Adieu Delors, isch over Schäuble!
lostineu.eu, 28. Dezember 2023
Wenn das kein Schicksalsschlag ist: Jacques Delors und Wolfgang Schäuble sind am selben Tag gestorben.
Delors wird als Gründer des europäischen Binnenmarkts und des Euro in die Geschichte eingehen. Der französische Sozialist wollte allerdings nicht nur einen Markt und eine Währung, sondern auch eine Sozialunion schaffen.
„Man verliebt sich nicht in einen Binnenmarkt“, mahnte Delors. Die EU müsse sich auch um die Angleichung der Lebensverhältnisse bemühen. Doch dieses sozialpolitische Ziel geriet schnell in Vergessenheit.
Schuld daran waren Politiker wie Schäuble, die den Markt verabsolutiert haben, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der demokratischen Kontrolle entziehen wollten und die EU als großes Deutschland begriffen.
Schäuble steht für die deutsche Wiedervereinigung – aber auch für das „deutsche EUropa“, das Griechenland und andere Länder in der Eurokrise einem gnadenlosen Austeritäts-Regime unterworfen hat.
Sein „Isch over“ wird in die EU-Geschichte eingehen – als Negativ-Beispiel für eine kalte und kontraproduktive Politik. Doch davon hört und liest man in den vielen Nachrufen in Deutschland so gut wie nichts…
Mehr zu Delors hier, zu Schäuble hier
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5 Comments
Arthur Dent
28. Dezember 2023 @ 19:46Die EU ist doch nicht für die Bürger da, sondern fürs Kapital, vor allem fürs deutsche Kapital. Eine demokratische und soziale Union ist eine hübsche Geschichte – aber die Verhältnisse, die sind nicht so. Die EU-Staaten haben bei Abstimmungen im Ministerrat und, ich glaub, auch im europäischen Rat, unterschiedliches Gewicht. Entscheidend ist ihre Bevölkerungsgröße. Vermutlich auch ein Grund warum Deutschland so auf Zuwanderung erpicht ist.
KK
28. Dezember 2023 @ 13:38
„Schuld daran waren Politiker wie Schäuble, die…die Wirtschafts- und Finanzpolitik der demokratischen Kontrolle entziehen wollten…“
Wieso wollten? Es ist ihnen doch vortrefflich gelungen!
european
28. Dezember 2023 @ 10:56
Das Griechenland-Desaster ist unverzeihlich. Man hat das Land und Bewohner ins Bodenlose gestuerzt, die Wirtschaft zerstoert, die heilige Schuldenquote in schwindelnde Hoehen getrieben. Von der hohen Zahl der Selbsttoetungen im Land der bis dato niedrigsten Selbsttoetungsrate ganz zu schweigen. Zur Entschuldigung hat man dann den „Erfolg“ bei der Primaerverschuldung gefeiert, die uns ansonsten nie interessiert hat. Italien war bezueglich der Primaerverschuldung immer besser als Deutschland und auch das hat uns nicht gehindert, die PIGS, die Schweine im Sueden zu diffamieren und mit einer oekonomisch falschen Austeritaetspolitik unnoetig in Not und Elend zu stuerzen. Schaeuble wollte die Griechen aus dem Euro draengen, was Merkel in letzter Minute verhindert hat.
Getoppt wurde das noch von der Chuzpe Angela Merkels, auf ihrer Abschiedstournee in Griechenland vorbeizuschauen, nur um den Griechen zu sagen, dass sie sie im Euro halten wollte und dass das gelungen sei. Ich fand die Geduld und Hoeflichkeit der Griechen bemerkenswert. Es haette mich nicht gewundert, wenn sie sie mit Pauken und Trompeten aus dem Land gejagt haetten.
Ich habe mich oft gefragt, wie unsere europaeischen Nachbarn es mit uns aushalten, diesem Besserwisserpool in der Mitte Europas, der alle zuschuettet mit Belehrungen und Hybris. Schuld sind immer die anderen und so wurde nie auch nur angeruehrt, dass unsere oeffentlichen Banken gezockt haben wie die Weltmeister. Die einzige, die das zugegeben hat, war seinerzeit Heide Simonis. Keiner der Zockerbankster wurde dafuer in Haftung genommen und keiner der Politiker in den Aufsichtsgremien wurde je danach gefragt, warum er keine Aufsicht gefuehrt hat. Auch in Deutschland haben viele ihre Existenz dadurch verloren und auch da hat man es fertig gebracht, den Menschen einzureden, dass jeder alles aufbrauchen muss, bevor er an den Staat geht. Soviel „Gerechtigkeit“ muss schliesslich sein.
Nein, da kamen die Suedlaender gerade recht und man hat mit einer gewaltigen Diffamierungskampagne die deutsche Bevoelkerung auch gegen die europaeischen Nachbarn aufgebracht. „Experten“ wie HWSinn tingelten durch die Talkshows und erzaehlten jedem, egal ob er es hoeren wollte oder nicht, dass der Gewinner der Eurozone, der Exportweltmeister und Exporteuropameister, von seinen Nachbarn ausgebeutet wird. Man fasst es nicht.
Wolfgang Schaeuble war ein machtbesessener Einpeitscher und hat mit seiner Politik den Anfang vom Ende des europaeischen Traums eingeleitet. Der politische Rechtsdrall in Europa begann mit exakt dieser seiner Politik. Wir Deutschen haetten es wissen muessen, dass man niemals in eine Krise hineinsparen darf. Die Brueningschen Spargesetze haetten uns eine Warnung sein muessen.
Nein, ich werde ihn nicht vermissen. Seiner Familie gilt mein Beileid, denn sie haben einen Angehoerigen verloren. Soviel Anstand muss sein.
KK
28. Dezember 2023 @ 15:11„Seiner Familie gilt mein Beileid, denn sie haben einen Angehoerigen verloren.“
Nicht jeder Angehörige wird auch vemisst – denn die kann man sich im Gegensatz zu Freunden nicht aussuchen. Ich kenn die Leute gar nicht, warum sollte ich dann „beileiden“?
Karl
28. Dezember 2023 @ 09:13
Der Gründer und der Zerstörer einer EU des Friedens und Wohlstands gleichzeitig – was für ein Omen zum Jahrswechsel
Info: https://lostineu.eu/a-dieu-delors-isch-over-schaeuble
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
lodstineu.eu, vom 27. Dezember 2023
Der frühere EU-Kommissar Verheugen hat in einem Interview ein Ende des „Gemetzels“ in der Ukraine gefordert. Es ist weiter aktuell – genau wie unsere Anmerkungen zum Drang der EU nach Osten.
Wer immer sich heute für ein Ende des Krieges, einen Waffenstillstand oder Verhandlungen ausspricht, wird als „nützlicher Idiot Putins“ diffamiert. Selbst Günter Verheugen, immerhin ehemaliger EU-Kommissar, macht da keine Ausnahme.
Es ist sinnlos, sich mit diesen Schmähungen auseinander zu setzen. Verheugen hat dies auch gar nicht nötig – schließlich ist er bei den Themen EU-Erweiterung und Russland-Politik eine Autorität. Er hat alles selbst miterlebt und gestaltet.
Der Sozialdemokrat war von 1999 bis 2004 als EU-Kommissar für die Erweiterungspolitik zuständig, danach bis 2010 für Industriepolitik. Zuvor hat er in der SPD die Außen- und Sicherheitspolitik geprägt, die er vor allem als Entspannungspolitik begriff.
Wie beurteilt er heute die Lage? Völlig anders, als wir es von der EU-Kommission oder der Bundesregierung hören. Die Ukraine verteidige nicht Europa oder die EU, sagt er, und der Krieg sei auch kein Systemkampf zwischen Demokraten und Autokraten.
Es geht nicht um Ihre oder meine Sicherheit. Wegen meiner Freiheit und zur Verteidigung meiner demokratischen Rechte muss kein Mensch in der Ukraine sterben. Meine Freiheit ist nicht durch Russland bedroht. Schon allein das zu sagen, bringt einen heute in den Verdacht, ein nützlicher Idiot des Kremls zu sein. Deshalb, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es besteht kein Zweifel daran, dass Russland der Aggressor ist, Verträge und Grundsätze verletzt hat, die das friedliche Zusammenleben in Europa regeln sollen. Aber man muss die Vorgeschichte dieses Kriegs kennen, um sich ein sachliches Urteil zu bilden.
Interview im Weserkurier
Die verdrängte Vorgeschichte
Zu dieser Vorgeschichte gehört Verheugen zufolge, dass der Umsturz auf dem Maidan 2014 ein „vorbereiteter Staatsstreich“ war – und dass die Ukraine „nicht einen Tag lang ernsthaft daran gedacht“ habe, die Minsk-Abkommen umzusetzen.
Doch diese umstrittene Vorgeschichte wird regelmäßig ausgeblendet. In der deutschen Debatte ist sie tabu. Manchmal hat man das Gefühl, die „Zeitenwende“ erfülle vor allem den Zweck, alles, was vor dem Krieg passierte, zu verdrängen.
Das gilt nicht nur für die Entspannungspolitik, an die Verheugen zurecht erinnert, sondern auch für die EU-Osterweiterung, die er interessanterweise ausblendet. War die Aufnahme Polens und der baltischen Länder womöglich ein Fehler?
Der deutsche Drang nach Osten
Hätte man es nicht besser vermieden, Länder hinein zu holen, die noch eine Rechnung mit ihrem großen Nachbarn offen haben? Und was ist mit der Östlichen Partnerschaft und der forcierten Heranführung der Ukraine an die EU?
All das war deutsche Politik. Frankreich und die südlichen EU-Länder hatten andere Prioritäten, etwa die Mittelmeerunion. Deutsche Politik war auch die Annäherung mit Russland – von der Kulturpartnerschaft bis Nord Stream 1 und 2.
Doch nur die Russland-Politik wird heute verdammt. Sogar die deutschen Friedensbemühungen (Minsk) werden negiert. Die Expansion nach Osten hingegen wird nicht infrage gestellt. Dabei gehört auch sie zur Vorgeschichte des Krieges.
Nun soll die Ost-Erweiterung sogar vorangetrieben werden – mit dem Beitritt der Ukraine und einem neuen „Big Bang“ bis 2030. Verheugens Politik wird fortgesetzt, wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen…
Update
Die Ost-Erweiterung wurde beim EU-Gipfel im Dezember vorangetrieben, mit grünem Licht für Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau sowie dem Kandidatenstatus für Georgien. – Siehe auch „EU-Beitritt der Ukraine: Geopolitik und Größenwahn“ und „Mit teuren Tricks in eine andere EU“
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1 Comment
Michael Schwabe
28. Dezember 2023 @ 08:54Warum zum Teufel hört und liest man zuviel von den Journalisten die Waffen und Milliarden für die Ukraine einfordern…da steckt ein hochgefährliches System hinter…hinzu kommt: eine supranasal retardierte baerbock, ein Kanzler ohne mut und Rückgrat , ein neoliberaler pleitenlindner….und natürlich willfährige Journalisten…jede Menge…man sollte sie endlich auch so nennen: willfährig!
Info:https://lostineu.eu/best-of-blog-01-10-verheugen-und-der-krieg-um-die-ukraine
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.