aus e-mail von Doris Pumphrey, 15. Februar 2023, 18:55 Uhr
Berliner Zeitung 14.2.2023
<https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/seymour-hersh-im-interview-joe-biden-sprengte-nord-stream-weil-er-deutschland-nicht-traut-li.317700>
*Seymour Hersh im Interview: Joe Biden sprengte Nord Stream, weil er
Deutschland nicht traute
*Interview Fabian Scheidler
Der Investigativjournalist Seymour Hersh hat eine Recherche
veröffentlicht
<https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream>,
derzufolge die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines von der
US-Regierung mit Unterstützung Norwegens veranlasst worden sind. Die
US-Regierung und die CIA haben auf Hershs Anfrage seine Darstellung
bestritten. In vielen Medien wurde Hersh vorgeworfen, er habe seine
anonyme Quelle nicht offengelegt, weshalb seine Behauptungen nicht zu
überprüfen seien. Es wurde auch die Kritik formuliert, dass die
Recherche nicht
<https://oalexanderdk.substack.com/p/blowing-holes-in-seymour-hershs-pipe> stimmig
sei. Der Berliner Publizist Fabian Scheidler hat für die Berliner
Zeitung mit Seymour Hersh gesprochen.
/Herr Hersh, bitte legen Sie Ihre Erkenntnisse im Detail dar. Was ist
Ihrer Quelle zufolge genau passiert, wer war am Nord-Stream-Attentat
beteiligt und was waren die Motive?/
Es war eine Geschichte, die danach schrie, erzählt zu werden. Ende
September 2022 sollten in der Nähe der Insel Bornholm in der Ostsee
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/ostsee> acht Bomben gezündet
werden, sechs davon gingen hoch, in einem Gebiet, in dem es ziemlich
flach ist. Sie zerstörten drei der vier großen Pipelines von Nord Stream
1 und 2 <https://www.berliner-zeitung.de/topics/nord-stream>. Die
Nord-Stream-1-Pipeline hat Deutschland und andere Teile Europas seit
vielen Jahren mit sehr billigem Erdgas versorgt. Und dann wurde sie
gesprengt, ebenso wie Nord Stream 2, und die Frage war, wer das getan
hat und warum. Am 7. Februar 2022, gut zwei Wochen vor dem Einmarsch
Russlands in die Ukraine, sagte der US-Präsident Joe Biden auf einer
Pressekonferenz im Weißen Haus, die er mit dem deutschen Bundeskanzler
Olaf Scholz abhielt, dass die USA Nord Stream stoppen würden.
<https://www.youtube.com/watch?v=xWUuhNd37WI>
/Biden sagte wörtlich: „Wenn Russland einmarschiert, wird es kein Nord
Stream 2 mehr geben, wir werden dem Projekt ein Ende setzen.“ Und als
eine Reporterin fragte, wie genau er das zu tun gedenke, da das Projekt
vor allem unter deutscher Kontrolle stehe, sagte Biden nur: „Ich
verspreche, dass wir in der Lage sein werden, es zu tun.“
/Seine stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland, die tief in die
Geschehnisse der Maidan
<-Revolution" rel="noopener">https://www.berliner-zeitung.de/topics/maidan>-Revolution im Jahr 2014
verwickelt war, hatte sich ein paar Wochen zuvor ähnlich geäußert.
/Sie sagen, dass die Entscheidung, die Pipeline auszuschalten, sogar
noch früher von Präsident Biden getroffen wurde. Sie schreiben in Ihrem
Bericht, dass im Dezember 2021 der Nationale Sicherheitsberater Jake
Sullivan ein Treffen der neu gebildeten Taskforce der Joint Chiefs of
Staff, der CIA, des Außen- und des Finanzministeriums einberief. Sie
schreiben: „Sullivan wollte, dass die Gruppe einen Plan für die
Zerstörung der beiden Nord-Stream-Pipelines ausarbeitet.“/
Diese Gruppe wurde ursprünglich einberufen, um das Problem zu studieren.
Sie trafen sich in einem sehr geheimen Büro. Direkt neben dem Weißen
Haus <https://www.berliner-zeitung.de/topics/weisses-haus> gibt es ein
Bürogebäude, das Executive Office Building, es ist unterirdisch durch
einen Tunnel mit dem Weißen Haus verbunden. Und ganz oben befindet sich
ein Büro für eine geheime externe Gruppe von Beratern, die sich
President’s Intelligence Advisory Board nennt. Ich habe das erwähnt, um
den Leuten im Weißen Haus zu signalisieren, dass ich Informationen habe.
Das Treffen wurde also einberufen, um zu untersuchen, was wir tun
würden, wenn Russland in den Krieg zieht.
Das war drei Monate vor dem Krieg, vor Weihnachten 2021. Es handelte
sich um eine hochrangige Gruppe, die wahrscheinlich einen anderen Namen
hatte, ich nannte sie einfach „Interagency Group“, ich kenne den
offiziellen Namen nicht, falls es einen gab. Es handelte sich um die CIA
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/cia> und die National Security
Agency <https://www.berliner-zeitung.de/topics/nsa>, die die
Kommunikation überwacht und abhört, das Außenministerium und das
Finanzministerium, das Geld zur Verfügung stellt. Und wahrscheinlich
noch ein paar andere Organisationen, die beteiligt waren. Die Joint
Chiefs of Staff waren auch vertreten. Es ging darum, Empfehlungen zu
geben, wie Russland zu stoppen wäre, und zwar entweder mit reversiblen
Maßnahmen wie weiteren Sanktionen und wirtschaftlichem Druck oder mit
irreversiblen, „kinetischen“ Maßnahmen, z. B. Sprengungen.
Ich möchte hier nicht weiter in die Details gehen und nicht über ein
bestimmtes Treffen sprechen, weil ich meine Quelle schützen muss. Ich
weiß nicht, wie viele Leute daran teilgenommen haben, verstehen Sie, was
ich meine?
/In Ihrem Artikel schrieben Sie, dass die CIA-Arbeitsgruppe Anfang 2022
der „Interagency Group“ von Sullivan Bericht erstattete und sagte,
Zitat: „Wir haben eine Möglichkeit, die Pipelines zu sprengen.“/
Sie hatten einen Weg. Es gab dort Leute, die sich mit dem auskannten,
was wir in Amerika „Minenkrieg“ nennen. In der Marine der Vereinigten
Staaten gibt es Einheiten, die sich mit U-Booten befassen, es gibt auch
ein Kommando für Nukleartechnik. Und es gibt ein Minenkommando. Der
Bereich der Unterwasserminen ist sehr wichtig, und wir haben
ausgebildete Spezialisten dafür. Ein zentraler Ort für ihre Ausbildung
ist eine kleine Urlaubsstadt namens Panama City mitten im Nirgendwo in
Florida. Wir bilden dort sehr gute Leute aus und setzen sie ein.
Unterwasser-Minenspezialisten haben große Bedeutung, zum Beispiel um
versperrte Eingänge zu Häfen frei zu machen und Dinge in die Luft zu
jagen, die im Weg stehen. Sie können auch die Erdöl-Unterwasserpipelines
eines bestimmten Landes in die Luft jagen. Es sind nicht immer gute
Dinge, die sie tun, aber sie arbeiten absolut im Geheimen.
Für die Gruppe im Weißen Haus war klar, dass sie die Pipelines sprengen
können. Es gibt einen Sprengstoff namens C4, der unglaublich
wirkungsstark ist, vor allem bei der Menge, die sie verwenden. Man kann
ihn mit Unterwasser-Sonargeräten fernsteuern. Diese Sonargeräte senden
Signale auf niedrigen Frequenzen aus. Es war also möglich, und das wurde
dem Weißen Haus Anfang Januar mitgeteilt, denn zwei oder drei Wochen
später sagte die Unterstaatssekretärin Victoria Nuland, dass wir es tun
könnten. Ich glaube, das war am 20. Januar. Und dann sagte der
Präsident, als er zusammen mit dem deutschen Bundeskanzler am 7. Februar
2022 die Pressekonferenz abhielt
<https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/scholz-und-biden-wir-koennen-uns-aufeinander-verlassen-li.210560>,
ebenfalls, dass wir es tun könnten.
Der deutsche Kanzler hat damals nichts Konkretes gesagt, er war sehr
vage. Eine Frage, die ich Scholz gern stellen würde, wenn ich eine
parlamentarische Anhörung leiten würde, ist diese: Hat Joe Biden Ihnen
davon erzählt? Hat er Ihnen damals gesagt, warum er so zuversichtlich
war, dass er die Pipeline zerstören könnte? Wir als Amerikaner hatten
damals zwar noch keinen ausgearbeiteten Plan, aber wir wussten, dass wir
die Fähigkeit hätten, es zu tun.
/Sie schreiben, Norwegen spielte eine Rolle. Inwiefern war das Land
beteiligt – und warum sollten die Norweger so etwas tun?/
Norwegen ist eine große Seefahrernation, und sie haben Energiequellen in
der Tiefe. Sie sind auch sehr darauf bedacht, ihre Erdgaslieferungen
nach Westeuropa und Deutschland zu steigern. Und das haben sie auch
getan, sie haben ihre Exporte gesteigert. Warum sollten sie sich also
nicht aus wirtschaftlichen Gründen mit den USA zusammentun? In Norwegen
gibt es außerdem eine ausgeprägte Feindseligkeit gegenüber Russland.
/In Ihrem Artikel schreiben Sie, dass der norwegische Geheimdienst und
die Marine involviert waren. Sie sagen auch, dass Schweden und Dänemark
in gewisser Weise informiert wurden, aber nicht alles erfuhren./
Mir wurde gesagt: Sie taten, was sie taten, und sie wussten, was sie
taten, und sie verstanden, was vor sich ging, aber vielleicht hat
niemand jemals „Ja“ gesagt. Ich habe mit den Leuten, mit denen ich
gesprochen habe, sehr viel an diesem Thema gearbeitet. Jedenfalls
mussten die Norweger, damit diese Mission durchgeführt werden konnte,
den richtigen Ort finden. Die Taucher, die in Panama City ausgebildet
wurden, konnten ohne schweres Equipment bis zu 100 Meter tief tauchen.
Die Norweger fanden für uns eine Stelle vor der Insel Bornholm in der
Ostsee, die nur 260 Fuß (ca. 80 Meter) tief war, sodass sie dort
operieren konnten.
Die Taucher mussten langsam nach oben zurückkehren, es gab eine
Dekompressionskammer, und wir benutzten einen norwegischen U-Boot-Jäger.
Für die vier Pipelines wurden nur zwei Taucher eingesetzt. Ein Problem
war, wie man mit den Leuten umgeht, die die Ostsee überwachen. Die
Ostsee wird sehr gründlich überwacht, es gibt sehr viele frei verfügbare
Daten, also haben wir uns darum gekümmert, es gab drei oder vier
verschiedene Leute dafür. Und was dann gemacht wurde, ist ganz einfach.
Seit 21 Jahren führt unsere Sechste Flotte, die das Mittelmeer und auch
die Ostsee kontrolliert, jeden Sommer eine Übung für die Nato-Marinen in
der Ostsee durch /(BALTOPS, Anm. d. Red.)/
<https://www.berliner-zeitung.de/news/nato-kriegsschiffe-erreichen-finnischen-hafen-li.224177>.
Wir schicken einen Flugzeugträger und weitere große Schiffe zu diesen
Übungen. Und zum ersten Mal in der Geschichte hatte die Nato-Operation
im Baltikum ein neues Programm. Es sollte eine zwölftägige Übung zum
Abwurf und zum Aufspüren von Minen durchgeführt werden. Eine Reihe von
Nationen schickte Minenteams aus, eine Gruppe warf eine Mine ab, und
eine andere Minengruppe ging auf die Suche und sprengte sie.
Es gab also eine Zeit, in der Dinge in die Luft flogen, und in dieser
Zeit konnten die Tiefseetaucher operieren, die die Minen an den
Pipelines angebracht haben. Die beiden Pipelines verlaufen etwa eine
Meile voneinander entfernt, sie liegen ein wenig unter dem Schlick am
Meeresboden, aber sie sind nicht schwer zu erreichen, und die Taucher
hatten es geübt. Es dauerte nur ein paar Stunden, die Bomben zu platzieren.
/Das war also im Juni 2022?/
Ja, sie taten es gegen Ende der Übung. Aber in letzter Minute wurde das
Weiße Haus nervös. Der Präsident sagte, er habe Angst davor, es zu tun.
Er änderte seine Meinung und gab neue Befehle, sodass man die
Möglichkeit hatte, die Bomben jederzeit aus der Ferne zu zünden. Man
macht das mit einem ganz normalen Sonar, ein Produkt von Raytheon
übrigens, man fliegt über die Stelle und lässt einen Zylinder fallen. Er
sendet ein niederfrequentes Signal, man kann es als Flötenton
beschreiben, man kann verschiedene Frequenzen einstellen.
Die Befürchtung war allerdings, dass die Bomben nicht funktionieren
würden, wenn sie zu lange im Wasser blieben, was bei zwei Bomben
tatsächlich auch der Fall sein sollte. Es herrschte also Sorge innerhalb
der Gruppe, das richtige Mittel zu finden, und wir mussten uns
tatsächlich an andere Geheimdienste wenden, über die ich absichtlich
nicht geschrieben habe.
/Und was passierte dann? Die Sprengsätze waren platziert und man fand
einen Weg, sie fernzusteuern./
Joe Biden entschied damals im Juni, sie nicht in die Luft zu jagen, es
war fünf Monate nach Kriegsbeginn. Aber im September befahl er, es zu
tun
<https://www.berliner-zeitung.de/news/pulitzer-preistraeger-deshalb-sprengten-die-usa-die-nord-stream-pipeline-li.315751>.
Die operativen Mitarbeiter, die Leute, die für die Vereinigten Staaten
„kinetische“ Dinge tun, sie machen, was der Präsident sagt, und sie
dachten zunächst, dies sei eine nützliche Waffe, die er bei
Verhandlungen einsetzen könnte. Aber irgendwann, nachdem die Russen
einmarschiert waren und dann, als die Operation abgeschlossen war, wurde
die ganze Sache den Leuten, die sie durchführten, zunehmend zuwider. Es
handelt sich um Leute, die in Spitzenfunktionen bei den Geheimdiensten
arbeiten und gut ausgebildet sind. Sie wendeten sich gegen das Projekt,
sie hielten es für verrückt.
Kurze Zeit nach dem Anschlag, nachdem sie getan hatten, was ihnen
befohlen worden war, gab es bei den Beteiligten eine Menge Zorn über die
Operation und Ablehnung. Das ist einer der Gründe, warum ich so viel
erfahren habe. Und ich werde Ihnen noch etwas sagen. Die Menschen in
Amerika und Europa, die Pipelines bauen, wissen, was passiert ist. Ich
sage Ihnen etwas Wichtiges. Die Leute, denen Unternehmen gehören, die
Pipelines bauen, kennen die Geschichte. Ich habe die Geschichte nicht
von ihnen erfahren, aber ich habe schnell erfahren, dass sie es wissen.
/Lassen Sie uns zu dieser Situation im Juni des vergangenen Jahres
zurückkehren. Präsident Joe Biden beschloss, es nicht direkt zu tun und
verschob es./
Außenminister Antony Blinken
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/tony-blinken> sagte ein paar
Tage nach der Sprengung der Pipelines auf einer Pressekonferenz, dass
Putin ein wichtiger Machtfaktor genommen worden sei. Er sagte, die
Zerstörung der Pipelines sei eine ungeheure Chance – eine Chance,
Russland die Möglichkeit zu nehmen, die Pipelines als Waffe einzusetzen.
Es ging darum, dass Russland Westeuropa nicht mehr unter Druck setzen
konnte, die Unterstützung der USA im Ukraine-Krieg zu beenden. Die
Befürchtung war, dass Westeuropa nicht mehr mitmachen würde.
Ich glaube, der Grund für diese Entscheidung war, dass der Krieg für den
Westen nicht gut lief und sie Angst vor dem nahenden Winter hatten. Nord
Stream 2 wurde von Deutschland selbst auf Eis gelegt, nicht durch
internationale Sanktionen, und die USA hatten Angst, dass Deutschland
die Sanktionen wegen eines kalten Winters aufheben würde.
/Was sind Ihrer Meinung nach die Motive für den Anschlag? Die
US-Regierung war ja aus vielen Gründen gegen die Pipeline. Manche sagen,
sie war dagegen, weil sie Russland schwächen wollte oder um die
Beziehungen zwischen Russland und Westeuropa, insbesondere Deutschland,
zu schwächen. Aber vielleicht auch, um die deutsche Wirtschaft zu
schwächen, die ja ein Konkurrent der US-Wirtschaft ist. Die hohen
Gaspreise haben dazu geführt, dass Unternehmen in die USA abwandern. Was
ist Ihre Sicht auf die Motive der US-Regierung?/
Ich glaube nicht, dass sie das gründlich durchdacht haben. Ich weiß, das
klingt seltsam. Ich glaube nicht, dass Außenminister Blinken und einige
andere in der Regierung tiefgründige Denker sind. Es gibt sicherlich
Leute in der amerikanischen Wirtschaft, denen die Idee gefällt, dass wir
wettbewerbsfähiger werden. Wir verkaufen Flüssiggas (LNG) mit extrem
hohen Gewinnen, wir verdienen eine Menge Geld damit.
Ich bin sicher, dass es einige Leute gab, die dachten: Junge, das wird
der amerikanischen Wirtschaft einen langfristigen Schub geben. Aber im
Weißen Haus war man, glaube ich, immer von der Wiederwahl besessen, und
man wollte den Krieg gewinnen, man wollte einen Sieg erringen, man
wollte, dass die Ukraine irgendwie magisch gewinnt. Es könnte einige
Leute geben, die denken, dass es vielleicht besser für unsere Wirtschaft
ist, wenn die deutsche Wirtschaft schwach ist, aber das ist verrückt.
Ich denke, dass wir uns in etwas verstrickt haben, das nicht
funktionieren wird, der Krieg wird für diese Regierung nicht gut ausgehen.
/Was denken Sie, wie dieser Krieg enden könnte?/
Es spielt keine Rolle, was ich denke. Was ich weiß, ist, dass dieser
Krieg auf keinen Fall so enden wird, wie wir es uns wünschen, und ich
weiß nicht, was wir tun werden, wenn wir weiter in die Zukunft blicken.
Es macht mir Angst, dass der Präsident zu so etwas bereit war. Und die
Leute, die diese Mission durchführten, glaubten, dass der Präsident sich
darüber im Klaren war, was er den Menschen in Deutschland antat, dass er
sie für einen Krieg bestrafte, der nicht gut verlief. Und auf lange
Sicht wird dies nicht nur seinen Ruf als Präsident beschädigen, sondern
auch politisch sehr schädlich sein. Es wird ein Stigma für die USA sein.
Das Weiße Haus hatte die Befürchtung, dass es auf verlorenem Posten
stehen könnte, dass Deutschland und Westeuropa die von uns gewünschten
Waffen nicht mehr liefern würden und dass der deutsche Bundeskanzler die
Pipeline wieder in Betrieb nehmen könnte – das war eine große Sorge in
Washington. Ich würde Bundeskanzler Scholz eine Menge Fragen stellen.
Ich würde ihn fragen, was er im Februar erfahren hat, als er beim
Präsidenten war. Die Operation war streng geheim und der Präsident
sollte niemandem von unserer Fähigkeit erzählen, aber er plaudert gern,
er sagt manchmal Dinge, die er nicht sagen sollte.
/Über Ihre Geschichte wurde in deutschen Medien eher zurückhaltend und
kritisch berichtet. Manche griffen Ihren Ruf an oder sagten, Sie hätten
nur eine einzige anonyme Quelle, und das sei nicht zuverlässig./
Wie könnte ich über meine Quelle sprechen? Ich habe viele Geschichten
geschrieben, die auf ungenannten Quellen beruhen. Wenn ich jemanden
nennen würde, würde er gefeuert oder, noch schlimmer, eingesperrt
werden. Das Gesetz ist sehr streng. Ich habe noch nie jemanden enttarnt,
und wenn ich schreibe, sage ich natürlich, wie ich es in diesem Artikel
getan habe, dass es sich um eine Quelle handelt, Punkt. Im Laufe der
Jahre sind die Geschichten, die ich geschrieben habe, immer akzeptiert
worden.
/Wie haben Sie Ihre Fakten überprüft?/
Ich habe für die aktuelle Story mit ebenso erfahrenen Faktenprüfern
zusammengearbeitet, wie ich sie früher beim New Yorker hatte. Natürlich
gibt es viele Möglichkeiten, obskure Informationen, die mir mitgeteilt
werden, zu prüfen. Die persönlichen Angriffe auf mich verfehlen außerdem
den Punkt. Der Punkt ist, dass Biden beschlossen hat, die Deutschen
diesen Winter frieren zu lassen. Der Präsident der Vereinigten Staaten
möchte lieber, dass Deutschland friert, als dass Deutschland die Ukraine
möglicherweise nicht mehr unterstützt, und das ist für mich eine
verheerende Sache für dieses Weiße Haus.
/Der Punkt ist auch, dass dies als ein kriegerischer Akt nicht nur gegen
Russland, sondern auch gegen westliche Verbündete, insbesondere
Deutschland, wahrgenommen werden kann.
/Ich würde es einfacher formulieren. Die Leute, die an der Operation
beteiligt waren, sahen, dass der Präsident für seine kurzfristigen
politischen Ziele Deutschland frieren lassen wollte, und das hat sie
entsetzt. Ich spreche hier von Amerikanern, die den Vereinigten Staaten
gegenüber sehr loyal sind. Bei der CIA ist es so, dass man, wie ich es
in meinem Artikel formuliere, für die Macht arbeitet und nicht für die
Verfassung.
Der politische Vorteil der CIA liegt darin, dass ein Präsident, der
seine Pläne im Kongress nicht durchbekommt, mit dem CIA-Direktor im
Rosengarten des Weißen Hauses spazieren gehen kann, um etwas Geheimes zu
planen, das auf der anderen Seite des Atlantiks – oder wo auch immer auf
der Welt – viele Menschen treffen kann. Das war immer das
Alleinstellungsmerkmal der CIA – mit dem ich meine Probleme habe. Aber
selbst diese Gemeinschaft ist entsetzt darüber, dass Biden beschlossen
hat, Europa der Kälte auszusetzen, um einen Krieg zu unterstützen, den
er nicht gewinnen wird. Das ist für mich ruchlos.
/Sie sagten in Ihrem Artikel, dass die Planung des Angriffs dem Kongress
nicht gemeldet wurde, wie es bei anderen verdeckten Operationen
notwendig ist./
Die Sache wurde auch an viele Stellen innerhalb des Militärs nicht
gemeldet. Es gab noch an anderen Stellen Leute, die hätten informiert
werden müssen, aber nicht informiert wurden. Die Operation war sehr geheim.
/Welche Rolle spielt Mut für Sie in Ihrem Beruf?/
Was ist mutig daran, die Wahrheit zu sagen? Unser Job ist es nicht,
Angst zu haben. Und manchmal wird es hässlich. Es gab Zeiten in meinem
Leben, in denen ... – wissen Sie, ich spreche nicht darüber. Aber
Drohungen werden nicht an Menschen wie mich gerichtet, sondern an die
Kinder von Menschen wie mir. Es gab furchtbare Dinge. Aber man macht
sich keine Gedanken darüber, das kann man nicht. Man muss einfach tun,
was man tut.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.