12.10.2021

NATO ehrt Nancy Pelosi mit dem allerersten „Women for Peace“-Preis

globalresearch.ca, vom 11. Oktober 2021, Antibellum, von Rick Rozoff, (elektronisch übersetzt, unkorrigiert)

Zitat: Mit einem Jahresgehalt von 172.000 US-Dollar (223.000 US-Dollar als Sprecherin des Repräsentantenhauses) hat Pelosi einen geschätzten Wert von 120 bis 315 Millionen US-Dollar . Die perfekte Person, um gegen Korruption zu predigen.


In Bezug auf den „Friedenspreis“ der NATO – das Äquivalent zum Erhalt eines Kinderschutzpreises von Jeffrey Epstein – hat Pelosi seit ihrem Eintritt in den Kongress 1987 jeden Krieg mit Begeisterung unterstützt.


NATO: Nancy Pelosi verteidigt in Lissabon Frauen im Kampf gegen Korruption – Portugal

Der Präsident [Sprecher] der Vereinigten Staaten Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, ist heute in Lissabon zu sprechen auf der Plenarsitzung der 67. Jahrestagung der North Atlantic Treaty Organization (NATO) Parlamentarische Versammlung, wo  sie die „Frauen erhalten für Friedens- und Sicherheitspreis“, der erstmals von der Versammlung verliehen wird.


Die Verleihung erfolgte im Rahmen der Verabschiedung der Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“.

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In ihren Ausführungen meinte Nancy Pelosi, dass „Frauen Champions im Kampf gegen die Korruption sind“, was gleichbedeutend mit „Stärkung der Demokratie“ ist.

Sie betonte, dass „die NATO nicht nur ein Sicherheitsbündnis ist, sondern ein „Wertebündnis“ und warnte vor der Gefahr autokratischer Regime, die „die Demokratie herausfordern “ sowie vor Korruption, die diese Regime oft begleitet.

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Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, traf am Samstag in Rom mit Papst Franziskus zusammen. Pelosi ist Katholikin und wird von einigen Bischöfen in den USA wegen ihrer Unterstützung für das Recht auf Abtreibung kritisiert.

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Die 67. Parlamentarische Versammlung der NATO, die in Lissabon stattfindet, ist eine jährliche viertägige Veranstaltung, an der portugiesische Regierungsvertreter, offizielle NATO-Vertreter, Experten in Verteidigungsangelegenheiten, Gesetzgeber aus den 30 NATO-Mitgliedstaaten, Vertreter von Drittstaaten des Bündnisses teilnahmen , sowie Vertreter von parlamentarischen Gremien aus den NATO-Bündnisstaaten.

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Rick Rozoff , renommierter Autor und geopolitischer Analytiker, seit über fünfzig Jahren aktiv im Kampf gegen Krieg, Militarismus und Interventionismus. Er verwaltet die Website Anti-Bellum und Für Frieden, gegen Krieg


Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Globalisierungsforschung.

Das vorgestellte Bild ist von Anti-bellum

Die Originalquelle dieses Artikels ist Anti-bellum

Copyright © Rick Rozoff , Anti-bellum , 2021


Video: „NATO-EXIT“. Michel Chossudovskyhttps://magnetrack.klangoo.com/v1.1/track.ashx?e=AP_RA_CLK&p=5758364&d=5673641&c=c787d455-1fd6-444b-abe0-3f9cf6dff8ef&u=48861329-c764-49f5-b56e-fa9ef1ebbba3&l=https%3A%2F%2Fwww.globalresearch.ca%2Fnato-honors-nancy-pelosi-first-ever-women-peace-award%2F5758364&redir=https%3A%2F%2Fwww.globalresearch.ca%2Fvideo-nato-exit-michel-chossudovsky%2F5673641%3Futm_campaign%3Dmagnet%26utm_source%3Darticle_page%26utm

Info: https://www.globalresearch.ca/nato-honors-nancy-pelosi-first-ever-women-peace-award/5758364



Weiteres:     



Michel Chossudovsky – Wikipedia 


Zitat: Positionen

Im deutschsprachigen Raum ist er als Gegner der Militärpolitik der USA in Asien und auf dem Balkan bekannt geworden. Dies gilt auch für das Centre for Research on Globalization, wo er als Herausgeber fungiert. Chossudovsky schrieb auch Beiträge für die Zeitschriften Le Monde diplomatiqueThird World Resurgence und Covert Action Quarterly. Den Kampf um die Kontrolle über das Weltwährungssystem und die Geldschöpfung hielt er für eine Mitursache vieler heutiger – kriegerischer und wirtschaftlicher – Auseinandersetzungen.[6]


Er nimmt an, die USA hätten eine Waffe für eine neue Weltordnung, welche den Klimawandel herbeiführen könne und behauptet, sie hätten im Voraus um den Tsunami von 2004 gewusst. Schon im Jahr 2006 waren zudem antisemitische Postings auf seiner Seite kritisiert worden.[7]


Zwischen 2006 und 2007 warf Chossudovsky den USA und Israel mehrmals vor, einen Angriff mit Atomwaffen auf den Iran, bzw. in seinen Worten „einen nuklearen Holocaust im Nahen Osten“ zu planen.[8]


Im Jahr 2011 warf sein Blog dem Weißen Haus unter Präsident Obama vor, nur ein Instrument der Reichen und Mächtigen zu sein, eine Attribution, welche früher nur republikanischen Regierungen gemacht worden war.[9] 2013 wurden hingegen die „Demokratischen Prinzipien“ Venezuelas unter Präsident Chavez gewürdigt.


In seinem Buch The Globalization of War, America’s Long War against Humanity stellt Chossudovsky im Jahr 2015 die These auf, Terrorismus würde von den USA hergestellt, um ihre Hegemonie auszudehnen („Dr Chossudovsky said terrorism is made in the US and that terrorists are not the product of the Muslim world.“). Den ISIS nannte er „die Fußtruppen der westlichen Allianz“, die Luftwaffen-Angriffe der USA einen Versuch, Syrien und Irak zu zerstören.[10]


Robert Misik erwähnte zur russischen Propaganda gegen die Ukraine die Seite von Globalresearch als Seite, auf welcher Autoren aus dem typischen Autorenpool von Voice of Russia tätig sind, welche auch auf weiteren, sich als globalisierungskritisch ausgebenden Webseiten aktiv sind. Als Publikum nannte er linke Globalisierungsgegner, rechte Wirrköpfe und Verschwörungstheoriefreunde mit deren Hang, „Wahrheiten“ prinzipiell nur abseits der sogenannten Mainstreammedien zu suchen.[11]


Info: https://de.wikipedia.org/wiki/Michel_Chossudovsky


Wird noch ergänzt:

Auch über die ISIS äußert sich Thomas Roth in seinem Buch mit dem Titel  . . .   aus dem Verlag/ Jahr . . .  auf Seite  . . .    wie folgt: Zitat:  . . .  Zitatende       

12.10.2021

Universität Erfurt beklagt Drohungen gegen Forschende

merkur.de, vom: 11.10. 2021, 18:36 

Die Universität Erfurt hat Hass und Hetze gegen ihre Forscherinnen und Forscher in der Corona-Pandemie beklagt. „Einige unserer Kolleg*innen sehen seit der Corona-Pandemie unter Dauerfeuer“, hieß es in einem am Montag verbreiteten Statement der Universitätsleitung. Vor allem im Netz gebe es Anfeindungen bis hin zur Androhung von körperlicher Gewalt.


Erfurt - Das werde man nicht dulden und entsprechende Bedrohungen anzeigen.


Widerstreitende Positionen und das Hinterfragen gehörten zum Wesen der Wissenschaft, hieß es weiter. Auch manche wissenschaftliche Erkenntnis unterliege „einer gewissen Vorläufigkeit“ und könne später wieder revidiert werden. Das sei für den Fortschritt existenziell. Allerdings nur, wenn die Kritik sachlich bleibe und nicht persönlich werde. Andernfalls drohe der Rückzug von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus öffentlichen Debatten.


Man sei stolz auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die teils mit Unterstützung von Studierenden dazu beitrügen, besser zu verstehen, wie es den Menschen in der Corona-Krise gehe, hieß es zudem in dem Statement. Gegen wen konkret sich die Drohungen richteten, wollte die Universität nicht bekanntgeben. dpa


Info: 
https://www.merkur.de/thueringen/universitaet-erfurt-beklagt-drohungen-gegen-forschende-zr-91046144.html


Kommentar: Wenn die Faktenlage (absichtlich?) zurückgehalten wird, dann funktioniert auch keine Wissenschaft.  Thomas Bauer

12.10.2021

Korruption made in Germany                                                                                  "Pandora Papers" enthüllen Zahlungen der Entwicklungsbank DEG an Banken in der Steueroase Panama. Diverse dubiose Finanzmachenschaften berühren SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

german-foreign-policy.com, 12. Oktober 2021

BERLIN (Eigener Bericht) - Enthüllungen im Rahmen der Auswertung der "Pandora Papers" führen zu ernsten Vorwürfen gegenüber der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Wie unter Berufung auf die Dokumente berichtet wird, hat die Entwicklungsbank unter anderem Kredite in Höhe von rund 250 Millionen Euro an elf Banken in der Steueroase Panama vergeben, die mit Steuerhinterziehung und allerlei Formen von Finanzkriminalität in Verbindung gebracht wird. Die DEG behauptet dazu nur, sie habe geholfen, "Tausende Arbeitsplätze im Bankensektor von Panama" zu schaffen. Unterstützt wurde zudem ein nicaraguanischer Milliardär. Immer mehr dubiose Finanzmachenschaften wurden in der jüngeren Vergangenheit auch bei deutschen Spitzenpolitikern bekannt. Das Spektrum reicht von der "Cum-Ex-Affäre" bis zum Wirecard-Skandal, bei dem milliardenschwere Umsätze schlicht erfunden wurden. Immer wieder berühren die Skandale den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der zur Zeit beste Chancen auf einen Einzug ins Bundeskanzleramt hat. Beobachter sprechen längst von Scholz' "offener Flanke".


Die "Pandora Papers" und die DEGIm Zuge der Enthüllungen der "Pandora Papers" ist die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in die Kritik geraten. Unter den 11,9 Millionen Unterlagen, die Aufschluss über die Eigentumsverhältnisse bei zehntausenden von Offshore-Unternehmen, Geheimkonten und Briefkastenfirmen in Steueroasen geben, finden sich auch Datensätze zur DEG. Die Entwicklungsgesellschaft, die als eine Tochter der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eigentlich Entwicklungshilfeprojekte in Lateinamerika, Asien und Afrika finanzieren soll, war demnach auch im Zwielicht zwischen politischer Korruption, Oligarchie und mafiösen Strukturen tätig. Aufgabe der DEG sei es eigentlich, "im Namen des deutschen Steuerzahlers" in Entwicklungsländern "zum Beispiel kleine und mittelständische Unternehmer" zu fördern, hieß es [1]; doch betätige sich die Organisation laut den Pandora Papers auch "in Steueroasen in der Karibik", die "von Entwicklungshilfe weit entfernt" seien. In diesem Zusammenhang hätten deutsche Entwicklungshilfegelder die undurchsichtigen Geschäfte lateinamerikanischer Milliardäre kofinanziert.


Mit Geldwäschebanken kooperiert

Konkret soll die deutsche Entwicklungsbank seit 2014 Kredite in Höhe von rund 250 Millionen Euro an elf Banken in der Steueroase Panama vergeben haben. In offiziellen Erklärungen hieß es seitens der DEG, die Gelder seinen als Kredite an "kleine und mittlere Unternehmen" in der Region weitergeflossen. Demnach hätten 10.000 Kleinunternehmen in Panama sowie 7.000 Betriebe in der Region von den Krediten profitiert, die von den lokalen Banken lediglich verteilt worden seien. Obwohl DEG erklärte, der Verwendungszweck der Kredite sei vertraglich fixiert, war sie nicht bereit, konkrete Kleinunternehmen zu benennen, die von den deutschen Steuergeldern profitiert hätten. Des weiteren behauptete sie, mit den deutschen Kreditmitteln seien "Tausende Arbeitsplätze im Bankensektor von Panama" geschaffen worden. Pikant daran ist, dass Panamas Bankensektor spätestens seit den Enthüllungen der sogenannten Panama Papers als eine zwielichtige Steueroase angesehen wird, die mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität in Verbindung gebracht wird. Schon 2017 wurden etliche Banken in Panama wegen Verstößen gegen Geldwäschebestimmungen zu Geldstrafen verurteilt, wobei die höchste Strafe von 300.000 Euro ausgerechnet ein Finanzinstitut traf, an dem die DEG mit sieben Prozent beteiligt war.


"Man müsste die DEG eigentlich auflösen"

Falls die deutsche Entwicklungshilfe tatsächlich dazu diene, "Bankenjobs in einer Steueroase wie Panama zu schaffen", dann mache dies einfach "sprachlos", erklärt etwa Gerhard Schick von der Nichtregierungsorganisation "Finanzwende": Bei einem "Schatten-Finanzzentrum wie Panama" seien kaum Argumente vorstellbar, wieso dort im Namen der Entwicklungshilfe "Banken subventioniert" werden sollten. Entwicklungspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen erklärten, es gebe kaum noch Aussichten auf eine Reformierbarkeit der DEG, die inzwischen "eng mit dem internationalen Finanzsektor und teilweise dubiosen Firmen verbandelt" sei. Die scheidende Bundesregierung habe sich bei Anfragen bezüglich des Gebarens der Entwicklungsbank jahrelang "hinter dem Geschäfts- und Bankgeheimnis" versteckt. Es sei folglich sehr schwer, noch das "Ruder herumzureißen"; eigentlich müsse man die DEG "auflösen oder radikal umstrukturieren und auf komplett neue Füße stellen".


Entwicklungshilfe für Milliardäre

Zu den konkreten Profiteuren deutscher Entwicklungshilfe gehört den Recherchen zufolge der nicaraguanische Milliardär Ramiro Ortiz Mayorga, dessen Bank Promérica ebenfalls DEG-Gelder erhielt.[2] Die DEG unterstützte Mayorga, der als einer der reichsten Männer Nicaraguas gilt, 2014 mit einem Kredit bei der Übernahme einer Bank in Ecuador. Die deutsche Entwicklungsbank erklärte dazu, im Gefolge der kofinanzierten Bankübernahme durch den Milliardär erhielten nun Kleinunternehmen in Ecuador, "die ansonsten vor Ort nur unzureichenden Zugang zu Finanzierung haben", notwendige Kredite. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erklärte überdies, es lägen "keinerlei Hinweise" darauf vor, dass es "zu einer strafbaren und/oder vertragswidrigen persönlichen Bereicherung durch Herrn Mayorga gekommen" sei. In den Vertragsbestimmungen zur Bankenübernahme sei aber festgehalten worden, dass Mayorga einen "substantiellen Benefit aus den Krediten erzielen" werde, wird berichtet; beim dem Milliardär handele es sich nun aber nicht gerade um einen Kleinunternehmer.


Die Cum-Ex-Affäre

Dubiose Finanzmachenschaften werden seit geraumer Zeit nicht nur bei Organisationen wie der DEG, sondern auch bei deutschen Spitzenpolitikern bekannt. Entsprechende Hinweise enthält etwa der Untersuchungsausschuss zur sogenannten Cum-Ex-Affäre in Hamburg. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der beste Aussichten auf den Einzug ins Bundeskanzleramt hat, musste schon im April Stellung zu Anschuldigungen beziehen, in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister von Hamburg einer kriminellen Privatbank die Erstattung illegal erschlichener Steuerrückzahlungen erlassen zu haben. Die Privatbank M.M. Warburg hatte durch "Cum-Ex"-Geschäfte Rückzahlungen für Steuern erhalten, die sie nie gezahlt hatte. Die Hamburger Behörden verzichteten bemerkenswerterweise darauf, sich die erschlichene Summe - 47 Millionen Euro - erstatten zu lassen.[3] Terminnotizen, die bei einer Hausdurchsuchung bei einem Miteigentümer der Privatbank sichergestellt wurden, belegen, dass sich die Bankeigentümer wenige Wochen vor dem Verzicht der Behörden persönlich mit Scholz getroffen hatten. Die Ermittlungen laufen derzeit auf Hochtouren; die Staatsanwaltschaft Köln führte wenige Tage nach der Bundestagswahl eine Hausdurchsuchung bei den Finanzbehörden in Hamburg durch. Nächstes Jahr wird Scholz erneut vor dem "Cum-Ex"-Untersuchungsausschuss aussagen müssen - dann womöglich als Bundeskanzler.


Der Kriminalfall Wirecard

Olaf Scholz wird auch Mitverantwortung für die Wirecard-Affäre zugeschrieben, einen der größten Finanzskandale der Bundesrepublik.[4] Das international tätige Zahlungs- und Kreditkartenunternehmen Wirecard galt jahrelang als ein deutscher Musterkonzern, bis nachgewiesen wurde, dass das Unternehmen massiven Bilanzbetrug beging. Ein Großteil seiner Umsätze war schlicht erfunden; das Unternehmen musste im vergangenen Jahr Insolvenz beantragen. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu der Affäre warf Mitte 2021 dem Bundesfinanzministerium und seinem Minister Olaf Scholz "Totalversagen" in der Affäre vor. Die "politische Verantwortung" für den Skandal trügen "Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Führung des Bundesfinanzministeriums", hieß es auch aus der CDU, bei der zugleich von einem "Kriminalfall" die Rede war, bei dem über Nacht zwei Milliarden Euro aus den Bilanzen verschwunden seien.[5] Finanzpolitiker der Linkspartei sprachen von einer "Milliardenlüge", die nur dank eines "politisches Netzwerks" hinter Wirecard über Jahre habe aufrechterhalten werden können.


"Paradies für Geldwäscher"

Als "offene Flanke" des künftigen Kanzlers sehen Beobachter nicht nur die besagten Skandale an, sondern auch seine Apathie gegenüber der Geldwäschebekämpfung in der Bundesrepublik.[6] Die Meldungen über entsprechende Verdachtsfälle der Financial Intelligence Unit des deutschen Zolls sind offenkundig oftmals ohne Folgen geblieben: Es sei auffällig, "wie wenige der Meldungen" letzten Endes "strafrechtlich verfolgt" würden, heißt es; Oppositionspolitiker sprechen von eklatanten "Missständen" im Finanzministerium beim Vorgehen Geldwäsche, die eine "lückenlose Aufklärung" der Verfehlungen im "Verantwortungsbereich von Finanzminister Scholz" erforderten.[7] Aufgrund der Untätigkeit des Finanzministeriums sei die Bundesrepublik zu einem "Paradies für Geldwäscher" geworden, hieß es schon im August mit Blick darauf, dass es in der Bundesrepublik keinerlei Obergrenzwerte für Transaktionen mit Bargeld gibt.

 

[1], [2] Die Geheimnisse der Entwicklungsbank DEG. tagesschau.de 04.10.2021.

[3] Die dunkle Seite. zeit.de 06.10.2021.

[4] S. dazu Der Fall Wirecard (II) und Der Fall Wirecard (IV).

[5] Trifft Scholz eine Mitschuld? tagesschau.de 22.06.2021.

[6] Scholz' offene Flanke. tagesschau.de 20.09.2021.

[7] Deutschland, ein Paradies für Geldwäscher. spiegel.de 27.08.2021.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8730
11.10.2021

Ein "Giftcocktail" für die EU-Erdgasversorgung                        Transatlantische Kreise spekulieren erneut über Sanktionen gegen die Erdgaspipeline Nord Stream 2. US-Flüssiggasproduzenten reduzieren ihre Lieferungen nach Europa.

german-foreign-policy.com, 11. Oktober 2021

BERLIN/WASHINGTON/MOSKAU(Eigener Bericht) - Äußerungen von US-Funktionären und eine Europareise eines US-Sondergesandten rufen neue Spekulationen über etwaige Sanktionen gegen die Erdgaspipeline Nord Stream 2 hervor. Hintergrund sind Vorwürfe, Russland treibe die Gaspreise in Europa gezielt nach oben und nutze die aktuellen Versorgungsschwierigkeiten in der EU zu politischen Zwecken aus. Experten urteilen weithin, beides treffe nicht zu: Während die Gaspreise wegen des rasant steigenden Verbrauchs in Ostasien sowie der Preisbildungspolitik der EU-Kommission in die Höhe schössen, habe Moskau alle vertraglichen Lieferpflichten in vollem Umfang eingehalten. Gazprom hat seine Exporte nach Deutschland zudem sogar um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum aufgestockt. Dagegen sind die Lieferungen von US-Flüssiggas nach Europa um mehr als 15 Prozent zurückgegangen: Die US-Energiekonzerne können höhere Preise in Asien erzielen. Der US-Botschafter in der Ukraine äußert nun, dass Russland nicht ohne Verzug die Gasexporte nach Europa ausweite, habe womöglich mit "geopolitischen Erwägungen" zu tun. Für diesen Fall sind neue Sanktionen vorgesehen.

Zitat:  
Nachfrageboom in Ostasien

Die Ursachen für den heftigen Anstieg der Erdgaspreise in Europa sind weitgehend bekannt. Eine zentrale Rolle spielt der erheblich gestiegene Erdgasverbrauch in Ostasien, vor allem in China. Die dortige Wirtschaft ist nach den pandemiebedingten Einbrüchen Anfang 2020 schneller als erwartet wieder angesprungen; das treibt den Konsum in die Höhe. Hinzu kommt, dass nicht nur in der Industrie, sondern auch in Privathaushalten die Umstellung von der Nutzung von Kohle auf andere Energieträger rasche Fortschritte macht. Experten rechnen mit einer Zunahme des chinesischen Gasverbrauchs dieses Jahr um 13 Prozent bzw. 42 Milliarden Kubikmeter im Vergleich zu 2020.[1] Davon wird ein gewisser Teil über Pipelinelieferungen gedeckt - zum einen über Erdgaspipelines aus Zentralasien, zum anderen über die Pipeline Power of Siberia aus Gasfeldern Ostsibiriens nach China, die Ende 2019 in Betrieb genommen wurde und deren Liefermenge zur Zeit aufgestockt wird. Hinzu kommt eine deutliche Ausweitung der Einfuhr von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG). Experten gehen davon aus, dass der Erdgasverbrauch in China aufgrund des Ausstiegs aus der Kohle in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Das könnte die Preise auf hohem Niveau halten oder sie sogar noch weiter nach oben treiben.[2]


Die Preispolitik der EU-Kommission

Dass sich die gestiegene Nachfrage so rasch und massiv auf den Erdgaspreis niederschlägt, liegt auch daran - so erläutert es der ehemalige CDU-Politiker Friedbert Pflüger -, dass es "nicht zuletzt auf Druck der EU-Kommission ... immer weniger langfristige Gaslieferverträge mit Ölpreisbindung" gibt.[3] Stattdessen wird der Rohstoff in zunehmendem Umfang über den "freien globalen Gas(spot)markt" gehandelt. Dadurch sei "der Gaspreis starken Marktschwankungen ausgesetzt", urteilt Pflüger, der auch Senior Fellow des Global Energy Center des Atlantic Council ist: "Eine schnell steigende Nachfrage führt eben zu rapide steigenden Preisen." Der Erdgasmarkt "funktioniert ... jetzt genau so, wie sich die EU-Kommission das immer gewünscht hat", wird Kirsten Westphal, Energiepolitik-Expertin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), zitiert: "Es gibt keine langfristigen Lieferverträge mehr, die Ölpreisbindung ist längst weggefallen, der Gaspreis bildet sich kurzfristig und ist volatil geworden." Wenn sich "Knappheiten" ergäben, spiegelten sie sich "im Preis wider".[4] Dies trage dazu bei, dass "ein Giftcocktail für die Versorgungslage in Europa" entstanden sei.


Kein Preisrückgang

Die Schwierigkeiten haben sich zudem zugespitzt, weil wegen extremer Wetterverhältnisse der Erdgasverbrauch im vergangenen Jahr in die Höhe geschnellt ist - zunächst wegen des kalten Winters, dann wegen der in manchen Weltgegenden großen Hitze im Sommer, die aufgrund einer gesteigerten Nutzung von Klimaanlagen den Konsum ebenfalls ausgeweitet hat. Auch in der Bundesrepublik sei der Gasverbrauch noch im April um etwa 60 Prozent höher gewesen als im Vorjahr, berichtet der Vorsitzende der Initiative Erdgasspeicher (INES), der rund 90 Prozent aller Erdgasspeicherfirmen in Deutschland angehören.[5] Der zusätzliche Bedarf sei recht lange aus Speichervorräten gedeckt worden, um die stetig steigenden Preise zu vermeiden. Viele hätten geplant, die Speicher erst nach einem ersehnten Preisrückgang wieder aufzufüllen. Dieser jedoch trat nicht ein. Entsprechend waren die Speicher Mitte September EU-weit gerade einmal zu 71 Prozent gefüllt, in Deutschland sogar nur zu 64 Prozent.[6] Üblich sind, um auf einen hohen Winterverbrauch vorbereitet zu sein, Füllstände von rund 90 Prozent. Zwar heißt es bei der INES, man hoffe, diesen Wert bis Anfang November noch erreichen zu können. Ob das angesichts der starken globalen Nachfrage gelingt, ist jedoch unklar.


Höhere Profite in Asien

Dies umso mehr, als sich die naheliegende Hoffnung, zusätzlichen Bedarf mit der Einfuhr flexiblen Flüssiggases zu decken, bislang nicht erfüllt. So sind, wie Pflüger berichtet, die LNG-Lieferungen in die EU und nach Großbritannien "in den ersten acht Monaten" dieses Jahres "um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr" zurückgegangen.[7] Die LNG-Importe speziell aus den Vereinigten Staaten brachen im ersten Halbjahr 2021 um 15,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresvolumen ein.[8] Ursache dafür ist, dass Erdgas in Asien traditionell zu höheren Preisen verkauft wird als in Europa, weil dort bis heute eine nur rudimentäre Anbindung an Pipelines vorhanden ist. Entsprechend wird "das LNG aus den USA ... vor allem in Richtung Asien oder Lateinamerika verschifft", berichtet Pflüger. Verstärkt wird dies durch das Phase One Agreement im US-Handelskrieg gegen China, das im Januar 2020 geschlossen wurde; es sieht vor, dass die Volksrepublik zur Senkung des US-Handelsdefizits bis Ende dieses Jahres Energierohstoffe für 50 Milliarden US-Dollar zusätzlich in den Vereinigten Staaten kaufen muss. Damit steht für den europäischen Markt deutlich weniger zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die US-Industrie mittlerweile eine Reduzierung der Erdgasausfuhr verlangt, um die Preise auf dem US-Inlandsmarkt zu stabilisieren.[9]


Mehr Erdgas nach Deutschland

In dieser Situation bringen transatlantische Kreise erneut Sanktionen wegen Nord Stream 2 ins Gespräch. Während die Erdgaslieferungen aus den Vereinigten Staaten zurückgegangen sind, hat Russland laut einhelligen Aussagen von Importeuren und Industrieverbänden seine vertraglichen Exportverpflichtungen eingehalten. Zudem hat es in den ersten neun Monaten des Jahres seine Erdgasausfuhr insgesamt um 17,3 Prozent, seine Ausfuhr in die Bundesrepublik gar um 33,2 Prozent erhöht.[10] Dabei steckt Russland selbst spürbar in Schwierigkeiten: Es musste zunächst, wie Atlantic Council-Experte Pflüger konstatiert, seine eigenen, aufgrund des großen Verbrauchs stark geleerten Speicher füllen und hatte anschließend Ausfälle wegen eines Schadens an einer großen Kompressorstation zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass die Erdgaspipeline Nord Stream 2 inzwischen zwar fertiggestellt und betriebsbereit ist, aber immer noch eine Genehmigung der Bundesnetzagentur aussteht. Deren Entscheidung muss dann der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt werden. Der Genehmigungsprozess könne sich, heißt es, "bis Mai" in die Länge ziehen.[11] Eine Ablehnung ist möglich. Die Aussicht, die Pipeline könne selbst nach der Fertigstellung auf bürokratischem Weg unbrauchbar gemacht werden, ist kein Anreiz, die Gaslieferungen zu erhöhen.


Sanktionen im Gespräch

Jetzt wird der US-Botschafter in der Ukraine, Steven Pifer, mit der Äußerung zitiert, man müsse "sich fragen, ob im Kreml geopolitische Erwägungen im Spiel sind".[12] Wäre dies der Fall, dann müsste Berlin neue Sanktionen gegen Moskau beschließen. Das sieht eine Übereinkunft mit der Biden-Administration vor.[13] Unterlässt die Bundesregierung dies, kann Washington Sanktionen gegen Deutschland beschließen. Erst kürzlich ist der US-Sondergesandte für Energiesicherheit, Amos Hochstein, nach einem Aufenthalt in Berlin nach Brüssel gereist; Gegenstand seines Interesses war die bevorstehende Stellungnahme der EU-Kommission zur demnächst erwarteten Entscheidung der Bundesnetzagentur zu Nord Stream 2.[14] Die Biden-Administration hat - ganz wie die Vorgängerregierung - Interesse daran, Nord Stream 2 scheitern zu lassen.

 

[1] Miaoru Huang: The Future Of China's Gas Demand. forbes.com 22.09.2021.

[2] Kathrin Witsch, Katharina Kort, Mathias Peer: Gaspreiskrise: Der LNG-Boom in Asien steht erst am Anfang. handelsblatt.com 01.10.2021.

[3] Friedbert Pflüger: Der Gasmarkt ist "schuld", nicht Putin. background.tagesspiegel.de 01.10.2021.

[4] Klaus Stratmann: Dreht Russland am Gashahn, um Nord Stream 2 zu erzwingen? handelsblatt.com 21.09.2021.

[5] Kathrin Witsch: Europa steckt in einer Gaspreiskrise. Das sind die Folgen für die Versorgung in Deutschland. handelsblatt.com 23.09.2021.

[6] Thomas Kohlmann: Was steckt hinter den Rekordpreisen für Gas? dw.com 21.09.2021.

[7] Friedbert Pflüger: Der Gasmarkt ist "schuld", nicht Putin. background.tagesspiegel.de 01.10.2021.

[8] US supplies of LNG to Europe have not been stable for two years, says Gazprom Export. tass.com 24.09.2021.

[9] Katharina Kort: US-Unternehmen fordern Drosselung der Gasexporte. handelsblatt.com 22.09.2021.

[10] Gazprom ramping up gas production. gazprom.com 01.10.2021.

[11] Ewa Krukowska, Dina Khrennikova, Elena Mazneva: Nord Stream 2: Diese Hürden stehen einer Inbetriebnahme noch im Weg. capital.de 09.10.2021.

[12] Moritz Koch: Neues Machtspiel um Nord Stream 2: Wie Russland die Energiekrise ausnutzt. handelsblatt.com 07.10.2021.

[13] S. dazu Rohstofflieferant für die EU-Energiewende.


Info: 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8729
10.10.2021

»Zeit der Verleumder«   Eine ideologiekritische Intervention

projektkritischeaufklaerung.de10. Oktober 2021 18 Uhr

Dokumentarfilm von Dror Dayan und Susann Witt-Stahl, Deutschland 2021

Mit Moshe Zuckermann, Rolf Becker, Jackie Walker, Ali Abunimah, Moshé Machover, Judith Bernstein, Esther Bejarano u.a.


Zitat:  »Der Rechtstrend in der westlichen Welt hat bizarre Erscheinungsformen. Linke werden als ›Nazis‹, jüdische Antifaschisten als ›Verräter‹ diffamiert«, hieß es in dem Aufruf zu einer Konferenz mit dem Titel »Zur Zeit der Verleumder« – in Anlehnung an ein Gedicht des österreichischen Schriftstellers Erich Fried. Am 10. Februar 2018 waren deutsche, israelische, palästinensische, britische und US-amerikanische Wissenschaftler, Publizisten, Künstler und politische Aktivisten in Berlin zusammengekommen und haben vor rund 250 Besuchern die ideologische Instrumentalisierung von Juden, dem Judentum und der jüdischen Katastrophe für die Legitimierung von rechter Machtpolitik, Antikommunismus, Geschichtsrevisionismus und (antimuslimischem) Rassismus analysiert. Eingeladen zu der Konferenz hatte das Projekt Kritische Aufklärung – ein Zusammenschluss für Ideologiekritik, der im Sommer 2017 von deutschen und israelischen Marxisten ins Leben gerufen worden war.


Bereits Anfang der 1980er-Jahre hatte Erich Fried die Stigmatisierung jüdischer Linker als »rote Antisemiten« durch »Sprecher des Westens« angeklagt. Was seinerzeit mit wütenden Polemiken begann, ist heute zu einem Komplex aus Rufmordkampagnen und Sanktionen ausgewachsen, die aus den etablierten Parteien und der AfD, sogar von »Antisemitismusbeauftragten« der Bundes- und Landesregierungen, von christlichen Fundamentalisten, von neokonservativen »Antideutschen« und von »Antinationalen« initiiert oder gefördert und von etablierten Medien propagiert werden. Dabei wird selbst vor Opfern des Naziterrors nicht mehr haltgemacht (beispielsweise wurde die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano von einer »Antifagruppe« als Unterstützerin des »antisemitischen Vernichtungskampfs der Hamas« verleumdet).


Der Großteil der deutschen Linken schweigt bestenfalls zu diesem bedrohlichen Treiben und begeht damit einen Verrat, der unweigerlich einer Kapitulation vor dem deutschen Großmachtstreben, der bellizistischen Regimechange-Politik der NATO, der mörderischen Aggression gegen Flüchtlinge und andere Migranten gleichkommt und irrationale kulturkämpferische bis antisemitische Welterklärungsmodelle sowie Islamophobie fördert. »Nicht zuletzt«, so das Projekt Kritische Aufklärung, »sind die damit einhergehende Inflationierung des Antisemitismusvorwurfs und die Entleerung und Verdinglichung des kategorischen Imperativs ›Nie wieder!‹ untrügliche Zeichen der Auflösung linker Fundamentalopposition und der Errungenschaften des historischen Materialismus.«


Der Film »Zeit der Verleumder« dokumentiert Höhepunkte und zentrale Thesen der Konferenz. Ergänzt werden die Szenen durch Interviews, umfangreiches Recherchematerial, Fotos und Videos, darunter auch unveröffentlichte Aufnahmen einer Lesung von Erich Fried aus dem Jahr 1988. Der Film ist Esther Bejarano gewidmet, die mit einer mahnenden Grußbotschaft mitgewirkt hat und am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren verstorben ist.


102 Minuten, Deutsch/Englisch mit Untertiteln © 2021 Dror Dayan und Susann Witt-Stahl

PREMIERE »ZEIT DER VERLEUMDER« 10. Oktober 2021,  Youtube: Projekt Kritische Aufklärung


TRAILER »ZEIT DER VERLEUMDER«  Youtube: youtu.be/RmdtBu4J0Mw


Homepage Projekt Kritische Aufklärung: projektkritischeaufklaerung.de


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Verwirkte Relevanz


Die Partei Die Linke ist mit der aktuellen Radikalisierung ihres Pro-Israel-Kurses endgültig im deutschen Nationalkonsens aufgegangen


Der Zusammenschluss Projekt Kritische Aufklärung sprach mit Moshe Zuckermann über Vertreter der Partei Die Linke (PDL), die sich mit Rechten solidarisieren, Joachim Gauck für sich entdeckt haben, vom humanistischen Judentum nichts mehr wissen wollen, die Palästinenser verraten haben, eine politische Kultur des Opportunismus pflegen – und lieber den Mund halten sollten, wenn jüdische Linke Einspruch gegen die unsäglichen deutschen und israelischen Zustände erheben. Das Gespräch führte Susann Witt-Stahl im Mai 2018.


Projekt Kritische Aufklärung: Die PDL zündet ein großes Feuerwerk zum 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel. Es »blickt heute mit Stolz auf 70 Jahre Demokratie mit einer lebendigen und pluralistischen Zivilgesellschaft und einer immensen Vielfalt in den Formen des Zusammenlebens«, heißt es in einen Antrag mit dem Titel »70 Jahre Staat Israel«, den die Fraktion der PDL zusammen mit den Grünen in den Bundestag eingebracht hat (1). Bemerkenswert ist, dass Diether Dehm ihn mit unterzeichnet hat. Bisher hatte er den konsequenten Kritiker genau der rechtsopportunistischen Politik gegeben, die er nun selber offensiv vorantreibt. Und Fraktionschef Dietmar Bartsch präsentierte sich in seiner Bundestagsrede zum Geburtstag des Judenstaates am 26. April gleich noch mal staatstragender als sonst. Er mahnte die Deutschen zur Israelsolidarität und begründete seine Forderung mit der »moralischen Pflicht, alles zu tun, dass Auschwitz sich nicht wiederholt« (2). Wie kommt so ein Gebaren bei Ihnen als jüdischem linken Israeli an?


Moshe Zuckermann: Solche Aussagen kommen mir vor wie der Versuch von Deutschen, die offenbar wenig Ahnung davon haben, was sich in den letzten Jahren in Israel abspielt, sich aus feierlichem Anlass an den ideologischen Vorgaben der israelischen Propaganda im Ausland Hasbara zu orientieren. Was meinen diese Menschen, wenn sie im Zusammenhang von Israel von »Demokratie« reden? Was für ein Israel meinen sie, wenn sie »Solidarität« mit ihm anmahnen? Und was hat das mit dem Postulat zu tun, dass Auschwitz sich nicht wiederhole? Abgesehen von den Klischees, die hier klebrig zusammengefaselt werden, zeugen diese Positionen der Linkspartei-Fraktion von einer peinlichen Realitätsferne, die den Verdacht aufkommen lässt, dass es ihr gar nicht um ein reales Israel zu tun ist; vielmehr manifestieren sich in ihnen deutschbefindliche Vermessenheiten.


Was ist denn in diesem Tagen Realität in Israel?

Die Realität in Israel ist die, dass die Regierungskoalition, die rechteste in seiner Parlamentsgeschichte, dabei ist, die Grundfesten der Demokratie zu demontieren: Der Oberste Gerichtshof wird attackiert, um die Judikative der Exekutive gefügig zu machen. Vom Umkreis des Premierministers, der sich schwersten Korruptionsvorwürfen zu entwinden trachtet, wird die Polizeigewalt desavouiert. Das Erziehungsministerium, in der Hand der Nationalreligiösen Partei, ist bestrebt, das gesamte Bildungswesen immer mehr religiösen Vorgaben unterzuordnen. Miri Regev, die Kulturministerin, eine erklärte Faschistin, erweist sich immer wieder als eine vulgäre, machtbesessene, kulturresistente Person, die vor allem damit befasst ist, sich in beschämendster Art und Weise bei Netanjahu und seiner Frau einzuschleimen. Politik wird größtenteils nur noch populistisch betrieben. Fremdenhass, ethnisches Ressentiment und Rassismus bestimmen in vielerlei Hinsicht den Alltagsdiskurs. Das Militär, in Avigdor Liebermans Händen, ist damit befasst, auf unbewaffnete Palästinenser zu schießen. Ich könnte jetzt die gesamte Zeit unseres Gesprächs darauf verwenden, solcherlei Widerlichkeiten aufzuzählen. Ich will es nicht tun, aber vor allem eines hervorheben: Israel ist ein Land, das seit über 50 Jahren ein brutales Okkupationsregime unterhält, mit dem es das palästinensische Volk knechtet, und mit einem riesigen Siedlungswerk permanent völkerrechtswidrige Expansion betreibt. Das ist keine Demokratie. Das ist keine Zivilgesellschaft. Das ist ein Land, das jedes Recht verwirkt hat, sich noch auf die »Lehren von Auschwitz« zu berufen.


Das könnten Sie in der PDL nicht sagen, ohne zumindest von der Parteichefin Katja Kipping und ihren Anhängern der Anwendung »doppelter Standards« und damit mehr oder weniger direkt des Antisemitismus angeklagt zu werden. Dabei rekurrieren Kipping & Co offenbar, ohne die Quelle explizit zu nennen, auf den umstrittenen »3-D-Test für Antisemitismus« des rechtsgerichteten ehemaligen israelischen Vizeministerpräsidenten Natan Scharanski (anders als oftmals behauptet, können sie sich jedenfalls nicht auf die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) berufen, denn darin ist nicht die Rede von »doppelten Standards«, Israel wird gar nicht erwähnt (3); beides taucht nur in einem Anhang mit einigen Beispielen auf, die aber nicht verbindlich sind. Erst in einer von der Deutschen Bundesregierung ergänzten und damit verfälschten Fassung der IHRA-Definition findet sich der Satz »Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein«(4). Laut diesem »Test« ist Antisemit, wer Israel anders als andere Staaten behandelt und selektiv für ein Verhalten kritisiert, das bei anderen Staaten ignoriert wird. Scharanski und mittlerweile auch Kipping sowie ihre Genossen sind der Überzeugung − in der Regel liefern sie für ihre gewagte These keine Belege −, die Anwendung »doppelter Standards« gegen Israel sei eine gängige Politikpraxis. Folgt man ihrer Logik, kann man kaum eine negative Aussage über die Netanjahu-Regierung machen, ohne gleichzeitig alle Missstände in anderen Ländern anzuprangern – selbst Verhältnisse, die überhaupt nicht mit den zum Teil einzigartigen israelischen vergleichbar sind. Es gibt ja nicht allzu viele Staaten, die seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Besatzungsregime unterhalten etc. Auf Basis einer manipulativen Gleichsetzung von Judentum mit Israel, die ebenfalls von Scharanski sowie dem gesamten Lager der zionistischen Rechten vorangetrieben wird, macht die Linkspartei-Spitze seit Jahren vor allem mit dem »Doppelten-Standards«-Vorwurf jede nach links abweichende emanzipative Meinung nieder. Dietmar Bartsch hat in seiner Geburtstagsrede das, was in seiner Partei noch an »Kritik« an den von Ihnen beschriebenen Zuständen übrig geblieben ist, gut auf den Punkt gebracht: Dafür, dass die Zwei-Staaten-Lösung, die Netanjahu nie wollte und der er längst eine endgültige Absage erteilt hat, bis heute nicht zustande gekommen ist, gebe es »vielschichtige Gründe«, z.B. »fehlende Empathie und Mitgefühl auf allen Seiten«, die »Kontroverse über die Siedlungspolitik«. Er sei zwar mit einigen »politischen Entscheidungen Israels« nicht einverstanden, so Bartsch. »Aber als deutscher Staatsbürger, demokratischer und linker Politiker ist es nicht meine Aufgabe, Israel zu belehren«, erklärte er, um dann anschließend auch die Israelpolitik der Deutschen Bundesregierung mit keinem einzigen Wort zu kritisieren. Immerhin konnte er sich noch zu der Aussage »Die Palästinenserinnen und Palästinenser brauchen einen eigenen Staat« durchringen. Dafür bekam er nur von fast allen Mitgliedern seiner Fraktion Applaus. Als er darüber hinaus erklärte, auch Israel müsse das Völkerrecht akzeptieren, waren es schon erheblich weniger, die noch Beifall spendeten.


Wenn Bartsch tatsächlich meint, dass es nicht die Aufgabe eines demokratischen linken Politikers sei, Israel zu belehren, dann sollte er – und mit ihm vielleicht gleich seine gesamte Fraktion – am besten ganz verstummen. Was soll das heißen − »belehren«? Israel betreibt ein barbarisches Besatzungsregime – seit wann muss man als linker Politiker Lehrmeister werden, um sich diesem menschenverachtenden Zustand zu widersetzen? Selbst feige Rationalisierungen sollten zumindest ein Mindestmaß an Niveau wahren, wenn sie ernstgenommen werden wollen. Und was Sie über Katja Kipping sagen, ist vollkommen richtig: Israel muss man nicht abstrus vergleichend moralisch-ausgewogen kritisieren, sondern um den Zustand der Unterdrückung der Palästinenser abzuschaffen. Wenn man sich des Antisemitismus-Vorwurfs bedient, um sich diesem Muss zu entziehen, dann ist das nichts als ideologische Erbärmlichkeit. Wenn der Kampf gegen menschliches Leid bei Linken erst rationalisiert werden muss, dann ist es höchste Zeit, sich zu fragen, worin sie ihr Linkssein noch erblicken. Darüber hinaus muss aber gesagt werden: Wenn deutsche Linke aus historischen Gründen Skrupel haben, Israel anzuklagen – was wiederum nur auf deutsche Befindlichkeiten verweist –, dann sollten sie wenigstens ihren Mund halten, wenn das israelische Staatsbürger oder Juden in der Welt tun; von Solidarität rede ich schon gar nicht mehr. Wenn sie sich stattdessen aber auf die lächerliche Definition von Antisemitismus berufen, die Sie hier zitieren, dann haben sie sich selbst disqualifiziert: Sie begehen dann Verrat nicht nur an ihrer eigenen Gesinnung, sondern auch am gerechten Kampf gegen die israelische Besatzungspolitik. Und noch etwas: Wenn man sich als Linker Scharanski zum Maßstab der Definition von Antisemitismus wählt, dann führt man die Emanzipationsagenda ad absurdum. Scharanski bezog sein politisches Kapital aus einem im Westen im Kontext des Kalten Krieges gefeierten Dissidententum gegen die Sowjetunion. In Israel angekommen schloss er sich (wie die meisten Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR) sogleich dem rechten nationalistischen Lager der israelischen Politlandschaft an. Als Vorsitzender der Jewish Agency, eine Position, die es ihm ermöglicht hat, viel im Ausland zu weilen und ab einem bestimmten Zeitpunkt sich aus der israelischen Tagespolitik herauszuhalten, war ihm das Doppelpack Hasbara plus Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurfs Raison d’Être seines (ideologisch prästabilisierten) Jobs. Wahrlich kein Grund, sich an ihm im Hinblick auf Antisemitismus-Bekämpfung zu orientieren. Aber wie gesagt, es geht primär um das Besatzungsregime, das Israels Politik bestimmt. Hier müsste linke Kritik ansetzen.


Ganz das Gegenteil tun die Fraktion und die Chefs der PDL: Sie arbeiten seit zehn Jahren intensiv daran, − interessanterweise vorwiegend – den zivilgesellschaftlichen Widerstand der Palästinenser und der israelischen wie internationalen jüdischen Linken gegen die Besatzung zu diskreditieren: Bereits 2008 hatte Gregor Gysi in seiner Rede zum 60. Geburtstags Israels den Abschied vom Antiimperialismus verkündet, der freilich schon längst vollzogen war, und seine Partei aufgefordert, sich zur Israelsolidarität als deutsche Staatsräson zu bekennen (5). 2011 hat die Linksfraktion einstimmig eine Resolution verabschiedet, mit der sie nicht nur die Kampagne Boycott Divestment and Sanctions (BDS), sondern auch jeden Boykott von Waren aus den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten als verbrecherisch deklariert hat (6). »Wir treten überall und entschieden gegen antisemitisches Gedankengut und rechtsextreme Handlungen auf. Dazu gehört ebenso, dass wir Aufrufe zum Boykott israelischer Waren klar verurteilen«, erklärte die damalige Linkspartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch (7). Der aktuelle »70 Jahre Staat Israel«-Antrag von PDL und Grünen macht noch deutlicher, dass die Partei auf den Pro-Netanjahu-Kurs der Bundesregierung gebracht werden soll. Flankierende Maßnahmen waren aus den eigenen Reihen befeuerte Diffamierungskampagnen in den Springer-Krawallmedien, aber auch in den »antideutschen« Kriegspropaganda-Organen, wie Jungle World und Konkret, gegen die Linkspartei-Politiker, die das nicht mitmachen wollten, beispielsweise Norman Paech. Diese paar – es waren erschreckend wenige − Aufrechten sind längst weg vom Fenster.


Ja, ich kann Ihnen da nur zustimmen. Ich selbst war auf der Linkspartei-Veranstaltung im Jahre 2008, bei der Gysi die programmatische Rede zum neuen Kurs hielt. Ich war entsetzt. Einige alte Genossinen und Genossen aus der Partei kamen auf mich zu und fragten mich, was denn in den gefahren sei. Ich wusste nicht, was ich ihnen antworten sollte, aber mir wurde damals schon klar, dass sich da eine affirmative Wende vollzieht. Was mich dabei irritierte, war, dass für die deutsche Staatspolitik die Beziehung zu Israel zu einer Art Schibboleth geronnen war; Israel ist bis zum heutigen Tag der Lackmustest, den man bestehen muss, um überhaupt in den politischen Nationalkonsens aufgenommen zu werden. Damals irritierte es mich noch, zumindest was Die Linke anbelangte, heute widert es mich nur noch an. Die Partei, die ja, zumindest mit ihrem rechten Flügel, schon seit einigen Jahren bestrebt ist, wählbar und regierungsfähig zu werden, hat sich schon längst von ihrem Anspruch des Linksseins verabschiedet. Dass sie es aber in dieser perfiden »wiedergutmachenden« Art und Weise meint,tun zu sollen, ist unerträglich. Sie wäre nicht die erste linksgerichtete Partei, die Gesinnungsverrat begangen hätte. Aber das dies gleich per Solidarität mit dem sich zunehmend faschisierenden, also allem Linken zutiefst feindlichen Israel geschehen muss, nur weil dieses Israel sich als Judenstaat ausgibt, obwohl es das humanistische Judentum permanent verrät, ist eigentlich eine Farce. Dass diese Leute sich nicht schämen, sich selbst für Linke zu erachten, ist nicht nur im Hinblick auf ihre realpolitischen Intentionen, sondern auch im Hinblick auf ihr Verständnis, was es heißt, links zu sein, ein empörender Witz.


In dem »70 Jahre Staat Israel«-Antrag solidarisiert sich Die Linke ja nicht nur mit dem das humanistische Judentum diskreditierenden rechtsgerichteten Israel. Es wird darin ja auch die Forderung an die Bundesregierung erhoben, dieses Israel als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat zu hieven, seine Interessen in »internationalen Organisationen« zu vertreten, die Palästinensische Autonomiebehörde unter Druck zu setzen, keine »Märtyerrenten für Familien von Terroristen« mit deutschen und europäischen Gelder zu finanzieren. Bedenkt man, dass jeder Palästinenser, der heute auch nur in völlig gewaltloser Weise von seinem Selbstverteidigungsrecht gegen die Willkürherrschaft des israelischen Militärs und der rechtsradikalen Siedler Gebrauch macht, als »Terrorist« gebrandmarkt wird, dann kann man sich vorstellen, was das heißt. Wichtig ist aber vor allem, dass Die Linke von Merkel fordert, »weiterhin« für die »Sicherheitsinteressen des Staates Israel als einem zentralen Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik aktiv einzutreten«, bezogen auf ein Israel in den Grenzen von 1967 (die aber gar nicht existieren). Das heißt, Die Linke will, dass die bisherige Israelpolitik der Großen Koalition weitergeht. Das wiederum bedeutet praktisch: Von der Zwei-Staaten-Lösung zu reden, aber keinen Finger dafür krumm machen, dass sie durchgesetzt wird, lieber Rüstungsexporte in ein Krisengebiet, enge Kooperation zwischen der Bundeswehr und dem israelischen Militär, Abnicken der Belagerung und des Aushungers von Gaza, inklusive Schießbefehl gegen unbewaffnete Zivilisten, auch Kinde (8) etc. etc. Aber das ist noch längst nicht alles, wofür Die Linke streitet. Ferner verlangt sie in ihrem Antrag, dass »schnellstmöglich die weiteren Forderungen aus dem interfraktionellen Beschluss zur Bekämpfung des Antisemitismus« umgesetzt werden sollen. Gemeint ist die von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und AfD verabschiedete Resolution »Antisemitismus entschlossen bekämpfen« (9). Die Linke hatte sich der Stimme enthalten. Aber nach eigenen Angaben vor allem deshalb, weil die antragstellenden Parteien sie von einer Mitwirkung ausgeschlossen hatten – nicht etwa weil sie die üblen Inhalte abgelehnt hatte. Die Resolution enthält u.a. die Forderung nach Bekämpfung von BDS mit der dringenden Empfehlung an die Justiz zu prüfen, ob die Aktivitäten dieser zivilgesellschaftlichen Kampagne nicht als »Volksverhetzung« geahndet werden können. Das heißt, die Linksfraktion befürwortet eine juristische Gleichsetzung von Boykott-Aufrufen gegen Israel mit Holocaust-Leugnung und auch eine Kriminalisierung von BDS. Aber das ist immer noch nicht alles. Der Beschluss verlangt auch die Anwendung eines Sonderrechts gegen »Ausländer«, die zu »antisemitischen Hass« aufrufen. Da die Antragsteller bekanntlich nicht nur Judenfeindlichkeit, sondern auch Zionismuskritik und Kritik an der Netanjahu-Politik als »Antisemitismus« definieren, wird damit die Meinungsfreiheit von Flüchtlingen und anderen Migranten ohne gesicherten Aufenthaltsstatus massiv eingeschränkt. Wer nicht spurt, dem droht zukünftig die Ausweisung. Zunächst hatte die Linksfraktion wenigstens noch in diesem einen Punkt Bedenken geäußert. Mit ihrem »70 Jahre Staat Israel«-Antrag wurden nun aber offenbar auch noch die letzten Skrupel über Bord geworfen, denn er enthält keinen einzigen Einwand mehr gegen diese unsägliche »Antisemitismus entschlossen bekämpfen«-Resolution. Damit hat sich Die Linke zu den Abschiebeparteien gesellt. Berücksichtigt man dann noch – und das ist überaus wichtig −, dass die PDL-Fraktion und -Führung die Antisemitismus-Definition von der Bundesregierung und den anderen bürgerlichen rechten Parteien übernommen hat, wird klar, dass ihre u.a. in dem Israel-Antrag enthaltene Forderung nach offensiver Bekämpfung von Judenhass − die eine vernünftige wäre, wenn Die Linke eine aufgeklärte emanzipative Antisemitismus-Definition vertreten würde und nicht eine rechtszionistisch-neokonservative − nicht zuletzt als Kampfansage an die nichtzionistische jüdisch-israelische und nahezu die gesamte internationalistische Linke zu lesen ist. Denn mit ihrer rechten Israel-Politik und der demagogischen Antisemitismus-Definition, die sie sich zu eigen gemacht hat, stigmatisiert die PDL-Fraktion nicht nur Millionen von Palästinensern und ultraorthodoxen Juden, die Israel aus religiösen Gründen ablehnen, sondern stempelt auch renommierte jüdische Intellektuelle, beispielsweise Judith Butler und Naomi Klein, sowie internationale Linke wie Angela Davis und Ken Loach als »Antisemiten« und »Rechtsextremisten« ab. Welche Folgen kann es perspektivisch für die Aufarbeitung deutscher Vergangenheit haben, wenn der Aufruf zum Boykott israelischer Waren mit Holocaust-Leugnung und anderen Straftatbeständen rechter Volkverhetzung auf ein Stufe gestellt wird, wie es CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, AfD und nun auch Die Linke anregen?


Ich glaube, mit Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit hat das, was gegenwärtig in Deutschland abläuft, nichts mehr zu tun. Ich würde da eher von Hitlers verlängertem Arm sprechen. Anstatt sich sachlich und rational mit vorhandenem Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus auseinanderzusetzen, werden unappetitliche Erscheinungen, die aber eben doch nur Randerscheinungen sind, aufgebauscht, als ginge es um die Heraufkunft eines Vierten Reiches − um mit diesem Popanz politisch-ideologische Ziele zu verfolgen. Vollkommen klar ist, dass dabei Fremdbestimmtes zum Wesen des Debattierten erhoben wird. Dass sich in diesem Zusammenhang die Linkspartei selbst aufhebt, ist schlimm, leider aber keine neue Entwicklung; sie hat, wie schon gesagt, bereits vor Jahren begonnen. Das hat damit zu tun, dass im siegenden Kapitalismus, die revolutionäre Linke nur als Außenstehende etwas zu bieten hat, als unerbittliche Opposition gegen das Bestehende, auch noch in Zeiten, in denen diese Opposition keine Aussicht auf minimalen Erfolg hat. Eine Linke aber, die sich ohne Chance versucht, »relevant« zu machen, sieht eben so aus, wie das, was Sie beschrieben haben. Darin hat sie ihre Relevanz als Linke verwirkt. Da braucht man sich nichts mehr vorzumachen.


Die Linksfraktion bezieht sich auch auf den Bericht eines »Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus« der Bundesregierung und fordert die Umsetzung der darin enthaltenen Empfehlungen (10). Besonders interessant ist, dass in diesem Bericht in Die Linke ein »antiisraelischer Flügel« gesucht und gefunden wird, dem angeblich »einflussreiche und relevante Akteure« angehören und in dem »Antisemitismus mit Israelfeindschaft einhergeht«. Als Beispiel wird die Weigerung von elf Fraktionsmitgliedern, darunter Ulla Jelpke, im Jahr 2008 angeführt, an der Abstimmung eines Antrags zur Antisemitismusbekämpfung teilzunehmen, in dem sie sich zur »Solidarität mit Israel als bundesdeutsche Staatsräson« verpflichten mussten (11). Dass die Linksfraktion es offenbar akzeptiert, zumindest nicht ablehnt, wenn einige ihrer eigenen Mitglieder als »Antisemiten« diffamiert werden, ist schon überaus bemerkenswert. Dass sie keine Einwände erhebt, wenn nun mit dem Segen der Bundesregierung sogar schon der vor zehn Jahren noch artikulierte Ungehorsam weniger Genossen gegenüber der von Adenauer – übrigens ein Antisemit (12) – geprägten prowestlichen, prozionistischen und antikommunistischen Staatsdoktrin Deutschlands als »Antisemitismus« gehandelt wird, kommt einer bedingungslosen Kapitulation vor einer zunehmend aggressiven und militarisierten deutschen Außenpolitik gleich. Vor allem aber muss man festhalten, dass die von der PDL-Fraktion offenbar goutierte Antisemitismus-Definition einen Grad an Inflationierung aufweist – verweigerte Unterstützung für die rechte deutsche Israelpolitik = Antisemitismus; darauf muss man erst mal kommen −, den man durchaus als McCarthyesk bezeichnen kann.


Ja, so darf man das sehen. Was aber dabei auffällt, ist die unsägliche Dynamik der vorsätzlichen Antisemitisierung des Diskurses. Da wartet ein »Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus« der Bundesregierung mit der Behauptung auf, »Antisemitismus mit Israelfeindschaft« sei in der Linkspartei ausgemacht worden, und schon ist etwas in die Welt gesetzt worden, was fortan als Tatsache behandelt zu werden hat. Diese Taktik ist ja mittlerweile mit solcher Emphase zur neuen Polit- und Medienpraktik geronnen, dass man nur noch wie ein Ochs vorm Berg stehen kann, sich der eigenen Ohnmacht nicht einmal mehr schämend, sondern sie achselzuckend hinnehmend. Dass dies aber einer Partei widerfahren kann, die den Anspruch erhebt, links zu sein, mithin in Ideologiekritik geschult sein müsste, ist das eigentlich Erschreckende an dieser Tendenz. Aber meine eigene Einlassung dazu ist offenbar überflüssig. Denn wenn Die Linke seit nunmehr zehn Jahren den von Gysi eingeläuteten Kurs fährt, dann erübrigt es sich, sie noch etwas zu zeihen, das sie offenbar nicht mehr für problematisch erachtet. In dem Moment, wo »unabhängige Experten» es geschafft haben, Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik gleichzusetzen und diese Gleichsetzung allgemein akzeptiert worden ist, erhebt sich einzig die Frage, ob eine linke Partei dieses verformte Allgemeine mittragen will. Es gab Zeiten, da speiste sich die Daseinsberechtigung von Linken darin, das Allgemeine als das reale schlecht Bestehende eben nicht akzeptieren zu können. Das gilt für die deutsche Partei Die Linke offenbar nicht mehr.


Die Linksfraktion hat sich in ihrem Israel-Antrag auch explizit positiv auf Joachim Gauck bezogen. Das ist zumindest objektiv ein gegen die gesamte Linke gerichteter Tabubruch und eine neue Qualität von Kotau vor der bürgerlichen Rechten. Denn kaum jemand hat mit so viel geschichtsklitternder Energie die deutsche Normalisierung vorangetrieben wie Gauck. Allein schon, indem er nicht müde wurde, die DDR mit dem Hitler-Regime auf eine Stufe zu stellen und ein Geschichtsbild von Deutschland zu präsentieren, in dem der Unterschied zwischen Zuchthaus und Zyklon B nur noch ein gradueller ist. Der fanatische »fundamentale Antisozialist«, wie Daniela Dahn ihn treffend genannt hatte, hat aber nicht nur mit Geschichtsfälschungen Karriere gemacht, sondern auch mit seiner damit stets verbundenen Propaganda für deutsche Kriegsbeteiligungen. Nur wer die Verbrechen Nazi-Deutschlands derart relativiert, kann den von den Rechten immer lauter geforderten Schlussstrich bis über den kategorischen Imperativ »Nie wieder Krieg!« durchziehen. Dass die PDL-Fraktion nun Joachim Gauck als Vorbild für sich entdeckt hat, ist vielleicht ein Indiz für eine wachsende Bereitschaft einiger ihrer Mitglieder, den Rubikon in nicht allzu ferner Zukunft zu überschreiten. »Mit seiner Forderung nach Solidarität mit Israel begibt sich Gysi in die feine Gesellschaft der Kriegstreiber«, hatte die junge Welt vor zehn Jahren die historische Israel-Rede des damaligen PDL-Chefs kommentiert als »außenpolitische Reifeprüfung« bezeichnet. »Die Parteirechte ist nunmehr um die Herstellung einer prozionistischen Hegemonie bemüht. Dabei geht es nicht nur um Israel« (13). Das, was sie unter »Solidarität« mit dem Judenstaat versteht, wäre für eine parlamentarische Linke im Täterland, die sich »demokratischer Sozialismus« auf die Fahnen geschrieben hat, aber ihre Zelte im Friedenslager abbrechen will, doch so ziemlich die einzige scheinbar stimmige Exit-Strategie. Allemal wäre die von den Transatlantikern in der PDL schon lange geforderte Identifikation mit den »Sicherheitsinteressen« eines angeblich in seiner Existenz bedrohten Israel die beste Legitimationsideologie für ein Ja zu Militärschlägen im Nahen und Mittleren Osten, wie sie unlängst die USA, Frankreich und Großbritannien in Syrien − sehr zum Bedauern von Verteidigungsministerin von der Leyen ohne Deutschland − durchgeführt haben.


Zu fragen bleibt gleichwohl – über die Beschreibung dieses Zustands hinaus; und auch ich habe nichts weiter getan als zu beschreiben –, warum dem so ist. Warum will sich Die Linke ihres Linksseins entledigen? Warum will sie gerade das loswerden, was ihre Gesinnungsidentität ausmachen und ihre Weltausrichtung formulieren müsste? Ich frage das deshalb, weil es sein kann, dass wir hier ein Gespräch über Gespenster führen. Wenn Linke keine Linken mehr sind, dann braucht man über sie eigentlich gar nicht mehr in linken Kategorien zu sprechen. Dann sind sie eben keine Linken mehr, so wie ein Proletarier, der zum Bürgertum aufgestiegen ist, kein Proletarier mehr ist und auch nicht mehr als solcher beurteilt werden braucht. Oder geht es hier lediglich um unsere eigene narzisstische Kränkung, um unser subjektives Gefühl, verraten worden zu sein? Wie kann man aber jemanden kritisieren, der von vornherein durch Wort und Tat bezeugt, dass das, wofür er kritisiert wird, ihn gar nicht mehr tangiert? Wenn die Oberen der Linkspartei nichts mehr zu tun haben, als sich des materiellen wie politischen Kapitals zu bemächtigen, welches sie aus ihrer Vergangenheit mitschleppen; wenn sie ihre Vergangenheit nicht nur verleugnen, sondern meinen, sie »überwinden« zu sollen, dann gibt es eigentlich gar nichts mehr im linken Sinne zu erörtern. Wenn Die Linke meint, sich mit einem Land wie Israel bzw. mit dem, was aus Israel geworden ist, solidarisieren zu sollen, dann erweist man ihr die falsche Ehre, sie noch als eine linke Partei anzusehen – eine Ehre, auf die sie übrigens vielleicht überhaupt keinen Wert mehr legt.


Ja, offenbar legen zumindest die Karrieristen in der PDL mehr Wert darauf, mit am Tisch der Parteien sitzen zu dürfen, die den neoliberalen Konsens vertreten, also die Interessen der ökonomischen Eliten. Es gibt noch integre Linke in Die Linke, aber der Aufstand der Anständigen bleibt regelmäßig aus. Sei es Kadavergehorsam, Resignation, Ohnmacht oder pure Angst davor, wie mittlerweile Routine, von den Gegnern in der Partei als »antisemitische Sau« durchs Dorf getrieben zu werden. Es regt sich ja nicht einmal Protest gegen die sich stetig vergrößernde nach rechts offene Flanke der radikalen Israelsolidarisierer unter den PDL-Politikern, die seit Jahren mit »antideutschen« Bellizisten und Islamhassern an einem Strang ziehen. Ein Beispiel ist Petra Pau, die mit neokonservativen Kriegshetzern und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) kooperiert. Diese Netanjahu-Lobby-Organisation hatte noch nie etwas mit Friedenspolitik und den fortschrittlichen Kräften in Israel am Hut, aber in den vergangenen Jahren ist sie gefährlich nach rechts abgerutscht. Offiziell distanziert sie sich von Gaulands Truppe, aber wie selbst die Jüdische Allgemeine berichtet, sind AfDler in der DIG aktiv (14). Pau hat auch keine Probleme mit dem kürzlich ernannten Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung: Felix Klein fand sich am israelischen Gedenktag für die Gefallenen und Terroropfer, einige Tage vor seinem offiziellen Amtsantritt, an der Spitze eines von einer an die »Mächte der Finsternis« glaubende, evangelikal-charismatischen Sekte initiierten »Marsch des Lebens« (15). Statt diese Ungeheuerlichkeit zu skandalisieren, fiel Petra Pau nichts anderes ein als sie zu beschweigen und den Antisemitismusbeauftragen zu loben: »Ich schätze den neuen Amtsinhaber Felix Klein sehr«, sagte sie rund eine Woche nach dessen peinlichen Auftritt in einem Interview (16). Es ist doch grotesk, dass eine Linkspartei-Politikerin einen Mann als geeignet für die Antisemitismusbekämpfung in diesem Land hält, der offenbar keinerlei Berührungsängste gegenüber christlichen Fundamentalisten hat – durchgeknallten religiösen Fanatikern, denen Vertreter der Amtskirche eine »dämonologische Deutung des Nationalsozialismus« bescheinigt haben (17). Mittlerweile ist die deutsche, auch die staatsoffizielle, Israelsolidarität wohl so weit nach rechts gerückt, dass sie schon mit Judenhassern den Schulterschluss sucht – Hauptsache es sind Zionisten.


Es erübrigt sich, über die Person Petra Pau zu reden. Denn wenn sie Die Linke repräsentiert, dann ist Die Linke eben keine linke Partei mehr. Was soll an Petra Pau noch links seinSie sagen: »Es gibt noch integre Linke in Die Linke, aber der Aufstand der Anständigen bleibt regelmäßig aus.« Was soll an diesen Linken noch integer sein, wenn sie es zulassen, dass ihre Partei so verrottet? Wenn sie ohnmächtig sind, sind sie irrelevant für das, was wir hier bereden. Wenn sie aber feige sind, verdienen sie nichts Besseres, als was ihnen widerfährt. Wir reden hier nicht von der Überwindung des Kapitalismus; auf diese können wir in der gegenwärtigen historischen Phase noch lange warten. Wir reden von einer effektiven Opposition gegen den Verrat an den Grundsätzen der Partei. Und diese Opposition ist offenbar nicht da. Somit bleibt nur das, was die Verräter am linken Kampf zustande gebracht haben. Was soll man davon schon großartig erwarten? Und was soll man sich großartig über den Schulterschluss mit einer evangelikalen Sekte wundern, wenn Israels Premierminister genau das schon seit Jahren praktiziert? Wenn er keine Berührungsangst mit Antisemiten und Rassisten hat (ganz im Gegenteil), muss ich eine solche Berührungsangst nicht von jemandem erwarten, der in Deutschland staatsoffiziell zum Antisemitismusbeauftragten ernannt worden ist. Und wenn Petra Pau ihn schätzt, dann ist das eben das Spiegelbild dessen, was man heute offenbar von einer Repräsentantin der Linkspartei erwarten darf.


Die Landtagsfraktion der PDL in Brandenburg geht noch einen Schritt weiter. Eines ihrer Mitglieder hat zusammen mit einer CDU-Abgeordneten einen parlamentarischen »Freundeskreis Israel« ins Leben gerufen. Auch die AfD will sich beteiligen. »Der Holocaust als singuläres Verbrechen in der deutschen Geschichte verpflichtet zur Solidarität mit Israel«, meint der AfD-Fraktionschef. Seine Partei wolle »die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus wachzuhalten« (18). Die PDL scheint es nicht sonderlich zu stören, dass sich nun ausgerechnet politische Kräfte, die heute in ähnlicher Weise gegen die muslimische Bevölkerung hetzen, wie es dessen Anhänger in den 20er- und 30er-Jahren gegen die jüdische taten, als schonungslose Aufklärer über die NS-Zeit aufspielen: »Dieser Zusammenschluss ist aus meiner Sicht ein starkes Zeichen für die Freundschaft mit dem jüdischen Staat, für wachsendes Vertrauen und die Stärkung der Zusammenarbeit und gegen Antisemitismus«, rechtfertigt die Mitinitiatorin des »Freundeskreis Israel«, Andrea Johlige, die perspektivische Kooperation ihrer Partei Die Linke mit Rechtsradikalen. »Ich finde es falsch, Dinge, die man politisch notwendig findet, nicht zu machen, nur weil die AfD dabei sein könnte« (19).


Der Kommentar dazu erübrigt sich fast. Johliges »naive« Ehrlichkeit entspricht durchaus ihrer politischen Aktion. Das ist ja das ganze Elend. Mal abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, warum sie einen »Freundeskreis Israel« gründet, wenn sie den Antisemitismus bekämpfen will, fragt man sich, ob sie als Linke gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts Besseres zu tun hat, als einen »Freundeskreis Israel« zu gründen. Was weiß sie vom realen »jüdischen Staat«, dass es ihr so dringlich ist, Freundschaft mit ihm zu bekunden? Sie weiß offenbar nicht sehr viel, und wenn sie weiß, hat sie nichts begriffen. Aber mir will scheinen, dass sie genau weiß, was sie will und was sie tut. Sie will »wachsendes Vertrauen« und »Stärkung der Zusammenarbeit«, weil ja ihre Partei diesen Kurs fährt – den Kurs zum deutschen Konsens. Wenn man sich damit erst einmal gesinnungsmäßig aufgegeben hat, ist es auch schon egal, mit wem man sich verbündet. Sie ist eben keine Linke. Sie kann sich übrigens bei der Verbandelung mit der AfD auf Israel selbst berufen: Wenn israelische Staatsführer keine Berührungsangst haben mit europäischen Faschisten und Neonazis und mit amerikanischen Evangelikalen – im Gegenteil –, dann ist es nur konsequent, dass die neue »linke« Freundin des »jüdischen Staates« sich mit der AfD verbündet. Sie darf auf viel Zuspruch im »jüdischen Staat« hoffen.


Bei der Antisemitismus-Bekämpfung setzt man im Täterland zunehmend auf eine mehr als fragwürdige Identifikation statt auf Solidarität, die den Anstand hätte, die nötige Distanz zu den Objekten von Judenhass zu wahren. Denn dieser Menschengruppe gehören nun mal rund 98,8 Prozent der Deutschen nicht an – egal, wie viele Israelfahnen sie sich umhängen, von denen sich ohnehin nur einige Juden repräsentiert wissen wollen. Nicht mehr nur »antideutsche« Israelsolidarisierer – bei ihnen ist seit jeher ein fast schon unheimlich anmutendes Verlangen zu beobachten, sich als »jüdische Opfer« zu inszenieren − versuchen verzweifelt, als die jüdischsten Juden daherzukommen, auch die politische Klasse: Abgeordnete der Globke-Partei trugen im Bundestag an einem verabredeten Aktionstag gegen Antisemitismus in Deutschland die Kippa, bei Kundgebungen auch Vertreter der anderen etablierten Parteien, auch Linkspartei-Politiker, wie Berlins Kultursenator Klaus Lederer und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow mussten unbedingt dabei sein. Und natürlich wollte auch die AfD nicht nachstehen − mit dem Ergebnis, dass auch Faschisten und andere Rechtsradikale die Kippa spazieren trugen. Wie erleben Sie solche Demonstrationen eines neuerdings entdeckten rechtsradikal-linken deutschen Konsenses gegen Antisemitismus – was ist davon zu halten?


Wie ich das erlebe? Ich war bei der »Deutschland trägt Kippa«-Aktion so peinlich berührt wie schon lange nicht mehr. Sie zählen die Gründe dafür zum Teil selbst auf. Aber es geht noch darüber hinaus. Denn nicht nur sind mir derlei Philosemitismen schon immer auf die Nerven gegangen, weil sich hinter ihnen ja das Ressentiment gegen Juden verbirgt, welches mit umgekehrten Vorzeichen auch den Antisemitismus antreibt. Es bedarf nur einer opportunen gesellschaftlichen oder politischen Stimmungswende, damit der Philo- in einen Antisemitismus zurückfällt. Nicht nur ist die kitschige Klebrigkeit des selbstgefälligen Hochgefühls, gemessen daran, worum es eigentlich zu gehen hätte, unerträglich. Wichtig ist darüber hinaus die symbolische Ordnung, die da angesprochen wird. Wissen die deutschen Kippa-Träger denn nicht, dass die Kippa eine religiöse Kopfbedeckung ist? Wissen sie nicht, dass die allermeisten Juden auf der Welt, einschließlich vieler in Israel lebender Juden, keine Kippa tragen, weil sie eben ein religiöses Bekenntnis indiziert? Und wissen diese Leute nicht, dass es verschiedene Kippot gibt – etwa die schwarze Kippa, welche orthodoxe, mithin nicht- bzw. antizionistische Juden tragen? Oder die gehäkelte Kippa, das Erkennungsmerkmal nationalreligiöser Juden, u.a. Hauptträger des Siedlerkontigents im Westjordanland – hat man sich etwa mit der Aktion auch zu ihnen bekannt? Aber das Ärgerlichste bei alledem: Wie kommen Nichtjuden dazu, jüdische Menschen mittels der Verwendung eines Utensils aufs Religiöse zu reduzieren? Was da subkutan mitgetragen wird, bedarf einer eigenen Erörterung. Aber auch die mag überflüssig sein: Es ist erschreckend, von welcher eklatanten und bornierten Ignoranz die Träger dieser deutschen-allzu-deutschen Aktion geschlagen sind.


Nun, Bodo Ramelow hat sich für die gehäkelte Kippa der Nationalreligiösen entschieden. Ob das ein Ausdruck seiner Gesinnung oder seiner Unwissenheit ist – diese Frage bleibt unbeantwortet. Die allgemein unter den Verwaltern der herrschenden Meinung in diesem Land grassierende Ignoranz gegenüber dem Judentum mag nicht zuletzt den kulturindustriell geprägten Klischees geschuldet sein, die durch Hollywood-Holocaust-Kitsch verbreitet werden. Überhaupt fragwürdig ist, ob Aktionen wie »Deutschland trägt Kippa« wirklich auf die Bekämpfung des Antisemitismus zielen. Denn die politische Klasse hierzulande, inklusive der Linksfraktionen in den Parlamenten, hat noch nie zur »Solidarität« aufgerufen, wenn jüdische Linke, die man früher der Verschwörung mit dem Bolschewismus angeklagt hat, in diesem Land diffamiert, beleidigt oder bedroht werden. Als 2017 ein wild gewordener CDU-Bürgermeister kritische Juden zu unerwünschten Personen in seiner Stadt erklärt hat, darunter sogar einen deutschen Staatsbürger, der in Frankfurt aufgewachsen ist, hat die Restpolitik – von Jutta Ditfurths ÖkoLinX bis zur AfD – sich an der Seite des Jägers, nicht der Gejagten eingefunden. Womöglich ist die »Reduzierung« von Juden aufs Religiöse nicht das einzige Problem …


Sie reden beim Frankfurter Vorfall u.a. von mir. In der Tat empfand ich die Unverfrorenheit des Bürgermeisters mir gegenüber als einen lebensgeschichtlichen Affront. Schon krass, was sich dieser Mensch da herausgenommen hat. Wer ist er denn, sich überhaupt anmaßen zu dürfen, mich in die antisemitische Ecke zu stellen, die er vorgeblich bekämpfen möchte. Ich habe da einen Verdacht: Ein Deutscher wie er könnte sich doch aus der Sache (der Parteinahme bei der Erörterung des israelisch-palästinensischen Konflikts) heraushalten und es unterlassen, einen Juden des Antisemitismus zu bezichtigen. Er könnte schlicht seine Klappe halten. Wenn er aber dennoch meint, sich aufspreizen zu sollen, gerät er für mich in den Verdacht, ein Problem mit mir, dem Juden, zu haben. Er kann sich mit dem Juden übersolidarisieren und sein Deutschsein durch ein Kippa-Tragen kompensieren, wie es Leute aus seiner Partei idiotischerweise getan haben. Oder er kann seine latente Aggression auf den Juden durch eine Attacke auf diesen ausleben, indem er ihn nämlich dessen bezichtigt, was ihn selbst, den Deutschen, unterschwellig umtreibt. Ich habe den Verdacht, dass besagter Frankfurter Bürgermeister selbst von einem antisemitischen Ressentiment angetrieben ist. Da mögen auch andere ideologische Momente mit eine Rolle spielen, namentlich der Hass auf den israelischen, kapitalismuskritischen Marxisten, aber primär ist da das Problem am Werk, dass während mich in meiner Israelkritik die Sorge um das Land, in dem ich lebe, motiviert, bei einem Uwe Becker ein Stück Antisemitismus in seiner Echauffierung über meine Israelkritik (in »seiner« Stadt) vorwaltet. Gleiches mag da für Ditfurth und Konsorten gelten. Diese Antisemitismusbekämpfung ist keine. Sie ist selbst zum Teil antisemitisch durchseucht.


Haben diese Erfahrungen und Einsichten Ihr einst intensives Verhältnis zur politischen Kultur Deutschlands, in der kritische Akzente vor einigen Jahren noch möglich waren, vor allem zur deutschen Linken und Partei Die Linke grundlegend beschädigt?


Ja, das kann man so sagen: beschädigt, wenn nicht zerstört. Das wird zwar eine Menge Leute in Deutschland, ehemalige Linke unter ihnen, freuen, aber ich denke nicht in diesen subjektiven Kategorien. Die deutsche Linke hat sich eben in vielerlei Hinsicht ihrem Untergang verschrieben; sie willfahrt darin dem vorherrschenden Zeitgeist. Als Marxist kann ich mich nicht damit abfinden und behaupte, dass sich das alles noch wenden kann, ja noch wenden muss. Aber persönlich will ich nicht leugnen, dass für mich, was mein linkes Selbstverständnis in Deutschland anbelangt, eine Ära zu Ende gegangen ist. Jene, die sich darüber freuen, ehemals linke Weggenossen von mir, sind nunmehr zu meinen Gesinnungsfeinden geworden. Sie haben Verrat an der Sache begangen, und sie interessieren mich, wenn überhaupt, nur noch als schäbige Verräter. Jene, die das bedauern und sich wünschen, dem wäre nicht so, sind nicht besser dran als ich. Im Übrigen habe ich Wichtigeres anzuvisieren als die Probleme der deutschen Linken: Das Land, in dem ich lebe – Israel –, treibt mit großen Schritten der Selbstaufhebung, mithin seiner bedrohlichen Faschisierung zu. Dies gilt es, von links zu bekämpfen, und sei‘s durch rigorose, kompromisslose kritische Reflexion.


Dieses Gespräch erschien in der ersten Fassung am 13. Mai 2018, die hier vorliegende erweiterte und leicht überarbeitete Fassung am 14. August 2018.


(1) Antrag DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen v. 25.4.2018: 70 Jahre Staat Israel, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/018/1901850.pdf, S. 1f.
(2) Dietmar Bartsch: Das Existenzrecht Israels ist selbstverständlich unverhandelbar, Rede im Deutschen Bundestag v. 26.4.2018, https://www.youtube.com/watch?v=FRoIjCYXO3g
(3) Arbeitsdefinition Antisemitismus der IHRA. Pressemitteilung v. 26.5.2016,   https://www.holocaustremembrance.com/sites/default/files/press_release_document_antisemitism.pdf, S. 1
(4) Bundesregierung unterstützt internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/kulturdialog/06-interkulturellerdialog/-/216610
(5) Gregor Gysi: Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel, Rede auf der Veranstaltung »60 Jahre Israel« der Rosa-Luxemburg-Stiftung v. 14.4.2008, https://www.die-linke.de/themen/nachrichten/detail/die-haltung-der-deutschen-linken-zum-staat-israel/
(6) Entschieden gegen Antisemitismus, Beschluss der Bundestagsfraktion DIE LINKE v. 7.6.2011, https://www.linksfraktion.de/themen/positionspapiere/detail/entschieden-gegen-antisemitismus/
(7) LINKE verurteilt Aufrufe zum Boykott israelischer Waren, Erklärung von Gesine Lötzsch v. 30.4.2011, https://www.die-linke.de/detail/linke-verurteilt-aufrufe-zum-boykott-israelischer-waren/
(8) Snipers ordered to shoot children, Israeli general confirms, Electronic Intifada v. 22.4.2018, https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/snipers-ordered-shoot-children-israeli-general-confirms
(9) Antrag CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen v. 17.1.2018: Antisemitismus entschlossen bekämpfen, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/004/1900444.pdf
(10) Antrag DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen v. 25.4.2018: 70 Jahre Staat Israel, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/018/1901850.pdf, S. 3f.
(11) Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus v. 7.4.2017,  http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf, S. 155
(12) Konrad Adenauer über »die Macht der Juden«, ZDF-Sendung »Zur Person«, Interview mit Günter Gaus v. 29.12.1965, https://www.youtube.com/watch?v=90EVIH4KZsc&t=6s, ab Min. 27:40
(13) Werner Pirker, Im Zweifel für Israel, junge Welt v. 25.4.2008, http://www.antiimperialista.org/de/node/5636
(14) Martin Krauss: Petry lässt kaschern, Jüdische Allgemeine v. 28.1.2016, http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24528
(15) Christina Bachmann: Christen in Berlin setzen Zeichen gegen Antisemitismus, Israelnetz v. 19.4.2018, https://www.israelnetz.com/gesellschaft-kultur/gesellschaft/2018/04/19/christen-in-berlin-setzen-zeichen-gegen-antisemitismus/
(16) Petra Pau: Zumutung für den Amtsträger, Interview, Das Parlament v. 30.4.2018, https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2018/-/553434
(17) Hartmut Zeller: Marsch auf Dachau, Süddeutsche Zeitung v. 10.2.2015, http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/gedenkstaette-marsch-auf-dachau-1.2334651
(18) Brandenburger Landtag gründet Freundeskreis Israel, in: RBB24 v. 24.4.2018, https://rbb24.de/politik/beitrag/2018/04/landtag-freundeskreis-israel-afd.html
(19) Andrea Johlige: Freundeskreis Israel im Brandenburger Landtag gegründet, Erklärung v, 14.5.2018, http://andrea-johlige.com/freundeskreis-israel/


Info: http://projektkritischeaufklaerung.de/de/konferenz-in-berlin-am-10-februar-2018
10.10.2021

Grünen-Chef Habeck spricht über Knackpunkt bei Sondierung

express.de, vom 9. 10. 2021

Berlin. Bei Steuern, Schulden und der Finanzierung von Klimaschutz-Maßnahmen rechnen die Grünen in den Sondierungsgesprächen für eine „Ampel“-Koalition mit den größten Konflikten.


Zitat: Auf die Frage, was wohl das schwierigste Thema der nächsten Wochen sein werde, antwortete der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck im Deutschlandfunk: „Also, es gibt erkennbare Differenzen zwischen uns und vielleicht auch der SPD und der FDP beim Thema Finanzen. Und Finanzen heißt nicht nur Haushalt, sondern auch die investiven Möglichkeiten für den Klimaschutz bereitzustellen.“


Es sei ja nun nicht so, dass nun die Grünen sagten „Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun“, das habe schon die Große Koalition festgelegt, sagte Habeck. Klar sei: „Eine Bundesregierung, die nicht gesetzestreu ist, die braucht natürlich kein Mensch.“


Grünen-Chef Habeck mit Forderung an EU-Ebene

Deutschland sollte sich nach Ansicht von Robert Habeck auf EU-Ebene für eine Lockerung der Vorgaben für die Rückzahlung von Schulden einsetzen. Die Coronakrise habe die europäischen Länder in die Verschuldung getrieben.


Er warnte: „Wenn man sie zwingt, diese Schulden, wie im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen, über eine sehr strenge Schuldenregel zurückzuzahlen, dann wird es südeuropäischen Ländern nur mit massiven Kürzungen im Sozialbudget gelingen und dann regiert da am Ende der Faschismus.“


Die Teilnehmer der Gesprächsrunden duzten sich zwar alle, berichtete Habeck.Als Zeichen großer inhaltlicher Übereinstimmung sei das aber nicht zu werten: „Wir haben inhaltlich jede Menge Konflikte, deswegen darf die vertrauensvolle Atmosphäre und das Bemühen, der Form nach, auch einen anderen Stil zu prägen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch lange nicht durch ist und dass die Differenzen zwischen den Parteien teilweise erheblich sind.“ Die Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und FDP sollen am Montag in Berlin fortgesetzt werden.


Grünen-Chef Habeck warnt vor Phase wie bei der Union


Die Grünen waren mit ihrer Co-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei der Bundestagswahl am 26. September mit 14,8 Prozent drittstärkste Kraft geworden, nach SPD und CDU/CSU.


Auf die Frage, welche Konsequenzen die Grünen aus dem für sie wohl nicht zufriedenstellenden Wahlergebnis ziehen wollten, sagte Habeck, die Grünen dürften jetzt nicht „eine Phase durchlaufen wie die Union“, wo über Fehler Einzelner gestritten und der Wahlkampf rekapituliert werde. Er wolle, „dass wir das alles notieren und festhalten, aber die Aussprache danach und die Analyse dessen, für die Zukunft, die wird dann erst nach der Regierungsbildung erfolgen“. (dpa)

Infowww.express.de

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10.10.2021

Erdoğans Träume vom neuen Osmanischen Reich: Warum eskaliert Lage zwischen Iran und Aserbaidschan?

de.rt.com, 10 Okt. 2021 14:17 Uhr, Ein Kommentar von Seyed Alireza Mousavi

Der neoosmanische Präsident der Türkei träumt von einem türkisch-muslimischen Korridor durch Eurasien. Demnach hat die Türkei zum Ziel, die Enklave Nachitschewan über den Sangesur-Transportkorridor mit Aserbaidschan zu verbinden. Damit soll eine direkte Verbindung über das Kaspische Meer in Richtung Osten nach Zentralasien geschaffen werden.


Zitat: Die angespannte Lage zwischen Aserbaidschan und Iran hat sich in den vergangenen Tagen zugespitzt, nachdem Iran ein groß angelegtes Militärmanöver an der Grenze zu Aserbaidschan gestartet hatte. Die Iranische Militärübung folgte auf eine gemeinsame Übung des türkischen, aserbaidschanischen und pakistanischen Militärs in Baku. Das Eskalationspotenzial mit Iran war seit der Staatsgründung Aserbaidschans noch nie so hoch wie derzeit. Die beiden Staaten scheinen sich seit dem Krieg in Bergkarabach im Jahr 2020 auf einem Konfrontationskurs zu befinden.

Durch imperiale Überdehnung könnte Erdoğan wie Mehmet VI. enden und seiner Entthronung entgegensehen




Meinung

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Der Schattenkrieg zwischen Iran und Israel hat längst eine neue Eskalationsstufe erreicht, seit Aserbaidschan zunehmend die Annäherung zu Israel, dem Erzrivalen Irans, sucht. Teheran glaubt, dass Aserbaidschan längst der Rückzugsort des israelischen Geheimdienstes in der Region geworden sei. Iran hat durch seine Verbündeten Hisbollah und die Assad-Regierung in Syrien Israel an dessen Grenze faktisch schon längst eingekesselt. Und Israel arbeitet ebenso offensichtlich daran eine neue Front gegen Teheran an der iranischen Grenze zu eröffnen.


Iran beschuldigte Aserbaidschan bereits mehrfach, dschihadistische Söldner aus Idlib mithilfe der Türkei ins Land verlegt zu haben. Im Zuge des Krieges in Bergkarabach hatte im Oktober 2020 auch der französische Präsident Macron die türkische Regierung aufgefordert, die Verlegung von dschihadistischen Kämpfern aus Syrien nach Bergkarabach aufzuklären.

Die Spannungen zwischen Iran und Aserbaidschan hatten sich zuletzt deutlich zugespitzt, nachdem Aserbaidschan damit begonnen hatte, Gebühren von iranischen Lastwagen auf einer Straße durch Südarmenien zu erheben, die an einigen Stellen durch aserbaidschanisches Territorium führt. Anfang Oktober 2021 wurden mehrere iranische LKW-Fahrer auf dem Weg nach Armenien über Aserbaidschan angehalten und festgenommen. Die iranischen Fahrer wurden in den umstrittenen Gebieten angehalten, die Aserbaidschan im letzten Bergkarabachkrieg zurückerobert hatte. 


Lage eskaliert: Iran verlegt massiv Truppen an Grenze zu Aserbaidschan





Lage eskaliert: Iran verlegt massiv Truppen an Grenze zu Aserbaidschan






Die neuen Spannungen im Kaukasus nehmen nun allerdings eine neue Dimension an. Denn die Verschiebung geopolitischer Machtblöcke und Allianzen im Nahen und Mittleren Osten geht anscheinend mit einem mutmaßlichen Versuch einher, die Landkarte in der Region zu verändern. Es besteht nämlich der Verdacht, dass die Türkei versucht, die Enklave Nachitsche-wan mit Aserbaidschan zu verbinden, und zwar über den Sangesur-Transportkorridor. Iran warnte kürzlich vor Grenzveränderungen im Kaukasus.


Die Türkei will mit diesem möglichen Schritt faktisch die Grenznachbarschaft zwischen Iran und Armenien für immer beenden, sowie den Initiatoren des Nord-Süd-Korridors Steine in den Weg legen. 


Im Jahr 2015 bot sich Ankara bereits als Ausgangspunkt für einen "Mittleren Korridor" an, der sich durch den Kaukasus und Zentralasien erstreckt, um damit eine neue Route zwischen China und Europa im Rahmen der Neuen Seidenstraße zu markieren. Der 7500 Kilometer lange Transkaspische Ost-West-Mittelkorridor der Türkei ist ein ehrgeiziges Projekt, das parallel zum Nordkorridor der neuen Seidenstraße verläuft, der China mit Europa verbindet. 


Die entscheidende Rolle der Türkei in Aserbaidschans siegreichem Krieg gegen Armenien im Jahr 2020 ebnete den Weg für Erdoğan, dem Mittleren Korridor neues Leben einzuhauchen. Denn ein Teil des Bergkarabach-Abkommens sah den Bau einer Transport-Autobahn durch dieses Gebiet vor, um Güter und Menschen aus der Türkei über Aserbaidschans Exklave Nachitschewan und Armenien bis ins aserbaidschanische Hinterland zu transportieren. 



Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan baut seinen Einflussbereich in den Grenzen des ehemaligen Osmanischen Reiches konsequent aus. Die zweite Komponente seiner geopolitischen Strategie ist die Wiederherstellung der sogenannten "Großen Turans" in den turksprachigen Regionen Asiens. Im Züge dieser Politik träumt er von einem türkisch-muslimischen Korridor durch Eurasien. Demnach hat die Türkei zum Ziel, die Enklave Nachitschewan über den Sangesur-Transportkorridor mit Aserbaidschan zu verbinden – und zwar auf Kosten der armenischen Souveränität – um damit eine direkte Verbindung über das Kaspische Meer in Richtung Osten nach Zentralasien zu schaffen. Dieses "Tor der Türkei" gen Osten gibt dem türkischen Staat auch die Möglichkeit, Dschihadisten von Idlib über Aserbaidschan nach Afghanistan und Xinjiang reibungslos zu verlegen.


Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan unterstrich seinerzeit, dass in der trilateralen Erklärung vom 9. November 2020 weder "Sangesur" noch das Wort "Korridor" erwähnt würden, und dass es in dem Abkommen nur darum gehe die regionale Kommunikation freizugeben.


Russland und Iran bringen Nord-Süd-Korridor als effektive Alternative zum Suezkanal voran





Russland und Iran bringen Nord-Süd-Korridor als effektive Alternative zum Suezkanal voran






Dabei sieht die Türkei auch den von Iran, Russland und Indien entwickelten Nord-Süd-Korridor als eine mögliche Herausforderung für die türkischen Ambitionen an. Und das, obwohl die Türkei selbst Mitglied dieses Projektes ist. Es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass das Megaprojekt direkt durch türkisches Gebiet verlaufen wird. Pakistan hat auch in diesem Zusammenhang gemeinsame Sicherheitsbedenken mit der Türkei. Denn schließlich ist sein Rivale Indien Mitgestalter des Nord-Süd-Korridors.


Vor dem Hintergrund der neuen Spannungen zwischen Iran und Aserbaidschan unterstrich der russische Außenminister Lawrow auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen in Moskau, dass Russland gegen jegliche Ausweitung der militärischen Aktivitäten und Militärübungen mit provokativem Charakter von beiden Seiten ist. Was die Einmischung ausländischer Staaten in die Kaspische Region betrifft, sagte Lawrow, dass die Konvention über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres so bald wie möglich in Kraft treten müsse. Diese würde die Anwesenheit von Streitkräften nicht kaspischer Staaten am Kaspischen Meer ausdrücklich verbieten. Damit signalisierte Lawrow, dass Russland sich in Zukunft gegen eine Militärpräsenz Pakistans und der Türkei am Kaspischen Meer aussprechen wird.

Die Türkei ist offenbar dabei sich neu in der Region zu orientieren, und sucht deswegen die Annäherung an Russland und China. Das Land ist seinem Präsidenten jedoch als Bühne schon längst zu klein. Erdoğan wird aber an seinen Visionen scheitern, wenn er an der Neubelebung der "großtürkischen" osmanischen Vergangenheit festhält. 


Russland plädiert nach dem fluchtartigen Abzug des Westens aus Afghanistan für eine stärkere eurasische Partnerschaft. Die Türkei kann insofern ihren Einfluss in der Region ausbauen. Wenn sie sich ausdrücklich von der NATO distanziert und sich in eurasische Projekte wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) auf Basis von Konsens integriert.


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln. 


Mehr zum Thema - Iranischer Außenminister in Moskau: Teheran besorgt über Militärübungen im Kaukasus


Info: https://de.rt.com/meinung/125459-erdogans-traume-vom-neuen-osmanischen
10.10.2021

Malis Premier wirft Frankreich vor, militante Gruppen im Land auszubilden: "Wir haben Beweise"

de.rt.com, vom 9 Okt. 2021 21:06 Uhr

Militante Gruppen in der Region Kidal im Nordosten Malis seien von französischen Offizieren ausgebildet worden, behauptet Malis Premierminister Choguel Kokalla Maïga in einem Interview mit "RIA Novosti". Er erklärte zudem, zwei Drittel seines Landes seien "von Terroristen besetzt."

Zitat: Die Französischen Streitkräfte sind in Mali mit dem Auftrag anwesend, dort terroristische Gruppen zu bekämpfen. Das Land verfüge aber über Beweise dafür, dass die Franzosen stattdessen militante Gruppierungen "ausbilden". Das erklärte Choguel Kokalla Maïga, Premierminister der Übergangsregierung Malis am 08. Oktober 2021 gegenüber der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti. Nach Angaben des malischen Politikers kontrolliert Frankreich jetzt eine Enklave in Kidal, eine Region im Nordosten des Landes, zu der Mali keinen freien Zugang hat. Maïga sagte: 

"Sie haben dort militante Gruppen, die von französischen Offizieren ausgebildet wurden. Wir haben Beweise dafür. In unserer Sprache gibt es eine Redewendung, die besagt, dass wenn man eine Nadel in seinem Zimmer sucht und jemand, der einem angeblich bei der Suche hilft, auf der Nadel steht, man sie nie finden wird. Das ist die Situation, die sich derzeit in Mali abspielt, und wir wollen das nicht hinnehmen."

Diplomatischer Streit zwischen Frankreich und Mali: Bamako bestellt französischen Gesandten ein





Diplomatischer Streit zwischen Frankreich und Mali: Bamako bestellt französischen Gesandten ein





Der Übergangspremier erklärte, dass die Terroristen, die jetzt in Mali operieren, "aus Libyen kamen", nachdem Frankreich und seine Verbündeten den nordafrikanischen Staat 2011 in einer erfolglosen Militärintervention unter Führung der NATO zerstört hatten. Ursprünglich wollte Bamako mit Paris im Kampf gegen die Terroristen zusammenarbeiten und bat um Hilfe in Form von Geheimdienst-Informationen oder Luftunterstützung. Niemand habe jedoch um einen Einsatz französischer Truppen gebeten, erklärte der Premierminister.


Während "vor acht Jahren die Terroristen nur im nördlichen Teil Malis, in Kidal, präsent waren, sind jetzt zwei Drittel des Landes von Terroristen besetzt", fügte er hinzu.


Im Jahr 2014 startete Frankreich in der Sahelzone seine Operation "Barkhane" und arbeitete mit den lokalen Behörden zusammen, um terroristische Gruppen zu bekämpfen und zu verdrängen, darunter auch mit Al-Qaida verbundene Kämpfer. Zudem soll durch den französischen Einsatz die Lage in den fünf Sahel-Ländern – Burkina Faso, Mali, Niger, Tschad und Mauretanien, allesamt ehemalige französische Kolonien – stabilisiert werden. Anfang 2021 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an, dass sein Land seine Militärpräsenz in der afrikanischen Sahelzone umstrukturieren und seine Stützpunkte im Norden Malis schließen werde. Dieser Prozess soll bis Anfang 2022 abgeschlossen sein.


In einer Rede vor der UN-Generalversammlung im September 2021 erklärte Maïga, Paris habe sein Land mit dieser Entscheidung überrumpelt und im Stich gelassen. Seitdem sei eine massive diplomatische und mediale Kampagne gegen Mali geführt worden, so der Premierminister in dem jüngsten Interview mit der russischen Nachrichtenagentur. Sein Land wolle aber "nur verlässliche Partner, die im Interesse des Landes handeln", sagte er und fügte hinzu, dass Mali als souveräner Staat "ein Recht darauf hat."


"Afrika unser Platz"? Lawrow kritisiert EU-Diplomatie in Debatte um russische Söldner in Mali

"Afrika unser Platz"? Lawrow kritisiert EU-Diplomatie in Debatte um russische Söldner in Mali Im diplomatischen Streit zwischen Bamako und Paris hatte Präsident Macron in einem Gespräch mit französischen Medien verlauten lassen, dass die derzeitige Übergangsregier-ung in Mali "nicht einmal eine Regierung" sei. Er behauptete, ohne das Engagement Frankreichs wäre das Land längst von Terroristen überrannt worden. Das malische Außen-ministerium hatte daraufhin den französischen Botschafter einbestellt, um seine "Empörung und Missbilligung" über Macrons Äußerungen zum Ausdruck zu bringen und die französischen Behörden aufzufordern, eine auf "gegenseitigem Respekt" basierende Beziehung aufzubauen, die sich auf die Bekämpfung des Terrorismus konzentriert. Frankreich ist im Rahmen des  Kampfeinsatzes "Barkhane" mit bis zu 5.100 Soldaten in der Region aktiv.


Mehr zum Thema - Macron: Französische Spezialkräfte töteten IS-Anführer in der Großsahara


Info: https://de.rt.com/afrika/125482-malis-ubergangspremier-wirft-frankreich-vor-militante-gruppen-auszubilden

10.10.2021

Nachbetrachtung                                                                                                                      Zur Bundestagswahl: Welche Haltung offenbaren (einige) Parteien zu speziellen bürgerrechtlichen Themen?

von freiheitsfooPubliziert am 4. September 2021  (siehe auch Ergänzung am Artikelende)


Zitat: In gut drei Wochen findet die nächste Bundestagswahl statt. Anders als zum Teil zuvor haben wir die Parteien nicht (mühsam) um Stellungnahme zu bestimmten Themen gebeten sondern zu von uns ausgewählten sechs Themen oder Themengebieten in deren Wahlprogrammen  nachgeschaut, ob und wie sich diese dazu äußern. Es ging uns dabei um die folgenden, relativ willkürlich ausgesuchten Themenbegriffe bzw. -komplexe:


    VideoüberwachungVersammlungsfreiheitStaatstrojanerGeheimdiensteVorratsdatenspeicherungPolizeiFrontex

Wenn sich die zum Teil sehr umfangreichen und ausschweifend formulierten (und damit schlecht lesbaren und gehaltsarmen) Wahlprogramme nicht zu einem Thema äußern, so kann das bedeuten, dass den Verantwortlichen in der Partei das Thema nicht so wichtig war. Oder: Dass man sich hinsichtlich etwaigen späteren Regierungshandelns alle Optionen offen halten möchte!


Unsere Zusammentragung der Auszüge aus den Wahlprogrammen will nicht den Anspruch der Vollständigkeit oder Neutralität erheben. Möglicherweise haben wir sogar irgendwo etwas Inhaltliches übersehen, das ist dann aber unwissentlich geschehen. Jedenfalls haben wir aus zeitlichen und Haltungsgründen nur fünf Parteien zum Vergleich ausgewählt.


Hier geht es zum PDF-Dokument mit allen Auszügen.

Grobe und subjektive Zusammenfassungen zu den Themenkomplexen im Einzelnen:


Videoüberwachung
CDU ist für Videoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung, die LINKE pauschal dagegen. GRÜNE und FDP sind nicht gegen Videoüberwachung, sprechen sich aber gegen Gesichtserkennung aus, wobei die FDP dann doch irgendwie „intelligente Videoüberwachung“ nicht so schlecht findet. Die SPD will lieber gar nichts zum Thema sagen …


Versammmlungsfreiheit

Für dieses fundamentale Grundrecht haben die meisten Parteien keine Partei ergriffen oder Stellung bezogen: CDU, SPD, FDP. Die GRÜNEN belassen es bei einer Phrase zur Demonstrationsfreiheit, die LINKE spricht sich gegen „allgemeine Versammlungsverbote“ aus.


Staatstrojaner

Die CDU will mehr Staatstrojaner. SPD und FDP zünden verbale Nebelkerzen und tun so, als seien sie dagegen, was der genaue Wortlaut aber jeweils nicht hergibt. Die GRÜNEN behaupten, gegen Staatstrojaner zu sein, haben auf Länderebene aber oft eine andere Politikpraxis an den Tag gelegt. Die LINKE will ein Verbot von Staatstrojanern.


Geheimdienste

Keine einzige Partei außer der LINKEN traut sich, eine Abschaffung von Geheimdiensten als Fremdkörper in einer Demokratie zu verlangen. Selbst die LINKE spricht nur von einer „perspektivischen Abschaffung“. Neben dieser wollen auch GRÜNE eine „Neuordnung/Neustrukturierung“ des Inlandgeheimdienstes („Verfassungsschutz“), die im Detail aber halbherzig und schwammig erscheint. Die FDP will Inlandsgeheimdienste mehrer Bundesländer zusammenziehen/konzentrieren und verlangt die Aufnahme des Aliierten-Trennungsgebots in das Grundgesetz, will aber nichts an der längst vonstatten gegangenen Aufweichung des Trennungsgebots ändern. Und auch CDU und SPD wollen die Geheimdienste an Mitteln, Personal und Befugnissen ausbauen.


Vorratsdatenspeicherung

Die Vorratsdatenspeicherung war noch vor wenigen Jahren ein Aufregerthema. Und nach wie vor will sich die SPD hierzu am liebsten gar nicht äußern und könnte im Falle der Übernahme von Regierungsverantwortung sich auf diesen Standpunkt zurückziehen, dass man sich ja nicht gegen die VDS positioniert habe. Die CDU will eine VDS auf EU-Ebene re-etablieren. GRÜNE, LINKE und FDP sind dagegen.


Polizei

Alle Parteien lassen sich sehr ausführlich zu ihrer Haltung zu Polizeien aus. Das alleine stimmt nachdenklich und ist ein markantes, besorgniserregendes Zeitzeichen. Man kann grob zusammenfassen, dass alle Parteien außer der LINKEN mehr Polizei mit mehr Befugnissen fordern und dieses fördern wollen, wenn auch im Detail mit unterschiedlicher Vehemenz. GRÜNE und FDP fordern unglaublicherweise den Ausbau von Europol zum EU-FBI, zum „Europäischen Kriminalamt“. CDU und FDP wünschen sich – ebenso bedenklich und krass – mehr Übertragung von Polizeibefugnissen an private Sicherheitsunternehmen und Einbeziehung letzterer in „staatliche Sicherheitsstrukturen“. Die CDU will das Recht auf Schleierfahndung im gesamten Bundesgebiet. Auch beim Thema Polizei ist die SPD erstaunlich schmallippig und hält sich damit faktisch alle Türen für die Realpolitik offen … Die LINKE geht am kritischten mit der Polizei um, fordert allerdings genau wie die GRÜNEN die Schaffung einer „Finanzpolizei“.


Frontex

Die SPD schweigt sich wissentlich dazu aus, die CDU will mehr Frontex und kehrt die menschenrechtlichen Skandale der EU-Grenzschutzagentur damit unter den Teppich. Die LINKE fordert deren Auflösung. GRÜNE und FDP kritisieren Frontex, wollen sie aber nicht abschaffen. Die FDP fordert dagegen sogar einen Ausbau, will aber – inhaltlich etwas unscharf – zugleich dafür sorgen, dass dieselben Grenzmilitärs, die derzeit Menschen ertrinken lassen oder sogar dazu beitragen künftig Seenotrettung betreiben sollen. Realitätsferner geht es kaum.

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Info: 
https://freiheitsfoo.de/2021/09/04/btw2021-wahlpruefsteine



Weiteres: 



freiheitsfoo-Prognose für die kommende Ampel-Bundesregierung und deren Koalitionsvertrag 


freiheitsfoo.de, vom 9.10.2021

Hier nochmal als Grundlage: PDF-Dokument mit allen Auszügen


    Videoüberwachung  Kein Rückbau des kranken de-Maizierschen „Videoüberwachungsverbesser-ungsgesetzes“. Beibehaltung des Status Quo. Keine gesetzliche Verankerung der Zulässigkeit automatisierter biometrischer Identifizierungsmaßnahmen bspw. via Gesichtserkennung. Aber Verankerung oder Duldung automatisierter Verhaltenserkennung und -auswertung von Individuen und Menschengruppen.

                                                                                                                                                  Versammlungsfreiheit  Keine Stellungnahme zum oder Aufwertung des Versammlungsgrundrechts
                                                                                                                                                    Staatstrojaner  Beibehaltung des Status Quo, also der Zulässigkeit des Einsatzes von Staatstrojanern bei Bundespolizeien, Zoll und Geheimdiensten. Möglicherweise Einführung einer zeitlichen Beschränkung der Zulässigkeiten in Zusammenhang mit einer Evaluationsformel und phrasiger Vorgabe, das Grundrecht auf Gewährleistung von Gewährleistung und Integrität von IT-Systeme zu achten.
                                                                                                                                            Geheimdienste  Keine Abschaffung von GTAZ, GETZ und weiteren gemeinsamen Arbeitszentren von Geheimdiensten und Polizeien. Kosmetische Reformen zum Inlandsgeheimdienst und zur parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste.
                                                                                                                        Vorratsdatenspeicherung  Rücknahme oder Beschneidung der zuletzt 2015 gesetzlich neu verankerten Vorratsdatenspeicherung, deren Umsetzung zwischendurch gerichtlich gestoppt worden ist. Dieser Schritt wird dann vermutlich als politischer Erfolg von GRÜNEN und FDP gefeiert werden.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Polizei  Mehr Polizei, d.h. höhere Gehälter, mehr Polizist*innen, mehr und bessere technische Ausrüstung, Zubilligung weiterer Befugnisse, keine Abkehr von der Besserstellung von Polizist*innen durch das in 2017 eingeführte Polizei-Sonderstrafrecht des StGB. Mehr Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten, dem Trennungsgebot zuwider laufend. Engagement für den Ausbau von Europol zum „EU-FBI“, obwohl das die EU-Verträge nicht zulassen.                                                                                                                                                                          Frontex  Keine Abschaffung von Frontex und keine Verabschiedung der EU-Festungs-Politik. Bemühung um Aufarbeitung von Pushbacks.


Kommentar:  + + Ergänzung + +  Publiziert am 12. Oktober 2021 von freiheitsfoo

Ein fiktiver Blick in die Zukunft: Bürger- und Menschenrechtspolitik der sich anbahnenden Ampel-Bundesregierung


. . erneut in einem 1seitigen Dokument zusammengefasst:

https://wiki.freiheitsfoo.de/uploads/Main/freiheitsfoo-prognose-buergerrechtspolitik-neue-ampel-bundesregierung-2021.pdf

10.10.2021

Grüne Jugend stellt Forderungen an Regierung

sueddeutsche.de, vom 9. Oktober 2021, 17:18 Uhr, Parteien - Erfurt

#btw21

Die Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus und Sarah-Lee Heinrich. Foto: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal


Zitat: Erfurt (dpa) - Die Grüne Jugend erteilt einer Jamaika-Koalition mit CDU/CSU und FDP eine Absage und stellt Forderungen an die nächste Bundesregierung. Die Union stehe für eine "zukunftsfeindliche Politik", heißt es im Dringlichkeitsantrag des Vorstands mit der Überschrift "Klimaschutz, Gerechtigkeit, Solidarität - Unsere Anforderungen an eine neue Regierung", den der Bundeskongress der Grünen-Nachwuchsorganisation in Erfurt am Samstag verabschiedete. "Für uns kommt eine Jamaika-Koalition nicht in Frage", heißt es weiter. Die Grünen führen derzeit Gespräche mit SPD und FDP über die mögliche Bildung einer Bundesregierung, einem sogenannten Ampel-Bündnis.


Es gebe nun Mehrheiten für eine Regierung ohne die Union, betonte der scheidende Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz, vor den mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dennoch werde es weiter "jede Menge Druck" brauchen. "Für Minimalkompromisse, bisschen Korrekturen am Status quo da, ein bisschen Klimaschutzziel hier - dafür braucht's uns nicht. Dafür wurden wir nicht gewählt und dafür fehlt uns auch die Zeit." Wenn die Grünen sich an der nächsten Bundesregierung beteiligten, dann gehe das nur, "wenn das Klima zu 100 Prozent geschützt wird, das Pariser Klimaschutzabkommen die Basis allen Handelns in allen Sektoren ist" und es dafür Sofortmaßnahmen gebe.


Unter anderem fordert der Grünen-Nachwuchs, dass Hartz IV in den nächsten vier Jahren "überwunden" werden müsse. "Als erste Sofortmaßnahmen muss der Regelsatz um mindestens 50€ erhöht und Sanktionen endlich abgeschafft werden." Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen besser werden, Mieten günstiger. Es sei zudem "dringend an der Zeit für eine Asylpolitik, die Schutz und Sicherheit von Menschen in den Fokus rückt", so die Grüne Jugend. "Es braucht sichere und legale Fluchtwege und erhöhte Aufnahmekapazitäten für Schutzsuchende." Es brauche zudem eine entschiedenere Antidiskriminierungspolitik.


Mit der SPD gebe es "starke inhaltliche Überschneidungen, die eine gute Grundlage für die anstehenden Verhandlungen bilden", heißt es im Antrag. "Die Gemeinsamkeiten müssen in einer möglichen Koalition deutlich werden und dürfen nicht auf Kosten der Reichen- und Klientelpolitik der FDP verloren gehen." Auch Kurz warnte vor "Ampeleuphorie". Es brauche weiterhin den Druck junger Menschen und sozialer Bewegungen. Kurz gab sich kampfeslustig: "Junge, werden wir dieser Regierung Dampf machen! Werden wir die vorantreiben und werden wir dieser Regierung Feuer unterm Hintern machen, solange Menschen unsere Zukunft verfeuern wollen!"


Die Jugendorganisation der Grünen wählte auch einen neuen zehnköpfigen Vorstand. Neue Bundessprecher sind die 20-jährige Sozialwissenschafts-Studentin Sarah-Lee Heinrich und der 25-jährige Politikwissenschafts-Student Timon Dzienus.


Heinrich kritisierte in ihrer Bewerbungsrede einen Mangel an Ausbildungsplätzen, schlecht bezahlte Nebenjobs für Studenten und Benachteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte. "Wir sind eine junge Generation, die auf den Straßen ist, weil die Politik unsere Zukunft gegen die Wand fährt", erklärte Heinrich.


Dzienus warnte vor Antisemitismus und Rechtsextremismus und machte sich für eine liberalere Flüchtlingspolitik stark. Er erinnerte an die Migranten, die im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa umkommen. "Ich finde das so perfide: Die einen gehen Jachten shoppen, die anderen gehen unter in Schlauchbooten.


"Die Grüne Jugend steht dem linken Parteiflügel nahe und hat mehr als 18 000 Mitglieder. Von den 118 Grünen-Abgeordneten im frisch gewählten Bundestag sind 27 als Vertreter der Nachwuchsorganisation angetreten.


Info: https://www.sueddeutsche.de/politik/parteien-erfurt-gruene-jugend-stellt-forderungen-an-regierung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211009-99-538348


Kommentar:  Kein Wort der grünen Jugend zu Gründen/Ursachen die erst zur Flucht von Menschen aus ihren  Herkunftsländern führen und die es immer zu benennen und zu überwinden gilt. Zu benennen sind unzeitgemäße Machtansprüche überall und vor der eigenen Taustür, bis hin zum großen Leid durch die Zerstörung  allen Lebens, der Umwelt und somit auch unserer Zukunft. Wo bleibt hier die Kritik an diesen Punkten und am Militarismus auch im Zusammenhang mit der einseitig geführten Klimadebatte und deren Zielen?   Thomas Bauer

08.10.2021

China ermahnt die USA

Nach Berichten über amerikanische Truppenübungen im Inselstaat Taiwan kündigt Peking an, "alle notwendigen Maßnahmen" zu ergreifen, um seine Souveränität zu verteidigen


Schon seit Jahren fliegt China Übungen im Südchinesischen Meer, so wie hier auf einem Foto aus dem Jahr 2017. In der vergangenen Woche aber drang eine Rekordzahl von etwa 150 chinesi-schen Kampfflugzeugen in die Luftverteidigungszone Taiwans ein. (Foto: Wang Guosong/AP)


Zitat: China hat die USA aufgefordert, ihre Truppen aus Taiwan abzuziehen und alle Waffenlieferungen an das Land einzustellen. Mit der Forderung reagierte Peking am Freitag auf einen Bericht des Wall Street Journals, wonach amerikanische Spezialkräfte und Marineinfanteristen heimlich Truppen in dem Inselstaat vor Chinas Küste trainierten.


Die USA sollten erkennen, wie heikel und gefährlich die Taiwanfrage sei, mahnte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag in Peking. Es drohe ernster Schaden für die Beziehungen sowie den Frieden und die Stabilität. China werde "alle notwendigen Maßnahmen" ergreifen, um seine Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.


Dem Wall Street Journal zufolge trainieren seit mindestens einem Jahr etwa zwei Dutzend amerikanische Spezialkräfte und unterstützende Soldaten kleinere Einheiten der taiwanischen Bodentruppen. Die Marineinfanteristen wiederum arbeiteten mit lokalen Marinestreitkräften auf kleinen Übungsbooten. Grundsätzlich sind solche Trainings Experten zufolge nicht ungewöhn-lich. Bemerkenswert sei allerdings, dass diese Aktivitäten nun bekannt gemacht würden.

SZ-Karte: saru; Mapcreator.io


































Taiwans Verteidigungsministerium wollte sich nicht zu dem Bericht äußern. Premier Su Tseng-chang sagte in Taipeh auf Fragen nach den US-Truppen lediglich, dass seine Regierung sich darum bemühe, die Souveränität des Landes zu schützen und dabei mit anderen Ländern zusammenarbeite, die ähnliche Werte teilten. Ein Pentagon-Sprecher versicherte am Donnerstag, die USA hätten ein anhaltendes Interesse an Frieden, Sicherheit und Stabilität im Indopazifik - auch in der Taiwanstraße.


Die USA sind besorgt, weil China aufrüstet

Die amerikanische Militärpräsenz auf der von China beanspruchten Insel verdeutlicht die Sorge der USA vor Pekings militärischer Aufrüstung. Rund um die Feierlichkeiten zum chinesischen Nationalfeiertag drang in der vergangenen Woche eine Rekordzahl von etwa 150 chinesischen Kampfflugzeugen in die Luftverteidigungszone (ADIZ) Taiwans ein, die als Pufferzone deutlich weiter reicht als der Luftraum des Landes. Allein am Montag entsandte die chinesische Regierung 65 Maschinen, so viele wie nie zuvor an einem Tag.


Peking fühlt sich durch die wachsende Unterstützung für Taiwan und die Präsenz anderer Staaten in der Region und im Südchinesischen Meer provoziert. Die chinesische Regierung hat dort seine Aktivitäten massiv ausgeweitet und erhebt Ansprüche auf weite Teile der Gewässer und Inseln. Als Reaktion haben die USA ihre pazifischen Bündnisse ausgeweitet. Im September verkündeten Washington, Canberra und London ihren Sicherheitspakt Aukus, durch den Australien Atom-U-Boote bekommt.


Um den aggressiven Gebietsansprüchen etwas entgegen zu setzen, schicken zahlreiche Staaten auch vermehrt Kriegsschiffe für Übungen in die Region. Am Montag durchquerte zum ersten Mal seit 2008 ein britisches Kriegsschiff die Meerenge zwischen Taiwan und China.


Etwas Entspannung versprach lediglich am Mittwoch das Treffen zwischen dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan und dem obersten Außenpolitiker Chinas, Yang Jiechi. Chinas staatliche Nachrichtenagentur nannte den Austausch "freimütig, umfassend und tiefgehend". Das Treffen sei als "konstruktiv und förderlich für das gegenseitige Verständnis" beschrieben worden. Bei ihren Gesprächen in Zürich einigten sich beide Seiten auf ein virtuelles Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, das noch vor Ende des Jahres stattfinden soll. 


Info: https://www.sueddeutsche.de/politik/china-taiwan-usa-militaer-suedchinesisches-meer-1.5434761


Kommentar: ROC- Republic of  China, hat bisher fast immer gut funktioniert!  Thomas Bauer

08.10.2021

Mit der Inflation in die Krise

Alfred Müller, Hildesheim, 8.10.21 

Rekordpreise für Gas und Öl erschüttern das Vertrauen in unsere Wirtschaft. Die Preise für uns Verbraucher steigen seit Monaten. Erst 1% , dann 2% und jetzt liegen wir schon bei über 4%. Die Inflation ist so hoch wie seit 1993 nicht mehr. Der Strompreis hat sich seit Jahresbeginn verdreifacht. 


Die Entwicklung nährt Ängste, Ängste über eine länger anhaltende hohe Inflation. Schon einmal, 1923, stiegen die Preise, damals bis ins Unendliche. 1923 kostete eine Straßenbahnfahrt zehn Milliarden Mark, ein Ei 320 Milliarden und ein Liter Milch 360 Milliarden Mark. Der am Morgen erhaltene Lohn war bereits am Abend wertlos geworden. Geld wurde in Schubkarren transportiert und als Heizmaterial zweckentfremdet. Stellen wir uns vor, ein Liter Milch zum Preis von 1 Euro würde plötzlich 360 Milliarden Euro kosten – eine Katastrophe. 


Die Auswirkungen dieser riesigen Inflation waren verheerend. Die Lohnabhängigen verloren ihre Ersparnisse. Die Versorgungslage verschlechterte sich dramatisch. Weite Teile der Bevölkerung verarmten. Die Massenarbeitslosigkeit explodierte. Aus Not und Verzweiflung stieg die Selbstmordrate. Es kam zu einer steigenden Radikalisierung und die Inflation bot den Nazis den Nährboden, sich auszubreiten. 


Gewinner der Inflation waren vor allem große Unternehmen, die hohe Einnahmen hatten, private Schuldner und der Staat, dessen Schulden durch die Preissteigerung real abnahmen.


 Nun ist eine 4%ige Inflation noch keine Hyperinflation. Aber trotzdem sinken die Reallöhne, weil die Lohnerhöhung mit der Preissteigerung nicht mithält. Trotzdem schmelzen unsere Ersparnisse dahin und trotzdem stehen die Menschen mit geringen Einkommen vor riesigen Problemen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre hohen Mieten und die teuren Lebensmittel bezahlen sollen. 


Preissteigerungen gehören zu unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem wie das Amen zur Kirche. Immer wenn die Zentralbank die Wirtschaft mit Geld flutet, die Nachfrage kräftig anzieht, die Rohstoffe teurer und die Lieferketten unterbrochen werden, die Energiekosten und die Lohnstückkosten steigen oder die Mehrwertsteuer angehoben wird, nutzen die Unternehmen die Gelegenheit, über Preiserhöhungen ihre Gewinne zu steigern und ihre erhöhten Kosten auf die breite Bevölkerung abzuwälzen. 


Wir als Lohnabhängige und Sparer sind doppelt gebeutelt. Die Reichen werden reicher, weil sie an der Börse Riesengewinne machen und wir abhängig Beschäftigte werden ärmer, weil die Preiserhöhung der Unternehmen uns enteignet, unsere Ersparnisse an Kaufkraft verlieren und unsere realen Einkommen sinken. 


Die Zentralbank, wie die meisten Ökonomen, beschwichtigen die Situation. Sie behaupten: Der Preisanstieg sei hauptsächlich auf Sondereffekte zurückführen. Er sei nur ein vorübergehendes Phänomen. Sobald diese Effekte, wie die vorhandenen Lieferengpässe, verschwinden würden, ginge auch wieder die Inflation zurück. Doch nach wie vor überflutet die Zentralbank die Märkte mit Geld und nach wie vor steigen die Kosten. Wo das Geld und mit ihm die Nachfrage das Güterangebot überschreitet und der Kostendruck zunimmt, da erhöhen die Unternehmen die Preise. 


Aus meiner Sicht ist diese Entwicklung besorgniserregend. Wir haben jetzt nicht nur die Corona-, die Wirtschafts- und die Klimakrise. Wir haben jetzt auch noch die Inflationskrise und daraus folgend eine weitere Verarmung der breiten Bevölkerung. 


Was ist zu tun? 


Wir sollten mindestens für 5% höhere Löhne kämpfen. Aber dies ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn die Preise weiter steigen. Da die Inflation aus den Basisstrukturen unserer kapitalistischen Wirtschaft resultiert, ist es wichtig, eine neue Wirtschaft aufzubauen, die stabile Preise garantiert. Nur so können wir dauerhaft die inflationsbedingte Armut verhindern. Wenn die Wirtschaft chaotisch verläuft und nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt, braucht es dringend Druck von unten, damit sich etwas bewegt. 


Hoffen auf den Staat? 


Dies bringt nicht viel. Ihm sind die Hände gebunden. Er kann zwar einzelne, aber nicht alle Preise deckeln. Gegenüber der Preistreiberei des Kapitals und des Marktes ist er machtlos. 

08.10.2021

Russisches Außenministerium zum Entzug der NATO-Akkreditierung für Diplomaten: "Schildbürgerstreich"

de.rt.com, 8 Okt. 2021 06:15 Uhr

Das russische Außenministerium hat auf den Entzug der NATO-Akkreditierung für seine Diplomaten reagiert. Der Schritt sei nicht unerwartet, aber überrasche mit Rücksichtslosigkeit. Die erfundene "russische Aggression" werde für die Ausweitung der Militärpräsenz ausgenutzt.

Zitat: Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa bezeichnete den Beschluss der NATO, die Größe der russischen Vertretung durch den Entzug der Akkreditierung für acht russische Diplomaten sowie die Streichung zweier weiterer Stellen zu halbieren, als einen "Schildbürgerstreich".


Der Schritt komme zwar für Russland nicht unerwartet, überrasche aber mit seiner Rücksichtslosigkeit. Sacharowa erinnerte daran, dass dies nicht das erste Mal sei, dass die russische NATO-Vertretung reduziert werde. Die gleiche Maßnahme sei auch schon 2015 und 2018 erfolgt. Was davon zeuge, dass die NATO einheitlich handele. Dennoch kritisierte die russische Sprecherin die Allianz für ihre offenkundige Doppelzüngigkeit. Schließlich habe diese zuvor zum Dialog mit Russland aufgerufen. Sarachowa weiter:

"Die NATO-Mitglieder haben häufig, und erst kürzlich wieder vorgeschlagen, einen russischen Ständigen Vertreter in Brüssel zu ernennen, um nicht auf Kontakte auf der Ebene einer stellvertretenden Person beschränkt zu sein. Und jetzt bekommen wir, was wir haben."

Moskau habe mehrmals erklärt, ein Angriff Russlands auf einen anderen Staat sei ausgeschlossen. Aber die erfundene "russische Aggression" werde von der NATO ausgenutzt, um die eigene Militärpräsenz auszuweiten. Die Diplomatin resümierte:

"Die mangelnde Bereitschaft der NATO zu einer Zusammenarbeit ist endgültig und unwiderruflich offensichtlich geworden. Das werden wir bei unserer Antwort berücksichtigen. Und diese kommt bald."

Sacharowa: EU lebt weiterhin in kolonialem Weltordnungsparadigma

Sacharowa: EU lebt weiterhin in kolonialem Weltordnungsparadigma

Schließlich fügte Sacharowa hinzu, in absehbarer Zeit werde die Situation eintreten, dass es keine russischen Diplomaten in Brüssel mehr geben werde, die auf einer entsprechenden Ebene einen Dialog mit dem Sekretariat der Allianz und deren Mitgliedstaaten führen könnten.

Am Mittwoch hatte die NATO erklärt, acht Mitgliedern der russischen Vertretung bei dem Verteidigungsbündnis werde die Akkreditierung entzogen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zufolge handele es sich dabei um keine Reaktion auf irgendwelche Ereignisse. Die Mitarbeiter würden aber der Arbeit für russische Geheimdienste verdächtigt. Durch die Streichung von zwei weiteren Stellen soll die Maximalgröße der russischen Delegation von 20 auf 10 Personen verringert werden.

Mehr zum Thema - NATO entzieht acht russischen Diplomaten die Akkreditierung


Info:
 https://de.rt.com/russland/125400-russland-nato-entzug-akkreditierung-diplomaten-reaktion-schwabenstreich
08.10.2021

"Gefangen, getötet oder kompromittiert" – CIA verliert Dutzende Agenten im Ausland

de.rt.com, 8 Okt. 2021 08:48 Uhr

Nach Informationen der New York Times (NYT) haben Beamte der US-Spionageabwehr in einer geheimen Mitteilung an alle CIA-Stationen und -Stützpunkte weltweit mitgeteilt, dass der Auslandsgeheimdienst zahlreiche Informanten verloren haben, die für die US-Spionage in anderen Ländern rekrutiert worden waren.


Zitat: Spitzenbeamte der Spionageabwehr in den USA warnten in der letzten Woche CIA-Stützpunkte auf der ganzen Welt über eine beunruhigende Anzahl von getöteten oder gefangengenommen Agenten, die in anderen Ländern für die Spionage zugunsten der USA rekrutiert worden waren, berichtet die NYT unter Berufung auf mehrere mit der Thematik vertraute Personen.


In der hochgeheimen Mitteilung hieß es, das CIA-Missionszentrum für Spionageabwehr habe in den letzten Jahren Dutzende von Fällen untersucht hat, in denen ausländische Spitzel getötet, verhaftet oder als Doppelagenten "umgedreht" worden seien.


Wie kann es keine Konsequenzen für CIA geben, nachdem deren Mordpläne für Assange belegt sind?




Meinung 

Wie kann es keine Konsequenzen für CIA geben, nachdem deren Mordpläne für Assange belegt sind?





Ausländischen Geheimdiensten in Ländern wie Russland, China, Iran und Pakistan sei es in den letzten Jahren vermehrt gelun-gen, Informanten der CIA aufzu-spüren und teilweise als Doppel-agenten zu rekrutieren, berich-tet die NYT


Die Rekrutierung von Spionen sei naturgemäß "ein risikoreiches Geschäft". Allerdings spreche die hochgeheime Nachricht weitere Probleme an, von denen die CIA in den letzten Jahren geplagt worden wäre, insbesondere "schlechter Spionagepraxis" oder einem zu vertrauensvollen Umgang mit Quellen. Die CIA unterschätze auch ausländische Geheimdienste oder handele voreilig, um an potenzielle Informanten zu gelangen, während den realen Risiken der Spionageabwehr nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt werde. 


Es wären die wachsenden Fähigkeiten anderer Länder erkennbar geworden, mit denen ausländische Geheimdienste Innovationen wie "biometrische Scans, Gesichtserkennung, künstliche Intelligenz und Hacking-Tools" einsetzen, um gezielt Bewegungen von CIA-Beamten zu verfolgen und auch deren Informanten aufzuspüren. 


In den letzten zwei Jahrzehnten hätte die CIA zwar "terroristischen Bedrohungen und Konflikten" in Afghanistan, im Irak und in Syrien viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber die Verbesserung der Geheimdienstarbeit gegenüber "feindlichen Mächte" werde nun wieder zum Kernstück der CIA-Agenda, da die politischen Entscheidungsträger mehr Einblicke in "China und Russland" fordern, berichtet die NYT.


Ex-US-General Petraeus: "Katastrophe in Afghanistan war vermeidbar"





Ex-US-General Petraeus: "Katastrophe in Afghanistan war vermeidbar"






Dabei ist der Verlust von US-Spionen eigentlich kein neues Problem. Doch das Problem sei jetzt noch dringender, als öffentlich wahrgenommen werde, bewertet das die NYT


Die ausgegebene Warnung richte sich in erster Linie an die Beamten an vorderster Front, die unmittelbar an der Überprüfung und gegebenenfalls Rekrutierung neuer Informanten beteiligt sind. Die Nachricht unterstreiche, dass CIA-Agenten sich nicht auf die schnellstmögliche Rekrutierung von Informanten konzentrieren sollten, sondern zuvor auch auf Sicherheitsfragen, einschließlich der tieferen Überprüfung von Informanten und der weitest möglichen Umgehung feindlicher Geheimdienste.


Einige ehemalige CIA-Beamte glauben, dass die Fähigkeiten der Agentur, "feindliche Geheimdienste" zu bekämpfen, mittlerweile etwas eingerostet seien, nachdem sie sich jahrzehntelang auf "terroristische Bedrohungen" konzentriert hätten. "Die Entwicklung, Ausbildung und das Führen von Informanten, die ausländische Regierungen ausspionieren sollen, unterscheidet sich in mancher Hinsicht sehr von der Rekrutierung von Zuträgern und Spitzeln innerhalb terroristischer Netzwerke."


Einige entlarvte CIA-Spione werden ganz bewusst nicht festgenommen, sondern sie werden zu "Doppelagenten für ausländische Mächte" und vermitteln der CIA dann nahtlos Desinformatio-nen, "was verheerende Auswirkungen auf die Sammlung und Analyse von Informationen haben kann", hieß es in der Mitteilung. Pakistaner seien in diesem Bereich besonders erfolgreich gewesen. "Der Zusammenbruch der von den USA unterstützten Regierung in Afghanistan bedeutet, dass es immer wichtiger wird, mehr über Pakistans Verbindungen zur Taliban-Regierung und zu extremistischen Organisationen in der Region zu erfahren."


US-Streitkräfte über Drohnen-Angriffe auf "eigentlich geheime" Stellungen im Irak alarmiert





US-Streitkräfte über Drohnen-Angriffe auf "eigentlich geheime" Stellungen im Irak alarmiert






Der "Wettbewerb der Großmächte" und die "Herausforderungen Chinas und Russlands" hätten dazu geführt, dass der Aufbau von Spionagenetzwerken und der Schutz dieser Spione wichtiger denn je werde.


In diesen Ländern sei auch die Technologie "zu einem Problem geworden", sagten ehemalige CIA-Beamte. Künstliche Intelligenz, biometrische Scans, Gesichtserkennung und andere Technologien hätten es ausländischen Regierungen immer einfacher gemacht, in ihrem Land tätige US-Geheimdienste aufzuspüren.


Einige Geheimdienstbeamte meinen, dass die US-Amerikaner selbst den "feindlichen" Geheimdiensten in China und Iran  zu Informationen und Techniken verholfen hätten, die dabei helfen können, Informanten zu entlarven. Iran hätte offenbar erfolgreich die US-amerikanische Geheimdienstmitarbeiterin Monica Elfriede Witt "umgedreht", die dann im Auftrag Irans jahrelang ihre US-Kollegen ausspionierte. Witt sei im Jahr 2013 zum iranischen Geheimdienst übergelaufen. Im Jahr 2019 wurde der ehemalige CIA-Offizier Jerry Chun Shing Lee zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er der chinesischen Regierung Geheimnisse verfügbar gemacht hatte.


Im Dezember 2009 erhielt ein jordanischer Arzt, der offenbar ein Doppelagent war, Zugang in das Innere vom Camp Chapman (die Forward Operating Base in der afghanischen Provinz Chost) und sprengte sich in die Luft, wobei neben sieben weiteren Opfern auch die damalige Leiterin der Basis Jennifer Lynne Matthews ums Leben kam.


Mehr zum Thema - US-Analyse: U-Boot-Streit markiert neue Ära der Kräfteverhältnisse in


I
nfo: https://de.rt.com/international/125324-gefangen-getotet-oder-kompromittiert-cia-verliert-agenten
08.10.2021

Enthüllung? Gezielt vorbei. Wer bei den Pandora-Papers fehlt:

nachdenkseiten.de, 08. Oktober 2021 um 9:10, von Werner Rügemer | Verantwortl.: 

Die wichtigsten Täter und Mittäter – meint Autor Werner Rügemer. – Mit einem Aufwand vieler Millionen Dollars, Euros, Pesos usw. haben 600 Journalisten aus 148 Medien und 117 Ländern im Verbund des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) über mehrere Monate die „Pandora Papers“ zusammengestellt: 2,94 Terrabyte Daten mit 11,9 Millionen Dokumenten zu Briefkastenfirmen in zahlreichen Finanzaosen. Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Betrug, Korruption und dergleichen bei 330 namentlich genannten Staats- und Regierungschefs, sonstigen Politikern, Sport- und Kulturprominenten sowie tausenden Geschäftsleuten und Milliardären werden vermutet, sind wahrscheinlich.


29.000 Briefkastenfirmen

Die Staats- und Regierungschefs und Politiker kommen fast ausschließlich aus Dutzenden kleinerer und weit weg liegender Staaten wie Jordanien, Montenegro, Kenia, Kongo, Dominikanische Republik, Panama, Peru, Brasilien, Argentinien, Honduras, Kolumbien, Pakistan, Philippinen, Indonesien, Katar. Westliche prominente Politiker sind die großen Ausnahmen, und die meisten sind nicht mehr im Amt: Der britische Ex-Premier Tony Blair, der italienische Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, der israelische Ex-Vizepremier Haim Ramon, Jerusalems Ex-Bürgermeister Nir Barkat, der Ex-Europa-Kommissar John Dalli. Nur drei amtierende westliche Politiker in kleineren Staaten werden genannt: Der „christliche“ niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra, der tschechische Premierminister und Oligarch Andrej Babis und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi – das ist es schon. USA, Deutschland, Frankreich, Kanada, Skandinavien – alles sauber.


Zu den Kultur- und Sportpromis zählen aus dem Bilderbuch der bunten Blättchen das Ex-Model Claudia Schiffer, die Musiker Ringo Starr, Elton John, Julio Iglesias, der nobelpreisige Schriftsteller Mario Vargas Llosa sowie der Fußballtrainer Pep Guardiola (FC Bayern München, Manchester City). Aus dem Adel tauchen eine Tochter des marokkanischen Königs Hassan auf, die königliche Familie von Katar sowie Corinna zu Sayn-Wittgenstein, Unternehmerin und Gespielin des zurückgetretenen spanischen Skandalkönigs Juan Carlos I. Wer hätte das gedacht?


Unter den vielen namentlich genannten Geschäftsleuten finden sich ähnlich bilderbuchmäßig solche aus westlich verbundenen Ländern, die für unsaubere Geschäfte ohnehin bekannt sind wie Indien, Pakistan, Türkei, Montenegro, Bulgarien, Ukraine, Kolumbien, Philippinen und das westlich angemaßte Territorium Hongkong. Allerdings finden sich auch ein paar wenige verlorene Figuren aus wichtigeren Staaten: So mit Robert Smith/Vista Equity Partners und Robert Brockman/Reynolds&Reynolds zwei Bespender der beiden führenden US-Parteien; Alexander Temerko als Bespender der britischen Tories; Indiens reichste Unternehmerin Mazumdar-Shaw; der wegen Geldwäsche und Bestechung zu Gefängnis verurteilte israelische Multimilliardär Benny Steinmetz; Formel I-Rennveranstalter Bernie Ecclestone.


Ganz am Rande tauchen unvermittelt die US-Konzerne Apple, Abbott, Nike und RJR Nabisco auf, auch die wichtigste US-Wirtschaftskanzlei BakerMcKenzie (aus der EZB-Chefin Christine Lagarde kommt), freilich ohne Nennung von Personen, ohne weitere Vertiefung und ohne Begründung für diese winzige Auswahl.


Die größte einheitliche Gruppe bilden bisher 1.892 Eigentümer von Briefkastenfirmen aus China, darunter auch ein Schwager des Staatschefs Xi Jinping und eine Tochter des Ex-Premiers Li Peng. Die zweitgrößte einheitliche Gruppe aus einem Staat bildet das Dutzend russischer Geschäftsleute, die als „enge Freunde“ von Präsident Putin bezeichnet werden. Und eine Svetlana Krivonogikh, die einst von BILD als „angebliche“ frühere Geliebte Putins präsentiert wurde und im Fürstentum Monaco zum Jetset gehört, wurde von den ICIJ-Investigativlern nun pünktlich wieder entdeckt, mit „angeblichen“ 85 Millionen Euro im Briefkasten.


Alles normal, oder? Aber Putin! Und Xi Jinping!

Insgesamt, so die bisherigen Informationen, handelt es sich bei den westlichen Personen um persönliche Geschäfte. So kaufte Tony Blair mit Ehefrau in London standesgemäß für 7,5 Millionen eine Immobilie. Immobilienkäufe in Großbritannien sind sowieso seit langem ein beliebtes Objekt für ausländische Superreiche. So kaufte der jordanische König Abdullah hier 14 Häuser, übrigens auch von Crown Estate, der Verwaltung des britischen Königshauses. Und auch Präsident Alijev von Aserbaidschan kam im Vereinigten Königreich ohne Schwierigkeiten an immerhin 27 Liegenschaften. Tschechiens Babis kaufte sich ein „Herrenhaus“ in Frankreich. Der niederländische Finanzminister Hoekstra begnügte sich mit Peanuts, er beteiligte sich mit gut 20.000 Euro an einem Touristikunternehmen, zusammen mit Freunden.


Das alles zeigt, dass die Einschaltung von Briefkastenfirmen auch in Europa und in der EU zur Routine gehört. Aber die leitmediale Auswertung konzentriert sich nicht auf die Staaten, die diese Praktiken dulden und fördern, sondern auf Personen, die das großzügige Angebot nutzen. Aserbaidschans Alijev wird ansonsten mächtig als autoritär und korrupt angeprangert – aber dass ihm Großbritannien den Kauf von 27 Liegenschaften mithilfe von Briefkastenfirmen ermöglichte – keine Kritik.


Es werden also Personen an den Pranger gestellt, die Briefkastenfirmen unterhalten. Aber es werden nicht die Staaten und Staatenverbünde an den Pranger gestellt, die das Angebot an Briefkastenfirmen fördern wie die USA, Großbritannien und keineswegs zuletzt die Europäische Union. Worauf wir noch kommen werden: Die Namen der russischen und chinesischen Eigentümer von Briefkastenfirmen sind bekannt – aber nicht die Eigentümer der Briefkastenfirmen, die unter dem Schutz von BlackRock & Co stehen.


Wenn Finanzoasen doch zur westlichen Rechts-Staatlichkeit gehören

Ganz besonders konzentriert sich bisher die leitmediale Darstellung auf einen ganz besonderen, winzigen Ausschnitt: „Enge Freunde Putins“ sind die Bösewichte in der Pandora-Inszenierung. Sie benutzen Briefkastenfirmen in Finanzoasen! Finanzoasen, die seit Jahrzehnten zum System des US-geführten westlichen Kapitalismus gehören.


Als der westfreundliche russische Oligarch Michail Chodorkowski, Eigentümer des zusammengerafften Öl-Konzerns Jukos, mithilfe westlicher Berater mehrere westliche Finanzoasen nutzte, wurde er im Westen wegen seiner Geschicklichkeit gelobt und mit Krediten und Beteiligungen überhäuft. Er wurde wegen Steuerhinterziehung in Russland verurteilt, die Fakten bestritt er nicht. Aber das für internationale Finanzbeziehungen zuständige private Schiedsgericht im niederländischen Den Haag verurteilte 2014 den russischen Staat zu einem Schadenersatz von 50 Milliarden. Da waren Finanzoasen Teil westlicher Rechtsstaatlichkeit und keine ICIJ-Investigativler fanden daran etwas Schlechtes.


Es fehlen: Die wichtigsten Finanzoasen

Die am häufigsten genannten Finanzoasen sind Panama, die Britischen Jungferninseln, Belize, die Seychellen, Hongkong, Vereinigte Arabische Emirate, Zypern und die Schweiz. Sie sind traditionell auf das Verstecken von individuellem Vermögen, auf Geldwäsche und korruptive Zahlungen von Einzelpersonen spezialisiert.


Aber es fehlen die Finanzoasen, die für Konzerne, Banken und die heute führenden Investoren zentral sind: Ganz vorne der US-Bundesstaat Delaware: Hier haben z.B. die meisten der 500 US-Unternehmen aus der Forbes- und S&P-Liste ihren rechtlichen und Steuersitz. In der EU sind für Steuervermeidung, Kreditvergaben, Lizenzverkäufe von Unternehmen die wichtigsten Finanzoasen: Die Staaten Irland, Luxemburg und die Niederlande. Hinzu kommen vor allem die Cayman Islands (britisches Überseegebiet), Singapur und die britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey.


Sie alle fehlen übrigens auch auf der „Schwarzen Liste“ der Finanzoasen, die von der EU erstellt wird, auch auf der aktuellsten vom 22.2.2021. Um deren Lächerlichkeit zu demonstrieren, seien hier diese unbedeutenden Finanzoasen genannt, die von der EU gebrandmarkt werden: Samoa, Anguilla, Dominica, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Seychellen, Trinidad&Tobago, Vanuatu.

In den Pandora Papers tauchen am Rande 203 US-Trusts auf, sozusagen inneramerikanische Briefkastenfirmen. Die meisten, 81, sitzen in South Dakota, in Florida 37, in Texas 24, in Nevada 14. Auch Delaware werden solche Trusts zugeordnet, 35. Sie werden von gehobenen Schichten von Kleinkriminellen genutzt. Auch hier fehlt die erste Liga der US-Konzerne und der Wall Street, die auf den Cayman Islands, den britischen Kanalinseln und nicht zuletzt in Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Zypern und Malta zehntausende Briefkastenfirmen unterhalten.


Zum Beispiel: Deutsche Bank in Delaware

In den unbedeutenden bis lächerlichen Finanzoasen, in denen auch die Pandora-Investigativler tauchen, sind die großen Akteure nicht vertreten. Der größte Standort von Unternehmens- und Banken-Briefkästen der Welt, der US-Bundesstaat Delaware wird in dieser Hinsicht überhaupt nicht erwähnt. Und auch nicht der größte Kapitalorganisator der Welt, BlackRock, das hier seinen rechtlichen und Steuersitz hat.


Nehmen wir ein Beispiel aus Deutschland: Die Deutsche Bank – in der BlackRock auch selbst zu den führenden Aktionären zählt – unterhält viele Dutzend Briefkastenfirmen in den wichtigsten Finanzoasen Delaware, Luxemburg, Niederlande und auf den Cayman Islands.


Deutsche Bank in Delaware:

    Deutsche Bank Capital Finance LLC IDeutsche Bank Contingent Capital LLC IIDeutsche Bank Contingent Capital Trust II

und vier weitere Dutzend.


In Luxemburg zum Beispiel:

    Deutsche Bank Luxembourg S.A. Fiduciary DepositsDeutsche Bank Luxembourg S.A. Fiduciary Note Programme

und vier weitere Dutzend.


In Irland zum Beispiel:

    Eirles Three Designated Activitiy CompanyEirles Two Designated Acitivity Company

undsoweiter.


Anlage 1 zeigt einen Auszug aus dem Beteiligungsverzeichnis der Deutschen Bank, letzter Stand 2019. Der darin genannte Ort Wilmington ist die Hauptstadt des US-Bundesstaats Delaware.

Es fehlen: Die führenden Kapitalorganisatoren BlackRock & Co.

Es fehlen in der aufwendigen Pandora-“Enthüllung“ nicht nur die wichtigsten Finanzoasen und die Unternehmen und Banken, sondern auch die heute führenden Investoren, Kapitalorganisatoren und Vermögensverwalter, denen die wichtigsten westlichen Unternehmen und Banken gehören.


An erster Stelle ist dies heute BlackRock: Der größte Kapitalorganisator des US-geführten westlichen Finanzsystems mit einem eingesetzten Kapital von 9 Billionen Dollar hat seinen rechtlichen und Steuersitz in Delaware. BlackRock ist gegenwärtig Miteigentümer/Aktionär von 18.000 Unternehmen und Banken weltweit, in den meisten der 500 größten Unternehmen und Banken der USA (z.B. von Amazon, Google, Facebook, Apple, Microsoft, Coca Cola, Goldman Sachs, Tesla, Exxon, Boeing, Lockheed), ähnlich in Großbritannien, Frankreich, Belgien, der Schweiz usw.


In Deutschland ist BlackRock unter allen 6 Großaktionären aller 30 DAX-Konzerne, auch in der eben genannten Deutschen Bank, auch im Betrugskonzern Wirecard, und auch in den 5 größten privaten Wohnungskonzernen, nämlich Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, TAG und Grand City Properties beteiligt.[1]


Es fehlen: BlackRocks reiche Kapitalgeber

Die heute führenden Kapitalorganisatoren und Investoren wie BlackRock, Vanguard, State Street, Blackstone, KKR & Co. bekommen ihr Kapital von den Superreichen, wenn die mal 5 oder 50 oder 100 Millionen unbeschäftigt auf einem ihrer Konten haben, also Multimillionäre und Multimilliardäre, Unternehmensstiftungen, Unternehmer, Topmanager, Pensionsfonds. Und diese Kapitalgeber von BlackRock & Co werden mithilfe von Briefkastenfirmen anonymisiert, und dieses Kapital und die anteiligen Gewinne aus den 18.000 BlackRock-Unternehmen und -Banken genießen dann den Schutz der Finanzoasen, die nicht auf der Schwarzen Liste der EU stehen.

Dass die Kunden von BlackRock & Co. standardmäßig Briefkastenfirmen nutzen und anonymisiert werden – das wird in den Pandora Papers nicht einmal erwähnt. Und natürlich werden dann auch diese Kapitalgeber von BlackRock & Co. den Pandora Papers namentlich nicht genannt – im Unterschied zu den russischen und chinesischen Eigentümern von Briefkastenfirmen.


Briefkastenfirmen BlackRocks im Braunkohle-Konzern RWE

Im Braunkohle-Konzern RWE ist BlackRock mit 3,26 Prozent der Aktien der größte Aktionär. Dieser Anteil stellt gegenwärtig einen Wert von einer knappen Milliarde Euro dar. Und dieser Betrag ist auf 219 BlackRock-Tochterfirmen verteilt, mit einem durchschnittlichen Betrag von etwa 4 Millionen Euro.


Zu diesen 219 Firmen gehört auch die BlackRock Deutschland AG. Deren Aufsichtsratsvorsitzender war bis 2020 BlackRocks Lobbyist in Deutschland, Friedrich Merz, der auch so gerne CDU-Vorsitzender, Bundeskanzler oder mindestens Finanzminister werden wollte und von der Unternehmer- und Banken-Lobby darin auch unterstützt wurde. Hallo, ICIJ-Investigativler: Seid Ihr mal der Frage nachgegangen, ob Friedrich Merz eine Briefkastenfirma hat oder vielleicht sogar mehrere?


Die allermeisten dieser 219 Firmen sind aber Briefkastenfirmen in Finanzoasen und enthalten das jeweils angelegte Kapital von BlackRocks anonymisierten Kapitalgebern. Die Finanzoasen sind nicht die Seychellen, Belize usw., die von ICIJ und der EU genannt werden, sondern es sind Delaware, die Cayman Islands, Luxemburg, Niederlande, Singapur.


Anlage 2 zeigt einen Ausschnitt aus der Liste dieser RWE-BlackRock-Briefkastenfirmen; angekreuzt sind die Briefkastenfirmen in Finanzoasen; der Namensteil „Holdco“ bedeutet: Sitz in Delaware. (Stand 6.10.2021) Dass der durchschnittliche Wert der Aktienanteile „nur“ 4 Millionen beträgt, soll nicht verwundern: Diese einzelnen Kapitalgebern gehörenden Briefkastenfirmen tauchen auch bei zahlreichen anderen Unternehmen und Banken auf, vereinigen also eine weit größere Summe in sich.


Es fehlt: Joe Biden, der Patron von Delaware

Ach, falls Sie es noch nicht wussten oder wieder vergessen haben, was heutzutage ja sehr leicht passieren kann, bei dieser Überflutung mit Nicht-Informationen: Mit dem Aufstieg von Delaware zur größten Unternehmens- und Investoren-Finanzoase der Erde stieg auch ein gewisser Joe Biden auf, seit 2021 Präsident von „America First“.


Biden war von 1973 bis 2009 Senator für den winzigen US-Bundesstaat Delaware. Schon als 29-jähriger Wirtschaftsanwalt hatte er sich um dieses Amt beworben und hielt es 35 Jahre lang. Die Zahl der Briefkastenfirmen in Bidens homeland ist mindestens doppelt so hoch wie die Zahl der Wahlberechtigten. Sohn Beau Biden wurde hier, ohne sich besonders anstrengen zu müssen, General-Staatsanwalt. Sohn Hunter Biden agiert als umtriebiger Finanzspekulant unter anderem in der Ukraine – bei Bedarf setzte sich Vater Biden für ihn auch vor Ort in Kiew ein.


Joe Biden wurde für seine Wahlkämpfe zuletzt von den großen Digitalkonzernen wie Alphabet/Google, Microsoft, Amazon, Apple, Facebook, Netflix bespendet. Aber auch Unternehmen in Delaware förderten ihren einflussreichen Senator, darunter die Kreditkarten-Firma MBNA und John Hynansky, der aus der Ukraine stammt und den Export von Premium-SUVs in die Ukraine dominiert.


Biden stimmte als Senator in Washington bei wichtigen Deregulierungen des Finanzsektors immer mit den Republikanern ab. Zur größten Finanzoase gehört auch eine extrem „liberale“ Unternehmensverfassung (extrem geringe Haftung, geringe Publizitätspflicht) und eine dazu gehörige Justiz.


Und das größte Unternehmen der Finanzoase, BlackRock, und der langjährige Lobbyist Joe Biden fanden schließlich ganz eng zusammen: Drei Top-Manager von BlackRock wurden Mitglieder der Biden-Regierung.


Pandora Papers: Von Soros’ Open Society Foundations finanziert

Wie schon die ähnlichen Panama Papers und Paradise Papers wurden auch die Pandora Papers vom International Consortium of Investigative Journalists, ICIJ mit Sitz in Washington koordiniert. Zu den assoziierten Medien gehören in den westlichen Staaten vor allem sich als „liberal“ gebende Medien wie die New York Times (USA), Guardian und BBC (Großbritannien), Asahi Shimbun (Japan) und aus Deutschland die Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR.


Die Millionensummen für die aufwendigen internationalen Recherchen und die Koordination durch die ICIJ kommen von den Open Society Foundations des bekannten Großspekulanten und US-Multimilliardärs George Soros. Er finanzierte die Öffnung ganzer Staaten Osteuropas für die westlichen „Werte“ und Investoren mithilfe zahlreicher „bunter Revolutionen“. Oligarchen wie Viktor Orban sind seine Ziehkinder, auch wenn er sich später mit ihnen überwirft. Und gegen Putins Russland – da ist Soros immer dabei. Gegen den korrupten und oft besoffenen Vorgänger Putins, Boris Jelzin, den Ausverkäufer Russlands, hatten Soros und ICIJ dagegen nichts einzuwenden.


„Aufklärung“ im Dienste der Gegen-Aufklärung und Hetze

Die Pandora Papers legen den genannten Personen persönliche unsaubere Geschäfte nahe, etwa Betrug, Geldwäsche, Korruption und dergleichen. Das wird, so wissen wir aus Erfahrung, in vielen Fällen zutreffen.


Aber die ICIJ-Investigativler vermeiden eine klare und öffentlich nachhaltig kommunizierte Unterscheidung: Bei den genannten Personen aus Russland und China wird zwar angedeutet, dass die Briefkastenfirmen anderen Zwecken dienen. So organisierte das größte chinesische Handelsunternehmen Alibaba den Börsengang in New York über eine Briefkastenfirma. Das war der US- wie der chinesischen Seite bekannt – es ging nicht anders, und zwar aufgrund der US-Regeln. Und wenn die chinesische Führung damit die chinesische Volkswirtschaft stärkt und anschließend Alibaba, wie geschehen, regulatorisch ordentlich in die Zange nimmt, dann ist dies etwas anderes als der dauerhafte Schutz, den die US- und EU-Regierungen und nun auch die ICIJ – „Enthüllungen“ den superreichen Kapitalgebern von BlackRock&Co gewähren.


Wenn den Veröffentlichungen der Pandora Papers staatsanwaltliche Ermittlungen folgen,

wenn die Regierungen der USA, Großbritanniens und der EU-Staaten ihre Finanzoasen schließen – allen voran Delaware, Luxemburg, die Niederlande, Irland, die Cayman Islands und die englischen Kanalinseln –

dann wäre für den Wohlstand der Nationen und der Mehrheitsbevölkerungen schon einiges gewonnen.


Aber solange „Enthüllungen“ im Stile von ICIJ so ausfallen wie jetzt wieder die Pandora-Papers, dann dienen sie nicht der Aufklärung, sondern der Gegen-Aufklärung: Greenwashing des westlichen Finanzsystems und Hetze gegen Russland und China.


[«1] Genaueres zu den Praktiken von BlackRock siehe Werner Rügemer: BlackRock & Co enteignen. Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht. Frankfurt/Main 2021


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08.10.2021

WIRTSCHAFTSGESCHICHTE     Die Globalisierung und ihre Dilemmata

makronom.de, vom 7. OKTOBER 2021, Ein Beitrag von Werner Plumpe.

Das 20. Jahrhundert bietet ein reiches Laboratorium an Erfahrungen, warum eine politisch motivierte Korrektur globaler Arbeitsteilungsprozesse letztlich zum Scheitern verurteilt ist – und dass politisches Wunschdenken gefährlicher ist als die Risiken des internationalen Wettbewerbs. 


Zitat: Wir erleben derzeit mindestens den Anfang einer neuen Globalisierungsstufe – nicht unbedingt durch eine erneute Steigerung des globalen Handelsvolumens, sondern mit Blick auf dessen Gestaltung. Wie sich dies konkret äußert, betrachten wir in einer neuen Makronom-Serie aus verschiedenen Blickwinkeln (mehr über das Konzept der Serie erfahren Sie hier). Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie hier.


Die Globalisierung der internationalen wirtschaftlichen Arbeitsteilung, die wegen ihrer offenkundigen wirtschaftlichen Vorteile jahrzehntelang zugleich als fast zwangsläufige Tatsache wie als anzustrebendes wirtschaftspolitisches Ziel galt, hat mittlerweile die politische Unterstützung verloren. Die Gründe hierfür sind vielfältig, hängen indes vorrangig mit den strukturellen Gewichtsverschiebungen zwischen den großen weltwirtschaftlichen Regionen zusammen, deren Folgen vor allem in der geopolitischen Machtverteilung mittlerweile als kritisch angesehen werden.


Namentlich die „absteigenden Mächte“, die im Zuge der Globalisierung an Bedeutung und Handlungsspielräumen zu verlieren glauben, haben dabei in den vergangenen Jahren eine fast aggressive Neigung zur Neugestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen an den Tag gelegt, um die eigenen Verluste zu begrenzen bzw. den Aufstieg konkurrierender Regionen, also insbesondere Chinas, zu dämpfen. Dabei wurden allerlei handelspolitische Tricks genutzt, um den eigenen Schaden, der in Handelskonflikten unvermeidlich ist, so gering wie möglich zu halten, aber gleichwohl die paradoxe Erfahrung gemacht, dass wirtschaftlich insgesamt nachteilig ist, was momentan im eigenen Vorteil zu sein scheint.


Die Globalisierung war ein Moment der Erfolgsgeschichte der (west-)deutschen Wirtschaft, weil die jeweiligen Regierungen nicht protektionistisch reagierten bzw. ihre Möglichkeiten für einen wirksamen Protektionismus schlicht begrenzt waren

Denn eines ist offensichtlich: Die intensive Globalisierung der vergangenen vierzig Jahre war zwar kein spontaner Prozess, sondern die Folge einer dramatischen Senkung der Transportkosten bei gleichzeitigem drastischem Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen (Findlay, O’Rourke 2007, Kap. 9); aber die sich herausbildende regionale Arbeitsteilung war auch nicht willkürlich, sondern folgte grosso modo den jeweiligen relativen Preisen und Kosten. Der Aufstieg Chinas als Exporteur von industriellen Massengütern war insofern eine Folge der dortigen Bereitschaft, die relativ niedrigen Arbeitskosten des Standorts China weltwirtschaftlich zugänglich zu machen. Länder wie die Bundesrepublik Deutschland profitierten hiervon; sie hatten aber auch starken Nutzen durch die vermehrte chinesische Nachfrage nach Investitionsgütern und langlebigen Verbrauchsgütern.


Das war nicht für alle vorteilhaft: Manche Branchen konnten dem chinesischen Wettbewerbsdruck nicht standhalten, aber das war für die deutsche Wirtschaft nichts Neues. Als Teil der Weltwirtschaft wirkten sich deren strukturelle Verschiebungen traditionell stark auf die deutsche Wirtschaft aus, die diese Wettbewerbsherausforderungen durch eine Beschleunigung des eigenen strukturellen Wandels historisch aber vergleichsweise erfolgreich bewältigen konnte. Bestimmte Industriezweige etwa verschwanden seit den 1960er Jahren, andere wechselten stark ihr Aussehen, insgesamt aber war der mit der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung verbundene Wettbewerbsdruck keine Existenzbedrohung, solange das eigene Produktivitätswachstum relativ hoch war. Vor diesem Hintergrund war die Globalisierung ein Moment der Erfolgsgeschichte der (west-)deutschen Wirtschaft gerade deshalb, weil die jeweiligen Regierungen nicht protektionistisch reagierten bzw. ihre Möglichkeiten für einen wirksamen Protektionismus, der im Übrigen im Lande selbst höchst umstritten war, schlicht begrenzt waren.


Regionale Arbeitsteilung und ihre Bedingungen


Die Regionalstrukturen des deutschen Außenhandels spiegeln diese Bedingungen und Möglichkeiten des internationalen Austauschs ziemlich exakt wider. Trotz aller politischen Turbulenzen, an denen die beiden letzten Jahrhunderte überreich waren, sind die Regionalstrukturen des Außenhandels vergleichsweise stabil geblieben – mit freilich bemerkenswerten Verschiebungen im Sinne einer zunehmenden Globalisierung.


Auf die europäischen Staaten entfielen vor 1945 etwa drei Viertel der deutschen Exporte (im Zweiten Weltkrieg politisch bedingt fast 100%), auf Amerika 15% und auf Asien schließlich 1937 über 10%. Bei den Importen war das europäische Gewicht mit etwa 55% geringer; hier spielte Amerika als Nahrungsmittel- und Rohstofflieferant mit etwa 25 % Importanteil eine große Rolle vor Asien mit etwas mehr als 10 % (Höpfner 1993, S.194-199). Nach dem Krieg spielten sich die traditionellen Verhältnisse rasch wieder ein, jedoch sank der europäische Anteil insbesondere seit den 1970er Jahren kontinuierlich. 2016 betrug der europäische Anteil an den deutschen Exporten noch 68%, bei den Importen waren es ebenfalls etwa 68%. Stark zugenommen hat in den letzten Jahren vor allem der Asienhandel: China ist mittlerweile der bedeutendste deutsche Handelspartner vor den USA und Frankreich. Während der Asienhandel mittlerweile etwa 20% des Außenhandels umfasst, ist der Anteil Amerikas auf 10% zurückgegangen (Gehle, Rosenow 2006).


Trotz aller politischen Turbulenzen, an denen die beiden letzten Jahrhunderte überreich waren, sind die Regionalstrukturen des Außenhandels vergleichsweise stabil geblieben

Diese wenn auch mit Schwankungen vergleichsweise stabile Außenhandelsstruktur hat vor allem mit den geografischen Bedingungen und den noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hohen Transportkosten und politischen Handelsbeschränkungen zu tun, die einem wirklich offenen Welthandel klare Barrieren setzten. Dass die europäischen Nachbarn bis in die Gegenwart durchweg mehr als zwei Drittel der deutschen Exporte aufnahmen und eine entsprechende Menge der Importe bestritten, überrascht nicht. Diese Form der Arbeitsteilung ist nicht nur geografisch (und damit von den Kosten her) naheliegend; die europäischen Volkswirtschaften zeichneten sich auch durch ein vergleichsweise hohes Entwicklungsniveau aus, was einen intensiven überregionalen Austausch wesentlich begünstigt.


Die europäische Arbeitsteilung gewann schließlich durch ihre reine Existenz allein deshalb an Dauer, weil sich die jeweiligen Handelspartner genau auf diese Arbeitsteilung einstellten und sie dadurch stets wieder neu begründeten. Auch wenn deren Ursprünge sehr viel weiter zurückreichen, entstand so spätestens seit dem Aufschwung des Handels im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine integrierte, arbeitsteilige Wirtschaftsstruktur in Europa, in der sich die Regionen gegenseitig ergänzten und damit ihre produktivitätssteigernde Spezialisierung begünstigten.


Nach den Unterbrechungen durch die Kriege stellte sich diese Arbeitsteilung seit den 1950er Jahren rasch wieder her, doch hat seitdem die Globalität der deutschen Außenwirtschaft deutlich zugenommen (Fischer 1979). Vor allen Dingen mit den Liberalisierungen seit den 1970er Jahren hat der Anteil des außereuropäischen Handels im deutschen Fall relativ deutlich gewonnen; heute ist die deutsche Volkswirtschaft in Europa diejenige, die den höchsten Globalisierungsgrad aufweist und – in gewisser Hinsicht – die niedrigste innereuropäische Verflechtung zeigt, obwohl diese weiterhin von existentieller Höhe ist (Plumpe, Steiner 2008). Beides muss sich nicht widersprechen, sondern zeigt im Gegenteil die immer noch hohe globale Wettbewerbsfähigkeit namentlich des deutschen produzierenden Gewerbes, dessen Produkte eben weltweit gefragt sind.


Politische Gestaltung der globalen Arbeitsteilung


Ein neues Phänomen ist das nicht. In zentralen industriellen Feldern war die deutsche Industrie bereits vor 1914 Weltmarktführer, namentlich im Bereich der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Feinmechanik und Optik oder der Arzneimittelherstellung. Dass die deutsche chemische Industrie vor 1914 den Markt für Textilfarben beherrschte und es keine vergleichbaren Industrien etwa in Großbritannien oder Frankreich gab, war allerdings nur in den Augen von eingefleischten Nationalisten ein politischer Skandal; für Textilfabrikanten und Verbraucher dieser Länder war die Versorgung mit preisgünstigen Qualitätsprodukten, die allein die großen deutschen Teerfarbenfabriken liefern konnten, schlicht ein Vorteil.


Politische Eingriffe in Regionalstrukturen, die es immer gab, seien es die napoleonische Kontinentalsperre, seien es die Maßnahmen des sogenannten Neomerkantilismus um die Wende zum 20. Jahrhundert, seien es die Folgen der beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts, hatten daher wirtschaftlich stets nachteilige Folgen. Ebenso schlugen die meisten Versuche fehl, diese Arbeitsteilung etwa durch Zollhemmnisse oder politische Vorschriften (Patentrecht) künstlich zu korrigieren. Eine entsprechend strukturierte Schutzzollpolitik lief vor 1914 weitgehend ins Leere; Patentvorschriften wurden umgangen. Die Versuche, den deutschen technologischen Vorsprung in bestimmten Sektoren nach 1918 durch Handelsrestriktionen oder Produktionsverbote zu verringern, blieben faktisch wirkungslos. Auch französischen Bestrebungen, die Produktivitätsprobleme bestimmter einheimischer Industriebranchen durch politische Steuerung kurzfristig zu beseitigen, waren nicht von Erfolg gekrönt, nicht zuletzt, weil derartige Maßnahmen wiederum Gegenreaktionen hervorriefen, die unter Umständen die Produktivitätslücken noch vergrößerten (für die Zeit nach 1945 generell Kipping 1995).


Dies bedeutete nicht, dass Produktivitätspotenziale langfristig nicht genutzt werden konnten und wurden; aber die Betonung liegt hier, etwa im Bereich der Entwicklung des Humankapitals oder der Infrastruktur, in der Tat auf dem Gesichtspunkt der Langfristigkeit einerseits, der gleichzeitig relativen Offenheit der jeweiligen Volkswirtschaft andererseits, denn Produktivitätsfortschritte lassen sich im Grunde nur unter den Bedingungen weltwirtschaftlicher Konkurrenz erzielen, in der sie sich eben bewähren oder nicht.


Die ökonomische Verflechtung erzwingt deren politische Gestaltung, geht der politischen Integration mithin voraus, die durch sie erst nötig wird

Den schlagenden Beweis dafür, dass sich regionale Arbeitsteilungsstrukturen kaum mutwillig ändern lassen, oder wenn, dann nur zu horrenden Kosten, erfuhren die Planer des westeuropäischen Wiederaufbaus in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, als an eine wirtschaftliche Rekonstruktion des Kontinents bei gleichzeitiger Ausschaltung der traditionellen deutschen Wirtschaftskraft gedacht wurde. Politisch war ein schwaches Deutschland wünschenswert; wirtschaftlich hätte es den westeuropäischen Wiederaufbau behindert, unter Umständen unmöglich gemacht. Der Marshall-Plan und schließlich die europäische Integration, zuerst über die EGKS, dann über die EWG, waren die Mittel, um eine Wiederherstellung der herkömmlichen europäischen Arbeitsteilung mit der deutschen Wirtschaft als dem Hauptlieferanten von Investitions- und Produktionsgütern jenen Staaten, die in einer starken deutschen Wirtschaft eine Bedrohung sahen, schmackhaft zu machen. Die europäische wirtschaftliche Arbeitsteilung war und ist daher keine Folge irgendwelcher politischen Integrationsschritte; das Gegenteil ist der Fall: die ökonomische Verflechtung erzwingt deren politische Gestaltung, geht der politischen Integration mithin voraus, die durch sie erst nötig wird (Buchheim 1990).


Dass sie notwendig wird, hängt in hohem Maße damit zusammen, dass auch miteinander vernetzte Regionen unterschiedliche Entfaltungsdynamiken aufweisen, die, wenn sie unmoderiert verlaufen, leicht das politische Konfliktpotenzial befeuern können. So ist der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands vor 1914, so sehr von ihm viele Branchen und Konsumenten Nutzen zogen, stets auch als eine Art Gewichtsverschiebung begriffen worden, die namentlich Großbritannien zu begrenzen suchte (Merchandise Marks Act 1887). In der Öffentlichkeit erschienen die wirtschaftlichen Erfolge jeweils als „nationale Tatsachen“. Der Kampf um das „blaue Band“, also die Auszeichnung für die schnellste Atlantikquerung mit dem Schiff, wurde zu einer Frage nationalen Prestiges und nationaler technischer Leistungsfähigkeit.


Hintergrund dieser zunehmenden Rivalitäten, ohne die der Ausbruch des Ersten Weltkrieges kaum verständlich ist, war die Entfaltung der jeweiligen Produktivitätspotenziale, wobei Deutschland nicht zuletzt aufgrund seines Bildungs- und Wissenschaftssystems in diesen Jahren die Nase vorn hatte.


Gerade in den neuen Industrien der Zeit, der elektrotechnischen und chemischen Industrie, dem Maschinenbau und der Feinmechanik und Optik, gaben nicht nur deutsche Unternehmen den Takt vor; auch die notwendigen Forschungen etwa im Bereich der synthetischen Herstellung von Stickstoff, der Weiterentwicklung der Kältetechnik, der Entwicklung elektrotechnischer Großanlagen oder der Arzneimittelherstellung erfolgten vorrangig an deutschen Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen. Dass derartige Forschungen so rasch in industrielle Produktion umgesetzt und dann weltweit angeboten wurden, bestimmte den Kern deutscher Exporterfolge und die starke Stellung in der internationalen Arbeitsteilung, die im deutschen Fall daher stets zu einem bedeutenden Teil (bis zu 40%) eben nicht nur mit den europäischen Nachbarn, sondern global abgewickelt wurden. Größter deutscher Handelspartner war bereits vor 1914 die nordamerikanische Wirtschaft; aber auch in Asien und Lateinamerika waren deutsche Unternehmen stark vertreten.


Die Regionalstruktur des deutschen Außenhandels hing mithin von einer Fülle von Faktoren ab (Höpfner 1993). Was den Export betrifft, war es neben der geografischen Nähe das jeweilige Entwicklungsniveau der Handelspartner. Im günstigsten Fall trafen hohes Entwicklungsniveau und geografische Nähe zusammen, aber die Verbilligung der Transportkosten führte bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer erkennbaren Globalisierung der deutschen Wirtschaftsbeziehungen.


Autarkie, selbst wenn sie derart radikal verfolgt wurde wie vom Hitlerregime, musste über kurz oder lang ins wirtschaftliche Chaos führen

Im Bereich der Importe dominierten lange Zeit Rohstoffe und Nahrungsmittel, auf die die rasch wachsende deutsche Wirtschaft in hohem Maße angewiesen war – traditionell hatte Deutschland Importüberschüsse. Die Handelsbilanz war vor 1914 fast durchweg negativ und die Teilhabe am Goldstandard forderte starke Exporterfolge und eine entsprechende Geld- und Zinspolitik, um die Währungsbeziehungen gefährdenden Goldabflüsse verhindern zu können. Zwar gelang es nicht zuletzt durch die Erfolge der chemischen Industrie, über Importsubstitution (Farbstoffe, Stickstoff, Kautschuk) die Importstruktur ein wenig zu korrigieren, aber die Abhängigkeit von einer funktionierenden Außenwirtschaft war vor 1914 bereits ganz offensichtlich ebenso wie die Tatsache, dass diese Abhängigkeit nicht einseitig politisch einfach geändert werden konnte.


Die britische Fernblockade im Ersten Weltkrieg, die Deutschland effektiv aus der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung ausschloss, belegte diese Zusammenhänge in überaus schmerzhafter Weise, löste bei bestimmten politischen und militärischen Kreisen in den Folgejahren eine verhängnisvolle Autarkiedebatte aus. Ziel war es in dieser Sicht, Deutschland aus seinen weltwirtschaftlichen Bezügen zu lösen, um es im Fall eines Krieges wirtschaftlich autonom handlungsfähig zu machen – eine verhängnisvolle Entscheidung, die maßgeblich zum Rüstungswahn der Nazis wie zur skrupellosen Ausbeutung alles dessen führte, wessen man im Krieg habhaft werden konnte. Autarkie, selbst wenn sie derart radikal verfolgt wurde wie vom Hitlerregime, musste über kurz oder lang ins wirtschaftliche Chaos führen. Radikale Korrekturen der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung sind mithin ausgeschlossen.


Schlussfolgerungen


Das 20. Jahrhundert, so könnte man schlussfolgern, bietet ein reiches Laboratorium an Erfahrungen, warum eine politisch motivierte Korrektur globaler Arbeitsteilungsprozesse letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Alle einschlägigen Maßnahmen von den Blockaden des Ersten Weltkrieges über die Autarkie- und Großraumpolitik der 30er und 40er Jahre bis hin zum geplanten westeuropäischen Wiederaufbau ohne Deutschlands Beteiligung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren erfolglos. Erfolg zeigten erst die Maßnahmen, die von den historisch gewachsenen arbeitsteiligen Strukturen ausgingen und diese politisch so moderierten, dass die jeweiligen Partizipationsmöglichkeiten respektiert wurden.


Ohne diese Moderation geht es freilich auch nicht, denn die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung ist Indikator und Faktor eines ökonomischen Strukturwandels, der die regionalen Gewichte zumindest tendenziell stark verschieben kann (generell Menzel 2015). Dieser Wandel bedarf der Moderation, einer Moderation freilich, die nicht in willkürlichen Maßnahmen oder gar in Autarkiekonzepten oder Diskriminierungen ihren Niederschlag findet, denn genau das würde in einer im Kern auf Kooperation verwiesenen, reziprok strukturierten Welt nur einen eskalativen Prozess in Gang setzen, der niemandem nützt. Die eigenen Stärken zu fördern und in einen offenen weltwirtschaftlichen Wettbewerb einzubringen, ist dagegen zwar die produktivste Variante, da deren Erfolg aber nicht garantiert ist, auch jene, die aus politischen Gründen sehr schnell in die Kritik geraten kann. Nur zeigt die jüngere Wirtschaftsgeschichte, dass politisches Wunschdenken gefährlicher ist als die Risiken des internationalen Wettbewerbs.

 

Zum Autor: Werner Plumpe ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt.


Info: 
https://makronom.de/die-globalisierung-und-ihre-dilemmata-40377?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=die-globalisierung-und-ihre-dilemmata


Kommentar: Zitat: Hintergrund dieser zunehmenden Rivalitäten, ohne die der Ausbruch des Ersten Weltkrieges kaum verständlich ist, war die Entfaltung der jeweiligen Produktivitätspoten-ziale, wobei Deutschland nicht zuletzt aufgrund seines Bildungs- und Wissenschaftssystems in diesen Jahren die Nase vorn hatte. (Zitatende)  Was hat die Zivilgesellschaft gelernt?  Th. Bauer

07.10.2021

"Das ist unser Hinterhof!    "Die EU wirbt auf ihrem Westbalkangipfel mit Lippenbekenntnissen um die Nicht-EU-Mitglieder Südosteuropas. Dort gewinnen Russland und China, der größte Impfstofflieferant, an Einfluss.

german-foreign-policy.com, 7. Oktober 2021

BERLIN/BRÜSSEL(Eigener Bericht) - Mit neuen Lippenbekenntnissen zu angeblichen Erweiterungsplänen sucht die EU die sechs Länder Südosteuropas, die ihr nicht angehören, gegen Einfluss Russlands, Chinas und der Türkei abzuschotten. Man unterstütze den "Erweiterungsprozess", also die Aufnahme Bosnien-Herzegowinas, Serbiens, Montenegros, Nordmazedoniens, Albaniens und des völkerrechtswidrig von Serbien abgespaltenen Kosovo in die EU, heißt es in einer Erklärung, die die Union am gestrigen Mittwoch im slowenischen Brdo pri Kranju verabschiedete. Die Aussage, die von Experten nicht ernstgenommen wird, wird um Ankündigungen ergänzt, in Südosteuropa Infrastrukturprojekte zur engeren Anbindung an die EU mit Milliardensummen zu fördern und der Region eine größere Menge an Covid-19-Impfstoffen zur Verfügung zu stellen. Bisher hat China weitaus mehr Impfdosen geliefert als die EU; es baut darüber hinaus in Serbien eine Vakzinfabrik. Der Premierminister Lettlands spitzt die Forderung, der Einfluss von Staaten wie Russland oder China müsse aus Südosteuropa abgedrängt werden, in der Äußerung zu: "Das ist unser Hinterhof."


Zitat: Nicht mehr alternativlosHintergrund der Beschlüsse des gestrigen Westbalkangipfels der EU ist, dass die Union - immer mehr mit sich selbst beschäftigt und sich in ihren globalen Aktivitäten zunehmend verzettelnd - in den Ländern Südosteuropas, die ihr nicht angehören, längst nicht mehr alternativlos ist. So stärkt Russland seine Beziehungen etwa zu Nordmazedonien sowie insbesondere zu Serbien, dessen drittwichtigster Handelspartner es seit Jahren ist; Moskau hat zudem unter anderem eine Strategische Partnerschaft und ein Militärabkommen mit Belgrad geschlossen.[1] China wiederum intensiviert seine Beziehungen zu fast allen Ländern der Region, ist mittlerweile zweitwichtigster Lieferant Serbiens - nur knapp hinter Deutschland - und unterstützt vor allem Infrastrukturprojekte in Südosteuropa; bekanntestes Beispiel ist die Modernisierung der Eisenbahnstrecke aus Belgrad nach Budapest.[2] Eine zwar nur wenig beachtete, aber doch relativ erfolgreiche Einflussarbeit betreibt die Türkei, die vor allem mit Ländern kooperiert, deren Bevölkerung einen signifikanten muslimischen Anteil aufweist - insbesondere mit Bosnien-Herzegowina, außerdem aber auch mit Albanien und mit dem Kosovo.[3] Im Kosovo hatte sich auch die Trump-Administration im vergangenen Jahr massiv eingemischt - gegen den Willen der EU.[4]


"Wir oder andere"

In der EU ruft der partielle Einflussgewinn der erwähnten Staaten in Südosteuropa Unmut und Abwehrbestrebungen hervor. Bereits seit 2014 findet jedes Jahr eine "Westbalkankonferenz" statt, bei der einige - meist wenige - EU-Staaten und die EU-Kommission mit den sechs Nicht-EU-Ländern Südosteuropas zusammenkommen. Ziel ist es, deren Bindungen an die Union zu stärken. Konkreter Auslöser für die Gründung des Formats, das zuweilen als "Berliner Prozess" bezeichnet wird, war der erste "16+1"-Gipfel im April 2012, in dessen Rahmen China seither jährlich mit den EU- und Nicht-EU-Ländern Ost- und Südosteuropas zusammentrifft.[5] Größere Erfolge sind freilich bis heute ausgeblieben, weshalb Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz den gestrigen Westbalkangipfel zum Anlass nahm, um zu warnen: "Wenn wir als Europäische Union keine ernsthafte Perspektive für diese Region bieten, dann müssen wir uns bewusst sein, dass andere Supermächte wie China, Russland oder auch die Türkei dort eine immer stärkere Rolle spielen."[6] Ähnlich äußerte sich Lettlands Premierminister Krišjānis Kariņš, der konstatierte, sofern "Europa" nicht "die Hand ausstreckt und diese Länder an uns zieht", dann würden andere "in eine andere Richtung" ziehen. Kariņš formulierte offen: "Das ist unser Hinterhof."[7]


Nur Lippenbekenntnisse

Unter Druck stehend, hat sich die EU gestern um verbale Zugeständnisse bemüht. Dabei geht es darum, dass die sechs Nicht-EU-Länder Südosteuropas die Mitgliedschaft in der Union anstreben, aber seit Jahren hingehalten werden; mittlerweile gilt ihr Beitritt aufgrund diverser Widerstände in der EU nicht mehr als realistische Option. Um diesem - zutreffenden - Eindruck entgegenzutreten, hat Brüssel in die gestern verabschiedete "Brdo Declaration" die Formulierung aufgenommen: "Die EU bekräftigt erneut, dass sie den Erweiterungsprozess ... unterstützt." "Erweiterungsprozess" ist in der Erklärung fett gedruckt.[8] Freilich überzeugt dieses Bekenntnis kaum jemanden; "Politiker in Ländern Nord- und Westeuropas" tätigten zur EU-Erweiterung regelmäßig "Lippenbekenntnisse", äußert jetzt etwa der ehemalige kosovarische Außenminister Petrit Selimi: "Die EU-Erweiterung ist de facto tot."[9] In der Tat schränkt die Brdo Declaration die angebliche Unterstützung für den Erweiterungsprozess sogleich dadurch ein, es gebe sie lediglich "auf der Grundlage glaubwürdiger Reformen der Partner" und "einer fairen und strengen Konditionalität". Der Forderung Sloweniens, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, die Erweiterung bis spätestens 2030 umzusetzen, wurde eine klare Absage erteilt.


Keine neuen Mittel

Zu den wenigen konkreten Maßnahmen, die auf dem gestrigen Westbalkangipfel beschlossen wurden, gehört ein knapp 30 Milliarden Euro schweres Investitionspaket. Es sieht Zuschüsse im Wert von 9 Milliarden Euro vor, die durch Kredite in Höhe von 20 Milliarden Euro aus der neuen "Garantiefazilität für den Westbalkan" aufgestockt werden sollen; damit sollen "vor allem die Infrastruktur auf dem Balkan und seine Anbindung an die EU finanziert werden", heißt es.[10] Es handelt sich damit um eine unmittelbare Gegenmaßnahme gegen chinesische Unterstützung für Infrastrukturvorhaben in Südosteuropa. Allerdings handelt es sich dabei nicht um neue Mittel; die EU-Kommission hat sie schon im vergangenen Jahr prinzipiell eingeplant.[11]


Der wichtigste Impfstofflieferant

Zudem kündigt die EU an, die sechs Nicht-EU-Staaten Südosteuropas im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie zu unterstützen. Schon jetzt hätten die Union "und ihre Mitgliedstaaten ... dem Westbalkan über verschiedene Kanäle 2,9 Millionen Impfdosen zur Verfügung gestellt", heißt es in der Brdo Declaration. Weitere Impfdosen seien "auf dem Weg"; man wolle den südöstlichen Ländern dabei helfen, "bis Ende 2021 ähnliche Impfquoten wie die durchschnittliche Impfquote in der EU zu erreichen". Sollte dies gelingen, dann kann die EU dies freilich nicht allein sich selbst zuschreiben. So haben die Länder der Region neben russischen Sputnik V-Vakzinen vor allem chinesische Impfstoffe (Sinopharm, Sinovac) erhalten; die chinesischen Lieferungen belaufen sich bislang laut Angaben des Beratungsunternehmens Bridge Consulting aus Beijing auf rund 7,6 Millionen Impfdosen. In Serbien, das bereits über ein Werk zur Produktion des russischen Sputnik V-Vakzins verfügt, wird nun auch eine Fabrik zur Herstellung des chinesischen Sinopharm-Impfstoffs errichtet. Es handelt sich dabei um ein Joint Venture, das Serbien gemeinsam mit China und den Vereinigten Arabischen Emiraten trägt; sein Wert beläuft sich auf 30 Millionen Euro.[12]


Propaganda statt Taten

Offenbar ahnend, dass die nur mäßige materielle Unterstützung der EU nicht ausreichen wird, um die sechs Länder Südosteuropas fest an sich zu binden, fordert Brüssel nun auch Bekenntnisse ein. Die EU sei "mit Abstand der engste Partner, größte Investor und wichtigste Geber der Region", heißt es in der gestern verabschiedeten Brdo Declaration: "Wie beispiellos Umfang und Tragweite dieser Unterstützung sind, muss in der öffentlichen Auseinandersetzung und Kommunikation der Partner ohne Einschränkungen anerkannt und vermittelt werden."[13] Die mangelnde politisch-ökonomische Bindekraft wird damit durch propagandistische Aktivitäten ersetzt.[14]

 

[1] S. dazu Die Hegemonie über Südosteuropa.

[2] S. dazu Machtkämpfe um Ost- und Südosteuropa.

[3] S. dazu Die neuen Partner in Ankara (II).

[4] S. dazu Kriegsverbrechen im Kosovo.

[5] S. dazu Ein Kompass für Südosteuropa.

[6] EU hält sich den Westbalkan weiter warm. n-tv.de 06.10.2021.

[7] Laurence Norman: EU's Balkan Expansion Plans Stall. wsj.com 06.10.2021.

[8] Brdo Declaration, 6 October 2021.

[9] Laurence Norman: EU's Balkan Expansion Plans Stall. wsj.com 06.10.2021.

[10] Ein größerer Trostpreis für den Westbalkan. Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.10.2021.

[11] Westbalkan: Wirtschafts- und Investitionsplan zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung und Konvergenz. ec.europa.eu 06.10.2020.

[12] Serbia starts building Europe's first Sinopharm vaccine plant. intellinews.com 09.09.2021. S. auch Die Impfstoffdiplomatie der EU.

[13] Brdo Declaration, 6 October 2021.

[14] S. auch Die "Politik der Großzügigkeit".


Info: 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8726


Kommentar: Es regiert immer noch auch die dumme Arroganz der Macht mit!     Thomas Bauer

06.10.2021

Abgeordnete bleiben Afghanistan-Bilanz fern                                                      Stell' dir vor, es war Krieg und keiner schaut hin

tagesspiegel.de, 6. Oktober 2021, 06:25 Uhr, 

Die Verteidigungsministerin will am Mittwoch Bilanz des Afghanistan-Einsatzes ziehen – doch weder Außenminister noch viele Bundestagsabgeordnete sind dabei. 


Was hat der 20-jährige Einsatz der Bundeswehr gebracht? Eine Bilanz ist überfällig, doch niun gibt es Streit.



Was hat der 20-jährige Einsatz der Bundeswehr gebracht? Eine Bilanz ist überfällig, doch niun gibt es Streit.FOTO:


Zitat: Wenn Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) an diesem Mittwoch den Auftakt für eine Bilanz des Afghanistan-Einsatzes gibt, wird sie das ohne Außenminister Heiko Maas (SPD) und weitgehend ohne Beteiligung von Bundestagsabgeordneten tun müssen.

Die meisten Parlamentarier, ohne deren Zustimmung keine Bundesregierung Soldaten in einen Auslandseinsatz schicken kann, wollen der Veranstaltung im Verteidigungsministerium fernbleiben, zu der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg per Video ein Grußwort beisteuert.


„Wir haben uns interfraktionell verständigt, dass wir den Zeitpunkt dieser Veranstaltung nicht für richtig halten“, sagte Siemtje Möller, verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel mit Blick auf die Union, die Grünen und die FDP. Die Aufarbeitung des 20-jährigen Einsatzes dürfe zudem nicht allein der Exekutive überlassen werden und müsse im Sinne des „vernetzten Ansatzes“ deutscher Außen- und Sicherheitspolitik auch die zivilen Bemühungen um eine Stabilisierung des Landes in den Blick nehme.


Die eigenen Leute gehen auf Distanz zur Ressortchefin

Auch die Außen- und Sicherheitspolitiker der Union verweigern sich der Einladung der eigenen Ministerin, wollten das am Dienstag aber nicht öffentlich begründen.

[Lesen Sie auch: Wie die Taliban Jagd auf Orchester machen (T+)]


„So kurz nach der Bundestagswahl ist der neu gewählte Bundestag nicht konstituiert und der Bundestag in seiner alten Zusammensetzung hat ebenso wie Ministerin Kramp-Karrenbauer für so eine wichtige Evaluation kein Mandat mehr“, kritisierte FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes gehöre in den neuen Deutschen Bundestag und müsse von einem Untersuchungsausschuss und einer Enquete-Kommission „detailliert und mit ausreichend Zeit evaluiert werden“.


FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai sagte, der Zeitpunkt der Veranstaltung sei auch angesichts der derzeit laufenden Sondierungsgespräche für eine neue Bundesregierung „respektlos gegenüber dem Parlament“. Kramp-Karrenbauer habe die Aufgabe einer Evaluation nicht verstanden: Was in Afghanistan schief gelaufen sei, müsse „nicht nur militärisch, sondern vor allem politisch“ bewertet werden.


Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin erklärte, die Veranstaltung sei „der lachhafte Versuch einer Selbstevaluierung der scheidenden Verteidigungsministerin über das eigene Scheitern und Versagen in Afghanistan“. Kramp-Karrenbauer dürfe sich nicht wundern, „wenn sich nicht einmal Abgeordnete der Regierungsfraktionen dafür als Staffage hergeben“. Ihre Inszenierung werde eine „umfassende Aufklärung und Einschätzung der Nato-Niederlage in Afghanistan durch einen Untersuchungsausschuss im neu gewählten Bundestag“ nicht ersetzen können.


"Darüber reden, was nicht gut war" - das will die Ministerin

Der Auftakt für die Bilanz des Einsatzes im Verteidigungsministerium war ursprünglich für Ende August geplant gewesen, musste aber nach dem Fall Kabuls an die Taliban wegen des Bundeswehr-Evakuierungseinsatzes verschoben werden. „In einer kritischen Bilanz müssen wir darüber reden, was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben“, erklärte Kramp-Karrenbauer in der Einladung zu der Veranstaltung.


Die Pläne des Ministeriums hatten vorgesehen, am Mittwoch eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen mit Regierungsvertretern, Abgeordneten, Bundeswehrangehörigen, Fachleuten und Vertretern der Zivilgesellschaft abzuhalten. Eröffnen sollten das Event ursprünglich Ansprachen der Verteidigungsministerin, des Außenministers und des Generalsinspekteurs Eberhard Zorn. Maas sagte nach Informationen der dpa am Montagabend kurzfristig ab.


Vier Diskussions-Panels waren geplant, eines davon mit Abgeordneten der Bundestagsfraktionen. Dieses kann wegen der Absagen nicht wie geplant stattfinden, nur der AfD-Abgeordnete Peter Felser hatte laut Einladung zugesagt. Der Ex-Bundeswehroffizier will nun nach Angaben eines Mitarbeiters für den Auftakt der Veranstaltung in den Bendlerblock kommen.


Das Verteidigungsministerium wollte die Absagen nicht bewerten. Ein Sprecher sagte, das Ministerium habe sie „zur Kenntnis genommen“. Es sei weiterhin geplant, am Mittwoch mit der Bilanzierung des Einsatzes zu beginnen und dann am 13. Oktober die Afghanistan-Veteranen der Bundeswehr in einem öffentlichen Appell zu würdigen.


„Wir meinen, dass wir das den Soldatinnen und Soldaten schuldig sind - die Würdigung, aber auch die Bilanzierung“, sagte der Sprecher. Er kündigte zudem an, dass das Ministerium den Abgeordneten die Ergebnisse der Diskussionsrunden am Mittwoch „vollständig“ zur Verfügung stellen werde.


Die Bundesregierung hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass der Einsatz in Afghanistan mehr als 17 Milliarden Euro gekostet hat. SPD-Verteidigungsexpertin Möller sagte dazu: „Das Geld war gut angelegt in unsere Sicherheit und dafür, dass viele Afghanen 20 Jahre lang in besseren Verhältnissen leben konnten.“


Info: https://www.tagesspiegel.de/politik/abgeordnete-bleiben-afghanistan-bilanz-fern-stell-dir-vor-es-war-krieg-und-keiner-schaut-hin/27680472.html



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tagesspiegel.de, 6. Oktober 2021, 06:25 Uhr, ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ja, die Aufarbeitung des Einsatzes am Hindukusch sollte schnell kommen  – aber nicht so schnell, wie von der Verteidigungsministerin anberaumt.


Zitat: Ist das ihr letzter Streich vor dem Zapfenstreich? An diesem Mittwoch bittet die noch amtierende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu einer Auftaktveranstaltung, um Deutschlands 20-jährigen Afghanistan-Einsatz zu bilanzieren. Die Ministerin will damit Transparenz, Tatkraft und Selbstreflexion dokumentieren – doch die Parteien im Bundestag, auch ihre eigene, bleiben fern. Der Affront ist eine Warnung.


Zu besprechen gibt es sicher viel, das ist nicht der Grund. Die Experten von SPD, Grünen, FDP und Union wollen die Konstituierung des nächsten Parlaments abwarten, die Koalitionsbildung, die Ämterverteilung. Mit gutem Grund: Beispielsweise Grüne und Liberale streben einen Untersuchungsausschuss an.

Und das wäre nicht einmal genug. Dringend nötig ist außerdem eine großangelegte außenpolitische Debatte – mit Beschlüssen –, welche Lehren aus dem Afghanistan-Desaster für künftige Einsätze gezogen werden, sprich, welche Maßstäbe gelten, um an ihnen Erfolg und Misserfolg zu messen. Wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen.


Demnächst wird über die Irak- und die Mali-Mission entschieden

Einmal bleibt also viel Ungereimtes beim größten Einsatz der Bundeswehr aufzuklären, bis hin zur Frage, warum es überhaupt zu einem Evakuierungseinsatz nach dem Einsatz kommen musste. Das kann ungemütlich werden, für die Verteidigungsministerin wie für Außenminister Heiko Maas (SPD). Der Verdacht liegt nahe, dass das den Wahlkampf nicht mehr belasten sollte.

Zum Zweiten gilt: So richtig es ist, die Aufarbeitung nicht lange liegen zu lassen, so richtig ist das Argument, dass sie nicht in ein Machtvakuum hineinfallen darf. Darum sind eine schnelle Koalitionsfindung und Kabinettsbildung wichtig. Die Zeit drängt.


Kabinett und Bundestag sind schon im Dezember herausgefordert. Es muss über die Verlängerung des Irak-Mandats mit der Anti-IS-Mission entschieden werden. Die Grünen sehen dafür keine völkerrechtlichen Grundlagen – und sie stellen womöglich dann die Außenministerin. Kurz darauf geht es um die Überprüfung des Mali-Einsatzes mit der Ausbildungsmission für die dortigen Sicherheitskräfte. Hier sagen viele Experten, dass es genau wie in Afghanistan enden könne. Das sollte nun wirklich allen eine Warnung sein.


Info: https://www.tagesspiegel.de/politik/aufarbeitung-des-afghanistan-einsatzes-mit-hindernissen-der-affront-der-parlamentarier-ist-eine-warnung/27679846.html



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Versäumnisse der Regierung

Grüne, Linke und FDP für Afghanistan-Untersuchungsausschuss

tagesspiegel.de, vom 22.08.2021, 17:40 Uhr

Die Opposition ist sich einig und fordert einen U-Auschuss zu den Fehleinschätzungen der Regierung Merkel: „Wir müssen das aufarbeiten.“


Ein Untersuchungsausschuss zu den Versäumnissen der Bundesregierung beim Rückzug aus Afghanistan wird immer wahrscheinlicher. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bejahte am Sonntag im ARD-Sommerinterview die Frage, ob sie dafür sei. "Wir müssen das aufarbeiten." Dies gelte unabhängig davon, wer die nächste Regierung nach der Bundestagswahl Ende September stelle.


Untersuchungsausschüsse sind oft das schärfste Schwert der Opposition. Um sie einzurichten, sind 25 Prozent der Stimmen im Bundestag nötig.


Beim letzten U-Ausschuss zur Aufklärung des milliardenschweren Wirecard-Finanzskandals hatten Grüne, FDP und Linke diesen gemeinsam durchgesetzt.


FDP und Linke hatten beim Thema Afghanistan zuvor bereits signalisiert, für einen U-Ausschuss zu sein. Die von Union und SPD getragene Bundesregierung habe zögerlich und unkoordiniert gehandelt, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Im nächsten Bundestag braucht es dazu einen Untersuchungsausschuss." Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr müssten zudem auf den Prüfstand.


FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Bild am Sonntag", es müsse alles auf den Tisch kommen, was bei der verspäteten Evakuierung von Deutschen und Helfern nicht funktioniert habe. Auch die Fehleinschätzung des Bundesnachrichtendienstes zur Lage in Afghanistan müsse Konsequenzen haben.


In Afghanistan haben die radikal-islamischen Taliban weitgehend kampflos und innerhalb nur weniger Tage die Macht übernommen. Westliche Länder, die lange Truppen in dem Land hatten, versuchen nun fieberhaft, eigene Staatsbürger und Hilfskräfte über den Flughafen in Kabul auszufliegen. (Reuters)


Info: https://www.tagesspiegel.de/politik/versaeumnisse-der-regierung-gruene-linke-und-fdp-fuer-afghanistan-untersuchungsausschuss/27539818.html



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Armee in „atemberaubendem Tempo kollabiert“

Merkel räumt Fehler in Afghanistan-Analyse ein


tagesspiegel.de, 
vom 21.08.2021, 15:07 Uhr

In kurzer Zeit reißen die Taliban die Macht in Afghanistan an sich. Bundeskanzlerin Merkel räumt nun ein, dass sie die militärische Lage falsch bewertet habe.

Merkel äußert sich beim Unions-Wahlkampfauftakt auch zur Afghanistan-Lage.

Merkel äußert sich beim Unions-Wahlkampfauftakt auch zur Afghanistan-Lage.


Zitat: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Lage in Afghanistan eingeräumt. „Die afghanische Regierung und Armee sind in einem atemberaubenden Tempo kollabiert“, sagte Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung von CDU und CSU. „Wir haben diese Widerstandskraft stärker eingeschätzt - das gehört zur Wahrheit.“


Die unerwartete Machtübernahme in Afghanistan habe laut Merkel gezeigt, „wie dramatisch sich die Dinge von einem Tag auf den anderen ändern können“. Die Entwicklung in Afghanistan mit der Machtübernahme der Taliban bezeichnete sie als „Drama“ und „Tragödie“.


Nun gehe es vor allem darum, Menschenleben zu retten und die Gefährdeten außer Landes zu bringen, sagte die Kanzlerin. Den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sprach Merkel ihren „tiefen Dank“ für den Einsatz zur Rettung von Deutschen und Ortskräften aus. Die Kanzlerin sprach von einer „extrem schwierigen Mission“ und fügte hinzu: „Wir möchten, dass sie gesund nach Hause kommen.“


Zudem bekräftigte Merkel, dass eine kritische Bilanz des langjährigen internationalen Einsatzes in Afghanistan gezogen werden müsse: „Natürlich wird im Anschluss an diese Rettungsmission darüber zu reden sein, was ist geschafft und was ist nicht geschafft in Afghanistan?“


Allerdings zog sie bereits ein enttäuschtes Zwischenfazit. Zwar gehe zurzeit keine akute terroristische Bedrohung von Afghanistan aus. Der Ansatz des westlichen Engagements dort sei jedoch breiter gefasst gewesen: „Wir wollten möglichst vielen Menschen in Afghanistan ein freies, ein gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“, sagte Merkel. „Und da müssen wir einfach sagen: Das ist so nicht gelungen.“ (dpa/AFP)


Info: https://www.tagesspiegel.de/politik/armee-in-atemberaubendem-tempo-kollabiert-merkel-raeumt-fehler-in-afghanistan-analyse-ein/27538082.html


Kommentar: 

Bundeskanzlerin Merkel hat sich entschieden die Lügengeschichte vom Frieden der bewaffnet sein muss, weiter fortzusetzen: Zitat: „..wie dramatisch sich die Dinge von einem Tag auf den anderen ändern können.“  (Zitatende) 


SPD-Verteidigungsexpertin Möller sagte zu mehr als 17 Milliarden Euro Kosten: Zitat: „Das Geld war gut angelegt in unsere Sicherheit und dafür, dass viele Afghanen 20 Jahre lang in besseren Verhältnissen leben konnten.“ (Zitatende)


N i c h t s  ist gut angelegt mit Militärs, auch nicht in Afghanistan. Ein neuer Beweis für sinnlose Machtspiele auf Kosten unserer ganzen Welt und für kriegstreibenden Gehorsam als Ergebnis fehlender Aufklärung (auch noch) im 21. Jahrhundert.  Thomas Bauer

06.10.2021

Ich kann nicht mehr (Teil I  von II)

multipolar-magazin.de, vom 5. Oktober 2021, OLE SKAMBRAKS

Herausgegeben von Stefan Korinth, Paul Schreyer und Ulrich Teusch


In einem offenen Brief äußert sich ein ARD-Mitarbeiter kritisch zu anderthalb Jahren Corona-Berichterstattung: Ole Skambraks arbeitet seit 12 Jahren als redaktioneller Mitarbeiter und Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.


Zitat: Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert. In den Statuten und Medienstaatsverträgen sind Dinge wie „Ausgewogenheit“, „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ und „Diversität“ in der Berichterstattung verankert. Praktiziert wird das genaue Gegenteil. Einen wahrhaftigen Diskurs und Austausch, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, gibt es nicht.


Ich war von Anfang an der Ansicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk genau diesen Raum füllen sollte: den Dialog fördern zwischen Maßnahmenbefürwortern und Kritikerinnen, zwischen Menschen, die Angst haben vor dem Virus, und Menschen, die Angst haben ihre Grundrechte zu verlieren, zwischen Impfbefürworterinnen und Impfskeptikern. Doch seit anderthalb Jahren hat sich der Diskussionsraum erheblich verengt.


Wissenschaftlerinnen und Experten, die in der Zeit vor Corona respektiert und angesehen waren, denen Raum im öffentlichen Diskurs gegeben wurde, sind plötzlich Spinner, Aluhutträger oder Covidioten. Als vielzitiertes Beispiel sei hier auf Wolfgang Wodarg verwiesen. Er ist mehrfacher Facharzt, Epidemiologe und langjähriger Gesundheitspolitiker. Bis zur Coronakrise war er zudem im Vorstand von Transparency International. 2010 hat er als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Europarat den Einfluss der Pharmaindustrie bei der Schweinegrippe-Pandemie aufgedeckt. Damals konnte er seine Meinung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk persönlich vertreten, seit Corona geht das nicht mehr. An seine Stelle sind sogenannte Faktenchecker getreten, die ihn diskreditieren.


Lähmender Konsens

Anstelle eines offenen Meinungsaustausches wurde ein „wissenschaftlicher Konsens“ proklamiert, den es zu verteidigen gilt. Wer diesen anzweifelt und eine multidimensionale Perspektive auf die Pandemie einfordert, erntet Empörung und Häme.


Dieses Muster funktioniert auch innerhalb der Redaktionen. Seit anderthalb Jahren arbeite ich nicht mehr im tagesaktuellen Newsgeschehen, worüber ich sehr froh bin. An Entscheidungen, welche Themen wie umgesetzt werden, bin ich in meiner aktuellen Position nicht beteiligt. Ich beschreibe hier meine Wahrnehmung aus Redaktionskonferenzen und einer Analyse der Berichterstattung. Lange Zeit habe ich mich nicht aus der Rolle des Beobachters getraut, zu absolut und unisono wirkte der vermeintliche Konsens.


Seit einigen Monaten wage ich mich aufs Glatteis und bringe hier und da eine kritische Anmerkung in Konferenzen ein. Oft folgt darauf betroffenes Schweigen, manchmal ein „Dankeschön für den Hinweis“ und manchmal eine Belehrung, warum das so nicht stimme. Berichterstattung ist daraus noch nie entstanden.


Das Ergebnis von anderthalb Jahren Corona ist eine Spaltung der Gesellschaft, die ihresgleichen sucht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat daran großen Anteil. Seiner Verantwortung, Brücken zwischen den Lagern zu bauen und Austausch zu fördern, kommt er immer seltener nach.


Oft wird das Argument angeführt, dass die Kritikerinnen eine kleine, nicht beachtenswerte Minderheit darstellen, denen man aus Proporzgründen nicht zu viel Platz einräumen dürfe. Dies sollte spätestens seit dem Referendum in der Schweiz über die Coronamaßnahmen widerlegt sein. Obwohl auch dort ein freier Meinungsaustausch in den Massenmedien nicht stattfindet, ging die Abstimmung nur 60:40 für die Regierung aus. (1) Kann man bei 40 % der abgegebenen Stimmen von einer kleinen Minderheit sprechen? Dabei sei noch erwähnt, dass die Schweizer Regierung die Corona-Hilfszahlungen an die Abstimmung geknüpft hatte, was die Entscheidung mancher, ihr Kreuzchen bei „Ja“ zu machen, beeinflusst haben könnte.


Die Entwicklungen dieser Krise finden auf so vielen Ebenen statt und haben Auswirkungen auf alle Teile der Gesellschaft, dass es genau jetzt nicht weniger, sondern mehr freien Debattenraum braucht.


Dabei ist nicht aufschlussreich, was alles im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutiert wird, sondern was unerwähnt bleibt. Die Gründe dafür sind vielfältig und bedürfen einer ehrlichen internen Analyse. Dabei helfen können die Publikationen des Medienwissenschaftlers und ehemaligen MDR-Rundfunkrats Uwe Krüger, wie zum Beispiel sein Buch „Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen“.


In jedem Fall erfordert es einiges an Mut, in Konferenzen, in denen Themen diskutiert und besprochen werden, gegen den Strom zu schwimmen. Oft setzt sich derjenige durch, der seine Argumente am eloquentesten vortragen kann, im Zweifel entscheidet natürlich die Redaktionsleitung. Schon sehr früh galt die Gleichung, dass Kritik am Coronakurs der Regierung dem rechten Spektrum angehört. Welche Redakteurin wagt es da noch, einen Gedanken in diese Richtung zu äußern?


Offene Fragen


So ist die Liste der Ungereimtheiten und offenen Fragen, die keine substanzielle Berichterstattung bekommen haben, sehr groß:
  • Warum wissen wir so wenig über „gain of function research“ (Forschung daran, wie man Viren für den Menschen gefährlicher machen kann)?

  • Warum steht im neuen Infektionsschutzgesetz, dass das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung fortan eingeschränkt werden kann – auch unabhängig von einer epidemischen Lage?

  • Warum müssen sich Menschen, die bereits Covid-19 hatten, nochmal impfen, obwohl sie mindestens genauso gut geschützt sind, wie geimpfte Menschen?

  • Warum wird über das „Event 201“ und die globalen Pandemieübungen im Vorfeld der Ausbreitung von SARS-CoV-2 nicht oder nur in Verbindung mit Verschwörungsmythen gesprochen? (2)

  • Warum wurde das den Medien bekannte, interne Papier aus dem Bundesinnenministerium nicht in Gänze veröffentlicht – und in der Öffentlichkeit diskutiert, in dem gefordert wurde, dass Behörden eine „Schockwirkung“ erzielen müssten, um Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die menschliche Gesellschaft zu verdeutlichen?

  • Warum schafft es die Studie von Prof. Ioannidis zur Überlebensrate (99,41 % bei unter 70-Jährigen) in keine Headline, die fatal falschen Hochrechnungen des Imperial College aber schon (Neil Fergusson prophezeite im Frühjahr 2020 eine halbe Million Coronatote in Großbritannien und über 2 Millionen in den USA.)?

  • Warum steht in einem Gutachten, erstellt für das Bundesgesundheitsministerium, dass die Auslastung der Krankenhäuser im Jahr 2020 durch Covid-19-Patienten nur 2% betragen hat?

  • Warum hat Bremen mit Abstand die höchste Inzidenz (113 am 4.10.21) und gleichzeitig mit Abstand die höchste Impfquote in Deutschland (79 %)?

  • Warum sind Zahlungen von 4 Millionen Euro eingegangen auf einem Familienkonto der EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, die verantwortlich war für das Abschließen der ersten EU-Impfstoffverträge mit den Pharmakonzernen? (3)

  • Warum werden Menschen mit schweren Impfnebenwirkungen nicht im gleichen Maß portraitiert wie 2020 Menschen mit schweren Covid-19-Verläufen? (4)

  • Warum stört niemanden die unsaubere Zählweise bei „Impfdurchbrüchen“? (5)

  • Warum melden die Niederlande deutlich mehr Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe als andere Länder?

  • Warum hat sich die Wirksamkeitsbeschreibung der Covid-19-Impfstoffe auf der Seite des Paul-Ehrlich-Instituts in den letzten Wochen dreimal geändert? „COVID-19-Impfstoffe schützen vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus.“ (15. August 2021) „COVID-19-Impfstoffe schützen vor einem schweren Verlauf einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus.“ (7. September 2021) „COVID-19-Impfstoffe sind indiziert zur aktiven Immunisierung zur Vorbeugung der durch das SARS-CoV-2-Virus verursachten COVID-19-Erkrankung.“ (27. September 2021) (6)

Auf einige Punkte möchte ich im Detail eingehen.


„Gain of function“ und „Lab leak“


Zu „gain of function research“ – das ist Forschung, Viren gefährlicher zu machen, was im Institut für Virologie in Wuhan, China, betrieben und von den USA finanziert wurde – habe ich bis heute nichts Substanzielles gehört oder gelesen. Diese Forschung findet in sogenannten P4-Laboren statt, in denen seit Jahrzehnten daran gearbeitet wird, wie im Tierreich vorkommende Viren derart verändert werden können, dass sie auch für den Menschen gefährlich werden. ARD und ZDF haben um diese Thematik bis jetzt einen großen Bogen geschlagen – und das, obwohl hier deutlicher Diskussionsbedarf besteht. Eine erste zu diskutierende Frage könnte zum Beispiel sein: Wollen wir als Gesellschaft solche Forschung?


Zur „lab leak theorie“ – also der Annahme, dass SARS-CoV-2 aus einem Labor stammt – gibt es mittlerweile zahlreiche Berichte. Dabei muss erwähnt werden, dass dieses Thema im letzten Jahr sofort als Verschwörungsmythos gebrandmarkt wurde. Alternative Medien, die dieser Spur nachgegangen sind, wurden von Sozialen Netzwerken wie YouTube und Twitter verbannt und die Informationen gelöscht. Wissenschaftler, die diese These geäußert haben, wurden massiv angegriffen. Heute ist die „lab leak theorie“ mindestens genauso plausibel wie die Übertragung durch eine Fledermaus. Der amerikanische Investigativjournalist Paul Thacker hat im British Medical Journal die Ergebnisse seiner minutiösen Recherche veröffentlicht. Dazu schreibt Dr. Ingrid Mühlhauser, Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Uni Hamburg:

„Schritt für Schritt zeigt er [Thacker] auf, wie Betreiber einer amerikanischen Laborgruppe gezielt eine Verschwörungstheorie entwickeln, um ihren Laborunfall in Wuhan als Verschwörung zu verschleiern. Gestützt wird der Mythos von renommierten Zeitschriften wie dem Lancet. Wissenschaftsjournalisten und Dienstleister für Faktenchecks übernehmen unreflektiert die Informationen. Beteiligte Wissenschaftler schweigen, aus Angst, Prestige und Forschungsförderung zu verlieren. Facebook blockiert fast ein Jahr lang Meldungen, die den natürlichen Ursprung von SARS-CoV-2 in Frage stellen. Sollte sich die These des Laborunfalls bestätigen, hätten ZDF und andere Medien Verschwörungsmythen verteidigt.“

Ivermectin und Alternativen zur Impfung


Seit Monaten ist auch ersichtlich, dass es effektive und kostengünstige Behandlungsmittel für Covid-19 gibt, die nicht eingesetzt werden dürfen. Die Datenlage dazu ist eindeutig. Doch die pseudowissenschaftlichen Desinformationskampagnen gegen diese Mittel sind bezeichnend für den Zustand unserer Medizin. Seit Jahrzehnten ist Hydroxychloroquin bekannt und wurde millionenfach bei Malaria und rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Im letzten Jahr wurde es plötzlich für gefährlich erklärt. Die Aussage von Präsident Donald Trump, Hydroxychloroquin sei ein „game changer“ tat den Rest zur Diskreditierung. Die politische Räson ließ eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit HCQ nicht mehr zu.


Über die katastrophale Lage in Indien durch die Verbreitung der Deltavariante haben alle Medien im Frühjahr groß berichtet (damals war noch von der indischen Variante des Virus die Rede). Dass Indien die Situation relativ schnell unter Kontrolle gebracht hat und dass dabei das Medikament Ivermectin in großen Bundesstaaten wie Uttar Pradesh eine entscheidende Rolle gespielt hat, war dagegen nicht mehr berichtenswert. (7)


Ivermectin hat auch in Tschechien und der Slowakei eine vorläufige Zulassung für die Behandlung von Covid-19-Patienten. Darüber berichtet immerhin der MDR, wenn auch mit negativer Konnotation.


In der Liste möglicher Medikamente vom Bayerischen Rundfunk wird Ivermectin nicht einmal erwähnt, und zu Hydroxychloroquin werden nur negative und keine positiven Studien zitiert.


Das Molekül Clofoctol zeigte in Labortests im Sommer 2020 ebenfalls eine gute Wirkung gegen SARS-CoV-2. Bis 2005 war das Antibiotikum in Frankreich und Italien unter den Namen Octofene und Gramplus im Handel. Mehrfach wurde das Institut Pasteur in Lille von den französischen Behörden daran gehindert, eine Studie mit Covid-19-Patienten aufzusetzen. Nach mehreren Anläufen haben sie Anfang September den ersten Patienten dafür rekrutiert.


Warum stellen sich Gesundheitsbehörden vehement gegen Behandlungsmittel, die von Beginn der Pandemie an zur Verfügung gestanden hätten? Dazu hätte ich mir investigative Recherchen der ARD gewünscht! Es sei noch erwähnt, dass die neuen Corona-Impfstoffe nur deshalb eine Notzulassung bekommen konnten, weil es kein offiziell anerkanntes Behandlungsmittel für SARS-CoV-2 gegeben hat.


Es geht mir nicht darum, irgendein Corona-Wundermittel anzupreisen. Ich möchte Sachverhalte aufzeigen, die nicht die nötige Beachtung bekommen haben. Von Anfang an wurde im öffentlichen Diskurs die Meinung verbreitet, dass nur eine Impfung Abhilfe schaffen kann. Die WHO ging zeitweise sogar so weit, die Definition von „Herdenimmunität“ in dem Sinne zu ändern, dass diese nur noch durch Impfungen erlangt werden könne und nicht mehr durch eine frühere Infektion wie das bisher der Fall war.


Doch was, wenn der eingeschlagene Weg eine Sackgasse ist?


Fragen zur Impfwirksamkeit


Daten aus den Ländern mit besonders hohen Impfquoten zeigen, dass Infektionen mit SARS-CoV-2 auch bei vollständig geimpften Personen keine Seltenheit, sondern an der Tagesordnung sind. Dr. Kobi Haviv, Direktor des Herzog-Krankenhauses in Jerusalem, spricht davon, dass 85 % bis 90 % der schwer Erkrankten auf seiner Intensivstation doppelt geimpft sind. (8)


Das Magazin Science schreibt auf ganz Israel bezogen: „Am 15. August wurden 514 Israelis mit schweren oder kritischen Covid-19-Erkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert ... von diesen 514 Personen waren 59 % vollständig geimpft. Von den Geimpften waren 87 % 60 Jahre oder älter.“ Science zitiert einen israelischen Regierungsberater, der erklärt: „Eine der großen Geschichten aus Israel [ist]: ‘Impfstoffe funktionieren, aber nicht gut genug‘.“


Weiterhin ist nunmehr ersichtlich, dass geimpfte Menschen genauso viel Virusmaterial der Deltavariante in sich tragen (und verbreiten) wie Ungeimpfte.


Was folgt aus dieser Datenlage in Deutschland? – Ein Lockdown speziell für Ungeimpfte oder etwas euphemistisch ausgedrückt: die „2G-Regel“. Die Gesellschaft wird de facto in zwei Klassen gespalten. Die Geimpften bekommen ihre Freiheiten zurück (weil ohne Gefahrenpotenzial für andere), die Ungeimpften (weil mit Gefahrenpotenzial für andere) müssen sich Tests unterziehen, die sie selber bezahlen sollen, und bekommen im Quarantänefall keine Lohnfortzahlung mehr. Auch Beschäftigungsverbote und Kündigungen aufgrund des Impfstatus sind nicht mehr ausgeschlossen und Krankenkassen könnten Ungeimpften künftig ungünstigere Tarife vorschreiben. Warum dieser Druck auf Ungeimpfte? Wissenschaftlich ist das nicht begründbar und gesellschaftlich überaus schädlich.


Die durch Impfungen erzeugten Antikörper nehmen nach einigen Monaten deutlich ab. Der Blick nach Israel zeigt, nach der zweiten Impfung gibt es für die gesamte Bevölkerung jetzt die dritte Dosis und die vierte ist auch schon angekündigt. Wer nach sechs Monaten die Impfung nicht auffrischt, gilt nicht mehr als immun und verliert seinen „Green Pass“ (der digitale Impfausweis, den Israel eingeführt hat). In den USA spricht Joe Biden mittlerweile von Corona-Boostern, die alle 5 Monate anstehen. Marion Pepper, Immunologin an der University of Washington, stellt diese Strategie allerdings in Frage. Gegenüber der New York Times erklärte sie, „die wiederholte Stimulierung der körpereigenen Abwehrkräfte kann auch zu einem Phänomen führen, das als ‘Immunerschöpfung‘ bezeichnet wird.“


Wenig wird die Tatsache diskutiert, dass durch natürliche Infektion eine deutlich robustere Immunität aufgebaut werden kann. „Ultrapotente Antikörper“ oder eine „Super-Immunität“ wurde bei Menschen gefunden, die sich im letzten Jahr mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Diese Antikörper reagieren bei über 20 verschiedenen Virusmutationen und bleiben länger erhalten als Antikörper, die durch den Impfstoff erzeugt werden.


Immerhin hat Gesundheitsminister Jens Spahn nun angekündigt, dass auch ein Antikörpernachweis zulässig werden soll. Um offiziell als immun zu gelten, muss aber immer noch eine Impfung folgen. Wer versteht diese Logik? Ein CNN-Interview mit Dr. Anthony Fauci, dem Vorsitzenden des National Health Institute (das amerikanische Pendant des RKImacht die Absurdität anschaulich. Menschen mit natürlicher Immunität werden bis jetzt von der Politik nicht bedacht!


Ich kenne eine Ärztin, die verzweifelt versucht, von Gesundheitsbehörden und dem RKI eine Antwort zu dieser Thematik zu bekommen: Einer ihrer Patienten hat einen IgG-Antikörper-Titer von 400 AU/ml – deutlich mehr als viele Impflinge. Sein Coronainfekt ist schon über sechs Monate her, damit gilt er nicht mehr als immun. Die Antwort, die sie bekommen hat war: „Impfen sie ihn doch!“, was die Ärztin bei diesem Titer ablehnt.


Fehlendes journalistisches Grundverständnis


Der von Politik und Medien propagierte Weg aus der Pandemie entpuppt sich als Dauerimpfabonnement. Wissenschaftlerinnen, die einen anderen Umgang mit Corona fordern, bekommen immer noch keine adäquate Bühne bei den öffentlich-rechtlichen Medien, wie die zum Teil diffamierende Berichterstattung zur Aktion #allesaufdentisch wieder gezeigt hat. Anstatt mit den Beteiligten über die Inhalte der Videos zu diskutieren, hat man sich Experten gesucht, die die Kampagne diskreditieren. Damit begehen die Öffentlich-Rechtlichen genau den Fehler, den sie #allesaufdentisch vorwerfen.


Der Spiegel-Journalist Anton Rainer sagte im SWR-Interview über die Videoaktion, es handle sich nicht um Interviews im klassischen Sinne: „Im Prinzip sieht man jeweils zwei Menschen, die sich gegenseitig Recht geben.“ Ich hatte Bauchschmerzen, nachdem ich mir die Berichterstattung meines Senders angehört hatte, und war vollkommen irritiert vom fehlenden journalistischen Grundverständnis auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen. (9) Meine Bedenken habe ich den Beteiligten und der Redaktionsleitung per Mail mitgeteilt.


Ein klassischer Spruch ist in Konferenzen, dass ein Thema „schon gemacht“ sei. So zum Beispiel, als ich die sehr wahrscheinliche Untererfassung von Impfkomplikationen angesprochen habe. Ja, richtig, das Thema wurde erörtert mit dem hauseigenen Experten, der – es wundert wenig – zu dem Schluss gekommen ist, dass es keine Untererfassung gibt. „Die andere Seite“ wird zwar hier und da erwähnt, doch bekommt sie sehr selten Gesicht in der Form, dass tatsächlich mit den Menschen gesprochen wird, die kritische Standpunkte einnehmen.


Kritiker unter Druck


Die deutlichsten Kritikerinnen müssen mit HausdurchsuchungenStrafverfolgungKontosperrungVersetzung oder Entlassung rechnen, bis hin zur Einweisung in die Psychiatrie. Auch wenn es sich um Meinungen handelt, deren Positionen man nicht teilt – in einem Rechtsstaat darf es so etwas nicht geben.


In den USA wird schon diskutiert, ob Wissenschaftskritik als „hate crime“ (Verbrechen aus Hass) gelabelt werden sollte. Die Rockefeller Foundation hat 13,5 Millionen Dollar für die Zensur von Fehlinformationen im Gesundheitsbereich ausgelobt.


WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat erklärt „Fakten sind Fakten, die stehen fest“. Wenn das so wäre, wie ist es dann möglich, dass hinter verschlossenen Türen sich Wissenschaftlerinnen unentwegt streiten und sich sogar in einigen recht grundlegenden Fragen zutiefst uneinig sind? So lange wir uns das nicht klar machen, führt jede Annahme einer vermeintlichen Objektivität in eine Sackgasse. Wir können uns „Realität“ immer nur annähern – und das geht nur in einem offenen Diskurs der Meinungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse.


Was gerade stattfindet, ist kein aufrichtiger Kampf gegen „fake news“. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass jegliche Informationen, Beweise oder Diskussionen, die im Gegensatz zum offiziellen Narrativ stehen, unterbunden werden.


Ein aktuelles Beispiel ist das sachliche und wissenschaftlich transparente Video des Informatikers Marcel Barz. Bei einer Rohdatenanalyse stellt Barz erstaunt fest, dass weder die Zahlen zur Übersterblichkeit noch zur Bettenbelegung oder zum Infektionsgeschehen dem entsprechen, was wir seit anderthalb Jahren von Medien und der Politik zu lesen oder hören bekommen. Er zeigt auch, wie man mit diesen Daten durchaus eine Pandemie darstellen kann, und erklärt, warum dies für ihn unredlich ist. Das Video wurde von You Tube bei 145.000 Klicks nach drei Tagen gelöscht (und erst nach Einspruch von Barz und viel Protest wieder zugänglich gemacht). Der angegebene Grund: „medizinische Fehlinformationen“. Auch hier die Frage: Wer hat auf welcher Grundlage so entschieden?


Die Faktenchecker vom Volksverpetzer diskreditieren Marcel Barz als Fake. Das Urteil von Correctiv ist ein bisschen milder (Barz hat darauf öffentlich und ausführlich geantwortet). Das für das Bundesgesundheitsministerium erstellte Gutachten, dem zu entnehmen ist, dass die Auslastung der Krankenhäuser im Jahr 2020 durch Covid-19-Patienten nur 2 % betragen hat, gibt ihm recht. Barz hat mit seiner Analyse die Presse kontaktiert, doch keine Aufmerksamkeit bekommen. In einem funktionierenden Diskurs würden unsere Medien ihn zum Streitgespräch einladen.


Millionenfach werden Inhalte zu Corona-Themen mittlerweile gelöscht, wie die Journalistin Laurie Clarke im British Medical Journal zeigtFacebook und Co. sind private Unternehmen und können deshalb entscheiden, was auf ihren Plattformen publiziert wird. Aber dürfen sie damit auch den Diskurs steuern?


Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte einen wichtigen Ausgleich schaffen, indem er einen offenen Meinungsaustausch gewährleistet. Doch leider Fehlanzeige!


Digitale Impfpässe und Überwachung


Die Gates- und Rockefellerstiftungen haben die WHO-Richtlinien für die digitalen Impfpässe entworfen und finanziert. Weltweit werden sie mittlerweile eingeführt. Nur mit ihnen soll das öffentliche Leben möglich sein – egal, ob es darum geht, Straßenbahn zu fahren, einen Kaffee zu trinken oder eine medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel aus Frankreich zeigt, das dieser digitale Ausweis auch nach Beendigung der Pandemie bestehen bleiben soll. Die Abgeordnete Emanuelle Ménard hat folgenden Zusatz im Gesetzestext gefordert: Der digitale Impfpass „endet, wenn die Verbreitung des Virus keine ausreichende Gefahr mehr darstellt, um seine Anwendung zu rechtfertigen.“ Ihr Änderungsvorschlag wurde abgelehnt. Damit ist der Schritt hin zur globalen Bevölkerungskontrolle oder gar zum Überwachungsstaat durch Projekte wie ID2020 sehr klein.


Australien testet mittlerweile eine Gesichtserkennungsapp, um sicher zu stellen, das Menschen in Quarantäne zu Hause bleiben. Israel benutzt dafür elektronische Armbänder. In einer italienischen Stadt werden Drohnen zur Temperaturmessung von Strandbesuchern getestet und in Frankreich wird gerade das Gesetz geändert, um Drohnenüberwachung großflächig möglich zu machen.


All diese Themen brauchen einen intensiven und kritischen Austausch innerhalb der Gesellschaft. Doch er findet nicht zur Genüge in der Berichterstattung unserer Rundfunkanstalten statt und war auch nicht Wahlkampfthema.


Verengter Blickwinkel

Die Art und Weise, wie der Blickwinkel des Diskurses verengt wird, ist bezeichnend für die „Gatekeeper der Information“. Ein aktuelles Beispiel liefert Jan Böhmermann mit seiner Forderung, dem Virologen Hendrik Streeck und Professor Alexander S. Kekulé keine Bühne mehr zu geben, da sie nicht kompetent seien.


Abgesehen davon, dass die beiden Mediziner eine äußerst respektable Vita haben, hat Böhmermann damit die Scheuklappen neu justiert. Sollen jetzt nicht einmal mehr die Menschen gehört werden, die ihre Kritik am Regierungskurs mit Samthandschuhen präsentieren?


Die Einschränkung des Diskurses geht mittlerweile so weit, dass der Bayerische Rundfunk mehrfach bei der Übertragung von Parlamentsdebatten des Landtags die Reden von Abgeordneten, die kritisch zu den Maßnahmen stehen, nicht ausgestrahlt hat.

Sieht so das neue Demokratieverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus? Alternative Medienplattformen florieren zuallererst, weil die Etablierten ihren Aufgaben als demokratisches Korrektiv nicht mehr nachkommen.


Es ist etwas schiefgelaufen

Lange Zeit konnte ich mit Stolz und Freude sagen, dass ich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeite. Viele herausragende Recherchen, Formate und Inhalte kommen von ARDZDF und dem Deutschlandradio. Die Qualitätsstandards sind extrem hoch und tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten auch unter erhöhtem Kostendruck und Sparvorgaben hervorragende Arbeit. Doch bei Corona ist etwas schiefgelaufen. Plötzlich nehme ich einen Tunnelblick und Scheuklappen wahr und einen vermeintlichen Konsens, der nicht mehr hinterfragt wird. (10)


Dass es sehr wohl anders geht, zeigt der österreichische Sender Servus TV. In der Sendung „Corona-Quartett“ / „Talk im Hanger 7“ kommen Befürworterinnen und Kritiker gleichermaßen zu Wort. Warum soll das im deutschen Fernsehen nicht möglich sein? (11) „Man darf nicht jedem Spinner eine Bühne geben“, lautet die schnelle Antwort. Die false balance, der Umstand, dass seriöse wie auch unseriöse Meinungen gleichermaßen gehört werden, müsse vermieden werden. – Ein Totschlagargument, das zudem unwissenschaftlich ist. Das Grundprinzip der Wissenschaft ist das Anzweifeln, das Hinterfragen, das Überprüfen. Wenn das nicht mehr stattfindet, wird Wissenschaft zur Religion.


Ja, es gibt tatsächlich eine false balance. Es ist der blinde Fleck, der in unseren Köpfen eingekehrt ist, der keine wahrhaftige Auseinandersetzung mehr zulässt. Wir werfen uns scheinbare Fakten um die Ohren, aber können uns nicht mehr zuhören. Verachtung tritt an die Stelle von Verständnis, das Bekämpfen der anderen Meinung ersetzt Toleranz. Grundwerte unserer Gesellschaft werden hopladihop über Bord geworfen. Hier sagt man: Menschen, die sich nicht impfen wollen, seien bekloppt, dort heißt es: „Schande über die Schlafschafe“.


Während wir streiten, merken wir nicht, dass sich die Welt um uns herum in rasender Geschwindigkeit ändert. So gut wie alle Bereiche unseres Lebens befinden sich in einer Transformation. Wie diese verläuft, liegt maßgeblich an unserer Fähigkeit der Kooperation, des Mitgefühls und des Bewusstseins von uns selbst und unseren Worten und Taten. Für unsere geistige Gesundheit täten wir gut daran, den Debattenraum zu öffnen – in Achtsamkeit, Respekt und Verständnis für unterschiedliche Perspektiven. (12)


Diese Zeilen schreibend komme ich mir vor wie ein Ketzer; jemand, der Hochverrat begeht und mit Strafe rechnen muss. Vielleicht ist es gar nicht so. Vielleicht riskiere ich hiermit gar nicht meinen Job, und Meinungsfreiheit und Pluralismus sind nicht gefährdet. Ich wünsche es mir sehr und freue mich über einen konstruktiven Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.


Ole Skambraks
ole.skambraks@protonmail.com


Über den Autor: Ole Skambraks, Jahrgang 1979, studierte Politikwissenschaften und Französisch an der Queen Mary University, London sowie Medienmanagement an der ESCP Business School, Paris. Er war Moderator, Reporter und Autor bei Radio France Internationale, Onlineredakteur und Community Manager bei cafebabel.com, Sendungsmanager der Morgenshow bei MDR Sputnik und Redakteur bei WDR Funkhaus Europa / Cosmo. Aktuell arbeitet er als Redakteur im Programm-Management/Sounddesign bei SWR2.


Weitere Artikel zum Thema:

    Das neue Wahrheitsregime (Michael Meyen, 18.5.2021)                                                                      Die Mainstream-Blase (Ralf Arnold, 31.1.2021)                                                                                          Im Dialog mit der ARD (Paul Schreyer, 26.11.2020)                                                              Weltanschauung statt Journalismus (Marcus Klöckner, 31.8.2020)


Weiterführende Informationen des Autors PS: Für Faktenchecker und Menschen, die an einer Multiperspektive interessiert sind, hier die Gegenpositionen zu den im Text besprochenen Punkten:

ARD-ZDF-Studie
https://www.rnd.de/medien/kritik-an-corona-berichterstattung-von-ard-und-zdf-sender-wehren-sich-gegen-medienstudie-C3B4FEKAMNBFBNTKGO5EETMR3E.html


Prof. John Ioannidis
https://www.faz.net/aktuell/wissen/forscher-john-ioannidis-verharmlost-corona-und-provoziert-17290403.html


https://sciencebasedmedicine.org/what-the-heck-happened-to-john-ioannidis/

Imperial College Modelling
https://blogs.bmj.com/bmj/2020/10/07/covid-19-modelling-the-pandemic/


Gain of function reserch
https://www.gavi.org/vaccineswork/next-pandemic/nipah-virus


Hydroxychloroquin / Ivermectin
https://www.br.de/nachrichten/wissen/corona-malaria-mittel-hydroxychloroquin-bei-covid-19-unwirksam,RtghbZ4


https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-therapeutics-2021.2


https://www.forbes.com/sites/siladityaray/2021/05/11/indian-state-will-offer-ivermectin-to-

entire-adult-population---even-as-who-warns-against-its-use-as-covid-19-treatment/


Immunität der Geimpften
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.08.23.457229v1


Immunität der Genesenen
https://science.orf.at/stories/3208411/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE


https://www.businessinsider.com/fauci-why-covid-vaccines-work-better-than-natural-infection-alone-2021-5


Impfdurchbrüche / Pandemie der Ungeimpften

https://www.spektrum.de/news/corona-impfung-wie-viele-geimpfte-liegen-im-krankenhaus/1921090#Echobox=1631206725


https://www.mdr.de/wissen/covid-corona-impfdurchbrueche-sind-selten-100.html


https://www.businessinsider.de/wissenschaft/gesundheit/neue-daten-risiko-an-covid-19-zu-sterben-fuer-ungeimpfte-elfmal-hoeher-a/


Pseudoexperten / Wissenschaftsleugner / PLURV-Prinzip

https://www.ndr.de/nachrichten/info/82-Coronavirus-Update-Die-Lage-ist-ernst,podcastcoronavirus300.html#Argument


Anmerkungen:

(1) Ausnahme war die Berichterstattung im Rahmen des Referendums, während der das Schweizer Fernsehen verpflichtet war beiden Parteien den gleichen Sendeplatz einzuräumen (Video hier)


(2) Weitere Pandemie-Notfallübungen waren „Clade X“ (2018), „Atlantic Storm“ (2005), „Global Mercury“ (2003) und „Dark Winter“ (2001). Es ging bei diesen Übungen immer auch um Informationsmanagement.


(3) Über die Zahlungen hat Panorama berichtet, doch die Rolle von Kyriakides bezüglich der Corona-Impfstoffverträge nicht deutlich dargestellt. Ansonsten hat das Thema in den Medien keine große Bedeutung gehabt.


(4) Zum Beispiel wurde im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum über den britischen Musiker Eric Clapton berichtet, der heftige Reaktionen nach der Impfung entwickelt hat und diese heute bereut.


(5) Ein Impfdurchbruch liegt laut RKI vor, wenn ein Geimpfter sowohl einen positiven Test als auch Symptome vorweisen kann – bei Ungeimpften genügt ein positiver Test. Auf diese Weise fallen die Ungeimpften statistisch massiver ins Gewicht.


(6) Jeweils unter der Überschrift „Auflistung der zugelassenen Impfstoffe“; zurückliegende Webseiteneditionen des PEI zugänglich über das Internetarchiv Wayback Machine (hierhier, und hier.


(7) Die WHO hat den indischen Bundesstaat Uttar Pradesh sogar gelobt für seine Coronapolitik, allerdings ohne Ivermectin zu erwähnen. Die Impfrate in Uttar Pradesh liegt unter 10 %.


(8) Siehe auch FDA-Meeting vom 17. September 2021, bei 5:47:25


(9) Die fairste Berichterstattung kommt vom BR, wobei auch hier über und nicht mit den Macherinnen gesprochen wurde. Der MDR bietet auf seinem Medienportal eine umfangreiche und differenzierte Analyse.


(10) Von einer tatsächlichen „Einheitsmeinung“ der Öffentlich-Rechtlichen möchte ich nicht sprechen. Es hat immer wieder kritische Beiträge und Kurskorrekturen in der Berichterstattung gegeben. Doch ist es immer eine Frage des Kontextes, der Sendezeit und des Umfangs, wie ein Thema behandelt wird. Meine Beobachtungen haben auch andere Kolleginnen und Kollegen festgestellt.


(11) Frische Formate wie „Auf der Couch“ vom ZDF machen Hoffnung, auch wenn ich nicht glaube, dass dort demnächst eine Karina Reiß oder ein Wolfgang Wodarg Platz nehmen werden.

(12) Die Initiative „Dialog Kultur“ eröffnet brauchbare Ansätze, die auch für Medienformate interessant sein können.


Info: https://multipolar-magazin.de/artikel/ich-kann-nicht-mehr   

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