Aufruf an alle Menschen, die sich noch an Freiheit und Menschenrechte als linke Ideale erinnern Download: Erster Aufruf der Freien Linken
Zitat: Wir sind Linke unterschiedlicher Strömungen, die sich aufgrund der Zuspitzung der globalen Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen zusammengefunden haben, um gemeinsam für eine demokratische Zukunft in Freiheit und Frieden und dem Erhalt von Grund- und Menschenrechten für alle Menschen zu kämpfen.
Wir haben uns in der Gruppe „Freie Linke“ zusammengeschlossen. Uns eint die Ablehnung der demokratiefeindlichen Maßnahmen, die in Deutschland wie auch weltweit zum vorgeblichen Schutz vor dem Corona-Virus ergriffen wurden.
Wir finden: Kapitalistische Strukturen, unverhältnismäßig autoritäres Regierungshandeln und eine Linke, die sich ausschließlich auf Identitäts- und Symbolpolitik beschränkt, können keine adäquaten Antworten auf die in der Coronapandemie sichtbar gewordenen globalen Missstände in massiven Umbruchzeiten liefern.
Globale Zunahme an Hungerkrisen (einschließlich Europa)
Wegbrechen / Zerstörung sozialer Strukturen und Grundlagen
Massive Rückschläge bei der Armutsbekämpfung, Zerstörung von gesellschaftlichem Fortschritt und globalem Wohlstand, sowie Massenarbeitslosigkeit
Massive Beschleunigung der Digitalisierung, ohne demokratische Teilhabe und Abwägung der Auswirkungen auf Gesellschaft, Demokratie und den Menschen (Bsp. Zweiklassengesellschaft)
Zunahme an autoritärem Regierungshandeln und Führungsstil; daraus folgt eine drohende globale Transformation in eine autoritäre Postdemokratie
Weiterer Abbau von Grund- und Menschenrechten
Weitere Privatisierung von wichtiger Infrastrutkur in immer weniger Superkonzerne
Massive Medienkonzentration, Einflussnahme von Digitalkonzernen auf den Journalismus
Vermögenskonzentration; weitere massive Umverteilung von unten nach oben
Zerstörung von Infrastruktur, Gemeinschaftsbesitz, Autarkie
Telemedizinische Versorgung aus der Retorte, Krankenhausschließungen auch während der Pandemie, KI-basierte Patientenversorgung ohne die Bedürfnisse der Menschen zu beachten
Drohende Verstädterung und erzwungene Landflucht und damit Prekarisierung der Wohn- und Lebensverhältnisse
Zwangsdigitalisierung und damit einhergehende Kontrolle und Überwachung
Massive Spaltung der Gesellschaft und Verengung des Meinungskorridors
Risiken durch Krieg und gewaltsame Aufständen
Zerstörung von Errungenschaften in Lichtgeschwindigkeit, vor allem im globalen Süden bezüglich Menschenrechten, Gleichstellung, Geschlechtergerechtigkeit
Wegbrechen von erkämpften ethischen Standards in den Wissenschaften. Der lebenslange Kampf Ruth Hubbards für ethische Grundsätze in der Humangenetik und den Wissenschaften wird mit Füßen getreten und stattdessen neues Aufkommen von New Eugenics und anderer unlauterer Praktiken
Zunahme von häuslicher Gewalt, Vergewaltigungen im Lockdown
Abhängigkeit von Großkonzernen bei der Versorgung
Wachsende ökologische Bedrohungen
Steigende Diskriminierung und Benachteiligungen für Menschen mit attestierter, notwendiger Maskenbefreiung
Zerstörung von Kunst, Kultur und Abwälzung der Maßnahmenbelastung vor allem auf den Privatbereich
Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Deshalb braucht es eine starke Linke, um den aktuellen Entwicklungen und wachsenden Problemen als Folge des Pandemie-geschehens und der Maßnahmen entgegen zu treten.
Wer ist die Freie Linke?
Die Freie Linke will sich für die Errichtung einer freien und gerechten Gesellschaft und die Abschaffung der Ausbeutung der Menschen durch das unterdrückerische System einsetzen und hält am klassischen linken Ideal fest. Da sich viele linke Parteien, Organisationen und Gruppierungen fast vollständig davon entfernt haben und damit dem ausbeuterischen System in die Hände spielen, richtet sich unsere Kritik auch an sie. Der Zenit ist längst überschritten, eine Umkehr, die von unten kommen muss, ist zwingend notwendig!
Des Weiteren lehnen wir die Verzerrung und Umdeutung von Begriffen und Definitionen vollständig ab, die jegliche Kritik am herrschenden System, Regierungen, Konzernen und Machteliten als wahlweise „genuin“ oder „strukturell antisemitisch“, „rechtsoffen“, „krude“ und „verschwörungsschwurblerisch“ etc. zu framen versuchen. Hier sehen wir insbesondere weite Teile der Medien als gesellschaftliche und politische Brandbeschleuniger, die jegliche demokratischen Prozesse vergiften, unterbinden und die Spaltungen und Zerwürfnisse politisch und innerhalb der Gesellschaft weiter voran treiben. Zudem werden damit Begriffe wie Antisemitismus oder rechts jeglicher Bedeutung beraubt, was das Verständnis des gesellschaftlichen Problems des tatsächlichen Antisemitismus verzerrt und verharmlost und damit dem Kampf gegen rechte Strukturen und Denkmuster mehr schadet als nutzt.
Die demokratische Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maßnahmen ist eine der größten Bewegungen „von unten“ seit der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Sie geht mit den traditionellen Werten und Zielen von emanzipatorischen und linken Bewegungen vor 2020, wie Basisdemokratie und Selbstbestimmung, völlig konform, einzelne Instrumentalisierungsversuche und Trittbrettfahrer ausgeschlossen. Diese Chance einfach verstreichen zu lassen und jegliche positiven Errungenschaften vergangener Widerstands- und Freiheitsbewegungen kritiklos durch eine reaktionäre und autoritäre Regierungs-entwicklung zunichte machen zu lassen, lassen wir nicht zu!
Da ein Großteil der politischen Linken diese Bewegung pauschal bekämpft, statt sich mit ihren Inhalten in sie konstruktiv einzubringen, verpasst sie eine einzigartige historische Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen, essentielle Forderungen für das Gemeinwohl zu stellen, Visionen für ein künftiges Zusammenleben zu entwickeln und autoritären Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Zu weiten Teilen erleben wir Reaktion statt Aktion. Weitestgehend bleibt es bei einer Reaktion „gegen rechts“ auf jegliche Proteste von unten.
Das ist ein Verrat an allen emanzipatorischen und linken Idealen und Vorhaben und treibt letztlich die neue Bewegung nach rechts (und das soll wohl gemäß den Absichten der imperialen Propaganda auch so sein).
Wir lehnen es ausdrücklich ab, dass linke Ideen in einen sogenannten Stakeholder-Kapitalismus eingehegt werden und damit zur Erfüllung kapitalistischer Zwecke, nicht humaner Ideale, entwertet und verfremdet werden. Diesen Unterschied heraus zu stellen, ist uns ein dringendes Anliegen.
Die Freie Linke will eine breite, vereinte und strömungsübergreifende Bewegung ins Leben rufen, sich dezentral und von unten organisieren, um eine mit echter Solidarität erfüllte Erneuerung der emanzipatorischen Bewegung zum Keimen zu bringen.
Die massiven Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft können nur auf humane Weise und nur gemeinsam mit allen Menschen gemeistert werden. Deshalb brauchen wir eine freie Linke, gewappnet mit traditionellem Leitbild und zukünftigen Visionen, um diese Ziele zu erreichen.
Unsere Vision:
Sofortige globale Widerherstellung sämtlicher Grund- und Menschenrechte, Wahrung dieser auch und gerade im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung, Automatisierung und die fortschreitenden Errungenschaften in der Biotechnologie
Vollumfängliche Transparenz von Regierungen, führender Institutionen und Organisationen und ihre Überführung in demokratisch-gesellschaftliche Kontrolle, auch von privatwirtschaftlichen Medienstrukturen, einschließlich Internetkonzerne und sozialer Netzwerke
Wissenschaftlich-interdisziplinär fundierte Überprüfung des Corona-Geschehens, umfassende Nutzen-Schaden-Analyse, Ermittlung der Profiteure, der Einflussnahmen (Lobbyismus etc.) und weiterer Hintergründe im Namen und/oder Schatten von Corona
Eine volle und faire Entschädigung und darüber hinausgehende Unterstützung aller von den Coronamaßnahmen Betroffenen. Bisherige Profiteure der Krise müssen für die finanziellen und gesellschaftlichen Folgen verpflichtet werden und dafür aufkommen
Beförderung einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, wie zukünftig antidemokratische Top-Down-Maßnahmen verhindert werden können
Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung, Recht auf analoges Leben, Intimität der eigenen Gedanken und Handlungen. Keine Konzernkontrollierte Mogelpackung via Blockchain-Identitäten
Gemeinwohlorientierter Ausbau des Gesundheitssystems statt reiner Systemerhaltung, tatsächlicher Schutz der Risikogruppen, Schutz und Heilung für alle, die sie brauchen und wollen. Keine Zwangsisolation, kein Zwangsschutz, keine wirtschafts- und profitorientierten Vorgehensweisen.
Vergesellschaftung zum Schutz vor Privatisierung und Profitorientierung wichtiger
Freiwillige Impfungen: umfassende Aufklärung und Sicherheitsüberprüfung neuer Technologien auf Gentherapiebasis (RNA, Vektor); absolute Freiwilligkeit ohne sozialen oder existenziellen Druck und Benachteiligungen; Für eventuelle Impfschäden muss seitens der Hersteller gehaftet werden; kein Patentrecht bei Finanzierung durch Steuergelder
Förderung eigenverantwortlicher, selbstbestimmter und mündiger Bürger statt „Tittytainment“
Wahrung autarker Strukturen für eine freie Gesellschaft (Beispiel Bargelderhalt)
Gleichbehandlung und volle Rechte für Menschen, die aufgrund dringender Gründe (medizinisch, aufgrund von Behinderungen,…) keine Masken tragen können; hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Nutzung von Digitalisierung und neuer Technologien zur Stärkung freierer, selbstbestimmter Lebensweisen und zur Förderung einer lebendigen echten Demokratie
Wir laden Euch dazu ein, gemeinsam für einewahrhaft freie und gerechte Gesellschaft zu kämpfen. Wir sind derzeit im Aufbau von Regionalgruppen,die sich auf Euch freuen! Schließt Euch an!
Als Linke betrachten wir folgende Werte und Grundsätze als nicht verhandelbar:
Alle Menschen sind gleichwertig und haben die gleichen unveräußerlichen Grundrechte
Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung etc. lehnen wir ab
Uns eint das Ziel der Errichtung einer freien, demokratischen und gerechten Gesellschaft und der Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen
Zitat: Solange es Militär gibt, wird es Krieg geben. Wer wirklich Frieden will muss Militär abschaffen. Interessensgegensätze und Konflikte wird es immer geben. Doch diese müssen mit friedlichen, mit rechtlichen und zivilen Mitteln ausgetragen und geregelt werden. Die Androhung von Militärgewalt führt immer wieder zu Krisen und letztlich zu Krieg. Immerwährende Kriegsvorbereitung bedeutet Verschwendung von Ressourcen und zerrüttet die Wirtschaft. Militär kann keinen Beitrag zur Lösung der Probleme der Menschheit leisten. Militär dient der Durchsetzung von Interessen, der Durchsetzung von Machtpolitik und der Absicherung von Herrschaftsinteressen. Das gilt auch für die deutsche Bundeswehr. Die traditionelle militaristische Sicht auf Konflikte verhindert Interessensausgleich und Gerechtigkeit. Militär ist nicht naturgegeben. Auch die Sklaverei wurde abgeschafft und Frauen sind jetzt formal gleichberechtigt.
Kommentar: Ich teile das Engagement von Tommy Rödl (www.dfg-vk-bayern.de) und er schreibt: "Die traditionelle militaristische Sicht auf Konflikte verhindert Interessensausgleich und Gerechtigkeit. Militär ist nicht naturgegeben."
Doch unser Protest hat auch die konsequente Ablehnung aller Militärbündnisse, wie z. B. NATO, PESKO udgl. mit einzuschließen, wenn er politisch wirksamer sein will! Thomas Bauer
30.12.2020
Maas hält UN-Sicherheitsrat für nur noch „bedingt handlungsfähig“
snanews.de, 09:37 30.12.2020 Nach Ansicht des Bundesaußenministers Heiko Maas ist der UN-Sicherheitsrat nur noch bedingt handlungsfähig und braucht dringend Reformen, berichtet dpa.
Zitat: Die letzten zwei Jahre der deutschen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat seien „schwierig und teilweise auch ernüchternd“ gewesen, teilte der Politiker mit. Die Zusammenarbeit zwischen Moskau, Washington und Peking habe nicht funktioniert.
Der Außenminister rechnet damit, dass die Situation sich nach der Amtseinführung des neugewählten US-Präsidenten Joe Biden ändern werde. Dies könnte dazu führen, dass man über die Reform des Sicherheitsrates oder auch der Vereinten Nationen wieder ernsthaft diskutieren werde. „Es liegt aber auch nicht nur an den Vereinigten Staaten. Bisher haben Russland und China alles blockiert, was von Generalsekretär Guterres vorgelegt worden ist“, sagte Maas.
Der Minister hoffe dennoch, dass in sechs Jahren, wenn sich die Bundesrepublik erneut für den Sicherheitsrat bewirbt, „ein Teil der Reformprozesse nicht nur abgesegnet sein wird, sondern auch schon umgesetzt ist“.
Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen und ist für Konfliktlösung und Friedenssicherung zuständig. Seine ständigen Mitglieder sind die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Andere Staaten wechseln sich auf den anderen zehn Sitzen alle zwei Jahre ab.
Deutschland bewirbt sich alle acht Jahre für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Seine letzte Mitgliedschaft in dem Gremium geht am 31. Dezember 2020 nach zwei Jahren zu Ende. Berlin strebt allerdings danach, dass Deutschland zusammen mit anderen Ländern einen ständigen Sitz im Rat bekommt. Über eine solche Reform wird schon lange diskutiert, aber es hat noch keine Fortschritte gegeben.
Kommentar: Dass auch die USA Beschlüsse im UN-Sicherheitsrat blockiert, lässt Bundesaußenminister Heiko Maas unerwähnt. Thomas Bauer
30.12.2020
Deutsches Gericht relativiert die Bedeutung der Grundrechte
pressenza.com, Nachrichten - 30.12.2020, Jürg Müller-Muralt f. d. Online-Zeitung INFOsperber
Die USA benutzen für den völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg den Stützpunkt Ramstein. Gerichte streiten über die Rolle Deutschlands.
Zitat: Die 5600-Seelen-Ortschaft Ramstein im Bundesland Rheinland-Pfalz gehört eigentlich zu den eher unscheinbaren Ortschaften in Deutschland – wäre da nicht die Air Base Ramstein. Das ist nicht bloss ein Militärflugplatz, sondern das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Europa und gleichzeitig die personell grösste Basis der US Air Force ausserhalb der Vereinigten Staaten. Diese riesige Drehscheibe der amerikanischen Luftwaffe dient auch der Steuerung der Drohnenangriffe in Irak, Afghanistan, Pakistan, Somalia und Jemen im Rahmen des so genannten «Kriegs gegen den Terror». Ohne Ramstein wäre der völkerrechtswidrige amerikanische Drohnenkrieg in dieser Weltregion technisch nicht möglich.
Drei deutsche Gerichte involviert
Das bringt Deutschland in eine heikle Lage. Bereits vor mehreren Jahren forderte die regierungsnahe deutsche Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die Ächtung von Kampfdrohnen, und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) schlug Alarm, weil die «unsichtbaren» Kriege das humanitäre Völkerrecht vor völlig neue Probleme stellen (siehe Infosperber). Seit 2015 haben sich auch drei deutsche Gerichte mit der Frage beschäftigt. Das jüngste, in der Öffentlichkeit wenig beachtete Urteil erging am 25. November 2020 vom deutschen Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Mit einem juristischen Eiertanz versucht das Gericht, die Bundesregierung aus dem Schussfeld zu nehmen.
Klage eines Jemeniten
Die Geschichte begann 2012. In einem Dorf im Osten Jemens schlugen damals fünf von US-Drohnen abgefeuerte Raketen ein. Ziel des Angriffs waren mutmassliche Al-Kaida-Mitglieder. Doch es wurden auch Unbeteiligte getötet, wie es bei diesen Angriffen häufig der Fall ist. Ein Angehöriger der Getöteten, Faisal bin Ali Jaber, klagte gegen die Bundesrepublik Deutschland. Seine Argumentation: Deutschland verstosse gegen seine grundgesetzlichen und menschenrechtlichen Schutzpflichten, weil Berlin die Drohneneinsätze der USA in Jemen unter Benutzung des US-Luftwaffenstützpunkts Ramstein nicht nur nicht unterbinde, sondern aktiv gestatte. Die Piloten der todbringenden Drohnen sitzen zwar in den USA. Doch in Ramstein steht die Satelliten-Relais-Station, die wegen der Erdkrümmung notwendig ist, um die Funksignale zur Steuerung der Operationen an die Drohnen weiterzuleiten.
Menschenrechte gelten universell
Ziel der Klage ist es, die Satellitenstation in Ramstein zu schliessen. Juristische Unterstützung erhält der Kläger aus Jemen vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Zur Motivation und zum Ziel der Klage schreibt das ECCHR: «Menschenrechte gelten universell. Die USA verletzen im Rahmen ihrer weltweiten Bekämpfung des internationalen Terrorismus immer wieder fundamentale Menschenrechte. In Jemen würden keine ZivilistInnen bei Drohnenangriffen getötet, wenn Deutschland die Nutzung deutschen Territoriums unterbinden würde.»
Erhebliche Zweifel
Der Gang durch die Gerichte begann am Verwaltungsgericht Köln, das am 27. Mai 2015 die Klage abwies. Die Begründung in Kürzestform: Selbst wenn man annehme, dass eine Schutzpflicht bestünde, könne man davon ausgehen, dass diese erfüllt sei; denn die Regierung habe bei ihren Massnahmen einen grossen Ermessensspielraum. Die Klagenden gingen in Berufung – und siehe da: Das Oberverwaltungsgericht Münster sah die Sache anders und gab der Klägerschaft mit Urteil vom 19. März 2019 zumindest teilweise recht. Das Gericht verurteilte Deutschland dazu, sich durch «geeignete Massnahmen» zu vergewissern, dass eine Nutzung von Ramstein durch die USA für bewaffnete Drohneneinsätze in Jemen im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet. Nötigenfalls sei auf Völkerrechtskonformität hinzuwirken. Das Urteil besagt zudem, dass «nach Auswertung aller verfügbaren öffentlichen Erklärungen der US-Administration» erhebliche Zweifel bestünden, ob «die generelle Einsatzpraxis für Angriffe» dem Unterscheidungsgebot des humanitären Völkerrechts zwischen Kämpfern und Zivilisten genüge.
Beachtliches Signal
Natürlich tönt das auf den ersten Blick recht unverbindlich. Doch ein Gericht kann in militärischen und aussenpolitischen Bereichen nur wenig ausrichten. Deshalb ist der richterliche Hinweis auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesregierung ein beachtliches Signal. Heribert Prantl, einer der bekanntesten deutschen Publizisten, verweist in der Süddeutschen Zeitung auf das deutsche Grundgesetz. Dort heisst es, dass «Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören», verfassungswidrig seien. Zudem verbietet das Grundgesetz die Todesstrafe. Prantl folgert daraus, es sei «verfassungswidrig, auf deutschem Boden oder von deutschem Boden aus Exekutionen zu vollziehen». Bisher hat sich Deutschland einfach mit der Versicherung der Amerikaner begnügt, dass in Ramstein alles mit rechten Dingen zugehe.
Regierung geht in Revision
Kein Wunder, dass die Regierung an diesem Gerichtsurteil keine Freude hatte und auch in Erklärungsnotstand und Zugzwang geriet. Also legte sie, vertreten durch das Verteidigungsministerium, bei der nächsthöheren Instanz Revision ein, beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dieses erklärte am 25. November 2020 das Urteil der Vorinstanz für nichtig. Schon der Titel der offiziellen Pressemitteilung sagt so ziemlich alles: «Kein Individualanspruch auf weitergehendes Tätigwerden der Bundesregierung zur Verhinderung von Drohneneinsätzen der USA im Jemen unter Nutzung der Air Base Ramstein».
Schutzpflicht mit Bedingungen
Die Klage sei «unbegründet», befand das Gericht. «Zwar können grundrechtliche Schutzpflichten des deutschen Staates auch gegenüber im Ausland lebenden Ausländern und im Fall von Grundrechtsbeeinträchtigungen durch andere Staaten bestehen.» Doch dazu brauche es bestimmte Voraussetzungen. Diese Schutzpflicht entstehe erst dann, wenn «aufgrund der Zahl und der Umstände bereits eingetretener Völkerrechtsverstösse konkret zu erwarten ist, dass es auch in Zukunft zu völkerrechtswidrigen Handlungen kommen wird». Ferner bedürfe es «eines qualifizierten Bezugs zum deutschen Staatsgebiet». Doch: «Für den erforderlichen qualifizierten Bezug zum deutschen Staatsgebiet reicht es nicht aus, dass der Datenstrom für die Steuerung der im Jemen eingesetzten Drohnen über Glasfaserkabel von den USA aus zur Air Base Ramstein übermittelt und von dort aus mittels einer Satelliten-Relaisstation an die Drohnen gefunkt wird.»
Friedensforschungsinstitut kritisiert Urteil
Das Peace Research Institute Frankfurt (PRIF), eines der führenden Friedensforschungsinstitute in Europa, analysiert das Gerichtsurteil und kritisiert, dass es «den Schutz des Lebens im Zusammenhang mit dem Völkerrecht unzumutbar aushöhlt und das Entstehen einer Schutzpflicht von der unklaren und zufälligen Massgabe genügend vorheriger Völkerrechtsverletzungen abhängen lässt». Auch der enge Bezug zum deutschen Staatsgebiet leuchtet dem PRIF nicht ein. Für die Schutzpflicht bedürfe es keiner gesonderten Begründung oder eines spezifischen Bezuges; denn sie lasse sich allein aus der «objektiven Werteordnung» des deutschen Grundgesetzes herleiten. «Schon alleine aus der Überlassung des Hoheitsgebietes sowie der damit verbundenen Rücknahme von Kontrollrechten muss sich die Entstehung der Schutzpflicht ergeben.»
«Zusicherung der USA» reicht
Das Bundesverwaltungsgericht hält die bisherigen diplomatischen Schritte der Regierung gegenüber den USA für ausreichend. Deutschland habe ja «eine Zusicherung der USA eingeholt, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgen. Diese Massnahmen können nicht als völlig unzulänglich qualifiziert werden. Weitergehende Schritte, wie insbesondere die von den Klägern letztlich geforderte Kündigung der völkervertraglichen Grundlagen für die Nutzung der Air Base Ramstein, musste die Bundesregierung wegen der massiven nachteilhaften Auswirkungen für die aussen-, bündnis- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht ziehen.» Das Gericht gewichtet also politische Rücksichtnahme höher als Grund- und Menschenrechte.
Es geht um elementare Grundrechte
Diese Entscheidung zeige die enorme Zurückhaltung der Gerichte, den Handlungsspielraum der Bundesregierung in aussenpolitischen Angelegenheiten einzugrenzen, schreibt das PRIF. «Denn die Gerichte geben der Exekutive in Fragen der Aussen- und Sicherheitspolitik nur in Ausnahmefällen bestimmte Handlungsanforderungen oder Vorgaben. Ein solcher Ausnahmefall sollte jedoch gerade in derartigen Fällen der Betroffenheit von elementaren Grundrechten wie dem Lebensschutz, besonders in Verbindung mit völkerrechtlichen Vorschriften, angenommen werden.»
Erstmals exterritoriale Schutzpflicht anerkannt
Das PRIF findet allerdings auch einen positiven Ansatz im Gerichtsurteil: In der Sache sei die Entscheidung zwar enttäuschend, doch die Klagenden konnten «zumindest abstrakt einen Teilerfolg erzielen». Denn «erstmals anerkennt das Gericht die grundsätzliche Möglichkeit des Bestehens einer extraterritorialen Schutzpflicht der deutschen Staatsgewalt an. Danach können auch gegenüber im Ausland lebenden Ausländerinnen und Ausländern im Fall von Grundrechtsbeeinträchtigungen durch andere Staaten grundrechtliche Schutzpflichten bestehen. Bisher waren derartige Pflichten zum Ergreifen von staatlichen Schutzmassnahmen lediglich in Inlandsfällen oder gegenüber Deutschen im Ausland anerkannt.» Die Völkerrechtlerin und Autorin der PRIF-Analyse, Vera Strobel, hält es für möglich, dass Deutschland aufgrund dieses Gerichtsurteils offiziell verpflichtet werden könnte, auf einer Völkerrechtskonformität konkreter US-Drohneneinsätze zu beharren. Doch dazu brauchte es ein Urteil der obersten deutschen Gerichtsinstanz, des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.
«Das Urteil ist ein schwerer Schlag»
Die Kläger prüfen nun eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Andreas Schüller, Leiter Programmbereich Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung beim ECCHR, sagt: «Drohnenangriffe sind völkerrechtswidrig. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig verkennt die Bedeutung der Grundrechte. Ein Staat, der sein Territorium für Militäreinsätze zur Verfügung stellt, muss Völkerrecht und Menschenrechte stärker durchsetzen als es die Bundesregierung macht.» Und der Kläger Faisal bin Ali Jaber sagt: «Das Urteil ist ein schwerer Schlag. Meine Familie kann nicht angstfrei leben, während diese Drohnen, die mit deutscher Hilfe fliegen, über unserer Gemeinde im Jemen kreisen und Tod und Zerstörung bringen.»
zeit-fragen.ch, vom 24. Nov. 2020, von Diana Johnstone
Für alle, die sich den Kopf nicht durch einen angeblich coronabedingten «grossen Umbruch» à la WEF verdrehen lassen wollen
Zitat:In ihrer vom Weltwirtschaftsforum (WEF) herausgegebenen Abhandlung «Covid-19: The Great Reset» [Covid-19: Der grosse Umbruch] bescheren uns die Ökonomen Klaus Schwab und Thierry Malleret die Stimme der Möchtegern-Global-Governance.
Indem sie ihrer kürzlich veröffentlichten WEF-Abhandlung den Titel «Covid-19: The Great Reset» geben, verknüpfen die Autoren die Pandemie auf eine Art und Weise mit ihren futuristischen Vorschlägen, die einen Chor von «Aha!»-Rufen hervorrufen dürfte. In der gegenwärtigen Atmosphäre der Verwirrung und des Misstrauens lässt die Freude, mit der die Ökonomen Klaus Schwab und Thierry Malleret die Pandemie als Vorboten der von ihnen vorgeschlagenen sozioökonomischen Umwälzung begrüssen, vermuten, dass sie (wenn sie dazu in der Lage gewesen wären) Covid-19 geschaffen hätten, wäre es nicht zufällig aufgetaucht. Tatsächlich hat Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums, den «Great Reset» bereits energisch propagiert und dabei den Klimawandel als auslösende Krise genutzt, bevor ihm der jüngste Ausbruch des Corona-Virus einen noch unmittelbareren Vorwand lieferte, seine Pläne zur Neugestaltung der Welt anzupreisen. Die Autoren fangen gleich an, indem sie verkünden: «Die Welt, wie wir sie in den ersten Monaten des Jahres 2020 kannten, gibt es nicht mehr», (dt. S. 12) dass radikale Veränderungen eine «neue Normalität» (dt. S. 12) formen werden. Wir selbst würden transformiert werden. «Viele unserer Überzeugungen und Annahmen, wie die Welt aussehen könnte oder sollte, werden sich dabei zerschlagen.» (dt. S. 13) Das ganze Buch hindurch scheinen sich die Autoren über die angenommenen Auswirkungen der weit verbreiteten «Angst» vor dem Virus zu freuen, die die Menschen darauf konditionieren soll, die von ihnen angestrebten radikalen Veränderungen zu wünschen. Sie verwenden technokratisches Psychogeschwätz, um zu verkünden, dass die Pandemie die menschliche Mentalität bereits so verändert, dass sie sich der neuen Realität anpasst, die sie für unvermeidlich halten. «Unsere unterschwellige und möglicherweise anhaltende Furcht davor, mit einem Virus (Covid-19 oder einem anderen) infiziert zu werden, wird somit den unerbittlichen Marsch der Automatisierung beschleunigen […].» (dt. S. 183) Wirklich? «Auf Grund der Corona-bedingten höheren Angst, mit völlig Fremden in einem geschlossenen Raum zu sitzen, könnte es sein, dass viele Menschen beschliessen, sich den neuesten Film oder die Opernaufführung lieber zu Hause anzusehen, weil es am vernünftigsten ist.» (dt. S. 234) «Es gibt andere erste Auswirkungen, die viel einfacher vorherzusehen sind. Sauberkeit ist eine davon. Die Pandemie wird unseren Fokus auf Hygiene sicherlich mehr in den Vordergrund rücken. Die neue Hygienebesessenheit wird insbesondere die Schaffung neuer Verpackungen nach sich ziehen. Wir werden angehalten, die Produkte, die wir kaufen wollen, nicht anzufassen. Einfache Freuden wie das Riechen an einer Melone oder das Betasten einer Frucht werden verpönt sein und vielleicht sogar der Vergangenheit angehören.» (dt. S. 234) Dies ist die Stimme der Möchtegern-Global-Governance. Von oben herab entscheiden Experten, was die Massen wollen sollen, und verdrehen die angeblichen Wünsche des Volkes so, dass sie zu den Profitplänen passen, mit denen sie hausieren gehen. Ihre Pläne kreisen um digitale Innovation, massive Automatisierung unter Verwendung «künstlicher Intelligenz» und schliesslich sogar um die «Verbesserung» des Menschen, indem man ihn künstlich mit einigen Eigenschaften von Robotern ausstattet: zum Beispiel Problemlösung ohne ethische Ablenkungen. Der 1938 in Ravensburg geborene Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab gründete 1971 sein Weltwirtschaftsforum, das von internationalen Konzernen massiv gesponsert wird. Es tagt einmal im Jahr in Davos in der Schweiz – das letzte Mal im Januar 2020 und nächstes Jahr im Mai, verschoben auf Grund von Covid-19.
Eine mächtige Lobby
Was ist es genau? Ich würde das WEF als eine Kombination von kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby beschreiben. Die futuristischen Vorhersagen sind darauf angelegt, Investoren in profitable Bereiche der, wie Schwab es nennt, «Vierten Industriellen Revolution (4IR)» zu führen und dann, wenn die Bereiche definiert sind, Druck auf Regierungen auszuüben, um solche Investitionen durch Subventionen, Steuererleichterungen, Beschaffungen, Vorschriften und Gesetze zu unterstützen. Kurz gesagt, das WEF ist die Lobby für neue Technologien, alles Digitale, künstliche Intelligenz, Transhumanismus. Es ist heute mächtig, weil es in einem Umfeld des Staatskapitalismus operiert, in welchem die Rolle des Staates (vor allem in den Vereinigten Staaten, weniger in Europa) weitgehend darauf reduziert wurde, positiv auf die Forderungen solcher Lobbys, insbesondere des Finanzsektors, zu reagieren. Da sie durch Wahlkampfspenden gegen die obskuren Wünsche der einfachen Leute immunisiert sind, brauchen die meisten der heutigen Politiker praktisch die Führung von Lobbys wie dem WEF, die ihnen sagen, was sie tun sollen. Im 20. Jahrhundert, insbesondere während des New Deal, stand die Regierung unter dem Druck widersprüchlicher Interessen. Der wirtschaftliche Erfolg der Rüstungsindustrie während des Zweiten Weltkriegs liess einen Militärisch-Industriellen Komplex (MIC) entstehen, der zu einem dauerhaften Strukturfaktor in der US-Wirtschaft geworden ist. Es ist die dominante Rolle des MIC und der daraus resultierenden Lobbys, die die Nation endgültig in einen Staatskapitalismus anstelle einer Republik verwandelt haben. Der Beweis für diese Transformation ist die Einstimmigkeit, mit der der Kongress nie davor zurückschreckt, grotesk aufgeblähte Militärbudgets zu genehmigen. Der MIC hat Medien und Think tanks hervorgebracht, welche die Öffentlichkeit ununterbrochen damit indoktrinieren, es sei existenziell notwendig, den Reichtum der Nation weiterhin in Kriegswaffen zu investieren. Sofern die Wähler nicht zustimmen, können sie keine Mittel des politischen Ausdrucks finden angesichts von Wahlen, die von zwei Pro-MIC-Parteien monopolisiert werden. Das WEF kann als analog zum MIC gesehen werden. Es beabsichtigt, Regierungen und Meinungsmacher für die Förderung einer «4IR» zu gewinnen, welche die zivile Wirtschaft und das zivile Leben selbst dominieren wird. Die Pandemie ist ein vorübergehender Vorwand; die Notwendigkeit, «die Umwelt zu schützen», wird der nachhaltigere Vorwand sein. Genauso wie der MIC als absolut notwendig dargestellt wird, um «unsere Freiheiten zu schützen», wird die 4IR als absolut notwendig angepriesen werden, um «die Umwelt zu retten» – und in beiden Fällen werden viele der verfochtenen Massnahmen den gegenteiligen Effekt haben. Bisher hat die Techno-Tyrannei von Schwabs 4IR ihren Platz im US-Staatskapitalismus noch nicht ganz erobert. Aber ihre Aussichten sehen gut aus. Das Silicon Valley trug massiv zur Kampagne von Joe Biden bei, und Biden hat sich beeilt, die Mogule in sein Übergangsteam zu berufen. Aber die wirkliche Gefahr dabei, dass alle Macht an den Reset geht, liegt nicht in dem, was da ist, sondern darin, was nicht da ist: irgendeine ernsthafte politische Opposition.
Kann die Demokratie wiederhergestellt werden?
Dem Great Reset steht eine breite Strasse offen, aus dem einfachen Grund, dass ihm nichts im Wege steht. Kein weit verbreitetes Bewusstsein für die Probleme, keine effektive politische Organisation des Volkes, nichts. Schwabs Dystopie (Anti-Utopie) ist allein aus diesem Grund beängstigend. Die Präsidentschaftswahlen 2020 haben gerade die fast vollständige Entpolitisierung des amerikanischen Volkes veranschaulicht. Das mag seltsam klingen angesichts der heftigen parteipolitischen Emotionen. Aber es war alles viel Lärm um nichts. Es wurden keine wirklichen Themen debattiert, keine ernsthaften politischen Fragen aufgeworfen, weder zu Krieg noch zu den Richtungen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Bei den bösartigen Auseinandersetzungen ging es um Personen, nicht um -Politik. Der stümperhafte Trump wurde beschuldigt, «Hitler» zu sein, und die von der Wall Street gekauften demokratischen Kriegstreiber wurden von Trumpisten als «Sozialisten» bezeichnet. Lügen, Beleidigungen und Verwirrung hatten überhandgenommen. Eine Wiederbelebung der Demokratie könnte sich aus einer organisierten, konzentrierten Beschäftigung mit den von den Davoser Planern aufgeworfenen Fragen ergeben, aus der eine informierte öffentliche Meinung hervorgeht, die beurteilt, welche technischen Innovationen sozialverträglich sind und welche nicht. Alarmrufe von den Rändern werden das intellektuelle Kräfteverhältnis nicht beeinflussen. Was wir brauchen, ist, dass sich die Menschen überall zusammenfinden, um die Probleme zu studieren und eine fundierte Meinung über Ziele und Methoden der zukünftigen Entwicklung zu erarbeiten. Solange sie nicht mit sachkundiger und präziser Kritik konfrontiert werden, werden das Silicon Valley und seine unternehmerischen und finanziellen Verbündeten einfach damit weiterfahren, zu tun, was immer sie sich vorstellen, tun zu können, ungeachtet der sozialen Auswirkungen. Eine seriöse Bewertung sollte zwischen potentiell nützlichen und unerwünschten Innovationen unterscheiden, um zu verhindern, dass populäre Vorstellungen dazu benutzt werden, Akzeptanz für jeden noch so verhängnisvollen «technologischen Fortschritt» zu gewinnen.
Fragen neu definieren
Die politischen Unterscheidungen zwischen links und rechts, zwischen Republikanern und Demokraten, haben an Schärfe zugenommen, während sie sich gerade selbst als inkohärent, verzerrt und irrelevant entpuppen und mehr auf ideologischen Voreingenommenheiten als auf Fakten basieren. Neue und fruchtbarere politische Orientierungen könnten durch die Konfrontation mit spezifischen, konkreten Themen aufgebaut werden. Wir könnten die Vorschläge des Great Reset einen nach dem anderen aufgreifen und sie sowohl in pragmatischer als auch in ethischer Hinsicht überprüfen.
Dank der Pandemie hat die Nutzung von Telefonkonferenzen über Skype, Zoom oder andere neue Plattformen stark zugenommen. Das WEF begrüsst dies als einen Trend. Ist es deswegen schlecht? Fairerweise muss man sagen, dass diese Innovation positiv ist, da sie es vielen Menschen ermöglicht, an Konferenzen teilzunehmen, ohne die Kosten, den Ärger und die Umweltkosten von Flugreisen. Die negative Seite ist, dass sie den direkten menschlichen Kontakt verhindert. Dies ist ein einfaches Problem, bei dem die positiven Punkte zu überwiegen scheinen.
Sollte die Hochschulbildung online gehen, wobei die Professoren Kurse für Studenten über das Internet geben? Dies ist eine weitaus kompliziertere Frage, die von den Bildungseinrichtungen selbst und den Gemeinschaften, denen sie dienen, gründlich diskutiert werden sollte, wobei das Für und Wider abzuwägen ist und man sich vor Augen halten sollte, dass diejenigen, die die Technologie bereitstellen, sie verkaufen wollen und sich wenig um den Wert des menschlichen Kontakts in der Bildung kümmern – nicht nur des menschlichen Kontakts zwischen Student und Professor, sondern auch der oft lebensbestimmenden Kontakte zwischen den Studenten selbst. Online-Kurse mögen für geografisch isolierte Studenten von Vorteil sein, aber die Auflösung der Bildungsgemeinschaft wäre ein grosser Schritt zur Zerstörung der menschlichen Gemeinschaft insgesamt.
Gesundheit und «Wellness». Hier sollte die Diskussion deutlich hitziger werden: «In der Zeit nach der Pandemie», so Schwab und Malleret, «werden (insgesamt) drei Branchen florieren: Big Tech, Gesundheit und Wellness.» (dt. S. 241) Für die Davoser Planer verbinden sich die drei. Diejenigen, die glauben, dass Wohlbefinden weitgehend selbst erzeugt wird und von Einstellungen, Aktivitäten und Lebensstilentscheidungen abhängt, übersehen das Wesentliche. «Die Kombination von KI [künstliche Intelligenz], Internet der Dinge, Sensoren und tragbarer Technologie wird neue Einblicke in das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen ermöglichen. Diese Systeme werden überwachen, wie es uns geht und wie wir uns fühlen, […] werden präzise Informationen über unseren CO2-Fussabdruck, unsere Auswirkungen auf die Biodiversität, die Toxizität aller Inhaltsstoffe, die wir konsumieren, und die Umgebungen oder räumlichen Kontexte, in denen wir uns bewegen, bedeutende Fortschritte unseres Bewusstseins für das kollektive und individuelle Wohlbefinden bewirken.» (dt. S. 243f.) Frage: Wollen oder brauchen wir diesen ganzen kybernetischen Narzissmus wirklich? Können wir das Leben nicht einfach geniessen, indem wir einem Freund helfen, eine Katze streicheln, ein Buch lesen, Bach hören oder einen Sonnenuntergang beobachten? Es wäre besser, wir entschliessen uns, bevor sie unsere Gedanken umarbeiten.
Essen. Um mir den gesunden Appetit nicht zu verderben, werde ich das überspringen. Die Tech-Zauberer möchten die Bauern mit all ihren schmutzigen Böden und Tieren abschaffen und in schönen, sauberen Labors kreierte, verbesserte, künstliche Lebensmittel industriell herstellen – aus was genau?
Das zentrale Thema: Homo faber
Was ist mit der menschlichen Arbeit? «Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die durch die Pandemie ausgelöste Rezession einen starken Anstieg der Arbeitssubstitution auslösen, das heisst körperliche Arbeit wird durch Roboter und ‹intelligente› Maschinen ersetzt, was wiederum dauerhafte und strukturelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt hervorrufen wird.» (dt. S. 61f.) Diese Ablösung ist bereits seit Jahrzehnten im Gange. Zusammen mit Outsourcing und Zuwanderung hat sie die kollektive Macht der Arbeit ohnehin schon geschwächt. Aber zweifellos sind die Tech-Industrien bereit, viel, viel weiter und schneller zu gehen, um Menschen aus der Arbeit zu verdrängen. «Die Covid-19-Krise und die damit einhergehenden Massnahmen zur räumlichen Distanzierung haben diesen Prozess der Innovation und des technologischen Wandels nun plötzlich beschleunigt. Chatbots, die sich oft auf die gleiche Spracherkennungstechnologie wie Alexa von Amazon stützen, und andere Software, die Aufgaben anstelle von menschlichem Personal ausführen kann, setzen sich rasch durch. Diese, auf Notwendigkeit (wie z. B. Hygienemassnahmen) beruhenden Innovationen werden bald Hunderttausende und möglicherweise Millionen von Arbeitsplätzen kosten.» (dt. S. 62) Die Senkung der Arbeitskosten ist seit langem das Leitmotiv dieser Innovationen, nebst der internen Dynamik der Technologieindustrie, «alles zu tun, was sie tun kann». Zur Rechtfertigung werden dann sozial nützliche Vorwände erfunden. Etwa so: «Da die Verbraucher in nächster Zeit wahrscheinlich automatisierte Dienste einem persönlichen Kontakt vorziehen, wird das, was derzeit im Callcenter-Sektor geschieht, unweigerlich auch in anderen Bereichen auftreten.» (dt. S. 62) «Da die Verbraucher wahrscheinlich vorziehen …»! Jeder, den ich kenne, klagt über die Verzweiflung, wenn er versucht, die Bank oder die Versicherungsgesellschaft zu erreichen, um einen Notfall zu erklären, und statt dessen mit einer toten Stimme und einer Auswahl an irrelevanten Nummern zum Anklicken konfrontiert wird. Vielleicht unterschätze ich den Grad der Feindseligkeit gegenüber unseren Mitmenschen, der heute die Gesellschaft durchdringt, aber mein Eindruck ist, dass es eine grosse, unausgesprochene öffentliche Nachfrage nach weniger automatisierten Diensten und mehr Kontakt mit realen Menschen gibt, die ausserhalb des Algorithmus denken und das Problem tatsächlich verstehen können, anstatt einfach vorprogrammierte Fehlerkorrekturen auszuspucken. Es gibt eine potentielle Bewegung da draussen. Aber wir hören nichts davon, weil uns unsere Medien einreden, das -grösste Problem im täglichen Leben der Menschen bestehe darin, dass jemand seine Verwirrung zeige angesichts des verwirrten Gender-Geschlechts eines anderen. Dabei, so behaupte ich, würde sich die Nachfrage der Verbraucher mit dem verzweifelten Bedürfnis der fähigen Menschen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, zusammenfügen. Die Technokraten verdienen ansehnliches Geld, indem sie anderen Menschen die Möglichkeit nehmen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier ist eine ihrer grossartigen Ideen. «So gibt es in so unterschiedlichen Städten wie Hangzhou, Washington DC und Tel Aviv Bemühungen, von Pilotprogrammen zu gross angelegten Aktionen überzugehen, die in der Lage sind, eine Armee von Lieferrobotern auf die Strasse und in die Luft zu bringen.» (dt. S. 185) Was für eine tolle Alternative zur Bezahlung eines existenzsichernden Lohns an menschliche Lieferanten! Und nebenbei bemerkt: Ein Mann, der ein Lieferfahrrad fährt, nutzt erneuerbare Energie. Aber all diese Roboter und Drohnen? Batterien, Batterien und noch mehr Batterien! Hergestellt aus welchen Materialien, die woher kommen und wie produziert werden? Von noch mehr Robotern? Woher kommt die Energie, die nicht nur fossile Brennstoffe, sondern auch die menschliche körperliche Anstrengung ersetzen soll? Auf dem letzten Treffen in Davos äusserte der israelische Intellektuelle Yuval Harari eine eindringliche Warnung: «Während die Menschen in der Vergangenheit gegen die Ausbeutung kämpfen mussten, wird im 21. Jahrhundert der wirklich grosse Kampf der gegen die Bedeutungslosigkeit sein. […] Diejenigen, die im Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit scheitern, werden eine neue ‹nutzlose Klasse› bilden – nicht aus der Sicht ihrer Freunde und ihrer Familie, sondern nutzlos aus der Sicht des wirtschaftlichen und politischen Systems. Und diese nutzlose Klasse wird durch eine immer grösser werdende Kluft von der immer mächtiger werdenden Elite getrennt sein.»1
Und das Militär. Unsere kapitalistischen Untergangspropheten prophezeien den Teil-Kollaps der zivilen Luftfahrt und der Luftfahrtindustrie, da die Menschen alle beschliessen, zu Hause zu bleiben und an ihren Bildschirmen zu kleben. Aber keine Sorge! «Eine Ausnahme stellt der Luft- und Raumfahrtsektor im Verteidigungsbereich dar, der relativ sicher zu sein scheint.» (dt. S. 231) Für Kapitalinvestitionen zumindest. Anstatt auf Ferien an sonnigen Stränden können wir uns auf Weltraumkriege freuen. Das könnte eher früher als später passieren, denn, wie die Brookings Institution in einem Bericht von 2018 darüber, «How artificial intelligence is transforming the world» («Wie künstliche Intelligenz [KI] die Welt verändert»), feststellt, geht alles schneller, auch der Krieg: «Die mit KI verbundene Big-Data-Analytik wird die nachrichtendienstliche Analyse tiefgreifend beeinflussen, da riesige Datenmengen nahezu in Echtzeit gesichtet werden […] und damit Kommandeuren und ihren Stäben ein bisher nicht gekanntes Mass an nachrichtendienstlicher Analyse und Produktivität liefern. Die Befehls- und Kontrollfunktionen werden in ähnlicher Weise betroffen sein, da menschliche Befehlshaber bestimmte Routine-, und unter besonderen Umständen Schlüsselentscheidungen an KI-Plattformen delegieren, wodurch sich die Zeit drastisch verkürzt, die Entscheidung und anschliessende Aktion verknüpft.»2 Es besteht also keine Gefahr, dass irgendein weichherziger Offizier aus sentimentaler Verbundenheit mit der Menschheit zögert, den dritten Weltkrieg zu beginnen. Wenn die KI-Plattform eine Gelegenheit sieht, dann nichts wie los! «Letztendlich ist Kriegsführung ein Wettbewerbsprozess um die Zeit, bei dem die Seite, die am schnellsten entscheiden und am schnellsten zur Ausführung übergehen kann, in der Regel die Oberhand behält. In der Tat können künstlich intelligente Informationssysteme, verbunden mit KI-gestützten Kommando- und Kontrollsystemen, die Entscheidungsunterstützung und Entscheidungsfindung auf eine Geschwindigkeit bringen, die der Geschwindigkeit der traditionellen Mittel der Kriegsführung weit überlegen ist. Dieser Prozess wird so schnell sein, insbesondere wenn er mit automatischen Entscheidungen zum Einsatz künstlich intelligenter autonomer Waffensysteme mit tödlicher Wirkung gekoppelt ist, dass ein neuer Begriff geprägt wurde, um die Geschwindigkeit der Kriegsführung zu beschreiben: Hyperwar».3
Die Amerikaner haben die Wahl. Entweder sie streiten sich weiter über Belanglosigkeiten oder sie wachen auf – wachen wirklich auf, erkennen die geplante Realität und tun etwas dagegen. Die Zukunft wird durch Investitionsentscheidungen gestaltet. Nicht durch unanständige Reden, nicht einmal durch Wahlen, sondern durch Investitionsentscheidungen. Damit das Volk seine Macht zurückgewinnt, muss es seine Herrschaft darüber, wie und für welche Zwecke Kapital investiert wird, wieder geltend machen. Und wenn privates Kapital sich dagegen sperrt, muss es sozialisiert werden. Das ist die einzige Revolution – und es ist auch der einzige Konservatismus, der einzige Weg, um anständiges menschliches Leben zu erhalten. Darum geht es in der Realpolitik. •
*Diana Johnstone lebt in Paris. Ihr neuestes Buch ist «Circle in the Darkness: Memoirs of a World Watcher » (Memoiren einer Weltbeobachterin). Atlanta 2020. ISBN 978-1-949762-13-6. Ausserdem erschien «Fools’ Crusade: Yugoslavia, NATO and Western Delusions.» 2002.(ISBN 978-1-58367-084-2), «Queen of Chaos: the Misadventures of Hillary Clinton. » Deutsch: Die Chaos Königin. Frankfurt 2016 (ISBN 978-3-866489-135-9). Sie schrieb ausserdem ein Vorwort und einen Kommentar zu den Memoiren ihres Vaters, Paul H. Johnstone – ehemaliger leitender Analyytiker der Strategic Weapons Evaluation Group (WSEG) im Pentagon –, die unter dem Titel «From MAD to Madness. Inside Pentagon Nuclear Planning» 2017 erschienen. Sie kann unter diana.johnstone@wanadoo.fr erreicht werden.
Künstliche Intelligenz und die Kriege der Zukunft - Kampf-Maschinen
deutschlandfunkkultur.de, Das Feature, 29.12.2020, 19:15 Uhr
„Hyperwar“: Kriege mit Hilfe von Drohnen, Kriegsrobotern und Internetsabotage. Unbemannte, selbstlernende Kampfmaschinen sollen künftig über Sieg oder Niederlage entscheiden. Das globale Wettrüsten um den effizientesten Einsatz von algorithmengesteuerten Waffen hat längst begonnen
Zitat: Auch deutsche Militärs, Forschung und Rüstungsindustrie wollen dabei nicht zurückstehen. Künstliche Intelligenz bringe eine Revolution der Kriegsführung mit sich, höchstens vergleichbar mit der Erfindung des Schießpulvers oder der Atombombe, so der verteidigungspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. Die Kriege sollen künftig weniger blutig sein und vor allem die Zivilbevölkerung soll geschont werden. Luftschlachten mit unbemannten Drohnen ohne zivile Opfer? Autonome Kampfroboter im Häuserkampf, die ohne Kollateralschäden zuschlagen können? Sieht so der Krieg der Zukunft aus? Diesen Fragen gehen die Autoren in diesem Feature nach.
Kampf-Maschinen Künstliche Intelligenz und die Kriege der Zukunft Von Matthias Martin Becker und Gerhard Klas
Regie: Felicitas Ott Es sprachen: Heiko Raulin und Marit Beyer Ton und Technik: Tanja Hiesch und Karl-Heinz Runde Redaktion: Wolfram Wessels, Wolfgang Schiller Produktion: SWR/Deutschlandfunk 2020
Gerhard Klas, Feature- und Sachbuchautor, beschäftigt sich mit Ökonomie und militärischen Fragen, lebt in Köln.
Matthias Martin Becker, Radiojournalist und Buchautor, beschäftigt sich mit Digitalisierung, Automatisierung und Rationalisierung, lebt in Berlin.
sueddeutsche.de, 29. Dezember 2020, 18:41 Uhr Wofür die Bundeswehr bewaffnete Drohnen brauchen könnte und einsetzen dürfte - und wofür eben nicht: die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem umstrittenen Kriegsgerät.
Zitat: Die SPD-Parteiführung hat die Entscheidung, ob die Bundeswehr ihre neuen Heron-TP-Drohnen bewaffnen darf, auf die nächste Legislaturperiode verschoben und damit Ärger in der Union, aber auch in der eigenen Partei ausgelöst. Außenminister Heiko Maas und die Wehrbeauftragte Eva Högl etwa sind für die Bewaffnung. Worum geht es in der Sache?
Welche Art von Drohnen setzt die Bundeswehr derzeit ein?
In Mali und Afghanistan benutzt sie unbewaffnete Drohnen des israelischen Typs Heron zur Aufklärung und für Lagebilder. Diese Drohnen führen keine Waffen mit. Vor allem die neueren Heron TP könnten aber Raketen tragen, die vom Leitstand aus abgefeuert würden. Anders als Jets sind Drohnen jedoch nicht in der Lage, schwere Bomben zu tragen, da ihre Nutzlast recht gering ist.
Leidet die Sicherheit der deutschen Soldaten in den derzeitigen Auslandseinsätzen, wenn die Luftwaffe keine Kampfdrohnen erhält?
Nur bedingt. In Afghanistan dient die laufende Mission "Resolute Support" lediglich noch der Ausbildung afghanischer Regierungskräfte, der Nato-Kampfeinsatz ist seit 2014 vorüber. In Mali ist die Bundeswehr gegen islamistische Terrormilizen im Rahmen der UN-Blauhelm-Mission Minusma auch mit Patrouillen im Gelände aktiv, hier ist eine Bedrohung denkbar, in der eine begleitende Drohne Angreifer ausmachen und beschießen könnte. Bisher gab es keinen solchen Zwischenfall, auch weil oftmals Heron-Drohnen das Terrain sondieren. Außerdem verfügen die dort ebenfalls aktiven Franzosen über bewaffnete Drohnen, 2017 töteten solche sieben Dschihadisten, die eine französische Einheit angriffen.
Für welche Einsätze will die Bundeswehr denn dann Drohnen bewaffnen?
Für Kampfeinsätze wie in Afghanistan bis 2014, wo deutsche Soldaten häufig in Gefechte gerieten. Beim berüchtigten "Karfreitagsgefecht" nahe Kundus starben 2010 drei Fallschirmjäger, als ihr Konvoi in eine Falle der Taliban geriet und nicht klar war, wo überall die Feinde verborgen waren. US-Kampfjets konnten deshalb zunächst nicht eingreifen, ohne die Deutschen zu gefährden. Eine begleitende Drohne hätte womöglich die Stellungen der Taliban aus der Luft aufgeklärt und gezielt bekämpfen können, und das ohne größere Verzögerung. Deshalb wünscht sich die Bundeswehr Kampfdrohnen für einen auf Gefechtssituationen begrenzten Einsatz.
Welche militärischen Vorteile würden Kampfdrohnen bieten? Was können sie, was die Bundeswehr ohne sie nicht kann?
Präzision und Überraschung. Drohnen können viele Stunden unbemerkt über einem Gefechtsfeld kreisen. Durch Beschuss durch Artillerie oder den Abwurf von Bomben auf Taliban-Stellungen nahe Dörfern wurde aus der Gefahr, Unbeteiligte zu töten, leider nur zu oft Wirklichkeit, vor allem bei den vielen Einsätzen der US Air Force. Ein Beispiel ist der fatale, von der Bundeswehr befohlene Bombenangriff am Kundus-Fluss 2009. Damals bombardierten amerikanische F-15-Jets zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge. Etwa 100 Menschen starben, neben Taliban viele Zivilisten, die aus Neugier an den Fluss gekommen waren oder um Benzin abzuzapfen. Die falsche Entscheidung für den Angriff basierte auf lückenhaften Informationen, die Wucht der Bomben war so gewaltig, dass noch in weitem Umkreis Menschen starben. Eine Drohne, so die Argumentation der Befürworter, hätte die Auswerter am Bildschirm sofort erkennen lassen, dass viele Zivilisten zu den Taliban stießen, man hätte deshalb einen viel begrenzteren Schlag erst dann ausgeführt, als keine Unbeteiligten gefährdet waren.
Dürfte die Bundeswehr wie das US-Militär gezielt Personen im Ausland durch Drohneneinsätze töten?
Nein. Das Grundgesetz verbietet aus guten Gründen sowohl die Todesstrafe als auch völkerrechtswidrige Tötungen. Der rechtlich außerordentlich problematische "Drohnenkrieg", in dem die USA islamistische Terroristen durch von Drohnen abgefeuerte Raketen gezielt exekutieren lassen, wäre für Deutschland illegal. Die zwischen SPD und Union ursprünglich vereinbarten Bestimmungen über Kampfdrohnen legten sogar dem Einsatz im Gefecht Schranken auf, um Zweifelsfälle zu vermeiden. Die Gefahr eines Missbrauchs gäbe es natürlich trotzdem.
Hat der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach im Herbst die Debatte über Kampfdrohnen, wie sie dort zum Einsatz kamen, neu entfacht?
Auf jeden Fall. Aserbaidschan beziehungsweise die mit ihm verbündete Türkei verfügte über Kampfdrohnen, das - an sich schlagkräftige - armenische Militär nicht. So kämpften Sehende gegen Blinde. Die Drohnen machten armenische Panzer aus der Luft aus und zerstörten sie mit Präzisionsraketen. Militärexperten sprechen vom "ersten Drohnenkrieg" zwischen Staaten. Die Raketen abfeuernde, am Himmel unsichtbare Drohne ist also eine neue Waffe, wie einst das Bombenflugzeug, der Kampfhubschrauber und der Düsenjet. Und wer sie nicht hat, kann sich schwer wehren.
Was ist dann die richtige Reaktion auf den Drohneneinsatz im Krieg um Bergkarabach?
Das hängt vom Standpunkt ab. Die SPD-Spitze hat daraus faktisch die moralische Konsequenz gezogen, dass Deutschland eher nicht am Rüstungswettlauf um solche Waffen teilnehmen sollte. Befürworter halten dagegen, dass Kampfdrohnen für moderne Armeen jetzt zum Standard werden und Deutschland seine derzeit ohnehin begrenzte Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung schwächt, wenn es freiwillig auf solche verzichtet, ohne dass dies andere Staaten davon abhalten würde, sich diese Waffe zuzulegen. In dieser Sicht wäre das etwa so, als hätte sich Frankreichs Militär 1910 aus ethischen Gründen entschieden, keine der soeben erfundenen Flugzeuge anzuschaffen, während das deutsche Kaiserreich rasch eine Luftwaffe aufbaute.
Kritiker befürchten, Kampfdrohnen seien der Einstieg in die gefürchteten "Killer Robots", also mittels künstlicher Intelligenz (KI) selbständig agierender autonomer Waffensysteme. Zu Recht?
Gegen diese Annahme spricht sehr vieles, zumindest heute. Kaum ein Waffensystem wird von so vielen Menschen kontrolliert wie eine Drohne der derzeitigen Bauart. In der Bodenstation sitzt eine zweiköpfige Besatzung, der Pilot oder - immer öfter - die Pilotin fliegt sie von Hand per Fernsteuerung, der oder die andere analysiert die Bilder der High-Tech-Kameras (die aber dennoch nicht so gestochen scharf sind wie im Hollywood-Film). Zur selben Zeit sehen Auswerter am Boden dieselben Bilder, diskutieren mit der Besatzung und würden, gäbe es denn einen möglichen Grund zum Feuern, eine bis an die Spitze des Ministeriums reichende Befehlskette in Gang setzen. Killer Robots sollen ja zu Recht wie Chemiewaffen völkerrechtlich geächtet werden. Aber natürlich wären auch Drohnen zu autonomen Waffensystemen umrüstbar, wie Flugzeuge oder Panzer. Dies wäre eine Horrorvision, deren Gefahren bislang unterschätzt werden.
Kommentar: Obwohl die Sozialdemokratie ihre klare Entscheidung wieder aufgeschoben hat, bin ich zuversichtlich, dass es jetzt wirklich zu einer breiten Diskussion in der Zivilgesellschaft kommt, die sich an der Verbindlichkeit des Grundgesetz zu dieser Frage orientiert. Th. Bauer
29.12.2020
Stimmen Sie ab: Sonderrechte für Geimpfte – was sagen Sie dazu?
neuepresse.de, 29.12.2020, 12:12
Die von Weltärztepräsident Montgomery ausgelöste Debatte um mögliche Sonderrechte für Corona-Geimpfte schlägt hohe Wellen. Wie stehen Sie dazu? Machen Sie hier mit bei unserer Umfrage.
Zitat: Hannover - Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hält es für denkbar, langfristig gegen das Coronavirus geimpften Menschen besondere Rechte einzuräumen. „Im Moment, wo man gar nicht allen Menschen eine Impfung anbieten kann, verbietet sich ein solches Vorgehen“, sagte Montgomery. Später einmal, wenn alle Menschen die Chance zur Impfung hätten und über den Nachweis von Immunität im Blut mehr bekannt sei, seien entsprechende Entscheidungen möglich.
Er verwies auf Einreisverbote einiger Länder für Menschen, die nicht gegen Gelbfieber geimpft sind. Zudem gebe es eine Masern-Impfpflicht als Voraussetzung für die Aufnahme in einer Kindertagesstätte in Deutschland.
Stimmen Sie ab: Wie stehen Sie zu möglichen Sonderrechten für Geimpfte?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lehnt Sonderrechte für Geimpfte in der Corona-Pandemie ab. „Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden“, sagte Spahn: „Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis alle die Chance zur Impfung hatten.“ Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich gegen Sonderrechte ausgesprochen.
International ist Debatte bereits weiter. Die australische Airline Qantas plant, eine Impfpflicht einzuführen. Ende November hatte sie bekanntgegeben, dass sich internationale Fluggäste gegen Covid-19 impfen lassen müssen, sobald der Impfstoff verfügbar ist. Eine solche Regelung soll es bei Deutschlands größter Airline Lufthansa nicht geben, so Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr. Von RND/frs
Kommentar: Zitate:„Im Moment, wo man gar nicht allen Menschen eine Impfung anbieten kann, verbietet sich ein solches Vorgehen“ (Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery)
„Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden“, sagte Spahn: „Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis alle die Chance zur Impfung hatten.“
Da ist bereits der "Impferativ" der Grundrechte zu Exklusivrechten machen wird! Thomas Bauer
29.12.2020
Paul Schreyer: Pandemie-Planspiele – Vorbereitung einer neuen Ära?
youtube.com, vom 24.12.2020, Video
Zitat: Die Politik in der Corona-Krise kam nicht aus heiterem Himmel. Der „Kampf gegen die Viren“ begann schon in den 1990er Jahren als „Kampf gegen den Bioterror“. Eine Recherche zeigt: Über zwanzig Jahre lang wurden seither in Planspielen immer wieder Pandemie-Szenarien geprobt, erst in den USA, später international abgestimmt, auch mit deutscher Beteiligung. Die Titel dieser Übungen erinnern an Hollywood-Produktionen: „Dark Winter“ (2001), „Global Mercury“ (2003), „Atlantic Storm“ (2005) oder „Clade X“ (2018). Beteiligt waren hochrangige Behörden- und Regierungsvertreter sowie bekannte Journalisten, zuletzt, bei „Event 201“ im Oktober 2019, auch Vorstandsmitglieder großer Weltkonzerne. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO 2020 eine Coronavirus-Pandemie ausgerufen hatte, wurden viele der jahrelang geprobten und diskutierten Maßnahmen global umgesetzt. In den Drehbüchern tauchten schon vor 20 Jahren Passagen wie diese auf: „Der Anblick von bewaffneter Militärpräsenz in amerikanischen Städten provoziert Proteste gegen die Beschneidung der bürgerlichen Freiheiten (…) Die Frage ist, wie und in welchem Maße wir diese Dinge durchsetzen. Wie viel Gewalt wendet man an, um die Menschen in ihren Häusern zu halten?“ Im Falle einer Pandemie könnten „grundlegende Bürgerrechte wie das Versammlungsrecht oder die Reisefreiheit nicht länger für selbstverständlich“ genommen werden. Freiheitsbeschränkungen, aber auch Massenimpfungen, waren regelmäßiger Bestandteil der Planspiele. In diesem Vortrag wird chronologisch nachgezeichnet, wie es zu diesen Übungen kam, wer sie organisierte und welche Parallelen der Drehbücher zur aktuellen Situation bestehen. Ist das Virus nur ein Vorwand für eine länger geplante weltweite Umgestaltung? Und war ein schweres Börsenbeben im September 2019 vielleicht der eigentliche Auslöser für den globalen Lockdown? Der Vortrag wurde am 20.11.2020 in Berlin aufgenommen. +++ W.I.R. - Wissen ist relevant!
WIR stellt Vorträge namhafter Wissenschaftler, Experten und Forscher ins
Netz. WIR will, dass jeder, der wissen will, schnell und kostenfrei an
dieses Wissen gelangt. Bildung als kollektiver Schlüssel in eine
friedliche Zukunft. WIR will den Horizont der Menschen erweitern und
damit die Basis für echte globale Demokratie schaffen.
Interview Joschka Fischer: «Mit dem Brexit und Trump haben sich die Briten und die Amerikaner vom Westen verabschiedet»
nzz.ch,
Der frühere Aussenminister fordert mehr militärisches Engagement von Deutschland und Europa. Berlin müsse nun auf Joe Biden zugehen und mit ihm das transatlantische Verhältnis neu definieren. Seine Partei, die Grünen, lobt er für ihren Realismus. Vor einer grün-rot-roten Koalition warnt er.
Zitat: Herr Fischer, Sie haben vor zwei Jahren ein Buch mit dem düsteren Titel «Der Abstieg des Westens» publiziert. Hat sich Ihre Einschätzung nach der Wahl Joe Bidens zum neuen Präsidenten der USA aufgehellt?
Die Grundthese des Buches gilt nach wie vor uneingeschränkt – gerade auch in Corona-Zeiten: Nach der anfangs zu langsamen Reaktion auf die Pandemie in Wuhan drohte eine Vertrauenskrise zwischen dem chinesischen Volk und der Führung in Peking. Aber das hat sich inzwischen erledigt. China steht heute wirtschaftlich wie politisch als der grosse Gewinner der Corona-Krise da. Durch die Verbindung von Virus und Trump wurde meine damalige Analyse eher bestätigt als verändert.
Es gibt Beobachter, die die Schwäche des Westens vor allem als intellektuelle Schwäche sehen. Wir selbst seien nicht mehr in der Lage, heisst es, unser Lebensmodell stets aufs Neue zu definieren und es zu verteidigen. Hat das etwas für sich?
Es ist mehr als eine intellektuelle Schwäche. Es ist eine Absage der angelsächsischen Welt an den Westen. Mit Brexit und Trump haben sich Briten und Amerikaner vom Westen verabschiedet. Der Mangel an Vorstellungskraft und intellektueller Debatte darüber, wie sich der Westen im 21. Jahrhundert definieren soll, kommt noch oben drauf. Dass es nicht mehr wie in Zeiten des Kalten Krieges sein kann, ist offensichtlich. Aber die Idee des Westens ganz aufzugeben, hielte ich für hochgefährlich. Zumal China eine sehr genaue Vorstellung der Zukunft hat: Peking möchte zurück nach Eurasien. Es will die uralte geo- und handelspolitische Verbindungsachse zwischen dem Chinesischen Meer und Lissabon wiedereröffnen. In diesen Plänen hat die Seemacht Amerika keinen Platz. Wir Europäer sollten diesen chinesischen Plänen extrem vorsichtig begegnen, denn für uns ist der transatlantische Westen von existenziellem Interesse. Als westlichster Wurmfortsatz Asiens hätten wir keine gute Zukunft.
Lässt sich das Konzept des Westens in die Zukunft bringen, wenn die angelsächsische Welt tatsächlich nicht mehr will?
Was ist die Alternative? Mit Verlaub, ich sehe keine, als es mit der neuen amerikanischen Regierung unter Biden noch einmal sehr ernsthaft zu versuchen. Ob die objektiven Bedingungen dafür noch gegeben sind, ist die offene Frage. Dafür müsste man sich jedenfalls auf beiden Seiten des Atlantiks herauslösen aus historisch gewachsenen Verhaltensmustern: aus der europäischen Unterordnung unter die USA und aus dem amerikanischen Blick auf Europa als einen Teil des Westens, der nicht wirklich mitziehen will.
Eine kalte Schulter aus Kontinentaleuropa über den Atlantik ist keine Option mehr.
Wir dürfen uns keinesfalls entspannt zurücklehnen. Denken Sie nur, was es bedeutet hätte, wenn Trump wiedergewählt worden wäre. Das wäre für uns alle, auch für die neutrale Schweiz, eine katastrophale Perspektive gewesen. Dass die EU das längerfristig überstanden hätte, wage ich zu bezweifeln. Die Nato mit Sicherheit nicht. Damit wären wir zurück in einer Situation in Europa, die wir uns nicht wünschen können.
Überdauert der sogenannte Trumpismus die Amtszeit von Präsident Trump in den USA?
Die Politik Trumps wurde nicht abgewählt, die Person wurde abgewählt. Tatsache ist, dass dennoch rund 75 Millionen Amerikaner für ihn gestimmt haben. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die isolationistische und nationalistische Politik, die Trump vertreten hat, die wird weiter die USA umtreiben. Damit umzugehen, wird für Biden eine enorme Herausforderung werden – vor allem im US-Kongress. Angesichts dessen dürfen die Europäer sich nicht zurücklehnen. Sie müssen vielmehr Verantwortung übernehmen und zeigen, dass der europäische Pfeiler im transatlantischen Verhältnis stärker wird.
Was kann Deutschland beitragen?
Diese Debatten hier in Deutschland über die Bewaffnung von Drohnen oder das Zwei-Prozent-Ziel in der Nato, das ist einfach nicht von dieser Welt. Man stelle sich vor, die USA verabschieden sich mit einem weiteren isolationistischen Präsidenten in vier Jahren endgültig von der Weltbühne. Dann wird die Sicherheitsfrage viel teurer – nicht nur für uns, für alle Europäer. Das kann man nach den Erfahrungen mit Trump nicht allen Ernstes verantworten wollen. Es wird keine gestärkte europäische Souveränität geben, ohne dass wir nicht zumindest im Bündnisgebiet und in unserer Nachbarschaft einen wesentlich höheren Beitrag für die territoriale Verteidigung und die gemeinsame Sicherheit leisten. Das gilt insbesondere für Deutschland.
Warum ist es so schwierig, diese Erfordernisse in der deutschen Debatte zumindest zur Kenntnis zu nehmen?
Diese Schwierigkeiten muss man aus der deutschen Geschichte erklären. 1945 war für das Land eine radikale Zäsur. Die Deutschen haben damals instinktiv eine Konsequenz gezogen: nie wieder! Nie wieder Weltpolitik, nie wieder Weltherrschaftsphantasien, nie wieder Militär in der Aussenpolitik. Das war damals ein rationaler Schritt angesichts des doppelten Desasters, das Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angerichtet hat. Dieses Trauma einer doppelt gescheiterten Weltmacht hat sich über Generationen bis heute erhalten. Die Schwierigkeit in den deutschen Köpfen ist, dass sich das, was sich unter der Protektion der USA über Jahrzehnte als richtig erwiesen hat, nun als einen Hemmschuh darstellt. Ohne Deutschland aber wird es kein Europa geben, das als Macht seine Interessen im 21. Jahrhundert vertreten kann. Diesen Diskurs neu zu justieren, wird einige Zeit erfordern und grosse innenpolitische Probleme mit sich bringen.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren bereits angespannt, als Sie Aussenminister waren. Um den Jahreswechsel 2002/03 ging es um das deutsche Nein zum Irakkrieg. Ist dieses Zerwürfnis mit der Entfremdung in den vier Trump-Jahren vergleichbar?
Damals gab es ein Zerwürfnis in der Sache. Wir waren davon überzeugt, dass diese Operation zu einer umfassenden Destabilisierung des Nahen Ostens beitragen wird. Und in der Tat wäre der Aufstieg Irans ohne den Irakkrieg in dieser Form nicht möglich gewesen. In Teheran müssten sie Bush, Rumsfeld und Cheney ein Denkmal dafür setzen. Der Syrienkrieg, der Islamische Staat, all das hängt mit dem Irakkrieg zusammen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Bundeskanzler Schröder, Präsident Chirac und Aussenminister de Villepin. Chirac sagte damals: «Die Amerikaner werden sich damit tief in den Morast reiten. Aber wir brauchen Amerika.» Dieser Krieg war ein historischer Fehler. Das Phänomen Trump hängt auch damit zusammen. Die Frustration im ländlichen Amerika, das die Hauptlast des Irakkrieges getragen hat, ist aufs Engste verknüpft mit dem Aufstieg Trumps und einem erstmals in der Geschichte Amerikas mehrheitsfähigen Isolationismus.
Was macht den Unterschied zur Ära Trump aus?
Bei Trump ging es um die grundsätzliche Infragestellung der amerikanischen Rolle. Die Europäer zu Feinden und die Nato für obsolet zu erklären, die gesamte Bündnisarchitektur infrage zu stellen – das war Ausdruck des amerikanischen Isolationismus. Die letzte Weltmacht hat sich damit darangemacht, freiwillig abzudanken, oder zumindest in der Person ihres Präsidenten erklärt, abdanken zu wollen. Ich war es ja gewohnt, dass der linke Flügel in unserer Partei raus aus der Nato wollte. Aber ein amerikanischer Präsident? Das war jenseits meiner Vorstellungskraft. Trump war eine tiefgehende Zäsur. Er stellte das Projekt des Westens, wie es Roosevelt und Churchill 1941 aufgelegt hatten, grundsätzlich infrage. Genauso wie die globale Führungsrolle der USA.
Mit einem Präsidenten Obama haben sich die Europäer und besonders die Deutschen trotz zuweilen divergenten Interessen gut verstanden. Warum konnte diese Beziehung so abrupt abreissen?
Man hat Trump als Kandidaten nicht ernst genommen. Das änderte sich schockartig erst in der Wahlnacht. Heute weiss man – und das ist der Unterschied –, was kommt, wenn die Multilateralisten in Amerika scheitern. Ganz generell waren wir auf diese strategische Kehrtwende unter Trump nicht vorbereitet. Die Nachkriegsordnung wurde nach dem Einschnitt von 1989 nicht neu überdacht und reformiert. Die Kraft reichte gerade mal für die Nato- und die EU-Osterweiterung, nicht mehr. George Bush senior hatte Helmut Kohl seinerzeit eine «partnership in leadership» angeboten. Das war sehr weit von dem entfernt, was in Deutschland gedacht wurde. Aber Bush und sein Aussenminister James Baker wussten damals genau, was sie wollten: Sie wollten einen Partner in der globalen Führung. Für Deutschland war das viel zu viel, nicht machbar, nicht einmal denkbar. Aber bis zum heutigen Tag gibt es keine angemessene transatlantische Diskussion darüber, wie rasant sich die Welt verändert. Da haben wir nach wie vor einen blinden Fleck.
Wäre Deutschland heute so weit, in eine «partnership in leadership» einzutreten?
Nein, Deutschland ist dazu nicht in der Lage. Aber Europa ist es. Deutschland hat keine nationale Perspektive. Das unterscheidet uns von der Schweiz. Sie kann vor dem Hintergrund ihrer glücklichen Geschichte wesentlich nationaler denken, auch im Wissen um eine stabile Nachbarschaft. Aber wer Deutschland national denkt, geht in die Irre. Das lassen unsere Geschichte, unser Potenzial und unsere Lage nicht zu. Adenauer hatte das erkannt, deswegen seine Westbindung und seine Europaorientierung. Das ist und muss der Grundpfeiler der deutschen Aussenpolitik bleiben. Das kann man heute an der AfD sehen. Sie will hinter Adenauer zurück und weg von der Westbindung. Das könnte nur in ein Desaster für Deutschland führen.
Ein nationaler Alleingang übrigens war Nord Stream 2. Ist es klug, die Pipeline fertig zu bauen? Müsste Deutschland da nicht etwas anbieten?
Ich sehe es eher umgekehrt. Und zwar, dass die Amerikaner uns etwas anbieten und wir zum Beispiel in puncto China zu liefern haben werden. Das halte ich für die wahrscheinlichere Variante. Ich habe Nord Stream 1 und 2 nie für eine gute Idee gehalten. Dieses Projekt war nie energiepolitisch, sondern immer geopolitisch motiviert seitens Russlands. Das Ziel war die Umgehung der Ukraine und Osteuropas, nicht Gaslieferungen nach Westeuropa. Aber auf der Agenda im bilateralen Verhältnis steht dies fraglos. Genauso wie Handelsfragen und hohe deutsche Aussenhandelsüberschüsse.
Was wird im europäischen Kontext wichtig?
China wird der dominante Faktor im transatlantischen Verhältnis sein, weil die Interessenlage in den USA und Europa unterschiedlich ist und der Aufstieg Chinas das 21. Jahrhundert bestimmen wird. Ich rate dazu, gemeinsame Wege zu finden oder zumindest klar zu benennen, wo es Differenzen gibt. Man kann China jedenfalls nicht isolieren. Dafür ist es zu gross und zu wichtig. Die Strategie Washingtons in diesem Fall überzeugt mich nicht. Dann werden die europäischen Verteidigungsanstrengungen weiter eine grosse Rolle spielen. Wir werden für unsere Sicherheit mehr tun müssen – für die Bündnisverteidigung wie für die Sicherheit in unserer Nachbarschaft. Eine Weltmachtrolle der EU hingegen sehe ich nicht. Das sollten wir bis auf weiteres den realen Weltmächten überlassen.
Aber: Balkan, Türkei, Mittelmeer, Naher Osten, Nord- und Westafrika, der Kampf gegen den Terrorismus – das werden die Fragen sein, denen wir uns stellen müssen. Die USA werden nicht mehr bereit sein, in Vorleistung zu treten. Das hat Trump klargemacht, und Biden wird es beibehalten. Ein drittes Thema ist die Technologie. Europa ist ein sehr grosser Markt für amerikanische Tech-Unternehmen. Zugleich wollen die Europäer digitale Souveränität erreichen. Da sehe ich grosses Konfliktpotenzial, das entschärft werden muss. Auf der anderen Seite gibt es Chancen: Wenn sich die grossen Märkte USA und Europa einigen, dann werden wir weltweit die Normen setzen.
Die Grundfragen werden aber sein: Können sich die Europäer, ohne in eine Konfrontation zu geraten, aus ihrem paternalistischen Abhängigkeitsverhältnis mit Amerika lösen? Können sie eine «erwachsene» Beziehung entwickeln, auf Augenhöhe? Und sind die USA bereit, das auch zu akzeptieren? Wenn diese Frage beantwortet ist, kann man die transatlantischen Beziehungen im 21. Jahrhundert auf eine neue Basis stellen. Nur dann.
Sehen Sie eine Chance für einen neuen Anlauf zu einem Freihandelsvertrag zwischen den USA und Europa?
Das hängt sehr davon ab, ob Joe Biden bei den Nachwahlen im Januar eine Mehrheit im Senat bekommt. Dazu muss man allerdings sagen: Es gibt auch freihandelsskeptische Demokraten. Jüngst gab es aber wieder mehr positive Stimmen in dieser Sache. Auch meine eigene Partei hat sich zuletzt zustimmend geäussert, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt wurden. Eine Verbindung von Klimaschutz und Freihandel zum Beispiel könnte ich mir gut vorstellen.
Joschka Fischer auf dem Sonderparteitag der Grünen über den deutschen Kosovo-Einsatz 1999 in Bielefeld nach einer Farbbeutelattacke. (Text ohne das Foto)
Wenn wir schon bei Ihrer Partei sind: Die Grünen haben sich in der Aussen- und der Sicherheitspolitik auf einen sehr realistischen Kurs begeben. Noch vor ein paar Jahren wurden Sie wegen Ihrer realistischen Ansichten mit einem Farbbeutel attackiert und verletzt.
Das war eine andere Zeit.
Wer hat sich verändert? Die Partei, deren Wählerschaft oder ganz Deutschland?
Alle haben sich verändert. Und nicht immer zum Guten, wenn ich mir die jüngsten Beschlüsse der SPD anschaue. Da geht es rückwärts. Meine Partei ist in eine sehr realistische Richtung gegangen. Und das freut mich sehr.
Wenn Sie Ihrer Partei einen Ratschlag für Koalitionsverhandlungen im kommenden Jahr geben müssten, welcher wäre das?
Keinen, den ich öffentlich machen würde.
Und unter uns?
Ich finde, sie machen das sehr gut. Die brauchen meinen Rat nicht. Die Partei hat eine gute Führung, die vor allem auch auf die Inhalte achtet.
Sie haben die SPD angesprochen. Was reitet die Sozialdemokraten aussen- und sicherheitspolitisch?
Da wird der Weg in die Opposition vorbereitet. Und der führt weit weg von der Realität. Wenn ich Herrn Mützenich zuhöre, komme ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Halten Sie ein Bündnis zwischen Grünen, SPD und Linkspartei für möglich?
Wie soll das funktionieren? Wenn die Grünen stärker würden als die SPD, wäre die Atmosphäre vergiftet. Das wäre für die Sozialdemokraten fast nicht zu verdauen. Ich kann das verstehen, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Dazu käme eine völlig unkalkulierbare Linkspartei. Eine Aussenpolitik mit Westbindung und gleichzeitig der immerwährende Ruf nach Moskau? Das kann nichts werden. Oder zumindest ich kann es mir nicht vorstellen.
Und eine SPD-geführte Linkskoalition?
Mit der Linkspartei ist die Bundesrepublik nicht regierbar, die haben alle wichtigen Fragen für sich nicht beantwortet. Sehen Sie sich doch die Stadtregierung in Berlin an. Die Bundesrepublik Deutschland ist zu gross und zu wichtig für Gesamteuropa und den Westen, als dass man damit Experimente machen dürfte.
Grünes Urgestein
Joschka Fischer (1948)
Er wird als drittes Kind ungarn-deutscher Flüchtlinge in Gerabronn (Baden-Württemberg) geboren. Das Gymnasium und eine Fotografenlehre bricht Fischer ab. 1968 zieht er nach Frankfurt und taucht ins studentische Milieu ein. Er jobbt als Buchhändler und plant mit linksradikalen Gesinnungsgenossen die Weltrevolution. Dabei ist er nicht immer zimperlich. Mit Kumpels aus der sogenannten Putzgruppe drischt er bei Demos auf Polizisten ein. Bis 1981 verdient er seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. 1983 wird er Bundestagsabgeordneter der Grünen, 1985 Umweltminister in Hessen. Zur Vereidigung erscheint Fischer damals in weissen Turnschuhen. Mitte der 1990er Jahre wechselt er wieder in den Bundestag und trimmt die Grünen auf realpolitischen Kurs. Von 1998 bis 2005 ist er in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder Vizekanzler und Aussenminister. Seit seinem Ausscheiden aus der Politik arbeitet er als Lobbyist (u. a. BMW, Siemens, RWE) und gründet ein florierendes Beratungsunternehmen. Fischer ist in fünfter Ehe mit der Filmproduzentin Minu Barati verheiratet. Das Paar lebt in Berlin.
wiwo.de, von Andreas Wildhagen, vom 27. Februar 2011 Der ehemalige Straßenkämpfer, grüne Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer hat sein früheres Leben abgestreift. Als Mehrheitsgesellschafter der Berliner Beratungsfirma JF&C steht er nun im Unternehmerlager und macht Millionen mit Siemens, RWE, BMW und Rewe. Dabei hilft ihm ein Netzwerk rund um den Globus.
Zitat: Irgendwann ist es dann doch so weit. Joschka Fischer, 62, Bundesaußenminister a.D., will persönlich mit der WirtschaftsWoche sprechen. Ein Elder Statesman wie er gibt nicht eben mal ein Interview, schon gar nicht unter vier Augen.
Der Ort des Ereignisses misst 210 Quadratmeter und ist eine Büroetage im zweiten Stock der Berliner Markgrafenstraße, direkt am Gendarmenmarkt. Das Gebäude in prominenter Lage beherbergt viele Mieter, zum Beispiel die Burn-out-Beratung eines „Theodor-Fliedner-Psychologie-Instituts“, aber auch die Firma Joschka Fischer Consulting, kurz: JF&C.
Der Herr über das Etablissement mit dem kryptischen Kürzel wirkt etwas abgehetzt heute, vom Berliner Straßenverkehr. Er hatte sich für 11 Uhr angekündigt an diesem spätwinterlichen Montag. Früher habe er nicht gekonnt, sagt er. Als er eintrifft, ist es 11.20 Uhr. Er scheucht eine seiner Mitarbeiterinnen, die gerade einen Kaffee trinkt, aus der Sitzecke seines großzügigen Büros mit Blick auf Deutschen und Französischen Dom, schimpft, nörgelt, grummelt, schimpft.
Pensionär mit Adressbuch
Irgendwann fängt sich der Verspätete dann aber doch. Er sagt, „Sorry, ich saß im Stau“, lässt sich in seine Sofaecke plumpsen – und wird endlich, wie er wirken will: die Beine weit von sich gestreckt, das karierte Hemd am Kragen weit offen, bemüht freundlich und bemüht jovial, wie Menschen höheren Rangs sich gegenüber Subalternen eben gern leutselig geben.
Der hier spricht, ist ein Mann, der durch viele Ämter und Rollen gehärtet, abgeklärt und gelegentlich auch entrückt ist. Er war schon viel: Fotografenlehrling ohne Abschluss, Teilzeitstudent, Buchhändler, Straßenkämpfer, Wahlkampflokomotive der Grünen, hessischer Umweltminister vereidigt in Turnschuhen, Bundestagsabgeordneter, Bundesaußenminister, Vizekanzler, das Amt des europäischen Außenministers blieb ihm am Ende verwehrt.
Nun ist er Unternehmer in Berlin mit acht Angestellten. Unternehmensberater, nennt er sich, einer, der mit den Konzernchefs dieser Welt parliert, als ob er selber einer wäre. Die Beratung von Großunternehmen auf dem Feld der „Nachhaltigkeit“ sei der Geschäftszweck seiner Firma, erklärt er. „Nachhaltigkeit“, das muss ihm keiner sagen, kommt aus der Ökobewegung und bedeutet eine Form des Wirtschaftens, die sich langfristig nicht ihrer eigenen Grundlagen beraubt – nicht der Umwelt, nicht der Mitarbeiter, nicht der Kunden, nicht der Ressourcen.
Politnetzwerker mit prallem Adress- und Telefonbuch
Das klingt gut, immer und überall, und ist wie geschaffen für einen, der in seinem Leben so viele politische und ideologische Volten schlug – und endlich irgendwo ankommen will. Da hilft der inzwischen oft zur Bedeutungslosigkeit entleerte Begriff hervorragend, sich mit mehr Politur zu präsentieren als manch anderer Ex-Politiker. Fischer will mehr hermachen als simple Politnetzwerker mit prallem Adress- und Telefonbuch. „Nachhaltigkeit“ übertüncht optimal, dass auch er eigentlich nur Drähte zieht, Türen öffnet und Termine auf höchsten Ebenen eintütet.
Es gibt Politpensionäre, die als Berater schon froh sind, gelegentlich eine Sparkasse, ein Stadtwerk oder eine Stiftung als Redner zu beehren. Bei Fischer sieht die Kundenliste anders aus. Siemens, BMW, der Energiekonzern RWE und die Supermarktkette Rewe haben ihn auf ihrer Pay Roll. Bis vor wenigen Jahren standen solche Adressen noch für Nachhaltigkeit wie der Vatikan für den Zölibat: RWE, der Braunkohleverstromer, CO2-Luftverpester und Atomkraftwerk-Riese; Siemens, über Jahre eines der korruptesten deutschen Unternehmen; BMW, bis vor Kurzem noch Synonym für PS ohne Grenzen.
Heute sieht der einstige Obergrüne in solchen Adressen in erster Linie zahlungskräftige Kunden. Was er ihnen bieten kann, hat er als Geschäftszweck seiner Firma unter Nr. HRB 120879 B ins Berliner Handelsregister eintragen lassen: Die „Erbringung von Beratungsleistungen mit den Schwerpunkten strategischer Beratung zur Flankierung unternehmerischer und politischer Entscheidungsprozesse, PR- und Imageberatung“.
Natürlich weiß Unternehmer Fischer, dass er mit solchem Geschwurbel nirgendwo landen kann. Deshalb hat er sich etwas ausgedacht, womit er sich von den vielen anderen Kontaktschmieden ehemaliger Politiker unterscheiden könnte, eine Unique Selling Position, wie Marketingexperten sagen. Er betreibe seine JF&C nämlich mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright zusammen, betont er und schlägt mit den Wimpern. „Mit Madeleine bieten wir global an, das macht sonst keiner.“
Fischer hat rigoros mit allem gebrochen, was nur im Entferntesten nach Ökopaxe und Basisdemokratie riecht. „Nein, nein, so was machen wir nicht“ – „das stellen Sie sich zu einfach vor“, wehrt er Vermutungen ab, er könnte mit Sympathisanten aus alter Zeit, etwa mit Nichtregierungsorganisationen wie WWF oder Greenpeace, zusammenarbeiten. Auch wenn die selbst bei Konzernlenkern langsam hoffähig werden, für Fischer sind das Krethi und Plethi von der Straßendemo, von denen er nichts mehr wissen will. Er will ja Geld verdienen, das ist legitim, will in den Top-Etagen nicht mehr als Realo, sondern als Respektsperson gelten.
Pension reicht nicht
„Man darf in der Beratung nicht zu politisch werden“, doziert er. „Man muss entpolitisieren, sonst gibt es zu viel Widerstände für ein Unternehmen.“ Und dann kommt das volle Pfund zum Mitschreiben: „Meine Beratung hier ist die Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln.“
Vier Jahre nach dem Ende von Rot-Grün, am 2. Juli 2009, gründet Fischer seine Firma zusammen mit dem langjährigen Pressesprecher der Grünen im Bundestag, Dietmar Huber. Fischer hält 51 Prozent, Huber 49 Prozent. Das Stammkapital beträgt 25 000 Euro. Das erste Geschäftsjahr ist im Bundesanzeiger veröffentlicht, es ist ein Rumpfgeschäftsjahr, denn es begann ja erst in der Mitte des Jahres. 209 000 Euro Gewinn machte JF&C 2009 offiziell, dem standen 172 000 Euro Verbindlichkeiten gegenüber – Designermöbel sind teuer. Für 2010 gibt es noch keine Bilanz. Das Zehnfache an Gewinn, grob zwei Millionen Euro, wird erwartet.
Fischer reicht seine Pension als Außenminister a. D. nicht. Die 11.000 Euro im Monat, für die meisten seiner alten Parteifreunde und Bundesbürger ein toller Betrag, wirken läppisch für diejenigen, die er berät und denen er sich zugehörig fühlt. BMW-Chef Norbert Reithofer, Siemens-Lenker Peter Löscher kommen auf das 20-Fache, RWE-Chef Grossmann hat seit seinem 32. Lebensjahr nicht mehr so wenig verdient, ist heute auch noch Stahlunternehmer und 100-facher Millionär. Wer zu Gast bei seinen Hummerpartys auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos ist, spürt den gar nicht so feinen Unterschied.
Kein „Hallo Joschka“ mehr
Und trotzdem ist Fischers eigentliche Benchmark jemand anderes. Sein inneres Auge ruht auf Zug in der Schweiz, dem Sitz der Nordstream Pipelinegesellschaft. Dort residiert „der Altkanzler“, wie Fischer seinen ehemaligen Koalitionspartner und Regierungschef nur noch nennt. Schröder ist Aufsichtsratschef des Unternehmens, das gerade die Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland durch die Ostsee verlegt. In dieser Funktion verdient er 250.000 Euro im Jahr. Der Job ist locker, nicht sehr zeitaufwendig. Entscheidungen bei Nordstream treffen sowieso die Teilhaber, darunter der russische Gaskonzern Gazprom, Gaz de France und E.On aus Düsseldorf.
Fischer muss im Vergleich zu Schröder deutlich mehr ackern. Er präsidiert nicht, die großen Wirtschaftsbosse, die er bedient, wollen Leistung und Präsenz. Deshalb verspricht Fischer seinen Kunden eine Mischung aus Personality-Show, Netzwerk und einem kräftigen Spritzer Nachhaltigkeit.
Was Fischer bringen muss, zeigten die Manager des Lebensmittelhandelskonzerns Rewe im Spätherbst vergangenen Jahres. Auf einer großen Party zur Verleihung des Nachhaltigkeitspreises im Düsseldorfer Maritim-Hotel gab Rewe-Berater Fischer den herausragenden Stargast. 1000 Gäste applaudierten einer Show, die er dem Einsatz für Gesundheit und Umwelt widmete. Mit Rewe-Chef Caparros verbindet Fischer an diesem Abend herzliches Schulterklopfen. Die ausgestreckte Hand von Ernst Ulrich von Weizsäcker hingegen, dem ehemaligen Chef des Wuppertaler Instituts für Umwelt und Energie, lässt er unberührt und geht weiter. Mit „Hallo Joschka“ will Unternehmer Fischer nicht angesprochen werden. Wenige Meter von der Bühne entfernt paffen die Gäste in der Rewe-Raucherlounge, wo Reemtsma kostenlos Zigaretten und Zigarren feilbietet.
Der Ex-Bundesaußenminister weiß, was gefragt ist bei seinen Gegnern aus Straßenkampfzeiten und was Geld bringt. Beratungsunternehmen wie McKinsey, Accenture oder Kienbaum zücken gewaltige Präsentationen, wenn sie Konzernen Konzepte für Nachhaltigkeit verkaufen wollen. Siemens beschäftigt seine Einkaufschefin Barbara Kux zugleich auch als Nachhaltigkeits-Beauftragte. BMW-Chef Reithofer und sein Rewe-Kollege Alain Caparros organisieren Feten und Workshops für Lieferanten, Hauptsache, der Kaffee dabei kommt aus fairem Anbau, und der Broccoli wurde nicht von allzu armen Erntehelfern gepflückt.
Der Berliner Unternehmensberater Peter Paschek, der mit der amerikanischen Marketing-Ikone Peter Drucker ein Buch über die Kardinaltugenden effektiver Führung herausgab, sekundiert Fischer und seiner Geschäftsidee vehement. Es sei inzwischen so, dass „der Nachweis, dass ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet, heute in den USA zur Grundvoraussetzung gehört, mit Kunden überhaupt in Kontakt zu kommen“. Wer nicht nachweise, dass er mit Rücksicht auf Natur und Gesundheit wirtschafte, „fliegt aus den Lieferantenlisten“.
Und deshalb fliegt Fischer genau darauf. Sein Vorbild ist Ex-US-Außenministerin Albright. Dass BMW ihn im Juli 2009 – zunächst in einem recht losen Beratungsverhältnis – anheuerte, verdankt Fischer der Freundschaft zu der mittlerweile 74-Jährigen. Die Demokratin diente von 1997 bis 2001 im Außenamt unter Präsident Bill Clinton. Ihr seitheriger Weg wirkt wie eine Art Road Map, ein Marschweg, für Fischer.
Einstieg in ein neues Leben
Albright gründete bald nach ihrem Ausscheiden im Jahr 2002 in New York eine Consultingfirma für politische und strategische Beratung, die Albright-Group. Vor allem amerikanische Unternehmen, die in Schwellen- und Entwicklungsländer expandieren wollten, suchten ihren Rat. Dazu gehörte zum Beispiel der Lebensmittelkonzern Kraft Foods, der in Asien stärker Fuß fassen möchte. Albright ist es, die Fischer an die Hand und die ihn mit nimmt an die Tröge der Konzerne. 2005, kurz nach der Abwahl von Rot-Grün, damals noch schlanker Langstreckenläufer, wird Fischer von der befreundeten Lady angesprochen, ob er eine Niederlassung ihrer Beratungsfirma in Deutschland gründen wolle.
Anlass war ein sich abzeichnender Beratungsvertrag Albrights mit BMW. Der Münchner Autobauer wollte von der Amerikanerin Hilfe, wie er weltweit als Konzern erscheinen könne, der sich der Nachhaltigkeit verpflichtet fühle, und wie er das Verhältnis zu den politischen Klassen in den Schwellenländern verbessern könne. BMW galt in manchen dieser Regionen als arrogante, typisch deutsche Aufsteigermarke. Zugleich suchten die Bayern Zugang zum liberalen amerikanischen Establishment, wo Themen wie Frauenquote und innerbetriebliche kulturelle Vielfalt gerade den Weg aus der Nische in die Konzernführungen fanden. Darin sah die BMW-Spitze, die Norbert Reithofer seit September 2006 verkörpert, eine gute Möglichkeit, das Image zu verbessern.
Für Fischer war das der Einstieg in sein neues Leben. Er wurde 2006 eine Art freier Mitarbeiter, der im Auftrag Albrights mit BMW Kontakt aufnahm. Als „Senior Strategic Counsel“ blickte er ernst von Albrights Internet-Seite. Fischer besuchte häufig den damaligen Albright-Firmensitz an der teuren Fifth Avenue in New York, fuhr mit dem Fahrstuhl in den neunten Stock und beriet mit der Chefin und ihrem Stab über Auftraggeber in Europa.
Kein Platz mehr
Doch bald merkte der Lehrling aus Germany, dass Albrights erhoffter Auftrag von BMW eigentlich auch etwas für ihn war. Zu einem besseren Ruf in Brasilien, einem kürzeren Draht zu den Mächtigen Chinas, zu Einblicken in staatliche Verkehrskonzepte der Megacitys – dazu konnte gewiss auch er dem weißblauen Autokonzern verhelfen. Ein „Counsel“, der er für Albright sein sollte, ist eine Art höherer Sachbearbeiter, weit unter den Partnern. Damit kann sich ein Egomane wie er nicht zufriedengeben.
Den entscheidenden Schritt in Richtung Selbstständigkeit unternimmt Fischer, als Albright ihre Firma 2009 mit der US-Beratungsgesellschaft Stonebridge International in Washington fusioniert. In dieser Liason ist kein Platz mehr für Fischer als gleichberechtigten Partner. Gleichwohl erkennt er, dass das neue Unternehmen jenseits des Atlantiks ein Netzwerk bildet, in dem es nur so von außen- und sicherheitspolitischen Experten der früheren US-Regierung unter Bill Clinton wimmelt.
Zu der Kontaktschmiede gehört zum Beispiel James C. O’Brien, der im State Department unter Albright der Planungsabteilung angehörte und während des politisch heiklen Kriegs im Kosovo mit Fischer zusammenarbeitete. Auch Suzanne George, die in vielen Verbänden in den USA für eine Frauenquote in Konzernen eintritt und früher Mitglied im Wahlkampfteam von Albright war, ist Teil des neuen Beziehungsreservoirs. Fischer bedient sich der Amerikanerin heute, wenn er den Siemens-Konzern berät, dessen Vorstandschef Peter Löscher sich umfangreiche Karriereförderungsprogramme für Frauen auf die Fahnen geschrieben hat.
Ganz besonders wertvoll ist für Fischer der Kontakt zu Sandy Sherman, der ehemaligen Krisenberaterin im US-Außenministerium, die exzellente Kontakte in die chinesische Parteispitze unterhält.
Mit BMW, Siemens und der Einzelhandelskette Rewe hat JF&C Jahresverträge abgeschlossen, abgerechnet wird monatlich. Bei Bedarf sehen die Verträge einen „Prominentenauftritt“ vor, der extra honoriert wird – zum Beispiel bei Rewe und BMW. Dazu muss Fischer vor Mitarbeitern oder Gästen auftreten. Im Januar erschien er im Münchner „Club für moderne Marktmethoden“, einer Vereinigung von Marketingmanagern der Lebensmittelindustrie, im Auftrag von Rewe als Gast. Ständige Gäste sind Wurst- und Käsehersteller, so auch der Chef von Rügenwalder Teewurst. Am 24. Februar soll Fischer sich nach seinem Vorredner Wolfgang Burgard, dem Chef der Hamburger Holsten-Brauerei, bei einem Treff der Getränkebranche über Nachhaltigkeit ausbreiten – als Gesandter von Rewe.
Abwerbungen vom BDI
Eine echte Extrawurst ist für Fischer der Vertrag mit dem Essener Energiekonzern RWE. Den hat er nicht über seine Firma JF&C, sondern direkt mit dem RWE-Vorstand abgeschlossen. Dabei geht es um außenpolitische Beratung beim Erdgaspipeline-Projekt Nabucco, an dem RWE beteiligt ist. Über die Höhe der Vergütung wurde bereits viel spekuliert. Genaue Angaben macht keine der beiden Seiten. Fischers Honorar, schätzt ein Ex-RWE-Manager, dürfte aber „eine Million im Jahr nicht wesentlich unterschreiten“.
Für Minderheitsgesellschafter Huber und seine Mitarbeiter ist es ein echter Jammer, dass dieser Betrag nicht über die Firmenbücher läuft und die Gehälter der Mitarbeiter finanzieren hilft, sondern in Fischers Privatschatulle landet.
Fischer, der Metzgersohn aus dem württembergischen Dorf Gerabronn, sucht zeit seines Lebens die ganz großen Zusammenhänge, auch und gerade in seiner neuen Rolle als Unternehmer. Den Kleinkram des Gründers, von der Anmietung der Räume bis zur Einstellung von Mitarbeitern, überlässt er seinem Mitgesellschafter Huber.
Bei der Suche nach Fachleuten, die für seinen alten und neuen großen Vorsitzenden arbeiten, kennt Huber weder Respekt noch Berührungsängste. Er warb beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der nur fünf Gehminuten von Fischers Büro residiert, zwei Expertinnen für Nachhaltigkeitsmanagement ab. Die Damen arbeiten nun vor allem für die Projekte mit BMW und Siemens und bereiten die Gespräche zwischen Fischer und Löscher sowie Reithofer vor. Ein Kernpunkt solcher Zusammentreffen, bei denen Fischer erst die außenpolitische Weltlage darlegt, ist die Zukunft des Elektroautos – und welche Erwartungen chinesische, indische und brasilianische Wirtschaftspolitiker daran knüpfen.
Spaß an der Arbeit
Internationalität repräsentiert bei JF&C eigentlich nur Fischer. Stolz verweist sein Mitgesellschafter Huber auf eine Kanadierin, die englisch und französisch gleichermaßen fließend spreche. Er selber neigt dazu, auch mal einen alten Freund einzustellen. Markus Kamrad, Mitglied der Hamburger Grünen, ist so einer. Er war stellvertretender Pressesprecher des schwarz-grünen Senats und suchte noch schnell vor den Wahlen von Sonntag das rettende Ufer bei Fischer.
Fischer selbst hat offenkundig Spaß an seiner Arbeit, vor allem wenn er ihr außerhalb der Zentrale am Berliner Gendarmenmarkt nachgeht. Längst schmeckt es ihm wieder. Dass er inzwischen weit mehr wiegen dürfte als Deutschlands Wirtschaftskanzler Ludwig Erhard, ist unübersehbar.
Sein Faible für sportliche Motorräder hat Fischer deswegen nicht verloren. Während einer Betriebsbesichtigung des Berliner Motorradwerkes im Herbst 2009 konnte er anfassen, was PS-starke Wirtschaftsleistung ist. Im Leipziger BMW-Werk trat er bei einer Unternehmensshow und in Landshut bei einer Mitarbeitertagung auf. Solche Veranstaltungen besitzen stets einen großen Unterhaltungswert und bieten Fischer die Möglichkeit, sein rhetorisches Talent voll auszuspielen. Nebenbei bringen die Live-Auftritte bei BMW Geld, von dem JF&C nichts an die US-Partner abführen muss.
Im Augenblick müssen die Promi-Einlagen allerdings hintanstehen. Fischer ist bei BMW demnächst gefordert wie noch nie. Denn der Ernstfall ist eingetreten. In Indien, dem wichtigen Zukunftsmarkt der Bayern, ließ Umweltminister Jairam Ramesh erst im November eine verbale Bombe hochgehen. „Die Nutzung von Fahrzeugen wie BMW in Ländern wie Indien ist kriminell“, sagte der Inder und legte nach: Er halte BMW-Fahrer für Rabauken, mit BMW-Autos würde der Ausstoß von Treibhausgasen in Indien zunehmen.
Fischer muss jetzt zeigen, was er in seinen sechs Jahren als deutscher Außenminister gelernt hat. Noch im Februar wollte er eigentlich nach Dehli fliegen, um sich bei Ramesh genau anzuhören, warum der Inder es so sehr auf die Bayern abgesehen habe und wie sich das Verhältnis wieder kitten lasse. Dass sich ein Fischer aber inzwischen auch mal etwas weiter hinten anstellen muss, zeigte die bedauernde Note von Ramesh von Anfang des Jahres. Das Treffen könne aus Termingründen nun doch leider nicht stattfinden. Ausweichtermin: im Herbst, noch undatiert. Näheres regelt das Ramesh-Vorzimmer.
So offenkundig Fischer sich weiterhin als verkappter Außenpolitiker betätigt, so sehr wähnt er sich mittlerweile gleichzeitig im Lager der Unternehmer und Konzernlenker angekommen. Er lehnt sich zurück in der Sitzecke seines Büros, macht eine Sprechpause und erzählt von seinen neuen Freunden.
Feine Treffen am Genfer See
„Der Cromme ist ein sehr politisch denkender Mensch“, urteilt er zum Beispiel über Gerhard Cromme, den Aufsichtsratsvorsitzenden von ThyssenKrupp und Siemens. Einmal im Jahr treffen sich beide in Evian am Genfer See zu einem deutsch-französischen Manager- und Politikertreffen im Hotel Royal Palace. Siemens-Chef Löscher geht auch gerne hin – Fischer hielt dort vor zwei Jahren einen Vortrag über das deutsch-französische Verhältnis. Gründer des Zirkels ist der frühere Daimler-Chef Edzard Reuter. Allerdings dämpft der die Bedeutung Fischers im Evian-Kreis: „Ulli Wickert von den Tagesthemen war ja seinerzeit auch bei uns.“
Cromme will sich gar nicht über Fischer äußern. Für ihn, der sich selbst am liebsten zur Statue meißeln ließe, ist die Nähe zu Fischer eher ungut. Crommes Rolle als distinguierter Chefkontrolleur verträgt sich nur schwer mit dem lebensprallen, urtümlichen und auch schroffen Ex-Politiker. Und trotzdem braucht Cromme Fischer, weil ihn und und den Siemens-Chef umtreiben, was der amerikanische Erzrivale General Electric wohl im Schilde führt. Um dies herausfinden, beauftragte der Siemens-Vorstand Fischer und Albright, sie mögen bitte die wirtschaftlichen Konsequenzen der Zusammenarbeit zwischen China und den USA für die Münchner ausloten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Siemens davon profitiert und inwiefern ein wirtschaftlicher Schulterschluss der beiden Supermächte eher dem Erzrivalen General Electric hilft.
Siemens bestätigt diese Anliegen nicht, sondern erklärt nur: „Wir haben Fischer und Albright dazu beauftragt, die Entwicklung auch der Megacitys in China zu analysieren.“ Fischer selbst und seine amerikanischen Freunde organisieren für Löscher und Siemens-Vorstände wie die Einkaufschefin Kux Treffen mit Kongressabgeordneten. Zudem trafen sich Fischer, Löscher und andere Siemens-Top-Manager am 26. November 2010 in den Geschäftsräumen von Albright, um die USA-Strategie abzustecken.
Dass er mehr produziert als warme Worte, muss Fischer wohl am nachhaltigsten bei RWE beweisen. Den Beratervertrag verdankt er Konzernchef Großmann, der sich am Bau der Nabucco-Gaspipeline beteiligt. Die geplante Röhre ist politisch viel riskanter und brisanter als die Gasleitung Nordstream durch die Ostsee, die Fischers Gegenspieler Ex-Kanzler Schröder beaufsichtigt. Nabucco soll Europa unabhängiger von Russland machen und durch vier verschiedene Länder von Aserbaidschan über die Türkei führen.
Ob es je dazu kommt, ist völlig offen. Denn die Regierungen der beteiligten Länder fürchten, dass Russland sich an ihnen rächen könnte, wenn sie Europa unter Umgehung des Putin-Reiches mit Gas versorgen. Fischer ist schon aktiv geworden, aber auch nach Jahren der Sondierung, sogar im Nordirak, wo theoretisch große Gasvorkommen für Nabucco liegen, hat er keinen Erfolg erzielt. Es muss Fischer wurmen, dass er noch keinen einzigen Fördervertrag zustande gebracht hat, während „der Altkanzler“ die Ostsee-Pipeline bereits in einem Jahr feierlich eröffnen dürfte.
Dem Juniorpartner in der einstigen rotgrünen Bundesregierung bleibt deshalb nur, es mit Galgenhumor zu nehmen. Das riskante Pipeline-Projekt, für das er nun schon so lange erfolglos antichambriert, hatte einst den Namen Nabucco erhalten, weil die gleichnamige Verdi-Oper gerade in Wien aufgeführt wurde, sagt er und setzt das breitest mögliche Grinsen auf: „Ich bin ja schon froh, dass nicht gerade Wagners Götterdämmerung gespielt wurde.“
Kommentar: Zur Erinnerung daran, wie besonders "nachhaltig" die Transatlantiker daran gewirkt haben den Grundwert der Gewalfreiheitaus der Grünenpartei herauszulösen. Th. Bauer
28.12.2020
Trump setzt riesiges Konjunkturpaket in Kraft
rt.com, 28 Dez. 2020 10:11 Uhr
Monatelang rangen in den USA Demokraten und Republikaner um ein weiteres Konjunkturpaket. Nach der Einigung durchkreuzte der amtierende US-Präsident Donald Trump überraschend die Pläne. Seine Kernforderung dürfte er aber kaum durchsetzen können.
Zitat: US-Präsident Donald Trump hat ein 2,3-Billionen-US-Dollar-Paket unterzeichnet und damit einen teilweisen Regierungsstillstand abgewendet, nachdem die US-Gesetzgeber seinen Vorschlag abgelehnt hatten, die direkten Hilfen für die US-Amerikaner zu erhöhen und gleichzeitig eine Reihe von Hilfen für andere Länder zu streichen. In einer Erklärung verkündete Trump:
"Ich werde das Sammel- und COVID-Paket mit einer starken Botschaft unterzeichnen, die dem Kongress klarmacht, dass verschwenderische Posten entfernt werden müssen."
"Ich werde eine redigierte Version an den Kongress zurückschicken, Punkt für Punkt, begleitet von der formellen Aufhebungsforderung an den Kongress, die darauf besteht, dass diese Mittel aus dem Gesetzentwurf entfernt werden."
Am Dienstag hatte Trump gedroht, sein Veto gegen ein 2,3 Billionen US-Dollar schweres Ausgabenpaket einzulegen, das 900 Milliarden US-Dollar für die Coronavirus-Hilfe und 1,4 Billionen US-Dollar für andere Regierungsausgaben vorsieht. Er nannte das Paket eine Schande und forderte, dass die Direktzahlungen von derzeit 600 US-Dollar auf 2.000 Dollar pro Person angehoben werden. Zur Rechtfertigung seiner plötzlichen Kehrtwende am Sonntag erklärte Trump, er unterschreibe "dieses Gesetz, um die Arbeitslosenunterstützung wiederherzustellen, Zwangsräumungen zu stoppen, Geld für Miethilfen sowie Öffentlich-private Partnerschaften bereitzustellen, die Mitarbeiter der Fluggesellschaften wieder an die Arbeit zu bringen, wesentlich mehr Geld für die Verteilung von Impfstoffen und vieles mehr".
Das US-Repräsentantenhaus wird am Montag darüber abstimmen, die Zahlungen an Einzelpersonen von 600 auf 2.000 US-Dollar zu erhöhen. Trump hofft, dass der Senat nicht nur "den Prozess für eine Abstimmung einleitet, die die Schecks auf 2.000 US-Dollar erhöht", sondern auch "Abschnitt 230 aufhebt und eine Untersuchung von Wählerbetrug einleitet".
Während beide Parteien anscheinend mit den 2.000-US-Dollar-Zahlungen einverstanden sind, blockierten sie dennoch Trumps Initiative und verlangten, dass er zuerst ein bestehendes Abkommen unterschreibt, welches sie nach monatelangen Verhandlungen schließlich erreichen konnten. Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus verzögerte die Verabschiedung eines Entlastungsgesetzes im Vorfeld der Wahl am 3. November. Erst als Joe Biden zum Wahlsieger erklärt wurde, war der Kongress bereit, sich endlich auf ein Hilfspaket zu einigen. Eine neue Vereinbarung scheint unwahrscheinlich, bis eine Amtseinführung Bidens für den 20. Januar festgelegt ist.
Medienbericht: US-Militär angeblich besorgt über mögliche Einführung des Kriegsrechts durch Trump
rt.com, vom 26 Dez. 2020 06:30 Uhr
US-Präsident Trump könnte die Ausrufung des Kriegsrechts in Betracht ziehen, um die Amtsübergabe an seinen Nachfolger zu verzögern oder zu verhindern. Entsprechende Medienberichte dementierte Trump prompt. Aber in Washington brodelt dennoch die Gerüchteküche.
Zitat: Das US-Verteidigungsministerium berät angeblich insgeheim mögliche Reaktionen auf eine Verhängung des Kriegsrechts durch den US-Präsidenten Donald Trump noch vor der Amtseinführung für Joe Biden am 20. Januar. Das hat das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek unter Berufung auf ungenannte Quellen im Pentagon berichtet.
Donald Trump dementierte derartige Berichte prompt. Es handele sich um Fake News.
Die im Bericht zitierten Quellen behaupten, dass Pentagon-Mitarbeiter sowie die Befehlshaber militärischer Einheiten, die in der Nähe der US-Hauptstadt stationiert sind, in höchster Alarmbereitschaft seien. Zudem seien sie an einer "geheimen Notfallplanung" beteiligt "für den Fall, dass die Streitkräfte aufgerufen werden, die zivile Ordnung während der Einweihung und Übergangszeit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen".
Eine der Quellen argumentierte, dass der US-Präsident aufgrund der andauernden COVID-19-Pandemie derzeit "beispiellose Notstandsbefugnisse hat, die ihn davon überzeugen könnten – vor allem, wenn er auf einige seiner Anhänger hört –, dass er unbegrenzte Befugnisse hat und über dem Gesetz steht".
Man könne derzeit über Trumps Pläne für den kommenden Monat nur spekulieren, äußerte sich eine andere Quelle. Keiner wisse, was Trump sich derzeit überlege. Die Quelle zeigte sich zwar zuversichtlich, dass das militärische Führungspersonal in allen Fällen rational handeln werde, die Verrücktheit – damit dürfte Trump selbst gemeint sein – sei aber derzeit beispiellos.
Ein weitere Quelle bezeichnete Trump als eine Person, die "fasziniert ist von den geheimen Hebeln der Präsidentschaft, die ihm zur Verfügung stehen", wobei er die sogenannten Präsidentiellen Notfalldokumente ("Presidential Emergency Action Documents" – PEADs) hervorhob.
Die Dokumente umfassen präsidentielle Erlässe, präsidiale Botschaften und Gesetzesentwürfe, die unter verschiedenen Abteilungen und Regierungsbehörden verteilt werden. Eines der PEADs, die Direktive 20, behandelt angeblich das Kriegsrecht, so die Quelle. Sie enthalte Richtlinien im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die USA oder der Lahmlegung der Arbeit staatlicher Behörden.
"Natürlich kann die Direktive 20 nicht umgesetzt werden, weil sowohl die Bedingungen nicht gegeben sind als auch, weil das Militär nicht mitmachen würde", so der Informant, der jedoch hinzufügte, dass "die größte Gefahr darin besteht, dass die bloße Existenz dieser Geheimdirektiven den Eindruck von Befugnissen und Autoritäten vermitteln könnte, die in Friedenszeiten nicht wirklich existieren".
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Trumps, General Michael Flynn, hatte erst letzte Woche gegenüber dem Nachrichtenportal Newsmax gefordert, dass Trump in sechs umstrittenen Swing-Staaten das Kriegsrecht verhängen und "militärische Fähigkeiten" nutzen sollte, um eine Wiederholung der Wahlen zu erzwingen.
Trump weigert sich unterdessen immer noch, seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl einzugestehen. Er spricht von Wahlbetrug. Trump zufolge seien es die "die korruptesten" Wahlen der US-Geschichte gewesen.
Anfang Dezember hatte Biden bei der Versammlung des US-Wahlmännerkollegiums 306 Stimmen gegenüber 232 Stimmen für Trump erhalten, was bedeutet, dass der Kandidat der Demokratischen Partei die Mindestschwelle von 270 Wahlmännerstimmen überschreiten konnte, welche er benötigt, um zum neuen US-Präsidenten gewählt zu werden. Diese Stimmenverteilung soll am 6. Januar vom US-Kongress bestätigt werden.
Das sind die wahren Gründe im Streit um bewaffnete Drohnen
heise.de, vom 23. Dezember 2020 Harald Neuber Bei der Aufrüstung autonomer Flugzeuge geht es nicht um den Schutz von Soldaten. Bericht enthüllt: Es geht um das größte und gefährlichste Rüstungsvorhaben der Europäischen Geschichte
Zitat: Bei der Aufrüstung autonomer Flugzeuge geht es nicht um den Schutz von Soldaten. Bericht enthüllt: Es geht um das größte und gefährlichste Rüstungsvorhaben der Europäischen Geschichte
Die Aufregung und Empörung war groß, als die SPD-Spitze um Norbert Walter-Borjans unlängst ihr Veto gegen einen Haushaltsbeschluss einlegte (Drohnenkrieg erschüttert die SPD), der den Weg für die Bewaffnung von Bundeswehrdrohnen geebnet hätte. Unterstützt wurde Walter-Borjans von einigen Sozialdemokraten, deren Haltung man angesichts der einseitigen Meinungslage in Bundestag und Regierung durchaus als mutig bezeichnen kann.
Aus der CDU war die Haltung der Gegner bewaffneter Drohnen zuvor gar als "unmoralisch" bezeichnet worden, weil sie "Mensch und Leben" schützten. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel stimmte in die Kampagne gegen die aufrüstungskritischen Genossen ebenso ein wie Außenminister Heiko Maas. Die Argumentationslinie in Deutschland erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass bewaffnete Drohnen defensiv ausgerichtet und zum Schutz der eigenen Soldaten notwendig seien.
Nun straft ein öffentliches Dokument des französischen Parlaments alle Befürworter autonomer Waffensysteme Lügen. Hinter der Aufrüstung von Drohnen steht demnach tatsächlich ein langfristiger internationaler Plan zur Entwicklung autonomer Rüstungsprojekte. Es geht um das "Future Combat Air System" (FCAS), das Deutschland, Frankreich und Spanien in eine führende Position in der autonomen Kriegsführung bringen soll. Es geht um ein 500-Milliarden-Euro-Vorhaben, um Lobbyismus und um die Aufrüstung bis zum Jahr 2080.
Bisher ist das knapp 100-seitige Parlamentsdokument schlichtweg noch niemandem aufgefallen, obwohl es auf Deutsch übersetzt ist, im Netz steht und Kritikern der autonomen Aufrüstung zahlreiche Argumente liefert. Nachdem im Frühjahr eine Delegation des französischen Senats in Deutschland war, schrieben die Teilnehmer Mitte des Jahres in ihrem Bericht, bei dem FCAS-Programm solle Anfang 2021 "eine neue Stufe begonnen werden, um das Programm irreversibel zu machen".
Darüber sprachen die französischen Emissäre Anfang März unter anderem mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), Katja Keul von den Grünen, Rüdiger Lucassen von der AfD und dem SPDler Fritz Felgentreu, der sich zuletzt vehement für die Drohnenbewaffnung als Grundlage für das FCAS eingesetzt hatte - und nach dem Veto Walter-Borjans von seinem Posten (nicht dem Mandat) zurückgetreten war.
Autonome Waffensysteme auch atomar bestückt
Die in dem französischen Senatsbericht geschilderten Pläne zeigen eindrücklich, dass autonome Kriegsführung inzwischen ebenso realistisch ist wie autonomes Fahren. "Künstliche Intelligenz und damit verbundene, bisher kaum vorstellbare technologische Möglichkeiten, entwickeln sich rasant", bestätigte gegenüber Telepolis auch der KI-Experte Jakob Foerster: "Beispielhaft dafür sind die Durchbrüche in Sprach- wie Bilderkennung oder KI-Systeme, die lernen, Strategiespiele zu meistern." Dadurch würden in absehbarer Zeit vollautonome Kampfdrohnen möglich ("Statt von Kampfdrohnen sollte von Killerdrohnen gesprochen werden").
Auch die Koordination von Gruppen autonomer Agenten mache rasante Fortschritte: "Trainingsalgorithmen für autonome Drohnenschwärme, die als Team beispielsweise einen Waldbrand löschen, sich aufeinander abstimmen und miteinander kommunizieren, sind heute vorhanden", erklärt Foerster. Zwar befinde man sich bei der Koordination autonomer und menschlich gesteuerter Systeme noch im Bereich der Grundlagenforschung. "Aber auch hier ist eine Beschleunigung des Erkenntnisgewinns und entsprechender Anwendungsmöglichkeiten abzusehen, wie es bereits in anderen Bereich der KI passiert ist", so sein Resümee.In den Worten des französischen Senats hört sich das so an:
Angesichts der beschleunigten Entwicklung dieser Technologie durch unsere Gegner müssen wir bereit sein, in Zukunft auf Länder zu reagieren, die nicht immer die ethischen und rechtlichen Normen einhalten, die Frankreich und seine Verbündeten achten und weiterhin achten wollen. Ohne eine solche Vorbereitung könnte sich die französische Armee in der Tat diesen Gegnern in der Situation (…) des besten Schachspielers der Welt gegenübersehen, der nach allgemeiner Ansicht heute keinen einzigen Satz gegen eine künstliche Intelligenz mehr gewinnen könnte. Gleichzeitig müssen die internationalen Beratungen fortgesetzt werden, um in Übereinstimmung mit unserer Ethik und den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts einen klaren Rechtsrahmen für diese Fragen zu entwickeln.
Bericht des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Streitkräfte des französischen Parlaments über das FCAS
Die Waffensysteme des FCAS - dabei geht um bemannte oder unbemannte Kampfflugzeuge, die von Drohnenschwärmen begleitet werden - müsse zudem in der Lage sein, "sowohl die französische(n) Atomwaffe(n) als auch die von Deutschland implementierte(n) NATO-Atomwaffe(n) zu tragen" heißt es in der Übersetzung des Berichts weiter.
Franzosen sehen zwei Probleme: Parlament und Friedensbewegung
Während in Paris schon die Entwicklung bis 2080 geplant wird, macht man sich an der Seine auch über die demokratische Willensbildung in Deutschland Gedanken. Die deutsch-französischen Verteidigungsbeziehungen "könnten auch unter dem Wunsch des Bundestages leiden, sich stärker in den Entscheidungsprozess einzubringen". Dies habe die Delegation bei ihrem Besuch in Berlin beobachten können. Die Autoren spielen damit auf den Parlamentsvorbehalt an, nach dem in Deutschland Auslandseinsätze und zentrale Rüstungsvorhaben im Parlament entschieden werden müssen. Aber auch darüber hinaus seien Rüstungsexporte ein "heikles Thema" in der deutschen Öffentlichkeit, befinden die französischen Delegierten.
Als Problem macht man an in Frankreich mit Blick auf Deutschland vor allem zwei Institutionen aus: die großen Kirchen sowie die Gewerkschaften; tatsächlich zwei zentrale Akteure der Friedensbewegung. Diese stünden seit den 1960er Jahren hinter Mobilisierungen gegen "nicht ethische" Waffenexporte.
Die Ausführungen aus Paris machen auch die Hintergründe des Kräftemessens in Berlin deutlich - und den Druck, den FCAS-Lobbyisten wie der Sozialdemokrat Felgentreu und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zuletzt aufgebaut haben. Spätestens mit Bekanntwerden des französischen Senatsberichtes werden sie sich neuen Fragen zu ihrer Motivation stellen müssen. (Harald Neuber) Info:https://www.heise.de/tp/features/Das-sind-die-wahren-Gruende-im-Streit-um-bewaffnete-Drohnen-4998957.html?wt_mc=sm.share.mail.link
nochmals hervorgehoben:
senat.fr, Aufgezeichnet im Präsidium des Senats am 15. Juli 2020 Zitat: (Grundlage ist das deutsch-französischen Abkommen vom Dezember 2019)
DAS WESENTLICHE Das Programm des künftigen Luftkampfsystems (FCAS) ist von wesentlicher Bedeutung für die Erneuerung der Kampfflugzeuge Frankreichs, Deutschlands und Spaniens bis 2040 (Zeitpunkt, an dem die Rafale und der Eurofighter Typhoon ihren Dienst einstellen). Auch für die Erhaltung der strategischen Autonomie und der industriellen und technologischen Verteidigungsbasis Europas ist es essentiell.
wikipedia.org, Diese Seite wurde zuletzt am 17. September 2020 um 18:28 Uhr bearbeitet.
Im Jahr 2014 startete unter der Bezeichnung Future Combat Air System eine auf zwei Jahre angelegte französisch-britische Machbarkeitsstudie.[2] Spätestens mit der Vorstellung des Projekts Tempest durch die Royal Air Force zur Eröffnung der Farnborough Air Show am 16. Juli 2018 hatten sich entsprechende Bestrebungen jedoch erübrigt.
Zitat: Am 13. Juli 2017 gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron bei einem Treffen des deutsch-französischen Ministerrats in Paris die Absicht bekannt, einen deutsch-französischen Kampfjet zu entwickeln.[3] Während der ILA 2018 in Berlin verkündeten am 25. April Dassault Aviation und Airbus Defence and Space eine Übereinkunft zur Zusammenarbeit bei dem Projekt.[4] Am 26. April 2018 unterzeichneten Generalleutnant Erhard Bühler und Général d’armée aérienneAndré Lanata auf der ILA in Berlin-Schönefeld das High Level Common Operational Requirements Document (Fähigkeitsforderung), das die Kernaufgaben des Flugzeugs festlegt. Frankreich soll federführend bei der Entwicklung sein.[5] Am 19. Juni 2018 unterzeichneten die beiden Fachministerinnen aus Deutschland und Frankreich eine weitere Absichtserklärung.
Zitat:Zielsetzungen
Vorgesehen ist ein integriertes System, das Drohnen, Kampfflugzeuge, Satelliten sowie Kommando- und Kontrollflugzeuge verbindet.[12] Die benötigte Technologie soll, nach Aussage von Dirk Hoke (CEO von Airbus Defence and Space), mehrheitlich in Europa entwickelt werden. Zusätzlich wird laut Hoke eine hohe Autarkie von den USA angestrebt. Vor allem regulierte Güter nach US-Richtlinie ITAR (International Traffic in Arms Regulations) sollen gemieden werden.
Drohnen in Kriegseinsätzen
Sieben Sekunden, um wegzulaufen
tagesschau.de, Stand: 20.11.2020 12:52 Uhr, Von Silvia Stöber
Länder wie die Türkei sind Vorreiter beim Einsatz von Kampfdrohnen. Sie brechen damit Waffenembargos - und verändern die Kriegsführung. Militärexperten warnen: Europa ist nicht vorbereitet.
Ob in Syrien, in Libyen oder nun im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan - in der Nachbarschaft Europas werden Konflikte militärisch ausgetragen. Internationale Organisationen werden nicht ernst genommen, die Regeln des Völkerrechts missachtet.
Beteiligte Staaten entwickeln dabei Waffentechnik und Taktik weiter. Syrien nennt der türkische Militärexperte Can Kasapoglu aus Istanbul ein "Labor für die Kriegsführung des 21. Jahrhunderts". In Analysen beschreibt er, wie Russland und die Türkei Drohnen mit Geschützen und anderem Kriegsgerät über elektronische Netzwerke koordinieren.
Wie überlegen schlagkräftig diese Kombination sein kann, zeigt der Sieg Aserbaidschans im Krieg gegen Armenien. Aserbaidschan profitierte dabei stark von seiner militärstrategischen Partnerschaft mit der Türkei. Die armenischen Streitkräfte in Bergkarabach waren eingegraben in ihren Schützengräben und setzten auf Panzer, Artillerie und Raketen. Sie waren leichte Ziele. Das zeigen Videos des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums. Analysten wie Stijn Mitzer aus Amsterdam dokumentierten anhand von Bildmaterial die Verluste der Armenier, darunter allein 185 Kampfpanzer.
Drohnen als Späher und Waffen
Drohnen werden in Kämpfen vielseitig eingesetzt. Die türkische "Bayraktar TB-2" oder die israelische "Hermes 900" dienen zum Auskundschaften feindlicher Stellungen, die dann mit Raketen und Artilleriegeschossen angegriffen werden.
Der Militärexperte Fuad Schabasow in Baku berichtete zudem, die Streitkräfte seines Landes hätten Antonow-AN-2-Mehrzweckflugzeuge aus Sowjet-Produktion umgerüstet, so dass sie per Fernsteuerung in niedriger Höhe über armenische Stellungen fliegen konnten. Ihre Positionsdaten seien von weiteren Drohnen in größerer Höhe registriert und zum Ausschalten der armenischen Flugabwehr verwendet worden.
"Bayraktar TB-2" und andere Drohnen können mit Raketen bestückt werden. Daneben gibt es "Kamikaze-Drohnen", die über einem Gebiet kreisen, bis ein Pilot ein Ziel aussucht, auf das sich die Drohne dann stürzt. Aserbaidschan verfügt über solche Drohnen aus israelischer Produktion.
Verheerend wirksam - und demoralisierend
Die armenischen Streitkräfte mit ihren veralteten Fliegerabwehrsystemen seien nicht in der Lage gewesen, die "Bayraktar TB-2" und die Kamikaze-Drohnen zu erkennen und abzuschießen, erklärte Markus Reisner auf Anfrage von tagesschau.de. Er ist Leiter der Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie des Österreichischen Bundesheers.
Die aserbaidschanischen Streitkräfte hätten die Reserven der Armenier vom Gefechtsfeld abgeschnitten, während sie selbst ohne direkten Kontakt zum Gegner ihre Verluste gering halten konnten, so der Militärexperte Gustaf Gressel vom "European Council on Foreign Relations" im Interview mit tagesschau.de. Während die Armenier ihre Kräfte nicht verstärken konnten, hätten die numerisch überlegenen Aserbaidschaner immer Ort und Zeit der Gefechte bestimmen können.
Erschöpfung und insbesondere die Kamikaze-Drohnen wirkten demoralisierend auf die Armenier. Der Journalist Tatul Hakobjan erzählte tagesschau.de, sobald das Sirren der Drohnen zu hören sei, blieben sieben Sekunden, um wegzulaufen.
Der Präsident Bergkarabachs, Araik Harutjunjan, sagte kurz nach Ende der Kämpfe, freiwillige Kämpfer und Reservisten seien aus dem Kampfgebiet geflohen. Armenische Spezialeinheiten hätten sich geweigert, an der Front zu kämpfen.
Russlands Schockmoment in Syrien
Russland als Schutzmacht Armeniens griff nach Aussage Reisners in der Endphase des Krieges auf Seiten seines Verbündeten ein. Es gebe klare Hinweise, dass russische "Orlan 10"-Drohnen zur Zielaufklärung für armenische Artilleriesysteme und von Krasukha-4-Störsystemen eingesetzt wurden, um die "Bayraktar TB-2" abzuschießen.
Russlands Streitkräfte haben reichlich Erfahrung mit Drohnenangriffen, so am Luftwaffenstützpunkt Hamaimim in Syrien. Dort griffen ganze Schwärme bewaffneter Drohnen an, so Reisner: "Auch hier hatte man einen Schockmoment. Aus diesem hat man gelernt."
Gressel zufolge ist Russland den Türken im Bereich elektronischer Kampfführung vermutlich überlegen. "Nur schützt Russland in Armenien und Syrien nur jeweils seine eigenen Truppen und Stützpunkte durch eigene Flugabwehrsysteme und Störsender. Die 'Verbündeten' müssen sich mit Exportversionen zufrieden geben. Das klappt dann meist weniger gut."
Auch Europa wäre Kampfdrohnen nicht gewachsen
Nach Meinung beider Experten wären die europäischen Staaten den Waffen, die Aserbaidschan eingesetzt hat, nicht gewachsen. Flugabwehrsysteme der Streitkräfte Polens oder Frankreichs seien nur auf Luftfahrzeuge ausgerichtet, so Reisner. Kleine Angriffsdrohnen "schlüpften" durch die Überwachungssysteme und könnten im Schwarm Abwehrmaßnahmen überwinden. Zudem könnten elektronische Störmaßnahmen die Systeme erblinden lassen.
Gressel zufolge wurden Fliegerabwehr und elektronische Kampfführung in vielen Staaten abgebaut. Fähigkeiten zum Stören militärischer Kommunikation und von Flugobjekten gebe es nicht. Bei kleineren europäischen Armeen sehe es bei Kernfähigkeiten wie Panzerabwehr und Artillerie schlecht aus. Die Bundeswehr besitze immerhin zum Schutz von Feldlagern einige wenige Drohnenstörer sehr kurzer Reichweite und Flugabwehrkanonen mit programmierbarer Munition. Den Schutz mobiler Einheiten könne sie dennoch nicht bewerkstelligen, denn das verwendete System "Ozelot" reiche nicht aus, erklärte Gressel.
Auch Reisner sieht bei der Bundeswehr Nachholbedarf. Sie sei wie alle europäischen Streitkräfte "im Nah- und Nächstbereich ... offen gesagt ... nahezu schutzlos".
Nächste Eskalation droht
Die moderne Drohnentechnik verbreitet sich in vielen Konfliktgebieten, auch weil Waffenexportverbote nicht durchgesetzt werden. Ein Beispiel nennt Reisner: Die Türkei breche ein UN-Waffenembargo, indem sie mit ihren Kriegsschiffen Frachter mit Drohnen nach Libyen eskortiere. "Die österreichische Firma ROTAX liefert die Motoren für türkische TB-2-Drohnen. Im Auftrag des Mutterkonzerns wird nun versucht dies zu unterbinden", so Reisner.
Doch hier springe die Ukraine ein: Sie wolle künftig die Motoren für die türkischen Drohnen herstellen. Die Ukraine baue zudem inzwischen selbst "Kamikaze-Drohnen" mit Blick auf die "Rückeroberung" der Ostukraine, erklärt Reisner und warnt: "Die nächste Konflikteskalation steht somit vor der Haustür."
Mord in aller Welt mit Drohnen - Obama als Ankläger, Richter und Henker linkszeitung.de, vom 22.08.2013 Washington (LiZ). Der US-amerikanische Präsident Barack Obama, 2009 mit dem Friedensnobelpreis geehrt, bezeichnet Drohnen als legale Waffen. Ihr Einsatz sei "im Krieg gegen den Terrorismus" gerechtfertigt. Damit beansprucht Obama für sich, weltweit Ankläger, Richter und Henker in Personalunion zu sein. Zitat: Seit der Amts-Übernahme Obamas von seinem Vorgänger George W. Bush im Januar 2009 nahm die Zahl der Drohnen-Angriffe enorm zu. Unter ihm wurden bisher sechsmal mehr Drohnen-Angriffe geflogen als unter Bush. Allein die Zahl der Drohnen-Angriffe in Pakistan stieg von 252 im Jahr 2008, über 473 im Jahr 2009 auf 874 im Jahr 2009. In den Jahren zuvor waren es nie mehr als 102 Drohnen-Angriffe.
Obama ist unter anderem für die Ermordung eines 20-jährigen Deutschen türkische Abstammung verantwortlich. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft starb er am 4. Oktober 2010 im Alter von 20 Jahren, als er mit einer Gruppe von acht Männern bei Mir Ali, einem pakistanischen Ort im Gebiet Nord-Waziristan, zusammensaß, um über einen Selbstmordanschlag zu sprechen. Laut Mainstream-Medien soll er "für einen Selbstmordanschlag auf Militäreinheiten vorgesehen gewesen" sein. Dies genügte der US-Regierung offenbar für ein Todesurteil ohne Richter und ohne Verteidigung. Auch die deutsche Bundesanwaltschaft stellte beschämender Weise die Ermittlungen in diesem Fall Ende Juni 2013 ein.
Mittlerweile wurde ein zweites Opfer US-amerikanischer Drohnen-Angriffe bekannt, das die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Auch der damals 29-jährige Samir H., Sohn einer Deutschen und eines Tunesiers, der vor seiner Ausreise in Aachen lebte, wurde mit Hilfe einer US-Drohne in Pakistan ermordet. Er lebte zuvor in Aachen.
Zu den Drohnen-Opfern gehören auch drei US-Staatsangehörige, darunter Anwar al-Awlaki, der am 30. September 2011 ermordet wurde, und sein sechzehnjähriger Sohn, der einige Wochen später im Jemen ermordet wurde. Bei letzterem Drohnen-Angriff war Awlakis Sohn laut der 'Washington Post' nicht das beabsichtigte Ziel. Der US-amerikanische Staatsbürger ohne Verbindungen zu Al Qaida sei eher ein "unbeabsichtigtes Opfer" gewesen.
Der steile Anstieg der Todeszahlen bei Drohnen-Angriffen ist dadurch zu erklären, daß US-Präsident Barack Obama auf diese Weise einen seiner Popularität schadenden Anstieg der Gefangenen-Zahl auf Guantanamo vermeiden wollte. Die 'Washington Post' berichtete im Dezember 2011 unter dem Titel "Unter Obama steigt die Zahl der Tötungen durch Drohnen" als Grund für die zunehmenden Drohnen-Angriffe, daß die weltweiten Verhaftungs-Programme der CIA und die Überführung neuer Häftlinge nach Guantanamo gestoppt wurde. Daher bleibe "außer Drohnen-Angriffen wenig übrig". Obama erachtete es offensichtlich als für seine Popularität zuträglicher, vermeintliche TerroristInnen heimlich mit Hilfe von Drohnen zu ermorden als sie einsperren zu lassen.
Die 'Washington Post' berichtete zudem von zweierlei Zuständigkeiten für die Erstellung von "Todeslisten". Die eine stamme vom US-Geheimdienst CIA, die andere vom Joint Special Operations Command (JSOC) des Militärs. Offenbar lechzte Barack Obama geradezu danach, einmal selbst "auf den Knopf zu drücken". Eine seiner ersten Amtshandlungen als Präsident bestand darin, einen Drohnen-Angriff in Pakistan zu befehlen.
Laut 'Washington Post' werden die beiden "Todeslisten" von separaten Ausschüssen des US-Kongresses kontrolliert. Allerdings sei kein Ausschuß-Mitglied "in der Lage, die Todesliste der CIA mit derjenigen des JSOC zu vergleichen, oder auch nur die Regeln zu verstehen, nach denen sie aufgestellt werden.“ Allerdings sind sich die Führer der beiden US-Parteien im Kongress, sowie die Chefs der US-Geheimdienste und Militärkomitees über die Durchführung des Mord-Programms auf der Grundlage der "Todeslisten" einig und versuchen, eine öffentliche Diskussionen zu vermeiden. "Hohe Funktionäre der 'Demokraten' verziehen kaum eine Miene bei der Vorstellung, daß ein Präsident ihrer Partei solch eine hocheffiziente Tötungsmaschinerie für vermeintliche Terroristen aufgebaut hat," schriebt die 'Washington Post'.
Wie effizient diese Tötungsmaschine tatsächlich ist, steht dahin. Denn bislang sind die USA hieb- und stichfeste Beweise, daß das berüchtigte Terror-Netzwerk Al Qaida tatsächlich existiert und nicht etwa eine Erfindung von Geheimdiensten ist, schuldig geblieben. Bis heute ist es mangels nachprüfbarer Informationen von Seiten der US-Regierung auch höchst umstritten, wie viele ZivilistInnen bei Drohnen-Angriffen der USA ums Leben gekommen sind. Die US-Regierung erklärt pauschal, daß ihre Drohnen-Angriffe mit "chirurgischer Präzision" erfolgten und kaum zivile Opfer forderten. Sie bezeichnet aber auch schlichtweg alle männlichen Getöteten im kampffähigen Alter als Terroristen. Da die pakistanische Armee ebenfalls JournalistInnen und MenschenrechtsexpertInnen den Zugang zu den Regionen im Norden, wo die weit überwiegende Zahl von Drohnen-Angriffen erfolgt, verwehrt, gibt es kaum unabhängige Angaben zu einzelnen Angriffen.
Organisationen, die Opfer zählen und kategorisieren, sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die Statistik des 'Bureau of Investigative Journalism' ist die detaillierteste. Die in Großbritannien beheimatete Organisation wertet lokale Medienberichte und offizielle Stellungnahmen aus, beruft sich aber auch auf Informanten vor Ort. Laut ihren Schätzungen sind seit 2004 in Pakistan bei 372 Drohnenangriffen bis zu 3570 Personen getötet worden. Unter den Opfern befanden sich demnach 411 bis 890 erwachsene ZivilistInnen und 167 bis 197 Kinder.
Die Bevölkerung im nordpakistanischen Waziristan bezeichnet die alltägliche Präsenz US-amerikanischer Drohnen nahezu ausnahmslos als Terror. "Wir hören permanent das Brummen der Drohnen," berichtet ein junger Mann aus dem Gebiet, der in Peshawar studiert. "Tagsüber wagt man sich kaum aus dem Haus, nachts kann man nicht schlafen." Angstzustände, Stress und Depressionen seien weit verbreitet, erklärt der Student. Wer es sich leisten könne, habe die Stammesgebiete längst verlassen. Karim Khan, ein Journalist aus einem Dorf in der Nähe von Mir Ali im Norden Waziristans, nennt US-Präsident Barack Obama umstandslos einen Lügner: "In Pakistan tötet die US-Regierung seit Jahren unschuldige Zivilisten und behauptet, diese seien Mitglieder von Al Qaida."
Karim Khan gehört dem Stamme der Patschunen an und damit derselben Volksgruppe wie der afghanische Marionetten-Präsident Hamid Karzai. Es sagt, am 31. Dezember 2009 seien bei einem US-Angriff auf sein Haus sein 16-jähriger Sohn und sein 35-jähriger Bruder ermordet worden, zudem ein Gast, ein Maurer, der mit Arbeiten an der Moschee im Dorf beschäftigt gewesen sei.
Keiner der Getöteten sei ein Terrorist gewesen oder habe je gegen US-Amerikaner gekämpft. Sein Bruder sei einer der gebildetsten Männer im Dorf gewesen und habe in Islamabad als Englischlehrer gearbeitet. Sein Sohn habe eine staatliche Schule besucht und sei Klassenbester gewesen. "Meine Familie ist kein Einzelfall," betont Karim Khan. "In den Dörfern um Mir Ali sind Dutzende von Zivilisten getötet worden."
Die Stammes-Tradition der Patschunen hätte von Karim Khan gefordert, persönlich Rache für den Tod seines einzigen Sohnes zu nehmen. Stattdessen entschloß er sich, vor einem Gericht in Pakistans Hauptstadt Islamabad Klage gegen den US-amerikanischen Geheimdienst CIA zu erheben. Sein Anwalt, Mirza Shahzad Akbar, sagt, die fehlende Verantwortlichkeit im Fall von Drohnen-Angriffen sei inakzeptabel. Familien ziviler Opfer von Militäroperationen in Afghanistan würden von den USA wenigstens entschädigt. In Waziristan bekämen sie weder eine Entschuldigung noch ein Blutgeld.
Nach Ansicht von Mirza Shahzad Akbar ist "der Preis, den die Bevölkerung bezahlt, schlicht zu hoch." Die Drohnen-Angriffe seien zwar sehr präzise, die Geheimdienstinformationen der USA aber nicht. In vielen Fällen würden keine identifizierten Personen ins Visier genommen, sondern Unbekannte, deren Verhaltensmuster verdächtig wirkten. "Nicht jeder, der in Waziristan einen Geländewagen fährt, eine Waffe trägt und sich mit anderen Männern trifft, ist ein Taliban," betont der Anwalt, der Dutzende von Opfern vor Gericht vertritt. "Regelmäßig werden Häuser unbescholtener Bürger, Moscheen, Trauergemeinden und Stammesversammlungen angegriffen." Der bisher dramatischste Vorfall ereignete sich im März 2011, als die CIA Raketen auf ein Treffen von Stammesältesten abschoß, die zusammengekommen waren, um Landstreitigkeiten zu lösen. 40 Männer wurden dabei getötet.
Weil der US-amerikanische Drohnen-Krieg in Pakistan von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, verurteilte Pakistans Regierung unter Präsident Asif Ali Zardari diesen als Verletzung der staatlichen Souveränität. Doch Geheim-Dokumente, die Wikileaks 2010 veröffentlichte, beweisen, daß sowohl Zardari als auch Pakistans Militärchef, Ashfaq Pervez Kayani, in Gesprächen mit US-Diplomaten die Drohnen-Angriffe befürworteten. Die CIA hat ihre Drohnen unter anderem sogar von zwei Militärbasen in Baluchistan und Sindh aus eingesetzt. Pakistans Armee hat die Einsätze nie - wie behauptet - zu stoppen versucht. Sie hat sich vielmehr hinter den Kulissen darum bemüht, mehr Einfluß auf das Drohnen-Programm zu nehmen.
Der neugewählte Premierminister, Nawaz Sharif, wie auch der Oppositionspolitiker Imran Khan hatten im Wahlkampf die Drohnen-Angriffe übereinstimmend verurteilt und den Abzug der USA aus Afghanistan gefordert. Daß sich in Pakistan dennoch nichts ändert, hat sich jedoch bereits in den ersten Wochen der neuen Regierung erwiesen. Sharif hat seit seinem Amtsantritt im Juni mindestens drei Angriffe geduldet, obwohl er im Wahlkampf versprochen hatte, diese umgehend zu stoppen. Auch der Oberste Gerichtshof Pakistans hat in Peshawar im Mai die Drohnen-Angriffe in einem spektakulären Urteil für illegal erklärt und die Regierung angewiesen, diese nicht mehr zu tolerieren. Daß dies in Zukunft jedoch anders als verbal erfolgt, ist kaum anzunehmen. Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid empört sich über den weit verbreiteten Zynismus: "Wollen wir wirklich akzeptieren, daß ein Staat Bürger eines anderen Landes hinrichten kann? Was werden wir tun, wenn die Chinesen irgendwann Drohnen einsetzen, um das Gleiche zu tun? Mit welchen Argumenten wollen wir sie bremsen?" Die US-amerikanische Regierung hat mit den Drohnen-Morden ein in der zivilisierten Welt über Jahrhunderte bewährtes und allgemein anerkanntes Rechtsprinzip über den Haufen geworfen. Bereits im Jahr 2003 kritisierte Lord Steyn, der dritthöchste der zwölf Londoner Law Lords, die das Oberste Gericht Großbritanniens bilden, der rechtlose Zustand, in dem die US-Gefangenen auf Guantanamo gehalten werden, als "monströsen Rechtsbruch." Die geplanten Militärverfahren erfüllten "nicht einmal minimale internationale Standards für faire Prozesse." Diese in Aussicht genommenen Verfahren nämlich, erklärte Lord Steyn, sähen das US-Militär als Verhörpersonal, als Ankläger, als Verteidiger, als Richter und als Henker.
Die eigene, britische Regierung forderte Lord Steyn auf, den USA gegenüber "öffentlich und in unzweideutiger Weise klar zu machen, wie sehr wir diese äußerste Gesetzlosigkeit verurteilen." Selbstverständlich reagierte der damalige britische Premier, Tony Blair, nicht hierauf. Aber ebenso selbstverständlich gilt das Verdikt Lord Steyns um so mehr dem heutigen US-Präsidenten Barack Obama, der sich mit den Drohnen-Morden in aller Welt eine Rolle als Ankläger, Richter und Henker in Personalunion anmaßt Info:www.linkszeitung.de/gewdro130822liz.html
27.12.2020
Nürnberger Kodex
wikipedia.org
Zitat: Der sogenannte Nürnberger Kodex ist eine zentrale, aktuell heute angewandte ethische Richtlinie zur Vorbereitung und Durchführung medizinischer, psychologischer und anderer Experimente am Menschen. Er gehört seit seiner Formulierung in der Urteilsverkündung im Nürnberger Ärzteprozess (1946/47) insbesondere zu den medizinethischen Grundsätzen in der Medizinerausbildung (ähnlich wie das Genfer Gelöbnis). Er besagt, dass bei medizinischen Versuchen an Menschen
„die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson unbedingt erforderlich (ist). Das heißt, dass die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muss, ihre Einwilligung zu geben; dass sie in der Lage sein muss, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen; dass sie das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muss, um eine verständige und informierte Entscheidung treffen zu können“.
Kommentar: Neben der Haftungsfrage für gesundheitliche Schäden, die den Menschen im Zusammenhang mit der Coronaimpfung drohen, konnte man auch deren Wirksamkeit noch nicht erforschen, da eine bisher noch nie zugelassene Impfstoffvariante zum Einsatz kommt, die dazu ein beschleunigtes Entwicklungs- und Zulassungs- verfahren durchlaufen hat. Fazit: Die Frage an die Menschen, nach ihrer Zustimmung zu dieser Impfung, darf deshalb nicht gestellt werden. Auch ein Gruppenzwang sollte hierbei ausgeschlossen sein. Thomas Bauer
26.12.2020
„Heuchlerisch“: Deutscher Botschafter im UN-Sicherheitsrat von Moskau und Peking kaltgestellt
Zum Jahresende läuft Deutschlands zweijährige temporäre Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat aus, dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen. Bis dahin liefert sich Deutschlands UN-Vertreter Christoph Heusgen nochmal einen heftigen Schlagabtausch mit seinen Kollegen aus Russland und China - beim Thema Syrien.
Zitat: So hält die Bundesregierung Moskau und Peking seit längerem vor, die UN-Hilfslieferun- gen nach Syrien zu blockieren. Nach mehreren Streiten hatte sich der UN-Sicherheitsrat im Juli geeinigt, die grenzüberschreitenden humanitären Hilfslieferungen für Nordsyrien eingeschränkt fortzusetzen, und zwar noch über einen Grenzübergang an der Grenze zur Türkei, Bab al-Hawa. Zwar wurde damals der deutsch-belgische Resolutionsentwurf angenommen, Politiker und Medien beklagen aber eher einen Sieg Russlands.
Vor diesem Hintergrund hat der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen am Mittwoch in einer per Videoschalte abgehaltenen Ratssitzung die russische bzw. die chinesische Haltung zu den Syrien-Hilfen unter Beschuss genommen. Wenn die beiden Staaten dann beklagen würden, dass Hilfslieferungen nicht nach Syrien gelangen können, bezeichnete Heusgen als „sehr zynisch“. Diese zwei prominenten Ratsmitglieder hätten die humanitären Grundsätze konsequent missachtet und die Unterstützung der syrischen Behörden gegenüber dem humanitären Imperativ priorisiert, kritisierte Heusgen dabei. Ferner forderte er, dass Moskau und Peking ihre Positionen überprüfen und die Lieferungen über weitere Grenzübergänge zulassen würden, damit Nahrungsmittel und Medikamente wirklich zu den Menschen gelangen könnten. Der UN-Sicherheitsrat habe die Menschen in Syrien „fallen gelassen“.
„Sie werden uns nicht fehlen“
Auf diesen Vorwurf konterte der russische Vizebotschafter Dmitri Poljanskij, es liege am „heuchlerischen Verhalten“ Deutschlands und des Westens, wenn der Sicherheitsrat die syrische Bevölkerung fallen lasse. Mit Blick auf die auslaufende Mitgliedschaft Deutschlands im Rat sagte Poljanskij auch an die Adresse Heusgens: „Sie werden uns nicht fehlen“. Viele UN-Mitgliedstaaten, die zuvor noch für eine permanente Mitgliedschaft Deutschlands waren, stellen sich Poljanskij zufolge nun die Frage, ob „so viel Zynismus“ in dem Gremium erlaubt werden sollte.
Der deutsche Weg zu einer ständigen Mitgliedschaft werde „schwierig sein“, legte der chinesische Botschafter, Yao Shaojun, nach. Auch sagte Yao: „Deutschlands Auftreten im Sicherheitsrat hat nicht den Erwartungen der Welt und denen des Rates entsprochen.“ In der Tat bemüht sich Berlin schon seit vielen Jahren um eine ständige Präsenz im UN-Sicherheitsrat, bisher aber ohne große Erfolge. Neben den fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht gehören dem Rat zehn zeitweilige Mitglieder an. Die ständigen Mitglieder sind China, Russland, die USA, Frankreich und Großbritannien.
Darum geht es genau bei Syrien
Bei den Abstimmungen zu humanitären Hilfen in Syrien im Juli wollte gerade Russland nur einen Kontrollpunkt, Bab al-Hawa, in Betrieb lassen. Belgien und Deutschland wollten dagegen noch Bab al-Salam dazuhaben. Es wurden die Vorwürfe erhoben, dass die von Russland erkämpfte neue Regelung die Versorgung von Millionen Notleidenden in Syrien gefährde und sie über die Türkei nach Europa treiben würde. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), beklagte das „Scheitern des Westens auf der ganzen Linie“.
Zu der russischen Position sagte damals der unabhängige Nahost-Experte im Russischen Rat fürauswärtige Angelegenheiten Alexej Chlebnikow, Russland handele im Rahmen des Völkerrechts, wonach humanitäre Hilfe im Einvernehmen mit der Zentralregierung des Landes geleistet werden sollte. Der Westen poche dagegen darauf, dass es keine Mechanismen gebe, die die Transparenz der Bereitstellung dieser Hilfe für Bedürftige gewährleisten würden. Moskau wieder verstehe seinerseits nicht, weist Chlebnikow hin, warum die Vereinten Nationen etwa seit März immer noch keinen humanitären Konvoi aus Damaskus nach West-Idlib geschickt hätten, obwohl alles vereinbart worden wäre. „Das Grundproblem der Bundesregierung ist, man will nicht anerkennen, dass Assad rechtsstaatlicher Präsident Syriens ist“, kommentierte seinerseits der Experte für deutsch-russische Beziehungen am Institut für internationale Politik Potsdam (WeltTrends), Prof. Dr. Wilfried Schreiber. Ein Sieg für Röttgen und Co. wäre aus seiner Sicht ein Regime-Change.
Ein ehemaliger Mitarbeiter des Deutschen Bundestages mit der Funktion eines parlamentarischen Beraters berichtet über Erkenntnisse, die den Menschen in der Coronakrise gezielt vorenthalten werden. Info:www.wie-soll-es-weitergehen.de
Kommentar: Leserinnen und Lesern zur Information: Einige der wesentlichen hier benannten Ereignisse sind über weitere öffentliche und belegbare Quellen zugänglich. Thomas Bauer
25.12.2020
Todesfälle durch COVID-19 - Adjustiert auf die Einwohnerzahl zeigt sich keine ausgeprägte Übesterblichkeit
stablab.stat.uni-muenchen.de, CoDAG-Bericht Nr.4, vom 11.12.20
Das „Statistische Beratungslabor (Stablab) am Lehrstuhl für Statistik und ihre Anwendung in Wirtschaft und Sozialwissenschaften“ der Universität München, geleitet von den Professoren Göran Kauermann und Helmut Küchenhoff, veröffentlichte am 11.12. einen Bericht mit diesem Ergebnis:
1. Todesfälle durch COVID-19 – Adjustiert auf die Einwohnerzahl zeigt sich keine ausgeprägte Übersterblichkeit
2. Problematische Entwicklung der Fallzahlen bei den Hochbetagten – Die bisherigen Corona-Maßnahmen verfehlen notwendigen Schutz der Ältesten
3. Aktuelle Analysen zum Verlauf der Pandemie: Kein deutlicher Rückgang nach dem Lockdown. Seit der 3. Oktoberwoche gibt es insgesamt einen stabilen Verlauf«
Weitere Informationen zu unseren Analysen und zur CoronData Analysis Group (CoDAG) inden sich auf unserer Homepagehttps://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/index.html, LEHRSTUHL FÜR STATISTIK UND IHRE ANWENDUNGEN IN WIRTSCHAFT UND SOZIALWISSENSCHAFTEN STATISTISCHES BERATUNGSLABOR (STABLAB)
Zitat: COVID-19 ist eine globale Herausforderung, bei der Data Science und Statistik einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung leisten kann. Datenanalyse von Infektionszahlen, zum Teil auf kleinräumiger Ebene, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Information über den Verlauf der Krankheit kann aus Daten gewonnen werden. Prognosen zum Ressourcenbedarf können aus Daten abgeleitet werden. Die verfügbaren Daten nehmen täglich zu und damit auch das Potential, daraus relevante Information extrahieren zu können.
Die Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Statistik der LMU, des Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie (IBE) sowie die Data Science Initiative an der LMU wollen hier aktiv beitragen. Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Verpflichtung an, mit unserem wissenschaftlichen Know-How und unserem statistischen Sachverstand unterstützend in den kommenden Wochen und Monaten zur Bewältigung der Covid-19 Pandemie beizutragen. Unsere Forschung ist dabei anwendungs- und bedarfsgetrieben. Schnelle Lösungen, stabile Modelle und valide Prognosen sind jetzt gefragt. Unser Ziel ist es, diese Werkzeuge bereitzustellen, damit Entscheidungsträger im Gesundheitswesen und Politik Ihre Entscheidungen datenbasiert treffen können.
Zum Schutz von Soldatenleben: Nato-Generalsekretär äußert sich zu Debatte um Drohnen-Bewaffnung
snanews.de, vom 23. 12. 2020, 09:43 Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich in den deutschen Streit über die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen eingeschaltet und ihre Vorteile bei Kampfeinsätzen hervorgehoben.
Zitat: „Diese Drohnen können unsere Truppen vor Ort unterstützen und zum Beispiel die Zahl der Piloten reduzieren, die wir in Gefahr bringen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Unbemannte Fluggeräte mit Bewaffnung seien zuletzt zum Beispiel im Irak und in Syrien von den Alliierten eingesetzt worden, um die brutale Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu bekämpfen. Es gehe vor allem darum, das Leben von Soldaten zu schützen, sagte Stoltenberg. Er verwies des Weiteren darauf, dass bewaffnete Drohnen mittlerweile seit Jahrzehnten in Konflikten eingesetzt würden.
„Entscheidend ist, dass immer dann, wenn wir bewaffnete Drohnen nutzen, dies unter strengen Regeln und im Einklang mit dem Völkerrecht geschieht“, sagte Stoltenberg. Dafür seien immer die Nutzer und nicht die Waffen oder Computer verantwortlich. Die konkrete Entscheidung über die Bewaffnung der deutschen Drohnen sei aber natürlich Sache der deutschen Politik.
In der aktuellen Debatte in Deutschland geht es darum, ob neue Drohnen vom Typ Heron TP bewaffnet werden sollen. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich hatten zuletzt weiteren Diskussionsbedarf dazu angemeldet und die Bewaffnung der unbemannten Fluggeräte damit erst einmal auf Eis gelegt. Dies hat bei den Koalitionspartnern von CDU und CSU für Empörung gesorgt, aber auch bei Nato-Bündnis- partnern Irritationen ausgelöst.
Streit in der Koalition
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), der maßgeblich an der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt ist, hat sich zwar auf die Seite der Befürworter einer Bewaffnung gestellt. Gleichzeitig unterstützt er aber wie SPD-Vizekanzler Olaf Scholz den Plan für einen weiteren Aufschub der Entscheidung.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte der SPD deswegen am Dienstag Feigheit vorgeworfen. Im Saarländischen Rundfunk sagte die CDU-Vorsitzende, sie respektiere zwar die Argumente gegen Kampfdrohnen. Nicht respektieren könne sie aber, wenn man nach acht Jahren intensiver Diskussion sage, man sei noch nicht so weit und müsse noch weiter diskutieren. „Das ist einfach feige. Und deswegen würde ich mir sehr wünschen, dass die SPD klipp und klar sagt, was sie will oder nicht will.“
Die Gegner von Kampfdrohnen argumentieren, dass die Hemmschwelle zum Waffeneinsatz im Vergleich zu bemannten Kampfflugzeugen niedriger sei, da der Drohnenpilot sich nicht selbst gefährde. Bislang setzt die Bundeswehr Drohnen nur zu Aufklärungszwecken ein, beispielsweise in Afghanistan oder Mali.
Weihnachten 2020 steht ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Mehr noch: Die Pandemie hat mit ihrer zweiten Welle in den letzten Wochen noch einmal deutlich an Brisanz zugenommen. Statt einer Lockerung der Infektionsschutz-Maßnahmen und der Wiederbelebung des sozialen Lebens rechtzeitig zu den Weihnachtsfeiertagen erleben wir, wie ein europäisches Land nach dem anderen nun erneut in den harten Corona-Lockdown geht. Das war’s dann also für dieses Jahr mit dem üblichen Weihnachts- und Sylvester-Rummel. Ob wir wollen oder nicht, die Pandemie zwingt uns dazu, die Feiertage zum Ende des Jahres besinnlich zu verbringen.
Zitat: Machen wir das Beste daraus! Krisen wie die Corona-Krise haben das Potenzial, die Menschen zu anderen gesellschaftspolitischen Vorstellungen anzuregen und neue organisatorische Realitäten zu schaffen. So können Krisen zu einem Moment des kollektiven Innehaltens werden, um darüber nachzudenken, welche Art von Leben und Zusammenleben wir künftig haben wollen. Als undogmatisch-libertäre Zeitschrift möchten wir uns an dem gesellschaftlichen Diskurs über die Neugestaltung der Welt nach der Corona-Krise mit unserem heute erscheinenden Themenspecial beteiligen.
espero, Nr. 2, Januar 2021, 228 Seiten, Download der PDF-Version per Mausklick auf das Cover.Nach Ausbruch der Corona-Krise hatten wir im April 2020 in einem „Call for Papers“ zu Beiträgen für das nun vorliegende espero-Themenspecial: „Die Corona-Krise und die Anarchie“ aufgerufen. Die Resonanz auf unseren Aufruf war außerordentlich und auch international. Wir freuen uns, das heute (quasi als „Weihnachtsgeschenk") fertig gewordene Corona-Special als Nr. 2 der in neuer Folge erscheinenden Zeitschrift espero vorlegen zu können. Das Special enthält Beiträge von Noam Chomsky, Roel van Duijn, David Graeber, Markus Henning, P. M., Rolf Raasch, Jochen Schmück, Gerhard Senft, Maurice Schuhmann, Thomas Swann und Sarthak Tomar. Gemeinsam ist allen Beiträgen, dass sie, ausgehend von einer Ursachenanalyse und den in der Corona-Krise gemachten positiven und negativen Erfahrungen, den Versuch unternehmen, neue libertäre Perspektiven für die Welt nach Corona zu entwickeln, von der wir hoffen, dass sie eine bessere, weil freiheitlichere und gerechtere Welt sein wird.
Das 228 Seiten umfassende Corona-Special enthält Aufsätze, Artikel, Interviews und Rezensionen zum Thema und erscheint – wie auch die reguläre Ausgabe unserer Zeitschrift espero - als kostenlose E-Zine, die direkt über den folgenden Link heruntergeladen werden kann:
Kommentar: Gut,
wenn diein der Corona-Krise gemachten positiven und negativen Erfah- rungen zusammen mit der Hoffnung "aufeine bessere, weil freiheitlichere und gerechtere Welt" heute eingefordert werden, statt sie auf die kommende Zeit zu verschieben. Th. Bauer
25.12.2020
Corona. Das Virus und die Demokratie - Ein Aufruf von Mehr Demokratie
mehr-demokratie.de,
Corona. Das Virus und die Demokratie Ein Aufruf von Mehr DemokratieCorona gefährdet unsere Gesundheit – und bestimmt unseren Alltag. Jetzt wieder zunehmend. Die Lage ist ernst, die Krise spitzt sich zu, die Politik muss schnell reagieren.
Zitat: Das sorgt für Aufregung. Wir setzen auf eine differenzierte Betrachtung. Von pauschalen Protesten gegen Schutzmaßnahmen halten wir nichts. Es braucht Solidarität, aber auch einen sachlichen und koordinierten Diskurs. Den fordern wir ein. Schließen Sie sich uns an, unterschreiben Sie unsere neun Forderungen! Die Unterschriften werden wir an Bundeskanzlerin Merkel übergeben.
1. Die Parlamente müssen die grundlegenden Entscheidungen treffen Auch in Krisenzeiten müssen Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle der Regierung beim Bundestag und den Landesparlamenten verbleiben. Wesentlich: Eingriffe in Grundrechte können nur vom Parlament getroffen werden.
2. Erst Ziele diskutieren, dann Zahlen kontextualisieren Im Parlament muss die Zielsetzung der Maßnahmen immer wieder neu bedacht, justiert und legitimiert werden. Notwendig ist eine breite gesellschaftliche Debatte, keine Hinterzimmerpolitik!
3. Verhältnismäßigkeit wahren, Verordnungen und Gesetze befristen Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, laufend überprüft und befristet werden.
4. Beratungsgremien breit besetzen Die Politik soll sich interdisziplinär beraten lassen – und auch plausible Gegenmeinungen einbeziehen. Neben der Virologie und der Medizin sind die Mitwirkung der Sozialwissenschaften, der Ethik, der Ökonomie, von Rechts- und Politikwissenschaft unverzichtbar.
5. Bürger:innen einbinden Ohne Bürgerinnen und Bürger geht das nicht. Ihre Kompetenz ist notwendig, damit wirksame und alltagstaugliche Maßnahmen erlassen werden. Bürgerbeteiligung auf allen politischen Ebenen organisieren! Beispiele gibt es.
6. Entscheidungen und deren Grundlagen müssen nachvollziehbar sein Politische Entscheidungen müssen auf empirischer und wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Strategiepapiere, Szenarien, Gutachten automatisch veröffentlichen, Krisenstäbe transparent machen!
7. Wahlen nicht einschränken Die Hürden für einen Wahlantritt und Unterstützungsunter- schriften nicht erhöhen, Wahltermine nicht verschieben. Wahlrecht ausbauen, nicht ein- schränken: Briefwahlunterlagen automatisch für alle!
8. Weltweit solidarisch sein Die Folgen der Corona-Krise sind für die Schwächsten am härtesten. Mehr als 100 Millionen Menschen zusätzlich könnten durch Corona in Hungersnot geraten. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt helfen.
9. Den Umgang mit der Krise evaluieren Eine Parlamentskommission einsetzen, die hälftig von Abgeordneten und Experten aus der Zivilgesellschaft besetzt ist und die Ergebnisse einem losbasierten Bürgerrat vorlegen!