Berlin will militärisch enger mit Singapur kooperieren und nutzt dabei den Unmut in Südostasien über den US-Machtkampf gegen China.
German-Foreign-Policy.com, 13. Nov. 2020
Hintergrund ist die neue "Indo-Pazifik"-Strategie der Bundesregierung, die die Stärkung des deutsch-europäischen Einflusses im regionalen Umfeld Chinas vorsieht; damit will sich Berlin dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Volksrepublik entgegenstellen. Um besser in der Region Fuß fassen zu können, nutzt die Bundesregierung den in Südostasien verbreiteten Unmut über die Forderung der US-Administration, der südostasiatische Staatenbund ASEAN solle sich im Machtkampf gegen China auf ihre Seite schlagen. Berlin wirbt mit der Aussage, man setze sich für eine "multipolare Welt" ein, "in der sich kein Land zwischen zwei Machtpolen entscheiden muss". Zu den deutschen Schwerpunkten in der Region gehört die Handels- und Finanzdrehscheibe Singapur, seit je ein Zielland auch deutscher Unternehmen, zudem ein wichtiger Kunde deutscher Rüstungsfirmen und ein Kooperationspartner der Bundeswehr.
Zitat: Unmut über die USA
Bei ihren aktuellen Einflussbestrebungen sucht die Bundesregierung sich zunutze zu machen, dass die US-Politik in der Region zuletzt zunehmend auf Unmut gestoßen ist. China ist in Südostasien längst die dominierende Wirtschaftsmacht; sein Handel mit den ASEAN-Staaten habe mittlerweile ein Volumen von 650 Milliarden US-Dollar pro Jahr erreicht, das Doppelte des ASEAN-Handels mit den Vereinigten Staaten, hielt kürzlich Dino Patti Djalal, einstiger Botschafter Indonesiens in den USA, Ex-Vizeaußenminister seines Landes, fest. Daher habe kein Staat der Region Interesse, sich aggressiv gegen China zu positionieren, wie die Trump-Administration es verlange. Es gebe durchaus Differenzen mit Beijing, doch habe man inzwischen Wege gefunden, sie zu lösen; im Übrigen helfe die Volksrepublik im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie, unter anderem mit der baldigen Lieferung von Impfstoffen [3], was die Vereinigten Staaten nicht täten. Ohnehin herrsche in Südostasien die verbreitete Ansicht, die USA seien "interventionistischer als China". Zu den Bestrebungen Washingtons, ASEAN zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen China anzustacheln, hielt Djalal explizit fest, "keine südostasiatische Regierung" habe auf die Aufforderung, die Volksrepublik zu isolieren oder sich ihr zu widersetzen, "geantwortet, geschweige denn Applaus gespendet".[4] Vielmehr hat etwa die indonesische Regierung vor kurzem ganz offen die US-Forderung abgewiesen, Spionageflugzeuge in Indonesien zwischenlanden zu lassen.[5]
Zitat: Militärkooperation
Laut Riedel "spielt in diesem Kontext der sicherheitspolitische Bereich eine spezielle Rolle".[7] Singapur gehört traditionell zu den bedeutendsten Käufern deutscher Rüstungsgüter außerhalb der NATO. So nutzt es unter anderem mehr als 200 Kampfpanzer des Typs Leopard 2, verfügt über sechs Korvetten, die von der staatseigenen Singapore Technologies Engineering (ST Engineering) gemeinsam mit der Bremer Lürssen-Werft gebaut wurden, und hat vier U-Boote bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel bestellt; das erste davon soll im kommenden Jahr ausgeliefert werden. Singapurs Panzertruppen werden in Ermangelung geeigneter Übungsplätze in dem äußerst dicht besiedelten Stadtstaat in Deutschland ausgebildet - früher in Bergen, jetzt in der Oberlausitz; zudem werden U-Boot-Crews Berichten zufolge parallel zu den Probefahrten des ersten neuen U-Boots in Kiel trainiert. Seit kurzem ist ein deutscher Marineoffizier zu einem Informationszentrum (Information Fusion Centre) abgeordnet worden, das von Singapurs Marine beherbergt wird und dem Austausch von Informationen zur "maritimen Sicherheit" dient. Mit eigenen Militärs vertreten sind neben den ASEAN-Staaten etwa die USA, Australien, Frankreich und Großbritannien, aber auch China. Berlin will darüber hinaus ein "German Information Centre" in Singapur installieren, das gegen die Verbreitung von "Fake News" vorgehen soll - ein interessantes Ziel, da in Singapur die Pressefreiheit ohnehin faktisch stark eingeschränkt ist. Genaueres wird Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am heutigen Freitag in einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen Ng Eng Hen diskutieren.[8]
Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8441