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Als Lobbyismusaffäre der Union 2021 wird ein Komplex von Vorfällen mutmaßlicher Vorteilsnahme mehrerer Bundestags- und Landtagsabgeordneter der CDU und CSU bezeichnet. Hierunter fallen insbesondere Vorgänge im Zusammenhang der Beschaffung von Atemschutzmasken vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie in Deutschland. Deshalb wurden die Vorgänge auch als Maskenaffäre,[1]Maskenskandal[2] oder Korruptionsaffäre[3] bezeichnet.
Im Zuge der Berichterstattung wurden zudem Verquickungen von Unionsabgeordneten und Personen aus Aserbaidschan sowie Taiwan öffentlich, die als Aserbaidschan-Affäre bezeichnet wurden.
Als Reaktion auf die Affäre kam es zu Rücktritten und Parteiaustritten.
Überblick
Die Affäre wurde Anfang März 2021 durch Recherchen des Spiegel publik. Im Mittelpunkt der Affäre standen mutmaßlich Handlungen von Unionspolitikern im Zuge der Beschaffung von Atemmasken. Im Zuge der Berichterstattung wurden zudem Verquickungen von Unionsabgeordneten und Aserbaidschan sowie Taiwan öffentlich, die zwar in keinem direkten, aber übergreifenden Zusammenhang zur Maskenaffäre stehen.[4] Teilweise wurden auch Bezüge zur kurz zuvor öffentlich gewordenen Lobbyismusaffäre von Philipp Amthor gezogen.[5]
Die Ausübung von Nebentätigkeiten ist Abgeordneten nicht untersagt, wenngleich veröffentlichungspflichtig. Auch die Vermittlung von Kontakten ist durchaus als Teil des Mandates zu verstehen. So wurden etwa bereits Anfang 2021 Berichte publik, dass die Schweizer Firma Emix Masken zumindest teuer an die Gesundheitsministerien in Nordrhein-Westfalen und Bayern geliefert hatte. Das Bundesgesundheitsministerium schloss einen Vertrag in Höhe von mindestens 300 Millionen Euro ab. Vermittelt wurde dies, unter anderem durch persönlichen Einsatz bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler.[6] Kritisiert wird jedoch, dass in anderen Fällen persönliche und/oder finanzielle Vorteile entstanden und über Firmengeflechte keine Transparenz herrsche. Ob tatsächlich strafrechtliches Verhalten vorliegt ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch unklar.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie kam es im Jahr 2020 zu einem erhöhten Bedarf und einer Knappheit von Coronaschutzausrüstung, insbesondere von Atemschutzmasken. Ministerien waren daher auf Lieferungen angewiesen. Die in der Kritik stehende Vorgänge bezogen sich auf Lieferungen an das Bundesgesundheits- und das Innenministerium sowie das bayerische Gesundheitsministerium.[8] Der Umfang des Auftrages des bayerischen Gesundheitsministeriums belief sich auf 3,5 Millionen Euro.[8] Im Zuge von Recherchen wurde öffentlich, dass für die Vermittlung von Aufträgen der genannten Ministerien an die Lieferanten in Höhe mehrerer Millionen Euro teils hohe Provisionszahlungen flossen. Die Provisionszahlungen alleine sollen sich auf fünf bis sechs Millionen Euro belaufen.[8]
2.1CSU
Ausgangspunkt der Affäre waren Zahlungen, die der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein erhielt. Ende Februar 2021 wurde die Immunität Nüßleins aufgehoben.[9] Über eine Beraterfirma mit dem Namen Tectum soll er für die Vermittlung von Schutzausrüstung 660.000 Euro Provision erhalten haben. Das Geld soll laut Spiegel-Angaben über das Liechtensteiner Konto einer Offshorefirma geflossen sein.[4] Diese Firma gehörte dem Unternehmer Thomas Limberger.[1] Vereinbart waren Zahlungen in Höhe von 1,2 Millionen Euro.[1] Weil eine Liechtensteiner Bank die Zahlungen stoppte und der Finanzaufsicht Financial Intelligence Unit meldete, die wiederum die Generalstaatsanwaltschaft München meldete, wurde die Maskenaffäre publik.[1]
Seit dem 25. März 2021 befindet sich aufgrund der Vorgänge der Unternehmer Thomas Limberger in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht München hatte den Untersuchungshaftbefehl auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft erlassen und vermögenssichernde Maßnahmen ergriffen, wobei offenbar ein Zusammenhang zur Maskenaffäre besteht.[10] Daher wurde gemutmaßt, dass nicht nur ein Anfangsverdacht, sondern ein dringender Tatverdacht bestehe.[1]
Über das Firmengeflecht von Limberger sollen auch die Provisionen an den CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter geflossen sein.[1] Aus Kreisen von Kennern des Falles heißt es laut SZ vom 18. März 2021, 1,2 Millionen Euro seien bereits versteuert worden, allerdings nicht von Sauter. Ermittelt werde auch wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Nach Ansicht der Ermittler hätte Sauter die Umsatzsteuer abführen müssen. Das habe aber Sauters schwäbischer Parteifreund Nüßlein übernommen. Unklar sei der Verbleib des Geldes. Sauter hatte am 17. März 2021 in einer nichtöffentlichen Fraktionssitzung erklärt, das Geld sei gespendet worden, abzüglich Steuern. Das werfe Fragen auf, wer wann an wen angeblich etwa 600.000 Euro gespendet habe.[11] Sauter versicherte, von der Provision nichts gewusst zu haben.[12] Sauter spendete nach Recherchen einen Betrag in Höhe von 450.000 Euro an eine Stiftung in Günzburg. In Günzburg war Georg Nüßlein JU-Kreisvorsitzender und Mitglied des Kreistags. Das Geld wurde vom Oberlandesgericht München im Rahmen der Ermittlungen gegen Thomas Limberger sichergestellt.[1]
2.2 CDU
Der Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel offerierte laut Spiegel Unternehmen die Besorgung von Schutzmasken von einer Firma aus Baden-Württemberg, wofür er 250.000 Euro Provision erhielt.[4][9] In einer E-Mail, in der er explizit als Bundestagsabgeordneter auftrat, verlangte er vom Käufer pro Maske 0,12 Euro zzgl. MwSt.[9]
Der Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann wies mehrfach auf Angebote der TY-Capital Ug hin, deren Webseite im April 2020 registriert wurde. In mehreren Thüringen Landkreisen wurden Masken, laut Spiegel zu überhöhten Preisen, über die Firma beschafft.[4] Der CDU-Kreisverband, dessen Vorsitzender Hauptmann zum damaligen Zeitpunkt war, erhielt von der Firma eine Spende in Höhe von 7000 Euro erhalten.[6] Am 25. März 2021 teilte die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft mit, gegen Hauptmann sei im Zusammenhang mit Maskengeschäften ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern eingeleitet worden. Das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) ließ an jenem Tag die Wohnräume Hauptmanns in Thüringen und Brandenburg, sein Büro im Bundestag in Berlin und laut CDU Thüringen die Kreisgeschäftsstellen der Partei in Suhl, Hildburghausen, Sonneberg und Meiningen durchsuchen. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt auch wegen des mutmaßlichen Engagements Hauptmanns für Aserbaidschan, Vietnam und Taiwan. Dabei geht es um kostenpflichtige Anzeigen in Hauptmanns Werbezeitung Südthüringen Kurier. Das Thüringer Oberlandesgericht ordnete im Falle von Hauptmann zudem einen Vermögensarrest in Höhe von 997.000 Euro an, um unrechtmäßig erworbenes Geld zu sichern.[13] Die Provisionen sollen sich nach derzeitigen Erkenntnissen auf 7,5 Millionen Euro belaufen.[14]
Aserbaidschan-Affäre
Bereits im Januar 2020 wurde gegen die Bundestagsabgeordneten Karin Strenz (CDU) und Eduard Lintner (CSU) ermittelt. Es bestand ein Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern, da diese entlohnte Lobbytätigkeiten für Aserbaidschan ausgeübt haben sollen.[4]
Sonstiges
Im Zuge der Berichterstattung über die Maskenaffäre wurde zudem publik, dass der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler vom Unternehmer August von Finck junior während seiner Abgeordnetentätigkeit elf Millionen Euro für Gutachten erhielt.[15] Gauweiler hat eine gemeinsame Anwaltskanzlei mit Alfred Sauter.
Reaktionen und Folgen
Georg Nüßlein und Nikolas Nöbel verließen nach Forderungen aus der Union die Bundestagsfraktion und traten aus der Partei aus.[4] Die Unions-Bundestagsfraktion verlangte von allen Abgeordneten eine Ehrenerklärung, mit der sie bestätigten, keine finanziellen Vorteile aus Geschäften mit dem Staat in der Corona-Krise erzielt zu haben. Diese wurde von allen Abgeordneten unterschrieben. Kritisiert wurde, dass lediglich keine persönliche Bereicherung erfolgte und Parteispenden nicht hierunter fallen.[6] Im Fall des Abgeordneten Mark Hauptmann wurde publik, dass er entgegen der abgegebenen Ehrenerklärung Provisionen in Höhe von einer Million Euro erhalten haben soll.[16]
Nachdem dies vorher noch abgelehnt wurde, sprach sich die Union im Zuge der Maskenaffäre für eine Verschärfung der Transparenzregeln aus.[1]
Die Union verbuchte bei der Sonntagsfrage im Zeitraum März deutliche Verluste in der Wählergunst, die zumindest teilweise auf die Lobbyismusaffäre zurückgeführt werden.[17]
"Der Versöhnung verpflichtet "Eine Sammelabschiebung tamilischer Flüchtlinge nach Sri Lanka droht, obwohl die UNO vor einer drastischen Verschlechterung der Menschenrechtslage dort warnt.
German-Foreign-Policy.com, 29. März 2021
BERLIN/COLOMBO (Eigener Bericht) - Vertreter von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen fordern die sofortige Absage einer für morgen in Aussicht stehenden Sammelabschiebung nach Sri Lanka. Wie Angehörige und Unterstützer berichten, sind mehrere Dutzend, womöglich bis zu 100 tamilische Flüchtlinge in Abschiebehaft genommen worden und sollen voraussichtlich morgen in den südasiatischen Inselstaat abgeschoben werden, wo ihnen Repression und Gewalt droht. Die Verschlechterung der menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka hat erst Ende Januar der UN-Menschenrechtsrat in einem - von der Bundesregierung gelobten - Bericht angeprangert. Demnach hat die neue, Ende 2019 ins Amt gelangte Regierung nicht nur die Aufarbeitung schwerster Verbrechen aus der Endphase des Bürgerkriegs im Jahr 2009 beendet; der damals verantwortliche Verteidigungsminister amtiert heute als Staatspräsident. Die Regierung verstärkt zudem den Druck auf die tamilische Minderheit und bahnt so neuen Menschenrechtsverletzungen den Weg. Berlin benötigt Sri Lanka, dessen Regierung es nun mit der Sammelabschiebung zufriedenstellt, im Machtkampf gegen China.
"Ein äußerst fatales Signal"
Vertreter von Kirchen, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen fordern den sofortigen Stopp einer wohl unmittelbar bevorstehenden Sammelabschiebung tamilischer Flüchtlinge nach Sri Lanka. Laut Berichten sind in den vergangenen Tagen Dutzende, womöglich bis zu 100 Flüchtlinge aus dem südasiatischen Inselstaat in Abschiebehaft genommen worden. Demnach wurden einige von ihnen unter dem Vorwand, sie würden eine erneuerte Aufenthaltserlaubnis bekommen, zu den zuständigen Behörden gelockt, dort dann aber von der Polizei ergriffen und in einschlägig bekannte Haftanstalten überführt. Andere wurden im Morgengrauen aus ihren Wohnungen geholt. Ihren Verwandten und Unterstützern gelingt es nicht mehr, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, weil ihnen ihre Mobiltelefone abgenommen wurden. Flüchtlingsorganisationen gehen von ihrer Abschiebung am morgigen Dienstag aus.[1] Die umgehende Absage des Abschiebeflugs verlangen unter anderen der Flüchtlingsrat NRW, das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) aus Berlin sowie der Krefelder Pfarrer Albert Koolen. Eine Sammelabschiebung sei, urteilt Koolen, angesichts der menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka ein "äußerst fatales Signal".[2]
Keine Aufarbeitung mehr
Mit der menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka hat sich erst kürzlich der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen befasst - im Anschluss an die Vorlage eines UN-Berichts zur aktuellen dortigen Entwicklung am 27. Januar. Hintergrund ist der alte, aber nach wie vor ungelöste Konflikt um die blutige Beendigung des Bürgerkriegs im Jahr 2009, in deren Verlauf Sri Lankas Regierungstruppen zahllose schwerste Verbrechen an aufständischen Tamilen, aber auch an Zivilisten begingen. Die Regierung in Colombo hatte dem UN-Menschenrechtsrat im Jahr 2015 ursprünglich zugesagt, eine Aufarbeitung der Verbrechen - sowie mutmaßlicher Kriegsverbrechen der Aufständischen - in die Wege zu leiten. Der Prozess ist allerdings zum Stillstand gekommen, nachdem die Präsidentenwahl vom November 2019 den Verteidigungsminister des Jahres 2009, Gotabaya Rajapaksa, an die Staatsspitze brachte. Gotabaya ernannte seinen Bruder Mahinda Rajapaksa zum Premierminister; Mahinda hatte von 2004 bis 2015 das Präsidentenamt in Colombo inne. Entsprechend kündigte die Regierung Sri Lankas am 27. Februar 2020 offiziell an, die vorsichtig gestartete Aufarbeitung der Kriegsverbrechen nicht weiterzuführen.[3] Daran hält sie bis heute unverändert fest.
"Diskriminierende Rhetorik"
Dies stößt beim UN-Menschenrechtsrat auf Protest. In dem am 27. Januar vorgelegten UN-Bericht heißt es, die Weigerung, Verbrechen aus dem Bürgerkrieg aufzuarbeiten, sei nicht nur an sich sehr bedauerlich; sie erhöhe vor allem auch "das Risiko signifikant, dass Menschenrechtsverletzungen sich wiederholen". Der Bericht attestiert der Regierung eine "ethno-nationalistische Rhetorik", die "Einschüchterung der Zivilgesellschaft" sowie eine "Militarisierung von Regierungsposten".[4] So würden die Minderheiten der Tamilen und der Muslime in den Stellungnahmen und in der Politik der Regierung "zunehmend marginalisiert"; "spalterische und diskriminierende Rhetorik" seitens ranghöchster Staatsstellen drohe zu immer "weiterer Polarisierung und Gewalt" zu führen. Zu beklagen sei, heißt es, eine zunehmende Überwachung und Einschüchterung zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie von Menschenrechtlern und von überlebenden Opfern des Bürgerkriegs. Es drohe "eine Wiederkehr der Politiken und Praktiken, die zu schweren Menschenrechtsverletzungen führten". Verstärkt werde die Gefahr dadurch, dass die Regierung mittlerweile 28 Führungsposten mit Militärs und Geheimdienstlern besetzt habe, darunter einige, denen Verantwortung für schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen wird.
Unter schärfster Beobachtung
Vor diesem Hintergrund hat der UN-Menschenrechtsrat am Dienstag vergangener Woche eine Resolution verabschiedet, in der er eine stärkere Befassung mit den Menschenrechten in Sri Lanka verlangt. So sollen die zuständigen UN-Stellen nicht nur "Informationen und Beweismittel" zu früheren Menschenrechtsverletzungen "sammeln, verdichten, analysieren und bewahren", sondern auch "mögliche Strategien entwickeln", um in Zukunft die Verantwortlichen für gravierende Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Insbesondere gelte es, die aktuelle Lage der Menschenrechte in Sri Lanka noch ausführlicher als zuvor "zu beobachten und über sie zu berichten".[5] Der UN-Menschenrechtsrat hält es darüber hinaus für unumgänglich, sich in seinen nächsten Sitzungen jeweils ausführlich mit der weiteren Entwicklung in Sri Lanka zu befassen. Dazu fordert er ausführliche mündliche und schriftliche Stellungnahmen ein.
"Das Prinzip der Verantwortlichkeit"
Die Kritik und die Warnungen des UN-Menschenrechtsrats werden von der Bundesrepublik, die dem Gremium zur Zeit angehört, verbal unterstützt. So äußerte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, am 28. Januar auf Twitter, der tags zuvor vorgelegte UN-Bericht gebe "Anlass für ernste Sorgen über die Menschenrechtslage in Sri Lanka"; sie "freue" sich, teilte Kofler mit, "dass Deutschland der Versöhnung und dem Prinzip der Verantwortlichkeit verpflichtet bleibt". Entsprechend beteiligten sich die zuständigen deutschen Stellen an der Ausarbeitung der Resolution, in der der UN-Menschenrechtsrat vor einer gravierenden Verschlechterung der Lage in Sri Lanka warnte und die am vergangenen Dienstag - mit deutscher Zustimmung - verabschiedet wurde. Nur wenige Tage später will die Bundesregierung freilich mehrere Dutzend, womöglich bis zu 100 tamilische Flüchtlinge nach Sri Lanka abschieben, wo ihnen die - ausdrücklich vom UN-Menschenrechtsrat beschriebene - staatliche Repression gegen Minderheiten droht.
Im Machtkampf gegen China
Mit der Sammelabschiebung stellt Berlin Sri Lankas gegenwärtige Regierung zufrieden, die damit Zugriff auf einige ihrer Gegner erhält. Der Inselstaat, strategisch vorteilhaft mitten im Indischen Ozean gelegen, ist einer der Schauplätze, auf denen der Machtkampf des Westens gegen China ausgetragen wird. Colombo kooperiert wirtschaftlich eng mit Beijing, von dem es nicht zuletzt Kredite erhalten hat; entsprechend setzen die westlichen Mächte, aber auch Indien alles daran, Sri Lanka anderweitig möglichst eng an sich zu binden. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagte unlängst voraus, Colombo werde "versuchen, einen Ausgleich in seinen Beziehungen zu China und zu Indien zu finden".[6] Das setzt allerdings voraus, dass der Westen die Regierung des einstigen Bürgerkriegs-Verteidigungsministers Gotabaya Rajapaksa nicht verprellt.
[1] Keine Abschiebung nach Sri Lanka! frnrw.de 26.03.2021.
[3] Sri Lanka: Politisches Porträt. auswaertiges-amt.de 06.11.2020.
[4] Sri Lanka on alarming path towards recurrence of grave human rights violations - UN report. ohchr.org 27.01.2021.
[5] Human Rights Council Renews Mandate of Special Rapporteur on the Environment, Adopts Resolutions on Sri Lanka, Nicaragua, Occupied Palestinian Territory, and on Unilateral Coercive Measures. ohchr.org 23.03.2021.
[6] Christian Wagner: Politischer Umbruch in Sri Lanka. SWP-Aktuell Nr. 69. September 2020.
Offener Brief des französischen «Cercle de Réflexion Interarmées» an Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Zitat:Geopragma/zf. Sollte der Plan «Nato 2030», der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Februar 2021 vorgelegt wurde, von den Mitgliedern des Bündnisses angenommen werden, würde dies einen fast nicht umkehrbaren Schritt in der strategischen Unterordnung Europas und Frankreichs unter das amerikanische Hegemoniestreben bedeuten. Das in dem genannten Dokument in vielerlei Ausprägungen angeführte Hauptargument hat als Leitmotiv den angeblich notwendigen Kampf gegen zwei natürliche «Feinde», Russland und China, der die totale Nato-Solidarität und eine weitere Stärkung der Konzentration der Entscheidungsfindung in amerikanischen Händen rechtfertige.
Als Reaktion auf diesen Plan veröffentlicht der «Cercle de Réflexion Interarmées» einen offenen Brief an den Generalsekretär der Nato. Der «Cercle de Réflexion Interarmées» (CRI) ist eine von Regierungsbehörden und der Militärhierarchie unabhängige Organisation. Er vereint aus dem Dienst ausgeschiedene Generäle und höhere Offiziere der drei Armeen (Landstreitkräfte, Marine und Luftwaffe) sowie einige Zivilisten. Sein Ziel ist es, Energien zu mobilisieren, um bei den politischen Entscheidungsträgern und der öffentlichen Meinung besser Gehör zu finden und so dazu beizutragen, die Armee wieder in den Mittelpunkt der Nation zu stellen, aus der sie hervorgeht. Es ist höchste Zeit, so die Verfasser des offenen Briefes, die Augen zu öffnen und sich gegen Manöver zu wehren, die nicht unseren nationalen Interessen entsprechen, sondern darauf hinauslaufen, jedem Bestreben nach europäischer strategischer Autonomie den Todesstoss zu versetzen. Wir dokumentieren im folgenden den Wortlaut des Briefes.
Ausrichtung der Nato auf russische und chinesische «Bedrohung»
Am Donnerstag, dem 18. Februar 2021, wurde Ihnen die auf Ihr Verlangen hin erstellte Studie «Nato 2030» vorgestellt. Sie führt aus, was die Aufgaben der Nato in den nächsten zehn Jahren sein werden. Von Anfang an wird klar ersichtlich, dass die gesamte Ausrichtung der Nato auf dem Paradigma einer doppelten Bedrohung beruht, einer russischen, die als akut dargestellt wird, und einer chinesischen, die potentiellen Charakter hat und in Zukunft auftreten wird. Aus dieser Studie ergeben sich zwei grosse Hauptlinien: Die erste ist die Frontstellung der Europäer gegen die weltweite Vorherrschaft Chinas als Gegenleistung Europas für den amerikanischen Schutz gegen die russische Bedrohung, die auf dem Kontinent laste. Die zweite betrifft die Ausserkraftsetzung der Konsensregel,1 dies in mehrfacher Hinsicht: Operationen in Koalitionen Freiwilliger, Umsetzung derjenigen Entscheidungen, die keinen Konsens mehr erfordern, sowie – und dies vor allem – die Abtretung von Befugnissen an den SACEUR (Supreme Allied Commander Europe, ein amerikanischer General) mit den Argumenten gesteigerter Effizienz und der Beschleunigung der Entscheidungsfindung. Die Lektüre dieses «Nato 2030»-Plans offenbart seinen wahren Charakter: Es ist deutlich ein Dokument zwar als friedlich präsentierter, aber böswilliger Absichten, der unerschütterlich betriebenen Desinformation und Instrumentalisierung dieser «russischen Bedrohung», einer «Bedrohung», die von langer Hand geschaffen wurde und nun aufrechterhalten wird, um den europäischen Verbündeten endlich Beine zu machen, sich hinter den Vereinigten Staaten in Stellung zu bringen – mit Blick auf den bevorstehenden Kampf mit China um die Welthegemonie.
Geschichtslektion über die Nato: Schlimmer als nur Bedrohungen
Deshalb, Herr Generalsekretär, ist es unabdingbar, vor jeder weiteren Betrachtung der Zukunft, wie sie im Plan «Nato 2030» vorgeschlagen wird, eine Bestandesaufnahme über die Ursachen und die Realität dieser russischen Bedrohung vorzunehmen, und zwar anhand einiger historischer Erinnerungen.
Denn in der Tat beginnt die Geschichte ja nicht im Jahr 2014, und es ist ein Zeichen unerschütterlicher historischer Böswilligkeit in bezug auf die europäisch-amerikanisch-russischen Beziehungen, in einem einzigen Satz (gleich zu Beginn des mit «Russland» überschriebenen Abschnitts) von der Beschwörung der «konstruktiven Partnerschaft», die von der Nato Anfang der 1990er Jahre ins Leben gerufen worden sei, direkt zur Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 überzugehen, als ob zwischen 1991 und 2014, zwischen dem «netten Russland» von damals und dem bösen «russischen Bären» von heute, nichts passiert wäre.
Nato-Ost-Erweiterung Es ist aber tatsächlich die Nato gewesen, die sich seit den neunziger Jahren gewaltsam in Richtung Osten erweiterte, sicherlich auf Wunsch der betroffenen Länder, aber in Verletzung der Zusicherungen, welche sie Russland 1991 bei der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags gegeben hatte2 – eine Bewegung, die Jahr für Jahr die Nato-Armeen näher an die Grenzen Russlands heranführte und dabei den Zerfall der ehemaligen UdSSR ausnutzte.
Angriffskrieg gegen Serbien Es war auch die Nato, die ohne jegliches Uno-Mandat Serbien 78 Tage lang mit mehr als 58 000 Lufteinsätzen bombardierte,3 und dies auf der Grundlage einer ausgedehnten Operation von Manipulation und Verhetzung wichtiger Mitglieder des Bündnisses durch bestimmte Geheimdienste (mittels des angeblichen serbischen «Potkova»-Plans und der Racak-Affäre) und damit, in Verletzung bindenden internationalen Rechts, die Schaffung eines unabhängigen Kosovo einleitete, indem sie einem souveränen Staat im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Völker einen Teil seines Territoriums entriss und so Russland mittels seines serbischen Verbündeten demütigte.
Liesse sich dieses Prinzip auch auf Parallelen anwenden, etwa wenn es um die Krim geht, welche zu mehr als 90 % von Russen bevölkert ist und die sich Russland angeschlossen hat, ohne dass ein Schuss gefallen ist?
«Eroberung des Ostens» und Ablehnung eines «Europäischen Sicherheitspaktes» Es war wiederum die Nato, die 2008 im Zuge ihrer dynamischen «Eroberung des Ostens» die von Russland ausgestreckte Hand für einen erneuerten «Europäischen Sicherheitspakt» ablehnte, der die ungelösten Konflikte in Osteuropa (Transnistrien, Abchasien, Südossetien) regeln sollte, im Austausch für eine gewisse Neutralität Georgiens, der Ukraine, Moldawiens – also des unmittelbaren russischen «Hinterlandes» – gegenüber der Nato.
Staatsstreich in der Ukraine Und mit demselben Eroberungsgeist, der von Russland als echte Würgebewegung empfunden wird, wurden 2013 die schweren Unruhen des «Euro-Maidan» gefördert, ein echter Staatsstreich, der zur Beseitigung des rechtmässig gewählten ukrainischen Präsidenten führte, der als zu pro-russisch beurteilt wurde, als dass er die Politik der Annäherung der Ukraine an die Nato hätte fortsetzen können. Wir wissen, was dann geschah, mit den Sezessionen der Krim und des Donbass.
Raketen gegen Russland Nachdem die Nato in den frühen 2000er Jahren Russland mit einem Theatre missile defence system (Raketenabwehrsystem für den Kriegsschauplatz)4 an sich gebunden hatte, das «die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten, einschliesslich Russlands» vor Raketenangriffen «von Schurkenstaaten», insbesondere Iran und Nordkorea [sic], hätte schützen sollen, wandelte sie 2010, auf dem Nato-Gipfel in Lissabon, dieses System in eine globale Architektur zur Abwehr ballistischer Raketen in Europa um (BMDE), jetzt allerdings nicht mehr nur ein Theatersystem, sondern ein echter Schutzschild, nun allerdings gegen Russ-land gerichtet und alles andere als zu dessen Schutz.
Es war wiederum die Nato, die Russland versicherte, dass die vor seiner Haustür stationierten Abschussrampen für ballistische Antiballistik-Raketen (ABM) niemals zu Anlagen für Angriffe gegen sein nahes Territorium umfunktioniert werden könnten, «nur vergass sie zu erwähnen», dass diese Trägerraketen (MK-41) von ABM-Raketen in Wirklichkeit genauso gut dazu verwendet werden konnten, offensive Tomahawk-Raketen gegen das russische Territorium abzufeuern (nukleare oder konventionelle Raketen mit Reichweiten von mehr als 2000 km, je nach Version), was in eklatantem Widerspruch zum INF-Vertrag stand, der zum Zeitpunkt ihrer Stationierung noch in Kraft war. Damit ging man weit über die Frage hinaus, ob die russische 9M729 eine Reichweite von 480 km oder 520 km hatte!
Russland hat Konsequenzen gezogen
Die damit real praktizierte potentielle Bedrohung der russischen Zweitschlagskapazität, der Grundlage seiner nuklearen Abschreckung, stellte das amerikanisch-russische strategische Gleichgewicht ernsthaft in Frage und führte dazu, dass Russland Ende 2013, also noch vor der Krim-Affäre 2014, jegliche Zusammenarbeit im NRC (Nato-Russland-Rat) aussetzte, was dann von der Nato genutzt wurde, um – a posteriori – den BMDE-Schutz Europas angesichts der neuen «russischen Bedrohung» zu rechtfertigen!
20 Jahre «Feinbild Russland», um Russland von Europa zu trennen
Nun also, Herr Generalsekretär, jawohl: Am Ende dieser zwanzig Jahre anhaltender Bemühungen seitens der Nato, den «russischen Feind» neu zu erschaffen, der für das Überleben einer theoretisch rein defensiven Organisation ja unerlässlich ist – ja, in der Tat: ist Russland schliesslich seine eigenen Wege gegangen und hat im Osten die Zusammenarbeit gesucht, die ihm der Westen verweigert hat.
Das Unternehmen, Russland von Europa zu trennen, das von Ihren Vorgängern und Ihnen selbst unter der ständigen Aufsicht der Vereinigten Staaten über Jahre hinweg mit Ausdauer durchgeführt wurde, ist heute in vollem Gange, da Russland endlich wieder «zur russischen Bedrohung» geworden ist, welche die provokativsten Manöver (wie Defender 2020, die auf 2021 verschoben wurden) – immer näher an seinen Grenzen – rechtfertigt, sowie die verrücktesten neuen Konzepte des Mini-Atomeinsatzes auf europäischem Territorium, unter der Befehlsgewalt des amerikanischen Verbündeten, der allein den Schlüssel dazu in Händen hält.
1000 Milliarden Euro Nato-Rüstung gegen 70 Milliarden in Russland
Also wirklich, Herr Generalsekretär, heute – und dies trotz all Ihrer gegenteiligen Bemühungen – stellt Russland mit seinem Militärhaushalt von 70 Milliarden Euro (knapp doppelt so viel wie Frankreich) in keinster Weise eine Bedrohung für die Nato dar, die Nato mit ihren 1000 Milliarden Euro, von denen 250 von den europäischen Ländern im Bündnis aufzubringen sind! Aber das ist ja auch nicht Ihr wirkliches Anliegen, denn was mit diesem neuen Konzept der «Nato 2030» angestrebt wird, ist ein viel umfassenderes Projekt: nämlich die Einbeziehung des Atlantischen Bündnisses in den Kampf um die Weltherrschaft, der zwischen China und den Vereinigten Staaten ausgetragen werden soll.
Terrorismus – die wahre Bedrohung
In Wirklichkeit ist die wahre Bedrohung der Terrorismus. Die Studie widmet dem Terrorismus zwar einen Abschnitt und verwendet dort den Begriff immer wieder, ohne aber seine Quellen, seine Motive, seine ideologischen und politischen Hintergründe zu kennzeichnen. Mit anderen Worten: Die einzige Bedrohung ist demzufolge also eine Handlungsweise, denn das ist das Wesen des «Terrorismus». Damit wird allerdings einer beunruhigenden Realität ausgewichen, nämlich der des radikalen Islamismus und seines Messianismus, der demjenigen des Kommunismus der Vergangenheit in nichts nachsteht. Das Problem ist, dass eben dieser Messianismus durch das immense Chaos genährt wird, das durch die amerikanischen Initiativen nach dem Kalten Krieg entstanden ist, und dass er sogar auf ideologischer Ebene sowohl von Erdogans Türkei, einem Mitglied der Nato, als auch von Saudi-Arabien, einem treuen Verbündeten der Vereinigten Staaten, getragen wird.
Nato: Umwandlung in eine Organisation mit globaler politischer Berufung …
Wie nicht anders zu erwarten, wird schon in den ersten Zeilen deutlich, dass dieses Dokument nichts Gutes für die strategische Unabhängigkeit Europas verheisst, denn es zielt eindeutig darauf ab, die europäischen Verbündeten, die sich nur ansatzweise ein Erwachen der europäischen Autonomie vorstellen konnten, wieder in den Griff zu nehmen.
Das ist aber noch nicht alles, denn Sie planen nicht nur, die Nato von einem Defensivbündnis, das zum Schutz Europas vor einem nicht mehr existierenden Feind aufgebaut wurde, in ein Offensivbündnis gegen einen Feind umzuwandeln, den es für Europa nicht gibt (selbst wenn wir uns von den territorialen Ambitionen Chinas, den Auswirkungen seiner Wirtschaftsmacht und dem totalitären Charakter seines Regimes nicht täuschen lassen), sondern dieser Bericht geht sogar noch weiter, indem er sich in Richtung einer Organisation mit einer globalen politischen Berufung bewegt, die Vorrang vor jeder anderen internationalen Organisation hat.
… vor jeder anderen internationalen Organisation
Laut diesem Bericht hiesse das:
Die Nato sollte eine Praxis der Konsultation zwischen den Alliierten vor den Treffen anderer internationaler Organisationen (UN, G20 usw.) einführen, was eindeutig bedeutet, dass man «am Vortag kommt, um Anweisungen entgegenzunehmen», um sie am nächsten Tag im Plenum massiv durchzusetzen!
Die Nato muss eine starke politische Dimension haben, die ihrer militärischen Anpassung angemessen ist. Die Nato sollte in Erwägung ziehen, die dem Generalsekretär übertragenen Befugnisse zu stärken, damit er konkrete Entscheidungen über Personal und bestimmte Haushaltsfragen treffen kann.
Die Nato sollte einen besser strukturierten Mechanismus für den Aufbau von Koalitionen innerhalb der bestehenden Strukturen des Bündnisses schaffen. Ziel ist es, dass die Bündnispartner neue Operationen unter das Nato-Banner stellen können, auch wenn nicht alle an einer möglichen Mission teilnehmen wollen.
Die Nato sollte überlegen, ob es für eine einzelne Nation möglich sein sollte, eine Angelegenheit nur auf Ministerebene zu blockieren.
Die Nato sollte die Konsultationen und die Zusammenarbeit mit den Partnern im indo-pazifischen Raum – Australien, Japan, Neuseeland und der Republik Korea – vertiefen.
Die Nato sollte beginnen, intern über die Möglichkeit einer Partnerschaft mit Indien nachzudenken.
Gefährdung des Friedens in Europa
Herr Generalsekretär, weil diese Organisation, als sie ihren Feind verloren hat, nicht aufhörte, sich mit ganzem Herzen in die politische Rechtfertigung für den Erhalt ihres militärischen Werkzeugs zu stürzen, indem sie sich ihren neuen russischen Feind zusammenschmiedete, wird sie heute in ihrer Tendenz eine Gefahr für Europa.
Denn die Nato, die sich nicht damit begnügt, Europa die Chance auf einen wirklichen und dauerhaften Frieden, der von allen, auch von Russland, gewünscht wird, verunmöglicht zu haben, angetrieben von der Sorge um ihr Überleben und der Rechtfertigung ihrer Ausdehnung, hat nur eine gewaltige Aufrüstung auf beiden Seiten der Grenzen Russlands, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, provoziert und damit den Frieden in diesem Europa gefährdet, das sie nur noch als ihr künftiges Schlachtfeld betrachtet.
«Nato 2030» widerspricht elementarster Logik
Und nun möchten Sie mittels dieses Nato-2030-Dokumentes, das der elementarsten Logik widerspricht, die doch besagt, dass die Mittel durch das Ziel gerechtfertigt sein müssen und nicht umgekehrt – denn schon die Römer sagten doch «Cedant arma togae» (Die Waffen müssen der Toga, im alten Rom die Bekleidung der Senatoren, weichen) – nun möchten Sie mit diesem Dokument das militärische Instrument dieser Allianz für die Zukunft rechtfertigen, indem Sie es in ein politisches Instrument umwandeln, das unvermeidlich ist, um riesige internationale Koalitionen zu verwalten, zugunsten einer eigentlichen Weltregierung, die sogar so weit geht, die Entscheidungen der Vereinten Nationen ausser Kraft zu setzen und nationale Souveränitäten zu zerschlagen!
Das soll nicht geschehen, Herr Generalsekretär! Wir müssen diesen verrückten Zug zum Stehen bringen, bevor es zu spät ist! Was Frankreich angeht, so kann es, in Erinnerung an seine von General de Gaulle vor einem halben Jahrhundert bekräftigten Grundsätze, dem abenteuerlichen Konzept niemals zustimmen, das Europa unter amerikanische Vormundschaft stellen will.
Für den Cercle de Réflexion Interarmées, Grégoire Diamantidis, Brigadegeneral a. D. der französischen Luftstreitkräfte
1 Bislang müssen im obersten politischen Entscheidungsgremium der Nato, im Nato-Rat, alle Entscheidungen einstimmig gefällt werden. Der Nato-Rat hat seinen Sitz in Brüssel und setzt sich aus den ständigen Vertretern (Botschaftern) der Nato-Mitgliedsstaaten zusammen. (Anm. d. Red.)
2 Der Moskauer Vertrag oder «Zwei-plus-Vier-Vertrag», der am 12. September 1990 in Moskau zwischen den Vertretern der beiden deutschen Staaten und denen der vier alliierten Mächte des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet wurde, ist der «Vertrag über die endgültige Regelung Deutschlands», der den Weg für die deutsche Wiedervereinigung ebnete und den internationalen Status des vereinigten Deutschlands festlegte. 3Operation Allied Force. Diese Operation, die von der Nato nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen den kosovarischen Unabhängigkeitskämpfern und Serbien unter der Ägide der OSZE (Konferenz von Rambouillet, 6. Februar bis 19. März 1999) beschlossen worden war, wurde am 24. März ohne UN-Mandat auf der Grundlage einer breit angelegten Kampagne in den westlichen Medien über einen angeblich von Serbien im grossen Stil im Kosovo durchgeführten Plan zur ethnischen Säuberung (Potkova-Plan) gestartet. Ein Plan, der sich als Fälschung bulgarischer und deutscher Geheimdienste herausstellte. 4Theatre missile defence: Stationierung nuklearer und konventioneller Raketen, um die Sicherheit einer bestimmten Region oder eines Kriegsschauplatzes aufrechtzuerhalten, offiziell also ein Raketenabwehrsystem zum Abfangen feindlicher Raketen. (Anm. d. Red.)
Deutschlands Außenminister sagt, was Souveränität ist
lebenshaus-alb.de, Lebenshaus Newsletter vom 27.03.2021, Von Christian Müller
Heiko Maas hielt am 9. März eine Rede, wohin Deutschlands Politik künftig führen soll - und wie es seine Souveränität versteht.
Zitat: Am US-amerikanischen Think-Tank "Brookings Institution" in Washington wird es künftig einen Lehrstuhl geben, der den Namen des Historikers Fritz Stern trägt. Aus Anlass der Einweihung dieses Lehrstuhls hielt der deutsche Außenminister Heiko Maas, Mitglied der SPD, eine Rede . Einige Zitate daraus zeigen, wohin die Reise Deutschlands gehen soll.
"In europäische Souveränität zu investieren, bedeutet, in die transatlantische Partnerschaft zu investieren."
"Einige vertreten die Ansicht, diese Partnerschaft hatte mit dem Ende des Kalten Krieges ihren Zweck verloren, da es unseren gemeinsamen Feind nicht mehr gab. Dies ist grundlegend falsch. Unsere Partnerschaft beruhte nie auf Angst, sondern auf Freiheit und geteilten Werten. Und diese bestehen fort."
"Für Deutschland mit seiner Geschichte, die von furchtbaren Verfehlungen geprägt ist, bedeutet Verlässlichkeit, dass wir wissen, wo wir stehen - und an wessen Seite."
"Meine Damen und Herren, wie schaffen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen mit einem China, das uns immer stärker herausfordert und auf Konfrontation geht? Und wie gehen wir mit einem immer aggressiveren und repressiveren Russland um? Antworten auf diese Fragen zu finden, wird für die Zukunft unseres Bündnisses von entscheidender Bedeutung sein. Ein wichtiger Schritt wird die Stärkung der politischen Rolle der NATO sein. Aber mehr noch kommt es darauf an, dass wir uns zu einer gemeinsamen Haltung bekennen."
"In den letzten Jahren haben wir massiv in die europäische Verteidigung und Sicherheit investiert. Unsere Verteidigungsausgaben sind seit 2014 um 50 Prozent gestiegen. Auf diesem von uns eingeschlagenen Weg werden wir weiter fortschreiten."
"Als Handelsnation bekennen wir uns auch zur Aufrechterhaltung freier Seewege. Erst vor ein paar Tagen haben wir als deutsche Bundesregierung uns entschlossen, erstmals eine Marineeinheit in den Indo-Pazifik zu entsenden."
"Meine Damen und Herren, ‹Amerika ist zurück› - so lautete Präsident Bidens Botschaft vor zwei Wochen in München. ‹Und Deutschland ist an Ihrer Seite›, lautet unsere Antwort heute."
Aufstieg Eurasiens: Neue Konzepte zur Eindämmung von globalen Ambitionen des Westens
Der westliche Druck auf China und Russland nimmt zu. Nun beraten China und Russland über neue Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Ambitionen des Westens, indem sie auch nach alternativen Modellen zur globalisierten Weltordnung streben.
Zitat: Zwei Monate nach der Amtseinführung von Präsident Joe Biden wird immer deutlicher, dass die Politik der neuen US-Regierung gegenüber Russland und China mehr Merkmale der Kontinuität als des Wandels zur bisherigen US-Außenpolitik enthält. Mit der Amtsübergabe im Weißen Haus an Biden verschärft sich noch den Kurs der Unipolarität des Westens in der internationalen Politik.
Aufgrund der angeblichen "Unterdrückung der Uiguren" verhängte auch die EU jüngst erstmals seit 30 Jahren Sanktionen gegen die Volksrepublik China. Die muslimische Minderheit der Uiguren werde in China "ausgebeutet und unterdrückt". Der US-Außenminister Blinken hatte kurz zuvor gegen die "Unterdrückung der muslimischen Uiguren" in der chinesischen Region Xinjiang beim Spitzentreffen mit außenpolitischen Repräsentanten Chinas in Alaska protestiert.
Unter der Maske der moralischen Überheblichkeit des Westens gegenüber China stecken gewiss geopolitische Ambitionen. Das autonome Gebiet Xinjiang, wo türkischsprachige Uiguren gesiedelt haben, ist in letzter Zeit zunehmend in den Mittelpunkt der Außenpolitik sowohl der EU als auch seitens der USA gerückt worden, da das Gebiet auch ein geografischer Eckpfeiler der Seidenstraße-Initiative Chinas sowie der Hauptroute des Landes in den Großraum Eurasien ist. Der Westen will Unruhe in diesem strategischen Gebiet stiften – möglicherweise, um das Projekt der Seidenstraße zu gefährden und somit globale Ambitionen fortzusetzen.
Die neue US-Regierung hat auch gegenüber Russland einen aggressiveren und schärferen Kurs eingeschlagen. Der neue US-Präsident nannte bekanntlich in einem Fernsehinterview unlängst seinen russischen Amtskollegen einen "Killer". Seine Hollywood-affine Selbstdarstellung machte deutlich, wie tief Biden in den Gedanken des Kalten Krieges verstrickt geblieben ist. In diese Gedanken wollen die US-Amerikaner auch Europäer miteinbeziehen. US-Außenminister Blinken machte beim ersten Treffen unter vier Augen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas neuerlich Druck auf Deutschland, um die Fertigstellung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 doch noch zu stoppen.
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA traf sich am Montag der russische Außenminister mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi in dem südchinesischen Touristenort Guilin in der Region Guangxi. China und Russland wollen ihre Kooperation vertiefen. Weder in Moskau noch in Peking macht man sich Illusionen über die realen Möglichkeiten, die Probleme mit Washington bald zu lösen. Die beiden Länder werden daher in den kommenden Jahren ein neues, verbessertes Modell der bilateralen strategischen Partnerschaft ausarbeiten. Ein gemeinsames Interesse an den Reaktionen auf den zunehmenden Druck der USA ist jedoch nicht die einzige Triebkraft für die engeren wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen zwischen Russland und China. Die beiden Großmächte wollen eine Alternative zur globalisierten Weltordnung des Westens konzipieren. Beide Seiten werden gemeinsam ein neues multilaterales Modell der internationalen Beziehungen aufbauen. Die USA und der Westen mischen sich mutwillig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein, um ihre Agenda westlicher Ansichten über Demokratie und Menschenrechte durchzusetzen. Dabei sind insbesondere Staaten auf der Welt betroffen, die der westlichen Weltherrschaft standhalten können.
Der russische Außenminister Lawrow erklärte kürzlich in einem Interview mit den chinesischen Medien, Moskau unterstütze die Idee, eine breite Koalition von Ländern zu bilden, um damit gegen einseitige Sanktionen des Westens vorzugehen. Lawrow sagte, jede Initiative, die gegen den illegitimen Einsatz von Sanktionen als Druckmittel ausgerichtet sei, "verdient jede mögliche Unterstützung". Russland und China wollen eine breitestmögliche Koalition von Ländern bilden, die diese illegale Praxis bekämpfen, um damit westliche Sanktionsregime zu sabotieren. Anfang dieses Monats drängte auch eine Gruppe von 16 Ländern, darunter Iran, Venezuela, Russland und China, auf eine Koalition bei den Vereinten Nationen, um der Androhung von einseitigen Sanktionen durch den Westen entgegenzuwirken. In einem fortgeschrittenen Format könnte sich diese Koalition auch in eine Wirtschaftsunion umbilden, um damit einseitige Sanktionen des Westens zu umgehen.
Nun bereiten Peking und Moskau auch die Abkopplung vom westlich dominierten globalen Zahlungsverkehr vor. Der russische Außenminister Lawrow kündigte am Montag bei seinem Staatsbesuch in China an, dass beide Staaten das Sanktionsrisiko verringern könnten, wenn sie ihre finanzielle Unabhängigkeit stärken würden. Gemeint war damit ausdrücklich ein Abkoppeln vom westlich dominierten Zahlungssystem. Diese Idee bringt nicht nur zwei Großmächten, sondern bietet auch den anderen Staaten, die Opfer der westlichen Sanktionen werden könnten, alternative Möglichkeiten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich ohne den in Brüssel ansässigen weltweiten Zahlungsverkehrsdienstleister Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, abgekürzt SWIFT. Der ehemalige US-Präsidenten Trump hatte seinerzeit nach dem einseitigen Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen mit Teheran 2018 auch die SWIFT-Banken unter Druck gesetzt. Diese sollten iranische Banken von diesem Zahlungssystem ausschließen. Dieser Schritt wäre insofern eine "finanzielle Atombombe", wie es der Chef der russischen Staatsbank VTB, Andrei Kostin, vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Handelsblatt ausdrückte. China und Russland sind seit Längerem dabei, neue Konzepte zur Eindämmung von globalen Ambitionen des Westens zu entwickeln, wobei sie auch nach alternativen Modellen zur globalisierten Weltordnung des Westens streben.
EU peitscht Einführung eines digitalen Impfpasses im Eilverfahren durch
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, vom 25.03.2021 15:23 Im Eilverfahren wird die Einführung eines digitalen "Grünen Passes" in der EU durchgepeitscht. Damit werden seit Jahren existierende Pläne nun in aller Eile realisiert.
Der High-Tech-Kampfjet der EU Der geplante deutsch-französische Kampfjet der nächsten Generation und das Luftkampfsystem FCAS stehen womöglich vor dem Scheitern.
German-Foreign-Policy.com, 26. März 2021
BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) - Fortdauernde Rivalitäten zwischen den beteiligten Konzernen lassen ein Scheitern des bedeutendsten Rüstungsprojekts in der EU, des Future Combat Air System (FCAS), möglich erscheinen. Das FCAS, das sich um einen Kampfjet der nächsten, mittlerweile sechsten Generation zentriert und insbesondere Drohnen und Drohnenschwärme umfasst, wird von 2040 an einsatzbereit sein; die Kosten werden inzwischen auf bis zu 300 Milliarden Euro beziffert. Die internen Streitigkeiten haben zugenommen, seit - vor allem auf deutsche Initiative - Spanien dem ursprünglich deutsch-französischen Projekt beigetreten ist und sich deshalb der Anteil der beiden zentralen Konzerne, Dassault (Frankreich) und Airbus Defence and Space (Deutschland), auf nur noch ein Drittel reduziert. Vor allem für Dassault ist das mit schweren Verlusten verbunden: Der Konzern wäre fähig, den Jet im Alleingang zu bauen, und zieht dies mittlerweile in Betracht. Das wäre für Berlin auch deshalb ein Rückschlag, weil London mit seinem Konkurrenzmodell "Tempest" Fortschritte erzielt und mit Italien und Schweden zwei EU-Staaten einbezieht.
Bis zu 300 Milliarden Euro
Das FCAS (Future Combat Air System) ist das aktuell wohl bedeutendste Rüstungsprojekt auf EU-Ebene. Kern des Vorhabens ist ein Kampfjet der nächsten, sechsten Generation (Next Generation Fighter, NGF); dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der heute modernsten, fünften Generation, zu der unter anderem die US-amerikanische F-35, die russische Suchoi Su-57 oder die chinesische Chengdu J-20 gehören. Die modernsten europäischen Kampfjets wie der Eurofighter oder die französische Rafale werden zur vierten Generation gezählt. Zeichnet sich die fünfte Generation insbesondere dadurch aus, dass ihre Jets über Tarnkappeneigenschaften verfügen, so ist die sechste darüber hinaus als Teil eines komplexen Kampfsystems, vernetzt unter anderem mit Drohnen und mit Drohnenschwärmen, definiert. Auf die gemeinsame Entwicklung und Produktion des neuen Kampfjets (NGF) bzw. des gesamten Luftkampfsystems (FCAS) haben sich Berlin und Paris auf Regierungsebene bereits im Juli 2017 geeinigt; vergangenes Jahr wurde offiziell noch Spanien in das Vorhaben integriert. Hauptsächlich getragen wird das Projekt von den Konzernen Dassault (Frankreich) und Airbus (Deutschland, Spanien). Die Kosten für das FCAS, das ab 2040 einsatzbereit sein soll, werden auf einen Wert zwischen 80 und 300 Milliarden Euro beziffert.
Die neue Dreierkonstellation
Gab es innerhalb des FCAS-Projekts schon seit je Rivalitäten und Einflusskämpfe zwischen den beteiligten Konzernen, so sind diese Ende vergangenen Jahres [1] und dann besonders seit Februar 2021 eskaliert. Ein wichtiger Auslöser ist die Einbindung Spaniens in das Vorhaben gewesen, die Berlin gegen Paris durchgesetzt hat. Für die Bundesregierung ist die neue Dreierkonstellation taktisch günstig: Da der deutsche und der spanische FCAS-Hauptbeteiligte - Airbus Defence and Space aus Taufkirchen bei München bzw. der Airbus-Ableger in Spanien - demselben Konzern angehören, sind sie gegenüber dem französischen Hauptbeteiligten Dassault tendenziell im Vorteil. Für die französische Regierung wiegt das schwer. Paris legt traditionell besonderen Wert darauf, in der Rüstungsindustrie eigenständig handlungsfähig zu sein; so stammt die Rafale allein aus französischer Produktion, während der Eurofighter in multinationaler Kooperation hergestellt wird. Entsprechend trägt Dassault am meisten Know-how zum neuen Kampfjet (NGF) bei - und muss nun zusehen, wie die deutsch-spanische Konkurrenz Wissen abschöpft und sich lukrative Teile der Fabrikation sichert. Bei Dassault habe man "den Eindruck ..., bei FCAS mehr zu verlieren als zu gewinnen" zu haben, erläuterte vor kurzem der französische Militärexperte Jean-Charles Larsonneur: "Verschleudern wir nicht unser technologisches Wissen?"[2]
"Schwierige Diskussionen"
Im Februar ist es trotz energischen politischen Drucks im Anschluss an den deutsch-französischen Verteidigungsrat vom 5. Februar nicht gelungen, eine Lösung für die industriellen Einflusskämpfe zu finden: "Es gibt schwierige Diskussionen", hieß es Ende vergangenen Monats aus dem unmittelbaren Umfeld des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.[3] Anfang März schien sich dann zunächst ein wenig Entspannung abzuzeichnen: "FCAS ist nicht mehr in Lebensgefahr", äußerte Dassault-Chef Eric Trappier.[4] Inzwischen werden jedoch wieder Zweifel laut. Zu den industriellen Differenzen kommt nach wie vor hinzu, dass Paris fordert, der neue Kampfjet müsse atomwaffenfähig und darüber hinaus in der Lage sein, von einem Flugzeugträger aus zu starten; Berlin, das weder über Atomwaffen noch über einen Flugzeugträger verfügt, legt darauf keinen Wert. Umgekehrt hieß es zuletzt aus der deutschen Hauptstadt, das FCAS könne eventuell zu teuer werden: Da "die Betriebskosten der Streitkräfte pro Jahr um zwei bis drei Prozent" stiegen und die Aufstockung der Bundeswehr auf 203.000 Soldaten "jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich" koste, müsse man womöglich "im Rüstungsbereich neue Prioritäten" setzen, erklärt der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags (2015 bis 2020) Hans-Peter Bartels. Er fordert: "Deutschland braucht ... einen Plan B".[5]
"Plan B"
Einen "Plan B" hat Anfang des Monats zudem Dassault-Chef Trappier ins Spiel gebracht. Trappier bekräftigt zwar, nach wie vor "Plan A" zu favorisieren - Entwicklung und Produktion des neuen Kampfjets sowie des gesamten FCAS gemeinsam mit Airbus Defence and Space und Airbus Spanien. Aufgrund der weiterhin ungelösten Differenzen komme man allerdings nicht umhin, über mögliche Alternativen nachzudenken. Trappier erklärt: "Was die Technologie betrifft - Dassault weiß, wie man ein Flugzeug alleine baut."[6] Die französischen Konzerne Safran und Thales seien fraglos fähig, Motoren für Kampfflugzeuge zu konstruieren bzw. die Elektronik zu gewährleisten; MBDA mit Sitz in Le Plessis-Robinson, einem Vorort von Paris, könne die Raketen herstellen. Die französische Industrie verfüge also über das notwendige Know-how. Experten bestätigen dies: Frankreich sei "fast mit Gewissheit" in der Lage, zumindest den Kampfjet der sechsten Generation zu produzieren, heißt es in einer aktuellen Einschätzung des Londoner Royal United Services Institute (RUSI).[7] Die Konzernspitze von Airbus Defence and Space wiederum räumt offen ein, über keinen "Plan B" zu verfügen: Scheitere "Plan A", dann werde die US-amerikanische F-35 den europäischen Rüstungsmarkt vollständig erobern, wurde kürzlich der Airbus-Manager Antoine Bouvier zitiert.[8]
Konkurrenzmodell "Tempest"
Die Streitigkeiten um das FCAS und die französische Option, gegebenenfalls einen Alleingang mit dem Projekt zu starten, sind für Berlin umso misslicher, als ein europäisches Konkurrenzvorhaben, das britische Luftkampfsystem "Tempest", nicht nur Fortschritte macht, sondern inzwischen auch EU-Staaten einbezieht. Die Arbeit an "Tempest" ist offiziell im Juli 2018 eingeleitet worden, ein Jahr nach dem Startschuss für das FCAS; Ziel ist es gleichfalls, einen Kampfjet der sechsten Generation und ein Begleitsystem aus Drohnen und Drohnenschwärmen zu konstruieren. An dem Projekt beteiligen sich mittlerweile zwei EU-Staaten, die nicht am FCAS beteiligt wurden - Italien mit seinem Rüstungskonzern Leonardo sowie Schweden mit Saab. Experten attestieren dem "Tempest" beachtliche Fortschritte. Die britische Regierung hat beschlossen, den ursprünglich geplanten Kauf von 138 US-amerikanischen F-35 signifikant zu reduzieren und die frei werdenden Mittel in das "Tempest"-Projekt zu investieren; erst kürzlich hat London für die kommenden vier Jahre zwei Milliarden Pfund bereitgestellt.[9] Das britische Luftkampfsystem soll den Plänen zufolge ab 2035 einsatzbereit sein - vier Jahre vor dem FCAS, sofern dieses tatsächlich zustande kommt.
novo-argumente.com, vom 15.10.2018, Von Frank Furedi
Von Herder zum Trans-Aktivismus: Über den Siegeszug einer gegenaufklärerischen Idee.
Identitätspolitik bestimmt heute das öffentliche Leben im Westen. Viele halten die identitären Aktivisten des 21. Jahrhunderts einfach für die aktuelle Version der Aktivisten, die sich in den 1960er-Jahren für die Befreiung der Frau oder der Schwarzen engagiert haben. Diese Annahme ist jedoch falsch. Sie übersieht, wie sehr sich der Antrieb und die Belange der Identitätspolitik über die Jahrzehnte verändert haben.
Zitat: Die Identitätspolitik hat sich seit ihrem Aufkommen im späten 18. Jahrhundert erheblich verändert. Konservative Bewegungen haben sie aufgenommen und sie wurde von Radikalen gefeiert. Sie schloss umfassende Identitäten wie die Nation oder das Volk ein und konzentrierte sich auf bestimmte Individuen. Und obwohl sie heute als linke Kraft angesehen wird, hat sie oft auch den Rechten, ob Traditionalisten oder Nationalisten, ein politisches Narrativ zur Verfügung gestellt. Wer verstehen will, was die gegenwärtige Identitätspolitik einzigartig macht, kommt nicht darum herum, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Diese kann in vier Phasen unterteilt werden.
Phase 1: Aufstand gegen den Universalismus
Im späten 18. Jahrhundert wurde die Saat der späteren Identitätspolitik gesät. In dieser Zeit bezog die Politisierung der Identität ihre Kraft aus der konservativen Reaktion gegen den Universalismus der Aufklärung. Diese Gegenaufklärung verdammte die Idee menschlicher Universalität und behauptete, nur die Identität bestimmter Völker oder Gruppen sei von Bedeutung. Diese partikularistische Feindseligkeit gegenüber den universalistischen Ideen der Aufklärung war im 19. Jahrhundert eines der wirkmächtigsten Merkmale der politischen Vorstellungswelt der Rechten.
In Deutschland betonte die konservative Bewegung der Romantik die Relevanz kultureller Unterschiede und sprach diesen größere Authentizität zu als den abstrakten Bindungen des Universalismus. Derartige Einstellungen entstanden teilweise als Reaktion auf den wachsenden Einfluss der rationalistischen und universalistischen Ideen der Französischen Aufklärung, die alle europäischen Gesellschaften erfassten. Die deutschen Romantiker stellten damit die authentische Kultur dem abstrakten Geist des Universalismus der Französischen Revolution entgegen. Der deutsche Philosoph Johann Gottfried Herder (1744–1803) fing den partikularistischen Geist der neuen romantischen Verehrung kultureller Identität ein. Ihm zufolge definiere die Kultur jedes Volk – das Volk –, indem sie es mit seiner individuellen Identität und einem eigenen Geist ausstatte.
Feindseligkeit gegenüber universalen Werten und menschlicher Solidarität beschränkte sich nicht nur auf Deutschland. In Frankreich kamen ähnliche Empfindungen unter anti-aufklärerischen Identitätsdenkern auf. Joseph de Maistre, ein reaktionärer französischer Politikphilosoph, verachtete die Ideale, die mit den Menschenrechten verbunden sind, als abstrakten Unsinn. Er erklärte, es gebe „den Menschen an sich nicht“. „Ich habe Franzosen, Italiener und Russen kennengelernt“, so de Maistre weiter, „aber was den Menschen betrifft, dem bin ich nie begegnet.“
Im 19. Jahrhundert bezog sich die Romantik auf besonders erhabene Verschiedenheiten von Identität und feierte die Charakteristika, die mit dem vermeintlich einzigartigen Geist der unterschiedlichen Völker verbunden wurden. Allmählich inspirierte diese Auffassung eines individuellen kulturellen Geistes das Narrativ des Nationalismus und die Idee, jede Nation besäße einzigartige Charakteristika. Ernest Renan, ein französischer Philosoph des 19. Jahrhunderts, drückte das so aus: „Die Nation ist eine Seele, ein spirituelles Prinzip“.
Die Förderung kultureller Heterogenität und Verschiedenheit durch die Gegenaufklärung hatte eine Form des erkenntnistheoretischen Separatismus zur Folge. Die Auffassung, dass unterschiedliche Kulturen auf sich unterscheidenden Wegen zu Erkenntnis gelangen, ließ nationale Identitäten erstarren. Gleichzeitig fungierte das als kulturelle Vorstufe der Rassentypologien, die das westliche Denken im 19. und frühen 20. Jahrhundert prägten. Für den Geist der Aufklärung war dies ein Fluch. Die Aufklärung stellte sich immer gegen die traditionelle Idee, dass durch Biologie und die natürliche Ordnung von Geburt an bestimmt ist, wer man ist. Die Denker der Aufklärung waren der Meinung, dass die Menschen sich selbst zu dem machen, was sie sind, indem sie Geschichte schreiben. Nur deshalb konnte die Aufklärung ein Bewusstsein entwickeln, das das Erleben bestimmter Individuen und individueller Gruppen überstieg. Wenn gegenwärtig das Streben nach Universalismus Zynismus hervorruft, wird leicht vergessen, dass grundlegende
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nahm der Fokus der Gegenaufklärung auf nationale Identität im Nationalsozialismus eine extreme Form an. Das führte dazu, dass anti-universalistische partikularistische Politik in Verbindung mit Rassismus und schlussendlich dem Holocaust geriet. So nimmt es nicht Wunder, dass rechte Identitätspolitik in die Defensive geriet und ihre Anhänger versuchten, ein moderateres Image aufzubauen.
Phase 2: Neue soziale Bewegungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nationalistische Identitätspolitik marginalisiert. Bis zu deren Wiederbelebung dauerte es zwei weitere Jahrzehnte. Diesmal war es aber die Linke, die gruppenbezogene Identitätspolitik vorantrieb und nicht die Rechten. Trotz des formellen Festhaltens an universalen Rechten tat sich die Linke immer schwer damit, sich ihnen in der Praxis konsequent zu verschreiben. Insgesamt besehen fiel ihre Rolle bei der Unterstützung der Anti-Kolonialbewegung, beim Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau oder beim Kampf gegen Rassismus allenfalls durchwachsen aus. Infolgedessen mussten die Befreiungsbewegungen der 1960er-Jahre ihre eigenen Strategien entwickeln, um ihre Ziele zu verwirklichen. In den USA kamen Teile der Bürgerrechtsbewegung zu dem Schluss, dass der richtige Weg in der Politisierung einer schwarzen Identität läge. Andere Gruppen und Minderheiten wählten ähnliche Vorgehensweisen, um neue Rechte zu gewinnen. Um die Rechte und Freiheiten zu erlangen, die ihnen bislang verwehrt blieben, konzentrierten sich Bewegungen, die für die Freiheit von Frauen und Homosexuellen eintraten, deshalb auf spezifische Alleinstellungsmerkmale von Frauen und Homosexuellen.
Diese Neuen Sozialen Bewegungen beeinflussten die Linke, die große Schwierigkeiten damit hatte, einem umfassenden Begriff von Solidarität mit Bedeutung zu füllen. Und so wanderte der Fokus der Linken allmählich von der Klasse zur Identität. Für die Neue Linke der 1960er und 70er diente die Unterstützung von Befreiungsbewegungen der Dritten Welt als besonderer Quell radikaler Identität. Da in ihren heimischen westlichen Gesellschaften jegliche radikale Impulse fehlten, war die Neue Linke dazu gezwungen, nach Anliegen im Ausland zu suchen. In Frankreich identifizierte sich die Linke beispielsweise deutlich stärker mit der chinesischen Kulturrevolution als mit den gesellschaftlichen Kräften vor Ort.
Diese Dritte-Welt-Orientierung vermengte sich mit einer gegenkulturellen Ablehnung des in westlichen Gesellschaften vorherrschenden Weltbildes. Aus dieser Feindseligkeit gegenüber der alten Ordnung erwuchs allerdings nie eine systematische politische Existenz, die eine eigene Ideologie hervorbrachte oder dem Status quo eine ernsthafte Alternative entgegenstellen konnte. Auch aus den kulturellen Konflikten über Lebensstile und Werte, die in den 1960ern losbrachen und in den 70ern an Fahrt gewannen, entwickelten sich nicht die von manchen befürchteten anti-parlamentarischen Bewegungen wie in der Zwischenkriegszeit. Stattdessen förderte die Logik der Gegenkultur, wonach alles Persönliche politisch sei, die Identitätspolitik. Man wandte sich von Massenbewegungen ab und Ein-Thema-Kampagnen zu.1
Obwohl sich radikaler Befreiungsrhetorik bedient wurde, war die Hinwendung zur Identitätspolitik im Kern konservativer Natur. Eine Empfindsamkeit, die das Besondere zelebrierte und dem Streben nach universellen Werten mit Misstrauen begegnete. Die Politik der Identität konzentrierte sich auf das Bewusstsein des Selbst und seine Wahrnehmung. Identitätspolitik war und ist die Politik des „Alles dreht sich um mich“.
Auch wenn Selbstidentität in Gruppenform Ausdruck fand, zielte sie doch darauf ab, Anerkennung von anderen zu erlangen. 2 Wie der Historiker Tony Judt bemerkt, waren die Lehren, die der Identitätspolitik Ausdruck verleihen sollten, eher psychologischer Natur und „traditionellen Projekten der sozialen Revolution“ gegenüber oft gleichgültig. Vielmehr „versuchten sie den eigentlichen Begriff des menschlichen Subjekts zu zersetzen, der diesen zugrunde gelegen hatte“ 3.
Das Aufkommen verschiedener identitätsorientierter Gruppen während der 1970er-Jahre spiegelte sinkende Erwartungen auf Seiten der Linke wider. Ihre neue Sensibilität fand unübersehbaren Ausdruck in dem so genannten „Cultural Turn“ der Linken. Der Fokus auf die Politik der Kultur, des Images und der Repräsentation lenkte die Linke von ihrem traditionellen Interesse an gesellschaftlicher Solidarität ab. Das augenfälligste Merkmal des Cultural Turn war die Sakralisierung der Identität. Die Ideale von Differenz und Vielfalt ersetzten das der menschlichen Solidarität.
Phase 3: Verschmelzen von Identität und Viktimisierung
Eine der folgenreichsten Entwicklungen in der Geschichte der Identitätspolitik war ihr Verschmelzen mit der aufkommenden Opferpolitik in den 1970er-Jahren. Dies geschah nicht zufällig. Beide Trends drückten die Bewusstseinskrise der Linken aus. Während der 1960er- und 70er-Jahre veränderte sich auch deren Politik stark. Radikale linke Politik erschöpfte sich zunehmend und wurde immer weniger genutzt, um sozialen Wandel herbeizuführen. Während dieser Periode wurden viele traditionelle Verbündete der Linken als Opfer des Systems ausgemacht. Ein ähnliches Muster zeigte sich schon während der Frauenbewegung. In den späten 1960er- und frühen 70er-Jahren widersetzten Feministen sich noch heftig gegen die Darstellung von Frauen als Opfer. In den späten 1970er-Jahren hatte sich diese Perspektive fundamental umgekehrt. Kampagnen unterstrichen nun die Rolle der Frau als Opfer – geschlagen, verletzt und vergewaltigt. Auch die Linke betrachtete Leiden als eine wichtige Quelle, um Anhänger für ihre Belange zu mobilisieren.
Während der 1970er wandelte sich das Verständnis davon, wie man zum Opfer wird (Viktimisierung). Anfänglich wurden Menschen als Opfer dargestellt, wenn sie eine spezifische Erfahrung gemacht hatten – zum Beispiel als Opfer von Gewalttaten. In den 1970er-Jahren weitete sich das Verständnis der Viktimisierung jedoch aus, um Erfahrungen einer Vielzahl verschiedener Gruppen erfassen. Dieser neue Ansatz verlieh der Viktimisierung eine neue Bedeutung: Es ging nicht mehr um eine außeralltägliche Art von Schädigung, die ein Individuum erlitten haben muss, um als Opfer angesehen zu werden. Stattdessen wurde der Opfer-Status als integraler Bestandteil einer ungerechten Gesellschaft angesehen. Durch die Neudefinition und Ausweitung der Opfererfahrung erklärten verschiedene Gruppen den Status als Opfer der Gesellschaft zu einem Kernbestandteil ihrer Identität.
Diese Umdefinition der Opferidentität wurde von einer neuen Aktivistenkohorte selbstbewusst vorangetrieben, die solche Kampagnen als eine neue Form radikaler Politik betrachtete. Der Vergleich der ersten Ausgabe von William Ryans Klassiker „Blaming the Victim“ (Opferbeschuldigung) von 1971 mit der 1976 erschienenen Ausgabe spricht Bände. Die Hauptthese von „Blaming the Victim“ ist, dass in den USA Opfern der Ungleichheit – zum Beispiel Schwarzen – ungerechtfertigterweise die Schuld für gesellschaftliche Probleme in die Schuhe geschoben wird. Ryan verfocht die populistische und antikapitalistische These, dass nicht der Kriminelle, sondern das System Menschen zu Opfern mache. Als Ryan 1976 eine neue Einleitung verfasste, hatte sich sein Verständnis von Opfern deutlich ausgedehnt:
„Seit 1970 habe ich meinen Blick, wer die ‚Opfer‘ der amerikamischen Gesellschaft wirklich sind, erweitert. Ich hatte mich auf die Not der Armen und der Schwarzen fokussiert. In Wahrheit ist jeder, der zum Unterhalt seiner selbst und seiner Familie auf Gehalt oder Lohn angewiesen ist, und über keine zusätzliche Einkommensquelle durch nennenswertes Vermögen verfügt, in Amerika ein potentielles Opfer.“ 4
Die Auffassung, dass nahezu jeder außerhalb der herrschenden Elite ein potentielles Opfer ist, suggeriert, dass Viktimisierung nicht eine Ausnahme, sondern die Regel in der existentiellen Realität der amerikanischen Kultur darstellt. Ein alles durchdringendes Gefühl von Viktimisierung bildet wohl die bedeutendste kulturelle Hinterlassenschaft dieser Ära. Die Autorität des Opfers war auf dem aufsteigenden Ast. Teile der Linken sowie der Rechten befürworteten die maßgebende Legitimität des Opferstatus. Die Opferrolle wurde so zur wichtigen kulturelle Quelle für Identitätskonstruktion. Zeitweise schien es, als wolle jeder das Opfer-Label für sich beanspruchen. Konkurrierende Opferrollen führten schnell zu Versuchen, Opfer zu hierarchisieren. Der Studie eines amerikanischen Soziologen zufolge vereinten sich die verschiedenen Bewegungen informell, um „eine gemeinsame Opferstimmung zu schaffen, moralische Entrüstung hervorzurufen und selbstgerechte Feindseligkeit gegen den gemeinsamen Feind – den weißen Mann – zu säen“ 5. Der Ausschluss des weißen Mannes aus dem Kreis der Opfer währte er aber nicht lange. In den 1980er-Jahren entstand eine neue Männerbewegung, die insistierte, dass auch Männer zu den unbeachteten und marginalisierten Opfergruppen gehörten.
Die Bandbreite der Umdeutung bis dato normaler Erfahrungen in Opfererfahrungen vergrößerte sich während der 1980er- und 90er-Jahre weiter. So beanspruchten Gruppen beschnittener britischer und amerikanischer Männer, durch eine der ältesten historisch belegten Operationsmethoden verstümmelt und psychisch geschädigt worden zu sein. Die National Organization to Halt the Abuse and Routine Mutilation of Males (NOHARMM, zu Deutsch: Nationale Organisation zur Beendigung des Missbrauchs und der standardmäßigen Verstümmelung von Männern) behauptet von sich, im Namen der „Opfer von Beschneidung“ zu sprechen. „Wir sind alle erwachsene Männer, die davon ausgehen, dass wir durch die Beschneidung, die im Kindesalter durch britische Ärzte durchgeführt wurde, geschädigt wurden“, schrieb eine Gruppe von 20 Männern in einem 1996 im British Medical Journal veröffentlichten Brief. 6 Sie beklagten dabei nicht so sehr die physische, sondern die vermeintlich psychische Verletzung dieses ansonsten routinemäßigen Eingriffs. Sie strebten die Wiederherstellung ihrer Vorhaut an, weil dies „für Männer von therapeutischem Nutzen“ sei. Zwei Aktivisten zufolge „verbessert [die Wiederherstellung der Vorhaut] das Körperbild, steigert das Selbstbewusstsein, löst die Gefühle der Viktimisierung auf und ermöglicht Männern, selbst Entscheidungen über ihre eigene Sexualität zu treffen“.7
Phase 4: Der therapeutische Ethos
Die Darstellung des Opfers als schuldlos war die Schlüsselinnovation bei der Konstruktion der Opferrolle in den 1970er-Jahren. Eines der verbreitetsten rhetorischen Stilmittel der Opferfürsprecher war, jede Infragestellung der – von Individuen oder Gruppen vorgebrachten – Forderungen als „Opferbeschuldigung“ abzutun. Radikale Kriminologen behaupteten, nicht nur Verbrechensopfer, sondern alle benachteiligten Menschen würden ungerechtfertigt beschuldigt.
Die Wahrnehmung des „schuldlosen Opfers“ stattete selbsternannte Opfer mit moralischer Autorität aus. In der Folge wurde die Opferidentität beinahe zur heiligen Kuh. Eine Studie stellte fest, dass „Opfer“ zunehmend als moralischer Begriff verwendet wurde. „Ein Opfer zu sein impliziert einen gewissen Grad an Unschuld und Schuldlosigkeit, wodurch das Opfer nicht für sein Schicksal verantwortlich gemacht werden kann“, schrieb Frank Weed. 8
Fürsprecher der Opferkultur behaupteten nicht nur, dass Opfer keine Verantwortung trügen, sondern auch, dass ihnen geglaubt werden müsse. Der Glaubwürdigkeitsbonus von Opfern nahm mit der Viktimisierung von Kindern an Fahrt auf. Der Mahnung „Glaube dem Kind“ folgte rasch die groteske Ansicht „Kinder lügen nicht“. In den letzten Jahrzehnten wurde das Mantra „Glaubt dem Opfer“ derart institutionalisiert, dass eines Verbrechens Beschuldigte als schuldig gelten, bis sie ihre Unschuld bewiesen haben. Deshalb geht es denjenigen, die sich gegen sexuelle Belästigung, Mobbing und Mikroaggressionen wenden und deren Definitionen immer weiter ausdehnen, darum, ob das „Opfer“ sich viktimisiert fühlt und nicht um die tatsächliche Handlungsabsicht des Beschuldigten.
Das legt eine wichtige psychologische Wende in der Identitätspolitik nahe. Opferschaft hat die Identitätspolitik mit moralischer Autorität versehen. Politische Bewegungen, die sich bislang der Befreiung und der sozialen Umgestaltung verschrieben hatten, begannen, sich als Opfergruppen wahrzunehmen. Sie nutzten die Mahnung „Glaubt dem Opfer“, um sich Respekt und Anerkennung zu verschaffen. Die Behauptung von der Schuldlosigkeit der Opfer sollte nun verhindern, dass die Realitätssicht einer bestimmten Identitätsgruppe hinterfragt oder diskutiert wird.
Äußerlich scheint die aktuelle Version der Identitätspolitik – die sich durch die Synthese von Opferbewusstsein und Suche nach therapeutischer Bestätigung auszeichnet – kaum noch etwas mit ihrem Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert gemein zu haben. Eine Tatsache spricht jedoch für die Fortdauer der partikularistischen Sichtweise der Identitätspolitiker des 19. Jahrhunderts. Beide Varianten beharren darauf, dass nur diejenigen, die in der Kultur gelebt und diese erfahren haben, die ihre Identität ausmacht, deren Realität verstehen können. In dieser Sichtweise verleiht Identität das Patent darauf, sich zu Angelegenheiten äußern zu dürfen, die eine bestimmte Kultur betreffen.
Zunehmend behaupten Befürworter der Identitätspolitik, dass über manche Sachverhalte nur Frauen oder Homosexuelle sprechen können. Auf Kultur und Identität bezogene Grenzen haben sich verfestigt und werden nun intensiv kontrolliert. Wer das Monopol der kulturellen Ingenieure über das Verständnis ihrer Identität in Frage zu stellen droht, stößt oft auf ein „Zutritt verboten“-Schild. Wer es trotzdem wagt, in einen abgegrenzten kulturellen Raum einzudringen, wird der ausbeuterischen kulturellen Aneignung (cultural appropiation) bezichtigt.
Das Dem-Opfer-glauben-Dogma wurde zum Argument recycelt, um Diskussionen zu jeglichen Themen zu unterbinden, die Identitätsbewegte als anstößig empfinden. Von deren Standpunkt aus ist jede Kritik an identitätspolitischen Anliegen ein Kulturverbrechen. Die Verpflichtung, Personen, die Opferidentität beanspruchen, zu glauben und sie nicht zu kritisieren, wird therapeutisch gerechtfertigt. Kritik mache psychologisch gesehen nochmals zum Opfer und verursache deshalb psychische Verwundungen und seelische Schäden. Diese therapeutisch geprägte Argumentation gegen kritische Werturteile und Meinungsfreiheit sieht Kritik nicht nur als Angriff auf Ansichten und Meinungen an, sondern auch als Angriff auf die Person, die diese vertritt. Das Ergebnis ist Zensur und Illiberalität. Deshalb ist es in der Gesellschaft, und vor allem an Universitäten, oft unmöglich, bestimmte Themen zu debattieren.
Das Ende der Solidarität
Seit ihrem therapeutischen Wandel ist Identitätspolitik weniger als ihre Vorläufer in den 1960er- und 70er-Jahren auf politische und soziale Themen fokussiert. Die zeitgenössischen Formen der Identitätspolitik verwenden viel Energie darauf, Anerkennung und Respekt einzufordern. Die Identitätspolitik der alten Tage verstand kritisierte Zustände als politische, ökonomische oder soziale Hindernisse und richtete ihre Energie darauf, diese Diskriminierung zu überwinden. Obwohl sie sich der Förderung von Gruppenidentitäten verschrieben hatte, war ihr vornehmliches Ziel die Gleichheit. Ohne Zweifel besaß sie starke separatistische Tendenzen und eine selbstbezogene Weltanschauung. Aber anders als die Identitätspolitik heute übersetzte sie ihre Ziele nicht in die psychologische und narzisstische Sprache des „Alles dreht sich um mich“. Der Feminismus der 1970er-Jahre kämpfte für die Überwindung der Hindernisse, die Frauen davon abhielten, Gleichheit mit Männern zu erreichen. Feministinnen, die mit dem gleichen Maßstab wie Männer gemessen werden wollen, unterscheiden sich deutlich von denen, die Geschlechterunterschiede betonen und herausarbeiten, „Safe Spaces“ und Schutz vor Mikroaggressionen wie unglücklich formulierten Komplimenten fordern.
Die Tendenz zur Fragmentierung und Individualisierung ist eines der am wenigsten beachteten, aber kennzeichnenden Merkmale der aktuellen Identitätspolitik. Ein deutlicher Trend geht dahin, dass Identitätsgruppen ausufern und sich separieren. Überdies will jeder ein Stück vom Kuchen abhaben. Seit die Kontroverse über Cultural Appropriation hochkochte, beanspruchen alle möglichen Akteure ein Patent auf ihre Kultur. Gruppen, die bisher am Rande der Kulturpolitisierung gestanden haben, übernehmen aktuell Sprache und Praktiken der Identitätspolitik. Chinesische Auslandsstudenten haben beispielsweise versucht, Debatten über das Verhalten ihrer Regierung gegenüber Tibet zu beenden, indem sie sich darauf beriefen, diese als kulturell unsensibel und beleidigend zu empfinden. Muslimische und jüdische Studenten haben „Safe Spaces“ verlangt und ein paar konservative Schutz vor verbalen Attacken auf dem Campus gefordert. Durch lauter werdende Rufe nach dem Schutz der „weißen Identität“ ist Identitätspolitik mittlerweile zur Karikatur ihrer selbst geworden.
Manche Anhänger der Identitätspolitik betrachten sich gegenseitig als Verbündete. Allerdings erschwert die Politisierung der Kultur generell das Schmieden belastbarer Allianzen zwischen verschiedenen Gruppen. Das zeigt sich aktuell am scharfen Konflikt zwischen Feministen und Trans-Aktivisten. Zwischenmenschliche Solidarität ist eines der größten Opfer der Identitätspolitik. Sobald sich verschiedene Gruppen in ihre „Safe Spaces“ zurückgezogen haben, bleibt kaum noch Platz für diejenigen, die sich der Politik der Solidarität und dem Ideal des Universalismus verschrieben haben.
Die „Fridays for Future“-Bewegung besteht aus privilegierten Akademikerkindern und Großstädtern, die glauben, auf den Rest der Gesellschaft arrogant herunterblicken zu dürfen. Ein Insiderblick.
Zitat: Am 19. März war es wieder soweit: Fridays for Future rief zum globalen Klimastreik auf. Die einst so lautstark auftretende Bewegung spielte zuletzt jedoch kaum noch eine Rolle. Bilder bunter Demonstrationen sind in Zeiten des Lockdowns menschenleeren Straßen gewichen. Corona bestimmt längst nicht nur die Talkshows und Zeitungen, die Pandemie raubt inzwischen auch Millionen von besorgten Menschen den Schlaf. Einzelhändler, Gastronomen, Künstler: Sie alle tragen seit Monaten ihren einsamen Kampf um die eigene Existenz aus. In meinem Bekanntenkreis erlebe ich deshalb gerade eine gefährliche Spaltung: Meine wohlbehüteten Freunde haben noch immer das Privileg, eine drohende Klimaapokalypse als das zurzeit dringlichste politische Thema ansehen zu können, während andere voller Ohnmacht den tagtäglichen Zusammenbruch ihrer eigenen Welt erleben.
Doch viele privilegierte Aktivisten verhalten sich, als ob all diese Ängste gar nicht existieren würden. Was sind schon zerstörte Biografien im Vergleich zur großen Apokalypse? In den Augen gymnasialer Weltenretter sind dies ohnehin nur weitere Kollateralschäden, welche die Hinfälligkeit des blutrünstigen Systems aufzeigen. Die Systemüberwindung ist jedoch für besorgte Menschen momentan ganz weit weg. Slogans wie „There are no jobs on a dead planet“ oder die Besetzungen von Fabriken empfanden viele Menschen in den vergangenen Monaten daher als zynisch und weltfremd.
Fridays for Future verbreitet auch in unserer Wirtschaftskrise leider noch immer viel zu häufig die Botschaft, dass Industrie und Arbeiter einer ökologischen Zukunft im Wege stehen. So stößt der anhaltende Post-Materialismus des grün-bürgerlichen Nachwuchses in vielen Wohnzimmern auf großes Unverständnis. Was wird wohl ein zutiefst verängstigter Familienvater denken, wenn er in den Nachrichten Plakate wie „We want a hot date not a hot planet“ zu lesen bekommt? Die Klimabewegung, die in ihrem Auftreten bereits vor dem Ausbruch des Virus vielfach als elitär und abgehoben empfunden wurde, muss nun aufpassen, dass sie nicht endgültig den Rückhalt aus der Bevölkerung verliert.
Abgehobene Zirkel
Das typische Milieu der meisten „Fridays for Future“-Demonstranten kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freundeskreises: großstädtisch, linksliberal, hip. Arzttöchter treffen darin auf Juristensöhne. Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies Einkaufen und Zero Waste stehen nebeneinander auf der Tagesordnung. Veganismus zählt ebenso zum unausgesprochenen Codex des Hip-Seins wie der Einkauf im Second-Hand-Laden. Und der Bioladen um die Ecke wertet die Lage der eigenen Wohnung selbstverständlich auf.
Akademikerkinder bleiben unter sich. Querschnitt der Gesellschaft also, den die Klimaproteste abbilden? Weit gefehlt! „Fridays for Future“ ist die Rebellion der Privilegierten und die Bewegung bietet ihnen die perfekte Möglichkeit, ihren eigenen kosmopolitischen Lebensstil und das eigene Talent zur Schau zu stellen.
Viele meiner klimabegeisterten Freunde fragen sich, warum die soziale Herkunft der Demonstranten überhaupt eine Rolle spiele. Sei das nicht absolut unwichtig? Hauptsache, die Erde werde gerettet, so ihre Überzeugung. Vom wem, sei dabei doch egal. Lange genug habe die Bevölkerung geschwiegen, und jetzt müsse endlich aufgestanden werden. Ich gebe zu, der Gedanke ist in seiner Konsequenz natürlich überaus reizvoll und die gesellschaftliche Herkunft als Argument gegen eine Gruppe zu verwenden natürlich unsinnig. Auch mich packte der skizzierte Kampfgeist anfangs. Zu Beginn meiner Teilnahme an „Fridays for Future“ zählte für mich nur die Weltrettung; wer an meiner Seite stand, das war mir egal. Und das wäre es mir bis heute.
Doch was mir nicht egal ist, das ist das Verhalten und die Argumentation der Menschen, mit denen ich gemeinsam demonstriere. Und hier schließt sich der Kreis, denn der soziale Background sagt dann eben doch mehr über die Bewegung aus, als den Demonstranten lieb ist. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass die soziale Herkunft der jungen Protestler der eigentliche Geburtsfehler von „Fridays for Future“ ist: Die Bewegung war von Anfang an viel zu homogen, viel zu elitär und entsprechend viel zu abgehoben, als dass sie dies selbst überhaupt auch nur bemerkt hätte. Nur wem es materiell gut geht, der hat letztlich die Zeit und auch die Muße, den Klimaschutz als das persönlich wichtigste und auch einzige politische Thema unserer Zeit zu betrachten und ihm alles andere unterzuordnen.
Die Bewegung in ihrem Elfenbeinturm merkt gar nicht, dass ihre Kritik den Lebensstil sozial Schwächerer betrifft, die aus finanziellen Gründen nicht immer die freie Wahl haben. Sie werden als Klimasünder gebrandmarkt, weil sie nicht im Bioladen einkaufen, sondern beim Discounter. Dass es Menschen gibt, bei denen die Sorgen angesichts immer höherer Strom- und Mietpreise die Diskussion über den Verzicht auf Flugreisen von vornherein obsolet machen, das kommt den Demonstranten gar nicht in den Sinn.
Wie auch? In ihrer wohlbehüteten Lebenswelt ist das alles ganz weit weg. Gerade das macht die Bewegung zu einem Risiko, denn sie setzt den sowieso schon fragilen Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel. Für einen großen Teil der Bevölkerung überwiegen jedoch andere, dringlichere Alltagssorgen. Wer angesichts der Ankündigungen der Industrie Angst hat, vom Jobabbau betroffen zu sein, für den ist im Moment die Brandrodung im tropischen Regenwald zweitrangig. Genauso ist das Aussterben exotischer Tierarten für jemanden weit entfernt, der sich jeden Tag den Kopf über seine spätere Rente zerbricht. Das bedeutet nicht, dass Alltagssorgen den Blick auf die Probleme des Klimawandels komplett verstellen dürfen, aber es erklärt, dass der Klimawandel für Menschen mit ganz existentiellen Sorgen nicht die erste Priorität darstellt. Es erklärt auch, warum Forderungen zur Rettung des Klimas sozial ausgewogen sein müssen. Und es erklärt auch, warum sich immer mehr Menschen fragen, wann endlich für ihre Alltagssorgen auf die Straße gegangen werde: für bezahlbare Wohnungen, für gerechte Renten … Themen gibt es viele.
Mein eigener Weg
Ich stamme selbst nicht originär aus dem großstädtischen Milieu, sondern komme aus einer Region, die gerne als „Provinz“ abgetan wird. Zeitschriften wie „Landlust“ und „Landleben“ erfüllen zwar die Sehnsucht der Städter nach der reinen Natur, doch scheint dieser Traum indes nur für jene Menschen zu gelten, die sich bewusst für ein Wochenendhaus im Wald entscheiden. Wer jedoch in der ländlichen Umgebung aufgewachsen ist, scheint davon kaum zu profitieren.
Meine Eltern leben in der Pfalz. Dort bin ich auch aufgewachsen. Mein Herz hängt an der Region, sie ist landschaftlich wunderschön. Ein Weindorf reiht sich an das nächste. Doch für einen großstädtischen Selbstverwirklicher muss es der größte Albtraum sein. Denn wer die Pfalz nicht kennt: Bei uns gibt es Schlachtfeste statt Whiskey-Verkostung. Die wenigsten Wohnungen sind im Landhausstil eingerichtet. In meinem Heimatdorf werden keine Dokumentarfilme über Gentrifizierung gedreht. Vielleicht verliert sich mal ein Kamerateam bei einer Saumagen-Kerwe in eines unserer vielen Dörfer. Doch das ist selten genug.
Verschlafene Dörfer bieten die perfekte Kulisse, um groß zu werden. Eine heile, idyllische Welt. Doch je älter ich wurde, desto stärker zog es auch mich in die Großstadt. Ich hatte Sehnsucht nach einem Ort, der lebendiger war als die Pfalz. Der mir mehr Abenteuer und Chancen auf dem Weg ins Erwachsenwerden bieten konnte. Eben die große, weite Welt, wie ich dachte. Und deren Vorzüge ich genieße. Immer wenn ich heute nach Hause fahre, habe ich das Gefühl, dass zwei Welten aufeinanderprallen, die nicht wirklich viel miteinander zu tun haben.
Kurz nachdem ich meine ersten „Fridays for Future“-Kundgebungen besucht hatte, stattete ich einmal mehr meiner alten Heimat einen Besuch ab – diese werden immer seltener. Als ich meinen Bekannten dort begeistert von meinen Erlebnissen bei den jüngsten „Fridays for Future“-Demonstrationen erzählte, merkte ich schnell, wie wenig es sie interessierte. Aus reiner Freundschaft und Höflichkeit hörten sie mir mit halbem Ohr zu. Das überraschte mich total. Was in meiner Unistadt das am heißesten diskutierte Gesprächsthema der letzten Wochen war, stieß hier unter meinen alten Schulfreunden auf absolute Gleichgültigkeit. Sie interessierten sich mehr für den letzten Bundesligaspieltag oder ihr letztes Tinderdate als für die große Klimarevolution.
Ehrlich gesagt, reagierte ich zunächst enttäuscht und dann zunehmend wütend auf dieses Desinteresse. Während wir jungen Menschen in den Großstädten versuchen, unseren Planeten zu retten, lassen uns die Menschen in meinem Heimatdorf im Stich, dachte ich. Kapieren die denn nicht, dass auch sie nur einen Planeten zur Verfügung haben, genau wie wir von „Fridays for Future“? Zum Glück behielt ich aus Höflichkeit diese Gedanken für mich.
In den Tagen darauf bekam ich immer häufiger verächtliche Kommentare über „Fridays for Future“ zu hören. In den Augen meiner alten Freunde war „Fridays for Future“ eine „Öko-Sekte“, eben die Selbstinszenierung großstädtischer, linker Spinner. Greta Thunberg nannte jemand „gestörte Nervensäge“. Neben Beleidigungen hörte ich auch heraus, dass sie das bevormundende Auftreten vieler „Fridays for Future“-Demonstranten, die Dieselfahrer und Fleischesser zu Menschen zweiter Klasse machten, immer mehr störte. Je häufiger dies vorkam, desto größer wurde der Keil zwischen meinem aktuellen Großstadtleben und meiner Herkunft aus dem pfälzischen Heimatdorf getrieben. Zwischen meiner alten und neuen Welt. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich nur noch froh, als ich zurück in die Großstadt fahren konnte: endlich wieder die heile Welt, wenn diese auch kurz vor dem Untergang stand.
Seit diesem Besuch reagierte ich ziemlich überempfindlich, wann immer meine „Fridays for Future“-Begeisterung nicht zu 100 Prozent geteilt wurde. In meinen Augen gab es auf einmal nur noch Klimahelden auf der einen Seite oder Klimasünder auf der anderen. Das total Gute oder das absolut Böse. Keine Grautöne. Nichts dazwischen! Ich merkte erst später, wie sehr ich damals bereits beeinflusst von der „Fridays for Future“-Bewegung war.
Am Anfang hatte ich nur Vorwürfe für meine alten Bekannten übrig. Ich unterstellte ihnen, sie seien unpolitisch und ohnehin zu uninformiert über die Welt. Ein Ausgrenzungsmechanismus, der bei „Fridays for Future“ sehr verbreitet ist, wie ich später merkte. Schließlich verspottete ich an der Uni meine alten Bekannten sogar als Provinzler, was ich selbst immer gehasst hatte, wenn meine neuen Freunde aus den Metropolen mich damit aufgezogen hatten. Doch es war so viel einfacher, sie schlicht als uninformierte „Provinzler“ abzutun, statt mit ihnen zu diskutieren und sie ernst zu nehmen. Warum meine Freunde aus der alten Heimat „Fridays for Future“ als überheblich oder abgehoben sahen, das fragte ich nicht, das war mir damals egal. Mögliche Selbstzweifel konnten so gar nicht erst aufkommen.
Was ich noch nicht ahnte: In den kommenden Wochen arbeitete es ordentlich in mir! Immer häufiger dachte ich über die Erlebnisse in meiner Heimat nach. Sie ließen mich einfach nicht los. Woher nur kommt die Ablehnung gegenüber „Fridays for Future“, fragte ich mich. Woher die Gleichgültigkeit angesichts der drängenden weltweiten Klimaprobleme? Das gab es doch einfach nicht, dass meine Freunde diese nicht sahen. Dass sie den Ernst der Lage nicht erkannten. Ich suchte nach Antworten, fand aber keine.
Nach diesem Ereignis änderte sich in mir tatsächlich etwas. Doch ich wollte es mir zunächst nicht eingestehen. Aber je häufiger ich bei „Fridays for Future“ mitdemonstrierte, desto fremder wurde mir die Bewegung. Heute weiß ich: Es brauchte den Aufenthalt in meiner alten Heimat, um die Augen geöffnet zu bekommen. Um zu merken, wie wichtig es ist, andere Lebenswelten verstehen zu wollen, bevor man Menschen einfach abstempelt. Eine Erkenntnis, der sich „Fridays for Future“ in seinem ausgrenzenden Größenwahn verschließt. Doch nur wer auf andere Menschen zugeht, sie ernst nimmt, ihren Alltag verstehen möchte, dem wird auch zugehört. Der kann etwas verändern. Im besten Fall, sogar unseren Planeten retten!
Während „Fridays for Future“ in meinem Heimatdorf keinen Stich machen konnten, waren die Medien umso interessierter. Im Fernsehen kamen immer häufiger Interviews mit Aktivisten. Die Talkshows konnten gar nicht genug von ihnen bekommen. „Markus Lanz“, „Anne Will“ oder „Hart aber Fair“: Alle hatten mindestens einmal eine „FfF“-Aktivistin zu Besuch. Je häufiger ich sie sah, desto mehr störte mich ihr arrogantes Auftreten. Menschen, die ich vor wenigen Monaten noch als inspirierende Persönlichkeiten sah, schaltete ich auf einmal weg. Andauernd hoben sie mahnend den Zeigefinger. Blickten aus dem Elfenbeinturm auf alle Menschen, die anderer Meinung waren, herab.
Bessergestellte Zeigefinger
Dieser Zeigefinger wurde langsam, aber sicher das Wiedererkennungsmerkmal der Bewegung. Ihre Feindbilder waren glasklar. Ihr Weltbild gefährlich eindimensional. Meine Großstadtfreunde bekämpften plötzlich alle, die in ihren Augen eine Mitschuld am Elend der Welt trugen: die Fleischesser, die Plastiktütenträger, die Dieselfahrer, die Kurzstreckenflieger, die Langstreckenflieger, die Kreuzschifffahrtstouristen, die Landwirte und natürlich die bösen SUV-Fahrer. Aber ganz ehrlich: Gehören wir nicht alle immer mal wieder zu einer dieser Gruppen? Als sie auf einmal begannen, jeden Menschen zu verfluchen, der aus Versehen ein Klima-Sündchen beging, und sei es auch nur, den Müll falsch zu trennen, hatte ich das Gefühl, sie befänden sich im ultimativen Kampf gegen den Rest der Menschheit. Elitäre Selbstüberschätzung, wohin ich blickte. In ihrer moralischen Überheblichkeit war (und ist) ihnen gar nicht bewusst, wie viele „normale“ Menschen sie damit vor den Kopf stoßen.
Meine Einschätzung, bei „Fridays for Future“ handle es sich vor allem um eine Bewegung des sozial privilegierten Nachwuchses, ist inzwischen längst mit entsprechenden Zahlen belegt. Das Berliner „Institut für Protest- und Bewegungsforschung“ ging der sozialen Zusammensetzung der Klimabewegung auf den Grund. Dabei befragten sie am 15.März 2019 „Fridays for Future“-Demonstrierende bei Kundgebungen in Berlin und Bremen. Finanziert wurde die Studie von der Bündnis90/Die Grünen-nahen „Heinrich Böll Stiftung“.
Die Studie spricht Bände: Demnach gaben über 90 Prozent der Befragten an, mindestens das Abitur (beziehungsweise die Fachholschulreife) gemacht zu haben oder dies gerade anzustreben. Eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent! Eine Hauptschule besuchte nicht einmal 1 Prozent der Demonstranten. Knapp zwei Drittel der Schüler rechneten sich selbst der oberen Mittelschicht zu. Auch zuvor hatte ich schon keinen Zweifel daran, dass „Fridays for Future“ eine Bewegung der Bessergestellten ist. Aber was ich in dieser Studie zu lesen bekam, übertraf meine Vermutungen noch. „Fridays for Future“ verkörpert damit nicht einmal ansatzweise den Querschnitt der Gesellschaft, wie so oft behauptet wurde.
Mich wunderte, wie wenig das ernüchternde Ergebnis der Studie dann jedoch diskutiert wurde. Dabei musste die Gesellschaft doch aufgeklärt werden über den privilegierten Background und die daraus folgende Abgehobenheit der jungen Protestler. Verändert dies nicht den gesamten Blickwinkel auf die bestimmende gesellschaftliche Debatte der letzten Monate?
Spaltung der Gesellschaft
Mich treiben darüber hinaus auch noch andere Sorgen um. In unserer Zeit wächst nämlich der Verdruss über die Eliten. Das „Wutbürgerphänomen“ ist zu einem der meist diskutierten Themen dieses Jahrzehnts geworden. Intellektuelle weltweit machen sich Gedanken über die Ursache dieser besorgniserregenden Entwicklung. Unsere Gesellschaft erlebt zurzeit einen „Riss“ zwischen zwei großen Bevölkerungsgruppen. Die Politik- beziehungsweise Sozialwissenschaftler Wolfgang Merkel, Ruud Koopmans und Michael Zürn unterscheiden in einem von ihnen herausgegeben Sammelband zwischen „Kosmopoliten und Kommunitaristen“. Es gibt jene, die von der Zukunft profitieren und ihr deswegen gelassen gegenüberstehen. Sie sehen in ihr vor allem die Chancen und betrachten die „Öffnung“ unserer Welt mit Optimismus. Diese Gruppe wird als Kosmopoliten bezeichnet. Doch viele Menschen haben auch Angst vor Veränderungen. Sie glauben, die Zukunft wird nichts Gutes und gegebenfalls nur den stets möglichen gesellschaftlichen Abstieg für sie bereithalten. Angesichts der Öffnung der Welt sehen die Kommunitaristen insbesondere die Gefahren. Sie haben oftmals das Gefühl von den Eliten der Gesellschaft nicht wirklich wahrgenommen zu werden.
Die bekannte Unterscheidung in „Anywheres“ und „Somewheres“ des britischen Journalisten und Autors David Goodhart stützt diesen Befund. Goodhart unterscheidet „Anywheres“, die gebildet und wohlhabend sind und sich auf der ganzen Welt in ihren Kreisen wohlfühlen werden, sowie „Somewheres“. Sie sind ganz anderen sozialen Milieus zugehörig und an einen bestimmten Ort verwiesen, an dem sie arbeiten, leben, ihre Freunde haben und mühsam ihren Status behaupten müssen.
Den allermeisten „Fridays for Future“-Aktivisten gehört die Zukunft. Viele haben die klassische Biographie eines Kosmopoliten. Ihnen wurde durch ihre soziale Herkunft alles in die Wiege gelegt, um zum Profiteur unseres Systems zu werden. Einfach alles stimmt: das Auftreten, das soziale Umfeld und natürlich die Bildung. Obwohl sie den Weltuntergang als permanente Drohung vor sich hertragen, bereitet ihnen ihre Zukunft keine Angst. Warum denn auch? Für sie stehen die Türen der Zukunft sehr weit offen. Sie werden ihr Praktikum in Brüssel und nicht in Bottrop machen. Sie beherrschen die komplizierten Regeln unserer individualisierten Wissensgesellschaft ganz genau. Lieber EU-Kommission als Einzelhandel. Der wird zukünftig eh keine Chance mehr haben. Und außerdem: Connections regeln! Ihr englischer Wortschatz ist meist größer als der deutsche. Perfekt vorbereitet also auf die Zukunft, komme was wolle. Denn sie sind die Elite von morgen. Das Gefährliche: All das ist den Demonstranten meist gar nicht bewusst.
Die gutgebildeten „Fridays for Future“-Demonstranten sehen sich selbst lieber als unverstandene Außenseiter der Gesellschaft. Außenseiter sein, erst das macht das Rebellentum sexy. Dabei denke ich mir: Was muss ein sozial Abgehängter denken, wenn sich auf einmal wohlhabende Kosmopoliten in der Rolle des Außenseiters gefallen! Und sie gefallen sich nicht nur in ihr. Nein, sie inszenieren sie regelrecht. Die klassische Rollenzuteilung zwischen „Täter“ und „Opfer“ wird dadurch gleichsam in fahrlässiger Art und Weise auf den Kopf gestellt: Nicht länger die alleinerziehende Mutter und Multijobberin wird als Opfer der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse gesehen, sondern der klimabewusste Stipendiat und Einser-Abiturient, der erleben muss, wie Billigfleisch-Konsum unsere Umwelt gefährdet.
Doch damit noch nicht genug: Statt den Sorgen hart arbeitender Menschen Gehör zu schenken, wird diesen auch noch ihr umweltfeindliches Dieselauto, das sie für die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz benötigen, zum Vorwurf gemacht. Statt Gerechtigkeitsfragen bei „Fridays for Future“ mitzubedenken, reduzierte sich die Bewegung von Anfang an rein auf Fragen des Lebensstils. Auch in meinem Freundeskreis ist Artensterben einfach cooler als Altersarmut. Ist das Thema Gender hipper als Grundrente.
Vor allem Privilegierte kennen den sozialen Kodex des neuen „moralisch guten“ Lebens. Der neue grün-bürgerliche Habitus regelt das Freund-Feindschema der Klimadebatte. Ein Ausgrenzungsmechanismus, der ohnehin schon schlechter gestellte Menschen oft noch weiter ins Abseits befördert. Ein guter Mensch ist längst, wer ein ökologisch einwandfreies Führungszeugnis vorzeigen kann. Das existenzielle Gefühl vieler, einfach nur irgendwie über die Runden kommen zu müssen, kommt in der Lebenswelt des (groß-)bürgerlichen Nachwuchses nicht vor.
In der Klimadiskussion der letzten Jahre treffen Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Welten, die sich immer weiter auseinanderbewegen. Nicht nur, aber gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise.
Auszug aus dem soeben erschienenen Buch* „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“ von Wolfgang Bittner, gefolgt von einer Rezension von Willy Wimmer.
Zitat: Unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Covid-19-Erkrankungen haben die deutsche Bundeskanzlerin und Gesundheitsminister Jens Spahn autokratisch quasi den Notstand ausgerufen, und zwar ohne eine genaue Kenntnis über das Virus und ohne eine gewissenhafte Prüfung der Folgen für die Gesellschaft.
Die ohne Einschaltung des Parlaments getroffenen Maßnahmen waren auch nicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft worden. Es herrschte zeitweise ein Ausnahmezustand – mit Lockdowns, Sperrstunden, Ausgeh- und Versammlungsverboten –, als befände sich Deutschland im Krieg. Dazu wurden in aller Hast Rettungsprogramme für die Wirtschaft beschlossen, mit denen der Staat riesige Schuldenberge auftürmte.
In diese Zeit fiel eine „Warnung der Kardinäle“.(1) Vier hohe Würdenträger der Katholischen Kirche(2) veröffentlichten Anfang Mai 2020 eine scharfe Kritik an den Corona-Maßnahmen, die jedoch dem großen Verschweigen anheimfiel. Sie warnten: „Es gibt Mächte, die Corona für den Griff nach der Weltherrschaft missbrauchen wollen.“ Es habe sich gezeigt, so die Kardinäle, „dass unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie in vielen Fällen unveräußerliche Rechte der Bürger verletzt und ihre Grundfreiheiten unverhältnismäßig und ungerechtfertigt eingeschränkt werden, einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, der freien Meinungsäußerung und der Bewegungsfreiheit.“
Die Kardinäle vertraten die Auffassung, die öffentliche Gesundheit dürfe „kein Alibi sein, um die Rechte von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu verletzen, geschweige denn um die Zivilbehörden von ihrer Pflicht zu entbinden, mit Weisheit für das Gemeinwohl zu handeln.“ Viele maßgebliche Stimmen aus Wissenschaft und Medizin „bestätigten, daß der Alarmismus wegen Covid-19 durch die Medien in keinster Weise gerechtfertigt zu sein scheint“.
Spektakulär ist, was die kirchlichen Würdenträger – wenn auch vorsichtig formuliert – über eine globale Entdemokratisierung sagten:
„Wir haben Grund zu der Annahme – und das auf der Grundlage offizieller Daten zur Epidemie in Bezug auf die Anzahl der Todesfälle –, daß es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung aufzwingen, die Menschen kontrollieren und ihre Bewegungen überwachen. Diese illiberalen Maßnahmen sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“
Die Kardinäle vermuten, „daß in einigen Situationen die Eindämmungsmaßnahmen, einschließlich der Schließung von Geschäften und Betrieben, die zu einer Krise geführt haben, die ganze Wirtschaftssektoren zum Erliegen gebracht haben, ergriffen wurden, um eine Einmischung von fremden Mächten zu begünstigen, mit schwerwiegenden sozialen und politischen Auswirkungen.“ Diese Formen des „Social Engineering“ müssten „von denen, die Regierungsverantwortung tragen, gestoppt werden, indem Maßnahmen zum Schutz der Bürger ergriffen werden, deren Vertreter sie sind und in deren Interessen sie zu handeln haben, wie es ihre ernste Pflicht ist.“
Des Weiteren fordern die Kardinäle die wissenschaftliche Gemeinschaft auf, die medizinische Behandlung von Covid-19 „in aufrichtiger Sorge um das Gemeinwohl“ zu fördern, damit „sorgfältigst vermieden wird, daß zweifelhafte Geschäftsinteressen die Entscheidungen der Regierungen und internationalen Behörden beeinflussen“. Die Regierenden werden aufgefordert, dafür zu sorgen, „daß Formen der Kontrolle über Menschen … auf das Strengste vermieden werden“. Der Kampf gegen die Krankheit, „so ernst er auch sein mag“, dürfe nicht „als Vorwand undurchsichtiger Absichten übernationaler Organisationen und Gruppen dienen, die mit diesem Projekt sehr starke politische und wirtschaftliche Interessen verfolgen“. Auch müsse den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, „Einschränkungen der persönlichen Freiheiten abzulehnen und straffrei sich einer drohenden Impfpflicht zu entziehen und Tracingsysteme oder ähnliche Instrumente nicht zu benutzen“.
Beunruhigend sei, so die Kardinäle, wenn politische Entscheidungen von „Rettern der Menschheit“ getroffen würden, die über keine Legitimation verfügen. Die Medien werden aufgefordert, „sich aktiv zu einer genauen Informationsweitergabe zu verpflichten und Dissens zuzulassen“, anstatt Zensur auszuüben. Korrekte Informationsweitergabe bedeute, „daß auch anderen, von der vorherrschenden Meinung abweichenden Stimmen Raum gegeben wird“ und die Bürger Fakten selber bewusst bewerten können. Eine demokratische ehrliche Debatte sei „das beste Gegenmittel gegen die Gefahr subtiler Formen der Diktatur, vermutlich noch schlimmere als jene, die unsere Gesellschaft in der jüngeren Vergangenheit entstehen und vergehen sah“.
Dass die Aufforderung an die Medien, korrekt zu berichten, ihre volle Berechtigung hatte, bewies sich in den Reaktionen auf den Aufruf. Wenn überhaupt darüber berichtet wurde, dann nur kurz und abwertend. In der ARD-Tagesschau vom 9. Mai 2020 wurden die Kardinäle regierungskonform als Verschwörungstheoretiker herabgewürdigt: „Mehrere katholische Bischöfe kritisieren die Corona-Maßnahmen und greifen dabei auf weitverbreitete Verschwörungstheorien zurück. Sie sehen den ‚Auftakt einer Weltregierung‘.“(3)
Auch aus Kreisen der „Amtskirche“ kam scharfe Kritik. „Krude Verschwörungstheorien ohne Fakten und Belege“, hieß es, jeder, der den Aufruf unterzeichnet habe, entblöße sich selbst.(4) Die Deutsche Bischofskonferenz rügte ihre Würdenträger ebenfalls. Dennoch unterzeichneten im Nachhinein noch zwölf Kardinäle, Bischöfe und Weihbischöfe sowie bekannte Journalisten, Ärzte, Juristen und Organisationen den Aufruf. Allerdings zog Kardinal Robert Sarah, ranghöchster Afrikaner der Weltkirche und amtierender Präfekt der Gottesdienst-Kongregation im Vatikan, seine Unterschrift bereits nach wenigen Stunden zurück.(5) Bis zum Herbst 2020 erhielt der Aufruf etwa 60 000 Unterschriften.
Wie immer man die Warnung der Kardinäle wertet: Allem Anschein nach kam die Corona-Krise den global agierenden Finanz- und Wirtschaftseliten sehr gelegen – soweit sie nicht überhaupt inszeniert worden ist –, um das bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftssystem grundlegend umzugestalten. Experten wie der Finanzanalyst und Bestsellerautor Ernst Wolff sprechen von einer digitalen Diktatur, in der „die Entfaltung des Einzelnen von Algorithmen festgelegt, das soziale Zusammenleben überwacht und gesteuert und demokratische Freiheiten nur so weit erlaubt sein werden, wie sie dem Datentransfer von Hochfrequenzrechnern nicht im Wege stehen“.(6) Wenn zum Beispiel Melinda Gates damit renommiert, dass sie jederzeit mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder mit der Präsidentin der EU-Ratskommission Ursula von der Leyen sprechen könne, zeugt das von gefährlicher, absolut inakzeptabler Einflussnahme auf die politische Entscheidungsfindung.(7)
Immer wieder war in den letzten Jahren von einem weltweiten „Great Reset“ die Rede, dem eine neue Gesellschaftsordnung folge.(8) In einer Veröffentlichung des Weltwirtschaftsforums (WEF)(9) vom 3. Juni 2020 wurde angekündigt: „‚The Great Reset‘, oder auf Deutsch ‚Der Grosse Neustart‘, wird das Thema eines einzigartigen Zwillingsgipfels im Januar 2021 sein, der vom Weltwirtschaftsforum einberufen wird. Das 51. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums wird weltweit führende Persönlichkeiten aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie Stakeholder aus der ganzen Welt in einer einzigartigen Konfiguration zusammenbringen …“(10)Weiter hieß es, der Gipfel – der wegen der Corona-Krise virtuell stattfand – solle dazu dienen, „alle Stakeholder der globalen Gesellschaft in eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen, Zielen und Handlungen zu integrieren“. Ein Great Reset sei „notwendig, um einen neuen Gesellschaftsvertrag aufzubauen“. Es geht also um eine neue Weltordnung. Und das Weltwirtschaftsforum ist nur eines von mehreren elitären Zirkeln mit immensem Einfluss ...
Aufschlussreich ist ein Blick auf die Selbstdarstellung des WEF: „Im Sinne des ‚Spirit of Davos‘ soll das Open Forum den Dialog zwischen Entscheidungsträgern aus unterschiedlichen Sparten und Lebenslagen fördern, um Lösungen zu den dringlichsten globalen Herausforderungen unserer Zeit zu suchen.“(11) „Strategische Partner“ sind etwa einhundert Unternehmen von globaler Bedeutung, die den harten Kern bilden und über Programme und Ziele befinden. Um nur einige zu nennen: Allianz, Bank of America, BlackRock, BP, Credit Suisse, Deutsche Bank, Deutsche Post DHL, Facebook, die Gates Foundation, Goldman Sachs, Google, der Pharmakonzern Johnson & Johnson, Mastercard, Mitsubishi Corporation, Paypal, SAP, Saudi Aramco, Siemens oder auch der Medienkonzern Thomson Reuters.(12)
Der Publizist Paul Schreyer schreibt: „Man könnte das WEF als eine Art modernes ‚Politbüro des Kapitalismus‘ bezeichnen, wo große Linien für das weitere internationale Vorgehen überlegt und dann gemeinsam umgesetzt werden. Der rote Faden sind die Bemühungen zur globalen Verzahnung von Regierungs- und Konzerninteressen, freundlich bezeichnet als ‚öffentlich-private Zusammenarbeit‘ (‚Public-Private Cooperation‘).“(13)
Der Gründer und Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, und sein Co-Autor, der Wirtschaftswissenschaftler Thierry Malleret, präsentieren in dem 2020 erschienenen Bestseller „Covid-19: Der große Umbruch“ ihre Vorstellungen einer nahen Zukunft. Sie prognostizieren, dass ein radikaler Umbruch eine „neue Realität“ herbeiführen wird und
„die Welt, wie wir sie in den ersten Monaten des Jahres 2020 kannten, nicht mehr ist“.
Es werde eine „neue Normalität“ geben, so die Autoren. „Vieleunserer Überzeugungen und Annahmen darüber, wie die Welt aussehen könnte oder sollte, werden in diesem Prozess zerschlagen werden.“ Schwab und Malleret verbinden die Corona-Pandemie und die panische Angst vor dem Virus mit den nach ihren Intentionen bevorstehenden grundlegenden globalen Veränderungen. So weit ist also nichts geheim, man kann alles erfahren und sogar nachlesen.
Die bekannte US-amerikanische Journalistin Diana Johnstone schreibt dazu in ihrem Essay „The Great Pretext“: „Dies ist die Stimme der Möchtegern-Global Governance. Von oben entscheiden Experten, was die Massen wollen sollen, und verdrehen die angeblichen Wünsche des Volkes, damit sie in die Profitschemata passen, mit denen sie hausieren gehen. Ihre Schemata konzentrieren sich auf digitale Innovation, massive Automatisierung durch ‘künstliche Intelligenz‘ und schließlich sogar auf die ‘Verbesserung‘ des Menschen, indem sie ihn künstlich mit einigen Eigenschaften von Robotern ausstatten: z. B. Problemlösung ohne ethische Ablenkungen.“(14) Johnstone warnt vor dem Weltwirtschaftsforum als einer „Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby“, die eine „vierte Industrielle Revolution“ vorbereiten soll.
Der Schriftsteller und PublizistDr. jur. Wolfgang Bittnerlebt in Göttingen. 2019 sind von ihm der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ sowie das Sachbuch „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“ erschienen.
Quellen und Anmerkungen
* „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“, Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen, März 2021.
Deutschland – verraten und verkauft - Hintergründe und Analysen
Kurzbeschreibung von der Buchrückseite:
Auf den ersten Blick mag es provokant klingen, doch wird es von Wolfgang Bittner mit Fakten so schlüssig wie erstaunlich belegt: Deutschland war und ist verraten und verkauft. Diese zentrale Erkenntnis vermittelt er im Buch, indem er sich der Thematik gleichsam in konzentrischen Kreisen nähert – stets darauf bedacht, seine Aussagen mit Zitaten von Experten zu stützen. Der Leser erhält so einen umfassenden Überblick über die Hintergründe der derzeitigen weltpolitischen Situation, auch Deutschlands Perspektive in Nach-Corona-Zeiten bleibt nicht unbeachtet.
Zunächst erläutert der Autor die überragende geopolitische Bedeutung Eurasiens und wendet sich dann dem von den USA angeführten fatalen Aggressionsbündnis gegen Russland und China zu. Umfassend geht er auf die Missachtung deutscher Interessen durch die US-amerikanische sowie auch die offizielle deutsche Politik ein und verweist warnend auf das Gewaltmonopol der Vereinigten Staaten und deren unipolaren Machtanspruch. Weitere Stichworte sind Versailles, Weimarer Republik und Hitlers Aufstieg, das Versagen der Medien, aber auch die Corona-Krise in Verbindung mit dem sogenannten Great Reset.
Das vorliegende Werk bietet mit seinen zahlreichen Zitaten und Hinweisen einen unschätzbaren Fundus an politischem, kulturwissenschaftlichem und historischem Wissen.
Klappentext:
Die USA maßen sich an, Einfluss auf alles zu nehmen, was in der Welt geschieht. Als höchstgerüstete Militärmacht setzen sie ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen rücksichtslos mittels völkerrechtswidriger Interventionen, Sanktionen und Kriegen durch. Deutschland, seit 1945 Frontstaat und Brückenkopf der USA, folgt weitgehend den Vorgaben aus Washington und macht sich mitschuldig. Politik und Gesellschaft, Organisationen und Medien, sogar Regierung und Parlament sind durchsetzt mit korrumpierten oder ideologisch befangenen Einflusspersonen, die nicht das Wohl der breiten Bevölkerung im Blick haben. Im Hintergrund agiert eine kleine Gruppe egomanischer Multimilliardäre, die sich als Weltelite versteht. Sie wirkt auf die Politik der westlichen Welt ein und verfügt über die dafür notwendigen Mittel und Hilfskräfte. Insofern ist es an der Zeit für eine fundamentale Umorientierung, wozu es zuvorderst umfassender Aufklärung bedarf.
Erschienen im Verlag zeitgeist am 19.3.2021, Broschur, 320 S. mit 33 Abbildungen, 19,90 €
Rezension von Willy Wimmer
Ein Überblick über die weltpolitische Situation und die Position Deutschlands
Wie schon in seinen Büchern „Die Eroberung Europas durch die USA“ (2014) und „Der neue West-Ost-Konflikt“ (2019), gelingt es Herrn Dr. Wolfgang Bittner, mit seinem neuen Buch Licht in die von Politik und Medien systematisch verdunkelten Hintergründe der aggressiven Sanktions- und Kriegspolitik der von den USA angeführten westlichen Allianz zu bringen. Auch in seinem 2019 erschienenen Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“, der den Zeitraum vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1950er Jahre abbildet, ging der Autor auf die verheerenden Einflüsse der angelsächsischen Imperialmächte auf das Geschehen in Mittel- und Osteuropa ein. Rückwirkend erzählt er darin auf berührende Weise von dem Erleben einer bürgerlichen Familie aus Oberschlesien, dem damals zweitgrößten deutschen Industriegebiet, und von dem Verlust von Heimat Millionen Deutscher.
Es ist die Welt, die Herrn Dr. Wolfgang Bittner, am Herzen liegt. Da ist es kein Wunder, wenn der Autor sich mit einem bewusst provokanten Titel seines neuen Buches an eine deutsche Öffentlichkeit wendet, die eine ambivalente Haltung zum eigenen Land hat. Die einen erkennen Deutschland, das Land in dem sie entweder in der Bonner Republik oder der DDR groß geworden sind, nicht mehr wieder. Die anderen wollen ein anderes Land. Sie sind offenbar bereit, die Inschrift am Reichstag, der dieses Gebäude "dem deutschen Volke" widmet, in den kommenden Jahren wegzumeißeln.
Der Zugang, den die Leserin und der Leser von "Deutschland – verraten und verkauft" zum Buch finden kann, erfolgt fast zwangsläufig über die jüngsten Veröffentlichungen von Herrn Dr. Bittner. Er blickt auf unseren gemeinsamen Kontinent Europa, und berichtet eigentlich voller Entsetzen darüber, wie eine ortsfremde Supermacht sich unseren Kontinent gefügig macht. Und dies in einer Art und Weise, dass die sehr eigene Kenntlichkeit Europas nicht nur völlig abhandenkommt. Europa ist dabei, dem Weltherrschaftsanspruch der Vereinigten Staaten anheim zu fallen.
Über die Folgen lässt Herr Dr. Wolfgang Bittner keinen Zweifel. Er hat einen nicht nur geschärften Blick dafür, der chirurgisch präzise ist. Dies hat er in seinem Roman über das verlorene Schlesien deutlich gemacht. Wer sich über die Folgen einer Politik des Verhängnisses im Klaren sein will, der muss geradezu "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen" lesen. Dieses Buch ist nicht nur das manifeste Denkmal für die deutsche Heimat des Autors. Er verschafft damit Schlesien einen Platz in der Erinnerung des deutschen Volkes, wenn es sich denn erinnern will.
Herr Dr. Bittner zeigt in "Deutschland – verraten und verkauft" Konsequenzen auf. Konsequenzen, die er zu Schlesien, Flucht, Vertreibung und Nicht-Willkommen sein einfühlsam beschrieben hat. Wer das nicht vor Augen hat, wenn sie oder er sich mit der heutigen Lage beschäftigt, wird wieder auf Elendszüge durch Europa stoßen.
Es ist ein sehr verdienstvolles Unterfangen des Autors, die jüngste Entwicklung in den Vereinigten Staaten mit der Wahl des Präsidenten Joe Biden und die Corona-Pandemie unter sein eigenes Brennglas für Entwicklungen gelegt zu haben. In den letzten vier Jahren gab es für Europa geradezu eine Zeit, in der Krieg in Europa abwesend zu sein schienen, obwohl die andere Seite des Imperiums weiter ihre Strippen zog, wie gegen Russland gerichtete Großmanöver deutlich gemacht haben. Herr Dr. Bittner weist darauf hin, dass diese Zeit, ungenutzt durch europäische Regierungen mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden und seiner trainierten Mannschaft vorbei ist. Es ist seine Mahnung, wenn in Berlin und Brüssel eine Politik gestaltet wird, die nicht die Interessen des deutschen Volkes und seiner Nachbarn im Auge hat.
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Kommentare
cruiser am 25.03.2021 um 13:38 Uhr
Auch wenn wir das alles Lesen und Wissen, aber solange wir nur auf dem Sofa , am Fernseher oder PC sitzen bleiben , wird sich nichts, aber auch gar nichts ändern !
ironalex am 25.03.2021 um 14:28 Uhr
»Die Schockstrategie«, Naomi Klein, erschienen im Hoffmann und Campe Verlag.
Seit Milton Friedman und seinen Chicago-Boys wird das praktiziert, was wir derzeit wieder mal erleben dürfen, Shock and Awe!
Herrn Bittners Bücher habe ich schätzen gelernt. @cruiser: Chapeau! Aber wir sind immer noch zu wenige :–(.
bluestar am 25.03.2021 um 16:14 Uhr
@cruiser Genauso ist es!! Aber WIR sind vielleicht 10% der Bevölkerung und von denen wiederum getraut sich die Hälfte nicht aufzustehen und die andere Hälfte ist zersplittert. Der Glaube und das vertrauen der Massen an das System der Blockparteien scheint unerschütterlich, wie die Wahlen in BW und RPF belegt haben.
juergenlb am 25.03.2021 um 16:35 Uhr
@cruiser: Das stimmt! Und dennoch sei hinzugefügt, dass immer mehr "Stimmen" - Menschen - laut werden und damit die Hintergründe, die viele, viele noch garnicht fassen, geschweige denn glauben wollen, ans Tageslicht bringen! Ich bin nach wie vor frohen Mutes, dass es zu einer besseren Welt kommen wird, in der wir Menschen wieder als Menschen leben können und nicht als Produktionsfaktor oder sogar "Personal" ;-) !!! Liebe Grüße und recht herzlichen Dank für einen weiteren offenen Beitrag!!! JLB
„Desinformation und Propaganda mit falscher Flagge zerstören das unbestechliche Gut der Glaubwürdigkeit von Politik“
nachdenkseiten.de, 24. März 2021 um 8:54
Ein Artikel von: Redaktion
Zitat: Der OVCW-Bericht (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) zum angeblichen Giftgasangriff in Duma steht unter scharfer Kritik. Jüngst haben sich 27 ehemalige Diplomaten, hochrangige Militärs, Schriftsteller und Journalisten mit einer „Erklärung der Besorgnis“ an die Öffentlichkeit gewandt. Ihre Sorge: Die OVCW hat sich offenbar einspannen lassen, um die militärischen Interessen des Westens in Syrien durchzudrücken. Karin Leukefeld sprach für die NachDenkSeiten mit dem ehemaligen hochrangigen UN-Diplomaten Hans von Sponeck, der zu den Unterzeichnern dieser Erklärung gehört.
„Wir möchten unsere tiefe Besorgnis über die anhaltende Kontroverse und die politischen Auswirkungen zum Ausdruck bringen, die es um die OVCW und ihre Untersuchung über den angeblichen Angriff mit chemischen Waffen in Duma, Syrien, am 7. April 2018 gibt.“
Mit diesen Worten beginnt die „Erklärung der Besorgnis“, die am 12. März 2021 international bekannt wurde. Seit Veröffentlichung des Abschlussberichts im März 2019 habe es„zahlreiche, beunruhigende Entwicklungen“ gegeben, die „ernste und erhebliche Besorgnis hinsichtlich der Ausführung dieser Untersuchung hervorgebracht“ und „schwerwiegende geo-politische und Sicherheitsfolgen“ bewirkt habe.
27 ehemalige UN-Diplomaten, Politiker, langjährige OVCW-Inspektoren, chemische Waffenexperten, hochrangige Militärs, Schriftsteller und Journalisten unterzeichneten die Erklärung und forderten den OVCW-Generaldirektor auf, dass „ein transparentes und neutrales Forum zur Verfügung gestellt wird, in dem die Bedenken aller Ermittler gehört werden können und zusätzlich sicherzustellen, dass eine vollkommen objektive und wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt wird.“ Nur so könnten „Glaubwürdigkeit und Integrität der OVCW wieder hergestellt werden“.
Während in den USA darüber in der Tucker Carlson Show bei Fox News bereits berichtet wurde und in England die Daily Mail on Sunday der Erklärung eine Seite widmete, haben bisher in Deutschland die großen Tages-und Wochenzeitungen ebenso wie Funk und Fernsehen geschwiegen.
Einer der Unterzeichner ist Hans von Sponeck. Der langjährige UN-Diplomat sprach mit Karin Leukefeld darüber, warum er die „Erklärung der Besorgnis“ unterzeichnet hat.
Zur Person: Hans von Sponeck hat von 1968 – 2000 für die Vereinten Nationen gearbeitet. 1998 bis 2000 war er als UN-Koordinator und beigeordneter UN-Generalsekretär verantwortlich für das Programm „Öl für Nahrungsmittel“ im Irak. Aus Protest über die verheerenden Auswirkungen des Programms auf die irakische Bevölkerung trat er von seinem Amt im Februar 2000 zurück. Seine Erfahrungen über „Das Sanktionsregime der UNO im Irak“ fasste er in dem Buch „Ein anderer Krieg“ (deutsche Ausgabe 2005 im Verlag Hamburger Edition) zusammen. Seit 2006 ist von Sponeck Lehrbeauftragter am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg.
Herr von Sponeck, Sie sind ein erfahrener UN-Diplomat und kennen den Mittleren Osten, besonders den Irak, aus eigener Erfahrung. Ist der Krieg in Syrien vergleichbar mit dem früheren Geschehen im Irak?
Keine kriegerische Auseinandersetzung im Mittleren Osten ist so komplex wie der andauernde Konflikt, der Krieg in Syrien, der nun schon zehn Jahre dauert. Der interne Aufstand von 2011 wurde schnell zu einer breiten Konfrontation von Gruppen, die wenig mit dem inner-syrischen Konflikt zu tun hatten, aber viel mit nationalen Interessen der Nachbarländer und der von Großmächten, die ihre eigenen geopolitischen Ziele verfolgten.
Im Laufe der Jahre ist es für Beobachter immer schwerer geworden zu erkennen, wer von den internen und externen Parteien für einzelne Angriffe verantwortlich war. Gleichzeitig nahmen die Zerstörung des Landes und die Verschärfung des Leidens der Menschen unaufhaltsam zu.
Sie haben sich mit einer „Erklärung der Besorgnis“ an die Organisation für das Verbot von chemischen Waffen“, die OVCW, gewandt. Warum sind Sie besorgt?
Heute ist der Öffentlichkeit bekannt, dass alle Kontrahenten in Syrien – die syrische Regierung, die internen Oppositionsgruppen, selbst ernannte Herrscher und andere Staaten – das Kriegs- und das humanitäre Völkerrecht auf brutalste Weise und wiederholt gebrochen haben. Die 1997 gegründete Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) hat – ganz allgemein – ja den Auftrag, dieses Verbot umzusetzen und für die Vernichtung von chemischen Waffen zu sorgen. In Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen soll die OVCW alles tun, um ein völkerrechtswidriges Vorgehen und den Einsatz von chemischen Waffen zu verhindern. So jedenfalls ist es in der Chemiewaffen-Konvention vorgesehen, die von den OVCW-Mitglieds- oder -Vertragsstaaten unterzeichnet wurde. Der Auftrag der OVCW in Syrien war genau das, untersuchen und feststellen, ob chemische Waffen eingesetzt wurden.
In der „Erklärung der Besorgnis“ geht es ja konkret um den Fall Duma, wo es im April 2018 angeblich einen Chemiewaffenangriff gab.
Fünfzig syrische Bürger sollen dabei getötet worden sein, und zwar, so der OVCW Abschlussbericht zu Duma, angeblich durch einen Angriff mit chemischen Waffen. Inzwischen ist allerdings die Zahl von Dokumenten, wissenschaftlichen Gutachten und Aussagen von OVCW-Mitarbeitern gestiegen, die bezeugen, dass über das Geschehen damals in Duma ein falsches Bild verbreitet worden ist. Das alles deutet darauf hin, dass ein bestimmtes politisches und militärisches Vorgehen legitimiert werden sollte. Darum haben wir die „Erklärung der Besorgnis“ veröffentlicht.
Das ist ein schwerer Vorwurf.
Es geht hier nicht um Spekulation oder Annahmen, sondern um Fakten, die bezeugen, dass das OVCW-Management in Absprache mit verschiedenen Regierungen ein falsches Bild für das Geschehen in Duma aufgebaut hat. Dabei wurde die Verpflichtung der OVCW vergessen, dass sie sich „zu allen Zeiten professionell und mit Integrität zu verhalten habe“. So steht es in den selbstgesetzten OVCW-Werten.
Einer Ihrer Mitunterzeichner, der britische Lord West, wurde von der Regierung in London beschuldigt, sich an „Desinformation und Propaganda“ zu beteiligen. Das sind schwere Geschütze, um Ihre Glaubwürdigkeit zu zerstören.
Lord West ist Mitglied des Britischen Oberhauses, er ist ein Admiral a.D. und war zeitweise in Großbritannien Minister für Sicherheit. Als Mitunterzeichner der „Erklärung der Besorgnis“ äußerte er, auch gegenüber der britischen Regierung, erhebliche Zweifel an der Behauptung, dass chemische Waffen in Duma benutzt worden seien. Seine Forderung nach einer Untersuchung hat zu harten Vorwürfen gegen ihn geführt. Dahinter steht wohl die Furcht, dass es zu einer Strafverfolgung wegen der Manipulationen kommen könnte.
Die Hinweise auf falsches Verhalten innerhalb des OVCW-Managements sind ernst und werden durch Tatsachen gestützt. Das können die britische oder auch andere Regierungen nicht einfach als „ideologisch gefärbt“ oder etwa als „einfältig und naiv“ abtun. So sollte man jedenfalls meinen. Aber sie tun es und die Politik folgt.
Nun, diese Regierungen werden von Interessensgruppen geleitet, die an den Manipulationen beteiligt waren und sie vehement verteidigen. Sie weigern sich, die Tatsachen zu akzeptieren, und treiben die gefährliche Konfrontation immer weiter. Das schadet der syrischen Bevölkerung und verhindert ein friedliches Ende des langen Krieges. Es geht diesen Gruppen nicht um internationales Recht oder Schutz der Integrität multilateraler Einrichtungen.
Den Unterzeichnern der ‚Erklärung der Besorgnis‘ geht es aber um die Wahrheit. Es ist lächerlich zu meinen, dass sie irgendetwas mit Ideologie zu tun haben oder dass sie einen Diktator verteidigen wollen. Es sind 27 international bekannte Personen, die trotz ihres sehr verschiedenen Hintergrunds eines gemeinsam fordern: Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen nicht politisiert werden. Dazu fordern wir den OVCW-Generaldirektor Arias auf. Er soll alles tun, um dem Auftrag der OVCW gerecht zu werden. Die OVCW wurde als eine unparteiliche Weltorganisation geschaffen, ihre Pflicht ist es, der Wahrheit zu dienen.
Wen außer der OVCW haben Sie noch über Ihre Erklärung informiert?
Die Erklärung ist dem OVCW-Generaldirektor und allen 193 OVCW-Mitgliedern Mitte Februar zugestellt worden. Während eine OVCW-Reaktion aussteht, haben verschiedene Mitgliedsstaaten bereits deutlich ihre Sorge über diese Entwicklung ausgesprochen. Andere haben bestätigt, dass sie nicht bereit sind, von ihrer Politik der Falschaussagen abzuweichen. Ähnlich wie im Irak der 1990er Jahre scheinen sie sich darauf vorzubereiten, die Öffentlichkeit ähnlich wie damals mit allen Mitteln irrezuführen. Nur um damit ihre Syrien-Politik aufrechtzuerhalten. Dies wird ernste Folgen haben.
Auch die amtierende Präsidentin des UNO-Sicherheitsrates, US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield, der Präsident der UNO-Generalversammlung Volkan Bozkin als auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, haben die „Erklärung der Besorgnis“ erhalten. Wir hoffen, dort Gehör zu finden.
Und wer ist die Berlin Gruppe 21?
Wir sind eine kleine Gruppe von Personen verschiedener Länder, die mit Hilfe der Unterzeichner der Erklärung sicherstellen will, dass eine Untersuchung der Vorgehensweise der OVCW über den Duma-Vorfall stattfindet, dass die Öffentlichkeit die Tatsachen erfährt und informiert bleibt. Dafür haben wir auch Hintergrundmaterial veröffentlicht. Wir werden weltweit im Gespräch bleiben, um das Recht auf Wahrheit über das Geschehen in Duma zu verteidigen.
Lassen Sie uns bitte mehr ins Detail gehen. Worauf basieren Ihre Erkenntnisse, dass etwas mit dem Abschlussbericht zu dem angeblichen Chemiewaffenangriff auf Duma nicht stimmt? Um welche Tatsachen geht es da?
Eine Tatsache ist, dass der ursprüngliche, interne OVCW-Bericht über Duma keine Beweise für den Einsatz von chemischen Waffen beinhaltete. Tatsache ist auch, dass das OVCW-Management kurz vor der geplanten Veröffentlichung des ersten Zwischenberichts im Sommer 2018 und ohne Wissen von mehreren an der Duma-Untersuchung beteiligten OVCW-Wissenschaftler den ursprünglichen durch einen „überarbeiteten“, einen manipulierten Bericht ersetzen wollte. In diesem Bericht hieß es fälschlich, dass in Duma Chlorgas eingesetzt wurde. Schließlich wurde diese „überarbeitete“ Version nicht veröffentlicht, weil die OVCW-Wissenschaftler protestierten. Tatsache bleibt gleichwohl, dass eine Fälschung versucht wurde. Tatsache ist weiterhin, dass der Abschlussbericht zu Duma, der schließlich am 1. März 2019 veröffentlicht wurde, Schlussfolgerungen enthielt, die von dem ursprünglich eingesetzten OVCW-Untersuchungsteam nicht gemacht worden waren. Der ursprüngliche Bericht enthält keine Beweise, dass Chlorgas in Duma eingesetzt wurde, im Abschlussbericht fehlt das.
Und wie ist es mit den 50 Todesopfern, die gefunden wurden?
Auch dazu wurde in dem Abschlussbericht nicht erwähnt, dass Toxikologen des ursprünglichen OVCW-Teams zu dem Schluss gekommen waren, dass der Tod der Zivilisten in Duma nicht durch Chlorgas verursacht worden sein konnte. Und es fehlt auch, dass OVCW-Ingenieure des Teams bezeugt hatten, dass es ballistisch unmöglich war, dass die gefundenen Gaszylinder aus der Luft auf das betroffene Haus abgeworfen worden waren. Vielmehr hielten die Wissenschaftler es für wahrscheinlich, dass diese Zylinder wahrscheinlich in das Haus getragen und an dem Fundort platziert worden waren, um ein falsches Bild des Geschehens zu zeigen. Der veröffentlichte Abschlussbericht geht auch nicht auf die Tatsache ein, dass es unter den beteiligten OVCW-Mitarbeitern zu erheblichen Spannungen zwischen Wissenschaftlern des Duma-Teams und später hinzugezogenen Personen gekommen war.
Warum sollte die OVCW sich so sehr von den eigenen Maßstäben entfernt haben?
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Zeitleiste der Geschehnisse zu erwähnen: Am 7. April 2018 ereignete sich der Angriff auf Zivilisten in Duma, eine Woche später, am 14. April 2018, wurden Raketenangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs durchgeführt. Dabei wurden Flugzeuge und Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer, im Roten Meer und im Persischen Golf eingesetzt. Erklärt oder gerechtfertigt wurden die Angriffe damit, dass die syrische Regierung für den angeblichen Einsatz von Chemie-Waffen in Duma bestraft werden sollte. Die Luftangriffe wurden durchgeführt, bevor die OVCW ihre Duma-Untersuchungen aufgenommen hatte! Mit anderen Worten: Auch ohne die OVCW hatte man „bestätigt“, dass Chemiewaffen in Duma eingesetzt worden waren, und damit waren die Luftangriffe als Bestrafung auch legitim. Nun musste nur noch der OVCW-Abschlussbericht zu Duma, der 2019 veröffentlicht wurde, bestätigen, dass die toten Zivilisten in Duma Opfer eines Chemiewaffenangriffs waren. Und das hatten die Regierungen ja schon mit ihren Angriffen ein Jahr zuvor zur ‚Tatsache‘ erklärt.
Das hört sich wie eine Kriminalgeschichte an. Die Regierungen von drei Ländern, die ein Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat haben und zusätzlich auch noch über Atomwaffen verfügen, machen Druck auf die OVCW, den Bericht über das Geschehen in Duma zu manipulieren, um den Angriff der drei Länder auf Syrien zu legitimieren?
Das Ganze ist ohne Frage ein sehr beunruhigender Vorgang, aber es ist kein Geheimnis mehr. Die Unterlagen, die das bestätigen, sind einsehbar. Ich meine die ursprünglichen OVCW-Berichtsentwürfe, die bei Wikileaks, von der Courage Foundation und auch von der Berlin Gruppe 21 veröffentlicht wurden und gelesen werden können. Aussagen von OVCW-Mitarbeitern haben diese Dokumente bona fide bestätigt. Außerdem ist bekannt, dass es andere sehr ernste wissenschaftliche und verfahrenstechnische Unregelmäßigkeiten gegeben hat. „Unbequeme“ OVCW-Mitarbeiter wurden ausgeschlossen. Nur um das noch einmal deutlich zu sagen, das sind keine Vermutungen, sondern Tatsachen.
Wenn die OVCW so unter Druck gesetzt werden kann, und das noch versucht zu verbergen, muss man da nicht fragen, wie glaubwürdig die Organisation noch ist?
Es müssen dringende Fragen gestellt werden. Dazu gehört auch die Frage: Wo lag das Interesse der OVCW, es zuzulassen oder sogar zuzustimmen, ihr Mandat zu vernachlässigen? Und die Frage: Gab es einen Auftrag von „draußen“? In der Antwort auf die zweite Frage erklärt sich wohl das Verhalten der OVCW. Es ist kein Geheimnis geblieben, dass amerikanische Diplomaten in der OVCW vorstellig wurden, um sicherzustellen, dass der Bericht Hinweise auf den Einsatz von chemischen Waffen in Duma enthalten würde. Heute sind Einzelheiten darüber bekannt, wie die US-Amerikaner beispielsweise im Irak Druck auf die OVCW ausgeübt haben. Und obwohl beteiligte Regierungen, wie die der USA, Großbritanniens und Frankreichs, die OVCW verteidigen, ist die Behörde doch immer mehr in Verruf geraten. Erneut will ich darauf hinweisen, dass es sich um Tatsachen handelt, nicht um Unterstellungen.
Wie schätzen Sie die Haltung der Bundesregierung ein? Deutschland ist – nach den USA und Japan – der drittgrößte Geber für die OVCW. Das bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen.
Deutschland ist ein wichtiges Land in den großen multilateralen Organisationen wie der UNO und der OVCW. Unsere Regierung muss verstehen, dass die Welt sie beobachtet. Daher sollte sie besonders darauf bedacht sein, dass Deutschland das Völkerrecht achtet und sich in seiner Grundeinstellung korrekt verhält. Die Entwicklung zu Duma in den letzten zwölf Monaten muss dazu führen, dass die Bundesregierung ernsthaft die deutsche Haltung bei der Mitarbeit bei der OVCW überprüft. Es muss geprüft werden, inwieweit Korrekturen in der Mitarbeit speziell im Fall Duma unausweichlich geworden sind. Auf den jährlichen Münchner Sicherheitskonferenzen wird von Politikern immer wieder betont, dass die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dabei muss es sich um die Bereitschaft handeln, die Integrität und die Redlichkeit der Politik zu verteidigen. Viele Menschen, die Politik verfolgen und mitdenken, zeigen sich beunruhigt über die gefährliche und unehrliche Verhaltensweise im Fall Duma.
Sie waren als beigeordneter UN-Generalsekretär für humanitäre Hilfe im Irak tätig und sind aus Protest über die UN-Sanktionen damals zurückgetreten. In unserem Gespräch haben Sie wiederholt auf den Irak hingewiesen. Sind es diese Erfahrungen im Irak, warum Sie sich jetzt so für die Wahrheit über den OVCW-Bericht zu Duma engagieren?
Tatsächlich erinnert es an den Schaden, den die amerikanischen und britischen Regierungen im Irak während der Jahre der Sanktionen und 2003 durch den völkerrechtswidrigen Krieg angerichtet haben. Die Verelendung eines Volkes, die Verletzung internationalen Rechts und die Schwächung der Vereinten Nationen basierten auf der Unwahrheit über irakische Massenvernichtungswaffen, die nicht existierten.
Desinformation und Propaganda mit falscher Flagge zerstören das unbestechliche Gut der Glaubwürdigkeit von Politik. Deutschland und Europa müssen dieses Gut stärken und schützen. Eine Wiederholung von militärischen Einsätzen in Syrien, die sich nach der Veröffentlichung des zensierten OVCW-Abschlussberichts zu Duma im März 2019 angebahnt hatte, muss verhindert werden. Als Mitglied der BerlinGroup21 stimme ich dem ehemaligen Generaldirektor der OVCW, José Bustani, mit voller Überzeugung zu. Er hat in seiner Erklärung an den UNO-Sicherheitsrat am 5. Oktober 2020 nachdrücklich den jetzigen Generaldirektor Fernando Arias gebeten, die Inspektoren, die Teile des Duma-Berichts mit wissenschaftlich-kritischer Sorge ablehnen, zu einem Gespräch einzuladen. Das muss sein, wenn die OVCW ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen will. Ein solches Gespräch sollte dazu führen, dass der Duma-Abschlussbericht entpolitisiert wird und Regierungen, die die Vorgehensweise der OVCW unterstützt und gefördert haben, dazu beitragen. Der Weg dorthin wird lang sein.
In Deutschland wurden fast eine Million Operationen abgesagt (bereits Stand: 29.05.2020)
welt.de, Veröffentlicht am 29.05.2020 von Anja Ettel
Notwendige Operationen will man als Patient im Regelfall so schnell wie möglich hinter sich bringen. Doch genau das war wegen der Coronavirus-Pandemie in den vergangenen Wochen nahezu unmöglich.
Gemeint sind damit Eingriffe, die kein akuter Notfall sind und daher im Voraus geplant werden können, von der Hüft-OP bis zur Tumorresektion.
Zitat: Mittlerweile läuft der Regelbetrieb zumindest in Deutschland langsam wieder an. Doch es wird noch Monate dauern, bis die enorme Zahl verschobener Operationen nachgeholt ist.
Wie groß der OP-Rückstau weltweit ist, hat jetzt erstmals ein Wissenschaftlerteam des National Institute for Health Research (NIHR) der Universität Birmingham näherungsweise errechnet. Demnach wurden weltweit 28,4 Millionen Operationen abgesagt oder verschoben.
Das entspricht einer Quote von 72,3 Prozent. Besonders häufig wurden orthopädische Eingriffe verschoben, dicht gefolgt von der plastischen Chirurgie.
In ihrem Modell haben die Forscher einen Zeitraum von zwölf Wochen berücksichtigt und die Umfragedaten von 359 Kliniken aus 71 Ländern ausgewertet. Die Ergebnisse wurden dann für 190 Länder hochgerechnet.
Im Ländervergleich wird schnell deutlich, dass weltweit keineswegs nur elektive Operationen verschoben wurden, sondern sogar Krebspatienten auf die Wartebank mussten. Dabei birgt gerade bei dieser Patientengruppe eine verlängerte Wartezeit das Risiko, dass die Krankheit fortschreitet.
Norwegen und Deutschland stehen in diesem Vergleich noch am besten da: In Norwegen wurden im Studienzeitraum 23,4 Prozent, in der Bundesrepublik 24 Prozent der Krebs-OPs verschoben.
Die weltweite Absagequote liegt deutlich darüber bei 37,7 Prozent. In China etwa musste knapp die Hälfte der Krebs-OPs verschoben werden, in vielen Ländern Afrikas sogar weit über 70 Prozent.
52.000 Krebs-OPs in Deutschland verschoben
In Deutschland summiert sich die Zahl der abgesagten Operationen auf mehr als 908.000, darunter waren rund 851.000 elektive Eingriffe und 52.000 Krebs-OPs. Zudem sind der Studie zufolge schätzungsweise 5800 geplante Kaiserschnitte verschoben worden – bei denen allerdings davon auszugehen ist, dass sie kurz darauf als akute Eingriffe doch durchgeführt wurden. Eine Geburt lässt sich schließlich nur begrenzt verschieben.
Der OP-Stau wird Patienten, Pflegern und Ärzten rund um den Globus noch lange zu schaffen machen: Selbst wenn die Krankenhäuser nach der Pandemie 20 Prozent mehr Eingriffe durchführten als vorher, dürfte es aus Sicht der britischen Forscher 45 Wochen dauern, bis der Rückstand aufgeholt ist.
Welche Kosten der OP-Stau wegen Covid-19 für das deutsche Gesundheitswesen bedeutet, lässt sich noch nicht abschließend beziffern. Fest steht, dass gerade das Vorhalten von Intensivkapazitäten und die Absage von elektiven OPs die Krankenhäuser, die ihre Strukturen in den vergangenen Jahren erheblich verschlankt haben, nach wie vor viel Geld kostet.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den Kliniken bereits im März unbürokratische Hilfen zugesagt. Für jedes Bett, das vom 16. März bis zum 30. September 2020 nicht belegt wird, erhalten sie eine Pauschale in Höhe von 560 Euro pro Tag.
Zudem gibt es einen Bonus von 50.000 Euro für jedes zusätzlich geschaffene Intensivbett. Der Bund stellt diese Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung. Insgesamt werden allein die Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Jahr auf 5,9 Milliarden Euro geschätzt.
Internationale Sicherheitspolitik Neues Leben für die NATO
dw.com, vom
23.03.2021
Zitat: Internationale Sicherheitspolitik
Neues Leben für die NATO
Bei seinem ersten NATO-Treffen streichelt der neue US-Außenminister Antony Blinken die transatlantische Seele. Wie es in Afghanistan weitergehen soll, bleibt derweil weiter ungelöst. Aus Brüssel Bernd Riegert.
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02:01
USA wollen NATO "wieder mit Leben füllen"
Man kann Jens Stoltenberg die Erleichterung förmlich ansehen. Bei allen öffentlichen Auftritten rund um das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der Allianz in Brüssel zeigt sich der NATO-Generalsekretär zufrieden, dass der neue amerikanische Außenminister Antony Blinken ganz im Sinne der europäischen Verbündeten wieder den Wert des Zusammenhalts beschwört. Vier Jahre lang hat Stoltenberg den nationalen Alleingang der Regierung von Präsident Donald Trump und dessen Beschimpfungen der NATO ertragen. Jetzt weht in der NATO-Zentrale ein anderer, ein optimistischer Wind. "Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Nordamerika, den USA und Europa aufzuschlagen", sagt Stoltenberg im Gespräch mit der DW.
US-Außenminister verspricht erneuerte Partnerschaft Stoltenberg erwartete von dem Gast aus Washington ein starkes Bekenntnis zur transatlantischen Allianz und wurde nicht enttäuscht. Antony Blinken sagte in Brüssel, er sei gekommen, um sich zur NATO zu bekennen. "Die Vereinigten Staaten wollen Partnerschaften neu aufbauen, natürlich zuerst und zuvorderst mit unseren NATO-Alliierten. Wir wollen die Allianz wiederbeleben", sagte Blinken der Presse. Das dürfte auch der französische Außenminister Jean Yves Le Drian gerne gehört haben. Schließlich hatte Präsident Emmanuel Macron 2019 die NATO für "hirntot" erklärt und so eine Debatte über Sinn und Zukunft der Allianz ausgelöst. Diese soll nun in ein Reformprogramm mit dem Namen "NATO 2030" münden. Das wiederum wird auf einem Gipfeltreffen der NATO verabschiedet, an dem dann auch US-Präsident Joe Biden im Juni 2021 in Brüssel teilnehmen soll.
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Bundesaußenminister Heiko Maas: Die NATO braucht eine neue Richtung
Die übrigen Außenminister der NATO hörten Blinkens Botschaft ebenso gerne. Der deutsche Außenminister Heiko Maas freut sich, dass nun wieder darüber geredet werde, wie sich die NATO weiter entwickeln kann: "Es gab einen Reflektionsprozess. Es gibt einen strategischen Kompass. Es ist an der Zeit, die NATO auf die großen Herausforderungen unserer Zeit einzustellen." Damit ist eine Positionierung gegenüber China und Russland gemeint. Auch die Konflikte, die es innerhalb der NATO gebe, müssten nicht nur politisch diskutiert, sondern auch gelöst werden, forderte Heiko Maas.
Konflikt mit Deutschland lösbar? Einen dieser Konflikte sprach der neue US-Außenminister denn auch gleich an: den mit Deutschland wegen der Gaspipeline Nord Stream 2. Die Gastrasse von Russland nach Deutschland sei eine "schlechte Idee, schlecht für Europa und schlecht für die USA". Die Sanktionen gegen am Bau beteiligte Firmen würden durchgesetzt, drohte Blinken und forderte die Einstellung der Bauarbeiten. Auch mit der Türkei hat Blinken seine Schwierigkeiten, weil die Türken in Russland Flugabwehrraketen kaufen und sich mit Griechenland im östlichen Mittelmeer um Gasvorkommen streiten. Diese Konflikte seien lösbar und sollten die Zusammenarbeit mit verlässlichen Verbündeten nicht beschädigen, so Blinken.
Zur Erleichterung der NATO-Außenminister rückte Blinken nicht den von der Trump-Regierung stets befeuerten Streit um zu niedrige Verteidigungsausgaben in vielen europäischen Staaten ins Zentrum der Gespräche. Das "Zwei-Prozent-Ziel" stand endlich mal nicht im Weg, so ein NATO-Diplomat. Donald Trump hatte stets beklagt, die NATO-Alliierten würden die USA "übers Ohr hauen und ausnutzen". Die NATO-Mitglieder haben sich verpflichtet, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden.
Video ansehen 03:38
Afghanistan: NATO-Truppen abziehen oder nicht?
Gemeinsames Vorgehen in Afghanistan Der neue Ton in der NATO wirkt sich auch ganz praktisch aus. Den geplanten Truppenrückzug aus Afghanistan, 20 Jahre nach dem Einmarsch westlicher Truppen, wollen die USA jetzt nicht mehr alleine entscheiden, sondern mit den Verbündeten koordinieren. Es gelte die alte Regel: Gemeinsam rein, gemeinsam raus, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Die USA, genauer gesagt die Regierung von Präsident Trump, hatte sich in einem Abkommen mit den Taliban verpflichtet, bis Ende April aus Afghanistan abzuziehen. Die USA beklagen jedoch, dass sich die Taliban nicht an den zugesagten Gewaltverzicht halten und prüfen nun, doch länger in dem Land zu bleiben, das sie vor 20 Jahren von der Taliban-Herrschaft befreit hatten. Die Lage werde neu bewertet, und zwar zusammen mit den Verbündeten, sagte der US-Außenminister in Brüssel. "Was immer wir am Ende auch machen, wird von den Anregungen unserer Alliierten beeinflusst, die ich nach unseren Gesprächen mit nach Hause nehme."
Der alte Geist wird bei der NATO vertrieben: Donald Trump, hier bei einem Truppenbesuch in Afghanistan 2019
Eine Entscheidung ist in Brüssel also nicht gefallen, was einige Außenminister kritisch sehen, denn langsam wird die Zeit knapp. Deutschland ist mit 1300 Bundeswehrsoldaten nach den USA (2500) der größte Truppensteller in Afghanistan. Bundesaußenminister Heiko Maas will die deutschen Truppen nur abziehen, wenn es Fortschritte bei den Friedensverhandlungen mit den Taliban-Milizen gibt. "Wir wollen nicht durch einen zu frühen Abzug riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen."
China wird wichtiger für die NATO Bei kommenden Gipfeltreffen im Juni sollen die Staats- und Regierungschefs sich bei der Neuausrichtung der Allianz mit Blick auf das Jahr 2030 vor allem mit der "aufsteigenden Macht" China beschäftigen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg meinte im DW-Gespräch, China rücke immer näher an das NATO-Gebiet heran, weil es in vielen Ländern in die kritische Infrastruktur investiere. "Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir uns mit den Folgen des Aufstiegs Chinas für die Sicherheit unserer regionalen Allianz und den Verschiebungen im globalen Macht-Gleichgewicht beschäftigen", sagte Stoltenberg.
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USA gegen China: Wer gewinnt den Kampf um die Vorherrschaft?
Der chinesische Außenminister Wang Yi und der russische Außenminister Sergej Lawrow haben sich bei einem Treffen am Dienstag in der chinesischen Stadt Guilin schon mal in Stellung gebracht gegen die "wiederbelebte NATO". Lawrow sagte, man erkenne die "destruktive Natur der amerikanischen Absichten, die sich auf militärisch-politische Allianzen aus dem Kalten Krieg stützen". Die "erneuerten Allianzen" seien geeignet, die auf die Vereinten Nationen aufbauende Architektur internationalen Rechts zu untergraben. Der chinesische und der russische Außenminister wiesen den Schulterschluss der westlichen, transatlantischen Welt als Versuch zurück, anderen Staaten eine "regel-basierte Weltordnung aufzuzwingen".
Impfen für den Gipfel Die NATO-Außenminister treffen sich trotz Corona-Pandemie persönlich im Brüsseler Hauptquartier. Dort soll im Juni auch der Gipfel der Staats- und Regierungschefs stattfinden. Um eine sichere Zone zu schaffen, sollen die rund 4000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller Altersstufen geimpft werden, teilte die NATO mit. Das NATO-Land Polen stellt dafür Impfdosen von AstraZeneca bereit. Ob diese außergewöhnliche Impfkampagne mit den belgischen Regeln für eine Impfreihenfolge in Einklang steht, wollten belgische Behörden nach Angaben der Nachrichtenagentur AP nicht kommentieren.
Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V.
publikumskonferenz.de, Veröffentlicht am 23. März 2021 von Maren Müller „Biden ins offene Messer laufen lassen“Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Zitat: Der US-Präsident macht den Flegel, unbekannte Hinterleute missbrauchen seine Senilität, und die Tagesschau beschweigt das Ganze
Ist US-Präsident Joseph Biden bereits dement? Nicht erst, seit der 78-jährige – Spitzname: „Sleepy Joe“ (schläfriger Joe) – in einem Fernseh-Interview des US-Senders abc bestätigte, er halte Russlands Präsidenten Putin für einen seelenlosen Mörder (1, 2), meinen mehr als die Hälfte der US-Bürger (3) und alle großen Tageszeitungen in den USA (4, 5), ihr Staatsoberhaupt sei möglicherweise amtsunfähig. Eilmeldungen über seine abgeschmackten Sprüche und seine Drohung, Putin werde „den Preis zahlen“ müssen, rauschten rund um den Globus. Nur die transatlantisch abgerichtete ARD-aktuell-Redaktion hielt an diesem 17. März mit dem Biden-Kracher stundenlang hinterm Berg. (6) In der Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr kam kein Wort davon vor.Blindheit gehört halt zu den deutlichsten Symptomen, die der AgitProp-Virus bei infizierten Qualitätsjournalisten hervorruft.
Erst um 22.35 Uhr in den Tagesthemen (7) und später im Nachtmagazin brachte die Redaktion die Geschichte auf den TV-Schirm – unter „ferner liefen“. Lediglich auf tagesschau.de. war sie etwas früher zu lesen, um 19.51 Uhr, in einem reichlich tendenziösen Artikel. (8) Die zwingende Frage nach dem Geisteszustand des US-Präsidenten wurde in den ARD-aktuell-Angeboten nicht aufgeworfen.
Als ob fast nix gewesen wäre, kam das hochbrisante Biden-Interview zudem erst im Schlussdrittel der Tagesthemen-Sendung an die Reihe. Die Meldung dauerte gerade mal 29 Sekunden, war eher als Nebensächlichkeit formuliert und setzte einen negativen Akzent auf Moskau, nicht auf Washington:
Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind zunehmend angespannt. Gestern rief der Kreml seinen Botschafter nach Moskau zurück. Es solle geklärt werden, wie eine irreversible Verschlechterung der Beziehungen verhindert werden könne. Hintergrund sind unter anderem Vorwürfe, Russland habe sich in die US-Wahl im vergangenen Jahr eingemischt. Auch hatte US-Präsident Biden den russischen Präsidenten Putin in einem Interview als Mörder bezeichnet. (Anm. 7)
Ach ja, äh, hrm, übrigens „hatte Biden den Putin als Mörder bezeichnet …“ Ist eine Redaktion, die eine Weltnachricht dermaßen unterbelichtet und sachwidrig interpretiert, noch ganz bei Trost?
Auf der Internet-Seite tagesschau.de zeigte sie umstandslos anklagend gleich auf Putin: „Er wird den Preis bezahlen.“ (Anm. 8) Eingebettet in den Text ist ein 2 Minuten und 17 Sekunden langes Schaltgespräch des Tagesthemen-Moderators Ingo Zamperoni mit dem Washington-Korrespondenten Jan Koch. Atlantik-Brücken-Zamperonis verklemmte, intellektuell klapperdürre Gesprächseröffnung definiert das Gesamtniveau:
„Ist dieser Ausdruck, den wir da eben gehört haben, Ausdruck einer neuen härteren Gangart gegenüber Russland?“
Und der Echogeber in Washington antwortet entsprechend brav:
„Also man kann schon sagen, dass es eine neue Qualität hat, die Joe Biden da ä ä vorlegte …
Auf weitere belanglose Zitate aus der Schwafelei verzichten wir hier und legen lieber diese Platte auf:
„Wir sind Deutschlands Nachrichtenmarke Nr. 1, und Sie haben einen Anspruch darauf, auf jedem Ausspielweg das beste Nachrichtenprodukt zu bekommen.“ (9)
Das behauptet die Chefredaktion der ARD-aktuell bis heute unverdrossen. Der gesetzliche Auftrag der ARD-aktuell lautet, „Faktor und Medium des Prozesses freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung“ zu sein. (10) Die Redaktion ist verpflichtet zur Objektivität, zur Vollständigkeit, zur Förderung des Friedens, zur Trennung von Nachricht und Meinung, zur Unparteilichkeit, zur Wahrung „anerkannter journalistischer Grundsätze“. (11) Die hehren Kernsätze des Rundfunkstaatsvertrages und die daraus hergeleitete arrogante Selbstdarstellung der ARD-aktuell-Chefs kontrastieren allerdings mit der Produktqualität von Tagesschau, Tagesthemen etc. wie das Schokoladen-Soufflé mit dem Scheuerlappen.
Benehmen wie die Axt im Walde
Der 17. März 2021 wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem zum ersten Mal ein US-amerikanischer Präsident das Staatsoberhaupt der Russischen Föderation vor den Augen und Ohren der Welt einen seelenlosen Mörder nannte – und als das Datum eines weiteren Kardinalfehlers, den die Nachrichtenzentrale des Ersten Deutschen Fernsehens beging, weil ihre Redakteure nicht wie seriöse und selbständig denkende Journalisten handelten, sondern wie beflissene Auftragsschreiber.
Ihre Tagesschau-Hauptausgabe enthielt das gewohnte Überangebot an Aufgeregtheiten über die deutsche Impfchaos-Truppe in Berlin, angereichert mit vielen unnötigen O-Tönen, außerdem Reportagen über die Wahlergebnisse in den Niederlanden, über das Flüchtlingsdrama an der Grenze zwischen Mexiko und den USA sowie über Segelmeisterschaften im Pazifik (ohne Bilder!). Ansonsten Pillepalle. (12) Das Allerwichtigste, Bidens pompöser Fauxpas, fehlte.
Die russische Regierung rief nach dem Biden-Klops ihren Botschafter aus Washington zurück, um zu beraten, wie eine „irreversible Verschlechterung der Beziehungen zu verhindern“ sei. Der Rückruf eines Botschafters zu Konsultationen im eigenen Land ist ein gravierendes diplomatisches Warnsignal, Anzeichen für eine erhebliche Störung, eine gefährliche Eskalation. (13) Die Tagesschau brachte dies Ereignis trotzdem nicht auf ihren Bildschirm.
Üblicherweise nehmen die Russen Propagandaattacken des Werte-Westens eher gelassen hin, gleichgültig, ob sie aus US-amerikanischen, NATO-europäischen oder CDU-CSU-SPD-Grüne-Giftspritzen kommen. Diesmal scheint allerdings auch für die Russen das Maß voll gewesen zu sein.
An der unvertretbar dürftigen Berichterstattung – man vergleiche sie mit dem ausgedehnten Überangebot an Propaganda für das kriminelle Großmaul Alexej Nawalny, den Nowitschok-Überlebenskünstler – fiel besonders auf: Wichtige Informationen über Bidens angeschlagene physische und geistige Gesundheit fehlten. Die Tagesschau erwähnte weder seine desolate Verfassung, noch hinterfragte sie die x-mal aufgewärmten Behauptungen der US-Geheimdienste über russische „Wahl-Einmischung“. Text auf tagesschau.de am 13. März:
„US-Präsident Joe Biden hat Kremlchef Wladimir Putin Konsequenzen für die angebliche Einmischung in die US-Wahl im vergangenen November angedroht.“
Faule Geheimdienst-Eier
In keiner Phase der Berichterstattung versuchte ARD-aktuell, diesen Vorwurf zu hinterfragen, obwohl es für Antworten und vorliegende Gegenbeweise unendlich viel Platz zumindest auf tagesschau.de gäbe. Ein professioneller Blick ins Internet bei Beachtung „journalistischer Grundsätze“ (s. Anm. 11) hätte genügt, um Bidens olle Kamelle von der „russischen Einmischung in die US-Wahlen“ als dummdreiste Erfindung zu qualifizieren.
Die gleichen nicht beweisbaren Vorwürfe hatten die US-Demokraten bereits im Jahr 2016 erhoben, als ihre Kandidatin Hillary Clinton gegen den Republikaner Donald Trump verlor. Voriges Jahr hatte die Neuauflage der antirussischen Kampagne einen anderen Hintergrund: Damit sollten die für Biden sehr peinliche Veröffentlichungen (nicht nur im Internet und nicht nur aus russischen Quellen stammend!) über sein und seines Sohnes Hunter korruptionsverdächtiges Treiben in der Ukraine übertüncht werden. (14, 15) Im Bericht des Direktors des Nationalen Geheimdienstes (ODNI), Avril Haines, heißt es allerdings gleich eingangs unmissverständlich:
„Wir haben keine Anzeichen dafür, dass ein ausländischer Akteur versucht hat, einen technischen Aspekt des Abstimmungsprozesses bei den US-Wahlen 2020 zu ändern, einschließlich Wählerregistrierung, Stimmabgabe, Stimmabgabe oder Berichterstattung über Ergebnisse.“ (16, Übersetzung d. Verf. S. dazu 17, 18 u. 19)
Die auf Bestellung des Weißen Hauses fabrizierten faulen Geheimdienst-Eier dienen zudem als Vorwand für aggressiv russlandfeindliche Politik; dass der Wertewesten zu so durchsichtigen Lügen greift, belegt seine Aggressivität und das Fehlen jeglicher Verständigungsbereitschaft. Die Motive für seine Bösartigkeiten sind im Weltmachtanspruch der USA sichtbar. „Wir lügen, wir betrügen und wir stehlen“ brüstete sich der vormalige CIA-Chef und spätere Außenminister Mike Pompeo. (20) Wie vieler solcher Dokumente bedarf es eigentlich noch, bis die Tagesschau ihr deutsches Publikum endlich von der aufgewärmten Giftbrühe „russische Wahleinmischung“ verschont?
ARD-aktuell spricht zwar von „angeblicher“ Einmischung, aber dieser schwächliche Versuch, die journalistische Jacke sauber zu halten, ist angesichts der Bezugnahme auf Geheimdienstinformationen gar zu dünne. Dass Lug und Trug noch zum Harmlosesten auf der kriminellen Agenda der „Dienste“ zählen, dürfte Allgemeinwissen sein.
„Wir sollten allen Informationen aus Verfassungsschutzämtern prinzipiell den Glauben verweigern“ (21),
empfahl vor vielen Jahren Eckart Spoo, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Union, Vorbild und absolute Ausnahmeerscheinung im deutschen Journalismus. Soviel Anstand / Abstand wahrt ARD-aktuell leider nicht. Ihr ist jedes Mittel recht, sich an der regierungsoffiziellen Feindbildmalerei über Russland und China zu beteiligen. (22)
Finger weg vom Roten Knopf
Die unübersehbaren Anzeichen von körperlichem (23) und geistigem Verfall (24) des US-Präsidenten sind für Journalisten in aller Welt ein herausragendes Thema.
Nur der Schlafwagen ARD-aktuell wahrte peinliches Stillschweigen darüber. Die „Washington Post“:
„Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Biden die Namen von Kabinettsmitgliedern vergisst. Im Dezember sprach er den Namen seines Personalvorschlages für das Gesundheitsministerium, Xavier Becerra, falsch aus. Zu dieser Zeit las er – wie so ziemlich jedes Mal, wenn wir Mr. Biden öffentlich sehen – von einem Teleprompter vor.“ (25, 26)
Der US-amerikanischen Öffentlichkeit schwant natürlich längst, warum ihr Staatsoberhaupt bis heute keine Pressekonferenz gegeben hat. Erst für den 25. März, 65 Tage nach Amtsantritt, ist ein Gespräch mit Journalisten geplant. Es scheint, als wollten Bidens Hinterleute ihn vor der Öffentlichkeit verstecken. (27) Bereits während des Wahlkampfes war der Mangel an Medienkontakten aufgefallen. (28) Auf die Umfrage
„Wie sicher sind Sie, dass Joe Biden körperlich und geistig der Aufgabe gewachsen ist, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein?“
gab die Hälfte der Befragten an, „nicht zuversichtlich“ zu sein. (29)
33 demokratische Kongressabgeordnete, an ihrer Spitze Jimmy Panetta, Sohn des einstmaligen US-Verteidigungsministers Leon Panetta, forderten bereits, Biden solle den Finger vom Roten Knopf nehmen. Sie rieten nachdrücklich dazu, ihm die alleinige Befehlsgewalt über das Atomwaffenarsenal der USA zu entziehen. (30) Sogar dieser absolut außergewöhnliche Vorgang fiel den Schlafmützen der ARD-aktuell nicht auf – oder sie dachten sich nichts weiter dabei, qualitätsjournalistengemäß.
Leise rieselt der Kalk
Der deutsche Psychiater Prof. Dr. med. Wolfgang Meins beschreibt das Problem der gesundheitlichen Beeinträchtigung als sehr ernst, hält allerdings eine Ablösung vom Präsidentenamt für schwierig:
„Das wird nicht ganz einfach, denn die Demokraten sind – ähnlich wie die Mainstream-Medien – in ein Lügengebäude verstrickt. Den zentralen Akteuren ist natürlich schon seit längerem klar, wie ernst es um den Präsidenten bestellt ist. Aber geradezu besessen von ihrem Trump-Hass, haben sie Biden damals sehenden Auges ins offene Messer laufen lassen.“ (31, 32, 33)
Über Bidens sichtliche Anzeichen von Demenz wahrt die Tagesschau betuliches Schweigen. Bei seinem Amtsvorgänger Donald Trump tat sie sich keinen Zwang an und trat die beweislosen Zweifel an seiner geistigen Gesundheit breit. (34)
ARD-aktuell, ein tendenziöser Saftladen? Aber nicht doch, wer denkt denn bloß sowas … Wenn schon die Bundesregierung vor Washingtons Allmächtigen buckelt, muss doch die Tageschau erst recht charakterlose Liebedienerei betreiben, weil‘s halt so ist?
Na logisch, und Bidens Angriffsbefehle an die US-Bomberstaffeln im Nahen und Mittleren Osten muss der beste der besten deutschen Qualitätsnachrichten-Anbieter als Normalität verhökern, als ebensolche Selbstverständlichkeit wie die mörderische Sanktionspolitik, mit der die Völker Syriens und Venezuelas ausgehungert und dazu gezwungen werden sollen, ihre Präsidenten endlich zu stürzen.
Biden, Präsident jenes Landes, das Folterlager in Guantanamo und noch viel schlimmere „Black Sites“ in aller Welt unterhält, auch in Europa (35), bezichtigt Russlands Staatsoberhaupt der Menschenrechtsverletzungen – und es gibt hier bei uns keinen medialen Aufschrei?
Biden hat angeblich neue Regeln für die weltweiten US-Drohnenbombardements verfügt. Untersagt hat er die Massaker keineswegs. (36) Im Schnitt kommt die US-Air Force auf 49 Bombenabwürfe pro Tag. Die Steuerbefehle für ihre Angriffsflüge werden über die Schaltzentrale in der US-Garnison Ramstein/Pfalz weitergegeben, in Komplizenschaft mit unserer Bundesregierung. Mit jeder Bombe werden durchschnittlich 28 Menschen umgebracht. Zu 90 Prozent sind die Opfer Zivilisten. Trotzdem wagt der grinsende Greis in Washington, seinen Konterpart in Moskau öffentlich einen Mörder zu nennen?
Welche hirnkranke, charakterlose Journaille konnte den alten Mann in eine solche Falle locken? Ach richtig, George Robert Stephanopoulos heißt der Kerl, er ist Hauptmoderator, quasi der Claus Kleber des rechtslastigen US-Senders abc. (s. Anm. 1)
Nachrichten unterschlagen
Präsident Putin hat bekanntlich inzwischen in unnachahmlich eleganter Form geantwortet. (37, 38) Er wünsche Biden „gute Gesundheit“, sagte er lächelnd, und sprach dann sehr nüchtern und unaufgeregt über die mehrhundertjährige US-Geschichte von Mordbrennerei und Blutvergießen in aller Welt. Selbst unsere transatlantisch genormten Konzernmedien anerkannten, wer nach diesem „Schlagabtausch“ der Sieger war: „Eins zu Null für Putin“ stand zum Beispiel im Intelligenzblatt „Die Zeit“ zu lesen. (39)
Nicht so moderat gab sich die Tagesschau. Sie hielt es lieber, ziemlich humorlos und leicht angefressen wirkend, mit der Scheinsachlichkeit:
„Putin zeigt sich unbeeindruckt … Er bekräftigte, dass Moskau sich nicht von Washington einschüchtern lassen werde“. (40)
Die Redaktion lässt eben keine Gelegenheit aus, Putin als starrsinnig und bedrohlich darzustellen, auch nicht die dürftigste. Selbst Bidens Amtsvorgänger Donald Trump hat angesichts gegen Russland gerichteter Bezichtigungen mehr Freimut und Aufrichtigkeit gezeigt, und das will was heißen:
„Es gibt viele Mörder … Denken Sie, unser Land ist so unschuldig?“ (41).
Die Tagesschau unterschlug demgegenüber eine weitere wesentliche Information: Putin hatte Biden zu einem sofortigen Gespräch eingeladen, allerdings unter der Bedingung, dass es in aller Öffentlichkeit geführt und live übertragen werde. Na klar doch: Biden lehnte das Angebot prompt ab. (42) Oder besser gesagt: Diejenigen, die am Hampelmann Biden die Strippe ziehen, ließen ihn das Gespräch ablehnen.
Zu Zeiten eines US-Präsidenten Dschordsch Dabbeljuh Bush konnte man noch hoffen, es würden ihm erst Jerry Lewis und dann Walt Disneys Goofy im Amt nachfolgen. Es kam grausam anders. Mörderisch. Das berechtigt uns jedoch keineswegs, uns für moralisch höherwertig zu halten. Unsere politischen Repräsentanten haben sich längst als kriminelle Komplizen der fiesen Figuren in Washington erwiesen. Die ARD-aktuell-Redakteure verhalten sich demgegenüber wie journalistische Schlappschwänze.
‘tschuldigung, Frau Hassel: Es muss natürlich „Schlappschwänz*innen“ heißen.
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
Die Professoren des Instituts für Statistik der Ludwig-Maximilians-UniversitätMünchen, Dr. Göran Kauermann und Dr. Helmut Küchenhoff, haben sich in ihrem CODAG Bericht Nr. 11 vom 19.03.2021 (https://yes-investmedia.us20.list-manage.com/track/click?u=a194ffd6ce07c5d1b0af1d569&id=c5f1c7f47b&e=bfa91fe18e) mit den Inzidenzwerten und weiteren Kennzahlen der „Pandemie“ auseinandergesetzt. Inzidenz soll nicht alleiniges Kriterium sein Gleich zu Beginn des Berichts stellen die Statistik-Experten fest, dass „die Inzidenz seit Monaten als zentrales [...]
23.03.2021
China reagiert auf EU-Sanktionen mit Gegensanktionen und stimmt sich mit Russland über Schritte gegen westliche Zwangsmaßnahmen ab.
German-Foreign-Policy.com, 23. März 2021 BEIJING/BRÜSSEL (Eigener Bericht) - China reagiert auf die gestern verhängten EU-Sanktionen gegen chinesische Amtsträger und setzt erstmals umfassende Gegensanktionen gegen Politiker und Institutionen aus der EU in Kraft. Die EU müsse aufhören, sich in innere Angelegenheiten fremder Staaten einzumischen, und "die heuchlerische Praxis ihrer doppelten Standards beenden", fordert Beijing mit Blick darauf, dass Brüssel tatsächliche oder angebliche Menschenrechtsverletzungen in gegnerischen Staaten anprangert, sie bei Verbündeten aber umstandslos toleriert. Von Chinas Gegensanktionen betroffen ist unter anderem ein Politiker von Bündnis 90/Die Grünen, der eine internationale Parlamentarierallianz zur Orchestrierung von Kampagnen gegen China initiiert hat. Beijings Gegensanktionen vorausgegangen sind ungewohnt offene chinesische Gegenwehr gegen Verbalattacken des US-Außenministers sowie erste Restriktionen gegen den US-Konzern Tesla - nach Art der US-Sanktionen gegen Huawei. Ein gemeinsames Vorgehen gegen die westlichen Zwangsmaßnahmen haben gestern die Außenminister Chinas und Russlands angekündigt.
Gewohntes Hegemonialverhalten
Unerwartet offen hatte sich die chinesische Seite bereits Ende vergangener Woche auf dem Treffen zur Wehr gesetzt, zu dem US-Außenminister Antony Blinken seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi nach Anchorage (US-Bundesstaat Alaska) eingeladen hatte. Washington hatte unmittelbar vor der Zusammenkunft extraterritorial wirksame Finanzsanktionen gegen 24 Amsträger aus der Volksrepublik bekanntgegeben, darunter alle 14 stellvertretenden Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses. Blinken eröffnete die Gespräche in Anchorage dann offiziell mit wüsten Attacken gegen die Volksrepublik, der er vorwarf, die "regelbasierte Ordnung" der Welt zu stören und damit die "globale Stabilität" zu gefährden. Wang protestierte und forderte, die Vereinigten Staaten sollten "ihre alte Gewohnheit hegemonialen Verhaltens" einstellen und nicht mehr "absichtsvoll in Chinas innere Angelegenheiten intervenieren".[1] Yang Jiechi, ranghöchster Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas, erklärte, er denke nicht, dass "die Mehrheit der Länder auf der Welt ... die Meinung der USA für die internationale öffentliche Meinung halten": Sie "erkennen es nicht an, dass die Regeln, die von einer kleinen Gruppe Menschen gemacht werden, als Fundament für die internationale Ordnung dienen".[2]
Wie gegen Huawei
Hatten die scharfen Reaktionen von Wang und Yang, die in Anchorage erstmals öffentlich die globale US-Hegemonie ganz grundlegend in Frage stellten, Blinken - so schildern es Beobachter - sichtlich überrascht [3], so scheint Washington auch mit ökonomischen Gegenmaßnahmen nicht gerechnet zu haben, die Beijing nun erstmals gegen einen großen US-Konzern eingeleitet hat - gegen den E-Auto-Hersteller Tesla. Wie berichtet wird, befürchten chinesische Regierungsstellen, die mit zahlreichen Kameras, Sensoren und Radar ausgestatteten Tesla-Fahrzeuge könnten genutzt werden, um die Volksrepublik auszuspionieren; genährt wird der Verdacht dadurch, dass Tesla Kameradaten systematisch abgreift und sie auf seinen Firmenservern speichert. Beijing schränkt aufgrund seines Spionageverdachts nun die Nutzung von Tesla-Fahrzeugen durch Mitarbeiter sicherheitsrelevanter Unternehmen, durch Regierungsangestellte und durch Militärangehörige ein.[4] Die Parallele zum Vorgehen Washingtons gegen Huawei ist unübersehbar, wobei selbst US-Medien konstatieren, die chinesischen Maßnahmen reichten - noch - längst nicht an diejenigen der US-Administration heran. Für Tesla sind die Restriktionen, deren Reichweite nicht absehbar ist, dennoch ein gravierendes Problem: China ist für E-Autos der weltweit mit großem Abstand bedeutendste Markt.[5]
Doppelte Standards
Unerwartet scharf hat Beijing nun auch auf Sanktionen reagiert, die die EU-Außenminister am gestrigen Montag offiziell beschlossen. Grundlage war das Sanktionsgesetz, das die EU Ende 2020 verabschiedet hat und mit dem sie es sich anmaßt, weltweit tatsächliche oder angebliche schwere Menschenrechtsverletzungen mit Zwangsmaßnahmen zu ahnden. Faktisch trifft das Gesetz, mit dem sich die Union zu einer Art Weltjustiz aufschwingt [6], lediglich Personen und Organisationen aus Ländern, mit denen die EU im Streit liegt oder an denen sie ein Exempel statuieren zu können meint. Selbst schwerste Verbrechen wie das Führen völkerrechtswidriger Angriffskriege (1999 gegen Jugoslawien, 2003 gegen Irak) oder die weltweite Verschleppung von Verdächtigen und die Folter an ihnen ("Anti-Terror-Krieg" ab 2001) bleiben dagegen straflos, wenn sie von westlichen Staaten und ihren Beamten begangen werden. Am Montag beschlossen die EU-Außenminister in aller Form Sanktionen etwa gegen das "Xinjiang Produktions- und Aufbaukorps", dem die EU vorwirft, Zwangsarbeiter zu beschäftigen. Beijing weist den Vorwurf zurück. Sanktioniert wurden zudem vier Amtsträger aus China: Sie werden mit einer Software zur Überwachung von Muslimen in Xinjiang in Verbindung gebracht.[7] Softwaregestützte Überwachung von Muslimen war im westlichen "Anti-Terror-Krieg" von Anfang an gang und gäbe.
"Belehrungen beenden"
Bereits nach nur wenigen Stunden hat das chinesische Außenministerium gestern Gegensanktionen verhängt. Die EU müsse aufhören, "andere über Menschenrechte zu belehren und sich in ihre inneren Angelegenheiten einzumischen", heißt es bei dem Ministerium zur Begründung: Sie müsse "die heuchlerische Praxis ihrer doppelten Standards beenden" - sonst behalte China sich "weitere Reaktionen" vor.[8] Beijing sanktioniert - ein Novum gegenüber der EU - vier Institutionen sowie zehn Personen, darunter sechs Europaabgeordnete. Einer von ihnen ist Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen), außenpolitischer Koordinator der Grünen-Fraktion im Europaparlament, einer der Hauptinitiatoren der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), die - unter Mitwirkung von Hardlinern vom ultrarechten Flügel der US-Republikaner sowie unterstützt von einem langjährigen CIA-Mitarbeiter - Kampagnen gegen die Volksrepublik orchestriert (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Mit Sanktionen belegt werden zudem das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Europäischen Rats, das die Zwangsmaßnahmen gegen China vorbereitet hat, und das Mercator Institute for China Studies (Merics), ein Polit-Think-Tank in Berlin. Die Betroffenen dürfen nicht mehr in die Volksrepublik einreisen; ihnen und Unternehmen, die mit ihnen verbunden sind, sind Geschäfte mit China untersagt.[10]
"Koloniale Methoden"
Während das Außenministerium in Beijing gestern die Sanktionen gegen die EU bekanntgab, empfing Außenminister Wang in der südchinesischen Stadt Guilin seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Lawrow hatte erst kürzlich - gleichfalls ungewohnt offen - gegenüber dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell die Sanktionspolitik der Union scharf kritisiert und ihre Zwangsmaßnahmen als "Methoden und Werkzeuge aus der kolonialen Vergangenheit" attackiert.[11] Wang und Lawrow besprachen gestern insbesondere Optionen, sich gegen westliche Finanzsanktionen zur Wehr zu setzen. Man könne sehen, "dass die Sanktionsbestrebungen unserer Gegner, insbesondere der USA, weiter zunehmen", hatte zuvor Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, konstatiert: Nicht einmal ein Ausschluss Russlands vom Zahlungssystem SWIFT sei mehr auszuschließen; Washington sei "unberechenbar".[12] Es gelte jetzt, Vorkehrungen zu treffen. Moskau und Beijing wollten deshalb "auf Abrechnungen in nationalen Währungen und in Weltwährungen umsteigen, die alternativ zum Dollar sind", sagte Lawrow; Systeme, die vom Westen kontrolliert würden, wolle man perspektivisch nicht mehr verwenden. Kommt es dazu, dann stünde auf lange Sicht die Finanzgrundlage der globalen westlichen Hegemonie in Frage.
[1] Alaska tasks to be remembered in history as a landmark: Global Times editorial. globaltimes.cn 19.03.2021.
[2], [3] Hubert Wetzel: Sechs Grad unter null. sueddeutsche.de 19.03.2021.
[4] Keith Zhai, Yoko Kubota: China to Restrict Tesla Use by Military and State Employees. wsj.com 19.03.2021.
*"Neue Erdgas-Pipelines zementieren Abhängigkeiten von klimaschädlichen Ressourcen und konterkarieren die Energiewende. Sie sollten daher – im konkreten Fall von Nord Stream 2 – auch aus geopolitischen Gründen gestoppt werden. Damit stärken wir unsere energiepolitische Souveränität." "Das Pipeline-Projekt *Nord Stream 2* ist nicht nur klima- und energiepolitisch, sondern auch geostrategisch schädlich – insbesondere für die Situation der Ukraine – und *muss daher gestoppt werden*."
US-Regierung fordert Ende von Nord Stream 2, droht mit Sanktionen
*Die US-Regierung fordert von der Bundesregierung die Aufgabe des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 und droht mit Sanktionen. Die Übergriffe werden immer dreister. Inzwischen fordern China und Russland wegen des Verhaltens der US-Regierung die Einschaltung des UN Sicherheitsrates.
US-Außenminister Antony Blinken hat Deutschland zum Stopp der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 aufgefordert. Zugleich schloss Blinken weitere Sanktionen nicht aus, um eine Fertigstellung des Projekts zu verhindern.
Präsident Joe Biden habe sehr deutlich gesagt, dass er die Pipeline für eine „schlechte Idee“ halte - schlecht für Europa und schlecht für die USA, sagte Blinken am Dienstag in Brüssel bei seinem ersten Europabesuch nach dem Amtsantritt. Nord Stream 2 stehe im Widerspruch zu den eigenen Zielen der EU im Bereich der Energiesicherheit. Zudem habe die Pipeline das Potenzial, die Interessen der Ukraine, Polens und einer Reihe weiterer enger Partner oder Verbündeter zu untergraben.
Er erwarte, dass der Streit um die Pipeline auch bei seinem ersten physischen Treffen mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) eine Rolle spielen werde, das am Rande einer am Dienstagmittag beginnenden Nato-Tagung stattfinden soll, sagte Blinken. Er sei sicher, dass er die Gelegenheit haben werde, die US-Position zu Nord Stream 2 zu bekräftigen. Dazu gehöre auch, dass Unternehmen mit US-Sanktionen belegt werden, die an den Bemühungen zum Fertigbau der Pipeline beteiligt sind.
Die Forderungen der USA sind vor allem deswegen brisant, weil die Pipeline mit ihren beiden rund 1230 Kilometer langen Leitungssträngen bereits zu mehr als 90 Prozent fertiggestellt ist. Sie soll künftig eigentlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Russland nach
Deutschland befördern.
Die USA begründen ihre Ablehnung des Projekts mit der ihrer Ansicht nach zu großen Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas und haben im Januar bereits Sanktionen gegen ein am Bau beteiligtes Unternehmen verhängt. Pipeline-Befürworter werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.
*Russland und China fordern Einschaltung des UN-Sicherheitsrates
*Russland und China rücken angesichts des Kurswechsels in der US-Außenpolitik zusammen und fordern eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. In einer Zeit zunehmender globaler Turbulenzen sei ein Gipfel der permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates nötig, damit ein direkter Dialog zur Lösung der gemeinsamen Probleme der Menschheit begonnen werde, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme der beiden Länder. Bei dem Gipfel solle es auch um den Erhalt der globalen Stabilität gehen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte nach Gesprächen mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi, Russland und China seien "unglücklich" über das Vorgehen der USA, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete.
Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden streben die USA eine aktivere Rolle in der Weltpolitik an. Zudem will Biden zu einer mit westlichen Verbündeten abgestimmten Außenpolitik zurückkehren. Erst am Montag hatten die USA, die EU und Großbritannien in einer koordinierten Aktion Sanktionen gegen China beschlossen. Die Spannungen zwischen den USA und Russland sind gestiegen, nachdem Biden vergangene Woche die Frage bejaht, ob der den russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen "Killer" halte. Zudem drohen die USA mit neuen Sanktionen nach Vorwürfen, Russland habe angeblich versucht, die Präsidentenwahl in den USA zu beeinflussen.
In der russisch-chinesischen Stellungnahme werden auch andere Länder aufgefordert, sich nicht in innere Angelegenheiten einzumischen. Anfang März hatten die USA und die EU Sanktionen gegen russische Regierungsvertreter wegen der mutmaßlichen Vergiftung und der Haftstrafe
gegen den oppositionellen Politiker Alexej Nawalny verhängt. Nach der Tass-Meldung warf Lawrow am Dienstag der Spitze der Europäischen Union vor, die Beziehung zu Russland zu zerstören. Die Regierung in Moskau werde deswegen nur Beziehungen zu einzelnen EU-Mitgliedern pflegen.
*„Wer die Diskriminierung der Uiguren thematisiert, sollte erst über die Verfolgung der Christen in Syrien sprechen“
Die „Kunst der Diplomatie“, die seitens des Westens in den letzten Jahren über Sanktionspolitik und hybride Kriege auf Basis von zumeist „Narrativen ohne Substanz“ (z.B. Maidan und US-Wahlmanipulation widerlegt) gegenüber den Ländern Russland und China implementiert wurde,
bestimmt das aktuelle Bild.
Der Westen forderte und fordert souveräne Staaten auf, westliche Standards losgelöst vom eigenen kulturellen Hintergrund anzunehmen (nicht andersherum!), was bisher im Rahmen der „US-Regime-Change-Politik“ (Völkerrecht?) durchgehend scheiterte und massivstes Leid als auch Migrationsströme forcierte.
Gleichzeitig untergraben die USA das globale Organigramm und die westlichen Standards nach Gutdünken, die alle Dritten jedoch befolgen sollen. Das kann nicht ansatzweise überzeugen. Es ist absurd, in einer Form wie nie zuvor seit 1945. Die von den USA ausgehende Politik, größtenteils gedeckt von der EU, ist eine laut UN-Charta unzulässige Einmischung in die Souveränität dritter Staaten.
Die Toleranz gegenüber Ländern, die archaisch im arabischen Raum ihr Gewaltmonopol exerzieren und als loyale westliche Partner reüssieren, Kriegsverbrechen hin oder her (Jemen, Kashoggi oder auch Irak: Chemiewaffen gegen Iran) ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert und wirft Wertefragen auf.
Wer die Diskriminierung der Uiguren thematisiert, sollte zunächst über Verfolgung der Christen in Syrien sprechen, die von den westlich unterstützten/finanziertem „Freiheitskämpfern“ (Terroristen?), die überwiegend nicht Syrer, sondern Söldner sind, verfolgt und zu großen Teilen ausgelöscht wurden. Wie still war es da im Westen?
Der entscheidende Grund für diese Szenarien, ist der Versuch der USA, die Welt wieder zu teilen. Es geht nicht um Uiguren, Christen oder Ukrainer, sondern um Destabilisierung zur US-Machterhaltung. Deswegen spielten Christen, die in Syrien unter Assad immer geschützt waren, für den Westen keine Rolle. „Food for Thought!“
Fazit: Die Welt in Eurasien wächst dynamisch, die Bevölkerung steht grundsätzlich hinter den politischen Führungen wegen der erzielten Erfolge in der erfolgreichen Armutsbekämpfung und der Freizügigkeit. Man wird in dieser Region insbesondere vor dem Hintergrund der rüden jüngeren EU-Politik nicht auf die EU warten.
23.03.2021
Wir haben keine Pandemie – wir haben eine Test-Seuche
abcorona-transition.org, Veröffentlicht am 21. März 2021 von RK. Dr. Köhnlein: «In dem Moment, in dem wir den Test einstellen würden, würden wir überhaupt nichts merken hier in der Praxis.»
Zitat:
Zitat: Vor einem Jahr führte RT Deutschland das erste Interview mit dem Kieler Internisten und Buchautor (Virus-Wahn) Dr. Köhnlein über die Epidemie, die nie da war. Das legendäre, auf youtube gelöschte Video ist hier zu sehen.
Zitat: Auch das zweite Interview ein halbes Jahr später warf hohe Wellen. Darin ging es u.a. um experimentelle WHO-Studien, bei denen Corona-Patienten mit hochtoxischen Mitteln behandelt wurden. Dr. Köhnlein sieht darin eine Erklärung für die Übersterblichkeit, die es im April in einigen Ländern gegeben hat.
Zitat: Nun stattete Margo Zvereva von RT DE Dr. Köhnlein einen dritten Besuch ab, um ein vorläufiges Fazit zu ziehen und einen Ausblick zu wagen. Auch in diesem aktuellen Video macht Dr. Köhnlein Aussagen, die dem offiziellen Narrativ klar widersprechen:
Zitat aus Video ab 21:21 Min.:
"Der Anthony Fauci .... hat sich hingestellt und gesagt, dieses Virus sei so einzigartig und so teuflisch gegen das hat die Menschheit kein Immunsystem und das hat die Angst gemacht.
Letztlich hat sich herausgestellt, dass die Menschheit ein schlechtes Immunsystem dagegen hat, weil sie immunsuppressiv therapiert worden ist. Die Betroffenen wurde ja alle von Anfang an immunsuppressiv therapiert. ... Diese Medikamente haben bei einer akuten viralen Infektion aus meiner Sicht überhaupt nichts zu suchen. Da kann man sich nur auf sein Immunsystem verlassen. Das funktioniert auch."
Zitat aus Video ab 30:35 Min.:
"Wenn wir jetzt aufhören zu testen, dann wäre die Seuche wie ausradiert. Aber das darf nicht sein; dann würde ja die Regierung nackt dastehen sozusagen und deswegen müssen wir jetzt die Impfung als Erlösung sozusagen noch über uns ergehen lassen." "Und dann kann man sagen, so wir haben’s geschafft. Wir haben die Seuche eingedämmt und wir haben sie mit der Impfung letztlich dann aus der Welt gekriegt."
Zitat aus Video ab 36:12 Min.:
Ist der Ungeimpfte ein asozialer Trittbrettfahrer?
"Man kann das Argument auch umdrehen und kann sagen, die Pharmaindustrie ist der asoziale Trittbrettfahrer, weil sie sich auf das sowieso gesundende Immumsystem der Bevölkerung draufsetzt.Wenn man nämlich die Geschichte des Impfens sich ankuckt, dann sieht man deutlich, dass die Infektionskrankheiten vor Einführung der Massenimpfungen stark rückläufig waren.
Nämlich in der Zeit in der es der Bevölkerung besser ging, die Ernährungslage gut war, die sanitären Anlagen wieder besser waren in der Nachkriegszeit hat sich das alles ja deutlich verbessert und die Massenimpfungen - zum Beispiel gegen Masern ist das sehr schön zu sehen - da sehen sie, dass die Sterblichkeit an Masern von 1955-1970 steil abfällt von 200 auf 20 Tote und dann fing die Massenimpfung an. Und daran sieht man sehr gut, dass die Pharmaindustrie sich auf die sowieso gesundende Bevölkerung drauf setzt und den Erfolg des Rückgangs der Infektionskrankheiten für sich beansprucht. Aber das ist in der Regel eigentlich nicht der Fall, sondern das Gegenteil ist der Fall. Geimpfte Kinder sind meistens deutlich kränker als ungeimpfte Kinder. Das ist die Erfahrung, die ich auch gemacht habe in den letzten Jahren
Endloser Krieg – Wie das US-Militär den Abzug aus Afghanistan torpedierte
de.rt.com, 23 Mär. 2021 06:30 Uhr Donald Trump stand kurz vor einem historischen Schritt: dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und Frieden mit den Taliban. Doch immenser Widerstand aus dem Pentagon und Militär machte den Deal zunichte, behauptet der ehemalige Berater des Verteidigungsministers.
Zitat: Am Ende seiner Amtszeit war Trump kurz davor, einen historischen Deal mit den Taliban auszuhandeln und US-Truppen nach bald 20-jähriger Besatzung aus Afghanistan abzuziehen. Doch die Friedensverhandlungen waren von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nach einem Artikel von thegrayzone war es mächtiger Widerstand aus dem Pentagon und dem Militärstab, der letztendlich Trumps Projekt erfolgreich untergraben hat. Colonel Douglas Macgregor, ein ehemaliger Berater des damaligen Verteidigungspräsidenten, erzählt detailliert über die Geschehnisse, die zu einem erneuten Aufflammen der Gewalt in Afghanistan geführt haben – und letztlich zur Fortführung der US-amerikanischen Besatzung in dem Land.
Nur wenige Tage nach der Wahl im November 2020 löste Donald Trump ein politisches Erdbeben aus, als er ankündigte, alle US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Er entsandte Salmai Khalilsad nach Afghanistan, um eine vorläufige Vereinbarung mit den Taliban zu treffen, die letztendlich zu einem Friedensvertrag führen sollte. Fast zeitgleich begann das Militär damit, einen möglichen Deal zu sabotieren. Einer der Hauptakteure saß im Pentagon: der damalige Verteidigungsminister Mark Esper.
Im Februar 2019 sollte Khalilsad, der schon unter George W. Bush Botschafter in Afghanistan war, den Taliban ein Ultimatum überbringen: Entweder sie stimmen einem vollständigen Waffenstillstand zu, um umfassendere Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung einzuleiten, oder der Deal ist vom Tisch. Die Taliban konterten mit ihrem eigenen Ultimatum: eine "Senkung" der Gewalt für eine Woche, um guten Willen zu zeigen. Die Verhandlungen mit der afghanischen Regierung waren schon fortgeschritten. Washington musste entscheiden.
Khalilsad musste die Verhandlungen retten. Man einigte sich auf eine Senkung der Gewalt auf beiden Seiten. Die Taliban stimmten zu, dass es keine Angriffe auf Bevölkerungszentren und afghanische, militärische Stationen geben würde, behielten sich aber das Recht vor, Regierungskonvois anzugreifen, falls sie das Abkommen ausnutzen würden, um die Kontrolle über neue Gebiete zu erlangen.
Das am 29. Februar unterzeichnete Friedensabkommen zwischen den USA und den Taliban war bahnbrechend. Es sah einen Abzug der US-Truppen aus dem Land in zwei Stufen vor. Erstens erklärten sich die USA bereit, ihre Truppenstärke innerhalb von 4,5 Monaten auf 8.600 zu reduzieren und ihre Truppen aus fünf Militärbasen abzuziehen, bevor der endgültige Abzug im Mai 2021 erfolgen würde. Zweitens verpflichteten sich die USA und ihre Verbündeten, "von der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit Afghanistans oder der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes abzusehen".
Ein wahrlich weitreichendes Abkommen, das auf Gegenwehr aus Pentagonkreisen stoßen musste. Die Taliban versprachen im Gegenzug, dass sie "keinem ihrer Mitglieder, anderen Individuen oder Gruppen, einschließlich al-Qaida, erlauben werden, den Boden Afghanistans zu benutzen, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu bedrohen".
US- und Taliban-Kräfte wurden verpflichtet, sich nicht gegenseitig anzugreifen. In der Vereinbarung wurde außerdem festgelegt, dass die Taliban "am 10. März 2020 in innerafghanische Verhandlungen eintreten, nachdem die beiden afghanischen Parteien Gefangene ausgetauscht haben sollen". Aber der Pakt sah nicht den sofortigen Waffenstillstand zwischen der Taliban und den afghanischen Regierungstruppen vor, den das US-Militär und das Pentagon forderten.
Sabotage von höchster Stelle
Hier konnten Gegner des Abkommens ansetzen, um die Friedensbemühungen entgleisen zu lassen. Zuerst behauptete Verteidigungsminister Esper, das Friedensabkommen erlaube es dem US-Militär, die afghanischen Streitkräfte zu verteidigen, was in eklatantem Widerspruch zum Text des Abkommens steht. Dann versprach er, die afghanische Regierung zu verteidigen, falls die Taliban Angriffe auf ihre Streitkräfte starteten, und schuf damit die Voraussetzungen für amerikanische Verstöße vor Ort.
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani weigerte sich prompt, einen versprochenen Gefangenenaustausch vorzunehmen, bevor nicht formelle Verhandlungen mit den Taliban begonnen hätten. Die Taliban reagierten mit einer Reihe von Angriffen auf Regierungstruppen an Kontrollpunkten in den umkämpften Gebieten. Das US-Militärkommando in Afghanistan reagierte mit einem Luftangriff gegen Taliban-Kräfte, die an einer dieser Operationen in der Provinz Helmand beteiligt waren.
Die Kombination aus Espers Zusicherung gegenüber der afghanischen Regierung und dem US-Luftangriff zeigte die Hand des Pentagons und der militärischen Führung. Es war klar, dass sie nicht die Absicht hatten, einen Deal passiv zu akzeptieren. Alles beruhte darauf, den Eindruck zu wecken, die Taliban hätten ihre Verpflichtungen nicht eingehalten. Diese List wurde vor allem von Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Esper öffentlich vorgebracht.
In einem Interview mit CBS News erwähnte Pompeo "eine detaillierte Reihe von Verpflichtungen, die die Taliban über das Ausmaß der Gewalt gemacht haben, die auftreten kann ..." Aber das war eine absichtliche Verschleierungstaktik. Obwohl die Taliban der siebentägigen "Gewaltreduzierung" zugestimmt hatten, galt sie nicht für das am 29. Februar 2020 unterzeichnete Friedensabkommen.
General Austin "Scott" Miller, Befehlshaber der Mission "Resolute Support", ließ über einen Sprecher auf Twitter verlauten: "Die Vereinigten Staaten waren sehr klar über unsere Erwartungen – die Gewalt muss niedrig bleiben."
General Kenneth McKenzie, der Chef des Zentralkommandos, unterstrich den Widerstand des Pentagons gegen das Abkommen, als er vor dem Kongress erklärte, dass der Truppenabzug von den "Bedingungen vor Ort" abhängen würde.
Nach Trumps Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen im November 2020 und nach der Ausarbeitung der Strategie zur Sabotage des afghanischen Friedensabkommens einigten sich Esper, McKenzie und Miller auf ein Memorandum der "Befehlskette", in dem Trump vor einem weiteren Abzug aus Afghanistan gewarnt wurde, bis "Bedingungen" erfüllt seien. Zu diesen Bedingungen gehörten ein "Rückgang der Gewalt" und "Fortschritte am Verhandlungstisch".
Trump zum Kompromiss gezwungen
Trump reagierte auf das Memo mit Empörung und feuerte Esper am 9. November kurzerhand. Er ersetzte ihn durch Christopher Miller, den ehemaligen Leiter des US-Zentrums für Terrorismusbekämpfung, der mit Trump in Bezug auf den Abzug aus Afghanistan übereinstimmte.
Am selben Tag bat Trump Oberst Douglas Macgregor, als Millers "Senior-Berater" zu dienen. Macgregor war ein unverblümter Befürworter des Abzugs aus Afghanistan und ein scharfer Kritiker anderer US-Kriege im Nahen Osten, vom Irak bis Syrien. Laut Macgregor traf er Miller am 10. November und sagte ihm, dass ein Abzug aus Afghanistan nur durch einen formellen Befehl des Präsidenten erreicht werden kann. Später an diesem Tag diktierte Macgregor dem Weißen Haus telefonisch den Wortlaut eines solchen Befehls.
Der Befehlsentwurf besagte, dass alle uniformierten Militärangehörigen bis spätestens 31. Dezember 2020 aus Afghanistan abgezogen werden sollen. Macgregor wies den Mitarbeiter an, ein "National Security Presidential Memorandum" aus den Akten des Weißen Hauses zu holen, um sicherzustellen, dass es im richtigen Format veröffentlicht wurde.
Macgregors Kontaktperson im Weißen Haus informierte ihn am Morgen des 11. November, dass Trump das Memorandum gelesen und sofort unterschrieben habe. Am 12. November erfuhr er jedoch, dass Trump sich mit dem Vorsitzenden der Joint Chiefs Mark Milley, dem nationalen Sicherheitsberater Robert O'Brien und dem amtierenden Minister Miller getroffen hatte. Laut Macgregors Kontaktperson im Weißen Haus wurde Trump mitgeteilt, dass die von ihm im Memorandum erteilten Befehle nicht ausgeführt werden können.
Milley argumentierte, dass ein Abzug den Chancen auf eine endgültige Friedensregelung schaden würde und dass die weitere US-Präsenz in Afghanistan "parteiübergreifende Unterstützung" habe, wurde Macgregor informiert. Später in der Nacht erfuhr Macgregor, dass Trump zugestimmt hatte, nur die Hälfte der Truppen abzuziehen: 2.500 Mann. Trump hatte wieder einmal dem militärischen Druck nachgegeben, wie er es wiederholt in Bezug auf Syrien getan hatte.
Das Manöver des Pentagons, die Initiative der Trump-Administration zur Beendigung eines extrem unpopulären Krieges in Afghanistan zu behindern, war nur ein Beispiel in einem seit langem etablierten Muster der Untergrabung der Autorität des Präsidenten in Fragen von Krieg und Frieden.
In jüngsten Diskussionen mit Mitgliedern seines nationalen Sicherheitsteams hat Biden gegen die Bemühungen des Verteidigungsministeriums, die US-Truppen über den 1. Mai hinaus in Afghanistan zu halten, zurückgeschlagen, hieß es aus Kreisen des Präsidenten. Aber er wurde überredet, eine sechsmonatige Verlängerung in Betracht zu ziehen.
"Biden will raus", sagte eine der Personen, die mit den Diskussionen vertraut ist. Diese Person sagte, dass der Pentagon-Chef das Argument vorgebracht habe, dass die Taliban ihren Teil der Vereinbarung nicht einhalten, und beschrieb das Argument als "Sehen Sie, das gehört jetzt Ihnen, Herr Präsident, und wir können Ihnen nicht garantieren, was passieren wird, wenn wir einfach überstürzt alle abziehen".