aus e-mail von Doris Pumphrey, vom 25. Oktober 2022, 14:54 Uhr
https://de.rt.com/meinung/152208-us-qual-wahl-taiwan-ukraine/
23.10.2022
*Die US-Qual der Wahl:
Taiwan, die Ukraine oder der Nahe Osten?
*/Von Elem Raznochintsky/
Mit Chinas jüngstem Anspruch auf Taiwan, Irans Aufstieg zur nuklearen
Regionalmacht und Russlands Entschluss, seine Sicherheit in der Ukraine
erfolgreich einzufordern, kristallisiert sich für die USA ein
dreifaltiges Dilemma. Wird das zu viel für den betagten Hegemon?
Der jüngste Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas schlägt
unaufhörlich Wellen, besonders im zivilisierten Westen. Immerhin geht es
um die nächste Dekade und Chinas Platz in ihr.
Die wichtigsten außenpolitischen Botschaften waren für alle klar
verständlich: China, als das Land mit der ohnehin größten Armee von über
zwei Millionen Bediensteten, hat große Modernisierungs- und
Aufrüstungspläne für die nächsten fünf Jahre. Diese betreffen aber auch
das Wirtschaftswachstum, das diese Ambitionen erst ermöglichen soll.
Denn das Pro-Kopf-BIP soll laut Xi Jinping "bis 2035 einen neuen, großen
Sprung machen". Ab 2025 soll China ein Land mit hohem Einkommen werden,
gemessen an den derzeitigen Schablonen der Weltbank.
Der Staatspräsident Chinas gedenkt auch, die Notwendigkeit, Taiwan dem
chinesischen Einflussgebiet zurückzuführen, mit dieser Zukunftsvision zu
verbinden. Den USA war diese Positionierung sichtlich zu steil.
Washington versuchte sogar im Vorfeld des Parteitags, die Chinesen etwas
zu disziplinieren, indem sie Peking androhten
<https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-10-03/us-to-announce-new-limits-on-chip-technology-exports-to-china?leadSource=uverify%20wall>,
Exporte von Halbleiterprodukten aus Südkorea und Taiwan zu verbieten.
Dass aus dieser Rhetorik nun vollwertige Sanktionen werden könnten,
liegt nahe. Aber auch da war die Nachricht Xis unmissverständlich:
/"Wir werden uns auf nationale strategische Bedürfnisse konzentrieren,
Kräfte für die Spitzenforschung bündeln und den Kampf in
Schlüsseltechnologien entscheidend gewinnen. Dies kann als Aufforderung
an die Technologieunternehmen verstanden werden, die fehlenden
Komponenten für Chinas technologische Sicherheit zu erforschen und zu
entwickeln."/
Bis 2030 plant die Volksrepublik, 24 Prozent des weltweiten
Halbleitermarktes zu umfassen. In diesem Anteil ist Taiwans Beitrag gar
nicht mit inbegriffen: von Taipeh wird erwartet, seine eigenen 21
Prozent des Marktanteils unverändert zu halten. Zusammengenommen wäre
das nahezu die Hälfte des globalen Gesamtmarktanteils. Ohne
Halbleiterprodukte gibt es keine Computer, keine Smartphones und keine
Digitalisierung.
Den europäischen Westen haben die Ansagen des Parteitags so aufgewühlt,
dass Berlin und Paris eilig Termine mit der chinesischen Führung gemacht
haben sollen, wie ein australischer Experte bei /Politico /letztens
stiefmütterlich und bevormundend berichtete
<https://www.politico.eu/article/europe-power-players-need-tread-careful-beijing-china/>.
Präsident Emmanuel Macron darf als Erster kommen, Anfang November,
während Bundeskanzler Olaf Scholz sich für eine Woche später
eingeschrieben hat. Womöglich reisen die beiden EU-Volksvertreter nach
Peking, um Xi in der Causa Taiwan zu besänftigen, oder um ihn
naiverweise zu bitten, dass er Moskau endlich öffentlich verurteile für
die militärische Spezialoperation in der Ukraine. Um ganz ehrlich zu
sein, wird davon sicherlich beides unausgesprochen bleiben. Am
wahrscheinlichsten wird stattdessen die Bitte sein, die aus China nach
Europa gestoppten
<https://markets.businessinsider.com/news/commodities/china-gas-lng-halt-sales-europe-energy-crisis-winter-supply-2022-10>
Flüssigerdgas-Lieferungen wieder zum Laufen zu bringen. Beiden – Macron
und Scholz – müssten viel eher bitter nötige Energieträger am Herzen
liegen als ein "freies" Taiwan – wenn ihnen ihre Ämter und
soziopolitisch ruhige Wintermonate im Herzen Europas lieb sind.
*Die Schließung Eurasiens*
Sie ist sehr gut verbildlicht in einem der jüngsten Meinungsartikel
/Bloombergs/, in dem der Autor schon im Titel direkt fragt
<:" rel="noopener">https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2022-10-16/us-isn-t-ready-to-fight-china-iran-and-russia-all-at-once>:
"Können die USA es mit China, Iran und Russland gleichzeitig aufnehmen?"
Eigentlich eine rhetorische Frage, aber sie könnte wohl leichtgläubige
Leser vor ein vierdimensionales Rätsel stellen. Den meisten anderen ist
die Antwort klar: natürlich nicht. Die Verausgabung wäre überwältigend,
und schmerzhafte Prioritäten müssten gesetzt werden. Washington wird
stufenweise seinen Einsatz in der Ukraine zurückdrehen müssen, um in
Taiwan volle Präsenz auffahren zu können. Die ökonomische Zukunft der
Welt – die Vierte Industrielle Revolution – hat ihr neues Epizentrum in
Asien gefunden. Verlieren die USA ihren Stand in Taiwan, verschlechtern
sich die Züge, die den US-Amerikanern bleiben, um sich in der kommenden
multipolaren Welt eine Position als halbwegs relevanter Teilnehmer zu
sichern.
Dementsprechend hat jeder einzelne in dem /Bloomberg/-Titel genannte
Spieler einen sehr persönlichen Einsatz, der überaus hoch ist: Russland
mit der Ukraine und China mit Taiwan. Aber auch Iran im Nahen und
Mittleren Osten. Die USA hingegen wollen ihre Pax Americana so klug und
kontrolliert wie möglich ausklingen lassen.
Das /Wall Street Journal/ legte noch einen
<drauf" rel="noopener">https://www.wsj.com/articles/the-u-s-isnt-ready-to-face-china-on-the-battlefield-national-security-missile-systems-pentagon-taiwan-war-conflict-strike-11665947059>drauf
und beklagte kürzlich den Fakt, dass die US-Führung viel zu viele
Waffenlieferungen an die Ukraine verschwendet habe. Nun seien bei Weitem
nicht mehr genügend Waffen übrig für eine militärische Konfrontation mit
China über die Geschicke Taiwans, so das Blatt. Allem Anschein nach
schleicht sich in die NATO-Massenmedien das Narrativ ein, dass eine
stufenweise Einsicht vonnöten sei, die Ukraine "zurückzulassen".
"Die fetten Jahre sind vorbei", hieß einst ein deutsches Kinodrama. So
verhält es sich auch mit den Jahren, in denen Washington als primärer
Hegemon geopolitische Flashpoints nach Lust und Laune jonglierte und
anzündete, während er sich dabei auch eine gewisse verschwenderische
Attitüde erlaubt und angeeignet hatte.
Diese Attitüde fand unter anderem Ausdruck im 20-jährigen Aufenthalt der
USA in Afghanistan, im zehnjährigen Irakkrieg und einigen anderen
"Friedensprojekten", die Milliarden an US-Dollar und weit über eine
Million Menschenleben verschlungen haben und auch von der
Öffentlichkeitswirksamkeit der USA her von Nachteil gewesen sind.
"*Verbündete, die uns schaden"*
So titelte vor wenigen Tagen ein leitender Mitarbeiter des libertären
CATO Institute seinen Artikel
<https://www.cato.org/commentary/allies-hurt-america>. Doug Bandow, der
in der Ronald Reagan-Administration im engsten Kreis der
US-Sicherheitspolitik mitarbeitete, ist in einigen außenpolitischen
Angelegenheiten überraschend einsichtig: Von NATO-Erweiterungen hält er
schon seit mehreren Jahren nicht viel. Die US-Unterstützung der Ukraine
sieht er – von der Kosten-Nutzen-Analyse her – seit ein paar Jahren als
schädigend für sein Land an. Sein Artikel handelt aber von den
US-Verbündeten erster Güteklasse, nicht von denen auf den hinteren
Plätzen wie diejenigen, die seit 2014 in Kiew Platz genommen haben.
Bandow schreibt aus einer Perspektive der Empörung und Gereiztheit über
die ihm offensichtlich erscheinende Undankbarkeit des Königreichs
Saudi-Arabien, Südkoreas und der Türkei.
Von diesem Trio ist Seoul in seiner Aufmüpfigkeit noch am harmlosesten.
Denn Riad und Ankara haben bereits den USA trotzende energiepolitische
Entscheidungen getroffen, die über Symbolik weit hinausgehen. Hier
werden die US-Vormachtstellung und Führungsrolle gewichtig infrage
gestellt sowie enorme Milliardenprofite verweigert. Zum einen hat Riad
innerhalb der OPEC die Erdölförderung um zwei Millionen Barrel pro Tag
gedrosselt, nachdem US-Präsident Joe Biden höchstpersönlich und vor Ort
beim saudischen Kronprinzen um das genaue Gegenteil gebeten hatte.
Nachdem "unbekannte Partner" die deutsch-russischen
Nord-Stream-Pipelines in die Luft gesprengt hatten, entschied sich
NATO-Mitglied Ankara, Deutschlands Platz als verlässlicher Partner
Russlands einzunehmen. Die neue Herausforderung: russisches Erdgas über
die TurkStream-Pipeline zu empfangen und über eine baldige
Infrastrukturerweiterung im großen Umfang weiter nach Europa zu verkaufen.
Wie die US-Amerikaner bei den kommenden Zuspitzungen ihre oben
gelisteten Partner zur Vernunft bringen wollen, ist unbekannt. Die Hebel
gehen ihnen aber fast mit jedem verstreichenden Tag aus.
*Feinde und Verbündete der USA bald auf einer Plattform?*
Dass sich Iran der Anziehungskraft der BRICS nicht verweigert, während
nahezu zeitgleich der Wunsch Saudi-Arabiens ertönt, der BRICS-Gruppe
beizutreten, deutet auf eine rare Chance hin, zwei historische
Widersacher friedlich an einen Tisch zu bringen: Teheran und Riad. Ein
weiterer Hinweis, dass in Saudi-Arabiens jahrzehntelange Zweckbeziehung
mit den USA nun potenziell das letzte Kapitel beginnt.
Die muslimische Dichotomie zwischen Schiiten und Sunniten – im modernen
Kontrast besonders stark dargestellt im bisherigen Konflikt zwischen
Iran und Saudi-Arabien – wurde von den britischen und US-amerikanischen
Dynastien außenpolitischer Sicherheitsberater das ganze 20. Jahrhundert
entlang meistens erfolgreich instrumentalisiert und genutzt. In dem
Sinne war der Regierungssturz 1953 in Iran ein signifikanter
angelsächsischer Durchbruch, wohingegen die Islamische Revolution
1978/79 als Misserfolg verbucht werden musste. Des Weiteren bescherte
die CIA-Strategie der "islamischen Balkanisierung", wie sie erstmals von
Bernard Lewis und später von Robert Dreyfuss in ihren Büchern
beschrieben worden war, lange Zeit den USA enorme energiepolitische
Erfolge. Dieser Einfluss schwindet indessen rasant.
Im Falle einer dreiseitigen Zuspitzung wären die USA weder imstande,
sich auf Saudi-Arabien zu verlassen, um Iran in Schach zu halten, noch
ist auf die sich bereits in der Deindustrialisierung befindende EU zu
zählen. Mit Letzterem ist die NATO-Osterweiterung in der Ukraine
gemeint, die im Winter 2022/23 eine weitere einschneidende Niederlage
erleiden wird. Bei der dritten Front in Taiwan gegen China werden die
USA versuchen, zumindest ihr Militärbündnis AUKUS
<https://de.wikipedia.org/wiki/AUKUS> zu mobilisieren, wobei
Großbritannien hier von geringem Nutzen sein wird und somit strategisch
nur das sonnige Australien bleibt. London wird mehr als genug eigene
Probleme zu Hause mit dem Nachfolger des Nachfolgers von Liz Truss zu
bewältigen haben. Für Tokio gilt Ähnliches, da die Volkswirtschaft sich
im freien Fall befindet. Südkorea steht – dank seines nördlichen
Nachbarn – verängstigt und entschärft im militärischen Patt und wird in
einer kriegerischen Auseinandersetzung um Taiwan nur symbolische
Unterstützung für die USA leisten können.
In den militärisch-industriellen Logen der USA hat man sich wohl bereits
eingestanden, dass ein vollständiger Sieg auf dem gesamten
geopolitischen Spektrum vollkommen unrealistisch ist. Zumal der ganze
Bereich der inflationierten, westlichen Finanzsysteme noch einen ganz
eigenen, beschleunigten Verfallsprozess erleidet. Ganz zu schweigen von
der schieren Symbolik eines verblassenden (aufgeblasenen) Hegemons, die
auch dort verankert ist.
Den Anhängern des US-amerikanisch inspirierten Liberalismus, wie sie
noch in Europa dominant und starrköpfig vertreten sind, werden diese
Einsichten als Letztes präsentiert. Denn im Weißen Haus, an der Wall
Street und im Pentagon ist Verlass darauf, dass Europa selbst diese
öffentlich zugängliche Information so lange wie möglich meiden wird.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.