Sondertribunal in Den Haag klagt engen Kooperationspartner der dt. Außenpolitik wegen schwerer Kriegsverbrechen (im Kosovo) an.
German Foreign Policy, 26. Juni 2020
Zitat: UN-Behörden, der deutsche Auslandsgeheimdienst und verschiedene Ermittler gehen bereits seit langen Jahren davon aus, dass Thaçi in schwerste Verbrechen involviert war, darunter Waffen- und Drogenhandel, Auftragsmorde sowie möglicherweise auch Organhandel.
Zitat: Trotz der Vorwürfe haben deutsche Außenpolitiker seit dem Jugoslawienkrieg von 1999 eng mit Thaçi kooperiert, der zunächst als Anführer der UÇK-Miliz eine wichtige Rolle als Kriegsverbündeter spielte und anschließend zu einem der mächtigsten Politiker im Kosovo aufstieg.
Zitat: Die Anklage gegen den kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi erfolgt zu einer Zeit, zu der sich Berlin und die EU auf der einen sowie Washington auf der anderen Seite im Kosovo erstmals ganz offen bekämpfen. Begonnen hat dies im Oktober 2019, als US-Präsident Donald Trump den damaligen US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, zusätzlich zum Sondergesandten für die Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo ernannte.
Zitat: Dabei arbeitete der US-Gesandte sehr eng mit Thaçi zusammen. Die Anklage gegen diesen ist nun wenige Tage vor dem Washingtoner Gipfeltreffen bekannt geworden. Thaçi hat seine Reise abgesagt; der von der US-Regierung gewünschte PR-Coup bleibt aus.
Zitat: Der Sache nach sind die Vorwürfe gegen Thaçi schon seit vielen Jahren bekannt. Der Mann wurde beispielsweise bereits Anfang 2005 in einer als "vertraulich" eingestuften, allerdings an die Medien durchgestochenen "Analyse" des Bundesnachrichtendiensts (BND) als einer der "Key Player" der Organisierten Kriminalität in Südosteuropa eingestuft. Im Einzelnen hieß es etwa, er werde "mit umfassendem Waffen- und Drogenhandel in Verbindung gebracht", gelte zudem als "Auftraggeber" eines "Profikillers" und sei Initiator des kosovarischen Geheimdiensts SHIK, der sich "faktisch ... hauptsächlich mit der Ausspähung, Einschüchterung und physischen Eliminierung demokratischer Kräfte (durch Profikiller)" befasse.
Zitat: Fundierte Erkenntnisse über Thaçis Aktivitäten brachte dann Ende 2010 ein ausführlicher Bericht, den der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty im Auftrag der Parlamentarischen Versammlung des Europarats erstellt hatte. Marty ging darin Berichten nach, die zwei Jahre zuvor die einstige Chefanklägerin beim Internationalen Jugoslawientribunal, Carla del Ponte, in einem Buch veröffentlicht hatte. Del Ponte verfügte unter anderem über glaubhafte Hinweise, denen zufolge im Sommer 1999 nach der Besetzung des Kosovo durch die NATO zwischen 100 und 300 Menschen von dort in den Norden Albaniens verschleppt, ihrer Organe beraubt und anschließend ermordet worden seien. Marty konnte die Berichte erhärten und um den Hinweis ergänzen, der Clique, die den Organhandel bewerkstelligt habe, habe nicht zuletzt Thaçi angehört (german-foreign-policy.com berichtete.
Zitat: Thaçi wäre womöglich schon 2003 vor Gericht gelandet, hätte ihn nicht der damalige UNMIK-Chef Michael Steiner der Justiz entzogen: Auf dessen Intervention wurde Thaçi, der damals in Budapest wegen eines internationalen Haftbefehls festgenommen war, schon nach wenigen Stunden wieder freigelassen.[7] Dass Steiner die Vorwürfe nicht gekannt haben sollte, über die damals der UNMIK-Forensiker Baraybar im Detail informiert war, ist schwer vorstellbar.
Zitat: So erhielt er (Thaçi) 2019 sowie 2020 Einladungen zur Münchner Sicherheitskonferenz. Im Dezember vergangenen Jahres nahm er an einer Konferenz des EastWest Institute in Berlin teil. Das Podium teilte er dort unter anderem mit der ehemaligen EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und mit dem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Ischinger wirkte von 1998 bis 2001, also auch zur Zeit des Jugoslawienkrieges von 1999, als Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8317