine Fahrt entlang des Jordantals im besetzten palästinensischen Gebiet (OPT) im Westjordanland ist ein beeindruckendes Erlebnis. Die Straße heißt offiziell Highway 90. Das Acker- und Bewässerungsland entlang dieser Straße wird militärisch und illegal von israelischen Siedlern gehalten, von denen viele eigentlich keine israelischen Bürger sind, sondern aus der jüdischen Diaspora stammen.


Vijay Prashad ist ein indischer Historiker, Redakteur und Journalist.


Ein im Jahr 2022 veröffentlichter Bericht der Kommission der Vereinten Nationen hat gezeigt, dass diese Siedlungstätigkeit ein Verbrechen gegen die internationalen Menschenrechtsnormen darstellt (Transfer von Bevölkerung in ein besetztes Gebiet). Die israelischen Siedler und das israelische Militär, das sie verteidigt, nennen den Highway 90 "Derekh Gandhi" oder "Gandhis Straße".

Als ich vor über einem Jahrzehnt zum ersten Mal diese Straße entlangfuhr, war ich über den Namen Gandhi verwundert. Mahatma Gandhi war ein Führer des indischen Freiheitskampfes und hatte bei vielen Gelegenheiten – wie etwa in seinem Artikel "Die Juden" von 1938 – seine Sympathie und Solidarität mit dem palästinensischen Volk zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich ist die Straße, die durch das Westjordanland führt – ein wichtiger Teil des geplanten palästinensischen Staates – nach Rehavam Ze'evi benannt, der ironischerweise den Spitznamen Gandhi erhielt.

Ze'evi war Vorsitzender der Partei der Nationalen Union, in der die gefährlichsten Strömungen der israelischen Rechtsextremisten vertreten sind. Als Vorsitzender dieser Partei und davor von Moledet trat Ze'evi für die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gebiet ein, das er als israelisches Land betrachtete (Ostjerusalem, Gaza und Westjordanland).

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Er befürwortete die Schaffung von Eretz Israel, das sich vom Jordan bis zum Mittelmeer erstrecken sollte. Im März 2001 sagte Ze'evi, der später der sexuellen Belästigung und der Beteiligung an der organisierten Kriminalität beschuldigt wurde, der Zeitung The Guardian: "Es ist kein Mord, potenzielle Terroristen oder solche, die Blut an den Händen haben, loszuwerden. Jeder eliminierte Terrorist ist ein Terrorist weniger, den wir bekämpfen müssen".

Einige Monate später zeigte Ze'evi, dass er keinen Unterschied zwischen den Palästinensern macht, indem er sie alle als "Krebsgeschwür" bezeichnete und sagte: "Ich glaube, dass es in unserem Land keinen Platz für zwei Völker gibt. Die Palästinenser sind wie Läuse. Man muss sie wie Läuse ausrotten."

Er wurde im Oktober 2001 von Kämpfern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) erschossen. Der Name der Straße, die das Westjordanland durchquert – in den Osloer Verträgen von 1993 wurde sie einem palästinensischen Staat versprochen – trägt immer noch Ze'evis Namen.

Ze'evi wurde von PFLP-Kämpfern ermordet, weil die israelische Armee ihren Anführer Mustafa Ali Zibri durch den Abschuss von zwei Marschflugkörpern auf sein Haus in Al-Bireh (Palästina) getötet hatte. Die Ermordung von Zibri war kein Einzelfall.

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Telepolis

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Sie war Teil des Plans des israelischen Premierministers Ariel Sharon, die Palästinensische Autonomiebehörde, die zur Verwaltung der Osloer Abkommen geschaffen wurde, "zum Scheitern zu bringen" und "sie alle zur Hölle zu schicken". Neben der Ermordung von Zivilisten in regelmäßigen Abständen tötete die israelische Regierung ab Juli 2001 vier politische Führer (den Führer des Islamischen Dschihad, Salah Darwazeh, und den Hamas-Führer Jamal Mansour im Juli, dann den Hamas-Führer Amer Mansour Habiri und den Fatah-Führer Emad Abu Sneineh im August).

Nach der Ermordung von Zibri ermordeten die Israelis im November den Hamas-Führer Mahmoud Abu Hanoud. "Wer auch immer grünes Licht für diesen Akt der Liquidierung gegeben hat", schrieb der Militärkorrespondent Alex Fishman in Yediot Ahronot, "wusste genau, dass er damit das Gentleman's Agreement zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde mit einem Schlag zerschlägt; gemäß dieser Vereinbarung sollte die Hamas in naher Zukunft Selbstmordattentate innerhalb der Grünen Linie [Israels Grenzen vor 1967] vermeiden."

Heiße Gewalt, kalte Gewalt

Jahrhundertelang lebten palästinensische Christen, Muslime und Juden Seite an Seite in den Gebieten, die später zu Israel und den OPT gehören sollten, darunter auch im Jordantal. Seit der Vertreibung der palästinensischen Christen und Muslime und der Ankunft der europäischen Juden arbeitete der Rechtsapparat – oder die "kalte Gewalt", wie der Schriftsteller Teju Cole es nennt – gemeinsam mit paramilitärischer und militärischer Gewalt gegen die Palästinenser, um die Fantasie eines ethno-nationalistischen Staatsprojekts (des "Jüdischen Staates", wie es damals genannt wurde) zu schaffen.

Die Eliminierung der nicht-jüdischen Palästinenser war der Schlüssel zu diesem Projekt, entweder durch Massaker (Deir Yassin 1948) oder durch die vollständige Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus ihrem Land (die Nakba 1948). Die Massaker und Bevölkerungstransfers gingen einher mit der Leugnung der Realität Palästinas und des palästinensischen Volkes.

Der Nachfolger von Ze'evi, der derzeitige Finanzminister Bezalel Smotrich, sagte im März dieses Jahres: "Es gibt keine Palästinenser, weil es kein palästinensisches Volk gibt." Dies ist keine Meinung, die als rechtsextreme Tirade abgetan werden kann.

Das Likud-Mitglied Ofir Akunis, Minister für Wissenschaft und Technologie, sagte vor drei Jahren: "Im Westen Israels gibt es keinen Platz für irgendeine Formel zur Gründung eines palästinensischen Staates." Die Formulierung "Westisrael" ist eine erschreckende Aussage über den israelischen Konsens zur vollständigen Annexion des Westjordanlandes unter Missachtung des Völkerrechts.

Der Fokus auf den Gazastreifen ist zentral. Die israelische "heiße Gewalt" ist extrem, die Zahl der Todesopfer unter den Palästinensern – fast die Hälfte davon sind Kinder in Gaza – liegt bei über 5.000. Die israelische Landinvasion wurde vorerst durch die Gegenkraft des palästinensischen Widerstands gestoppt.

Dieser wird jeden israelischen Soldaten bekämpfen, der in die Ruinen von Gaza eindringt. Vor dem israelischen Einmarsch fuhren 450 Lastwagen mit Versorgungsgütern für die 2,3 Millionen Einwohner in den Gazastreifen ein. Als am 21. Oktober neun Lastwagen der Vereinten Nationen und elf Lastwagen des ägyptischen Roten Halbmonds den Gazastreifen erreichten, wurde das als Sieg gewertet.

Amnesty International untersuchte nur fünf Bombardierungen der Israelis und fand Beweise für Kriegsverbrechen, die den Internationalen Strafgerichtshof alarmieren sollten, seine Akte über israelische Gräueltaten wieder zu öffnen. Das sollte auch das Verbrechen der kollektiven Bestrafung durch die Unterbrechung der Wasser- und Stromversorgung des Gazastreifens, die Bombardierung der Zufahrtsstraßen zum Rafah-Übergang nach Ägypten und die Bombardierung des Rafah-Übergangs selbst umfassen.

Großdemonstrationen in der ganzen Welt fordern einen Waffenstillstand (das Mindeste) und ein Ende der Besatzung. Israel ist daran nicht interessiert. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärte vor dem Parlament, dass seine Streitkräfte einen Drei-Punkte-Plan haben – die Hamas zu zerstören, die anderen palästinensischen Gruppierungen zu vernichten und ein neues "Sicherheitsregime" in Gaza zu schaffen.


Das palästinensische Volk – und nicht nur die bewaffneten Gruppierungen – leistet entschlossenen Widerstand gegen die israelische Besatzung. Die einzige Möglichkeit, wie Gallants neues "Sicherheitsregime" funktionieren könnte, wäre die Auslöschung dieses Widerstands, d. h. die Entfernung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen entweder durch Massaker oder durch Enteignung.

Die Vereinigten Staaten schließen sich diesem Vernichtungsplan an: In einem Memorandum des US-Außenministeriums heißt es, dass die Diplomaten der USA keine Ausdrücke wie "Deeskalation", "Waffenstillstand", "Ende der Gewalt", "Ende des Blutvergießens" und "Wiederherstellung der Ruhe" verwenden dürfen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Vijay Prashad ist Stipendiat und Chefkorrespondent bei Globetrotter. Er ist Herausgeber von LeftWord Books und Direktor von Tricontinental: Institute for Social Research. Er ist Senior Non-Resident Fellow am Chongyang Institute for Financial Studies der Renmin University of China. Er hat mehr als 20 Bücher geschrieben, darunter "The Darker Nations und The Poorer Nations". Seine jüngsten Bücher sind "Struggle Makes Us Human: Learning from Movements for Socialism" und (mit Noam Chomsky) "The Withdrawal: Iraq, Libya, Afghanistan, and the Fragility of U.S. Power".

Lesen Sie auch:Gaza-Krieg: Gewalt und Chaos in Nahost sind nicht alternativlos

Telepolis
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Info: https://www.telepolis.de/features/Vijay-Prashad-Soll-Palaestina-in-die-Hoelle-geschickt-werden-9343663.html?seite=all


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Ausgewähltes zu Israel u.a. Russland /UNO/Hisbollah

aus e-mail von Doris Pumphrey, 25. Oktober 2023, 14:40 Uhr


https://freeassange.rtde.life/international/184800-medien-israels-spoofing-von-gps/

24.10.2023

*Medien: Israels Störung von GPS-Signalen gefährdet kommerzielle Flüge

*

(...) Israel verschleiert und verfälscht die GPS-Signale über einem

Großteil seines Luftraums im Norden, um sich vor Raketenangriffen der

libanesischen Hisbollah-Gruppe zu schützen. Doch dies gefährdet auch die

Sicherheit ziviler Flugzeuge, schreibt die Zeitung /Politico/.


Ein Forscherteam der University of Texas in Austin, USA, das GPS-Signale

in der Region verfolgt, stellte

<https://www.politico.com/news/2023/10/23/israels-gps-tampering-deter-hezbollahs-missiles-00123026

fest, dass nach dem Angriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober

Flugzeuge, die in der Nähe des Mittelmeers flogen, in vielen Teilen des

Landes kurzzeitig nicht mehr in elektronischen Navigationssystemen

sichtbar waren. Den Forschern zufolge ist dies ein Anzeichen für

"GPS-Spoofing", also für das Verfälschen oder Verschleiern von Orten des

momentanen Aufenthalts. Laut Professor Todd Humphreys von der University

of Texas könnten davon auch Hunderte von großen kommerziellen Flügen

betroffen sein.


In dem Artikel wurde auch der GPS-Spoofing-Vorfall in der Nähe von Irak

und Iran im September als Beispiel erwähnt. Damals hätte die Störung

beinahe dazu geführt, dass ein Flugzeug ohne Genehmigung in den

iranischen Luftraum eingedrungen wäre. Nach Angaben der OpsGroup kam es

für eine Reihe von Flugzeugen zu einem vollständigen Ausfall ihres

Navigationssystems, nachdem die Maschinen verfälschte GPS-Signale

empfangen hatten. GPS-gesteuerte Raketen können ebenfalls vom

vorgesehenen Kurs abkommen, so dass es schwierig ist zu bestimmen, wo

sie einschlagen werden. Dies könnte zusätzliche Risiken für die

Zivilbevölkerung mit sich bringen, schreibt /Politico/.

/Bloomberg/ berichtete, dass Google Maps auf Wunsch Israels keine

Verkehrsstaus im Land und im Gazastreifen mehr anzeigen wird, um die

Bewegungen der israelischen Truppen während der Bodenoperation in der

Enklave nicht zu verraten. (…)



https://freedert.online/der-nahe-osten/184876-israel-kritisiert-rolle-russlands-im/

25.10.2023

*Israel kritisiert Russlands Rolle in Nahost-Krieg

*

Wie die /Times of Israel/ unter Berufung auf das israelische

Außenministerium berichtet, habe die Behörde ihren Unmut über die

Haltung Russlands zum Konflikt zwischen Israel und der Hamas zum

Ausdruck gebracht. Moskaus vorgeschlagene Resolution im

UN-Sicherheitsrat habe unter anderem keine "ausdrückliche Verurteilung"

der Hamas enthalten und Israels Vorgehensweise im Feldzug gegen die

Hamas verurteilt.


"Das Verhalten Russlands und die Äußerungen gegenüber Israel entsprechen

nicht der Schwere der Situation, in der sich Israel befindet, nämlich

einem Kriegszustand", zitiert die Zeitung israelische Diplomaten.


Israel sei "einem Angriff ausgesetzt worden, der in seiner Brutalität

beispiellos war", und habe das Recht auf Verteidigung, sagte Wladimir

Putin am 13. Oktober, rund eine Woche nach dem Angriff der Hamas, bei

dem mehr als 1.300 Menschen getötet wurden. Putin wies jedoch darauf

hin, dass wahrer Frieden nur erreicht werden könne, wenn die

Palästinenser einen eigenen Staat hätten. Er riet Israel, nicht mit

Brutalität zu reagieren, und wies darauf hin, dass in Gaza rund zwei

Millionen Zivilisten lebten, von denen nicht alle die Hamas unterstützten.


Am Dienstag forderten israelische Diplomaten den Rücktritt von

UN-Generalsekretär António Guterres, nachdem er dem Sicherheitsrat

mitgeteilt hatte, dass "die Angriffe der Hamas nicht in einem Vakuum

geschehen sind". Die Palästinenser seien "56 Jahre lang einer

erdrückenden Besatzung ausgesetzt gewesen". Daraufhin warf der

israelische UN-Botschafter Gilad Erdan Guterres vor, er zeige

"Verständnis für eine Kampagne des Massenmordes an Kindern, Frauen und

alten Menschen". "Es ist wirklich traurig, dass der Leiter einer

Organisation, die nach dem Holocaust entstanden ist, solch schreckliche

Ansichten vertritt", schrieb Erdan in einem Beitrag auf X.

Israels Außenminister Eli Cohen kündigte an, ein geplantes Treffen mit

Guterres abzusagen, und fügte hinzu: "Nach dem 7. Oktober gibt es keinen

Platz mehr für eine ausgewogene Position."



https://freedert.online/international/182960-updates-zur-gaza-israel-eskalation/

24.10.2023

*Nach Kritik an Israels Angriffen auf Gaza: Israelischer UN-Botschafter

fordert Guterres zum Rücktritt auf*


Israels Botschafter bei der UN, Gilad Erdan, hat deren Generalsekretär

António Guterres nach seiner Kritik an Israels Angriffen auf den

Gaza-Streifen und seinen Aussagen zu den Hintergründen der

Hamas-Angriffe zum Rücktritt aufgefordert. Auf X/Twitter behauptete

Erdan, Guterres zeige "Verständnis für den koordinierten Massenmord an

Kindern, Frauen und Alten und sei nicht in der Lage, die Uno zu führen":

/"Es gibt keine Rechtfertigung und keinen Grund, mit denjenigen zu

sprechen, die Mitgefühl für die schrecklichsten Gräueltaten gegen die

Bürger Israels und das jüdische Volk zeigen. Es gibt einfach keine Worte."/

Israels Außenminister Eli Cohen kündigte nach Guterres Aussagen außerdem

an, dass er ein geplantes Treffen mit dem UN-Generalsekretär nicht

wahrnehmen werde. Auf X/Twitter schrieb Cohen: /"Ich werde mich nicht

mit dem UN-Generalsekretär treffen. Nach dem Massaker vom 7. Oktober

gibt es keinen Platz mehr für einen ausgewogenen Ansatz. Die Hamas muss

vom Antlitz des Planeten getilgt werden!"/



https://freedert.online/international/182960-updates-zur-gaza-israel-eskalation/

25.10.2023

*Hisbollah-Chef trifft Anführer von Hamas und Islamischem Dschihad*

Der Hisbollah-Chef hat sich mit den Chefs der palästinensischen Gruppen

Hamas und Islamischer Dschihad getroffen, berichtete der

Fernsehsender/al-Manar/.


Hassan Nasrallah habe sich mit dem stellvertretenden Hamas-Anführer

Saleh al-Arouri und mit Ziyad an-Nachala, dem Generalsekretär des

Islamischen Dschihad in Palästina (PIJ) getroffen, um zu erörtern, was

ihr Bündnis tun müsse, um "einen echten Sieg des Widerstands" im

Gazastreifen zu erreichen, berichtete der von der Hisbollah betriebene

Sender.

"Das Treffen ... bewertete die international eingenommenen Positionen

und was die Achse des Widerstands tun muss", lautet eine Schlagzeile auf

/al-Manar/, die sich auf ein Bündnis aus Iran, Syrien, den bewaffneten

palästinensischen Gruppen, der libanesischen Hisbollah und anderen

Gruppierungen bezieht.


In einem am Dienstag in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag

erklärte der Hisbollah-Funktionär Scheich Qassem, dass die Hisbollah

"den Finger am Abzug" habe, um den Gazastreifen zu verteidigen und sich

den "Besatzern Palästinas" entgegenzustellen.

Er sagte zudem, "dass die Vereinigten Staaten und Europa für die

Gräueltaten, die das zionistische Regime an Kindern und Frauen in Gaza

verübt, zur Rechenschaft gezogen werden sollten".


Israel droht ein Mehrfrontenkrieg. Es herrschen allerdings weiterhin

Zweifel, ob die iranische Führung in Teheran derzeit großes Interesse

daran hat, Israel in einen Mehrfrontenkrieg zu verwickeln und damit

womöglich einen großen regionalen Krieg vom Zaun zu brechen.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.



25.10.2023

Ausführlicher: Hamas-Geisel Yosheved Livshitz

aus e-mail von Doris Pumphrey, 25. Oktober 2023, 14:20 Uhr


https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/unglaubliche-bilder-hamas-geisel-gibt-bei-freilassung-terroristen-die-hand-und-sagt-shalom-li.2152295


*/Hier noch einmal das Video ausführlicher und viel bessere Qualität:

/**/https://www.youtube.com/watch?v=3Cj3Sq9eG04 

<https://www.youtube.com/watch?v=3Cj3Sq9eG04>


/**Unglaubliche Bilder: Hamas-Geisel gibt bei Freilassung Terroristen

die Hand und sagt Schalom


*Yosheved Livshitz, 85, spricht von der Hölle am Tag der Entführung, in

Gaza aber sei sie gut behandelt worden. Nun wird über die Bedeutung der

Aussagen debattiert.


Es ist eine unglaubliche Geste. Yosheved Livshitz, eine der israelischen

Geiseln der palästinensischen Terrororganisation Hamas, dreht sich bei

ihrer Freilassung in der Nacht von Montag auf Dienstag zu einem

vermummten und bewaffneten Hamas-Mitglied um, gibt ihm die Hand und

sagt: „Schalom“. Das ist das hebräische Wort für Frieden. Ein

entsprechendes Video hat die britische Zeitung Guardian veröffentlicht

<https://www.theguardian.com/world/2023/oct/24/freed-gaza-hostages-named-yocheved-lifshitz-nurit-cooper>.

Und der Terrorist, ein Gewehr um den Hals, ergreift die Hand der alten

Dame, er nickt mit dem Kopf, scheint sich vor ihr zu verneigen. Als sie

einander losgelassen haben, hebt er die Hand zum Gruß.


Die 85 Jahre alte Yosheved Livshitz wurde zusammen mit Nurit Yitzhak,

79, freigelassen. Ein Deal, der mithilfe von Ägypten und Katar zustande

gekommen sei, wie die britische Zeitung Guardian schreibt. Die

Freilassung fand an dem Grenzübergang Rafah statt, im Süden Gazas, nach

Ägypten. Ein Krankenwagen nahm die beiden Frauen dort in Empfang.


In einem Fernsehinterview in Israel

<https://www.berliner-zeitung.de/topics/israel> beschreibt Yosheved

Livshitz später den Tag ihrer Entführung am 7. Oktober als Hölle. Die

Terroristen seien durch einen Zaun im Kibbuz Nir Oz gekommen, hätten

wahllos getötet, sie selbst sei über den Rücksitz eines Motorrads

gelegt, gefesselt und mit einem Stock geschlagen worden, habe schwer

atmen können, so übersetzt es ihre Tochter bei der Pressekonferenz in

einem Krankenhaus in Tel Aviv. Der Oberkörper hing zu einer Seite

herunter, die Beine zur anderen. Dann hätten sie lange durch

unterirdische Gänge laufen müssen. Dieser Albtraum wiederhole sich

ständig in ihrem Kopf. Ihr Mann Oded, 83 Jahre alt, ist noch immer in

der Hand der Hamas <https://www.berliner-zeitung.de/topics/hamas>. Die

Eheleute waren laut ihrer Familienmitglieder Menschenrechtsaktivisten,

die sich für die Behandlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen

<https://www.berliner-zeitung.de/topics/gazastreifen> in israelischen

Krankenhäusern einsetzen.


In Gaza angekommen, sei ihnen gesagt worden, sie, die Entführer, seien

Muslime, sie würden ihnen nichts tun, sagt Yosheved Livshitz. „Wir waren

zu fünft, jedem von uns war eine Wache zugeteilt, sie haben uns gut

behandelt, sich um alles gekümmert. Es gab Frauen, die wissen, was

weibliche Hygiene bedeutet.“ Sie hätten sichergestellt, dass die Geiseln

alles haben. Dass die Toiletten sauber gewesen seien. „Sie haben sie

sauber gemacht, nicht wir.“ Und weiter: „Sie waren sehr gütig, das muss

man sagen.“ Sie hätten dasselbe Essen bekommen wie ihre Wachen:

Pita-Brot, Käse, eine Gurke. Das sei das Essen für den ganzen Tag

gewesen. Auf die Frage, warum sie dem Terroristen die Hand geschüttelt

habe, sagt sie: „Weil sie uns gut behandelt haben.“


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.



25.10.2023

Selenskij -Israel / Selenskij -EU

aus e-mail von Doris Pumphrey, 25. Oktober 11:49 Uhr


*Selenskij allein zu Haus - Warum der ukrainische Präsident in Israel

nicht willkommen ist

*/Von Rainer Rupp

/

Seit dem Al-Aksa-Sturm der Hamas am 7. Oktober gegen Israel ist ein Sieg

der Ukraine gegen Russland noch unmöglicher geworden. Wie das mit der

Tatsache zusammenhängt, dass der ukrainische Präsident Wladimir

Selenskij wahrscheinlich der einzige Jude der Welt ist, dem die

israelische Regierung die Einreise verweigert, erklärt nachfolgender

Artikel.


Obwohl Selenskij alle im Westen verfügbaren, politischen Hebel in

Bewegung gesetzt hat, um nach Israel zu fliegen und dort dem Staat der

Juden im Namen der Ukraine bedingungslose Unterstützung und

unzerbrechliche Solidarität zu versichern, bekommt er immer wieder eine

Absage. Zugleich werden ganze Heerscharen von Politikern des kollektiven

Westens in Israel willkommen geheißen, um dort ihren Treueeid zu

leisten. Nur Selenskij muss zu Hause bleiben. Dabei müsste – ideologisch

gesehen – der Rechtsextremist und Russenhasser Selenskij eigentlich den

ebenfalls rechtsradikalen Extremisten in der aktuellen israelischen

Regierungsriege mehr als willkommen sein. Letztere aber hatten die List,

die hinter dem Besuchswunsch ihres ukrainischen Gesinnungsgenossen

steckt, sofort erkannt.


Selenskij wird von der berechtigten Angst getrieben, dass die Ukraine in

Bezug auf Waffenlieferungen in Zukunft hinter Israel zurückstehen muss.

Infolge der bisherigen Ukraine-Hilfen sind die Reserven der

US/NATO-Armeen knapp und die Lager leer geworden, vor allem bei

Hochtechnologie-Waffen, aber auch bei gewöhnlichen 155-mm-Granaten. Mit

Waffen aus beiden Kategorien, vor allem aber mit weitreichender,

zielgenauer Raketen-Artillerie wie die HIMARS- und ATACAM-Systeme

(letztere mit Reichweiten von 300 km und mehr) wird Israel dringend

seine Vorräte aufstocken wollen, denn es muss damit rechnen, dass der

Krieg sich über Gaza hinaus auf mehrere Fronten ausweitet.

/Hier weiterlesen:

/https://freeassange.rtde.life/meinung/184765-ganz-reale-ukrainische-albtraum/



https://lostineu.eu/ukraine-will-europas-waffenfabrik-werden/

24.10.2023

*Ukraine will EUropas Waffenfabrik werden


Die Ukraine will nach dem Krieg mit Russland zum führenden

Waffenproduzenten in der EU aufsteigen. Eine provozierende

Positionierung – nicht nur für Moskau.*


Kiew habe weit reichende Pläne, erklärte Regierungschef Denys Schmyhal

vor einem Deutschland-Besuch. Dabei gehe es nicht nur um die

Landwirtschaft und die Energie, sondern auch um die Rüstung. Aus einem

Gastbeitrag in der FAZ:

"Nach dem Krieg plant die Ukraine, mit einem umfassenden Programm zum

Aufbau einer eigenen Verteidigungsindustrie zu beginnen. Es gibt bereits

Kooperationen mit Deutschland und anderen europäischen Ländern zur

Gründung gemeinsamer Rüstungsunternehmen. Die Erfahrungen der Ukraine

können für gemeinsame Militär- und Verteidigungsprogramme mit anderen

europäischen Ländern von unschätzbarem Wert sein. Die ukrainische Armee

könnte eine Schlüsselkomponente Europäischer Streitkräfte werden und die

Sicherheit Europas erheblich festigen."


Ähnlich äußerte sich Industrieminister Oleksandr Kamyshin in „Politico“.

<https://www.politico.eu/newsletter/brussels-playbook/ukraines-aim-to-become-europes-arsenal/

Die Ukraine wolle nicht nur für die EU, sondern für die gesamte „freie

Welt“ Waffen produzieren, sagte er mit Blick auf den Krieg in Israel.

Für Deutschland und Rheinmetall ist dies vermutlich eine gute Nachricht.

Für Russland eher nicht. Auch Frankreich, das selbst eine bedeutende

Rüstungsindustrie hat, dürfte nicht begeistert sein.

Die provozierende Positionierung wird noch zu Ärger bei den

Beitrittsverhandlungen führen – aber auch ein Ende des Kriegs

erschweren. Wer will schon EUropas größte Waffenfabrik vor seiner

Haustür haben?


P.S. Die Ukraine strebt offenbar auch bei Attentaten und Auftragsmorden

eine führende Stellung an. Dies berichtet die „Washington Post“

<https://www.washingtonpost.com/world/2023/10/23/ukraine-cia-shadow-war-russia/>.

Gemeinsam mit der CIA habe der SBU mehrere Coups in Russland gelandet

und den Mord an Darja Dugina, der Tochter eines russischen Ideologen,

ausgeführt…



https://lostineu.eu/selenskyj-beraet-die-eu-kommission/

25.10.2023

*Erweiterung: Selenskyj „berät“ die EU-Kommission


Wieder eine Premiere: Nach dem Besuch der EU-Außenminister in Kiew berät

bzw. bearbeitet Präsident Selenskyj nun die EU-Kommission in Brüssel. Am

Dienstag war er live zugeschaltet.*


Per Video nahm Selenskyj an der wöchentlichen Kommissionssitzung in

Brüssel teil, wie Behördenchefin von der Leyen stolz auf Twitter / X

bekannt gab <https://x.com/vonderleyen/status/1716749193908310206?s=20>.

Der ukrainische Staatschef verfolgte jedoch nicht nur die –

vertraulichen – Beratungen der Kommissare. Er hielt auch eine Rede und

gab gute Ratschläge. Die EU habe nun eine /„historische Chance“/, den

/„Mangel an geopolitischer Gewißheit“/ zu beseitigen und die

Beitrittsverhandlungen der Ukraine aufzunehmen, sagte er.

<https://www.president.gov.ua/en/news/ukrayina-demonstruye-neobhidnij-temp-shob-zrobiti-mozhlivim-86553>

Dazu muß die EU-Kommission allerdings erst noch die passende Empfehlung

abgeben; danach müssen die 27 EU-Staaten dem Verhandlungsbeginn

einstimmig zustimmen.

Wie gut, dass Selenskyj einen so guten Draht zu von der Leyen hat und

die Kommission noch vor ihrer Entscheidung, die Anfang November fallen

soll, „beraten“ bzw. bearbeiten darf!

Anderen Beitrittskandidaten ist diese Ehre meines Wissens noch nicht

zuteil geworden. Selbst Kanzler Scholz hat normalerweise keinen Zugang

zu Kommissionssitzungen…


P.S. Nach diesem Präzedenzfall möchte EU-Parlamentspräsidentin Metsola

nicht zurückstehen: Sie wünscht sich ukrainische Abgeordnete mit

„Beobachterstatus“

<https://www.politico.eu/article/roberta-metsola-ukraine-european-parliament-meps-moldova-enlargement-interview/

– und das schon vor dem EU-Beitritt!


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Ein Vortrag von Professor Ilan Pappé, Professor für Geschichte, Direktor des Europäischen Zentrums für Palästinastudien, Universität Exeter, UK.  (I von II)

seniora.org, 25. Oktober 2023, 19.10.2023 University of California, Berkeley - Video-Interview mit Ilan Pappé - Transkript


(Red.) Es ist erschütternd, wie wenig wir über die Geschichte und die Kultur Palästinas wissen. Gleiches gilt für die Geschichte und Kultur Israels. In dem Propaganda-Trommelfeuer der täglichen schrecklichen Bilder und Berichte über den unmenschlichen Krieg in Palästina den moralischen Kompass zu behalten, ist extrem herausfordernd. Da ist es wichtig, einen Schritt zurück zu tun und sich helfen zu lassen: Ilan Pappé versucht in diesem Vortrag und bei der Beantwortung von Fragen von Studenten einen geschichtlichen Hintergrund für diese Situation zu skizzieren, ohne den man nicht verstehen kann, was vor sich geht. Gleichzeitig deutet er an, wie dies alles menschenwürdig gelöst werden könnte.(am)

Das Transkript und die Übersetzung für seniora.org besorgte Andreas Mylaeus

Ussama Makdisi:

Guten Abend und herzlich willkommen. Mein Name ist Ussama Makdisi und ich bin der Chancellor's Chair und Professor am Fachbereich Geschichte hier an der UC Berkeley.

Bevor ich unseren Redner und die Veranstaltung heute Abend vorstelle, wurde ich gebeten, eine Erklärung der juristischen Fakultät zu verlesen, an der wir gerade tagen. Die Rechtsfakultät sagt: "Freie Meinungsäußerung und akademische Freiheit sind grundlegende Werte für die Universität von Kalifornien. Die UC Berkeley hat sich der Überzeugung verschrieben, dass Äußerungen, die uns nicht gefallen oder mit denen wir nicht einverstanden sind, mit respektvollem Umgang und nicht mit Zensur begegnet werden sollten. Die Gemeinschaftsprinzipien der UC Berkeley verlangen Höflichkeit und Respekt im persönlichen Umgang miteinander. Wenn Sie einen anderen Standpunkt vertreten möchten als die Gäste des heutigen Abends, können Sie dies in jedem Bereich des Campus tun, der für die freie Meinungsäußerung zugänglich ist. Sie können natürlich zu gegebener Zeit Fragen stellen   – und Sie werden die Notizen bekommen, die verteilt werden   –, aber Sie dürfen die Veranstaltung nicht stören. Wir bitten Sie als Zuhörer, sich den Rednern und den anwesenden Studenten gegenüber respektvoll zu verhalten und von jeglichem störenden Verhalten Abstand zu nehmen. Wenn Sie versuchen, die Veranstaltung zu stören, werden Sie aufgefordert, den Veranstaltungsort zu verlassen und müssen mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen."

[Beifall]

Nun also zu weniger disziplinarischen Dingen. Ich möchte mich bei allen Sponsoren dieses Vortrags an der UC Berkeley bedanken. Das sind die Law Students for Justice in Palestine [Beifall], das Department of History, das Center for Middle Eastern Studies, das Department of Ethnic Studies, das Islamophobia Research and Documentation Project of the Center for Race and Gender. Ich muss auch die Unterstützung von [?], Dr. Hatim Bazian sowie die unverzichtbare Hilfe von Herrn Hassan Fuda [?] erwähnen.

Mir ist natürlich klar, dass wir angesichts der anhaltenden unmenschlichen Brutalisierung des Gazastreifens unter außergewöhnlichen Umständen hier zusammengekommen sind. Mir ist auch klar, dass es in diesem Raum viel Schmerz und Wut gibt. Viele von Ihnen leiden wie ich. Viele von Ihnen haben Freunde in Palästina und Israel, und einige von Ihnen haben aufgrund der anhaltenden Situation Freunde oder Angehörige verloren. Viele von Ihnen sind wie ich wütend über die offensichtliche Doppelmoral, die wir überall in diesem Land sehen, über die Abwertung der palästinensischen Menschlichkeit und Geschichte, auch durch Mitglieder dieser Institution. Viele von Ihnen werden eingeschüchtert, vor allem die Studenten hier, weil sie sich für Gerechtigkeit und Gleichheit in Palästina einsetzen. Ich hoffe jedoch, Sie schöpfen ein wenig Hoffnung aus der Tatsache, dass wir eine so angesehene Persönlichkeit wie Professor Ilan Pappé zu Gast haben [Beifall].

Vornehm und gleichzeitig bodenständig. Es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die so erhaben, so intelligent und so brillant wie Ilan und gleichzeitig so bodenständig sind. Ich sage das, weil Ilan nicht nur ein brillanter Historiker und Kollege ist. Er ist auch ein wundervoller Mensch, dessen Anwesenheit hier dringend erforderlich ist, um den entscheidenden Kontext zu liefern, der uns hilft, die Geschehnisse in Israel und natürlich im besetzten Palästina zu verstehen.

Professor Ilan Pappé ist der Direktor des Europäischen Zentrums für Palästinastudien an der Universität von Exeter im Vereinigten Königreich, des ersten Zentrums dieser Art, soweit ich weiß, in ganz Europa, ja sogar in ganz Europa und den Vereinigten Staaten. Seinen Doktortitel erwarb er 1984 an der Universität Oxford, wo er unter der Leitung von Professor Albert Hourani arbeitete. Bis 2007 war Ilan Professor an der Universität von Haifa, von der er aufgrund seiner ideologischen Positionen verwiesen wurde. Mit anderen Worten: Er bestand darauf, die Forschung über die Nakba von 1948 auszugraben und zu unterstützen. [Beifall] Er zog nach Exeter, wo er heute am Institut für Arabische und Islamische Studien lehrt. Professor Pape hat bisher 20 Bücher geschrieben, von denen das berühmteste zweifellos sein 2006 erschienenes Buch Die ethnische Säuberung Palästinas ist, das natürlich den Zorn vieler im politischen Establishment und vieler im akademischen Establishment auf sich zog, weil Ilan einer der ersten war   – zumindest in englischer Sprache und aus israelischer Sicht, einer Dissidentenperspektive   –, der die Frage der ethnischen Säuberung direkt aufgeworfen hat, so dass es in gewisser Weise schwer zu leugnen war.

Er ist auch Autor von The Biggest Prison On Earth   – a History of the Israeli Occupation. Sein neuestes Buch, das er gemeinsam mit Ramzy Baroud herausgegeben hat, trägt den interessanten Titel Our Vision For Liberation (Unsere Vision für die Befreiung).

Vor allem aber erinnert uns Professor Pappé an die ethischen Herausforderungen, die mit einer guten historischen Arbeit verbunden sind. Bei dieser guten Arbeit zeigt er auch die Folgen einer heimtückischen, entmenschlichenden und enthistorisierten Arbeit auf. Professor Pappé ist   – natürlich   – nicht nur ein Freund, nicht nur ein Kollege. Er stammt auch aus Haifa und wurde dort geboren. Er diente 1973 in der israelischen Armee und ist heute einer der führenden Kritiker des kolonialen Zionismus und eine der klarsten Stimmen gegen die unmenschliche und unethische Behandlung des palästinensischen Volkes. Dafür wird Ilan   – wie ich bereits festgestellt habe   – verfolgt, eben weil er die Vorstellung widerlegt, dass das, was in Palästina und in Israel geschieht, ein inhärenter oder uralter religiöser Konflikt sei. Er beharrt   – meiner Meinung nach zu Recht   – darauf, dass das, was in Palästina und Israel geschieht, ein säkularer Konflikt ist, ein kolonialer Konflikt, bei dem jeder von uns die Möglichkeit hat, sich der Gerechtigkeit anzuschließen oder nicht. Aber es ist eine säkulare Entscheidung. Er erinnert uns daran, dass es heute um die Frage geht, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen wollen, für welche Art von Zukunft wir kämpfen wollen, und um das zu tun, hat Ilan immer gesagt: "Wir müssen wissen, was für eine Vergangenheit wir durchgemacht haben, um an den Punkt zu gelangen, an dem wir heute sind."

Begrüßen Sie also mit mir Professor Ilan Pappé, der zum Thema Die Krise des Zionismus, Chancen für Palästina sprechen wird.

Zum Schluss noch eine Erinnerung: Dieser Titel kam vor Monaten auf. Die Dinge haben sich also in den letzten Wochen geändert. Aber ich bin mir sicher, dass Professor Pappé in der Lage sein wird, eine Lösung dafür zu finden. Bitte begrüßen Sie also Professor Ilan Pappé.

[Beifall]

Ilan Pappé:

Vielen Dank, ich danke Ihnen sehr. [Beifall]

Vielen Dank, Ussama, für Ihre sehr freundliche Einführung. Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute hier sind. Ich möchte allen Organisationen danken, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben, und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, in diesem entscheidenden und schmerzhaften Moment in der Geschichte Israels und Palästinas bei uns zu sein.

Vor dem 7. Oktober 2023 blickte ein Großteil der israelisch-jüdischen Gesellschaft mit einer gewissen Angst und Besorgnis auf die letzten Wochen dieses Monats. Der Hauptdiskurs in Israel bis zum 7. Oktober 2023 war: Was wird die Zukunft Israels sein? Wöchentliche Demonstrationen von Hunderttausenden von Israelis waren Teil einer Protestbewegung gegen den Versuch der Regierung, die israelische Verfassung zu ändern und ein neues politisches System zu schaffen, in dem die politischen Mächte die totale Kontrolle über das Justizsystem haben und der öffentliche Bereich weitaus stärker von messianischen und religiösen jüdischen Gruppen kontrolliert wird.

In einem meiner Artikel beschreibe ich diesen besonderen Kampf um die Identität Israels, der bis zum 7. Oktober 2023 das Hauptthema war, als einen Kampf zwischen dem Staat Judäa und dem Staat Israel. Der Staat Judäa war der Staat, der im Westjordanland von jüdischen Siedlern gegründet wurde und der eine Art Kombination aus messianischem Judentum, zionistischem Fanatismus und Rassismus darstellte und zu einer Art Machtstruktur wurde, die in den letzten Jahren, insbesondere unter der Netanjahu-Regierung, sehr viel stärker in den Vordergrund trat und im Begriff war, ihre Lebensweise, ihre Lebensauffassung dem Rest Israels jenseits dessen, was wir Judäa nennen, in gewissem Sinne jenseits des Westjordanlands oder des jüdischen Raums im Westjordanland aufzuzwingen.

Dagegen stand der Staat Israel. Der Staat Israel, wenn Sie so wollen, wird am besten durch die Stadt Tel Aviv verkörpert, die Idee, dass Israel pluralistisch, demokratisch, säkular, vor allem westlich oder europäisch ist, wenn Sie so wollen, und der um sein Leben gegen den Staat Judäa kämpft. Dies schien der Schwerpunkt zu sein   – fast könnte man es einen Bürgerkrieg nennen, wenn auch nicht einen echten Bürgerkrieg, so doch zumindest einen kalten Bürgerkrieg, einen kulturellen Krieg, den die israelischen Juden untereinander führen. Als einige Leute zu beiden Seiten dieses inner-israelischen Streits sagten: "Was ist zum Beispiel mit der Besetzung des Westjordanlandes? Sollte das nicht Teil der Diskussion über die Zukunft Israels sein?" Ihnen wurde gesagt: "Nein! Die Besatzung sollte von keiner Seite erwähnt werden. Die Besatzung ist irrelevant für die Zukunft Israels", wurde uns gesagt. Tatsächlich wurde jeder, der versuchte, die Besatzung als Thema in die Proteste, die wöchentlichen Proteste, gegen die Gesetzesreform oder Gesetzesrevolution, wie sie es gerne nennen, einzubringen, aufgefordert, zu gehen und nicht mit einer größeren Gruppe von Demonstranten zu erscheinen, die die israelische Flagge schwenkten.

Wenn Sie die palästinensische Flagge zu dieser Demonstration mitgebracht hätten, wären Sie mit Sicherheit zusammengeschlagen und aus der Demonstration geworfen worden. Wenn Sie die Tatsache erwähnen würden, dass die Zukunft Israels vielleicht auch die Bedingungen und die Situation der fast zwei Millionen palästinensischen Bürger Israels einschließt, die im letzten Jahr durch einen Prozess der Kriminalisierung gegangen sind... Kriminelle Banden terrorisieren immer noch das Leben der palästinensischen Bürger in Israel, überall in Israel... Bewaffnete Banden, kriminelle Banden, viele von ihnen sind ehemalige Kollaborateure Israels im Westjordanland und im Gazastreifen, die nach dem Osloer Abkommen aus diesen Gebieten abgezogen wurden, die sehr, sehr gut mit Waffen ausgerüstet und völlig immunisiert sind gegen jede polizeiliche Verfolgung oder jede Art von wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität, was bedeutet, dass, wie viele von Ihnen vielleicht wissen, Palästinenser, die in Israel selbst leben   – ich spreche von israelischen Bürgern   – Angst haben, nachts auf die Straße zu gehen, wegen der neuen Realität in ihren Straßen und Plätzen. Auch das sollte also kein Thema sein, das in der Öffentlichkeit über die Zukunft Israels diskutiert werden sollte.

Wenn man Ostjerusalem und die ethnische Säuberung der arabischen Stadtteile Jerusalems erwähnen wollte, sagten die Demonstranten und ihre Anführer erneut: "Das ist kein wichtiges Thema." Oder wie Amira Hass, die mutige Journalistin von Haaretz, es ausgedrückt hat: "Soweit es die Israelis betrifft   – und das ist bis zum 7. Oktober 2023   – existierte die Besatzung nicht." Was bedeutet: Sie existierte nicht mehr als Problem. Das Problem ist gelöst. Es ist gelöst. Es gibt eine PA (die Palästinensische Autonomiebehörde). Es gibt eine sehr intensive jüdische Präsenz von Siedlungen im Westjordanland. Niemand muss sich mehr damit befassen. Wenn man sich die letzten vier Wahlkämpfe in Israel ansieht   – und davon gab es einige, wie Sie sich vielleicht erinnern, einen nach dem anderen im Jahresrhythmus: Niemand hat das Palästina-Thema erwähnt, die Palästina-Frage, die Besatzung   – nennen Sie es, wie Sie wollen   – das war kein Thema, über das die Israelis abstimmen sollten, weil es als Problem nicht mehr existierte.

Wenn man den Gazastreifen erwähnte, wenn man über die Belagerung des Gazastreifens sprach, sagten die Leute wieder: "Wovon redest du? Das ist doch auch ein Thema, das niemanden mehr stört." Und sie wurden auf die tägliche Tötung von Palästinensern im letzten Jahr   – sagen wir, in den letzten zwei Jahren   – hingewiesen, auf die tägliche Tötung von Palästinensern im Westjordanland, und darauf, dass die schwache Palästinensische Autonomiebehörde nicht in der Lage ist, die Palästinenser vor der Gewalt der Siedler, der israelischen Armee und der israelischen Grenzpolizei zu schützen, nicht bedeutet, dass es keine palästinensischen Gruppen gibt, die versuchen werden, die Palästinenser zu verteidigen, nicht nur im Gazastreifen, sondern auch in anderen Teilen des historischen Palästina. Das wurde der israelischen Öffentlichkeit, den politischen Entscheidungsträgern und den Chefs des israelischen Militärs und Geheimdienstes immer wieder gesagt. Aber sie sagten: "Nein, es gibt kein Problem. Das einzige Problem ist die Gesetzesreform, ob wir sie nun akzeptieren oder nicht."

Und es war ganz klar, warum all diese anderen Themen nicht behandelt wurden, denn im Wesentlichen hatten wir in Israel einen Kampf zwischen zwei Formen der Apartheid: Es gab die säkulare israelische Apartheid, in der die israelischen Juden definitiv das Leben in einer Demokratie genießen, in einer pluralistischen Demokratie, wenn Sie so wollen, einer Demokratie westlichen Stils. Das ist die Art von Apartheid, die sie aufrechterhalten wollen. Und es gab die Gegenversion der Apartheid, die messianische, die religiöse, die theokratische Version. Der Kampf war also eine inner-jüdische Angelegenheit, bei der es darum ging, wie das jüdische Leben in der Öffentlichkeit aussehen soll, ohne Bezug auf das Leben der Palästinenser, sei es unter der Besatzung im Westjordanland, unter der Belagerung im Gazastreifen oder unter einem diskriminierenden System innerhalb Israels, ganz zu schweigen von den vielen Millionen palästinensischer Flüchtlinge.

All das war da, und es ist den Israelis am Morgen des 7. Oktobers um die Ohren geflogen. Und es gibt jetzt eine optische Täuschung, als ob aufgrund des Schocks, den Israel am Morgen des 7. Oktober erlitten hat, all diese Risse im Gebäude, im zionistischen Gebäude, verschwunden seien, weil der Hamas-Angriff so brutal, so verheerend war, dass alle internen Debatten vergessen seien und alle hinter der Armee und ihrem gegenwärtigen Plan stünden, in den Gazastreifen einzumarschieren und mit der bereits begonnenen völkermörderischen Politik vor Ort zu beginnen. Ich glaube, das ist eine optische Täuschung. Ich denke, dass die israelischen inneren Unruhen nicht verschwinden werden. Sie werden zurückkehren. Ich weiß nicht wann, aber sie werden zurückkehren.

Aber was noch wichtiger ist, und darauf sollten wir, denke ich, als Aktivisten, als Akademiker, als jeder, der auf die eine oder andere Weise mit Palästina und dem palästinensischen Kampf zu tun hat, bestehen, ist unser Beharren darauf, dass die Ereignisse des 7. Oktober   – wie auch immer wir sie verstehen, wie auch immer wir sie betrachten: vom menschlichen Standpunkt aus, vom strategischen Standpunkt aus, vom moralischen Standpunkt aus   – wie auch immer wir uns ihnen nähern, wir sollten nicht in die Falle tappen   – wie es scheint, tappen sogar viele gute Leute in diesem Land in diese Falle   – die Ereignisse des 7. Oktobers zu dekontextualisieren und zu dehistorisieren.

Und daran wird sich auch in den kommenden Wochen nichts ändern: Die grundlegende Realität vor Ort ist immer noch dieselbe Realität vor Ort wie vor dem 7. Oktober. Das palästinensische Volk befindet sich seit wahrscheinlich 1929, wahrscheinlich seit 1929, in einem Befreiungskampf. Es ist ein antikolonialistischer Kampf. Es ist ein antikolonialistischer Kampf gegen die Siedler. Und jeder antikolonialistische Kampf hat seine Höhen und Tiefen. Jeder antikolonialistische Kampf hat glorreiche Momente und schwierige Momente der Gewalt. Die Entkolonialisierung ist kein pharmazeutischer Prozess. Sie ist kein steriler Prozess. Es ist eine chaotische Angelegenheit, und je länger der Kolonialismus und die Unterdrückung andauern, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Ausbruch gewalttätig und verzweifelt ist, in vielerlei Hinsicht.

Und das ist so wichtig, um die Menschen an die Geschichte der Sklavenaufstände in diesem Land zu erinnern und wie sie endeten. Die Aufstände der amerikanischen Ureinwohner, die Rebellionen der Algerier gegen die Siedler in Algerien, das Massaker von Oran während des Befreiungskampfes der FLN. Dies ist Teil des Befreiungskampfes. Man kann manchmal einige der strategischen Ideen in Frage stellen, man kann einige unangenehme Momente haben, und das zu Recht, über die Art und Weise, wie die Dinge gemacht wurden. Aber man darf nie seinen moralischen Kompass verlieren, damit man das Ereignis selbst nicht dekontextualisiert und enthistorisiert.

Sie scheinen gegen eine typische Berichterstattung anzukämpfen, sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft in diesem Land und im Westen im Allgemeinen und im globalen Norden im Allgemeinen, die die Fähigkeit hat, ein Ereignis zu nehmen und mit dem Ereignis zu beginnen, als ob es keine Geschichte hätte, als ob es keine Konsequenzen hätte. Ich meine, selbst die Geschichten über die Party oder das Festival, das am 7. Oktober überfallen wurde, erwähnen nicht die Tatsache, dass dies ein Fest der Liebe und des Friedens war, anderthalb Kilometer vom Ghetto von Gaza entfernt. Die Menschen feierten Liebe und Frieden, während die Menschen in Gaza zwei Kilometer von diesem Zaun entfernt unter einer der brutalsten Belagerungen in der Geschichte der Menschheit standen, die seit mehr als 15 Jahren andauert und von den Israelis kontrolliert wurde, die entschieden, wie viele Kalorien in den Gazastreifen gelangen, die entschieden, wer rein und wer raus geht, und die zwei Millionen Menschen im größten Gefängnis, einem offenen Gefängnis der Welt, festhielten.

In all diesen Kontexten kann man sich, denke ich, moralisch bewegen, ohne den Kompass zu verlieren. Aber viel wichtiger als der unmittelbare Kontext und sogar der Kontext der Belagerung   – und darauf möchte ich mich heute Abend konzentrieren   – ist die Tatsache, dass eine der größten Herausforderungen für Palästina-Aktivisten oder Palästina-Wissenschaftler, die Aktivisten sind, darin besteht, dass wir eine jahrzehntelange Propaganda und Fälschungen und Gegenerzählungen nicht mit Soundbites bekämpfen können. Das ist unser Hauptproblem, denke ich. Wir brauchen Raum. Wir brauchen Zeit, um die Realität zu erklären, denn so viele Kanäle, so viele Informationsquellen, so viele Orte, an denen Wissen produziert wird, haben ein Bild, eine Analyse von Palästina gezeichnet, die falsch und fabriziert ist und die über die Jahre mit Hilfe der akademischen Welt, der Medien, Hollywood, Fernsehserien und so weiter aufgebaut wurde. Ich meine, das sind Medien, die auf den Verstand und die Emotionen der Menschen einwirken, und sie haben eine bestimmte Geschichte geschaffen, die man nicht mit einem einzigen Soundbite widerlegen kann.

Sie können sie nicht einmal allein durch Ihr Gerechtigkeitsempfinden anfechten. Man kann sie nur widerlegen, wenn der Gerechtigkeitssinn auf einer profunden Kenntnis der Geschichte, einer profunden und genauen Analyse der Realität und der richtigen Sprache beruht. Denn die Sprache, die sogar von liberalen, so genannten progressiven Kräften verwendet wird, ist eine Sprache, die Israel immunisiert und es nicht zulässt, dass der palästinensische antikoloniale Kampf gerechtfertigt, akzeptiert und legitimiert wird.

Und wissen Sie, im Pantheon des antikolonialen Kampfes, in das viele Menschen viele Helden von Nelson Mandela über Gandhi bis hin zu anderen wichtigen Führern der Befreiungsbewegungen aufnehmen würden, werden Sie keinen einzigen Palästinenser finden. Die werden immer als Terroristen behandelt, obwohl sie im Grunde genommen auch eine antikolonialistische Bewegung waren.

Und diese Art von Beharrlichkeit, die richtige Sprache zu verwenden, die Geschichte des Ortes zu kennen und die richtige Analyse zu haben, ist etwas, wie ich schon sagte, wofür man Raum braucht. Man kann nicht einfach kommen und sagen. "Du hast Unrecht und ich habe Recht." Und das ist eine große Herausforderung für uns alle, denke ich, in einem Moment, wie zum Beispiel in diesen Tagen in Amerika, wo es diese bedingungslose Unterstützung für Israel und eine heuchlerische Haltung gegenüber dem Leiden der Israelis zu geben scheint, die zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte Palästinas gegenüber dem Leiden der Palästinenser gezeigt wurde.

Die Geschichtsstunde, die das Gegenmittel gegen die Enthistorisierung der Ereignisse des 7. Oktobers und der Ereignisse ist, die sich heute und wahrscheinlich in den nächsten Wochen, wenn nicht Monaten, vor unseren Augen abspielen, hat zwei Ebenen, zwei Grundpfeiler, auf denen sie stehen sollten und die meiner Meinung nach für jeden sehr wichtig sind, egal ob er auf individueller oder institutioneller Basis im akademischen Bereich oder im Medienbereich an öffentlichen Debatten beteiligt ist, diese gleichen Pfeiler sind für alle diese Arten von Kämpfen relevant.

Einer davon ist: Niemals von unserem Beharren auf einer genauen Definition des Zionismus abzulassen. Das ist so wichtig. Man kann, man sollte keine Diskussion darüber zulassen, was heute in Israel oder in Palästina vor sich geht, ohne über den Zionismus zu sprechen. Und deshalb   – und das ist kein Zufall   – haben Israel und seine Unterstützer in diesem Land und in anderen Ländern so viele Anstrengungen unternommen, um Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen. Wer das Wort Zionismus auch nur erwähnt, befindet sich bereits im Bereich, im gefährlichen Bereich, als Antisemit zu gelten und wird deshalb zum Schweigen gebracht. Das heißt aber nicht, dass dies nicht der einzige und richtige Weg ist, die Geschichte zu beginnen.

Die Geschichte beginnt mit einer Ideologie, die rassistisch ist. In ihrem Kern ist sie eine rassistische Ideologie. Sie gehört zur Genealogie des Rassismus   – und nicht zur Geschichte der Befreiungsbewegungen, wie sie an den meisten amerikanischen Universitäten gelehrt wird   – und auch nicht zur Geschichte der nationalen Bewegungen, wie sie in den meisten Ländern des globalen Nordens gelehrt wird oder über die die westlichen Medien sprechen und berichten. Nein! Sie gehört zur Geschichte des Rassismus. Sie ist eine Ideologie, die nicht an ihrem Ursprung gemessen werden darf, sondern in der Art und Weise, wie sie sich in dem Land Palästina manifestiert hat. Und dieser Rassismus ist Teil des siedlungskolonialen Charakters der zionistischen Bewegung.

Es handelt sich nämlich um eine Bewegung, die nicht außergewöhnlich ist, die Sie auch hierzulande [in den USA] von Europäern kennen, die aus Europa hinausgeworfen wurden und einen anderen Ort finden mussten, um anderswo Europäer zu sein, weil sie als Europäer nicht akzeptiert wurden. Und sie fanden Länder, in denen bereits andere Menschen lebten, und wie der verstorbene Patrick Wolfe gesagt hat, wurde bei dieser Begegnung die Logik der Eliminierung des Eingeborenen in dem Moment aktiviert, als diese Siedler auf die Eingeborenen trafen. Und das trifft auch auf Palästina zu. Eine Politik der Eliminierung war die DNA der zionistischen Begegnung mit den Palästinensern seit den Anfängen der zionistischen Bewegung im späten 19. Jahrhundert. Um es in weniger akademischen Worten auszudrücken: Man wollte so viel Palästina wie möglich mit so wenigen Palästinensern wie möglich. Es gab immer die demografische und die geografische Dimension, die Bevölkerungsdimension und die Raumdimension. Je mehr Raum man hat, desto weniger will man die einheimische Bevölkerung darin haben.

Eliminierungspolitik kann Völkermord, ethnische Säuberung oder Apartheid sein. Sie nimmt an verschiedenen Orten unterschiedliche Formen an, und sie nimmt an ein und demselben Ort unterschiedliche Formen an, je nach Kapazität, historischen Umständen und Bedingungen. Aber man kann das, was in Gaza geschah, nicht aus dieser israelischen und davor zionistischen Eliminierungspolitik herausnehmen, aus der Eliminierung der Eingeborenen, einer Eliminierung der Eingeborenen, die zuerst im zionistischen Denken, in den Zeichnungen zionistischer Maler, in den Schriften zionistischer Denker begann und in den 1930er Jahren zu einer Strategie wurde, die 1948 in der ethnischen Säuberung Palästinas erstmals umgesetzt wurde, die mit der Vertreibung der Hälfte der Palästinenser und der Zerstörung der Hälfte der Dörfer Palästinas endete. Übrigens sind viele dieser Dörfer... Auf den Ruinen dieser Dörfer... Einige der Kibbuzim, die von der Hamas für ein paar Stunden besetzt wurden, wurden auf den Ruinen dieser palästinensischen Dörfer von 1948 gebaut. Und nicht wenige der Palästinenser, die in diese Kibbuzim gingen, waren eine dritte Generation palästinensischer Flüchtlinge aus eben diesen zerstörten Dörfern, nicht weit von Gaza entfernt. Auch das ist Teil der Geschichte.

Nicht alles, was ich hier sage, bedeutet, dass ich alles rechtfertige, was getan wurde. Nein! Das tue ich nicht! Aber es bedeutet, dass es Ihnen einen historischen Kontext gibt, ohne den Sie nicht an die Quelle der Gewalt herankommen und nur die Symptome der Gewalt behandeln. Und man muss an die Quelle der Gewalt gehen. Und die Quelle der Gewalt ist eine bestimmte Ideologie, eine bestimmte rassistische Ideologie, eine zionistische Ideologie, die im Kern die Idee der Eliminierung der Eingeborenen ist.

Wie ich bereits sagte, ist dies nicht nur im Zionismus der Fall. Es gab auch andere europäische Siedlerkolonialbewegungen, die definitiv von der Idee der Eliminierung der Eingeborenen motiviert und inspiriert waren.

Wenn man sich also nur oberflächlich mit dieser Geschichte befasst, versteht man, dass für eine ideologische Bewegung, die von der Idee motiviert ist, so viel neues Land wie möglich mit so wenig Einheimischen wie möglich zu besitzen, die historische Periode, in der sie konzipiert wurde, und die historische Periode, in der sie ihre Politik der Eliminierung umsetzte, wirklich wichtig ist. Wenn man nun diese Politik der Eliminierung im 19. Jahrhundert durchgeführt hat, wie es in den Vereinigten Staaten geschehen ist, dann spricht man von einer Welt, die dem Kolonialismus, dem Rassismus und anderen kollektiven Menschenrechten oder Bürgerrechten gegenüber ziemlich gleichgültig war.

Aber wenn Sie sich sagen: Moment mal, das wurde doch nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht. Es geschah im Jahr der Erklärung der Menschenrechte, auf die die Welt so stolz war, weil sie der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg sagte: Wir haben jetzt die moralische Grundlage, die sicherstellt, dass das massive Töten von Menschen, wie wir es im Zweiten Weltkrieg gesehen haben, der Rassismus, den wir an so vielen Orten gesehen haben, ausgerottet wird, weil es einen moralischen Konsens gibt. Wenn man bedenkt, dass Südafrika im selben Jahr das Apartheidgesetz erließ und Israel die ethnische Säuberung Palästinas durchführte, beginnt man die Botschaft zu verstehen, die sowohl das Apartheidregime in Südafrika als auch, was noch wichtiger ist, der zionistische Staat 1948 von der internationalen Gemeinschaft erhielten: Ja, wir verkünden mit Stolz die Erklärung der Menschenrechte, aber wir sagen euch auch: Sie gilt nicht für euch. Sie gilt nicht für euch.

Die Botschaft der Welt war, dass die ethnische Säuberung Palästinas hauptsächlich aus dem Grund akzeptabel ist   – ich meine, das war die Propaganda, ich glaube nicht, dass das der wahre Grund war   – aber es war die Art zu sagen, in den Worten eines amerikanischen Intellektuellen: Es war die Tolerierung einer kleinen Ungerechtigkeit, um eine viel größere Ungerechtigkeit zu korrigieren, nämlich: Die Palästinenser mussten die Juden für tausend Jahre europäischen und christlichen Antisemitismus entschädigen.

Und die Abmachung war sehr klar, und deshalb war Israel der erste Staat, der ein neues Deutschland anerkannte   – die Menschen in Europa und im Westen zögerten sehr, ob sie Westdeutschland als Mitglied der zivilisierten Nationen akzeptieren sollten, so wenige Jahre nach dem Naziregime   – aber in dem Moment, in dem sie grünes Licht von Israel bekamen   – das vorgab, und das nicht zu Recht, sowohl die Überlebenden des Holocausts als auch die Opfer des Holocausts als ultimativer Vertreter des Holocausts zu vertreten   – sagten sie: "Wir werden ein neues Deutschland ausrufen und im Gegenzug wollen wir, dass sich der Westen nicht in das einmischt, was wir in Palästina tun."

Man hätte erwartet, dass Israel zumindest das dritte Land ist, das ein neues Deutschland anerkennt, nicht das erste. Aber es war sehr wichtig für sie [die Israelis], dieses Abkommen zu schließen. Es bedeutete auch, dass das neue Deutschland Israel mit einer enormen finanziellen Unterstützung versorgte, die dazu beitrug, die moderne israelische Armee bereits in den frühen 1950er Jahren aufzubauen.

Wenn nun die Botschaft aus der Welt kam, dass ethnische Säuberungen im Falle des Staates Israel eine akzeptable Methode der nationalen Sicherheitsstrategie sind, ist es nicht so überraschend, dass die ethnischen Säuberungen fortgesetzt wurden. Israel hat zwischen 1948 und 1967 36 Dörfer innerhalb Israels vertrieben. Israel hat 300.000 Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen während des Juni 1967 Krieges vertrieben. Von 1967 bis heute hat Israel fast 700.000 Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen vertrieben, und während wir hier sprechen, setzt Israel die ethnische Säuberung in Orten wie Masafi [?], Yata [?], den südlichen Hebron-Bergen, dem Großraum Jerusalem und anderen Teilen Palästinas fort.

Die ethnische Säuberung der Palästinenser wurde zur DNA der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern, und sie beschäftigt Hunderttausende von Menschen, um sie durchzuführen, denn es handelt sich nicht um massive ethnische Säuberungen wie 1948. Es handelt sich um schrittweise ethnische Säuberungen. Manchmal handelt es sich um die Vertreibung einer Person, einer Familie. Manchmal handelt es sich nicht einmal um eine Vertreibung. Manchmal handelt es sich um die Schließung eines Dorfes oder die Abriegelung des Gazastreifens. Das ist auch eine Form der ethnischen Säuberung, denn wenn man das Gaza-Ghetto schafft, muss man die zwei Millionen Palästinenser nicht in das demografische Gleichgewicht zwischen Arabern und Juden einrechnen, weil diese Palästinenser kein Mitspracherecht bei der Zukunft des historischen Palästina haben.

Das ist die eine historische Säule, die notwendig ist für jeden, der diese abscheuliche Sprache benutzt, die jetzt gegen die Palästinenser verwendet wird, wenn Leute uns sagen, dass wir den Terrorismus unterstützen, wenn Leute das, was am 7. Oktober morgens passiert ist, mit dem Holocaust vergleichen und damit die Erinnerung an den Holocaust völlig missbrauchen   – entweder verstehen sie es nicht oder sie wissen nicht, was sie tun   – aber selbst wenn sie sich darauf einlassen und die hohe moralische Warte einnehmen, es ist so wichtig, dieses besondere Ereignis in die breitere Geschichte des modernen Palästinas und die besondere Geschichte der Belagerung des Gazastreifens einzuordnen, die 2007 begann, die unmenschliche Belagerung von 2 Millionen Menschen in einer der längsten, wahrscheinlich der längsten Belagerung, die es je für eine so große Anzahl von Menschen in Bezug auf Nahrung, Wasser, Bewegungsfreiheit und andere grundlegende Lebensbedürfnisse gegeben hat, die bereits die Vereinten Nationen im Jahr 2020 zu der Feststellung veranlasste, dass das Leben im Gazastreifen für Menschen unerträglich ist. Schon vor drei Jahren waren sie der Meinung, dass wir die rote Linie in Gaza überschritten haben.

Seien Sie also nicht überrascht, wenn die Leute dort ausbrechen. Es gibt Empörung. Es gibt Rache. Es gibt Gewalt. Natürlich gibt es das. Das Gleiche geschah bei den Aufständen der Sklaven, der indianischen Ureinwohner Amerikas, der kolonisierten Völker von Indien bis Nordafrika. Der antikoloniale Kampf ist, wie ich bereits sagte, kein Werk von Quäkern und Pazifisten. Er kann sehr gewalttätig und sehr friedlich sein, und vieles davon hängt davon ab, wie sehr der Kolonisator, der ethnische Säuberer, bereit ist, die Tatsache zu akzeptieren, dass die Menschen, die kolonisiert oder unterdrückt werden, nicht verschwinden und ihren Kampf nicht aufgeben werden. Je eher man das begreift, desto wahrscheinlicher ist ein friedlicher Übergang von einer kolonialistischen zu einer postkolonialistischen Realität.

Wenn ihr euch weigert, dies zu verstehen, wird es euch immer wieder ins Gesicht schlagen, und der 7. Oktober ist nicht der letzte Moment eines solchen Ereignisses.

Aber es gibt noch einen anderen historischen Kontext, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte, und der ist sehr wichtig, denn bei all dem Diskurs, der die Berichterstattung in den Medien und von den Politikern in diesem Land und im Westen im Allgemeinen begleitet, war sehr gut zu beobachten, wie die Menschen zu Verallgemeinerungen über die Palästinenser übergingen, wie sie diese Adjektive über die Palästinenser, die allgemeinen Eigenschaften der Palästinenser, verwendeten. Wir haben das schon nach 911 über Muslime im Allgemeinen gehört. Wir haben es während der Kolonialzeit gegen alle Menschen getan, die es wagten, das Imperium herauszufordern. Das ist nichts Neues. Aber es ist wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass der Zionismus eine Katastrophe war, die ein Palästina zerstört hat, das ohne den Zionismus anders gewesen wäre.

Es ist so wichtig, die Menschen daran zu erinnern, wie Palästina vor 1948 war. Ein Palästina, in dem Muslime, Christen und Juden nebeneinander lebten, als die Koexistenz keine erfundene Idee von "leben und leben lassen" war, sondern eine ursprüngliche, echte Form des Zusammenlebens. Man sollte das natürlich nicht idealisieren. Es gab Spannungen, es gab Krisenmomente. Aber es war ein Mosaik des Lebens, das es den Menschen besonders in Palästina ermöglichte, auch das zu genießen, was das Land zu bieten hatte. Und das Land hatte etwas zu bieten, was man heute in Palästina nicht mehr findet. Das Land bot zum Beispiel Wasser im Überfluss. Nur Menschen, die sich an Palästina vor 1948 erinnern, wissen, dass jedes palästinensische Dorf einen Bach mit frischem Wasser hatte. Wissen Sie, diese zionistische Fabel, die der Präsident der EU erst kürzlich wiederholt hat, indem er sagte, dass der Zionismus die Wüste zum Blühen gebracht habe... Das ist eine solche Fälschung der Geschichte.

Der Zionismus hat ein blühendes Land an vielen Stellen in eine Wüste verwandelt. Das ist etwas, das man... Aber man kann es nur tun, wenn man   – mit Hilfe von Historikern   – das Palästina rekonstruiert, das es vor 1948 gab, sowohl in Bezug auf die Menschen und die menschlichen Beziehungen als auch in ökologischer Hinsicht. Die ganze Verbindung zwischen Palästinensern und Kräutern zum Beispiel, eine Natur, die der Zionismus zerstört hat, war Teil der Lebensqualität, die die Palästinenser hatten.

Wie der verstorbene Emil Habibi es ausgedrückt hat, als er in der Abbas-Straße in Haifa lebte. Er sagte: "Vor 1948 wusste ich nicht, wer in meiner Straße ein Christ oder ein Muslim war." Und ich denke, das ist etwas, das keine Nostalgie um der Nostalgie willen ist. Dies ist eine alternative Geschichte, wenn Sie so wollen, in dem Sinne, dass es die Möglichkeit eines anderen Palästinas gab.

Und in diese Geschichte sollten wir auch die Tatsache einbeziehen, dass die palästinensische Nationalbewegung, die palästinensische antikolonialistische Nationalbewegung, von dem Moment an, als der Zionismus in Palästina, im historischen Palästina, Fuß fasste, zwei Prinzipien treu war, und das ist so gut dokumentiert, dass man sich nicht sehr anstrengen muss, es zu finden: Es gab zwei Prinzipien, denen die Palästinenser treu waren, und sie sagten es insbesondere den Amerikanern, denn die Amerikaner brachten dieses Prinzip durch Präsident Woodrow Wilson 1918 in die arabische Welt, insbesondere in den östlichen Mittelmeerraum, und die Vereinten Nationen wiederholten diese Prinzipien.

Ein Grundsatz war das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Palästinenser sagten: "Wir verdienen auch das Recht auf Selbstbestimmung, wie die Iraker, wie die Libanesen, wie die Ägypter."

Das zweite Prinzip war die Demokratie: "Wissen Sie, wenn Sie uns aus der osmanischen Herrschaft herausholen, unter der wir 400 Jahre lang standen, und Sie wollen, dass wir über unsere Zukunft nach der osmanischen Herrschaft entscheiden, was wird dann unsere Zukunft sein? Wie wird unser Regime, unser Staat, unsere politische Existenz aussehen? Wir wollen demokratisch   – durch die Abstimmung der Mehrheit   – entscheiden, ob wir Teil von Großsyrien sein wollen, ob wir ein unabhängiges arabisches Palästina sein wollen, vielleicht wollen wir in einer föderierten panarabischen Republik sein, aber das ist unsere Sache."

Und jede amerikanische Delegation, die von 1918 bis 1948 dorthin reiste, jede internationale Delegation, ob angloamerikanisch oder eine andere Organisation, antwortete den Palästinensern, dass das Prinzip der Demokratie und der Selbstbestimmung zwar von der westlichen Welt hochgehalten wird und sie es als die richtigen Pfeiler ansehen, auf denen die neue post-osmanische arabische Welt aufgebaut werden soll, dass es aber nicht auf Palästina angewendet werden kann, weil das britische Empire versprochen hatte, aus Palästina einen jüdischen Staat zu machen. Und weil die Juden eine so winzige Minderheit sind, kann der Grundsatz der Selbstbestimmung nicht auf die Palästinenser angewandt werden, und natürlich kommt der Grundsatz der Mehrheit oder demokratischer Wahlen für die Palästinenser nicht in Frage.

Dies ist auch wichtig im Zusammenhang mit unserer historischen Reise in die Vergangenheit, um die Art der Unterdrückung, die Art der Geschichte oder die Genologie des Rassismus zu kontextualisieren, die vom Westen gebilligt und unterstützt wurde, als es um Palästina ging. Diese andere Säule ist nicht nur wichtig, um uns daran zu erinnern, was der Zionismus getan hat oder was Palästina hätte sein können.

Dies ist das Fundament, auf dem wir ein Palästina nach der Befreiung, ein post-koloniales Palästina aufbauen werden. Dies ist das Fundament. Und denken Sie über die Elemente dieser Vergangenheit nach und darüber, wie sie sich auf eine andere Realität beziehen als die, die wir hatten, und lassen Sie sich durch den aktuellen Angriff auf den Gazastreifen, die völkermörderische Politik Israels, nicht davon abhalten, weiter über die Befreiung Palästinas nachzudenken und darüber, wie das befreite Palästina aussehen würde.

Und sprechen Sie mit den Palästinensern, die nicht nur über den taktischen Schritt von morgen nachdenken, sondern die sich das vorstellen   – so habe ich es in meinem Buch mit Ramzy Baroud gemacht, wir haben mit 40 palästinensischen Denkern gesprochen und sie gefragt: Wie stellen Sie sich ein befreites Palästina vor? Und wenn man sich anschaut, wie die Vision, ihre Vision für die Befreiung und die Vision der Befreiung nicht nur darin besteht, wie man für die Befreiung kämpft, sondern was wird die Befreiung mit sich bringen?

Es sind all die Elemente, die es in Palästina vor 1948 gab: Eine Gesellschaft, die nicht aufgrund von Religion, Sekte oder kultureller Identität diskriminiert, eine Gesellschaft, die die Demokratie respektiert, eine Gesellschaft, die die Prinzipien von "leben und leben lassen" respektiert, und   – was vielleicht noch wichtiger ist   – eine Gesellschaft, die Palästina organisch in die arabische Welt, in die muslimische Welt zurückbringt, an den Ort, aus dem es mit Gewalt herausgeholt wurde. Teil der arabischen Welt zu sein, ist für viele Menschen kein einfaches Szenario, und das zu Recht. Aber man kann nicht Teil der Lösung oder der positiveren Szenarien für die arabische Welt sein, wenn man nicht Teil der Probleme der arabischen Welt ist. Man kann keine Diskussion über die Menschenrechte im Iran oder die Bürgerrechte in Ägypten führen, wenn man die Bürger- und Menschenrechte der Palästinenser nicht mit einbezieht. Diese Diskussionen sind sinnlos, weil man immer wieder auf den Exzeptionalismus des palästinensischen Mangels an diesen Rechten stößt und sich in einer unterlegenen Position wiederfindet, wenn man der arabischen Welt von außen helfen will, mit diesen Fragen der Menschenrechte und Bürgerrechte umzugehen. Und nur wenn Palästina, das zukünftige Palästina, Teil der arabischen Welt wäre, wäre es Teil ihrer Probleme, aber auch Teil ihrer Lösung.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich den wichtigsten Punkt wiederholen möchte, den ich heute Abend wirklich ansprechen möchte: Es gibt immer eine Illusion mit einer Dramatik, und man darf das Drama, das wir sehen, nicht unterschätzen, die menschliche Katastrophe, und wir sehen leider, denke ich, nur den Anfang der menschlichen Katastrophe, die Israel leider nicht nur im Gazastreifen, sondern auch im Westjordanland anrichten wird. Sie werden dies als Vorwand nutzen, um ihre Politik auch im Westjordanland zu ändern. Natürlich ist es am dringlichsten, zu versuchen, dies mit allen uns in diesem Land zur Verfügung stehenden Mitteln zu stoppen, um Druck für eine internationale Intervention auszuüben und diese völkermörderische Politik zu stoppen, die, wie gesagt, ich befürchte, auch auf das Westjordanland ausgedehnt werden könnte. Aber ein Teil dessen, was wir immer tun müssen ist, Strategien für die Zukunft zu entwickeln, denn die grundlegenden Fragen werden auch nach dem Ende dieses besonderen Augenblicks auf die eine oder andere Weise weiter bestehen.

Und es ist diese Art von Diskussion, die meiner Meinung nach sicherstellen würde, dass wir unseren moralischen Kompass nicht verlieren. Wir lassen uns nicht davon abschrecken, dass man uns zu sagen versucht: "Nach dem, was am 7. Oktober geschehen ist, könnt ihr doch nicht eure alten Positionen zur Moral beibehalten." Und wir sollten die Menschen daran erinnern, dass niemand das Recht Algeriens, frei zu sein, das Recht Kenias, frei zu sein, das Recht Indiens, frei vom Kolonialismus zu sein, in Frage gestellt hat, ungeachtet aller Zwischenfälle im Befreiungskampf, ungeachtet des Ausmaßes der Gewalt, die dort herrschte, ungeachtet der Art und Weise, in der die antikolonialistischen Kräfte mit den kolonialistischen Kräften aufeinandertrafen.

Wir stellen niemals das Grundrecht auf Befreiung und Unabhängigkeit in Frage, und das sollten wir auch im Falle Palästinas nicht tun. Wenn man ein friedliches Palästina will, muss man zuallererst über ein freies Palästina sprechen.

Ich danke Ihnen.

[Beifall]

Ussama Makdisi:

Ilan, ich danke Ihnen für diesen außergewöhnlichen Vortrag, der wieder einmal die Bedeutung der Geschichte verdeutlicht hat. Es sind also zwei Historiker hier, viele aus dem Fachbereich Geschichte, Studenten und Dozenten.

Einerseits, Ilan, gibt uns der Blick auf die Geschichte und das Beharren auf einer ehrlichen Interpretation und Wiedergabe der Vergangenheit, insbesondere des palästinensischen Kolonial-Zionismus, die Möglichkeiten der Geschichte Palästinas vor dem Zionismus, den ökumenischen Charakter Palästinas, den Pluralismus Palästinas, wie Sie sagten, eine Vision für die Zukunft.

Aber wenn ich ein paar Fragen stellen dürfte, Ilan, um diese Sache fortzusetzen. Die erste Frage lautet also: Sie haben die ganze Genealogie der antikolonialen Bewegungen erwähnt, und wir sollten uns mit ihnen und ihren Erfahrungen befassen und einerseits differenziert betrachten, was heute vor sich geht, und nicht vor der Tatsache zurückschrecken, dass es selbst auf Seiten der antikolonialen Befreiungsbewegungen außerordentliche Gewalt gibt. Aber was ist mit der Tatsache, dass hier   – und Sie erwähnten Joe Biden oder Sie spielten auf Joe Biden an, Sie spielten auf den Holocaust an... Sie sprachen vom Missbrauch der Erinnerung an den Holocaust. Wenn also Joe Biden sagt, dass der Hamas-Angriff   – das direkte Zitat lautet "so folgenreich wie der Holocaust ist"   – und angesichts der Tatsache, dass es eine so starke Identifikation mit Israel gibt, wie es sie nie mit Südafrika, nie mit Algerien oder Französisch-Algerien, vielleicht in den Vereinigten Staaten, nie mit einer dieser anderen kolonialen Bewegungen gegeben hat   – wie stellen Sie sich vor, die antikoloniale Vergangenheit zu nutzen, um uns in der Zukunft zu helfen?

Ilan Pappé:

Wissen Sie, als Sie sprachen, dachte ich an ein bestimmtes Jahrzehnt der Geschichte: Die 1970er Jahre, als die afrikanischen Mitgliedsstaaten in den Vereinten Nationen, die gerade ihre antikolonialistische Befreiung hinter sich hatten, Palästina als eine offene Wunde der Kolonialisierung betrachteten, die geheilt werden musste, was zu ihrer Initiative führte   – die Leute denken, es wäre eine arabische Initiative gewesen, aber es war eine afrikanische Initiative   –, den Zionismus in der berühmten UN-Resolution von 1975 mit Rassismus gleichzusetzen.

Und wenn man sich anschaut   – und viele der Dokumente aus dieser Zeit sind jetzt offengelegt   – und ich verdanke es einigen meiner Leute, die daran arbeiten   – den amerikanischen Druck auf die afrikanischen Delegationen, der etwa 15 Jahre lang aufrechterhalten wurde, damit sie das zurücknehmen und diese Resolution zurückziehen, wobei sie Einschüchterung und Bestechung einsetzten. Der Druck der Amerikaner auf die afrikanischen Delegationen hielt etwa 15 Jahre lang an, um diese Resolution zurückzuziehen, indem sie Einschüchterung, Bestechung und alles, was sie in der Hand hatten, einsetzten   – das ist ein sehr wichtiges Kapitel in der Geschichte, denn es zeigt, dass es im globalen Süden immer noch einen grundlegenden Instinkt gibt, Palästina als kolonisierten Raum zu betrachten, den palästinensischen Widerstand als antikolonialistische Bewegung zu sehen und ihm Solidarität und Hilfe zu gewähren. Aber die politischen und vor allem die wirtschaftlichen Umstände lassen es nicht zu, dass dieses Gefühl   – sogar in der arabischen Welt   – zum Vorschein kommt.

Mit anderen Worten: Ich denke, was wir suchen sollten   – weil die Palästinenser allein nicht in der Lage sein werden, dies zu tun   – wir sollten nach der Art von Solidarität suchen, die es, wie Sie wissen, in den 70er Jahren von Lateinamerika bis Südostasien gab. Es gab diese Solidarität zuerst mit Algerien und dann mit Palästina: Das sind die beiden Bastionen des Kolonialismus, die befreit werden mussten.

Wir müssen sehen, ob es einen Weg gibt, diese Intersektionalität, diese transnationale Solidarität wieder zu schaffen. Diesmal haben wir gelernt, und wir haben es von Gruppen hier in den Vereinigten Staaten gelernt, dass wir nicht mehr im Zeitalter der nationalen Befreiungskämpfe sind. Vielerorts befinden wir uns vielmehr im Zeitalter des Kampfes von Minderheiten, von kulturellen Gruppen, von Afroamerikanern, von amerikanischen Ureinwohnern, First Nations und so weiter. Das ist die neue internationale Solidaritätsbewegung, von der ich denke die palästinensische antikoloniale Bewegung getragen werden kann.

Und es gibt zumindest Anzeichen dafür, dass die Produktion von Wissen an einigen Orten dekolonisiert wird. Ich meine die Tatsache, dass man über Palästina in akademischen Zeitschriften über indigene Studien lesen kann. Zeitschriften, die sich mit Siedlerkolonialismus befassen, haben Sonderausgaben zu Palästina. Es ist nicht leicht...

Ich habe heute Nachmittag, heute Mittag, mit Ihren Studenten gesprochen und ihnen gesagt: Es ist sehr schwierig, Palästina in einem allgemeinen Kurs über Kolonialismus und Antikolonialismus, Rassismus und Völkermord zu behandeln. Es ist also noch ein langer Weg zu gehen, und natürlich muss das Thema aus den Elfenbeintürmen in die Öffentlichkeit und den öffentlichen Diskurs getragen werden. Aber ich glaube, es ist möglich, weil es dort passiert ist. Es muss einen Grundinstinkt geben.

Und sehen Sie, was heute in der arabischen Welt passiert: Der ganze [Son of Abraham-Kult?] scheint viel unbeständiger und unsicherer zu sein als vor dem 7. Oktober, und schon damals stand er nicht auf festem Boden, was die Gesellschaften anging. Ich denke also, dass es die Möglichkeit gibt, diese historischen Momente zu betrachten und sich daran zu erinnern, dass es Momente des Zusammenhalts und der nationalen Solidarität gab, die wiederbelebt werden könnten, natürlich angepasst an die neue Realität des 21. Jahrhunderts.

Ussama Makdisi:

Okay, Ilan, ich danke Ihnen dafür. Aber ehrlich gesagt, wir leben hier. Sie sind gerade erst gekommen, Sie haben eine Woche in den USA verbracht. Aber für diejenigen von uns, die unterrichten und sich in anderen Bereichen für Gerechtigkeit in Palästina einsetzen, waren die letzten zwei Wochen nicht nur ein Schock und ein Horror, zu sehen, was in Gaza und mit Gaza und den Palästinensern passiert. Aber die Reaktion im Westen ist durchweg heftiger und entmenschlichter, als ich mich erinnern kann, und ich unterrichte seit 25 Jahren. Wie bringen Sie also dieses Sprechen über Solidarität und Intersektionalität mit der Tatsache in Einklang, dass wir in gewisser Weise rückwärts zu gehen scheinen? Können Sie mir ein paar...?

Ilan Pappé:

Ja, ich glaube, ich möchte hier zwei Punkte ansprechen: Der eine Punkt ist, dass wir unser strategisches Denken von unserer taktischen Reaktion trennen müssen. Ja, es gibt eine Welle des Schweigens, der Unterdrückung der Meinungsfreiheit, der Nutzung der Ereignisse vom Samstag als Vorwand und eine Lizenz, die Palästinenser als Nazis zu bezeichnen und den 7. Oktober mit dem Holocaust zu vergleichen. Das wird vorübergehen. Das wird vorbeigehen, weil die israelische Politik vor Ort   – es ist zynisch, was ich jetzt sage, und es ist schrecklich, was ich jetzt sage   – aber Sie können sich auf die Israelis verlassen, dass die Bilder des 7. Oktobers ersetzt werden oder dass zumindest zu diesen Bildern die Bilder hinzukommen, die wir bereits zu Beginn gesehen haben, und dass selbst Leute wie Biden nicht in der Lage sein werden, diese einseitige Vorstellung aufrechtzuerhalten, dass es nur Opfer und Gewalt auf einer Seite gab, leider. Da zähle ich auf die Israelis. Ich wünschte, ich würde es nicht sehen, aber das ist eine Möglichkeit.

Eine Frage ist also, wie man mit dem taktischen Sperrfeuer umgeht. Wie ein Freund von mir zu sagen pflegte: "Du wirst jetzt aus der Luft bombardiert und bist im Bunker. Vielleicht ist es kein guter Zeitpunkt, den Bunker zu verlassen, weil du getötet werden könntest. Aber die Bombardierung wird vorübergehen. Das erste Bombardement wird vorübergehen. Dann werdet ihr eine Chance haben."

Ich glaube nicht, dass die letzten zwei Wochen ein Indikator für eine Kampagne sind, die so lange aufrechterhalten werden kann. Schließlich hat es auch nach dem 11. September einige Zeit gedauert, bis die Akademiker und Studienvereinigungen und andere ihre Kritik ein wenig zurückgenommen haben und sogar im Falle Israels zum Boykott der israelischen Hochschulen zurückgekehrt sind usw. Das ist also ein Punkt.

Aber nicht weniger wichtig ist natürlich, dass Sie alle Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere die rechtlichen Mittel, einsetzen, um gegen diese Mobber vorzugehen. Das ist jetzt ein Akt des Mobbings. Wenn es sich bei dem Mobber nicht um eine Person, sondern um die Universitätsleitung oder die Verwaltung handelt, ist es natürlich sehr schwierig, dagegen vorzugehen. Aber dennoch, die Basis... Ich weiß nicht, das ist zumindest das, was ich meinen Kindern sage: Die Basis, wenn man mit einem Tyrannen konfrontiert wird, ist, keine Angst zu haben und sich nicht einschüchtern zu lassen.

[Beifall]

Und sagen Sie es ihnen: Nein! Wir akzeptieren das nicht. Wir akzeptieren es nicht. Wir akzeptieren es nicht, dass wir die palästinensische Flagge nicht schwenken dürfen. Für uns ist dies die Flagge des Kampfes gegen Ungerechtigkeit. Für uns ist dies die Flagge der Gerechtigkeit. Nein, wir scheuen uns nicht zu sagen, dass wir das Recht der Menschen in Gaza verteidigen, sich selbst zu verteidigen. Wissen Sie, all diese Dinge, wenn man in seiner moralischen Auffassung vom Leben gefestigt ist, kann man diese Art von Mobbing, denke ich, in den Griff bekommen.

Wenn Sie sich in einer gefährdeten akademischen Position befinden, sollten Sie natürlich vorsichtiger vorgehen. Aber nicht alle von uns befinden sich in einer prekären Lage. Einige von uns haben eine solidere Position im Leben, und wir sollten sie nutzen, um anderen, die sich in einer schwächeren Position befinden, zu helfen, ob es sich nun um Studenten oder Akademiker ohne Lehrauftrag usw. handelt, um sicherzustellen, dass die Leitung Ihre Position kennt, denn Sie dürfen nicht vergessen: Universitäten sind immer zweierlei: Eine Universität ist ein Unternehmen mit einem Management, aber sie ist auch eine Gemeinschaft von Wissenschaftlern, und als Gemeinschaft von Wissenschaftlern können wir sicher ein bestimmtes Verhalten fordern, das wir von der Leitung vielleicht nicht erwarten können. Aber es ist eine weitaus komplexere Institution als nur das Management. Die Menschen hier sind nicht nur Arbeiter in einem Unternehmen. Es handelt sich um eine weitaus komplexere Beziehung, und wir sollten diese Beziehung nutzen, um zu unseren Prinzipien zu stehen und ihnen treu zu sein.

[Beifall]

Ussama Makdisi:

Vielen Dank, das ist richtig. Und eigentlich, Ilan, sollte ich sagen, dass es jetzt nach den Ereignissen zwei Petitionen oder Erklärungen gibt, die auf diesem Campus im Umlauf sind. Eine, die die Palästinenser einfach dehistorisiert   – Sie benutzen das Wort dehistorisiert   – und völlig dekontextualisiert, ihre Geschichte auslöscht und nicht zu einem Ende der Gewalt aufruft. Und das andere, an dem ich   – ehrlich gesagt   – einen kleinen Anteil hatte, nur um ehrlich zu sein. Interessant ist jedoch, dass viele Assistenzprofessoren und Dozenten die Erklärung unterschrieben haben. Denn wenn man sich nicht wehrt, spielt es keine Rolle, wie sicher der Lehrstuhl ist, wenn man sich als Assistent nicht wehrt, wird man sich auch als ordentlicher Professor nicht wehren...

[Beifall]

Ilan Pappé:

Auf jeden Fall, auf jeden Fall. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir... In meiner Universität bat die Abteilung, der ich angehöre, das Institut für Arabische Islamstudien, keine offizielle Stellungnahme des Instituts zu Palästina zu veröffentlichen. Also haben wir gesagt, okay. Aber sie hatten auch gesagt, ihr könnt individuell unterschreiben. Also hat jedes einzelne Mitglied des Instituts unterschrieben. Es war also gewissermaßen die institutionelle Position, ohne eine institutionelle Position zu haben.

Ussama Makdisi:

Ja, in Ordnung, etwas Hoffnung.

Also ein paar Fragen. Es gibt viele, viele verschiedene Fragen. Eine Frage, die mehrmals wiederholt oder mehrmals gestellt wurde: Sie haben viel über die Palästinenser im Gazastreifen gesprochen, die, wie Sie wissen, bombardiert und verfolgt werden, und jetzt auch im Westjordanland, mit der ethnischen Säuberung, von der Sie sprachen. Was ist mit den Palästinensern innerhalb von Israel? Befürchten Sie nicht, dass die jetzige Situation mit dieser Art von Regierung und Politik und der Entfesselung dieser Art von völkermörderischem Verhalten gegenüber den Palästinensern die Demographie neu gestalten wird, und die Frage ist dann die nach den Menschen innerhalb Israels, den Palästinensern innerhalb Israels, aber auch die Angst vor einer weiteren Nakba?

Ilan Pappé:

Zunächst einmal müssen wir sagen, dass die Situation der Palästinenser in Israel schon vor den Ereignissen vom Samstag, den 7. Oktober, unerträglich war. Jeden Tag wurde jemand ermordet oder getötet. In den meisten palästinensischen Dörfern und Städten Israels gehen die Menschen abends nicht mehr auf die Straße, weil sie Angst vor dem Terror der kriminellen Banden haben. Die Minister, die für das Leben und das Wohlergehen der Palästinenser in Israel verantwortlich sind, sind die fanatischsten, messianischsten Zionisten. Ihre Lage war also bereits prekär und führte bereits zur Auswanderung, was meiner Meinung nach das Hauptziel dieser Politik war.

Ich denke also, dass die Ereignisse dies noch gefährlicher machen, und deshalb halte ich es für so wichtig, den Unterschied zu erklären zwischen einer Reaktion auf eine bestimmte Aktion, die am 7. Oktober stattfand, und der Art und Weise, wie Israel die Ereignisse des 7. Oktobers ausnutzt, um eine Ideologie und eine Vision, die es schon vorher und unabhängig von den Ereignissen am 7. Oktober hatte, auf eine viel rücksichtslosere und brutalere Weise umzusetzen.

Das ist nicht neu. Ich meine, Israel hat das von 1948 bis heute immer getan. Manchmal ohne Vorwand und manchmal unter einem Vorwand, der eine Reaktion oder Vergeltung oder sogar Rache zu sein schien, aber in Wirklichkeit eine viel nüchternere Umsetzung der Vision ist, die es als Siedler-Kolonialbewegung hat, von einem entvölkerten Palästina.


Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/professor-ilan-pappe-krise-des-zionismus-chance-fuer-palaestina

25.10.2023

Ein Vortrag von Professor Ilan Pappé, Professor für Geschichte, Direktor des Europäischen Zentrums für Palästinastudien, Universität Exeter, UK.  (II von II)

Ussama Makdisi:

Also noch eine Frage, Ilan. Mehrere Fragen beziehen sich auf die palästinensische Führung. Angesichts der Tatsache, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) jahrzehntelang mit den Israelis und den Vereinigten Staaten kollaboriert hat, um die Palästinenser zu unterdrücken, vor allem im Westjordanland, wie stellen Sie sich das vor   – ich meine, es ist natürlich nicht Ihre Rolle als solche   – aber Ihre Analyse: Wo sehen Sie eine strukturelle Veränderung, angesichts der Zersplitterung der Palästinenser und angesichts der Tatsache, dass das Westjordanland und Ostjerusalem getrennt wurden und natürlich die Palästinenser außerhalb?

Ilan Pappé:

Wie Sie sagen: Es ist sehr schwierig, das vorherzusagen. Aber nach dem, was ich gelesen habe   – und nicht, weil ich in die strategischen Überlegungen Israels eingeweiht bin   –, habe ich das Gefühl, dass sie die israelische Gesellschaft auf eine lange, lange Operation im Gazastreifen vorbereiten, auch nach dem zu urteilen, was ich aus den öffentlichen Äußerungen israelischer Generäle und israelischer Politiker höre. Im Gegensatz zu dem, was die Leute denken, werden sie also nicht an einem Tag in den Gazastreifen einmarschieren, sondern sie werden ihn Stück für Stück einnehmen und daraus eine sehr lange Wiederbesetzung des Gazastreifens machen.

Übrigens ohne Rücksicht auf die 200 Israelis, die sich in den Händen der Hamas und des Islamischen Dschihad befinden   – das nur am Rande.

Da dies meiner Meinung nach schrittweise erfolgen wird und langwierig ist, gehen die Israelis hier meiner Meinung nach das Risiko ein, dass die Palästinensische Autonomiebehörde, die, wie Sie sagen, ohnehin unbeständig ist und heftig kritisiert wird, weil sie die Menschen im Westjordanland nicht vor den Angriffen der Siedler, vor den Angriffen der Armee und der Grenzpolizei schützt, nicht sicher ist, dass ihre eigenen Streitkräfte, die auch Palästinenser sind, untätig bleiben und nicht anfangen, sich zu beteiligen, selbst wenn es nicht das ist, was ihre politische Führung von ihnen verlangt.

Dies ist wahrscheinlich   – und ich sage es sehr vorsichtig, weil ich keine Vorhersage machen will   – aber es ist wahrscheinlich das Gesicht der dritten Intifada. Es ist sehr schwer zu sagen, was das Gesicht des dritten Aufstands im Westjordanland sein wird, aber man hat das Gefühl, dass man genau hier ansetzen muss. Nicht nur der Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde, sondern auch die Art und Weise, wie einige Strukturen der Palästinensischen Autonomiebehörde Teil des Aufstandes sein werden. Ich denke also, dass dies etwas ist, das...

Sie müssen daran denken: Viele Menschen im Westjordanland, die die Hamas nicht unterstützen   – und Sie können es sehen, wenn Sie das palästinensische Fernsehen sehen oder das palästinensische Radio hören... Wenn Sie in den letzten zehn Tagen das palästinensische Radio aus Ramallah hören, so wie ich es getan habe, dann ist das eine sehr interessante Botschaft, über die meiner Meinung nach nicht gesprochen wird. Zwei wichtige Botschaften, die uns meiner Meinung nach in Erinnerung gerufen werden sollten: Erstens, die Bedeutung der Frage der politischen Gefangenen für die Palästinenser. Dies ist das Thema, das für die Palästinenser am konsensfähigsten ist. Es spielt keine Rolle, ob man der Hamas, der Fatah, den Linken, den Kommunisten, den Säkularen, den Religiösen, den Christen oder den Muslimen angehört. Die Frage der politischen Gefangenen ist das brennendste Thema für alle Palästinenser. Und die PA unternimmt nichts dagegen.

Wir sollten uns daran erinnern: Seit 1967 haben eine Million Palästinenser als politische Gefangene in israelischen Gefängnissen gesessen. Eine Million verbringt ihre Zeit so... Dies ist also das wichtigste Thema. Das PA-Radio in Ramallah widmet jeden Tag drei Stunden den Gesprächen mit den Familien der Gefangenen. Wenn also die Hamas hinausgeht und sagt   – und sie hat es sehr deutlich gesagt, und übrigens hat sie Israel vor Samstag gewarnt   – sie hat gesagt: Wir werden nicht untätig bleiben, solange die politischen Gefangenen nicht freigelassen werden. Und eines der Dinge... Es war kein großes Geheimnis. Dafür brauchte man keinen brillanten israelischen Geheimdienst. Die Hamas sagte: Wir werden alles tun, was wir können, um israelische Soldaten und Bürger zu entführen, damit wir etwas haben, womit wir handeln können, um das wichtigste Problem für unsere Gesellschaft zu lösen, nämlich die politischen Gefangenen. Das ist also ein Punkt.

Der zweite Punkt ist die Verwundbarkeit der Palästinenser im Westjordanland. Wir vergessen das immer wieder, weil die israelische Politik des Völkermords und der ethnischen Säuberung normalerweise schrittweise erfolgt. Die Schritte sind nicht massiv, sie geschehen nicht an einem einzelnen Tag. Jeden Tag wurden in den letzten zwei Jahren im Westjordanland junge Menschen, manchmal Kinder, getötet. Die PA war wehrlos. Die einzige Gruppe, die zumindest rhetorisch sagte: "Wir werden diese Menschen schließlich verteidigen", war die Hamas. Und die Leute, die   – wie die kleinen Gruppen im Flüchtlingslager von Dschenin und in der Kasbah von Nablus, die mit spärlichen militärischen Mitteln versuchten, die Palästinenser zu verteidigen   – sagten: "Ja, wir sind von der Hamas inspiriert, denn sie sind diejenigen, die zurückschlagen. Wir sind nicht untätig." Dies ist auch ein Teil des Kontextes, den man meiner Meinung nach unbedingt berücksichtigen muss.

Ussama Makdisi:

Okay, ich weiß nicht, wie viel Zeit wir noch haben. Aber lassen Sie mich einfach ein paar Fragen stellen. Ich werde zwei Fragen zusammenfassen. Viele fragen: Wie widerlegen sie die ständige Verquickung, wenn sie für Gerechtigkeit in Palästina kämpfen, mit Antisemitismus? Und dann: Was sagen Sie Juden wie jüdischen Aktivisten, insbesondere antijüdischen Aktivisten, die des Selbsthasses oder des Verrats bezichtigt werden? Das sind einige der Fragen, die uns gestellt werden. Ich bin sicher, Sie haben diese Fragen schon oft gestellt bekommen.

Ilan Pappé:

Ja, aber sie sind wichtig. Zur ersten Frage: Ich denke, dass es bei solchen Anschuldigungen und Behauptungen, wenn man die Palästinenser unterstützt oder wenn man den Zionismus als Rassismus kritisiert, dass man ein Antisemit sei, sehr wichtig ist, das Gespräch zu kontrollieren. Anstatt in die Defensive zu gehen, sollte man den Leuten sagen   – und ich meine es ernst, und ich tue es so oft ich kann   – indem man ihnen sagt: Sie sind wahrscheinlich... Ich kann es auf höfliche und nicht auf unhöfliche Weise tun, ich sage auf höfliche Art und Weise: "Sie wissen wahrscheinlich nicht genug über die Geschichte des Zionismus und des Judentums." Auf eine unhöfliche Art sage ich: "Sie sind ein Schwachkopf, der nichts über die Geschichte weiß."

Es kommt also darauf an, und das ist der Punkt, an dem ich sagte, dass Schlagworte hier nicht funktionieren, weil man wirklich den Unterschied zwischen Glauben und Ideologie erklären muss.

Es ist erstaunlich: Wenn es um den Islamischen Staat geht, sind die Menschen sehr intelligent. Sie sagen: "Ach ja. Das eine ist Ideologie und das andere ist Religion." Wenn es um die weiße Vorherrschaft in den Vereinigten Staaten geht, sagen die Leute natürlich: "Das ist nicht das Christentum. Das ist eine Ideologie, die sich des Christentums bedient." Wenn es um die rassistische jüdische Ideologie geht, heißt es, dass man ein Antisemit ist, wenn man das sagt. Man ist nicht antichristlich, wenn man gegen die Aryan Nation ist, und man ist nicht anti-islamisch, wenn man den Islamischen Staat nicht mag. Und das Gleiche gilt für den Zionismus. Das ist also ein Punkt, den ich sagen würde. Und indem man das Gespräch kontrolliert, indem man sagt: "Lassen Sie mich Ihnen den Unterschied zwischen Religion und Ideologie erklären und was passiert, wenn die Ideologie die Religion für ihre politischen Ziele benutzt." Ich denke also, dass es sehr wichtig ist, sicherzustellen, dass man die Geschichte kennt, selbst wenn man sie nur flüchtig kennt, so dass man das Gespräch leicht auf das mangelnde Wissen derjenigen lenken kann, die einen beschuldigen.

Was den Selbsthass angeht: Ich weiß nicht... Vielleicht liegt es an meiner synkretistischen Natur... Es amüsiert mich immer. Ich muss sagen, es amüsiert mich. Ich erinnere mich, dass ich es zum ersten Mal in Cleveland, Ohio, richtig deutlich gehört habe. Ich habe dort in einem Club gesprochen. Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen des Clubs. Die Hälfte der Zuhörer waren zionistische Juden und Christen, die andere Hälfte waren Palästinenser. Aus irgendeinem Grund waren sie alle Ärzte und Mediziner. Die meisten Palästinenser in Cleveland sind Ärzte. Ich weiß nicht, warum, aber sie sind alle Ärzte. Und der Rabbiner von Cleveland sagte: "Ich weiß nicht, wie Sie damit leben können, dass Sie sich selbst als Jude hassen." Und ich sagte: "Moment mal, wissen Sie, ich habe viele befreundete palästinensische Ärzte hier, und ich war in all ihren Kliniken, und ich befürchte, ich muss Ihnen sagen, dass sie mir mitgeteilt haben, dass diese Krankheit unheilbar ist. Ich bin eben wahrscheinlich der Selbsthasser... Es gibt keine Pille dagegen. Es gibt keine Impfung dagegen." Also sagte ich ihm: "Sie haben Recht. Sie haben Recht. Ich werde damit leben müssen. Manche Menschen leben mit chronischen Krankheiten und schaffen es auch." Also ja, ich denke, diese ganze Idee ist so absurd, dass man sie eher ins Lächerliche ziehen sollte, als sich ernsthaft mit ihr auseinanderzusetzen.

[Beifall]

Ussama Makdisi:

Vielen Dank, Ilan. Es gibt mehrere Fragen zur Hamas, wie Sie sich vorstellen können. Und eine der Fragen über die Hamas ist, angesichts dessen, was Sie über die westliche Welt gesagt haben, die Konstruktion der westlichen Moral nach dem Zweiten Weltkrieg, die einerseits all diese liberalen Werte verkündet und sie andererseits natürlich entweder nicht anwendet oder tatsächlich zu extremer Gewalt übergeht und diese rechtfertigt, wie wir jetzt in Gaza sehen.

Wenn also islamistische Bewegungen wie die Hamas oder andere Bewegungen oder auch der Iran, die iranische Revolutionsregierung, wenn die Gewalt ausüben, dann sagen die: "Es hat keinen Sinn, auf den Westen oder auf diese so genannten universellen Werte des Westens zu vertrauen, denn sie wurden noch nie angewandt oder richtig umgesetzt. Sie sind immer irgendwie ignoriert worden." Und in Anbetracht der Tatsache, dass die Hamas und andere tatsächlich die Kämpfe führen, sind sie diejenigen, die... Wie gehen Sie damit um? Denn die stellen nicht unbedingt die universelle säkulare Vision eines Staates dar, den Sie als Zukunft sehen. Wie lösen Sie diesen Widerspruch oder wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

Ilan Pappé:

Ganz genau. Ich denke, das ist eine wichtige Frage. Es ist ganz klar, dass die Art und Weise, wie der westliche Imperialismus   – und dazu zähle ich auch den Zionismus   – die so genannten universellen Werte der Menschenrechte und Bürgerrechte in Ländern wie der arabischen Welt eingeführt hat, manipulativ und diskriminierend war und zum Teil durch kapitalistische und imperialistische Interessen motiviert war. Und das ultimative Beispiel für diese Art der Einführung war der Versuch, den Irak in die Demokratie zu bomben.

Deshalb versteht man, warum viele Menschen in der arabischen Welt sagen: Demokratie wird überbewertet, denn Demokratie ist für uns Imperialismus, ist Besatzung, ist Kolonialismus. Und es ist nicht verwunderlich, dass in den Momenten, in denen säkulare westliche, westlich geprägte Ideologien versagen, die Menschen woanders hingehen. Das ist nicht überraschend. Es ist sehr menschlich.

Das bedeutet aber nicht, dass die arabische Welt   – und das gilt übrigens auch für die ganze Welt   – das Problem der dialektischen Beziehung zwischen säkularen und religiösen Menschen gelöst hat. Es bedeutet nicht, dass wir als menschliche Gesellschaft   – nicht nur in der arabischen Welt   – die universelle moralische Grundlage soweit gefunden haben, dass wir genau wissen, wer die höchste moralische Instanz ist und wer nicht. Ich bin kein moralischer Relativist. Damit will ich nicht sagen, dass jede beliebige Moral in Ordnung ist. Ich bin kein Postmodernist. Ich sage nur, dass es im Gegensatz zu den westlichen Lösungsvorstellungen in den Gesellschaften eine nicht-westliche Lösungsvorstellung gibt, zum Beispiel im Islam, sogar in vorislamischen Gesellschaften. Die Menschen suchten eher nach einem Konsens als nach einer Mehrheitsentscheidung.

Und Konsens   – und darüber haben Sie auch in Ihrem Buch geschrieben   – manchmal "leben und leben lassen", ohne alle Differenzen in der Art und Weise, wie sie die Welt in moralischer und sogar ideologischer Hinsicht wahrnehmen, zu lösen. Es ist die Art von "leben und leben lassen", die dialogische, nicht die dialektische, sondern die dialogische Realität, in der man leben kann. Ich glaube, dass die Menschen... Und wir kennen die arabische Welt, wir kennen die Gesellschaften sehr gut und sehr genau. Es gab lange Perioden in der Geschichte, in denen sie dazu in der Lage waren, und es war in der Regel eine Intervention von außen, die die Idee in eine sektiererische Gesellschaft, in etwas Negatives, verwandelt hat, anstatt in ein Mosaik von Menschen mit unterschiedlichen kollektiven Identitäten.

Und das Gleiche gilt für Palästina. Mit anderen Worten: Ich glaube nicht, dass die Hamas und die Hisbollah notwendigerweise die Vision der Zukunft der arabischen Welt oder Palästinas repräsentieren, nicht einmal so, wie sie es sich vorstellen. Was die Menschen von ihnen lernen, ist ihre Unverwüstlichkeit, ihr Mut und ihr Widerstand.  [Beifall] Ich glaube nicht, dass die Menschen blind sind für den Teil von derer theokratischen Zukunftsvision.

Ich glaube nicht, dass die Menschen, die die Position Syriens oder des Irans respektieren, in der die gesamte arabische Welt Schlange stand, um die Beziehungen zu Israel zu normalisieren, dass die Menschen nicht das Gefühl hatten... Einerseits sagten sie, dass dies eine mutige Position ist, die sie einnehmen. Aber das bedeutete nicht, dass sie blind für die Menschenrechtsverletzungen in Syrien oder im Iran gewesen wären.

Als Menschen können wir mit beiden Polen jonglieren, wissen Sie. Wir können jonglieren. Wir können mit diesen moralischen Fragen auf eine komplexere Weise jonglieren. Wir können genau sagen, was wir bewundern, und wir können genau sagen, was wir nicht akzeptieren, und wir können gemeinsam einen Mechanismus aufbauen, mit dem wir diesen Dialog führen können. Und dieser Dialog zwischen Moderne und Tradition, Religion und Säkularismus ist nicht nur ein Problem der arabischen Welt. Es ist auch ein Thema für Europa. Es ist auch ein Thema für die Vereinigten Staaten.

Wir waren irgendwie fasziniert von dieser westlichen Welt, dieser demokratischen Welt, und dann vergisst man irgendwie die Tatsache, dass in den Vereinigten Staaten mehr Menschen hingerichtet werden als irgendwo sonst auf der Welt. Darüber wird nicht gesprochen. Dass das amerikanische Wahlsystem eines der antiquiertesten und undemokratischsten ist, das jemandem wie Trump die höchste Position im Land verschaffen kann. All diese Dinge müssen neu aufgerollt werden.

Ussama Makdisi:

Okay, aber es gibt immer noch die Frage, dass es zwei verschiedene Wege des Widerstands zu geben scheint, und das geht aus einigen der hier gestellten Fragen hervor. Die eine ist, dass Sie gerade die Hamas und die Hisbollah und den islamistischen Widerstand erwähnt haben. Unabhängig davon, was die Menschen von denen halten, ob sie gut oder schlecht sind, sind sie diejenigen, die sich, wie Sie sagten, dem Normalisierungsprozess entgegenstellen, und das ist ein sehr spezifischer Diskurs, den sie führen. Sie tun nicht so, als ob. Sie sprechen nicht die westlichen liberalen Werte an, weil sie die Heuchelei dort erkannt haben. Sie machen ihr eigenes Ding. Und Sie sagten, es gibt ein theokratisches Element, es gibt ein religiöses Element. Es gibt all diese Dinge. Wie bringen Sie diese Realität dort mit der Tatsache in Einklang, dass hier Studenten, Dozenten und Mitarbeiter, Sie selbst heute in Ihrem Vortrag, für zivile, säkulare Gerechtigkeit eintreten? Das sind zwei getrennte Wege. Betrachten Sie sie als Widersprüche oder sehen Sie, dass sie irgendwann einmal zusammenlaufen?

Ilan Pappé:

Ja, ja. Das ist eine gute Frage, denn ich denke, wenn man sich die Geschichte erfolgreicher antikolonialer Kämpfe ansieht, nicht nur antikolonialer Kämpfe gegen Unterdrückung durch mächtige politische Strukturen, dann wurden sie immer durch eine Koalition von Kräften erreicht, die nicht in allem übereinstimmten, die eine unterschiedliche Haltung zu moralischen Fragen, ideologischen Fragen, vielleicht sogar Visionen hatten.

Es gibt aber auch die gegenteiligen Beispiele. Denken Sie an das Deutschland der Weimarer Republik, wo die Sozialdemokraten und die Kommunisten sich weigerten, bei der Niederschlagung des Nationalsozialismus zusammenzuarbeiten, weil sie der Meinung waren, dass sie die Zukunft nicht genau gleich sehen, was es den Nazis ermöglichte, in Deutschland an die Macht zu kommen. Das ist der Punkt, an dem sich meiner Meinung nach diese unterschiedlichen Strömungen einander annähern.

Es ist jetzt das Bündnis der Menschen, die zusammenarbeiten, um die Auslöschung des palästinensischen Volkes zu verhindern. [Beifall] Sie werden nicht an der Feinabstimmung arbeiten. Wenn ich Recht habe und wir uns in einem existenziellen Kampf befinden, um den Völkermord am palästinensischen Volk zu verhindern, dann kann ich mir nicht den Luxus leisten, mich auf Argumente darüber einzulassen, was in Palästina passieren wird, wenn es uns gelingt, den Völkermord zu stoppen. Ja, es wird Auseinandersetzungen geben, natürlich. Es wird Auseinandersetzungen geben und ich weiß, wie es anders geht, ich meine sogar aus eigener Erfahrung.

Als wir in [Belahin?] gegen die Apartheid-Mauer demonstriert haben, waren wir alle gemeinsam dort: Hamas-Leute, Dschihad-Leute, Fatah, antizionistische Juden. Ich habe das Gefühl, dass ich, wenn ich ein Mitglied gewesen wäre, jemand, der in Gaza lebt und vielleicht kein Muslim ist, vielleicht nicht diese Art von Gefühl empfunden hätte. Das ist möglich. Ich bin also nicht blind für diese komplexen Zusammenhänge. Ich sage nur, dass dies genau eine Möglichkeit ist   – es hängt alles davon ab, wie man den Moment definiert, in dem man sich befindet. Das bedeutet nicht, dass man blind ist für all diese Themen, die wir ansprechen. Ich denke also, sie konvergieren. Aber noch einmal, ich sage, dass sie in eine Realität konvergieren, die sehr schwierig sein wird.

Ich meine, stellen Sie sich vor, ein postkoloniales Palästina aufzubauen, von dem selbst die Hamas-Leute anerkennen müssten, dass es Millionen von Juden umfassen würde. Wie auch immer die Leute im Islamischen Dschihad oder im Iran oder in der Hamas über ein post-befreites Palästina denken, es wird Millionen von Juden enthalten. Es gibt keine Möglichkeit, dass es in einem befreiten Palästina nicht Millionen von Juden geben wird. Das müssen sie also berücksichtigen. Und sie werden darüber nachdenken müssen. Aber sie müssen nicht heute darüber nachdenken. Sie müssen wirklich nicht heute darüber nachdenken. Aber sie werden darüber nachdenken müssen. Sie werden darüber nachdenken müssen. Wissen Sie, das ist wie bei den palästinensischen Freunden, die an einen Staat glauben und alle Juden in einen Staat stecken wollen, und er sagt: Ihr braucht also nicht den einen Staat, nur die Juden […technische Störung   – unverständlich…].

Ich glaube, dass diese Dinge vorhanden sind. Und wenn Sie wie ich vor Ort sind, wissen Sie, dass die meisten Menschen meine Ansicht teilen. Die meisten Menschen teilen meine Meinung. Was sie aus politischen Gründen, zu öffentlichen Zwecken, nach außen hin sagen, ist etwas anderes, weil es Druck gibt. Ich denke, die große Mehrheit der Palästinenser und definitiv alle Antizionisten, die mit ihnen solidarisch sind, haben diese tiefe Erkenntnis und wissen um die Unterscheidung zwischen dem Kampf für die Befreiung und der Frage, was man nach der Befreiung aufbaut.

Ussama Makdisi:

Die Zeit ist fast abgelaufen und die letzte Frage kommt von den Studenten, die Sie fragen: Was raten Sie ihnen angesichts des enormen Drucks, unter dem sie stehen, angesichts des Doxing, der Einschüchterung, des Mobbings und all dem, was auf diesem Campus und auf anderen Campi im ganzen Land passiert? Wie können sie weiter für das kämpfen, was eigentlich grundlegender Anstand ist, wenn sie ständig verläumdet werden?

Und das ist die letzte Frage. Es gibt hunderttausend Fragen. Ich werde sie Ihnen zusammenstellen. Sie können sie heute Abend lesen.

Ilan Pappé:

Wahrscheinlich kann ich nicht einmal alle mit Sicherheit beantworten, also ist das gut.

Ja, ich denke, zunächst einmal, wissen Sie, eine Art von Grundregeln, die sich nur aus der Erfahrung im Alter ergeben und nicht aus einer besonderen Weisheit, die man auf die harte Tour lernt. Eine davon ist: Sei niemals allein in diesen Kämpfen. Stelle sicher, dass Du Teil einer größeren Gruppe bist... Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie der Einzige sind oder nur eine kleine Gruppe haben, dann tun Sie nichts. Tun Sie wirklich nichts. Warten Sie, bis Sie eine größere Koalition gefunden haben. Das ist die eine Sache.

Die zweite Sache ist: Man muss taktisch vorgehen. Man muss taktisch vorgehen und wie ich schon sagte: Wenn man im Bunker unter Beschuss steht, darf man den Kopf nicht sofort herausnehmen. Sie können warten. Ich meine es wirklich ernst. Ich glaube wirklich, dass wir unter dem falschen Eindruck stehen… Wenn Sie den falschen Eindruck haben, dass das Mobbing, das Sie jetzt sehen, und diese Art von Bedürfnis, Ihre Reaktion auf das, was am Samstag passiert ist, etwas ist, das Sie für längere Zeit begleiten wird, dann irren Sie sich aus allen möglichen Gründen, von denen ich einige heute Abend versucht habe zu erläutern. Vielleicht wird es nicht nachlassen, vielleicht wird es nicht versiegen, aber es wird weniger stark sein.

Da bin ich mir sicher. Es passiert nichts, wenn Sie warten. Wenn Sie glauben, dass die Reaktion Ihrer akademischen Laufbahn oder Ihrem Leben als Student sehr schaden könnte... Wenn Sie ein Shahid werden wollen, gehen Sie nach Palästina. Tun Sie es nicht in Berkeley. Berkeley ist kein Ort für Shuhad. Es ist ein Ort für ein gutes Leben und so weiter. Also tun Sie das nicht. Aber beziehen Sie Stellung. Setzen Sie sich zur Wehr und seien Sie ein Schickanierer und gegen die Schickanierer, wenn Sie wollen. Und geben Sie nicht nach.

Aber noch einmal: kalkulieren. Ich denke, das ist es, was ich sagen würde, und für Studenten ist das natürlich nicht einfach. Und es ist nicht leicht für mich, in diese Schuhe zu schlüpfen, weil ich nicht in dieser Position bin. Aber ich denke, Sie haben etwas sehr Wichtiges gesagt: Wenn Sie es jetzt nicht tun, wenn Sie in einer schwachen Position sind, werden Sie es auch nicht tun, wenn Ihre Position stärker geworden ist. Und das ist eine sehr wichtige Lektion für das Leben. Und wenn Sie mit sich selbst im Reinen sind und wissen, dass Sie auf festem moralischen Boden stehen, werden Sie überrascht sein, dass es nicht so einfach sein wird, Sie zu entfernen, zu unterdrücken oder zum Schweigen zu bringen. Es wird nicht leicht sein, aber das bedeutet nicht, dass es nicht machbar ist. Es ist machbar.

Ussama Makdisi:

Danke, danke, Ilan, vielen Dank.


Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=1OcjOP8iUCU

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//www.youtube.com/@HatemBazian">Hatem Bazian


Das Transkript und die Übersetzung für seniora.org besorgte Andreas Mylaeus

 


Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/professor-ilan-pappe-krise-des-zionismus-chance-fuer-palaestina

25.10.2023

Keine Spur von Menschlichkeit - Baerbock setzt auch in Nahost auf Gewalt und Blutvergießen

freeassange.rtde.life, 24 Okt. 2023 20:25 Uhr, Von Gert Ewen Ungar

Baerbocks Außenpolitik setzt nicht auf Diplomatie, sondern auf Gewalt und Eskalation. Im Ukraine-Konflikt lässt sich der Wunsch nach einem Sieg über Russland zwar nicht moralisch, aber geostrategisch verstehen. In Nahost gilt das für den Sieg über die Hamas nicht. Er ist rein böse.


Quelle: Sputnik © Tarek Aliyan


Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) positioniert Deutschland mit ihrer Ablehnung eines humanitären Waffenstillstands in Nahost auf der Seite der Gewalt.


Auch im Nahost-Konflikt bleibt die deutsche Politik ihrer außenpolitischen Linie treu und positioniert sich fest an der Seite der Gewalt und gegen die Grundsätze des Völkerrechts. Innerhalb der deutschen Gesellschaft gibt es unterschiedliche Haltungen, nach außen jedoch legt die deutsche Außenministerin die Linie Deutschlands fest.

Wie schon im Ukraine-Konflikt setzt sie auch im Nahost-Konflikt auf eine militärische Lösung. Einen humanitären Waffenstillstand lehnt Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ab und folgt damit erneut blind und gegen deutsche Interessen den Vorgaben aus Washington. Es stellt sich die Frage, warum sie das tut, denn sie führt Deutschland damit auch innerhalb des westlichen Bündnisses in die Isolation. Die Mehrheit der Staaten der EU schließt sich Washington nicht an und beweist damit, dass ein gewisses Maß an Souveränität durchaus möglich ist. Deutschland macht davon regelmäßig keinen Gebrauch. Mit der Ablehnung der Forderung nach einer Waffenruhe isoliert sich Deutschland daher sowohl innerhalb der Vereinten Nationen, als auch innerhalb der EU. 

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte Israel zur Achtung des humanitären Völkerrechts. Die Blockade von Gaza verstößt klar gegen die Prinzipien der UN. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Blockade Gazas bereits mit der Blockade Leningrads durch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verglichen. Die Blockade Leningrads gilt als eins der grausamsten Verbrechen der deutschen Faschisten, denn das Ziel war die Dezimierung der Bevölkerung durch Hunger und Seuchen – ein Genozid. Dass auch Israel die Auslöschung der Palästinenser in Gaza zum Ziel hat, ist daher ein naheliegender Gedanke, der auch in der deutschen Diskussion zugelassen werden muss. Das Abschneiden von Strom, Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten richtet sich nicht gegen die Hamas, sondern gegen alle Menschen, die im Gazastreifen leben. Die Blockade richtet sich ebenso wie der Beschuss von Wohnhäusern, Schulen und Krankenhäusern durch Israel gegen ihre Existenz.


Nahost und Ukraine: Deutschland positioniert sich weiter einseitig – und gegen das Völkerrecht





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Der UN-Sicherheitsrat fordert ebenfalls eine Feuerpause und den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung sowie die Einrichtung humanitärer Korridore. Ein von Brasilien eingebrachter Resolutionsentwurf scheiterte lediglich am Veto der USA. Deutschland findet sich daher auch in diesem Konflikt in schlechtester Gesellschaft wieder – auf der Seite der Befürworter von Gewalt.

Allerdings gibt es große Unterschiede in den Motiven. Israel ist für die USA ein wichtiger Anker in Nahost. Das Verhältnis zu Saudi-Arabien erodiert, zu den anderen Ländern in der Region ist es bestenfalls durchwachsen. Die USA haben als Hegemon ein Interesse daran, dass Israel als Statthalter in der Region Stärke zeigt. Das kann man unethisch finden, aber es ist zumindest rational. Auf Deutschland trifft das nicht zu. Die von Baerbock vertretene Position ist unethisch und obendrein noch irrational. 

Unter anderem Russland und China mahnen die Umsetzung der Zweistaatenlösung an – ein Wort, das Baerbock gar nicht erst in den Mund nimmt. Sie setzt auf die Vernichtung der Hamas wie sie auf den Ruin Russlands setzte. Weder das eine noch das andere kann gelingen. Es entspringt als Wunsch auch nicht der politischen Vernunft, sondern niedrigen Instinkten – der Lust auf Rache, auf Vernichtung, dem Durst nach Blut.


Gaza-Konflikt: Moskau schickt Hilfsgüter – Berlin schickt Baerbock





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Aber nicht nur in der internationalen Gemeinschaft, auch in der EU ist die deutsche Position nicht mehrheitsfähig. Als sich die aus Deutschland stammende Kommissionspräsidentin streng nach deutscher Staatsräson einseitig an der Seite Israels positionierte, blies ihr ein strenger Wind aus den eigenen Reihen entgegen. Sie bekam Post von ihren Beamten. 800 Mitarbeiter der Kommission und anderer EU-Organisationen protestieren laut einem Bericht des Blogs Lost in Europe in einem Brief gegen von der Leyens einseitige Parteinahme zugunsten Israels im Nahostkonflikt.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ging auf Distanz zur deutschen Linie seiner deutschen Vorgesetzten. In der EU besteht die Sorge, dass man damit seinen Ruf weiter schädigen könnte. Schon jetzt werden dem Westen und der EU regelmäßig doppelte Standards und Messen mit zweierlei Maß vorgeworfen.

So machte der Ukraine-Konflikt deutlich, dass die EU über kein diplomatisches Konzept zu seiner Lösung verfügt. Sie setzt auf Waffenlieferungen und einen wenig realistischen Sieg der Ukraine über Russland. Die Vorschläge zu seiner diplomatischen Lösung kommen alle nicht aus der EU, sondern aus anderen Regionen der Welt. Faktisch eine politische Bankrotterklärung – die EU hat zum Frieden in Europa nichts beizutragen. Eine einseitige Parteinahme für Israel würde zudem die Frage aufwerfen, warum die EU zwar die Ukraine als aus ihrer Sicht überfallenes Land unterstützt, aber nicht die Palästinenser, die von Israel überfallen werden.


Luftangriff auf Krankenhaus in Gaza sorgt weltweit für heftige Reaktionen





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Baerbock stören diese sachlichen Einwände nicht. Sie will in die Fußstapfen ihres Vorbilds, US-Außenministerin und Massenmörderin Madeleine Albright, treten. Der war der hunderttausendfache Tod irakischer Kinder ein angemessener Preis für den Machterhalt der USA in der Region. 

Was Baerbock von Albright aber ganz klar unterscheidet, ist, dass es Albright um den Machterhalt des eigenen Landes ging. Was sie tat, war menschenverachtend, ohne Moral und reines Machtkalkül – aber es lag im Interesse der USA. Baerbock geht es noch nicht einmal um das. Deutschland besitzt in Nahost keinen nennenswerten Einfluss. Baerbock geht es nicht um Deutschland und das deutsche Staatswohl. Baerbock ist keine deutsche Patriotin.

Wem ordnet sie also das Völkerrecht und Tausende Menschenleben unter? Albright war eiskalt, berechnend, dabei klug und auf den Vorteil der USA bedacht. Auf Baerbock trifft das nicht zu – Baerbock ist von Emotionen getrieben, von Rachsucht und dem Wunsch nach Erniedrigung. Baerbock verkörpert im moralphilosophischen Sinn des Wortes das reine Böse – das Böse ohne Zweck. Albright tat das Böse für ihr Land, Baerbock will es um seiner selbst willen. 

Weder die EU noch Deutschland werden einen geostrategischen Vorteil davon haben, wenn sie das Schlachten Israels in Gaza dulden oder gar fördern. Es wird im Gegenteil ihren Abstieg weiter beschleunigen. Mit ihrem Durst auf Blut und dem Willen zur Rache tritt Baerbock daher nicht in die Fußstapfen ihres Vorbilds Albright, wie manche meinen. Baerbock fällt schlicht aus der Zivilisation und sie sorgt als deutsche Außenministerin dafür, dass man in der Welt auch Deutschland erneut für aus der Zivilisation gefallen hält: ein grausames, barbarisches und unzivilisiertes Land, repräsentiert von einer grausamen, barbarischen und unzivilisierten Außenministerin.


Mehr zum Thema  Zwischen Diplomatie und Waffengewalt in Nahost: EU-Außenminister uneinig


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.

Info: https://freeassange.rtde.life/meinung/184796-baerbock-im-blutrausch-kein-humanitaerer


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

25.10.2023

Robbers-Cave-Experiment Wie Kinder zu Rivalen gemacht wurden

tagesschau.de, 25.10.2023 06:29 Uhr, Von Von Sylke Blume, WDR

Es gilt als Meilenstein in der Konfliktforschung: Beim Robbers-Cave-Experiment machten Forschende 22 Jungen 1954 zunächst zu Feinden - und versuchten anschließend, sie wieder zu versöhnen. Welche Erkenntnisse sind geblieben?


Warum geraten Menschen immer wieder in Konflikte miteinander? Und wie können sie diese wieder lösen? Diese Frage war in den 1950er-Jahren Hauptbestandteil der Forschung des US-Sozialpsychologen Muzafer Sherif. Der Wissenschaftler wollte in einem Experiment beweisen, dass Kinder in einer Konkurrenzsituation innerhalb kürzester Zeit aggressiv werden - und ermöglichte damit grundlegende Einsichten in die Psychologie von Gruppenkonflikten.

Sherif hatte in der Türkei eine von Konflikten bestimmte Jugend erlebt, die ihn maßgeblich prägte. Er widmete sein Leben der Frage, wie verschiedene soziale Gruppen friedlich miteinander leben können und wie Konflikte entstehen.

Thibault Le Texier

08.10.2023

Stanford Prison Zweifel an dem Gewaltexperiment der 1970er-Jahre

Was macht Menschen zu Gewalttätern? mehr

Ort des Experiments: Robbers Cave State Park in Oklahoma

Das Experiment fand im abgelegenen Robbers Cave State Park im US-Bundesstaat Oklahoma statt, in Form eines dreiwöchigen Sommercamps. Der Archivnachlass von Muzafer Sherif gibt Einblick in die Planung und Durchführung des Experiments. Man bemühte sich um eine homogene Auswahl der 22 teilnehmenden Jungen: alle ungefähr gleich alt, gleich groß, aus ähnlichem Milieu. Familiäre Probleme oder Scheidungen wurden als disqualifizierend betrachtet.

Sherif wollte sicherstellen, dass persönliche Unterschiede die Gruppenbildung nicht beeinflussen würden. Die Kinder wurden in zwei Gruppen eingeteilt: die Eagles, die Adler, und die Rattlers, die Klapperschlangen. Das Experiment gliederte sich in drei Phasen. In Stufe eins lernten sich die Jungen kennen - aber jede Gruppe für sich, ohne aufeinanderzutreffen.


Eskalation des Konflikts in Phase zwei

In der Konfliktphase heizten die Forschenden die Rivalität zwischen den Gruppen an. Wettbewerbe wurden gezielt manipuliert und ungerecht bewertet, Feindseligkeiten provoziert. Es wurden Sportwettkämpfe um Taschenmesser als begrenzte Ressource veranstaltet. Der Konflikt zwischen den Gruppen eskalierte schließlich dramatisch. Schnell kam es zu einer Veränderung der Jungen von harmlosen Teilnehmern zu aggressiven Rivalen. Prügeleien, Flaggenverbrennungen und Überfälle waren die erschreckenden Höhepunkte.


In Phase drei präsentierten die Forschenden den Jungen übergeordnete Probleme, die nur gemeinsam gelöst werden konnten. Der Mangel an Frischwasser wurde zur Herausforderung für beide Gruppen. Das gemeinsame Lösen des Problems führte zum Abbau der Feindseligkeiten und einem erstaunlichen Wandel der Gruppenidentitäten.


Eine Frau steht vor einem zerstörten Wohnhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Eine Frau steht vor einem zerstörten Wohnhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

09.09.2023

Kriege, Krisen und Konflikte Die Welt im Dauerstress

Krieg in Europa, kenternde Flüchtlingsboote, ein überhitzter Planet - Hiobsbotschaften dominieren die Nachrichten und lassen uns oft überfordert zurück. mehr


Es fehlte ein ethisches Regelwerk

Thomas Kessler, deutscher Konfliktforscher, betont die fortdauernde Relevanz des Experiments: "Robbers Cave ist nach wie vor eines der klassischen Experimente. Wenn es um Inter-Gruppen-Konflikte geht, gilt dieses Experiment als der Standard." Er betont zugleich, dass solche Studien heute so nicht mehr durchgeführt werden könnten. Doch damals gab es noch kein ethisches Regelwerk.

Erst 1974 - 20 Jahre nach Robbers Cave - erließ die American Psychological Association den sogenannten National Research Act: klare ethische Regeln, was Forschende bei Experimenten dürfen und was nicht - insbesondere, wenn sie mit Minderjährigen arbeiten.


Rolle der Forschenden war komplex

Stephen Reicher, Experte für Sozialexperimente, hebt hervor, dass Sherif als einer der Ersten Gruppen statt Einzelne analysierte. Dabei war die Rolle der Forschenden komplex: Sherif selbst agierte als Hausmeister, Forschende waren Betreuende, Beobachtende und zugleich Initiatoren der Konflikte. Durch ihre Doppelrolle befanden sie sich in einem ethischen Dilemma. Die Grenze zwischen Anleitung und neutraler Beobachtung war schwer zu ziehen.

Die ethischen Aspekte des Robbers-Cave-Experiments werden heute kritisch betrachtet. Die Manipulation und Inszenierung von Konflikten, insbesondere bei Minderjährigen, wirft ernsthafte Fragen auf.

Zeitzeuge Smut Smith erinnert sich an positive Erlebnisse, die er in dem Sommerlager als Junge hatte, aber auch an den Höhepunkt des Konflikts: "Sie wollten die Hütte abfackeln!" Wie alle anderen Kinder hatte er keine Kenntnis vom Experiment selbst. Erst 60 Jahre später erfuhr er, dass er damals zu Forschungszwecken manipuliert und beobachtet wurde.


Die Journalistin Ciani-Sophia Hoeder mit dem Zeitzeugen Smut Smith. Er erfuhr erst 60 Jahre später, dass er 1954 im Feriencamp manipuliert wurde.


Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte

Trotz der ethischen Problematik gilt das Robbers-Cave-Experiment als Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte, als Pionierprojekt, das grundlegende Einsichten in die Psychologie von Gruppenkonflikten ermöglichte. Die Phasen des Experiments - Konfrontation, Konflikt und schließlich Kooperation - spiegeln oft reale Weltgeschehnisse wider.

Forschende weltweit beziehen sich auf die Erkenntnisse, wenn sie Mechanismen von Vorurteilen und Konflikten in der Gesellschaft verstehen wollen.

Heute wird die Erforschung von Gruppenverhalten, Konflikten und Kooperationen in kontrollierteren Umgebungen durchgeführt, um Schäden und ethische Dilemmata zu minimieren. Neue Erkenntnisse fließen in Bereiche wie Organisationspsychologie, interkulturelle Studien und Friedensforschung ein.


Eine kleine Pflanze wächst im ausgetrockneten und aufgerissenen Boden auf einem Feld.

Eine kleine Pflanze wächst im ausgetrockneten und aufgerissenen Boden auf einem Feld.

12.04.2023

Klima, Gesundheit, Technik RESSORT WISSEN

Aktuelle Nachrichten aus der Welt der Wissenschaft. Neue Studien und Hintergründe zu den Themen Klima, Gesundheit, Technik und Forschung. mehr


"Art und Weise kann kritisiert werden"

Die Journalistin Cinani-Sophia Hoeder hat das Experiment für eine ARD-Dokumentation durchleuchtet und bilanziert:

Eigentlich ist es ganz einfach. Damit Gruppen in Frieden miteinander leben können, hilft ein gemeinsames Ziel. Und das hat Muzafer Sherif in seinem Experiment ausprobiert: ein Ziel, das nur durch Zusammenarbeit erreicht werden konnte. Die Art und Weise, wie Muzafer Sherif das Robbers-Cave-Experiment durchgeführt hat, kann durchaus kritisiert werden. Aber er hat auch gezeigt: Wenn beide Seiten sich darauf einlassen, kann es einen Weg aus Konflikten heraus geben.

Das Robbers-Cave-Experiment ist Thema in der ARD-Wissen-Dokumentation "Legendäre Experimente - Robbers Cave", zu sehen am 25. Oktober 2023 um 22:50 Uhr im Ersten.


Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das Erste am 25. Oktober 2023 um 22:50 Uhr.


Info: https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/robbers-cave-experiment-100.html

25.10.2023

Erweiterung: Selenskyj „berät“ die EU-Kommission

lostineu.eu, 25. Oktober 2023

Wieder eine Premiere: Nach dem Besuch der EU-Außenminister in Kiew berät bzw. bearbeitet Präsident Selenskyj nun die EU-Kommission in Brüssel. Am Dienstag war er live zugeschaltet.

Per Video nahm Selenskyj an der wöchentlichen Kommissionssitzung in Brüssel teil, wie Behördenchefin von der Leyen stolz auf Twitter / X bekannt gab.

Der ukrainische Staatschef verfolgte jedoch nicht nur die – vertraulichen – Beratungen der Kommissare. Er hielt auch eine Rede und gab gute Ratschläge.

Die EU habe nun eine „historische Chance“, den „Mangel an geopolitischer Gewißheit“ zu beseitigen und die Beitrittsverhandlungen der Ukraine aufzunehmen, sagte er.

Dazu muß die EU-Kommission allerdings erst noch die passende Empfehlung abgeben; danach müssen die 27 EU-Staaten dem Verhandlungsbeginn einstimmig zustimmen.

Wie gut, dass Selenskyj einen so guten Draht zu von der Leyen hat und die Kommission noch vor ihrer Entscheidung, die Anfang November fallen soll, „beraten“ bzw. bearbeiten darf!

Anderen Beitrittskandidaten ist diese Ehre meines Wissens noch nicht zuteil geworden. Selbst Kanzler Scholz hat normalerweise keinen Zugang zu Kommissionssitzungen…

P.S. Nach diesem Präzedenzfall möchte EU-Parlamentspräsidentin Metsola nicht zurückstehen: Sie wünscht sich ukrainische Abgeordnete mit „Beobachterstatus“ – und das schon vor dem EU-Beitritt!

3 Comments

  1. Thomas Damrau
    25. Oktober 2023 @ 09:46

    Komplexe Konstellationen erfordern normalerweise komplexe Strategien. Eigentlich.
    Stattdessen beobachten wir, wie einerseits immer mehr Wähler auf die unterkomplexen Antworten rechter Bauernfänger reinfallen und sich andererseits die in der Verantwortung stehenden PolitikerInnen an simple Glaubenssätze klammern:
    – Die Freiheit des Westens wird am Dnjepr verteidigt. Wenn Russland nicht vertrieben wird, wird Putin seine Armeen weiter gen Westen schicken.
    – Was Uncle Joe in Washington beschließt, dient dem Wohle der Menschheit.
    – Wir müssen möglichst schnell alle EU-Beitrittskandidaten an Bord holen, weil diese sonst für den Westen verloren sind.
    – Durch demonstrative Härte können wir Migrationswilligen die Lust am Migrieren nehmen.
    – Der Globale Süden ist immer noch bereit, sich von uns die wirtschaftlichen Bedingungen diktieren zu lassen, weil die Konditionen des IWF um so vieles besser sind als die Konditionen Chinas.
    – Demokratie liegt vor, wenn dem Westen genehme Parteien die Wahlen gewinnen.
    – Die Demokratie-Defizite mancher Länder können durch Rohstoff-Reichtum kompensiert werden – sofern die Länder ihre Rohstoffe zu günstigen Bedingungen rausrücken.
    – Freiheit bedeutet vor allem freies Unternehmertum.
    – …

    Und so passen Einerseits und Andererseits am Ende gut zusammen: Wo Politiker vermehrt Blödsinn reden, muss man sich nicht wundern, wenn mehr und mehr Wähler sich auf die Suche nach alternativem Blödsinn machen.

Reply

  • Stef
    25. Oktober 2023 @ 09:00

    Selenski offenbart mit solchen „Ratschlägen“ offen seine Verzweiflung. Im Grunde riskiert er damit, in die letzte Reihe geschickt zu werden. Der einzige Grund, warum dies noch nicht erfolgt, ist die noch größere Verzweiflung der Kommisionspräsidentin von der Leyen.
    Ich glaube, man sollte nicht unterschätzen, welche verheerende Wirkung auf das Weltbild dieser Befehlsempfänger in Politikerverkleidung die aktuelle Zeit hat. Es zeichnet sich eine Persiode der Unsicherheit und der Veränderung im globalen Maßstab ab und wir sind als Bürger konfrontiert mit obrigkeitshörigen Vollstreckern unbefugter Befehle. Kein Wunder, dass die überfordert sind.

    Reply

  • european
    25. Oktober 2023 @ 07:38

    Irgendwann gibt es Selenskyj-Heiligenbildchen und jeder muss sich zuhause eins davon aufhängen, sonst gibt es kein Glück ???? . Und gleichzeitig wundern sich die EU Granden, dass sie außerhalb ihrer Blase von niemandem mehr ernst genommen werden.

    Die Aufnahme der Ukraine wird für die EU extrem teuer werden und das nachdem sie das ökonomische Modell des Blocks durch ihre planlose Sanktionitis mehr oder weniger selbst zerstört haben. Was ist denn der Plan für die Zukunft? Womit sollen die Brötchen verdient werden? Welches sind unsere Absatzmärkte und vor allem für was? Hat jemand eine zukunftsfähige Strategie im Ärmel? Ich denke die Europäer würden gespannt zuhören.


  • Info: https://lostineu.eu/selenskyj-beraet-die-eu-kommission


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Israel: USA schicken Militär-Berater, Baerbock torpediert Friedensgipfel


    lostineu.eu, vom 24. Oktober 2023

    Der militärische Aufmarsch rund um Israel geht weiter. Washington schickt nun auch Militärberater – offenbar für die geplante Offensive in Gaza. Derweil torpediert Berlin einen Friedensgipfel.

    „Der Pentagon schickt Waffen und Berater in den Nahen Osten“, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Einer der Berater war vorher im Irak tätig, bekämpfte den „IS“ und gilt als Experte für den Straßenkampf.

    Zuvor hatte US-Präsident Biden mit Regierungschef Netanjahu telefoniert. Es ging um “U.S. support for Israel and ongoing efforts at regional deterrence, to include new U.S. military deployments.”

    Das Weiße Haus beschuldigte Iran, Angriffe auf US-Militärbasen in der Region „aktiv zu unterstützen“ (was auch immer das heißen mag). Man werde mögliche Angriffe nicht unbeantwortet lassen.

    Frankreichs Präsident Macron forderte bei einem Besuch in Israel eine internationale Allianz gegen Hamas nach Vorbild der Anti-IS-Allianz. Der Kampf müsse „gnadenlos, aber nicht ohne Regeln“ sein.

    Derweil streitet die EU weiter. Nun lägen sich Außenministerin Baerbock und EU-Chefdiplomat Borrell in den Haaren, meldet der „Spiegel“. Baerbock habe sogar eine Abschlußerklärung beim Kairoer „Friedensgipfel“ verhindert.

    Das eine Lager, zu ihm gehörten der EU-Außenbeauftragte Borrell und sein Landsmann, der spanische Außenminister José Manuel Albares, setzte sich für eine gemeinsame Abschlusserklärung mit den arabischen Staaten und den Vertretern des sogenannten Globalen Südens ein. An der Spitze des anderen Lagers stand die deutsche Außenministerin. Zusammen mit den Außenministerinnen Frankreichs und Kanadas markierte Baerbock einige rote Linien und blockierte am Ende eine gemeinsame Abschlusserklärung.

    Offenbar versteht sie doch etwas von Diplomatie – wenn es darum geht, eine Feuerpause zu verhindern und einen Friedensgipfel zu torpedieren…

    Siehe auch Bedrohlicher Aufmarsch der Großmächte rund um Israel und Ohnmacht in Nahost

    P.S. Baerbock hat bei der UNO in New York für „humanitäre Fenster“ für eine Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen geworben. Doch sie ist weiter gegen eine Waffenpause. Das verstehe wer wolle…

    5 Comments

    1. Stef
      25. Oktober 2023 @ 08:55

      Baerbock ist im Grunde eine Anti-Politikerin. Jeder Wille zur Gestaltung ist ihr vollkommen fremd. Sie bewegt sich ausschließlich in dem engen Korridor zwischen den Resten Grüner Grundsätze und der offiziellen Außenpolitik der USA. Priorität hat dabei immer die US-Politik. Sie ist nicht einmal Willens, mögliche und absehbare Kurswechsel in der US-Politik zu antizipieren um damit Spielräume für eigene Politik zu generieren. Sie wartet sicherheitshalber immer auf den offiziellen Kurswechsel, der dann natürlich mit den engsten US-Leitplanken praktisch ohne verbleibende Spielräume daherkommt. Und diese Rolle gefällt ihr sichtlich gut, sie vermittelt mit keinen unzufriedenen Eindruck.

      Im Grunde ist dies ein zutiefst administratives Verhalten, ein besonders obrigkeitshöriges und konservatives zumal. Nur dass leider die Loyalität der Administratorin in diesem Fall nicht dem Souverän, sondern den USA gehört.

    Reply

  • Thomas Damrau
    25. Oktober 2023 @ 08:39

    „USA schicken Militär-Berater“ – der Fachmann staunt und der Laie [ich] wundert sich: Israel hat eigentlich genug Erfahrung im Kampf mit Guerilla-Truppen und die US-Army hat sich in dieser Disziplin zuletzt die Finger verbrannt (Irak, Afghanistan).

    Beim Lesen des AP-Artikels schien mir die Formulierung „advising on how to mitigate civilian causalties“ (auch nicht unbedingt eine Parade-Disziplin der USA) einen Hinweis zu geben: Möglicherweise schickt Biden ein Überwachungs-Team, das Gewalt-Exzesse verhindern soll.

    Ein riskanter Ansatz: Falls die Zahl der „zivilen Opfer“ nicht „begrenzt“ werden kann, steht auch Biden am Pranger.

    Reply

  • Boris
    25. Oktober 2023 @ 04:04

    „Fenster“ heisst ja wohl: kurze Zeit für Lieferungen, aber dann soll die Bombardierung gefälligst weiter gehen.

    Reply

  • KK
    25. Oktober 2023 @ 01:17

    „Offenbar versteht sie doch etwas von Diplomatie“

    Von Kriegsdilpomatie vielleicht – wie erkläre ich zB Russland einen Krieg, ohne dass mein Kanzler das angeordnet hätte oder auch nur davon weiß (und was hab ich als Druckmittel gegen den in der Hinterhand, dass der mich dafür nicht achtkantig rausschmeisst)?

    Von Friedensdilomatie versteht sie jedenfalls absolut nichts. Die ist in dem speziellen Völkerrecht, aus dem sie kommt, offenbar nicht vorgesehen.

    Reply

  • Corona Hotspot
    24. Oktober 2023 @ 17:33

    Der Dritte Weltkrieg ist in vollem Gange, und bald wird die ganze Welt brennen, denn das ist der geplante Ablauf der Psychopathen, die die Polit- und Medienhuren wie Hühner vor sich hertreiben.


  • Info: https://lostineu.eu/israel-usa-schicken-militaer-berater-baerbock-torpediert-friedensgipfel


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Ukraine will EUropas Waffenfabrik werden


    lostineu.eu, 24. Oktober 2023

    Die Ukraine will nach dem Krieg mit Russland zum führenden Waffenproduzenten in der EU aufsteigen. Eine provozierende Positionierung – nicht nur für Moskau.

    Kiew habe weit reichende Pläne, erklärte Regierungschef Denys Schmyhal vor einem Deutschland-Besuch. Dabei gehe es nicht nur um die Landwirtschaft und die Energie, sondern auch um die Rüstung. Aus einem Gastbeitrag in der FAZ:

    Nach dem Krieg plant die Ukraine, mit einem umfassenden Programm zum Aufbau einer eigenen Verteidigungsindustrie zu beginnen. Es gibt bereits Kooperationen mit Deutschland und anderen europäischen Ländern zur Gründung gemeinsamer Rüstungsunternehmen. Die Erfahrungen der Ukraine können für gemeinsame Militär- und Verteidigungsprogramme mit anderen europäischen Ländern von unschätzbarem Wert sein. Die ukrainische Armee könnte eine Schlüsselkomponente Europäischer Streitkräfte werden und die Sicherheit Europas erheblich festigen.

    Ähnlich äußerte sich Industrieminister Oleksandr Kamyshin in „Politico“. Die Ukraine wolle nicht nur für die EU, sondern für die gesamte „freie Welt“ Waffen produzieren, sagte er mit Blick auf den Krieg in Israel.

    Für Deutschland und Rheinmetall ist dies vermutlich eine gute Nachricht. Für Russland eher nicht. Auch Frankreich, das selbst eine bedeutende Rüstungsindustrie hat, dürfte nicht begeistert sein.

    Die provozierende Positionierung wird noch zu Ärger bei den Beitrittsverhandlungen führen – aber auch ein Ende des Kriegs erschweren. Wer will schon EUropas größte Waffenfabrik vor seiner Haustür haben?

    P.S. Die Ukraine strebt offenbar auch bei Attentaten und Auftragsmorden eine führende Stellung an. Dies berichtet die „Washington Post“. Gemeinsam mit der CIA habe der SBU mehrere Coups in Russland gelandet und den Mord an Darja Dugina, der Tochter eines russischen Ideologen, ausgeführt…

    13 Comments

    1. Thomas Damrau
      24. Oktober 2023 @ 23:37

      Haben wir nicht schon genügend Länder, die einen substantiellen Anteil ihres BIP mit dem Export von Utensilien für Mord&Totschlag erwirtschaften – und deshalb daran interessiert sind, dass es genügend Konflikte gibt? Die Welt wäre ein friedlicherer Ort, wenn Krieg nicht ein so gutes Geschäft wäre …

      Wie es schon die alten Römer praktiziert haben: Si vis bellum, para bellum. (In den Sonntagsreden hieß das natürlich anders.)

      (Nebenbei: Die ukrainische Rüstungs-Industrie vor schon dem Überfall durch Russland nicht zu vernachlässigen.)

    Reply

    • Kleopatra
      25. Oktober 2023 @ 08:59

      @Thomas Damrau: Ganz langsam zum Mitschreiben: Die. Ukraine. hat. diesen. Krieg. nicht. angefangen. Beide beteiligten Länder könnten Frieden haben, wenn die in Moskau regierende Verbrecherbande nicht die Ukraine überfallen hätte (und es wären dann auch keine ukrainischen Kinder nach Russland entführt worden, keine Vergewaltigungen, Morde an Zivilisten und was dergleichen russische „Heldentaten“ mehr sind). Da sich aber Russland so aufführt, sind alle in einiger Entfernung zu ihm liegenden Länder leider gezwungen, sich militärisch so auszustatten, dass sie sich im Fall eines Falles entschieden wehren können (alle betroffenen könnten sich auch lustigere Möglichkeiten vorstellen, wofür sie ihr Geld ausgeben). Dass die Ukrainer gern einen möglichst großen Teil ihrer (s.o.) leider notwendigen Rüstung lieber selbst herstellen als bei Olaf Scholz und dergl. erbetteln, sollte auch nachvollziehbar sein; und dass sie diese anderen gleichgesinnten Verbündeten auch zum Kauf anbieten, macht Sinn. Wären die Fundamentalkritiker bereit, sich ausrauben, ermorden, foltern, vergewaltigen (und alle Kinder nach Russland entführen) zu lassen?

      Reply

      • Stef
        25. Oktober 2023 @ 09:29

        @ Kleopatra: Von oben herab argumentiert und auch noch schlecht.

        Die Ukraine hat sich vom Westen auf einen extrem nationalistischen und aggressiven Kurs gegen Russland und gegen die in der Ukraine lebenden russissprachigen Menschen bestärken und verleiten lassen. Selbst Selenski ist zwar mit einem Versöhnungsprogramm gewählt worden, aber dann in das Lager der Ultranationalisten gewechselt und zwar nicht auf Betreiben Russlands. Diesen Kurs hat die Ukraine sich selbst gegeben. Das ukrainische Militär führt im eigenen Land seit dem Maidan einen Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung im Donbass und gegen diejenigen Teile der Bevölkerung, die gegen den nationalistischen Kurs und gegen die bedingungslose Zuwendung zum Westen und Abwendung von Russland sind. Die Toten in diesem Krieg sind keine Erfindung. Die Streichung sämtlicher Sozialleistungen für die Bewohner des Donbass sind ebensowenig russische Propaganda wie das Verbot der russischen Amtssprache und andere drastische Diskriminierungen.

        Wenn wir von Verbrecherbanden an der Spitze imperialistischer Staaten sprechen, dann verdienen die USA seit dem Ende des WW2 unangefochten den Spitzenplatz. Gegenüber Russland haben die USA auf dem europäischen Territorium seit dem Mauerfall eine Politik betrieben, die die jetzt erfolgenden Eskalationen mindestens billigend in Kauf genommen, eher noch strategisch verfolgt hat. Die wesentlichen Rüstungskontrollverträge, die den Kalten Krieg beendet haben, sind seit 1990 von den USA gekündigt worden, als man sich als die einzig verbleibende Supermacht wähnte und Russland zur Regionalmacht herabgestuft hat. Ein Rakatenabwehrschild ist gegen Russland aufgestellt worden und jede andere noch so hell leuchtende rote Linie Russlands ist systematisch missachtet worden.

        Das alles kann man machen, sich dann aber über die Gegenmaßnahmen zu wundern und diese als die eigentliche Aggression zu bezeichnen ist schon extrem einseitig.

        Das alles vermag natürlich den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht zu rechtfertigen. Dieser war aber eben nie die Ursache oder auch nur der Anfang der Geschichte, sondern nur ihr trauriger Höhepunkt.

        Es scheint Ihnen ja ziemlich schwer zu fallen, das ganze Bild zu sehen statt nur eines kleinen Ausschnitts. Dafür garnieren sie ihren Ausschnitt aber auch mit allerlei blumigen Vokabeln und einseitigen Schuldzuweisungen. Als würde in dem Ukrainekrieg oder auch in irgendeinem anderen Territorialkrieg in der Geschichte der Menschheit alleine eine Seite Grausamkeiten und Verbrechen begehen, während die andere Seite keine Verbrechen begeht, immer gute Gründe und tragende Rechtfertigungen hat.

        Wer so etwas glaubt, perpetuiert freiwillige oder unfreiwillig die Logik des Krieges und darf sich nicht wundern, wenn außer noch mehr Krieg alle anderen Wege verbaut sind. Diese Erkenntnis hatten wir in Europa schon einmal nach dem Ende von zwei Weltkriegen. Brauchen wir erst erneut ein solches Ausmaß der Zerstörung, um wieder von unserer Hybris herunterzukommen, dass nur wir das Recht auf unserer Seite haben und nur wir das einzig Richtige zu erkennen vermögen? Wenn ich Ihre Beiträge lese, fürchte ich fast, dass uns dieser steinige Weg bevorsteht.

      • Thomas Damrau
        25. Oktober 2023 @ 10:40

        @Kleopatra
        Ich bin in meinem Beitrag nicht (wie Sie mir unterstellen) auf die Kriegsschuldfrage eingegangen, sondern wollte darauf hinweisen, dass man einen „militärisch-industriellen Komplex“ (Eisenhower) nicht mehr los wird, wenn er sich erst einmal etabliert hat. Eisenhower hat diesen Begriff mit Blick auf die USA geprägt, die im 2. Weltkrieg eine riesige Rüstungsindustrie geschaffen haben. Und diese Rüstungsindustrie hat seitdem einen unangemessenen Einfluss auf die US-Außenpolitik. Eisenhowers Warnung vor der Macht der Rüstungsindustrie stammt aus den 1950er. Heute geben die USA immer noch einen aberwitzigen Anteil ihres Haushalts für Rüstung aus (und verschulden sich entsprechend exzessiv). Damit sich diese Ausgaben rechtfertigen lassen, braucht es
        – ein Selbstbild als Weltpolizist
        – eine paranoide Weltsicht, die sich ihre Krisenherde im Zweifelsfall selbst schafft
        – die Entschlossenhait, sich im Zweifelsfall den Weg freizuschießen.

        Zurück zur Ukraine: Was auch immer die Ukraine plant, wird wenig Einfluss auf den aktuellen Krieg haben: Man kann nicht gleichzeitig große Teile der Bevölkerung an die Front schicken, durch den Krieg zerstörte Infrastruktur notdürftig flicken und gleichzeitig neue industrielle Kapazitäten aufbauen. Es steht eher zu befürchten, dass eine Nachkriegs-Ukraine auch beim Thema Rüstung zur verlängerten Werkbank der (Rüstungsindustrie in der) EU wird und damit das Angebot an Waffen erweitert wird.

        Die Welt leidet nicht an einem Mangel an Waffenproduzenten, sondern an einem Mangel an guten Diplomaten.

      • Kleopatra
        25. Oktober 2023 @ 10:45

        @Stef: Für die Adresse der Trollfabrik oder russischen Propagandaseite, wo Sie Ihre „Informationen“ herbeziehen, wäre ich Ihnen gelegentlich dankbar.
        Kurz zu Ihren Argumenten: Sie stellen den russischen Angriff letztlich als einen Präventivkrieg dar. M.W. gelten solche aber heute auch nicht mehr als völkerrechtlich zulässig, und überhaupt möchte ich wissen, inwiefern Sie die Kriegsverbrechen der russischen Besatzungstruppen in diesem Zusammenhang als „Gegenmaßnahmen“ gegen eine herbeifantasierte Bedrohung Russlands interpretieren. (Kinder zu entführen, mit dem Hintergedanken, dass sie dann in einigen Jahren für „uns“ gegen „die“ kämpfen, ist eine genuine Naziidee). Die Koexistenz verschiedener Staaten in Europa setzt den unbedingten Respekt vor der Souveränität aller anderen voraus, für russische Fantasien von Einflusszonen etc. ist da kein Platz; und viele Russen hatten leider seit jeher Schwierigkeiten, zu akzeptieren, dass die Ukraine ein eigener Staat und nicht Teil Russlands ist. Wenn die von Putin angestrebte Wirtschaftsunion der Ukraine mit Russland so toll wäre, hätten die Ukrainer sich wahrscheinlich freiwillig für sie entschieden; aber Freihandel mit der EU ist nun einmal attraktiver als mit Russland, und beides gleichzeitig schließt sich aus. (Wer diese Aussage bezweifelt, braucht sich nur anzusehen, in welche höllischen Komplikationen man beim Versuch gerät, Nordirland gleichzeitig als Teil des Vereinigten Königreichs zu behandeln und den Freihandel mit der Republik Irland aufrechtzuerhalten).
        Seine Absicht, die Ukraine in der einen oder anderen Form zu übernehmen, hat Putin mit einem Schwall pseudohistorischer Argumente begründet und dieses Machwerk im Sommer 2021 auf seiner offiziellen Präsidenten-Website veröffentlicht. Warum sollte man dieses offene Bekenntnis Putins, dass er die ukrainische Unabhängigkeit sowenig respektiert wie Hitler seinerzeit die österreichische, nicht ernst nehmen?

      • ebo
        25. Oktober 2023 @ 11:00

        Bitte keine Unterstellungen. Die Passage mit der „Trollfabrik“ ist unsachlich, beim nächstenmal lasse ich das nicht mehr durchgehen.

  • Corona Hotspot
    24. Oktober 2023 @ 14:13

    Ja, passt, wenn man es vor dem Hintergrund sieht, dass dort „Heavenly Israel“ entsteht. Nicht, dass es jemand interessieren würde. Am allerwenigsten die Polithuren des EU-Knastes.

    Reply

  • Katla
    24. Oktober 2023 @ 14:02

    Was ist eigentlich aus dem Geraune geworden, dass die Hamas bei den Anschlägen auf Israel westliche Waffen, die aus der Ukraine stammen, verwendet hat? Vermutete/entlarvte russische Propaganda? Jedenfalls ist es sehr still geworden um dieses Thema.
    Wenn man aber beide Augen richtig zukneift, dann ist es eigentlich eine sehr gute Nachricht, wenn sich die Ukraine in Sachen Waffenhandel legale (und damit kontrollierbare) Strukturen gibt.

    Reply

  • Bogie
    24. Oktober 2023 @ 12:56

    Ein korruptes Land mit einer hybriden Regierungsform, ausgestattet mit einer Kaste von Oligarchen und einer weiteren von Rechtsradikalen will die Waffenschmiede der „freien Welt“ werden.
    Wäre es nicht so bitterernst, könnte es der Stoff für eine Komödie sein und einen Hauptdarsteller gibt es ja schon.

    Reply

    • ebo
      24. Oktober 2023 @ 13:43

      Ja, aber von der komischen wechselt er doch langsam in eine tragische Rolle…

      Reply

      • Karl
        25. Oktober 2023 @ 08:43

        Sehr wahr: Der Stoff ist anspruchsvoll, fordert die Tragödie!
        Die Welt wartet auf einen neuen Georg Büchner.

  • KK
    24. Oktober 2023 @ 12:55

    Passt zur Bandera/OUN-Nazi-Ideologie, die in dem Land vorherrscht. Und das mit den Auftragsmorden unterscheidet sich nicht mehr von der Organisierten Kriminalität. Da haben „wir“ uns schöne Freunde angelacht.

    Reply

    • ebo
      24. Oktober 2023 @ 13:42

      Da die CIA geholfen hat, wird es schon in Ordnung gehen ????


  • Info: https://lostineu.eu/ukraine-will-europas-waffenfabrik-werden


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.10.2023

    Israel-Hamas-Krieg: Angst vor „Cancel Culture“ unter Berliner Studenten

    berliner-zeitung.de, 24.10.2023 | 17:45 Uhr, Carola Tunk

    Israel-Hamas-Krieg: Angst vor „Cancel Culture“ unter Berliner StudentenWie stehen Berliner Studenten zum Krieg in Israel? Die Berliner Zeitung fragte vor Ort nach. Dann erreichte sie die Mail einer Universitätsleitung.


    Ist die Uni ein politischer Ort?Peter Kneffel/dpa


    Studenten tickten schon immer politisch. Deshalb wäre es eigentlich zu erwarten, dass sich Studenten an Berliner Universitäten zum Krieg zwischen Israel und der Hamas in aller Klarheit äußern. Vor Ort bietet sich jedoch ein anderes Bild: Viele Studenten wollen mit der Berliner Zeitung entweder anonym oder gar nicht reden.

    Ein junger Halb-Israeli, der sich nach eigener Aussage „nicht als Israeli identifiziert“, sagt dieser Zeitung am Rande einer Judaistik-Vorlesung, in den westlichen Medien gebe es eine „einseitige Perspektive“. Der Mann will seinen Namen nicht nennen. Er sagt, man müsse sich anschauen, „woher der Widerstand der Palästinenser“ komme. Das rechtfertige die Taten der Hamas nicht, aber eine Eskalation durch Israel sei auch keine Lösung, sagt er.


    „Israel wird mit dem Judentum gleichgesetzt“

    Ein paar Tage später ist die Stimmung an einer anderen Berliner Hochschule ähnlich. Die Studenten, mit denen die Berliner Zeitung gesprochen hat, verurteilen die Taten der Hamas mal mehr oder weniger scharf, die meisten solidarisieren sich mit den Palästinensern.

    Eine junge Frau, die auf dem Weg in die Bibliothek ist, sagt, sie sei deutlich propalästinensisch eingestellt. Die 20-Jährige ist der Ansicht, dass die israelische Regierung „offensichtliche Propaganda“ verbreite. „Israel wird mit dem Judentum gleichgesetzt“, behauptet sie. Ihren Namen will sie nicht nennen, da sie angeblich Freunde in der israelischen Armee hat. „Wenn die das sehen, dann haben wir ein Problem“, sagt sie.


    Lukas Blume, ein 23-jähriger Philosophie- und Lehramtsstudent, sagt, er stecke „nicht so tief drin in der Materie“. Trotzdem hat er eine Meinung: „Die Kriegsverbrechen aufseiten Israels gehen gar nicht“.

    Auch die Jurastudentin Lea Hullermann sagt, dass sie sich nicht so gut mit dem Thema auskenne. Sie stellt fest, dass viele Dozenten und Studenten pro Palästina seien, sagt aber auch: „Das, was die Hamas macht, ist ganz, ganz schrecklich. Das würde jeder unterschreiben.“


    „Cancel Culture und so ein Shit“

    Einige Studenten kritisieren die Art, wie soziale Medien ihren Nutzern Informationen über den Krieg im Nahen Osten bereitstellen. Auf Instagram tendiere der Algorithmus eher in eine proisraelische Richtung, behauptet ein junger Jura-Student. Dabei seien in seinem Bekanntenkreis viele eher propalästinensisch eingestellt.

    Er ist der Ansicht, dass die Palästinenser „in die Ecke gedrängt“ worden seien. Andererseits verteidige sich Israel gegen Terroristen, sagt er. Auch er will lieber anonym bleiben – sagt aber, er habe keine Angst davor, seine Meinung zu sagen. Ganz im Gegensatz zu einem großen Teil seiner Mitstudenten. Die hätten oft Angst, etwas Falsches zu sagen. Der Grund dafür? „Cancel Culture und so ein Shit.“

    Eine Kulturwissenschaftlerin weiß von einem Seminar über den Nahost-Konflikt zu berichten. Sie selbst grenze sich von Antisemitismus ab, sei aber schon einmal auf einer Pro-Palästina-Demonstration gewesen. Die 25-Jährige ist der Meinung, dass auf „Israels Gewalt“ in der Politik nicht geantwortet werde.


    Er habe sich zu einer Synagogen-Mahnwache „durchgerungen“, sagt einer

    Ihr Kommilitone erzählt, dass er sich bislang nur „dazu durchgerungen“ habe, zu einer Mahnwache von der Synagoge zu gehen. „Das ist eine Sache, zu der ich mich ganz sicher positionieren kann.“ Darüber hinaus ist der Soziologiestudent der Ansicht, dass der Diskurs „polemisch“ geführt werde. Der 27-Jährige setzt auf Vermittlung. Wenn Außenministerin Annalena Baerbock sage: „Wir sind alle Israelis“, dann sei das ihm zufolge kein Vermittlungsversuch.


    Hannes studiert im siebten Semester Anthropologie und BWL. Seinen Nachnamen will er gegenüber der Berliner Zeitung nicht nennen. Auch er beklagt das mangelnde Wissen über den Konflikt in Deutschland. Das spiegele sich auch in der Berichterstattung wider. Das Ganze sei eine „Riesenkatastrophe“, so Hannes, der beide Seiten ein paar Sätze später wiederum abwägt: „Natürlich darf ein Land gegen Terroristen vorgehen, aber ob das in einem Bombardement einer Stadt enden muss, weiß ich nicht.“


    Der Student wirkt überfordert mit der Frage nach der Haltung zum Nahost-Konflikt. „Ich finde es von vorne bis hinten schrecklich, ich weiß nicht, wo ich stehen soll“, sagt er. In der Schule sei Kolonialismus zwar ein Thema gewesen, der Nahost-Konflikt ab 1945 jedoch nur gestreift worden. Den geplanten Stoff habe man nicht mehr geschafft.

    Der Computerwissenschaftler Paul sagt auf Englisch, Krieg im Allgemeinen sei nicht zu verhindern. Er würde sich eher auf der propalästinensischen Seite verorten, verurteile aber jedwede Gewalt. Es gebe in diesem Konflikt kein Schwarz-Weiß. Gleichzeitig behauptet er, dass die Medien eher proisraelisch eingestellt seien, da Israel „mehr Macht“ habe. Es gehe „nicht um Juden, sondern um Zionismus“. Was er damit meint, bleibt offen.


    Die Universität, an der die eingangs erwähnte Judaistik-Vorlesung stattfand, wirkt nervös. Die Universitätsleitung hat der Berliner Zeitung per E-Mail Vorhaltungen gemacht, sich „unter die Studierenden gemischt“ zu haben. Die Studenten, die die Berliner Zeitung befragt hat, waren nach eigenen Angaben volljährig. Auch angesichts des gehäuften Wunsches nach Anonymisierung stellt sich die Frage, ob die politische Haltung von Studenten im Nahost-Konflikt nicht an die Öffentlichkeit kommen soll.


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    Info: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/israel-hamas-krieg-angst-vor-cancel-culture-unter-berliner-studenten-li.2152212


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