Inmitten der Trümmer der Türkei liegt Erdogans politisches Schicksal
seniora.org, 17. Februar 2023, Von Ceyda Karan 13. Februar 2023 – thecradle.co
Die Auswirkungen des jüngsten Erdbebens, das sowohl die Türkei als auch Syrien erschüttert hat, sind noch nicht vollständig abzuschätzen, aber die türkische Republik hat bereits erhebliche Schäden erlitten, die langanhaltende politische Auswirkungen haben könnten.
Diese Worte von Dr. Fatih Yaşli, einem Akademiker der Bolu Abant Izzet Baysal Universität, beschreiben das Gefühl vieler Türken, die von dem verheerenden Erdbeben erschüttert wurden, das am 6. Februar 2023 die südlichen Regionen des Landes und das benachbarte Syrien heimsuchte."Wir werden Tag und Nacht durch die Abwesenheit von etwas getestet, das versucht, uns an seine Macht, seine Kraft und seine Größe glauben zu lassen. (Nein, es ist nicht Gott)."
Die beiden Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6, die die Stadtteile Pazarcik und Elbistan in Kahramanmaras erschütterten, zerstörten nicht nur ganze Stadtteile, sondern erschütterten innerhalb von 24 Stunden auch die türkische Wahrnehmung des sogenannten "allmächtigen Staates" von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Das Versagen des Staates
Die Menschen fragten sich: "Wo ist die Hilfe, wo ist der Staat?", während sie verzweifelt unter den Trümmern warteten, während die Infrastruktur des Landes - einst der Stolz der Regierung Erdogan - in Trümmern lag. Das Fehlen geeigneter Hilfskampagnen und die Unzugänglichkeit der Städte aufgrund widriger Wetterbedingungen verschlimmerten das Leiden der betroffenen Bevölkerung noch.
Die Gaziantep-Adana-Autobahn lag in Trümmern. Die neu eröffnete Brücke in Malatya stürzte ein, und der Flughafen, dessen Terminaldach beschädigt war, wurde für zivile Flüge geschlossen. Hatay (Antiochia) konnte mit dem Flugzeug nicht erreicht werden, da die Landebahn des Flughafens, der trotz der Warnungen von Wissenschaftlern in der Amik-Ebene gebaut wurde, schwer beschädigt wurde. Die meisten der Krankenhäuser in Hatay, in die die Verwundeten gebracht wurden, waren zusammengebrochen. Die Rathäuser existierten nicht mehr.
Das Trauma, das das Erdbeben, das 10 Provinzen der Türkei betraf, verursachte, war enorm. Hinzu kam die Erkenntnis, dass die Hilfe des Staates in der Zeit der Not ausblieb.
Das Video des Bürgermeisters von Bolu, Tanju Ozcan, der Elbistan 24 Stunden nach dem Erdbeben erreichte, zeigt den verzweifelten Zustand der Überlebenden, die immer noch auf Hilfe warten. Während die eingeebnete Stadt mit einer weißen Schneedecke bedeckt war, erklärte Özcan, dass die wenigen Helfer, die es gab, nichts tun konnten. "Hier leben Menschen", sagte er und deutete auf die Trümmer.
Das Golcuk-Erdbeben der Stärke 7,4, das Istanbul 1999 heimsuchte, hatte die Nation ebenfalls durch die verzweifelten Schreie der in den Trümmern Eingeschlossenen erschüttert - und die nationale Politik in der Folge für immer verändert.
Viele, die sich an den Aufruhr gegen die Behörden während der Katastrophe von 1999 erinnerten, waren schockiert, als sie feststellten, dass es damals tatsächlich einen funktionierenden Staat gab. Das Versäumnis, auf diese jüngste Katastrophe zu reagieren, hat Fragen über die Bereitschaft und Fähigkeit der Regierung aufgeworfen, in Krisenzeiten Hilfe zu leisten.
Unzureichende Katastrophenhilfe
Die dem Innenministerium unterstellte Agentur für Katastrophen- und Notfallmanagement (AFAD) ist für den Umgang mit nationalen Katastrophen und Notfällen zuständig. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen die Führungskräfte der Katastrophenschutzbehörde Militärexperten sind, handelt es sich bei den Führungskräften der AFAD in der Türkei meist um Imam-Hatip-Absolventen (Religionsschulen) mit fragwürdigen Qualifikationen. Die Agentur wurde auch dafür kritisiert, dass sie personell unterbesetzt ist und große Koordinationsprobleme hat.
In den ersten kritischen Stunden nach dem Erdbeben trafen die AFAD-Beamten entweder nie an den Trümmern ein oder kamen nur, um Notizen zu machen. Der Mangel an verfügbarer Ausrüstung wie Kränen und Baumaschinen machte es schwierig, die betroffenen Gebiete zu erreichen.
Erfahrene Bergleute in der Schwarzmeerregion wurden erst 48 Stunden nach dem Erdbeben entsandt. Im Gegensatz dazu wurden die türkischen Streitkräfte (TAF) während des Golcuk-Erdbebens 1999 innerhalb kurzer Zeit eingesetzt, doch diesmal waren es nur 3.500 Soldaten in den ersten 24 Stunden.
Zivile Mobilisierung und Verbot der sozialen Medien
Am 7. Februar verhängte die türkische Regierung den Ausnahmezustand (OHAL) über das Katastrophengebiet und rief eine Woche der Trauer aus. Trotz der großen Unterstützung durch die oppositionellen Gemeinden und die Zivilgesellschaft wurde die Regierung für ihre langsame Reaktion und mangelnde Vorbereitung kritisiert. Darüber hinaus war der Türkische Rote Halbmond vor Ort praktisch nicht präsent.
Erdogan reagierte auf die Kritik, indem er ausholte und erklärte, er werde sich zu gegebener Zeit mit den "Lügen" und "Verzerrungen" auseinandersetzen, die gegen seine Regierung vorgebracht wurden. Doch schon am nächsten Tag wurden die sozialen Medien, die von der Zivilgesellschaft genutzt wurden, um mit Such- und Rettungsmeldungen Leben zu retten, abgeschaltet, was zu großer Empörung führte.
Der Zugang wurde erst wiederhergestellt, nachdem der berühmte türkische Sänger Haluk Levent, der für seine Wohltätigkeitsarbeit bekannt ist, die Behörden zur Rede gestellt und das Verbot der sozialen Medien als "gleichbedeutend mit Mord" bezeichnet hatte.
Die Rolle der türkischen Armee
Das vielleicht umstrittenste Thema war die Reaktion der türkischen Streitkräfte (TAF) auf die Katastrophe. Trotz der Präsenz von 50 Tausend türkischen Soldaten in Syrien wurden in den ersten 24 Stunden nach dem Erdbeben nur 3500 Soldaten eingesetzt.
Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte Recht, als er erklärte, dass die türkischen Truppen aufgrund der Wetterbedingungen und der zerstörten Landwege verspätet eintrafen. Aber das Versäumnis von Präsident Erdogan, die TAF effektiv zu mobilisieren, blieb nicht unbemerkt.
Offiziere im Ruhestand, die an den Hilfsmaßnahmen für das Erdbeben in Golcuk 1999 teilgenommen hatten, hatten in den ersten Stunden der Katastrophe dieses Monats Warnungen ausgesprochen. Konteradmiral a.D. Cem Gurdeniz forderte die Entsendung von amphibischen Schiffen in die Bucht von Iskenderun, um Hatay zu helfen. Inzwischen hatten Teams aus Ländern wie Russland, Spanien und Israel bereits Feldlazarette eingerichtet.
Experten wiesen darauf hin, dass die Fähigkeit und Kapazität der TAF, auf solche Katastrophen zu reagieren, nach und auch schon vor dem Putschversuch von 2016 deutlich reduziert worden war. Als Beispiel wurde die Schließung der prestigeträchtigen Gülhane Military Medical Academy (GATA) angeführt.
Admiral a.D. Turker Erturk, ehemaliger Kommandeur der Schwarzmeerflotte, betonte die Bedeutung der Rolle der Armee sowohl bei der Reaktion auf Naturkatastrophen als auch auf Bedrohungen von außen und erklärte:
"Die Regierung hat die Gesundheitseinrichtungen und -kapazitäten der türkischen Armee und die Feldlazarette zerstört. Sie hat auch ein Gesetz erlassen, damit die TAF sich nicht in solche Angelegenheiten einmischen kann. Die TAF hatte Pläne für Sicherheit, öffentliche Ordnung und Hilfe, die EMASYA hießen, und den Plan für die Hilfe bei Naturkatastrophen, DAFYAR genannt. Erdogan hat Gesetze gemacht und sie zerstört. Er hat das Militär daran gehindert, dem Volk zu Hilfe zu eilen."
Wahlen und das Schicksal von Erdogans AKP
Erdogans 20-jährige Amtszeit an der Spitze der Türkei baute auf den Wunden auf, die ihm das Erdbeben von Golcuk 1999 zugefügt hatte. Ironischerweise könnte sein politischer Untergang nun durch das Erdbeben von 2023 herbeigeführt werden.
Am 9. Februar teilte ein türkischer Beamter der Nachrichtenagentur Reuters mit, dass "es ernsthafte Schwierigkeiten vor der Durchführung der Wahlen am 14. Mai gibt." Das Mandat von Präsident Erdogan erlaubt es ihm nur im Kriegsfall, die Wahlen zu verschieben, was die Zustimmung seiner Opposition erfordert. Es gibt jedoch bereits Andeutungen, dass er den Ausnahmezustand als Verzögerungstaktik nutzen könnte.
Erdogan hat dies möglicherweise bereits angedeutet, ohne die Wahlen direkt zu erwähnen: "Wir glauben, dass wir diesen Prozess, d.h. den Bau von Hunderttausenden von Häusern mit ihrer Infrastruktur und ihren Aufbauten, in kurzer Zeit abschließen werden. Ich will ein Jahr von Ihnen."
Orhan Bursali, ein Kolumnist der Tageszeitung Cumhuriyet Daily, ist dieser Meinung, denn er glaubt, dass Erdogan erhebliche Verluste befürchtet, wenn der Bau wie geplant fortgesetzt werden sollte. Bursali führt die schlechte wirtschaftliche Lage der Türkei und die Korruption als Gründe für dieses Kalkül an.
"Jetzt hat dieses große Erdbeben die natürlichen Voraussetzungen für eine Verschiebung der Wahl geschaffen. Diese Gelegenheit hat der Palast in der Tasche", sagte er.
Dr. Fatih Yaşli hingegen behauptet, dass Erdogans Befugnis, die Wahlen zu verschieben, nur "im Falle eines Krieges" in Frage steht, was er für sehr unwahrscheinlich hält, selbst wenn es dem Präsidenten gelingen sollte, einen Kompromiss mit der Opposition zu schließen.
Yaşli behauptet, dass die aufbauende Wirtschaft und die auf der Verteilung von Renten basierende Politik, die Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) seit 20 Jahren verfolgt, mit diesem Erdbeben zusammengebrochen sind. Er weist darauf hin, dass sich die türkische Wut nicht auf die vom Erdbeben betroffenen Regionen beschränkt, sondern landesweit zu beobachten ist und die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne des Präsidenten durchkreuzt:
"Das Erdbeben hat es Erdogan schwer gemacht, der ohnehin schon schwere Zeiten durchmacht und dessen Stuhl wackelt. Er sieht auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Sieges bei einer auf normalem Wege abgehaltenen Wahl gering ist. Aus diesem Grund hat er - wenn er sich nicht auf den Wahnsinn einlässt, die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben - keine andere Wahl, als in den kommenden Tagen eine härtere Politik zu verfolgen, den Druck auf die Opposition zu erhöhen und das Land in einer Atmosphäre des Ausnahmezustands zu den Wahlen zu führen, in der der Staat alle seine Mittel einsetzen wird."
Auswirkungen auf die Außenpolitik
Der außenpolitische Analyst und Politikwissenschaftler Aydin Sezer warnt, dass Erdogans AKP vor einer schwierigen Situation steht und den Problemen nicht ausweichen kann, indem sie sich hinter dem Ausmaß des Erdbebens versteckt - oder die Zerstörung mit "Schicksal und Religion" in Verbindung bringt und Bargeld verteilt, um die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, wie in der Vergangenheit.
Sezer argumentiert, dass "es bei der Wahl nicht nur um die Machtübergabe geht, sondern um das Überleben der AKP". Dies könnte Erdogan dazu zwingen, in Syrien eine dringende, schlimme Situation zu schaffen, die als "Krieg" interpretiert werden kann.
Angesichts dieser Umstände ist es wichtig, die heikle Lage der Beziehungen der Türkei zu ihren westlichen NATO-Verbündeten zu verstehen, insbesondere in Bezug auf Syrien.
Während das Erdbeben die Schicksale der Türkei und Syriens innerhalb weniger Minuten zusammenbrachte, ist es bezeichnend, dass Ankara nicht auf die Forderungen reagierte, seine Grenzen zu öffnen und einen Luftkorridor für Hilfslieferungen außerhalb der von dem türkischen Verbündeten und Al-Qaida-Mitglied Hayat Tahrir al-Sham (HTS) kontrollierten Gebiete zu schaffen.
Vor dem Erdbeben hatte die Türkei durch russische Vermittlung Kontakt mit Damaskus aufgenommen, was bereits den Zorn Washingtons auf sich gezogen hatte. Die Regierung von Joe Biden hat sich offen gegen eine mögliche Versöhnung zwischen Ankara und dem syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad ausgesprochen.
Das jüngste Erdbeben in der Türkei und die laufenden Wahlen haben eine hitzige Debatte über die Richtung, in die sich das Land bewegt, ausgelöst. Da die Biden-Administration Ankaras Syrien-Politik ablehnt und die finanzielle Belastung durch das Erdbeben groß ist, besteht nun ein immenser politischer und wirtschaftlicher Druck auf die Türken, sich an den Sanktionen gegen Russland zu beteiligen.
Die türkische Wirtschaft, die bereits mit einer hohen Inflation, hohen Wechselkursen und einem sinkenden Lebensstandard zu kämpfen hatte, hat durch das Erdbeben schätzungsweise einen finanziellen Verlust von mehr als 100 Milliarden Dollar erlitten. Auf das betroffene Gebiet entfallen 8,7 Prozent der Exporte des Landes im Wert von 19,76 Milliarden Dollar, und es besteht die Gefahr eines Rückgangs der Produktion und der Exporte sowie einer neuen Welle der Abwanderung aus der Region.
Nach dem Erdbeben in der Türkei?
In diesem Zusammenhang werden langfristige Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EU diskutiert. Die USA und die EU brauchen das NATO-Mitglied Türkei nach wie vor, aber sie halten Präsident Erdogan nicht für einen verlässlichen Partner in der Allianz.
Diese Katastrophe wird sich wahrscheinlich auf die politischen und wirtschaftlichen Gleichgewichte in der Türkei auswirken, und der Ausgang ist innenpolitisch unklar. Erdogans erster Schritt nach dem Erdbeben war ein Telefonat mit den Führern der rechten Parteien im türkischen Oppositionsblock - unter Ausschluss des Führers seiner Hauptopposition, der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP) -, indem er die Möglichkeit einer rechtsgerichteten "Regierung der nationalen Einheit" ansprach.
Dieses Szenario würde eine erneute Annäherung der Türkei an den Westen und die USA bedeuten. Eine Verschiebung der Wahlen auf den Herbst durch eine Versöhnung mit der Opposition würde die Politik des Gleichgewichts zwischen dem Westen und dem Osten aufrechterhalten, während eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit die Idee einer Hinwendung zum Osten verstärken würde.
Die Türkei befindet sich in einer komplexen politischen und wirtschaftlichen Situation, und es ist unklar, welche Richtung das Land kurzfristig einschlagen wird. In der Zwischenzeit erlebt das türkische Volk das Trauma dieser Ungewissheit und das Fehlen des "heiligen Staates".
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.
Die Auswirkungen des jüngsten Erdbebens, das sowohl die Türkei als auch Syrien erschüttert hat, sind noch nicht vollständig abzuschätzen, aber die türkische Republik hat bereits erhebliche Schäden erlitten, die langanhaltende politische Auswirkungen haben könnten.
Ceyda Karan, geboren 1970, studierte Journalismus an der Universität Istanbul. Im Laufe ihrer Karriere hat sie bei bekannten türkischen Zeitungen und Fernsehsendern gearbeitet. Sie ist eine der führenden Journalistinnen, die sich auf den Bereich Außenpolitik in der Türkei spezialisiert haben. Sie arbeitete als Chefredakteurin für Auslandsnachrichten und Kommentatorin bei Zeitungen wie Radikal Daily und Cumhuriyet (Republic) Daily, der ältesten und einflussreichsten Zeitung der Türkei. Sie arbeitete auch für Fernsehsender wie Kanal D, Haberturk TV, Halk TV und Tele1. Seit 20 Jahren schreibt sie wöchentliche Kolumnen zu globalen Themen. Derzeit ist sie Kommentatorin bei der unabhängigen türkischen Zeitung Birgün Daily und arbeitet als Moderatorin und Kommentatorin bei RSFM (Sputnik Turkish Radio); sie hat eine Nachrichtensendung namens 'Eksen' (Achse).
Quelle: https://thecradle.co/article-view/21378/amid-turkiyes-rubble-lies-erdogans-political-fate
Mit freundlicher Genehmigung von thecradle.co
Übersetzt mit deeple Pro von seniora.org
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.





Zitat: Als im vergangenen Jahr monatelang über Pro und Kontra zur beabsichtigten Ansiedlung einer Munitions-Fabrik auf Lahrer Gemarkung diskutiert wurde, dachte kaum jemand dabei an Uran-Munition ("DU-Munition"). Tatsächlich aber hätte die Firma Saltech in einer solchen Fabrik - früher oder später - auch Uran-Munition herstellen können. Diese ist schließlich nicht verboten. Im November 2016 forderten 146 Staaten der UN-Vollversammlung - von insgesamt 193 Mitglieds-Staaten - in einer Resolution, die Herstellung, Verbreitung und Anwendung von Uran-Munition und Uran-Waffen zu verbieten. Bis heute konnte dies nicht durchgesetzt werden. In Deutschland ist die Bevölkerung kaum über die katastrophalen Folgen des Einsatzes von Uran-Munition informiert. Deshalb zeigte das Friedensforum Lahr in Kooperation mit der Volkshochschule Lahr den Dokumentar-Film 'Deadly Dust'.
Der Film des mit vielen Preisen ausgezeichneten Dokumentar-Filmers Frieder Wagner beginnt mit der Spurensuche im Irak. Bereits im 2. Golf-Krieg, 1991, hatte das US-Militär in diesem Land Uran-Munition eingesetzt. In Nachrichten in den Mainstream-Medien wird diese auch als DU-Munition bezeichnet. Die Abkürzung DU steht für "depleted uranium", zu Deutsch: "abgereichertes Uran". Erneut im Irak-Krieg 2003 setzte das US-Militär diese radioaktive und chemisch giftige Munition ein. Der Arzt, Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther ist zusammen mit Tedd Weyman, Vizedirektor des in Kanada ansässigen 'Uranium Medical Research Centre' (UMRC) im Irak unterwegs. Sie werden von Frieder Wagner filmisch begleitet. Prof. Günther hatte von 1990 bis 1995 an der Universitätsklinik Bagdad gelehrt und gearbeitet. Schon in den 1990er-Jahren hatte Prof. Günther als Arzt im Irak Krankheitsbilder festgestellt, die er dort zuvor noch nie beobachtet hatte - unter anderem fielen ihm eine Häufung von Leukämie sowie Mißbildungen bei Neugeborenen auf. Als er außerhalb von Basra, einer Zwei-Millionen-Stadt im Süden des Irak, Kinder mit Geschossen spielen sah, die als Puppen angemalt waren, und eines dieser Kinder wenig später an Leukämie erkrankte und starb, schöpfte er Verdacht. Er begann, die Kinder zu befragen, und fand heraus, daß die an Leukämie erkrankten Kinder mit Munition oder in Panzerwracks gespielt hatten und außerdem fast alle Väter von Kindern mit Mißbildungen, die jenen nach der Tschernobyl-Katastrophe glichen, als Soldaten an den Panzerschlachten südlich von Basra teilgenommen hatten. Ende 1991 begann Günther, erste Artikel über seine Untersuchungen zu schreiben. Tedd Weyman will im Irak Wasser- und Bodenproben sowie Urin-Proben mutmaßlich belasteter Menschen nehmen, um sie in Toronto untersuchen zu können. An einem Panzerwrack, wie sie zahlreich auf den früheren Schlachtfeldern im Irak herumliegen, finden Prof. Günter und Tedd Weyman unverkennbare Spuren des Beschusses durch Uran-Munition. Wie ein Messer durch Butter durchdringt diese Munition Panzerstahl. An einem Einschußloch steigt die Anzeige des Geigerzählers bis über den roten Bereich hinaus: Über 3 Millirem pro Stunde.
Uran-Munition wird vom Militär wegen der hohen Durchschlagskraft geschätzt. Anders als im Falle der Atombombe wird Uran bei dieser Munition nicht zum Zwecke einer Explosion verwendet, sondern - ähnlich wie im Falle von Blei-Munition - wegen seiner hohen Dichte. Ein Kubikdezimeter Wasser wiegt ein Kilogramm, ein Kubikdezimeter Blei rund 11 Kilogramm und ein Kubikdezimeter Uran rund 19 Kilogramm. Mit Uran-Munition kann die stählerne Außenhülle jedes beliebigen Panzers durchschlagen werden. Rüstungsfirmen produzieren heute unter anderem tragbare Panzerfäuste, mit denen sogar aus einem halben Kilometer Entfernung 70 Zentimeter dicker Panzerstahl durchschlagen werden kann. Eine solche Panzerfaust hat schußbereit - also mit der entsprechenden Rakete bestückt - lediglich ein Gewicht von 13 Kilogramm. Beim Einschlag in einen Panzer wird in dessen Inneren eine Temperatur von über tausend Grad Celsius erreicht. Ein zusätzlicher Effekt ist, daß sich beim Aufprall auf ein gepanzertes Ziel heißer Uranstaub bildet, der sich im Inneren des Panzers entzündet und die Besatzung tötet. Es wird Uranoxid freigesetzt und die Umwelt damit radioaktiv und chemisch vergiftet. Trotz der zumindest den Regierungen und den Militärs schon seit Beginn der 1990er-Jahre bekannten katastrophalen Folgewirkungen von Uran-Munition, kam diese auch im Syrien-Krieg zum Einsatz. Nach eigenen Angaben des US-Militärs vom Februar 2017 beschossen US-Kampfjets am 16. und 22. November 2015 Öl-Lastwagen der IS-Terror-Miliz mit panzerbrechender Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthielten. Dabei seien etwa 350 Fahrzeuge zerstört worden. Um diese Öl-Lastwagen abzuschießen, hätte jedoch konventionelle Munition vollauf genügt. Prof. Günter und Tedd Weyman besuchen den "Panzerfriedhof" Auweiry bei Bagdad. Zusammen mit dem Arzt Prof. Mohammad Al-Shekhli nehmen sie dort Proben des an den Panzerwracks anhaftenden Wüstenstaubes. In diesen Tagen beobachten sie auch Kinder dabei, die sich dort aufhalten. Das Gelände ist wegen des Altmetalls beliebt. LKW wirbeln beim Ein- und Ausfahren den Staub auf. Überall auf dem Gelände ist eine erhöhte Radioaktivität meßbar. Zusammen mit Tedd Weyman untersucht Prof. Günther eine Stelle am sogenannten Tor Nummer Sechs bei Bagdad, wo heftige Panzergefechte stattfanden. Obwohl dort die Panzerwracks abtransportiert wurden, liegt die radioaktive Strahlung noch um das Hundert- bis Hundertfünfzigfache über der Hintergrundstrahlung. Und wenige Meter davon entfernt findet sich ein mobiler Verkaufsstand, der Vorbeifahrende mit Getränken versorgt. Am mineralogischen Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main untersucht Dr. Axel Gerdes die Proben aus dem Irak mit einem Massenspektrometer und stellt sehr hohe Konzentrationen von abgereichertem Uran fest. Im Staub macht das abgereicherte Uran einen Anteil von 50 bis 60 Prozent aus. "Das Problem, das einzuatmen besteht weiter - für zehn, für zwanzig, für dreißig, ja, für hundert Jahre," so Gerdes. Auch im zerbombten Fernmelde- und Fernseh-Zentrum Bagdads finden sich stark erhöhte Radioaktivitätswerte, die auf bunkerbrechende Uran-Waffen zurückzuführen sind. Eine einzige Bombe ist durch sechs Stockwerke aus Stahlbeton gegangen, darauf noch zwölf Meter tief in den Keller, bevor sie explodierte. Tedd Weyman sammelt Staubproben aus der Ruine und Urin-Proben von AnwohnerInnen. Beim Einsammeln der Proben in der Ruine verzichtet Weyman auf die eigentlich obligatorische Atemschutz-Maske, um nicht die Aufmerksamkeit des US-amerikanischen Militärs auf sich zu ziehen, denn schon allein das Fotografieren ist hier verboten. In den Urin-Proben finden sich bei der Untersuchung extrem hohe Werte von abgereichertem Uran. Frieden Wagner interviewt Kenny Duncan, einen Golf-Kriegs-Veteranen. Im Jahr 2004 wurde ihm als erstem britischem Kriegsveteranen eine Pension zugesprochen, weil er im Golf-Krieg 1991 durch abgereichertes Uran verseucht wurde. Ein wesentlicher Entscheidungsgrund war der Nachweis einer Chromosomen-Abweichung in seinen Körperzellen, die auf abgereichertes Uran zurückzuführen ist. Für Hunderte von Soldaten der Allianz hatte der Feldzug des Jahres 1991 bittere Folgen: Sie leiden bis heute an Muskelschwäche, neurologischen Krankheiten, Kopfschmerzen, Depressionen, Gedächtnisausfällen, Schlafstörungen und weiteren Gebrechen, die als "Golf-Kriegs-Syndrom" zusammengefaßt wurden. Der Chemiker Prof. Dr. Albrecht Schott untersuchte die Gene von britischen Golf-Kriegs-Veteranen. Im Blut des Veteranen Kenny Duncan fand er auffallend viele genetische Veränderungen - und zwar von einer Art, die typisch für Radioaktivität ist und die nicht von anderen Ursachen herrühren kann. Prof. Schott erklärte: "Kenny Duncan war vor dem Golf-Krieg von 1991 ein kraftstrotzender, gesunder Mann, seine Chromosomen waren völlig in Ordnung. Dann kam die Strahlung, weil er im Golf-Krieg monatelang britische Panzer repariert hatte, die durch die eigenen Truppen durch 'friendly fire' getroffen worden waren. So kam es bei ihm - wie wir eindeutig festgestellt haben - zu Chromosomenbrüchen. Je höher die Rate an Chromosomenbrüchen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Krebs. Diese hohe Zahl von Chromosomenbrüchen kann man in der Familie von Kenny Duncan und seiner Frau Mandy sehen. Sie haben drei Kinder, und alle drei Kinder sind genetisch schwer geschädigt." Im Februar 2004 unterlagen die Golf-Kriegs-Veteranen vor Gericht mit ihrer Klage gegen das britische Kriegsministerium. Die britische Regierung hat - ebenso wie die US-amerikanische - stets bestritten, durch eigenes Verschulden das "Golf-Kriegs-Syndrom" verursacht zu haben. Allerdings gewährte die britische Regierung 2000 Golf-Kriegs-Veteranen eine Rente für Gesundheitsschäden, die ohne eigenes Verschulden zustande kommen. Kenny Duncan konnte vor Gericht eine weitere finanzielle Entschädigung erkämpfen. Jenny Moore, ebenfalls Golf-Kriegs-Veteranin, war im Irak in einem Munitionsdepot tätig. Nach dem Krieg wurde Jenny Moore mit Zwillingsbabies schwanger. In der 18. Schwangerschaftswoche stellten die Ärzte bei einer Untersuchung fest, daß eines davon schwer mißgebildet war. Sie fragten die Schwangere, welche Drogen sie genommen habe. Sie solle froh sein, daß eines überlebt, weil die beiden sich in getrennten Fruchtblasen befanden. In der 24. Woche starb der eine Embryo. Bei einer folgenden Schwangerschaft hatte Jenny Moore eine Fehlgeburt und mußte feststellen, daß das totgeborene Mädchen keine Augen hatte. Erst als sie sich danach über vergleichbare Fälle informierte, wurde ihr klar, daß ihre Babies am "Golf-Kriegs-Syndrom" gestorben waren. Frieder Wagner begleitet Prof. Günther bei einem Treffen mit dessen altem Kollegen, Dr. Asaf Durakovic, anläßlich einer Tagung am Starnberger See. Der amerikanische Arzt war einst Oberst und Kommandant einer Sanitäter-Einheit im Golf-Krieg von 1991. Er war auch Professor für Radiologie und Nuklearmedizin an der Georgetown Universität von Washington. Heute lebt Durakovic nicht mehr in den USA, weil man ihm dort mit dem Tod gedroht hatte, falls er seine Forschungen über das "Golf-Kriegs-Syndrom" weiterführe. Auch an US-Präsident William Clinton hatte sich der Arzt vergeblich um Hilfe gewandt. Im Auftrag des US-amerikanischen Pentagon hatte er 12 Jahre lang Soldaten untersucht, die am "Golf-Kriegs-Syndrom" erkrankt waren. Als Durakovic öffentlich erklärt, daß die Uran-Munition ursächlich für das "Golf-Kriegs-Syndrom" sei, wurde er gefeuert. Durakovic: "Viele Soldaten litten an Nierenversagen, weil sie Uran eingeatmet hatten." Häufig war auch Lungen- und Knochenkrebs die Folge. Gelangt abgereichertes Uran in den Körper, verursacht diese radioaktiv strahlende Substanz einen langsamen Tod durch Krebs, irreversible Nierenschäden oder Immunschwäche. Zunächst jedoch hatte Durakovic keine Ahnung, durch welche radioaktive Strahlungsquelle die Soldaten geschädigt worden waren. Ex-Major Dr. Doug Rokke, später Medizinphysiker und Professor für Umweltwissenschaften an der Universität in Jacksonville, Alabama, war 1991 Befehlshaber einer Transporteinheit im Irak. Diese hatte die Aufgabe, abgeschossene Panzer aus kuweitischem Gebiert wegzubringen. Danach waren Rokke und fast alle seiner Männer schwer am "Golf-Kriegs-Syndrom" erkrankt. Durakovic nahm von allen Urin-Proben und sandte diese zum Militärlabor für Radiochemie in Aberdeen (Maryland). Die Probe hatte er mit der Regierungspost verschickt, aber sie kamen nie an. Durakovic ging daraufhin zu den Direktoren seines Krankenhauses, um diese zur Rede zu stellen. Sie sagten Durakovic, er solle diese Dinge nicht tun, weil sie nur ein kleines Krankenhaus seien und keine Forschungsarbeit machen könnten. Er solle seine tägliche Arbeit machen und keine Uran-Forschung. Und er bekam Anrufe von höchsten Militärs in Washington, die ihm rieten, seine Arbeit einzustellen. Danach schickte er die Urin-Proben zur Analyse an ein Institut mit Massen-Spektrometer. Und die Ergebnisse waren positiv, es fanden sich hohe Konzentrationen von abgereichertem Uran. Durakovic: "Jene, die versucht hatten, meine Arbeit zu verhindern, waren ziemlich konsterniert." Bis dahin hatte die US-Regierung geleugnet, im Krieg abgereichertes Uran eingesetzt zu haben. Er setzte seine Arbeit unbeirrt fort und gründete 1995 das unabhängige 'Medical Research Center'. Durakovic: "Sie fragen mich, was jetzt mit der Zivilbevölkerung im Irak passiert? Glauben Sie, irgendjemand kümmert sich um sie, wenn sich schon niemand für das Schicksal der eigenen Soldaten interessiert! Man müßte Milliarden von US-Dollars investieren! Basra zu säubern, würde allein 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten! Und nur die Brücken über den Euphrat zu dekontaminieren, würde Milliarden kosten. Was für die Erkrankungen der Veteranen der USA, Kanadas und Großbritanniens gilt, muß man um das 1000-fache erhöhen, was die irakische Bevölkerung betrifft. Und es wurde von diesen Regierungen alles unternommen, diese Informationen zu unterdrücken. Ein einziges Alpha-Teilchen kann in der Zellstruktur irreparable Schäden hervorrufen mit allen furchtbaren Folgen. Das ist Grundlage der Nuklearmedizin und -biologie, das braucht man nicht zu diskutieren. Denn jedes Kind weiß am Ende der höheren Schulausbildung Bescheid über die Auswirkungen der Alpha- und Betastrahlung. Und so sage ich zu allen, die diese Auswirkungen der Uran-Munition noch immer leugnen, sie sollen doch bitte noch einmal in die Schule gehen und die Grundlagenbücher der Physik und Nuklearstrahlung studieren." Doch die US-amerikanische und die kanadische Regierung leugneten weiter. Die kanadische Regierung gab eine Studie in Auftrag, bei der 200 Golf-Kriegs-Veteranen untersucht wurden. In keinem einzigen Fall wurde abgereichertes Uran im Urin festgestellt. Durakovic analysierte diese Studie und stellte fest: "Erstens: Die Auswahl der untersuchten 200 kam aus der gesündesten Gruppierung. Zweitens: Die Untersuchungs-Methoden waren so angelegt, nichts zu finden. Und Drittens - das ist das Wichtigste - sie untersuchten die falschen Organe und Gewebe. Zum Beispiel untersuchten sie die Haare auf Uran. Und ich fragte sie in der wissenschaftlichen Diskussion, warum sie Uran mit Quecksilber verwechselten. Denn Quecksilber geht in die Haare, Uran aber nicht. Uran hat absolut keinen biologischen Zugangsweg zu den Haaren! Sie verschwendeten fast eine Million kanadische Dollar für diese völlig nutzlose Studie, die der kanadische Bürger bezahlen mußte." Prof. Günther erzählt in Deadly Dust' von seinem eigenen unabhängigen Erkenntnisweg. Er hatte 1992 ein im Irak gefundenes Uran-Geschoß im Diplomaten-Gepäck nach Berlin bringen lassen: Ich wollte wissen, ob die Geschosse, wie ich es vermutete, radioaktiv sind." Und dann habe ich es an drei Universitäten untersuchen lassen - zunächst an der Humboldt-Universität. Die sagten, das ist hochtoxisch und radioaktiv, wir wollen damit nichts zu tun haben." Dann ging ich zur TU. Diese verhielt sich genauso. Sie sagten: "Wir wollen damit nichts zu tun haben. gehen sie zur Freien Universität, zum radiologischen Institut." Und als Prof. dann in der FU ankam, hieß es: "Heute ist Freitag, kommen Sie am Montag wieder." Am Montag warteten dann schon 16 Polizisten in der FU auf Prof. Günther, die ihn verhaften wollten. Kurz darauf kam ein Spezialkommando der Polizei mit Schutzkleidung und besonderen Behältern: "Das ist hochtoxisch und radioaktiv. Wir müssen das beschlagnahmen." Das beschlagnahmte Geschoß ging in die Berliner Zentralstelle für radioaktive Abfälle. Frieder Wagner interviewte Dipl.-Ing. Herrmann Josef Jung, Gutachter des Hahn-Meitner-Instituts, der das Geschoß damals untersuchte. Jung: "Wir haben als Gutachter herausgefunden, daß es sich um abgereichertes Uran handelte. Uran ist ein Schwermetall. Die Aufnahme in den Körper, die Wirkung im Körper ist schädlich - auf jeden Fall." Das Ergebnis war, daß das Amtsgericht Berlin Prof. Günther wegen der Freisetzung ionisierender Strahlung verurteilte. In dem Urteil heißt es: "Durch den falschen Umgang mit dem Geschoß-Projektil entsteht die Gefahr der Kontamination und Inkorporation radioaktiven Materials, was zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann." Prof. Günther sollte eine Strafe von 3000 D-Mark zahlen. "Das habe ich abgelehnt und darauf bin ich inhaftiert worden. Ich mußte fünf Wochen ins Gefängnis, aber damit hatte ich jetzt den Beweis, daß meine Vermutung, daß diese Geschosse radioaktiv sind, stimmte." Die US-Regierung und alle anderen beteiligten Regierungen lehnen bis heute jegliche Verantwortung ab. Es gebe keine Beweise, daß die Uran-Munition das "Golf-Kriegs-Syndrom" auslöse, an dem mehr als 150.000 Golf-Kriegs-Veteranen erkrankt sind. Tatsache ist jedoch, daß die Kinder von Golf-Kriegs-Veteranen dreimal so häufig mißgebildet zur Welt kommen wie andere Kinder. Bei einer gemeinsamen Aktion kamen Golf-Kriegs-Veteranen ins britische Unterhaus, brachten ihre mißgebildeten Kinder mit und gaben ihre Kriegs-Auszeichnungen zurück. Frieder Wagner kann in seinem Dokumentar-Film nachweisen, daß sowohl die US-Regierung als auch die britische Regierung schon vor 1991 über die Gefährlichkeit von Uran-Munition Bescheid wußte, denn es existiert ein Handbuch aus der Zeit vor dem Golf-Krieg 1991, das aber nicht verteilt wurde. Und es existiert ein Trainings-Video - aufbauend auf dem Handbuch - das die Soldaten vor dem Einatmen von Uranstaub warnt. Im Dokumentar-Film 'Deadly Dust' werden die entsprechenden Sequenzen dieses Videos eingespielt. Uran-Munition ist eine deutsche Technologie. Schon 1972, 1973 unternahm der deutsche Rüstungs-Konzern Rheinmetall erste Testschüsse mit Uran-Munition. Auch der deutsche Rüstungs-Konzern MBB war an der Entwicklung beteiligt. 1993 bis 1995. Bosnien-Krieg. Auch bei der Bombardierung von Hadzici im Jahr 1995 setzten das US-amerikanische und das britische Militär Uran-Bomben ein. Diesmal leugneten sie es zwar nicht - aber sie sagten, sie seien ungefährlich. Nach heutigen Informationen gingen auf Hadzici und die Gegend von Han Pijesak über 3 Tonnen Uran-Munition nieder. Die Menschen aus Hadzici mit sehr aggressiven Krebserkrankungen kamen dann in die Krankenhäuser nach Sarajewo. Frieder Wagner interviewt den Arzt Dr, Slavko Zdrale. Dieser sagt, daß die Leukämie-Rate in dieser Region nach dem Krieg deutlich angestiegen ist. Die Rate bestimmter Bluterkrankungen sei fünf- bis sechsmal höher als vor dem Krieg. Die serbische Regierung siedelte deshalb rund 3.500 BürgerInnen nach Bratunac um. Doch dies kam zu spät, die Menschen hatten den Uranstaub bereits eingeatmet. 1.112 von ihnen, fast ein Drittel, starben innerhalb von nur fünf Jahren an Krebserkrankungen. Eine Bürgerin aus Hadzici berichtet: "Ein kleines Mädchen hat in einem Bombenkrater gespielt. Kurz darauf fielen ihre sämtliche Fingernägel ab. Sie wurde ins Militär-Krankenhaus nach Belgrad gebracht zu weiteren Untersuchungen. Auf einem Friedhof filmte Wagner die vielen Grabsteine mit Todesdatum 1996 und 1997. Prof. Günther kommentiert: "Man könnte auf die Grabsteine schreiben: Gestorben an abgereichertem Uran." Der Arzt und Wissenschaftler Dr. Radomir Kovacevic sagt, daß die Rate der Krebsfälle in Serbien infolge der weiträumigen Verteilung von Uranstaub drastisch angestiegen sei. Auf dem Gelände eines ehemals serbischen Militärlagers finden sich Geschosshülsen von Uran-Munition, die auf dem Boden herumliegen. Die NATO mit Beteiligung der "rot-grünen" Bundesregierung setzt 1999 im Kosovo-Krieg rund 30 Tonnen Uran-Munition ein. Vom 24. auf den 25. April 1999 gilt der NATO-Angriff einer serbischen Garnison in Novi Pasar, aber es werden auch Wohnhäuser, Bauernhöfe und Ställe von Bauern getroffen und Tiere getötet. Novi Pasar ist eine serbische Stadt in Grenznähe zum Kosovo mit überwiegend islamischer Bevölkerung. Fikreta Ramusovic litt seit der Bombardierung an einer aggressiven Leukämie. Ein Jahr später ist sie tot. Sie hinterläßt einen vierjährigen Sohn. Im Jahre 2001 behauptet Kriegs-Minister Rudolf Scharping: "Nach aller medizinischen Erkenntnis und nach aller medizinischen Erfahrung ist insbesondere bei eingesetzten Soldaten das Strahlenrisiko vernachlässigbar." Frieder Wagner hält dem in seinem Dokumentar-Film entgegen: Auf der einen Seite wird Prof. Günther wegen eines einzigen Uran-Geschosses bestraft, auf der anderen Seite erklärt Scharping, das Risiko von Uran-Geschossen sei "vernachlässigbar", wenn sie in einem Krieg wie um das Kosovo eingesetzt werden. Es geht schließlich auch darum, daß die NATO eine Notwendigkeit, die kontaminierten Gebiete zu säubern, von sich weist. Abgereichertes Uran hat eine Halbwertszeit von viereinhalb Milliarden Jahren. Italienische, spanische und portugiesische Soldaten, die im Kosovo stationiert waren, erkrankten auffällig oft an Leukämie. Es war vom "Balkan-Syndrom" - analog zum "Golf-Kriegs-Syndrom" - die Rede. Allein die deutschen Truppen im Kosovo hatten angeblich keine Gesundheitsprobleme. Der mysteriöse Tod des deutschen Soldaten André Horn spricht allerdings gegen diese Behauptung. André Horn war am Morgen des 31. Januar 2000 in Prizren ins Feldlazarett gegangen. Zwölf Stunden später war er tot. Seitdem versucht sein Vater, Udo Horn, die Todesursache seines Sohnes aufzuklären. Zuerst wurde ihm mitgeteilt, sein Sohn sei an einer Hirnhautentzündung und Sepsis gestorben. Fünf Jahre lang wurde dem Vater die Einsicht in die Original-Akten verweigert. Dann kam heraus, daß der erste Befund eine Lungenentzündung mit inneren Blutungen war. Prof. Günther gewann anhand der ihm vom Vater vorgelegten Dokumente den Eindruck, daß durch das Uran - ähnlich wie in vergleichbaren Fällen wie im Irak - das Immunsystem André Horns zusammengebrochen ist, daß dann Infektionen hinzukamen und der rasche Tod infolge der daraufhin ungebremsten Infektionen kam, weil keine Resistenz mehr bestand. Uranstaub aus den Gefechtsfeldern von Basra und Bagdad findet sich inzwischen auch an weit entfernten Orten wieder. Der Arzt Dr. Michael Kreuscher war im Jahr 2005 im nordirakischen, von KurdInnen bewohnten Erbil. Dort war 2003 ein dramatischer Anstieg von Leukämiefällen bei Kindern und Kleinkindern festgestellt worden, und zwar von einer Art, die sonst nur bei alten Menschen vorkommt. 2005 brachte Dr. Kreuscher sowohl Bodenproben, als auch Urin-Proben der erkrankten Kinder, den Staub aus dem Luftfilter seines Autos, das er dort gefahren hat und Organproben von geschlachteten Kühen aus Erbil mit nach Deutschland. An der Universität Frankfurt untersucht Dr. Gerdes diese Proben mit dem Massenspektrometer. Sämtliche Proben hatten hohe Konzentrationen von Uran-238 mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von Uran-236. Verschiedene Proben, zum Beispiel der Staub aus dem Luftfilter des Autos, das der Arzt dort gefahren hat, waren sogar um das 3000-fache höher mit Uran-236 kontaminiert als die höchsten Werte von den Schlachtfeldern von Basra. Uran-236 stammt aus der menschengemachten Kernspaltung in Atomkraftwerken und der sogenannten Wiederaufarbeitung. Wie konnte das sein, wenn doch dort nie ein Uran-Geschoß zum Einsatz gekommen war? Die Erklärung war relativ einfach - und Dr. Kreuscher hat sie von einem Meteorologen vor Ort bekommen: Es gibt im Irak häufig heftige Stürme, die sogar Orkanstärke erreichen können, die sogenannten "desert storms", die von Basra kommend über Bagdad hinweg nach Norden ziehen. Vor den hohen Gebirgen zur Türkei werden sie gebremst, verlieren ihre Kraft und verwirbeln in der Region um Erbil. Alles was diese Stürme mitgebracht haben, fällt dann nach und nach im weiten Umkreis von Erbil zu Boden, auch die Uranoxid-Partikelchen, die die Stürme von den ausgetrockneten, staubigen und kontaminierten Böden Basras und Bagdads mitgebracht haben. Die Distanz zwischen Basra und Erbil beträgt über 500 Kilometer. Man kann heute mittels eines sogenannten Isotopen-Fingerprints feststellen, woher dieses Uran-238 und Uran-236 kommt. Man kann nachweisen, ob es aus dem Reaktor von Tschernobyl stammt, aus der Munition der Uran-Geschosse der US-Amerikaner und Briten im Irak oder aus einer anderen Gegend. Um die Aussage treffen zu können, ob das, was in Erbil gemessen wurde, tatsächlich von der Uran-Munition im Süden des Irak stammt, haben Dr. Kreuscher und Dr. Gerdes die vorgefundenen Isotopenprints der erkrankten Kinder in Erbil mit denen der Proben aus Basra und dazu denen der Isotopentprints aus dem Urin der Golf-Kriegsveteranen aus dem Südirak verglichen. Und siehe da: Diese Isotopenprints waren alle identisch mit den Uran-Isotopenprints im Urin der an Leukämie erkrankten Kinder in Erbil. Viele WissenschafterInnen, die das Risiko durch Uran-Munition verharmlosen, argumentieren immer wieder damit, daß das natürlich vorkommende Uran ja noch sehr viel stärker strahlt als das, was als abgereicherten Uranstaub in der Umwelt gemessen werden kann. Der wesentliche Fakt aber für die krankmachende Wirkung des abgereicherten Urans ist der Feinststaub, der entsteht, wenn Geschosse ihr Ziel treffen und zu winzigsten Uranoxid-Staubteilchen verbrennen, die lungengängig sind, und zwar so winzig und lungengängig, daß sie bis in die Lungenbläschen aufgenommen werden und dann in den Körper gelangen, wo sie ihre krankmachende Wirkung entfalten. Dr. Michael Kreuscher wollte beweisen, daß dieses Uran tatsächlich auch in den Körper eintritt und dort verbleibt. Er hat darum von zwei Rindern, die ausschließlich im Raum Erbil groß geworden sind, mehrere Gewebeproben mitgebracht und diese bei Dr. Axel Gerdes auf Isotope von abgereichertem Uran untersuchen lassen. Und siehe da, gerade die Primärorgane Lunge, Lymphknoten, Herz, Leber und Knochenmark waren hochgradig belastet. Somit haben diese beiden Wissenschafter erstmalig den Beweis erbracht, daß abgereichertes Uran in winzigsten Kleinstpartikeln in den Körper aufgenommen wird und dann zu todbringenden Krankheiten führen kann – und das in einer Region, in der gar keine Uran-Munition zum Einsatz gekommen war. Immer mehr WissenschaftlerInnen schließen sich der Anfang der 1990er-Jahre von Prof. Günther entdeckten Erkenntnis an, daß die Verwendung von Uran-Munition zu einer schleichenden Katastrophe führt. Prof. Dr. Albrecht Schott sagt es in Frieder Wagners Film 'Deadly Dust' ganz klar: "Die Anwendung von Uran-Waffen ist ein Kriegsverbrechen." Auch wenn die Abstimmung der UN-Vollversammlung im Jahr 2016 mit ihrer Mehrheit der 146 von 193 Staaten noch zu keinem Erfolg geführt hat - Der Einsatz von Uran-Geschossen steht unter anderem in Konflikt mit dem Genfer Protokoll, das die Verwendung von giftigen Stoffen im Krieg verbietet.