03.09.2021

US-Völkerrechtler   "Dieser Krieg ist illegal"

spiegel.de, vom 31.10.2001, 13.56 Uhr, Das Interview führte Christoph Schult

Der renommierte amerikanische Völkerrechtler Francis Boyle wirft der US-Regierung vor, mit den Angriffen auf Afghanistan gegen die Resolution des Uno-Sicherheitsrates zu verstoßen. Selbst wenn es Beweise für Bin Ladens Schuld gäbe, müsste Bush nach dem Völkerrecht mit den Taliban über eine Auslieferung verhandeln, sagt Boyle im Interview mit SPIEGEL ONLINE.

SPIEGEL ONLINE:

Herr Boyle, ist das bestehende Völkerrecht überhaupt in der Lage, Anschläge wie die auf New York und Washington zu beurteilen?

Boyle: Auf jeden Fall. Die Angriffe haben eindeutig die Montreal-Konvention von 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt verletzt, die sowohl die USA als auch Afghanistan sowie über 150 andere Staaten unterzeichnet haben. Dieses Abkommen bietet einen exzellenten juristischen Rahmen, um auf diese Anschläge zu reagieren.

SPIEGEL ONLINE: Verträge klingen immer gut. Aber brauchen wir nicht - angesichts dieser neuen Dimension des Terrors - eine internationale Organisation zu Bekämpfung des Terrorismus?

Boyle: Ich würde nicht von einer neuen Dimension sprechen. Dieses Problem gibt es seit den sechziger Jahren. Neu ist nur die große Zahl der Opfer in den USA. Diese Zahl ist ohne Zweifel schrecklich. Aber das Völkerrecht kommt mit solchen Anschlägen zurecht - vorausgesetzt die Regierungen stufen sie als terroristische Aktionen ein. Wenn wir sie dagegen als Kriegsakt bezeichnen, geben wir Kriminellen eine Würde, die ihnen normalerweise nicht zuteil würde.

SPIEGEL ONLINE: US-Präsident George W. Bush hat die Anschläge als "Akt des Krieges" bezeichnet und nicht als Terror-Aktion.

Boyle: Das waren eindeutig terroristische Akte, wie sie im amerikanischen Gesetz definiert sind.

SPIEGEL ONLINE: Was ist denn die Definition eines terroristischen Aktes?

Boyle: Dabei handelt es sich um nichtstaatliche Akteure, die Gewalt gegen zivile Objekte oder gegen Zivilisten ausüben mit der Absicht, die Bevölkerung oder die Regierung in Angst zu versetzen.

SPIEGEL ONLINE: Aber im Völkerrecht gibt es eine solche Definition nicht.

Boyle: Es gibt keine von allen Seiten akzeptierte Definition. Aber die internationale Gemeinschaft hat sich darauf verständigt, dass terroristische Anschläge illegal sind und als kriminelle Handlungen eingestuft werden sollen. Neben der Montreal-Konvention gibt es zum Beispiel das "Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus" von 1999 und die "Konvention gegen Geiselnahme" aus dem Jahr 1979.

SPIEGEL ONLINE: Warum hat Bush die Anschläge dann als kriegerischen Akt gewertet?

Boyle: Auf der ersten Pressekonferenz nannte er sie noch terroristische Akte. Dadurch unterlägen sie der Durchsetzung nationalen und internationalen Rechts. So wurde auch der Anschlag in Oklahoma behandelt, den Timothy McVeigh 1995 verübte. Genauso eingestuft wurden auch die Anschläge auf die beiden US- Botschaften in Kenia und Tansania. Aber nach Beratung mit Außenminister Powell entschied Bush, die Anschläge einen "Act of War" zu nennen und mit militärischen Mitteln zu reagieren.

SPIEGEL ONLINE: Aber der amerikanische Kongress hat dem zugestimmt!

Boyle: Ja, leider. Nachdem Bush seine Rhetorik eskaliert und die Anschläge mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Jahre 1941 gleichgesetzt hatte, schloss sich der Kongress dem Präsidenten an und autorisierte ihn, militärische Mittel einzusetzen. Diese Resolution war sogar schlimmer als die Tonkin Gulf Resolution, die Präsident Johnson 1964 erwirkte, um den Krieg in Vietnam zu führen.

SPIEGEL ONLINE: Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Bush freie Hand gegeben.

Boyle: Das stimmt nicht. Die erste Resolution des Sicherheitsrats vom 12. September sprach von einem terroristischen Anschlag. Es war nie die Rede von einem bewaffneten Angriff. Erst dadurch wäre Artikel 51 der Uno-Charta zum Tragen gekommen...

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SPIEGEL ONLINE: ...der jedem Staat das Recht auf Selbstverteidigung einräumt.

Boyle: Bush versuchte die Zustimmung für militärische Gewalt zu bekommen und scheiterte. Er wollte vom Sicherheitsrat eine ähnliche Resolution bekommen wie sein Vater im Golfkrieg. Bush senior wurde damals ermächtigt, zur Vertreibung des Iraks aus Kuweit "alle notwendigen Mittel" zu benutzen. Am 28. September scheiterte Bush erneut. Am 7. Oktober schickte dann der amerikanische Botschafter bei der Uno, John Negroponte, einen Brief an den Sicherheitsrat, der mitteilte, dass die USA ihr Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen. Aber dies ist ganz eindeutig kein Fall von Selbstverteidigung. Nach den Regeln des Völkerrechts ist dieser Krieg illegal.

SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?


Wie US-Außenminister Colin Powell zugab, dass es keine Beweise gegen Osama Bin Laden gibt


Boyle: Es gibt keinen Beweis dafür, das die Regierung in Afghanistan die Anschläge in New York autorisierte oder billigte. Die Angriffe auf Afghanistan sind bestenfalls Vergeltung.

SPIEGEL ONLINE: Aber es gibt doch wohl Beweise, dass Bin Laden die Anschläge in Auftrag gegeben hat. Und er handelte schließlich von afghanischem Territorium aus.

Boyle: Dafür gibt es keinen Beleg. Außenminister Powell versprach ein so genanntes "White Paper", in dem er die Beweise darlegen würde. Bush untersagte ihm das. Aber in einem Interview mit der "New York Times" sagte Powell, dass es gegen Bin Laden nicht einmal Indizien gebe. Das ist ein Rechtsfall, der nicht einmal vor einem normalen Strafgericht standhalten würde.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Nato-Staaten haben die Unterrichtung durch den Sondergesandten Taylor als Beweis akzeptiert.

Boyle: Nach Aussage eines westlichen Diplomaten legte Taylor in der Sitzung des Nato-Rates keinerlei Beweise vor, dass Bin Laden die Anschläge anordnete oder die Taliban davon wussten. Beweise waren auch nicht wichtig, weil sich Bush ohnehin schon für den Krieg entschieden hatte.

SPIEGEL ONLINE: Aber spielt das denn eine Rolle? Der Nato-Rat akzeptierte den US-Bericht und rief den Bündnisfall aus.

Boyle: Die Nato tut stets, was die USA von ihr verlangen. Die Allianz wurde gegründet, um Europa gegen einen Angriff der Sowjetunion zu verteidigen. Mit dem Kollaps des Warschauer Paktes war die Existenzgrundlage der Nato verschwunden. Bush senior brachte den Nato-Rat dazu, zwei neuen Legitimationsgründen für die Nato zuzustimmen. Sie sollte einerseits als eine Art Polizei in Osteuropa dienen. Andererseits sollte sie als Interventions-Truppe im Nahen Osten fungieren, um Ölreserven zu schützen.

SPIEGEL ONLINE: Aber beim Washingtoner Gipfel 1999 schlossen die Nato-Mitgliedsländer auch den Kampf gegen den Terrorismus in ihre Ziele ein.

Boyle: Der Nato-Vertrag wurde niemals um dieses Ziel erweitert. Der Vertrag wurde ursprünglich auf Basis von Artikel 51 der Uno-Charta geschlossen. Also kann der Bündnisfall nur eintreten im Falle eines bewaffneten Angriffs eines Staates auf ein Nato-Mitglied. Deshalb hatte die Nato auch kein Recht, Jugoslawien zu bombardieren, weil Serbien die Nato vorher nicht angegriffen hatte.

SPIEGEL ONLINE: Wie hätte denn die US-Regierung reagieren sollen?

Boyle: Sie hätten auf der Basis der Montreal Sabotage Convention Verhandlungen eröffnen sollen. Das passierte zum Beispiel mit Libyen im Lockerbie-Fall. Vor dem 11. September hat die US-Regierung ja auch mit den Taliban über eine Auslieferung Bin Ladens verhandelt wegen der Anschläge auf die US-Botschaften in Afrika und wegen der inhaftierten Shelter-Now-Mitarbeiter. Die Taliban waren damals bereit, Bin Laden an ein islamisches Land auszuliefern und auf Basis der islamischen Scharia anzuklagen. Nach dem 11. September machten sie weitere Konzessionen: Bin Laden könnte an ein neutrales Land ausgeliefert werden. Sie bestanden nicht mehr länger auf einem islamischen Gerichtsverfahren, forderten aber Beweise. Die Taliban haben sich an die Anforderungen des internationalen Rechts gehalten, Bush leider nicht.

SPIEGEL ONLINE: Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die Angebote der Taliban ernst gemeint waren?

Boyle: Wie gesagt: Vor dem 11. September haben die USA auch mit den Taliban verhandelt. Und 1996 schickte Präsident Bill Clinton einen Diplomaten nach Afghanistan um über die Anerkennung der Taliban-Regierung zu verhandeln.

SPIEGEL ONLINE: Wenn das Völkerrecht so eindeutig ist - warum ignorieren die Vereinigten Staaten es dann?

Boyle: Ich glaube, dass sich die US-Regierung bereits vor dem 11. September für einen Krieg gegen Afghanistan entschieden hatte.

SPIEGEL ONLINE: Aber mit welchem Ziel?

Boyle: Die Öl- und Erdgasreserven in Zentralasien sind die zweitgrößten nach denen im Persischen Golf. Nach dem Kollaps der Sowjetunion nahm die US-Regierung sofort diplomatische Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten auf. Politiker wie der ehemalige Verteidigungsminister Caspar Weinberger sagten, dass die Ölfelder Zentralasiens zum vitalen Interesse der Vereinigten Staaten gehören...

SPIEGEL ONLINE: ...und die amerikanische Ölgesellschaft Unocal verhandelte mit den Taliban über eine Pipeline aus Zentralasien durch Afghanistan nach Pakistan...

Boyle: Die US-Regierung wollte nicht, dass irgendeine Pipeline durch Russland oder Iran laufen würde. Die billigste und einfachste Route läuft durch Afghanistan. Außerdem gibt es dort selbst auch Ölreserven. Öl und Gas sind die wahren Interessen der US-Regierung, nicht Bin Laden.


Info: 
https://www.spiegel.de/politik/ausland/us-voelkerrechtler-dieser-krieg-ist-illegal-a-164785.html
02.09.2021

Abstiegskämpfe     Experten stufen Niederlage in Afghanistan als "weitere Etappe im Abstieg des Westens" ein. Der will nun "Nation Building" zurückstellen und orientiert auf Großmachtkonflikte.

german-foreign-policy.com, 2. September 2021

BERLIN/WASHINGTON(Eigener Bericht) - Der Westen geht geschwächt aus 20 Kriegsjahren in Afghanistan sowie im Nahen und Mittleren Osten hervor und konzentriert seine Kräfte nun geballt auf die großen Machtkämpfe gegen Russland und vor allem gegen China. Dies zeigen mehrere Stellungnahmen aus Anlass des endgültigen Abzuges der westlichen Streitkräfte vom Hindukusch, der diese Woche abgeschlossen wurde. So erklärt US-Präsident Joe Biden, Washington werde in Zukunft wohl auf Militäreinsätze zwecks "Nation Building" verzichten, um sich stattdessen für die "neuen Herausforderungen" durch Moskau und Beijing zu stärken. Deutschland hat den Schwenk zur Großmachtkonfrontation in seiner Rüstungs- und Militärpolitik längst vollzogen, rüstet vor allem für Kriege gegen Streitkräfte starker Staaten auf und fokussiert seine Manöver vor allem auf Szenarien eines Waffengangs gegen Russland; hinzu kommen zunehmend militärische Aktivitäten in Asien und der Pazifikregion. Über die schwere Niederlage am Hindukusch, die mit einer massiven Ressourcenverschwendung einherging, urteilen Experten, sie sei eine "weitere Etappe im Abstieg des Westens".

Zitat: Mehr Terror als 2001

Verloren hat der Westen den Krieg in Afghanistan nicht nur bezüglich seines Ziels, in dem Land eine prowestliche Regierung mit den entsprechenden staatlichen Strukturen zu etablieren ("Nation Building"): Die Taliban, mit deren Sturz der Krieg im Oktober 2001 begann, sind in Kabul wieder an der Macht. Anders als öffentlich behauptet, ist allerdings auch misslungen, was seit einiger Zeit weithin zum "eigentlichen Ziel" des Waffengangs erklärt wird, um das umfassende Scheitern zu verschleiern: den jihadistischen Terror aus Afghanistan zu vertreiben. Das bestätigen nicht nur die Anschläge des ISKP (Islamic State Khorasan Province), die die militärische Evakuierung in den vergangenen Tagen begleiteten, sondern auch Einschätzungen von Experten. So konstatiert Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), zwar seien "die Organisationen der Terrorszene" wie etwa Al Qaida womöglich "heute etwas schwächer"; allerdings sei "die Gesamtszene stärker" geworden: Es gebe inzwischen "mehr islamistische Terroristen an mehr Orten weltweit" - und diese hätten "in den letzten Jahren mehr Anschläge mit mehr Todesopfern als um 2001" verübt.[1] "Schlimmer als 2001" sei die Situation "vor allem in Syrien, Irak und Afghanistan".


Billionensummen verschwendet

Hinzu kommt, dass dass der Westen und insbesondere dessen Führungsmacht, die Vereinigten Staaten, 20 Jahre lang gewaltige Ressourcen für den Krieg aufgewandt haben - mit der Folge, dass diese an anderer Stelle fehlten. Die Angaben schwanken. US-Präsident Joe Biden hat am Dienstag den Betrag von zwei Billionen US-Dollar allein für den Krieg in Afghanistan genannt - im Durchschnitt nahezu 300 Millionen US-Dollar pro Tag.[2] Beim renommierten Council on Foreign Relations (CFR) ist gar von gut 2,3 Billionen US-Dollar für den Afghanistan-Krieg die Rede; zusammen mit den anderen Kriegen der vergangenen zwei Jahrzehnte, vor allem mit dem Krieg im Irak, komme man auf eine geschätzte Summe von sechs Billionen US-Dollar.[3] Die direkten Kosten für die Bundeswehreinsätze in Afghanistan werden von der Bundesregierung auf 12,2 Milliarden Euro beziffert; für die staatlichen Gesamtausgaben Berlins, Militärausgaben plus Mittel etwa für humanitäre Hilfe, werden 18 Milliarden Euro genannt.[4] Folgekosten sind dabei noch nicht eingerechnet. Wie beispielsweise SWP-Experte Steinberg urteilt, hat "der relative Abstieg der USA" gegenüber China, der in den vergangenen Jahren festzustellen war, auch mit den "Kriegen und ihren enormen Kosten zu tun": Die Zeit seit 2001 sei "eine weitere Etappe im Abstieg des Westens".[5]


Großmachtkonflikt statt "Nation Building"

US-Präsident Biden hat die Konsequenzen daraus gezogen und den pünktlichen Abzug zum 31. August durchgesetzt, um sämtliche Kräfte nun geballt auf den erbitterten Kampf um die Weltmacht vor allem gegen China zu fokussieren. "Die Welt ändert sich", konstatierte Biden zum Abzug vom Hindukusch; man habe es nicht nur "mit Herausforderungen an mehreren Fronten mit Russland" zu tun, man stecke darüber hinaus "in einem ernsten Wettbewerb mit China". Um "diesen neuen Herausforderungen zu begegnen", müsse man "Amerikas Wettbewerbsfähigkeit stärken".[6] Nichts gebe es, "was China oder Russland lieber hätten", als dass "die Vereinigten Staaten ein weiteres Jahrzehnt in Afghanistan feststeckten". Man müsse deshalb in Zukunft - anders als in Afghanistan - immer "klare, erreichbare Ziele" verfolgen; es gehe darum, "eine Ära großer Militäroperationen", die darauf abstellten, "andere Länder neu zu gestalten", zu beenden. Anstelle "Nation Building" zu betreiben, solle man sich gänzlich "auf die fundamentalen nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika fokussieren". Als zentral gilt dabei der Kampf um die Weltmacht gegen China.


"Umdenken in der Außenpolitik"

Ähnlich haben sich in den vergangenen Tagen einflussreiche Leitkommentatoren in Deutschland geäußert. So hieß es etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, "nach Afghanistan" benötige die Bundesrepublik "vor allem ein Umdenken in der Außenpolitik".[7] "Die Lektion", die man am Hindukusch gelernt habe, laute: "Man kann fremde Völker nicht zu ihrem Glück zwingen". Daher müsse man "lernen, unsere moralischen und politischen Ansprüche an unsere Fähigkeiten und an die Realität anzupassen". Die Kriege der vergangenen zwei Jahrzehnte in der islamischen Welt hätten nur "zu Instabilität, Migration nach Europa und geopolitischen Geländegewinnen von China und Russland geführt"; das sei "nicht zu rechtfertigen". Vielmehr werde es in Zukunft gelten, im Sinne "klassischer Außenpolitik ... die eigenen Interessen zu wahren". Der Westen werde sich nur noch "dann in Konflikte einmischen", wenn er "sich unmittelbar in seiner eigenen Sicherheit bedroht" sehe, urteilt der bestens vernetzte Berliner Politikwissenschaftler und -berater Herfried Münkler.[8] Münkler hatte die Niederlage des Westens in Afghanistan bereits im Mai ausdrücklich als eine "historische Zäsur" eingestuft.[9]


Gegen Russland und China

Nicht anders als die Vereinigten Staaten nutzt auch Deutschland die "Zäsur", um sich noch stärker als bisher auf die großen Machtkämpfe gegen Russland und gegen China zu konzentrieren. Dies zeigen überdeutlich die Verschiebungen in der Rüstungs- und Militärpolitik der vergangenen Jahre. So steht bei den großen deutschen Aufrüstungsprogrammen die Beschaffung von Kriegsgerät nicht mehr für die Piraten- und Aufstandsbekämpfung, sondern für die Großmachtkonfrontation im Vordergrund - Mehrzweckkampfschiffe und U-Boote, High-Tech-Kampfjets [10], die Befähigung zur Kriegführung im Weltraum [11]. Manöver, die die Kriegführung gegen Russland simulieren, sind stark ausgeweitet worden und erstrecken sich mittlerweile von der Arktis [12] bis zum Schwarzen Meer; prominentestes Beispiel sind die Defender Europe-Großmanöver, die zuletzt den militärischen Aufmarsch der US-Streitkräfte in Südosteuropa gegen Russland mit Hilfe der europäischen Verbündeten probten [13]. Gleichzeitig beginnt sich die Bundeswehr zunehmend auf einen möglichen Waffengang gegen China vorzubereiten, weitet die militärische Kooperation mit mehreren Staaten Asiens und der Pazifik-Region aus - vor allem Australien, Japan, Südkorea, Indien - und hat Anfang August mit der Fregatte Bayern erstmals seit vielen Jahren ein deutsches Kriegsschiff in den Pazifik und das Südchinesische Meer entsandt.[14] Das Ende des Kriegs in Afghanistan setzt auch in Deutschland Potenziale für die Großmächtekonfrontationen frei.

 

[1] Sven Hansen: "Etappe im Abstieg des Westens". taz.de 31.08.2021.

[2] Remarks by President Biden on the End of the War in Afghanistan. whitehouse.gov 31.08.2021.

[3] Charles A. Kupchan: Exiting Afghanistan Will Improve America's Global Standing in the Long Run. cfr.org 31.08.2021.

[4] Sandra Petersmann: Afghanistan-Abzug: Deutschland zieht Bilanz. dw.com 29.06.2021.

[5] Sven Hansen: "Etappe im Abstieg des Westens". taz.de 31.08.2021.

[6] Remarks by President Biden on the End of the War in Afghanistan. whitehouse.gov 31.08.2021.

[7] Nikolas Busse: Afghanistan ist nicht zu retten. Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.08.2021.

[8] Torsten Riecke: Herfried Münkler zum Afghanistan-Desaster: "Es gibt ein spezifisch deutsches Scheitern". handelsblatt.com 21.08.2021.

[9] Herfried Münkler: Der Abschied aus Afghanistan ist eine historische Zäsur. nzz.ch 04.05.2021.

[10] S. dazu Aufrüsten für die Großmachtkonfrontation.

[11] S. dazu Krieg der Satelliten.

[12] S. dazu Die Militarisierung der Arktis.

[13] S. dazu Kein Lockdown für Militärs (II).

[14] S. dazu Illegal besetzte Inseln und Zum Feind erklärt.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8691
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03.09.2021

Gegenseitige Zähmung

Handelsblatt, vom 2. September 2021, S. 48 

Wenn eine aufstrebende Macht die bestehende Supermacht herausfordert, kommt es oft zum Krieg. Wieso China und die USA nicht in dieses historische Muster passen, analysieren Charles Krulak und Alex Friedman.

Zitat: Im Jahr 2034 sind die Vereinigten Staaten und China in eine Reihe militärischer Konflikte verwickelt, die zum Einsatz taktischer Atomwaffen führen. Andere Länder - darunter Russland, Iran und Indien - werden hineingezogen. Plötzlich steht die Welt am Rande des Dritten Weltkriegs.

Dieses Szenario wird in "2034: A Novel of the Next World War" geschildert, einem fesselnden dystopischen Roman, den der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis gemeinsam mit Elliot Ackerman verfasst hat. Das Buch reiht sich ein in immer lauter werdende Stimmen, die vor einem nahezu unvermeidlichen Zusammenstoß zwischen der aufstrebenden und der amtierenden Weltmacht warnen.

Es stimmt, dass es im Laufe der Geschichte häufig Krieg gab, wenn eine aufstrebende Macht eine herrschende Macht herausgefordert hat. Es gibt aber bemerkenswerte Ausnahmen. Ein Krieg zwischen den USA und China ist heute ebenso wenig unausweichlich wie ein Krieg zwischen den aufstrebenden USA und dem untergehenden britischen Empire vor einem Jahrhundert.

Ausgehend vom heutigen Umfeld gibt es vier zwingende Gründe zur Annahme, dass ein Krieg zwischen den USA und China vermieden werden kann.

Vor allen Dingen würde jeder militärische Konflikt zwischen den beiden Staaten schnell zum Atomkrieg führen. Die USA befinden sich damit in der gleichen Situation wie gegenüber der Sowjetunion.

Taiwan könnte leicht zum Stolperdraht dieses Jahrhunderts werden, so wie es die strategisch verletzliche "Lücke von Fulda" (Fulda Gap) in Deutschland während des Kalten Krieges war. Aber die gleiche Dynamik des "Gleichgewichts des Schreckens", die den amerikanisch-sowjetischen Konflikt in Grenzen hielt, gilt auch für die USA und China. Und die internationale Gemeinschaft würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass ein potenzieller Atomkonflikt ausbleibt, da die Folgen länderübergreifend sind und unmittelbar eintreten würden.

Ein Konflikt zwischen den USA und China würde mit ziemlicher Sicherheit eher die Form eines Stellvertreterkrieges annehmen als einer Konfrontation zwischen Großmächten. Jede Supermacht könnte sich in einem innerstaatlichen Konflikt in einem Land wie Pakistan, Venezuela, Iran oder Nordkorea auf eine andere Seite schlagen und eine Kombination aus Wirtschafts-, Cyber- und diplomatischen Instrumenten einsetzen. Wir haben diese Art von Konflikten schon oft erlebt: Von Vietnam bis Bosnien hatten es die USA eher mit Stellvertretern als mit ihrem Hauptgegner zu tun.

Zweitens ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es China historisch gesehen langsam angehen lässt. Die chinesische Militärmacht ist zwar drastisch gewachsen, bleibt aber in fast allen wichtigen Bereichen nach wie vor hinter den USA zurück.

Daher wäre es für China in seiner derzeitigen Entwicklungsphase zu gefährlich, es zu einem direkten Konflikt mit den USA kommen zu lassen. Käme es zu einem solchen Konflikt, hätte China kaum eine andere Wahl, als den nuklearen Geist aus der Flasche zu lassen.

Wenn wir über Ausgangsszenarien nachdenken, sollten wir daher einem Gedankenspiel, in dem die Chinesen bewusst eine militärische Konfrontation mit Amerika herbeiführen, weniger Gewicht beimessen. Das US-Militär neigt jedoch dazu, für den schlimmsten Fall zu planen, und konzentriert sich derzeit auf einen potenziellen direkten Konflikt mit China - eine Fixierung mit Anklängen an die amerikanisch-sowjetische Dynamik.

Damit steigt das Risiko, von anderen Bedrohungen überrumpelt zu werden. Seit dem Koreakrieg haben sich immer wieder asymmetrische Bedrohungen als die problematischsten für die nationale Sicherheit erwiesen. Der Aufbau von Streitkräften, die für den schlimmsten Fall gerüstet sind, ist kein Erfolgsgarant im gesamten Spektrum der Kriegsführung.

Der dritte Grund für die Annahme, dass ein amerikanisch-chinesischer Konflikt vermieden werden kann, ist die Tatsache, dass China bereits Siege im globalen Soft-Power-Krieg verbuchen kann. Allen Anschuldigungen zum Trotz, Covid-19 sei aus einem Labor in Wuhan entwichen, hat China die Pandemie deutlich besser überstanden als die USA.

Und mit der Initiative Neue Seidenstraße hat Peking aggressiv die Lücke genutzt, die die Ausgabenkürzungen der USA während der vierjährigen Präsidentschaft von Donald Trump hinterlassen haben. Die chinesische Führung könnte beim Blick auf den Status quo zu dem Schluss kommen, dass sie auf dem richtigen strategischen Weg ist.

Zu guter Letzt sind China und die USA wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Trotz Trumps Handelskrieg belief sich der bilaterale Handel im Jahr 2020 auf rund 650 Milliarden Dollar, und China war der größte Handelspartner der USA. Die Lieferketten beider Länder sind umfassend miteinander verknüpft, und China hält mehr als eine Billion Dollar in US-Staatsanleihen, von denen es die meisten nicht ohne Weiteres abstoßen kann, ohne massive Verluste zu erleiden.

Allerdings kann die Logik durch eine einzige Handlung und deren unbeabsichtigte Folgen untergraben werden. Etwas so Einfaches wie eine Fehlkommunikation kann einen Stellvertreterkrieg zu einem zwischenstaatlichen Flächenbrand eskalieren lassen. Und wie die Situation in Afghanistan und im Irak zeigt, ist Amerikas Erfolgsbilanz in kriegsgeplagten Ländern nicht gerade ermutigend.

China hat seine Interventionen im Ausland unterdessen drastisch ausgeweitet. Aufgrund seiner expansionistischen Mentalität, seines wachsenden Entwicklungshilfeprogramms und des zunehmenden Nationalismus im eigenen Land könnte China nur allzu leicht eine Auslandsintervention starten, die die Interessen der USA bedrohen könnte.

Vor allem der Einsatz von Cybertaktiken könnte konventionelle militärische Kommando- und Kontrollsysteme untergraben und die politische Führung zu schlechten Entscheidungen zwingen, wenn traditionellere Optionen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Und die chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen könnten an Bedeutung verlieren, vor allem wenn China von einem exportorientierten Wachstumsmodell zu einem Modell übergeht, das auf Binnenkonsum basiert, und wenn die Investitionsströme in beide Richtungen angesichts der eskalierenden bilateralen Spannungen zurückgehen.

Ein "Fehlgriff" eines der beiden Länder ist immer möglich. Deshalb ist die Diplomatie so wichtig. Jedes Land muss seine unabdingbaren nationalen Interessen gegenüber dem anderen Land definieren, und beide müssen die gleiche Frage aus der Perspektive des anderen betrachten.

Es mag schwer zu akzeptieren (und eine unliebsame Äußerung) sein, aber die Bürgerrechte in China sind vielleicht kein wesentliches nationales Interesse der USA. Umgekehrt sollte China verstehen, dass die USA sehr wohl wesentliches Interesse an Taiwan haben.

Die USA und China werden in vielerlei Hinsicht aneinandergeraten. Aber ein direkter Krieg muss nicht dazugehören.

Die Autoren

Charles Krulak ist General a. D., war Kommandeur der US-Marineinfanterie und Präsident des Birmingham-Southern-College.

Alex Friedman ist Mitbegründer der Denkfabrik Jackson Hole Economics und war Finanzchef der Bill & Melinda Gates Stiftung.

02.09.2021

           -  zur Diskussion über die Widersprüche - bitte weiterleiten  -

                Kriegsparteien sind nicht wählbar, weil sie eine Gefahr für den Frieden sind!


Wer eine Zukunft ohne Krieg und ohne Wettrüsten will, muss andere als die etablierten Parteien wählen. Denn diese sind immer mehr zum Selbstbedienungsobjekt von Macht- und Geldgierigen geworden, die zwar viel versprechen aber  a l l e  Lehren aus zwei Weltkriegen vergessen haben.


Nicht nur der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, der stolz darauf war nie Soldat gewesen zu sein, gelobte alles zu tun um das Zeitalter der Gewalt zu beenden. Auch Millionen Bürger*innen haben kein Militär und keinen Krieg immer wieder versprochen bekommen aber konnten das nie durch Wahlen realisieren. 


                                                          Anders zu wählen ist möglich. 


Heute, nachdem unzählige Milliarden für Rüstung und Militär ausgegeben worden sind, wird immer noch weiter gerüstet. Obwohl zwanzig Jahre erfolgloser Krieg in Afghanistan und anderen Ländern zeigen, wie sinnlos sogar moderne Kriege sind. Gegenwärtig sind alle im Bundestag vertretenen Parteien zur Rückbesinnung auf unsere Nachkriegsgelöbnisse nicht bereit. Sondern haben lt. isw (sozial-ökologisches Wirtschaftsinstitut e.V.) in 2020 unglaubliche  5 2 , 8  M i l l i a r d e n  D o l l a r  für Rüstung ausgegeben, statt dafür Corona-Luftreinigungsgeräte anzuschaffen. https://www.isw-muenchen.de/2021/05/welt-militaerausgaben-2020-welt-im-waffen-wahn/?output=pdf


Zwar haben die Grünen noch 1990 Parteitage mit dem Motto "BRD braucht keine Armee" abgehalten und waren fast soweit die Umwandlung Deutschlands in einem entmilitarisierten Staat zu fordern, doch weder von ihnen noch aus der Friedensbewegung heraus wurde die bedeutsame Forderung auch von Professor Andrej Sacharow aufgegriffen, der vorschlug West-Europa zu entmilitarisieren, ähnlich wie es auch Ex-Natogeneral Schmückle 1990 im Nachrich-tenmagazin SPIEGEL tat. 

Stattdessen haben die Grünen 1999 als sie in Regierungsmitverantwortung waren dem später für völkerrechtswidrig  erklärten Nato-Krieg im Kosovo an der Seite der SPD zugestimmt. Ebenso haben diese der deutschen Beteiligung am Afghanistankrieg zugestimmt und deshalb auch die verheerenden Folgen mit zu verantworten. (s. Die Ära der Straflosigkeit https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8687)

Es ist an der Zeit daran zu erinnern und jetzt zu widersprechen, wo auch die Grünen in us-politischer Gefolgschaft die militärische Konfrontation zu Russland und zu China gutheißen.


Die verheerenden Ergebnisse zwanzigjähriger Besatzung und des Krieges in Afghanistan sind  der Beweis für die Unfähigkeit auch der deutschen Regierung und ihrer derzeitigen Pseudo-Opposition, neben ihren zunehmend undemokratischen wie kriminellen Corona-Widersprüchen und Überwachungsabsichten, eine verantwortungsvolle Politik für die Zukunft zu machen. 

Rüstungskonzern Thales erläutert strategischen Zweck der Impfprivilegien und -pässe, von Dr. Norbert Häring. https://www.cashkurs.com/hintergrundinfos/beitrag/ruestungskonzern-thales-erlaeutert-strategischen-zweck-der-impfprivilegien-und-paesse 


                    Nur Kooperation statt Konfrontation ist eine Garantie für den Frieden. 


Nach Afghanistan haben wir jetzt erneut die Chance Lehren daraus und aus zwei Weltkriegen zu ziehen um  politische Parteien abzuwählen, die weiter auf militärische Konfrontation setzen, statt den "kompletten" Austritt Deutschlands aus den politisch/militärischen Strukturen aller Militärbündnisse zu fordern und das Truppenstatut aufzukündigen.


Nach den illegalen Finanzgeschäften der Bundesregierung, wie den Cum-Ex-Geschäften 55,2 Mrd., Wirecard 1,9 Mrd. Luftbuchungen, Mautskandal 1 Mrd. nicht zuvor bewilligt, vertuschten Beraterverträgen des  Verteidigungsministerium (BWI) Rahmenvertrag für 4 Jahre über 390 Millionen Euro sowie Fehleinschätzungen zu Corona-Impfstoffen und die Demokratie einschrän-kenden Maßnahmen: 

Die Uni-Duisburg-Essen hat rund 190.000 PCR-Tests ausgewertet. Die Ergebnisse allein sind un-geeignet als Grund für Pandemiemaßnahmen. https://www.presseportal.de/pm/62259/4945425

Im Gegensatz zu den Lügen der Pharmaindustrie belegen die Zahlen des Statistischen Bundes-amtes, wie die Studien der Universität, dass es keine pandemiebedingte Übersterblichkeit gibt.

 

Diese Politik darf nicht fortgesetzt werden, diese Parteien dürfen an keiner neuen Regierung beteiligt sein!


Nur mit Volksentscheiden auf allen Ebenen und mit mehr Direktkandidat*innen, kommen wir in die Lage eine zukunftsfähigere Politik zu gestalten, statt immer wieder an Fraktionszwängen zu scheitern.


V.i.S.d.P. Initiative Kein Militär mehr! - Westfälische Friedensinitiative, Hannover - Münster/Westf.

                 web https://www.kein-militaer-mehr.de/10/aktuelles.html  e-mail libertom@htp-tel.de
01.09.2021

Die Pandemie in den Rohdaten                                                                                                                           - Sterbefallzahlen | Intensivbetten | Inzidenzwerte -

Marcel Barz, Jüterbog 11. August 2021

Sicherheits re-upload des grandiosen Videos von Marcel Barz: Ich bin Informatiker und beschäftige mich hier mit den Zahlen der Pandemie. In diesem Video geht es um die Sterbefallzahlen in Deutschland, die Belegung der Intensivbetten und die Zahl der Infizierten. Gleichzeitig berichte ich hier von meinen Erfahrungen im Leben und auch von meinen Enttäuschungen. Vielen Dank für Ihr Interesse Marcel Barz 


Inhalt 

00:00 Einleitung 

10:05 Sterbefallzahlen in Deutschland 

29:00 Belegung der Intensivbetten 

53:34 Zahl der Infizierten 

1:02:04 Ergebnis/Zusammenfassung 

1:11:59 Das Prinzip "Nebelkerze" Quellen Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen -


https://www.destatis.de/DE/Themen/Ges... Reports des DIVI-Intensivregisters - https://www.intensivregister.de/#/akt... Fallzahlen in Deutschland - https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N... Re-Upload Das Video darf gern geteilt, gespeichert und auf anderen Kanälen hochgeladen werden. Hinweis Der Vortrag wurde am 11.08.2021 in Jüterbog bei Berlin aufgenommen. Der Ort der Filmaufnahmen steht für einen offenen Diskurs, an dem auch gegenteilige Meinungen gleiches Gehör finden. Ich bedanke mich für die Gastfreundschaft.


Video 
https://www.youtube.com/watch?v=MgbG3mdF1pc Dauer 1:22:52 h https://vimeo.com/591741693

01.09.2021

Fundamental geändert     Afghanistan: Die Fraktion Die Linke hätte den Regierungsantrag ablehnen müssen. 

jungewelt.de01.09.2021, Norman Paech

Zitat: Die Stimmenthaltung der Linksfraktion bei der Abstimmung über das neuerliche »Afghanistan-Mandat« am 25. August im Plenum des Bundestages hat viel Kritik erfahren. Vor allem, weil sie sich um eine Zustimmung herumgedrückt habe. Das hätte allerdings eine Abkehr von ihrer programmatischen Substanz erfordert. Nein, die Fraktion hätte den Antrag ablehnen müssen – wie es einige wenige Abgeordnete auch getan haben.


Dafür gibt es zumindest zwei Gründe. Die Regierung argumentiert in ihrem Antrag: »Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt aufgrund der fortgesetzten Zustimmung der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte (…)«. Das ist richtig bis zum Zeitpunkt ihrer »Implosion und der Machtübernahme durch die Taliban«, wie es der Antrag ebenfalls sagt. Mit der Flucht des Präsidenten Ashraf Ghani und der Auflösung der Regierung hat sich die rechtliche Situation aber fundamental geändert.

Die Bundesregierung weiß offensichtlich selbst, dass das alte Mandat mit der Zustimmung der untergegangenen Regierung nicht mehr ausreicht und suchte deshalb ein neues Mandat, welches den Einsatz bis Ende September 2021 erweitern sollte.
Dies ist völkerrechtlich nur möglich auf der Basis eines Mandats des UN-Sicherheitsrats oder der Zustimmung der neuen Machthaber, gleichgültig, ob sie schon eine Regierung gebildet haben oder noch nicht. Sie verfügen über die effektive Macht und werden die Zukunft des Landes bestimmen. Das ist eine Frage der Souveränität, was immer man über die neuen Machthaber auch denkt.


Der Antrag der Bundesregierung geht auch über das alte Mandat in den Punkten 8 und 9 hinaus. Das Einsatzgebiet der Soldaten sollte auf das ganze Staatsgebiet Afghanistan ausgeweitet werden, und »zur Durchführung konkreter Projekte« oder in »Notsituationen« sollte es auch keine Obergrenze für die Zahl der Soldaten geben. Ein derartiges neues Mandat benötigt die Zustimmung der Taliban, wenn es kein UNO-Mandat gibt. Mit ihnen hatte die Bundesregierung ja in Doha verhandelt, aber offensichtlich genauso wie die USA kein Einverständnis erzielen können.


Die Fraktion sei daran erinnert, dass sie vor nicht langer Zeit die Bundesregierung wegen der Entsendung von »Tornado«-Aufklärungsflugzeugen in den syrischen Luftraum vor dem Bundesverfassungsgericht verklagt hat, weil sie ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats und ohne Zustimmung aus Damaskus offensichtlich völkerrechtswidrig war. Hat die Fraktion den Anspruch der Partei vergessen, eine Partei des Völkerrechts zu sein?


 Die Abstimmung war schlicht sinnlos, weil über Unmögliches abgestimmt werden sollte. Das musste allen Abgeordneten bewusst sein. Warum also die Zeremonie? Vielleicht, um nachträglich das Versagen bei der rechtzeitigen Evakuierung rechtfertigen zu lassen?


Um nicht missverstanden zu werden: Es musste und muss alles unternommen werden, um gefährdetes deutsches Personal, sogenannte Ortskräfte und gefährdete Mitarbeiter der zahlreichen NGOs, die nach Deutschland wollen, zu evakuieren – nur nicht mit untauglichen Mitteln. Jetzt wird es notwendig sein, mit den Taliban zu verhandeln.


Schließlich war zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Antrag der Regierung am 25. August bereits klar, dass die USA ihre Truppen am 31. August aus Afghanistan abziehen würden. Das hatte US-Präsident Biden am Vortag verkündet. Für die Bundeswehr bedeutete das, dass sie ohne die Unterstützung der USA im September keine Evakuierung mehr durchführen konnte.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/409491.v%C3%B6lkerrecht-fundamental-ge%C3%A4ndert.html

01.09.2021

Klimaschutz als profitabler Exportschlager      Wachsende Teile der deutschen Funktionseliten setzen auf Ökotechnologie als künftiges Zugpferd der deutschen Exportindustrie.

german-foreign-policy.com, 1. September 2021

BERLIN(Eigener Bericht) - Führende Wirtschaftsinstitute sowie wachsende Teile der Berliner Politik sehen in Umwelttechnologien ein künftiges Zugpferd der deutschen Exportindustrie. Schon im Jahr 2030 könne die Bundesrepublik "Vollversorgung" mit erneuerbaren Energien erreichen, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dabei gelte es, den "Klimaschutz zum Exportschlager" zu machen, fordert Christian Lindner, Vorsitzender der Wirtschaftspartei FDP: Der Klimaschutz sei "das nächste Wachstums-, Fortschritts- und Investitionsthema für die ganze Welt". Warnend äußert sich in einer neuen Studie das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln; es weist darauf hin, dass deutsche Produzenten von Solarmodulen ihre frühere Spitzenstellung auf dem Weltmarkt längst an China verloren haben und auch Hersteller von Windkraftanlagen gegenüber der internationalen Konkurrenz zurückzufallen drohen. Widerstand gegen die Pläne, künftige Exporterfolge bevorzugt mit Ökotechnologien zu erzielen, kommen nach wie vor von Erzeugern fossiler Energien.


Erneuerbar bis 2030?

Führende deutsche Wirtschaftsinstitute setzen wenige Wochen vor der Bundestagswahl klare klimapolitische Signale. Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin etwa halten eine Vollversorgung der Bundesrepublik mit erneuerbaren Energien bis 2030 für machbar, wobei eine "Vollversorgung inklusive Sektorenkopplung" in den Bereichen Strom, Wärme und Transport bis 2040 als "realistisch" angesehen wird.[1] Dabei prognostiziert das DIW eine sinkende Gesamtnachfrage nach Energie in der Bundesrepublik bei gleichzeitigem Anstieg der Stromnachfrage, die vor allem durch den angestrebten Ausbau der Elektromobilität getrieben wird. Entscheidend sei deshalb eine rasche Steigerung des "Ausbautempos" bei erneuerbaren Energien, heißt es weiter, vor allem bei der Windkraft zu Land und zu Wasser, aber auch bei der Solarenergie. Zudem müssten die entsprechenden "Rahmenbedingungen" für alle Sektoren geschaffen werden. Dies gilt laut dem DIW "nicht nur für Strom, sondern auch für Wärme und Mobilität". Gelinge dies, dann könne es mit der Energiewende "sehr schnell" gehen.


Ein EU-weites Verbundsystem

Konkret plädiert das DIW für eine EU-weit koordinierte "Ausbauplanung bei Erzeugung, Speichern und Infrastruktur" im Rahmen der Energiewende; dabei sei die Einbindung der Bundesrepublik in das europäische Stromnetz zur Wahrung der Versorgungssicherheit essenziell - gerade auch bei "100 Prozent erneuerbaren Energien". Die Perspektive der "Vollversorgung mit Erneuerbaren" müsse bereits jetzt in die "deutsche als auch europäische Netzplanung eingehen"; bei der Schaffung eines kontinentalen Verbundsystems könne die "stündliche Versorgungssicherheit" des Energiesystems zuverlässig gewährleistet werden. Zentrale Kraftwerke, die bisher eine "Top-down"-Versorgung mit Strom gewährleisteten, würden von einem netzwerkartigen "Bottom-up"-System abgelöst, das "dezentraler, flexibler und auch intelligenter" sei. Dank der voranschreitenden Digitalisierung sei ein intelligentes "Energie- und Lastenmanagement" möglich, bei dem neue Flexibilitäts- und Energiespeicheroptionen vermittels "Echtzeitpreisen" mit "Nachfragereaktionen" ineinander greifen würden. Das neue System könne in seinen Grundzügen schon bis 2030 realisiert werden.


Zwischen "Wohlwollen und Zweifel"

Derlei ehrgeizige Planungen, die mit fortbestehendem, nicht zuletzt vom CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet gestütztem Widerstand der fossilen Branchen der deutschen Industrie konkurrieren, werden getragen von den immer populäreren Vorstellungen, die "Energiewende" könne zu einem neuen Wachstumsschub für die europäische und vor allem für die deutsche Wirtschaft führen.[2] Schweizer Medien sprachen kürzlich angesichts der Meinungsdifferenzen innerhalb der deutschen Funktionseliten von einem klimapolitischen Schwanken Deutschlands zwischen "Wohlwollen und Zweifel".[3] Die große Sorge gelte vor allem der "internationalen Wettbewerbsfähigkeit" der deutschen Exportindustrie; Ängste vor zusätzlichen Kosten sowie vor einer "Deindustrialisierung" der Bundesrepublik seien weit verbreitet. Die extrem rechte AfD warne gar vor einer "EU-Klimaplanwirtschaft". In führenden Wirtschaftsblättern wird vor allem die Frage diskutiert, wie "teuer" die Energiewende für die exportorientierte deutsche Industrie werde.[4] Um dem Unmut in Teilen der Wirtschaft zu begegnen, haben Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Wahlprogramm bereits einen klimapolitischen Protektionismus sowie Subventionen für energieintensive Unternehmen versprochen.[5]


Der deutsche Klimaweg

Dabei sehen nicht nur Bündnis 90/Die Grünen, die aktuellen Prognosen zufolge bei der kommenden Bundestagswahl ihr historisch bestes Ergebnis erzielen könnten, die Ökoindustrien als ein künftiges Zugpferd der deutschen Exportindustrie. Kürzlich kündigte Christian Lindner, Vorsitzender der als besonders wirtschaftsnah geltenden FDP, öffentlich an, den deutschen "Klimaschutz zum Exportschlager" machen zu wollen.[6] Deutschland sei das "Land der Ingenieure und Techniker"; es müsse folglich, sobald eine neue Klimaschutztechnologie gefunden sei, diese zum "Exportthema" machen. Deutschland könne damit "einen Beitrag für die ganze Welt leisten" und andere Länder "motivieren", ihm zu folgen. Dies könne nicht auf dem "Weg der Verbote und des moralischen Zeigefingers" gelingen, wohl aber, wenn man voranpresche und selbst mit Hilfe der Ökoindustrie "wirtschaftlichen Fortschritt und eine Lebensweise in Freiheit mit Ressourcenschonung" vorantreibe. Lindner bezeichnet den globalen Klimaschutz als "das nächste Wachstums-, Fortschritts- und Investitionsthema für die ganze Welt". Dem Ökoexportwunder stehe allerdings ein "Labyrinth von Bürokratismus und Verboten" in der Bundesrepublik im Wege.


Wunsch vs. Realität

Optimistische Prognosen aus der Politik kontrastieren indes mit aktuellen Wirtschaftsstudien, die einen schweren globalen Stand der deutschen Umwelttechnik beklagen.[7] Das unternehmernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) beschrieb Anfang August eine enttäuschende deutsche "Exportperformance" bei "Gütern zur Herstellung erneuerbarer Energien". China hingegen habe seine Anteile auf den Ökomärkten weiter ausbauen können - nicht zuletzt dank der "umfangreichen Subventionen" in der Volksrepublik. Bei den Solarmodulen, bei denen die Bundesrepublik im Jahr 2005 noch vor China lag, ist dem IW zufolge der Einbruch auf ein Exportvolumen von nur noch 2,5 Milliarden US-Dollar so stark, dass Chinas Ausfuhren 2019 "fast zehnmal höher als die deutschen" gewesen seien. Bei Windkraftanlagen sei Deutschland zwar immer noch - hinter Dänemark - zweitgrößter Exporteur; doch auch hier verharrten die Ausfuhren seit Jahren bei einem Volumen von gut zwei Milliarden US-Dollar, weit unterhalb des deutschen Spitzenwerts von 3,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012. Das ernüchternde Fazit des IW: Die deutsche Wind- und Solarbranche habe trotz eines wachsenden Weltmarktes Schwierigkeiten, an der "globalen Nachfrage für Güter zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu partizipieren". Daraus müsse die Politik die "richtigen Lehren" ziehen und jene Wirtschaftssektoren stützen, auf denen "langfristig komparative Vorteile und Exportchancen liegen", fordert das IW.


Kohlendioxid als "Exportschlager"

Während der schleppende Export deutscher Umwelttechnik in Wirtschaftskreisen Enttäuschung hervorruft, wird in der Bundesrepublik auch die "Ausfuhr" von Treibhausgasen diskutiert. Durch den Export von CO2 könne die Bundesrepublik das Ziel der Klimaneutralität erreichen, heißt es - trotz aller Bedenken, man "verfrachte" dadurch nur das "Treibhausgas-Problem" an eine andere Stelle.[8] Gemeint sind in Pilotprojekten bereits getestete Pläne, in speziellen Anlagen CO2 der Atmosphäre zu entziehen, um es dann - bevorzugt außerhalb des deutschen Festlands - zu lagern; entsprechende Vorhaben werden unter dem Kürzel CCS (Carbon Capture and Storage) zusammengefasst. Im Gespräch sind potenzielle Lagerstätten in der Nordsee oder im Europäischen Nordmeer, wo aus der Bundesrepublik stammendes, in Wasser gelöstes CO2 in Gesteinsschichten unter dem Meeresgrund gepumpt werden könnte. Insbesondere für energiehungrige "Unternehmen etwa aus der Stahl- der Zement-Industrie", die ihre hohen Emissionsziele mittelfristig kaum erreichen könnten, seien CSS-Verfahren, heißt es, eine "enorme Hilfe".

 

[1] 100 Prozent erneuerbare Energien für Deutschland: Koordinierte Ausbauplanung notwendig. DIW Wochenbericht 29/30 (2021).

[2] Der Klimawandel kann zu einer Chance für Europa werden. handelsblatt.com 16.06.2021.

[3] EU-Klimapolitik: Deutschland schwankt zwischen Wohlwollen und Zweifel am Grenzausgleich. nzz.ch 16.07.2021.

[4] Grün-Sein muss sich rechnen - Klimaschutz darf nicht zur Deindustrialisierung führen. handelsblatt.com 08.08.2021.

[5] Mit Verstand für die Wirtschaft. gruene.de/wirtschaft.

[6] Deutschen Klimaschutz zum Exportschlager machen. fdp.de 23.07.2021.

[7] Exportperformance von Gütern zur Herstellung erneuerbarer Energien enttäuscht. IW-Kurzbericht Nr. 53, 09.08.2021.

[8] CO2-Export: Ist er die Lösung zum Erreichen der Klimaneutralität? galileo.tv 18.08.202


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8690



Weiteres:



Sex, Revolution und gutes Fleisch für alle


welt.de, 1. September 2021, 07:21 Uhr, BAERBOCK IN POTSDAM

Am Tag, an dem die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Potsdam Wahlkampf macht, haben die Menschen dort verboten gute Laune. Ein geöffnetes und leeres Koksgefäß liegt vor dem Filmmuseum. Und etwas weiter, am Bassinplatz, wo die Veranstaltung „Frag Annalena Baerbock“ in wenigen Minuten beginnt, haben alle ein irre freundliches Grinsen drauf.


zu Foto:  Annalena Baerbock fasst sich während ihres Vortrags ans Herz Quelle: Frédéric Schwilden


Die BKA-Personenschützer mit den schusssicheren Westen unter den Sakkos, mit ihren Sonnenbrillen und den durchsichtigen Knöpfen im Ohr, das Blaulicht auf ihrem stromlinienförmigen Mercedes, die grünen Warnwesten, auf denen „Ordner*in“ steht, aber häufig Eckhardt drinsteckt, das Jazz-Duo aus Saxophon und Gitarre, alles wirkt mehr wie ein Techno-Familien-Festival mit nachhaltigem Essen als Wahlkampf.


Einer der Personenschützer trägt einen Künstlerschal um den Hals gelegt. Er und zwei weitere schauen unter die Bühne. Sie bringen ein Schutzschild in den Kofferraum. Daneben stehen „Rentner und Studenten“, wie es im gleichnamigen Song der Berliner Band Die Türen heißt. Über die Anlage der Bühne läuft in chronologischer Reihenfolge: „Superstition“ von Stevie Wonder, „Cupid“ von Amy Winehouse, „A little less conversation“ von Elvis Presley und „Alles verändert sich“ von Ton Steine Scherben. Die Songauswahl macht klar, heute geht es um das Übersinnliche, die große Liebe, ein bisschen Sex und natürlich Revolution.


Bevor Annalena Baerbock auftritt, spricht Anna Emmendörffer, Listenplatz 3 der Grünen in Brandenburg, von „Nazis in den Parlamenten“. Ein Junge mit einem Grünen-Windrad fragt seinen Papa: „Was ist ein Nazi?“. Anschließend tritt Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen die Bühne. Mit seiner Brille, dem Sakko und dem bunten Hemd über dem kleinen Bauch sieht er aus wie ein Werber, der am Wochenende gerne mal, aber natürlich ironisch, „Sweet Home Alabama“ auf der E-Gitarre spielt. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich hier sozusagen die Vorband zur grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sein würde“, sagt er.

Und dann, es ist 17 Uhr, kommt Annalena Baerbock auf die kreisförmige Bühne. „Hallo liebe Kinder, auch in der Eisdiele“, sagt sie zur Begrüßung. Sie trägt schwarze Röhrenjeans, eine petrolfarbene Lederjacke (Kunst, oder Echtleder, das ist hier die Frage), und schwarze Wildleder-Stiefel. „Hier, weil Ihr es seid“, steht auf einem Banner mehrere Meter über ihrem Kopf.


„Wie können wir die Stellschrauben ändern, dass wir hier gemeinsam gut leben können“, fragt sie. Manchmal wird ihre Stimme brüchig. Es ist der 17. Wahlkampfauftritt dieser Art für sie auf der „Bereit, weil ihr es seid“-Wahlkampf-Tour. Noch nicht mal die Hälfte aller Termine hat sie rum.


Ein paar Weltverschwörungs-Typen sind auch da

Ein paar Weltverschwörungs-Typen, optisch kann man sie seit den Hygiene-Demos nicht mehr von Grünen-Wählern unterscheiden, beziehungsweise, viele davon waren auch mal Grünen-Wähler, halten ein Schild mit „Viele Grüße an Klaus Schwab“ (s. Kommentar/Anmerkunghoch. Schwab ist Gründer des Weltwirtschaftsforums, der ein Buch mit dem Titel „The Great Reset“ herausbrachte, was zur Chiffre für den Plan einer neuen Weltordnung von einigen mächtigen Verschwörern wurde. Und während Baerbock von Kinderarmut und alleinerziehenden Müttern, die von Hartz-IV leben müssen erzählt, fährt ein Laster am Bassinplatz vorbei. Die Plane des Laderaums ist mit Werbung des rechtsradikalen „Compact“-Magazin bedruckt. „Grün, grün, grün sind alle ihre Lügen“ steht darauf.


Und kurz wird einem etwas mulmig. Es war ein Terrorist in einem Laster, der 86 Menschen in Nizza ermordete und über 400 schwer verletzte. Es war ein Terrorist in einem Laster, der elf Menschen in Berlin ermordete und über 67 schwer verletzte. Der Laster des „Compact“-Magazins fährt rückwärts. Dann bleibt er stehen. Polizisten laufen in seine Richtung. Dann verschwindet er.


Was auffällt, so viele Menschen sind nicht nach Potsdam gekommen, in den Wahlkreis, in dem gleich zwei Kanzlerkandidaten, nämlich Annalena Baerbock und Olaf Scholz gegeneinander antreten. Es ist nicht leer. Aber eben auch nicht voll. Wenige hundert Menschen sind gekommen.


Baerbock performt wie im Stadion. Sie hat ihre Bühnenpersönlichkeit gefunden. War sie am Anfang bei öffentlichen Auftritten, insbesondere bei solchen, bei denen Journalisten Fragen stellten unsicher, unbeholfen, sie verhaspelte sich oft, ist sie jetzt sicher. Es wirkt, als genieße sie es, vor Menschen zu stehen, angeschaut zu werden, gehört zu werden.


„Diese Presse!“, schnaubt der BKA-Beamte

Fast hemdsärmelig ist sie, wenn sie Dinge sagt wie: „Im Sinne des Allgemeinwohls ist ja, dass wir gesunde Lebensmittel produzieren, damit alle Menschen wirklich auch gutes Fleisch auf ihrem Teller haben.“ Pause. Wahrscheinlich hat sie das gemerkt, dass das ähnlich wie Kindheitserinnerungen an Indianer-Verkleidungen bei einigen nicht so gut ankommt. Deswegen schnell nachschieben: „Gute Äpfel, gutes Gemüse, am besten aus der Region und Bio.“


Ein Kameramann mit einer Rolex am Handgelenk stellt sich vor einen Ausgang, um das perfekte Bild zu bekommen. Sofort eilt ein BKA-Beamter herbei, versucht ihn wegzuschieben. „Ordner*in“ Eckhardt kommt hinzu. „Diese Presse!“, schnaubt der BKA-Beamte und schüttelt den Kopf.


Baerbock fordert einen Abschiebestopp nach Afghanistan. Sie sagt: „Zusammenleben bedeutet auch Anstrengung“. Wenn sie nicht konkret antworten möchte, und sich noch ihre Strategie überlegt, sagt sie: „Sehr gute Frage. Für mich auch total wichtig. Daher nochmal danke für die Frage.“ Aber sie redet keinen Unsinn, also zumindest keinen anderen als Armin Laschet oder Olaf Scholz. Sie ist souverän und sympathisch. Nach dem Interview-Dreikampf auf RTL sah eine Forsa-Umfrage sie auf Platz 2. Scholz überzeugte die meisten Zuschauer. Laschet die wenigsten. Könnte schlechter laufen.


Zum Abschluss erzählt Baerbock noch von der Pariser Klimakonferenz, auf der sie 2016 war, wo das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde. „Da hat man gesehen, was weltweit möglich war“, sagt sie. Dass Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens wieder nicht einhält, sagt sie nicht nochmal.


Info: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus233493202/Baerbock-in-Potsdam-Sex-Revolution-und-gutes-Fleisch-fuer-alle.html


Kommentar/Anmerkung: 


«Young Global Leaders»

2005 rief das Forum die Community der Young Global Leaders (YGL) ins Leben.[309] Diese hat die Organisationsform einer Schweizer Stiftung und wird von einem 14-köpfigen Stiftungsrat geleitet.[310] Sie ist aus der Gemeinschaft der Global Leaders of Tomorrow hervorgegangen, die von 1993 bis 2003 bestand.[311]


Die Mitglieder von YGL sind junge Führungskräfte, die verschiedensten Sparten und Disziplinen angehören und aus allen Teilen der Welt stammen. Sie werden für sechs Jahre berufen und dürfen zum Zeitpunkt der Berufung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.[309] Nach dem Ablauf ihrer Zugehörigkeit zu den YGL können Mitglieder der YGL Alumni  Community  beitreten.[312] Die Mitglieder unterhalten die 2030 Initiative, die einen Aktionsplan zur Verwirklichung der Vision einer idealen Welt im Jahr 2030 zum Ziel hat.[313] Jährlich werden neue Mitglieder berufen. Im Jahr 2014 zählten die Young Global Leaders mehr als 900 Mitglieder.


[309] Prominente Young Global Leaders in Deutschland sind der aktuelle Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn sowie die Bundesvorsitzende der Grünen Annalena Baerbock.[314] Der Staatspräsident von FrankreichEmmanuel Macron, der amtierende Premierminister von BelgienAlexander De Croo, die ehemalige Umweltministerin von DänemarkIda Auken und Ska Keller, Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/EFA und MEP, waren ebenfalls Mitglied bei den Young Global Leaders.[314]


Info: Weltwirtschaftsforum – Wikipedia   

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwirtschaftsforum#«Young_Global_Leaders»

«Young Global Leaders» 

/  https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwirtschaftsforum#%C2%ABYoung_Global_Leaders%C2%BB

01.09.2021

Kollateralschäden

aus E-Mail von Doris Pumphrey vom 31. August 2021, 12:45 Uhr


Zitat: *UNICEF: Drohnenangriff der USA in Kabul tötete "mindestens sieben Kinder"

*Der UNICEF-Vertreter in Afghanistan erklärte, bei einem Drohnenangriff in Kabul seien mindestens sieben Kinder ums Leben gekommen. Das Pentagon teilte mit, der Angriff habe eine "unmittelbare Bedrohung" durch SIS-K-Terroristen gegen einen Evakuierungsflug abgewendet. /Siehe:

/https://de.rt.com/asien/123338-drohnenangriff-usa-in-kabul-totete/


*"Die Amerikaner eröffneten das Feuer" – Augenzeugen des Anschlags am Flughafen Kabul berichten RT

*Nach den Anschlägen auf dem Kabuler Flughafen gibt es Berichte, denen zufolge US-Soldaten für den Tod afghanischer Opfer verantwortlich sein sollen. RT-Reporter Murad Gazdiev sprach mit Verletzten im Krankenhaus von Kabul.

/Siehe:

/https://de.rt.com/asien/123331-augenzeugen-des-anschlags-am-flughafen-kabul-us-soldaten-eroeffneten-das-feuer/


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https://de.rt.com/meinung/123305-afghanistan-zivile-opfer-als-kollateralschaden/

30.8.2021

*Afghanistan: Zivile Opfer als Kollateralschaden des US-Abenteuers im Nahen Osten *


/von Seyed Alireza Mousavi/


Bei einem Terrorangriff am Flughafen Kabul waren am Donnerstag Dutzende Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten. ISIS-K, ein Ableger des "Islamischen Staates" (IS), bekannte sich zu den Angriffen. Später wurde berichtet, dass einige der getöteten Zivilisten

nicht durch die Detonation der Bomben ums Leben gekommen sein könnten, sondern durch Schüsse von US-amerikanischen Soldaten. Das Pentagon wollte eine diesbezügliche Anfrage der /BBC/ nicht kommentieren. Die US-Soldaten sollen nach dem ersten Selbstmordanschlag angefangen haben, wahllos in die panische Menge zu schießen, da sie von mehreren

Selbstmordattentätern ausgingen.


Mindestens 96 Menschen sind bei den Anschlägen getötet worden. 150 Personen wurden verletzt. US-Präsident Joe Biden hatte nach den blutigen Anschlägen von Kabul Rache geschworen.


Die USA reagierten am Samstag mit einem Vergeltungsangriff auf den tödlichen Terroranschlag in Kabul. Die US-Armee soll einen unbemannten Luftschlag auf einen örtlichen Ableger der Terrormiliz IS in der afghanischen Provinz Nangahar durchgeführt haben. "Ersten Anzeichen

zufolge haben wir das Ziel getötet. Wir wissen von keinen zivilen Opfern", erklärte der Sprecher des US-Zentralkommandos CENTCOM.


Am Sonntag hatten die USA in Kabul erneut mit einer Drohne einenLuftangriff auf ein "verdächtiges Fahrzeug" geflogen. Bei dem Angriff sind nach Angaben von US-Medien neun Mitglieder einer afghanischen Familie ums Leben gekommen, darunter auch sechs Kinder. Nachbarn und Zeugen am Tatort des US-Drohnenangriffs bestätigten gegenüber /CNN

<https://edition.cnn.com/2021/08/29/asia/afghanistan-kabul-evacuation-intl/index.html>/dass mehrere Menschen, darunter auch Kinder, getötet worden seien. Auf diese Meldung reagierte ein hochrangiger US-Militärbeamter, dass das Militär "zuversichtlich" sei, dass sich keine Zivilisten in dem Zielfahrzeug befunden hätten, räumte jedoch ein, dass die Detonation des

Sprengstoffs  "Kollateralschäden <https://www.nytimes.com/2021/08/29/world/asia/us-drone-strike-evacuation.html>"  verursacht haben könnte. Dass ein US-Funktionär afghanische zivile Opfer außerhalb jeglichen Kampfgeschehens als Kollateralschaden bezeichnet, sollte Beobachter, die sich ein wenig mit der westlichen Agenda im Nahen Osten auskennen, nicht verwundern.


Westliche Militärs töteten in den vergangenen Jahren in Afghanistan Tausende Zivilisten und begingen Kriegsverbrechen. Bis zur Vereinbarung des US-Abzugsdeals mit den Taliban im Februar 2020 kamen durch Luftangriffe westlicher Streitkräfte und Spezialkräfteoperationen laut

UN-Angaben jährlich etwa Hunderte Zivilisten zu Tode. Allein im Jahr 2019 kamen mindestens 559 Menschen ums Leben. Zahllose Unbeteiligte wurden im Zuge der US-Besatzung in Afghanistan bei US-Drohnenangriffen getötet. Zu der hohen Zahl ziviler Todesopfer im Rahmen von Kriegsoperationen kommen auch gezielte Morde ohne jeden begründeten Anlass hinzu. So belegt ein im Herbst 2020 veröffentlichter Untersuchungsbericht

<https://www.theguardian.com/australia-news/2020/nov/19/australian-special-forces-involved-in-of-39-afghan-civilians-war-crimes-report-alleges>, dass Angehörige australischer Spezialkräfte mindestens 39 Afghanen gänzlich willkürlich umbrachten. Auf einem diesbezüglichen Video ist zu sehen, wie ein australischer Soldat einen wehrlos in einem Feld liegenden afghanischen Zivilisten mit drei Schüssen aus nächster Nähe ermordete.


Am Flughafen in Kabul spielten sich in den letzten Tagen dramatische Szenen ab. Tausende verzweifelter Menschen drängten sich vor den Toren. Manche wurden im Gemenge zerquetscht, andere brachen nach Stunden in der Hitze dehydriert zusammen. Zwei Menschen fielen beim Abflug iner US-Maschine am Flughafen Kabul von dem Flugzeug, da sie sich an das Fahrwerk geklammert hatten. Die US-Luftwaffe teilte später mit, nach der Landung der Maschine in Katar seien "menschliche Überreste" im Fahrwerkschacht entdeckt worden.


Kurz nach den jüngsten tödlichen Terroranschlägen am Flughafen in Kabul – im Zuge der in westlichen Medien öffentlich zelebrierten Evakuierung – erklärte der Sprecher der Taliban Mohammad Naim, dass die Taliban die westlichen Führungen über die Sicherheitsprobleme am Flughafen wegen der Menschenmassen mehrfach gewarnt hatten. Im Grunde trugen die

ausländischen Truppen in den letzten Tagen die volle Verantwortung für die Sicherheit der Menschen am Flughafen, da sie zu jenem Zeitpunkt das Gelände unter Kontrolle hatten. Die Taliban haben nun nach eigenen Angaben mehrere Tore am Flughafen Kabul unter ihre Kontrolle gebracht.


Es bleibt allerdings unwahrscheinlich, dass der Westen die Verantwortung für die Toten und Verletzten am Kabuler Flughafen übernimmt, genauso für andere Tausende Zivilisten, die in den letzten Jahren Opfer der westlichen Intervention in der Region geworden sind. Denn der Westen

ist von seinen eigenen Werten, und zwar "berechtigten" Interessen, überzeugt und versucht sie dementsprechend überall durchzusetzen. Der chaotische Rückzug der US-Truppen wurde jedoch zu einem westlichen Trauma, da das Bild der USA als Weltmacht offensichtlich auch unter

Trumps Nachfolger Joe Biden weiterhin zerfällt. Die prowestlichen Akteure in der Region haben zudem mittlerweile den ersten Geschmack der US-Unverlässlichkeit bekommen – und damit ist das Ansehen des Westens sichtlich gebröckelt.

31.08.2021

Die islamistischen Hilfstruppen der USA

heise.de, 31. August 2021, 

Zitat: Ein Blick über Afghanistan hinaus

In Afghanistan haben verschiedene als Mudschaheddin bezeichnete Gruppen von 1979 bis 1989 gegen die kommunistische Regierung des Landes sowie deren sowjetische Unterstützer gekämpft. Unterstützt wurden sie in der Hauptsache von den USA, Pakistan und Saudi-Arabien, aber auch der deutsche BND beteiligte sich beispielsweise in der geheimen Operation mit dem Namen "Sommerregen" an der Unterstützung des afghanischen Widerstands.


Der damalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck schrieb im Dezember 1985 an den inzwischen verstorbenen CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Riedl: "Es bereitet mir eine besondere Freude, Sie zu Beginn dieses Jahres davon zu unterrichten, dass die von Ihnen und Ihren Herren Kollegen auf Ihrer Pakistan-Reise initiierte Hilfe des Deutschen Bundestages für die afghanische Widerstandsbewegung angelaufen ist." Man habe bereits 5.500 Paar Stiefel, 1.800 Feldjacken und 12.700 Wollpullover an die afghanischen Mudschaheddin geliefert.


Durch einen Beauftragten des BND seien die Sachen übergeben worden, in "Gegenwart führender Vertreter der afghanischen Widerstandsbewegung" - darunter auch Gulbuddin Hekmatyar, so die Tagesschau. Während Deutschland nur wenige Millionen investierte, engagierten sich die USA mit mehreren Milliarden US-Dollar in der Operation Cyclone, die gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI ab 1979 durchgeführt wurde.

Die USA hatten, wie nun jeder weiß, sehr viel Geld in Waffen gesteckt, aber auch mehrere Millionen in gewaltverherrlichende Lehrbücher investiert. Mit diesen Büchern wurde den afghanischen Schulkindern die Lehre vom Heiligen Krieg nahegebracht. Die Bücher wurden auch in Lagern für afghanische Flüchtlinge in Pakistan eingesetzt und später von den Taliban verwendet.


Unterstützung der Uiguren gegen Beijing

Ein vergleichbares Buchmodell wird auch zur Unterstützung der Uiguren zur Motivation des Kampfes gegen die chinesische Zentralregierung eingesetzt. So werden entsprechend modifizierte Schriften aus den ebenfalls von Turkvölkern bewohnten Nachbarländern nach Xinjiang geliefert und dort verteilt. Unterstützt wird der Kampf uigurischer Gruppen gegen Beijing auch durch die umfassende Medienarbeit des Uigurischen Weltkongresses in München.


Die in diesem Zusammenhang gegen China im deutschsprachigen Raum erhobenen Vorwürfe, man hätte eine Million Uiguren in Umerziehungslagern interniert, gehen zumeist auf eine Internetrecherche des Betriebswirts und Anthropologen und evangelikalen Christen Adrian Zenz zurück, der von einer Mission gegen China beseelt ist.


Dass China nach zahlreichen Attentaten ein Auge auf die uigurischen Aktivisten geworfen hat, ist nachvollziehbar, nicht zuletzt, wenn man berücksichtigt, dass es in der Vergangenheit im Grenzgebiet zwischen China und Afghanistan zu verschiedentlicher Zusammenarbeit zwischen uigurischen Freiheitskämpfern und Vertretern der Taliban gekommen sein soll. Dass die chinesische Zentralregierung, die ihren Provinzen zahlreiche Freiheiten gewährt, bei separatistischen Tendenzen hellhörig wird, lässt sich nicht übersehen, aber auch nachvollziehen.


Uiguren standen wohl auch hinter dem Attentat 2015 am Erawan-Schrein in Bangkok. Das Königreich hatte sich den Unmut der Uiguren zugezogen, weil es zuvor uigurische Frauen und Kinder in die Türkei ausgewiesen hatte, die Männer jedoch nach China. Auch im syrischen Konflikt haben sich Uiguren gegen die syrische Regierung engagiert. Und wenn man weiter in der Geschichte zurückblättert, waren Uiguren auch auf dem Balkan gegen Serben zum Einsatz gekommen.


Xinjiang ist für China auch hinsichtlich der Bahnverbindung nach Westeuropa im Projekt der Seidenstraße von Bedeutung. Die Bahnverbindung ist deutlich schneller als der Seeweg und kostengünstiger als Luftfracht. Zudem entzieht man sich mit der Landverbindung möglichen Behinderungen des Seewegs, den die USA beinahe unangefochten militärisch beherrschen.


Verkürzung des Seewegs nach Europa

China will die Abhängigkeit seines Seetransports von der "Piraten-verseuchten" Malakka-Straße vermindern und sucht nach Möglichkeiten, dieses Nadelöhr zu umgehen. Doch nicht nur Piraten könnten den Seetransport an dieser Engstelle beeinträchtigen, sondern auch die derzeit noch verbliebene Seemacht Nr. 1 bereitet sich mit jährlichen Militärübungen wie den sogenannten "Talisman Saber Exercises" auf eine Abriegelung der Malakka-Straße durch die US-Navy vor.


Mit dem Ausbau des Tiefseehafens von Kyaukpyu im Golf von Bengalen und einer strategischen Pipeline, die Öl aus dem Nahen Osten durch Myanmar pumpt, könnte China einige seiner wichtigsten Wachstumszentren im Süden beliefern, ohne dabei durch die Straße von Malakka fahren zu müssen.


Da kommt es für die USA offensichtlich ganz gelegen, dass sich am Golf von Bengalen mit den Rohingya muslimische Zuwanderer gegen die buddhistische Regierung in Stellung gebracht haben und die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region mit einem deutlichen Fragezeichen markieren.


Eine Alternative wäre der Kra-Kanal im Süden Thailands. Auch mit diesem könnte man die Bedeutung der Umfahrung von Singapur reduzieren, wogegen sich nicht nur die USA lautstark wenden, sondern auch Teile der thailändischen Bevölkerung.


Da macht es sich gut, wenn der geplante Kanal etwa auf der Grenze zwischen dem buddhistisch besiedelten Thailand und den südlichen muslimisch dominierten Provinzen liegt, wo Attentäter immer wieder staatliche Stellen und buddhistische Einrichtungen angreifen. Dass vor Jahren hier ein Verbindungsbüro der CIA eingerichtet wurde, kann in diesem Zusammenhang kaum verwundern.

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Info: https://www.heise.de/tp/features/Die-islamistischen-Hilfstruppen-der-USA-6178012.html


Kommentar: Schwer zu glauben ist, dass die CIA nach Selbstsprengung  ihrer Operationszentrale in Kabul, nun für Afghanistan nicht mehr sein würde.      Thomas Bauer

31.08.2021

Deutsche Bürokraten       Berlin hat nur 1,6 Prozent seiner Ex-"Ortskräfte" und ihrer Familienangehörigen vom Flughafen Kabul abgeholt und stellt nun eine halbe Milliarde Euro zur Flüchtlingsabwehr bereit.

german-foreign-policy.com, 31. August 2021

BERLIN/KABUL/TASCHKENT(Eigener Bericht) - Zum wiederholten Mal werden schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung wegen der Blockade der Aufnahme afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr laut. Demnach hat Berlin bei den militärischen Evakuierungsflügen aus Kabul lediglich 138 frühere afghanische Mitarbeiter der deutschen Streitkräfte sowie weiterer deutscher Stellen in die Bundesrepublik geholt - zuzüglich Familienangehörigen insgesamt 634 Personen. Dies sind lediglich 1,6 Prozent der - inklusive Familienangehörigen - ungefähr 40.000 Afghanen, die laut Regierungsangaben prinzipiell einreiseberechtigt sind. Zudem beklagt die Initiative "Luftbrücke Kabul", das Auswärtige Amt habe sie "aktiv" daran gehindert, per Charterflug knapp 200 Afghanen aus dem Land zu bringen; die Flüchtlinge hätten letzten Endes mit einem US-Militärflugzeug ausgeflogen werden müssen. Zugleich bemüht sich das Auswärtige Amt mit aller Kraft um die systematische Abwehr afghanischer Flüchtlinge. Außenminister Heiko Maas, der aktuell auf einer Rundreise durch Afghanistans Nachbarstaaten ist, hat dafür gut eine halbe Milliarde Euro in Aussicht gestellt.


Ausreise verhindert

Schwere Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt erhebt ein Bündnis zahlreicher NGOs, die sich unter dem Namen "Luftbrücke Kabul" zusammengeschlossen haben, um Afghanen, die vor den Taliban fliehen wollen, zu evakuieren. Wie die Vereinigung mitteilt, hatte sie in der vergangenen Woche ein Flugzeug gechartert und in Absprache mit dem Auswärtigen Amt, der Bundeswehr sowie der Botschaft von Qatar den Bustransport für etwa 200 Personen zum Flughafen in Kabul organisiert. Von dort sollten sie umgehend ausgeflogen werden. Trotz gegenteiliger öffentlicher Äußerungen habe das Auswärtige Amt den Evakuierungsflug "mehrfach ... blockiert", berichtet die "Luftbrücke Kabul"; so habe das Ministerium sich geweigert, eine erforderliche "E-Mail zu schreiben, um den Transport freizugeben", und zudem "offenbar klar an die US-Behörden kommuniziert", eine erfolgreiche Evakuierung durch die "Luftbrücke" sei unerwünscht.[1] Mit massivem Einsatz sei es letztlich gelungen, 18 Afghanen ins Flugzeug und anschließend ins sichere Ausland zu bringen. Wegen der Obstruktionen des Außenministeriums seien jedoch "180 Sitze leer" geblieben. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe man es mit US-Hilfe geschafft, 189 weitere Menschen an den Flughafen zu geleiten, von wo sie mit einer US-Militärmaschine ausgeflogen worden seien - trotz der "bürokratische[n] und politische[n]

 Verhinderungstaktik" Berlins.


Die Visa-Hölle

Bereits zuvor waren gravierende Vorwürfe gegen die Bundesregierung laut geworden, die deren vollkommen unzulänglichen Einsatz für die ehemaligen afghanischen Mitarbeiter der Bundeswehr und anderer deutscher Stellen betrafen. Offiziell stehen ihnen ein Visum für die Einreise in die Bundesrepublik und eine Aufenthaltserlaubnis zu. Praktisch ist dies jedoch durch penible Detailvorschriften eingeschränkt. So müssen die ehemaligen "Ortskräfte" zweifelsfrei nachweisen, dass sie explizit wegen ihrer Tätigkeit für deutsche Stellen ernsthaft bedroht sind. Von den rund 4.200 sogenannten Gefährdungsanzeigen, die seit Anfang Juli eingegangen waren, hatte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bis Mitte August nur 236 positiv entschieden, 329 hingegen abgelehnt und den Rest, gut 3.600, noch nicht einmal fertig bearbeitet. Die Visa mussten zudem bei der Botschaft im pakistanischen Islamabad oder unmittelbar in Berlin beantragt werden.[2] Erst am 13. August hat das Bundesinnenministerium es ermöglicht, dass die Visaanträge bei Ankunft gestellt und bearbeitet werden ("visa on arrival") - unmittelbar vor der Übernahme der Macht in Kabul durch die Taliban.[3] Selbst in allgemein staatstragenden Medien wird mittlerweile davon gesprochen, die Bundesregierung habe die Afghanen, die ihr oft lange Jahre loyal gedient hätten, einer "Visa-Hölle" ausgesetzt.[4]


Nur 1,6 Prozent

Hat die Bundesregierung die Einreise der Ortskräfte zunächst auf bürokratischem Wege blockiert, so folgte mit Beginn der militärischen Evakuierung ein umfassendes praktisches Versagen. Die Bundeswehr hat laut Eigenangaben insgesamt 5.347 Personen vom Flughafen Kabul ausgeflogen. Laut Regierungsangaben befanden sich darunter lediglich 138 afghanische Ortskräfte, denen mit 496 Familienangehörigen die Einreise nach Deutschland ermöglicht wurde - insgesamt nur 634 Personen.[5] Zurückgelassen wurden gleichfalls laut Regierungsangaben rund 10.000 prinzipiell einreiseberechtigte Afghanen, darunter neben Ortskräften auch einige Menschenrechtler und Journalisten - zusammen mit ihren Familienangehörigen wohl gut 40.000 Personen. Demnach hat die Bundesregierung gerade einmal 1,6 Prozent derjenigen, denen sie die Aufnahme zugesagt hat, nach Deutschland geholt. Das ist vor allem aus humanitärer, zudem aber auch aus strategischer Perspektive verhängnisvoll: Wer jetzt und in Zukunft in anderen Einsatzgebieten der Bundeswehr vor der Frage steht, ob er eine Tätigkeit für die deutschen Streitkräften annehmen soll, weiß eins ganz genau - im Ernstfall wird er von Berlin völlig skrupellos im Stich gelassen.


Kein Türsteher

Während die Bundesregierung bei der Aufnahme ihrer afghanischen Mitarbeiter auf ganzer Linie versagt, arbeitet Außenminister Heiko Maas mit aller Kraft an der systematischen Abwehr afghanischer Flüchtlinge. Der Minister ist am Sonntag zu einer Reise aufgebrochen, die ihn nicht nur in die Türkei und nach Qatar, sondern vor allem in drei Nachbarstaaten Afghanistans führt - nach Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan. Bereits seit einiger Zeit wird spekuliert, die drei Nachbarstaaten könnten afghanische Flüchtlinge in großer Zahl aufnehmen, um sie an der nicht erwünschten Weiterreise nach Europa zu hindern. Maas hielt sich gestern zu Gesprächen über die Flüchtlinge in der usbekischen Hauptstadt Taschkent auf. Berlin sei bereit, zusätzlich zu den 100 Millionen Euro, die man Hilfsorganisationen zur Versorgung von Flüchtlingen in Afghanistans Nachbarstaaten bereits zur Verfügung gestellt habe, weitere 500 Millionen Euro zu zahlen, sagte Maas in Taschkent.[6] Usbekistan ist freilich nicht dazu bereit, für Deutschland und die EU die Rolle eines Türstehers bei der Flüchtlingsabwehr zu übernehmen, wie sie die Türkei im Falle der Flüchtlinge aus Syrien innehat. Taschkent habe sich lediglich bereit erklärt, Flüchtlinge zur Weiterreise nach Deutschland ins Land zu lassen, die - so etwa Ortskräfte - die Genehmigung zur Aufnahme in der Bundesrepublik bereits besäßen, teilte Maas gestern mit.


Neue Abhängigkeiten

Davon abgesehen hat Maas zugesagt, Ortskräfte künftig mit zivilen Maschinen aus Kabul in die Bundesrepublik auszufliegen - dann, wenn der Flugbetrieb dort wieder regulär läuft. Wann dies der Fall ist, ist gänzlich ungewiss. Gegenwärtig verhandelt die Türkei mit den Taliban darüber, eine tragende Rolle bei der Sicherung des Flughafens sowie bei der Gewährleistung des Flugbetriebs zu übernehmen. Ob die Taliban einer derartigen Kooperation mit Ankara zustimmen, ist jedoch nicht klar. Überlegungen, die EU könne diese Aufgabe erledigen, waren vergangene Woche am Rande gestreift, aber - unabhängig von der Frage, ob die Taliban das gestatten würden - umgehend ad acta gelegt worden: "Schon die internen Prozeduren" in Brüssel seien "viel zu langwierig", hieß es.[7] Gelingt es der Türkei, von den Taliban die Erlaubnis zur Sicherung des Flughafens in Kabul zu erhalten, dann wäre Berlin bei der Einreise seiner ehemaligen Ortskräfte nicht nur von den neuen Machthabern in Kabul abhängig, sondern einmal mehr von Ankara, auf das es bereits bei der Abwehr von Flüchtlingen aus Syrien abhängig ist.

 

[1] kabulluftbruecke.de/update.

[2] Julia Klaus, Nils Metzger: Die Visa-Hölle der afghanischen Ortskräfte. zdf.de 19.08.2021. S. auch Einbahnstraße nach Kabul und Einbahnstraße nach Kabul (III).

[3] Helene Bubrowski: Der Minister wie gelähmt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.08.2021.

[4] Julia Klaus, Nils Metzger: Die Visa-Hölle der afghanischen Ortskräfte. zdf.de 19.08.2021.

[5] Helene Bubrowski: Rein ins Flugzeug, raus aus Afghanistan. Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.08.2021.

[6] Ausreise nur mit Aufnahmezusage. tagesschau.de 30.08.2021.

[7] Jochen Buchsteiner, Thomas Gutschker: Maximale Anstrengung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.08.2021.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8688
31.08.2021

KRiStA  Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte

Roland Stöbe – Zur Zulässigkeit der Frage des Arbeitgebers nach dem Impfstatus des Arbeitnehmers


netzwerkkrista.de, vom 27. August 2021, Von 

Impfen ist eine „sehr individuelle Entscheidung“ und soll freiwillig bleiben, äußerten die Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr Gesundheitsminister Jens Spahn und der RKI-Chef Lothar Wieler während einer Pressekonferenz im Juli 2021 am Robert Koch-Institut. Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen. Jedoch warnten bereits im Dezember letzten Jahres der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg Stefan Brink und seine Referentin für Datenethik Clarissa Henning eindringlich, eine Impfung könne nur frei und freiwillig sein, wenn sie nicht durch die Gefahr der Diskriminierung überlagert werde. Ist der Einzelne verpflichtet, private Impfentscheidungen öffentlich machen zu müssen, um Freiheitsrechte ausüben zu können, könne von einer „Freiwilligkeit der Impfung“ nicht mehr gesprochen werden. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde dann wesentlich beschnitten. Einer sozialen Spaltung der Gesellschaft werde so Vorschub geleistet und der soziale Druck auf den Einzelnen unerträglich erhöht[1]. Allen Freiwilligkeitsfloskeln zum Trotz, diesen Status haben wir inzwischen erreicht. Die soziale Teilhabe wird mittlerweile weitestgehend von der 3G-Regel bestimmt, der Impfstatus ist quasi die Eintrittskarte für ein halbwegs normales soziales Leben. Dies wird verstärkt werden, falls der Plan umgesetzt werden sollte, die Tests künftig kostenpflichtig zu machen oder soweit in manchen Ländern 2G-Regeln eingeführt werden sollten. Es mehren sich nun auch Stimmen, die eine Erhöhung des Impfdrucks durch Beschränkungen in der Teilhabe am Arbeitsleben begleitet wissen wollen und zu diesem Zweck auch im Arbeitsverhältnis ein Recht der Arbeitgeber einfordern, nach dem Impfstatus ihrer Mitarbeiter fragen zu dürfen. Ob es ein solches Fragerecht des Arbeitgebers gibt, soll mit dieser Abhandlung untersucht werden.


Rechtliche Ausgangslage

Ausgangspunkt ist das Datenschutzrecht, also die Regelungen der DSGVO. Im Beschäftigungskontext gelten über die Ermächtigung des Art. 88 Abs. 1 DSGVO konkretisierend und ergänzend auch die Regelungen des § 26 BDSG. Weiter als im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 DSGVO sind gem. § 26 Abs. 7 BDSG im Beschäftigtenkontext personenbezogene Daten auch bei bloß „analogen“ Verarbeitungen geschützt.


Die Frage, ob jemand gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft ist, ist als Datenerhebung eine Datenverarbeitung iSd. Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Insbesondere auch jede weitere Speicherung, Nutzung oder Verwendung dieses Datums ist eine Datenverarbeitung. Als Gesundheitsdatum iSd. Art. 2 Nr. 15 DSGVO gehört dieses Datum zu den sog. besonderen Kategorien personenbezogener Daten, deren Verarbeitung gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt ist, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall des Art. 9 Abs. 2 DSGVO vor. Im Arbeitsverhältnis kommen vor allem die Einwilligung gem. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO oder die Rechtfertigung nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO in Betracht.


Eine rechtmäßige Verarbeitung aufgrund einer Einwilligung (Art. 7 DSGVO) ist zwar theoretisch denkbar. Angesichts der arbeitsvertragstypischen strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers[2] wird man aber in den seltensten Fällen von einer wirklich „freiwilligen“ Einwilligung ausgehen können, wie sie von Art. 4 Nr. 11 DSGVO vorausgesetzt wird[3]. Hinzu kommt, dass für eine Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten iSv. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere wäre der konkrete Verwendungszusammenhang aufzuzeigen, für den die Daten erhoben werden sollen[4]. Ein Arbeitgeber kann nicht erwarten, dass ein Arbeitnehmer, der auf die Frage nach dem Impfstatus geantwortet hat, diese Antwort freiwillig preisgeben und damit eine Einwilligung in die Verarbeitung geben wollte.


Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung des Datums „Impfstatus“ kann also nicht ohne die mit diesem Datum verfolgte Zwecksetzung beurteilt werden. Maßgeblich ist, ob das Datum erforderlich ist, damit der Arbeitgeber als Verantwortlicher die ihm aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenen Rechte ausüben und seinen diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann, Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO. Der diese Norm umsetzende § 26 Abs. 3 BDSG fügt dieser Zwecksetzung noch einen besonderen Verhältnismäßigkeitsmaßstab hinzu, wonach kein Grund zur Annahme bestehen darf, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.


Rechtfertigungsmöglichkeiten im Einzelnen:

Beispielhaft werden folgende Zwecksetzungen zur Rechtfertigung der Datenverarbeitung des Datums Impfstatus diskutiert.


Gesundheitsschutz der Belegschaft

Vielfach berufen sich Arbeitgeber darauf, dass die Kenntnis, ob ein Arbeitnehmer geimpft ist, für den Gesundheitsschutz der Belegschaft und ggf. der Kunden erforderlich sei. Gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Was erforderlich ist, hat der Arbeitgeber, ggf. mitbestimmt durch den Betriebsrat, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG zu ermitteln. Hierbei sind jedoch die gem. § 18 ArbSchG erlassenen Arbeitsschutzverordnungen zu beachten.  Auf der Grundlage von § 18 Abs. 3 ArbSchG wurde für die Zeitdauer der epidemischen Lage nationaler Tragweite vom BMAS die SARS-CoV-2-ArbSchV erlassen, die ausweislich seines § 1 Abs. 1 dem Ziel dienen soll, das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit zu minimieren und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Die SARS-CoV-2-ArbSchV verlangt in § 3 Abs. 1 ein im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu erstellendes Hygienekonzept, in welchem die Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen sind, wie z.B. die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder Abstandsregeln und Maßnahmen zur Kontaktreduzierungen. Einen gesetzlichen oder gar durch Verordnung eingeführten Impfzwang gibt es nicht. Ohne einen solchen Impfzwang gibt es auch keine rechtliche Pflicht aus dem Arbeitsrecht, nach dem Impfstatus zu fragen. Die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers gegen eine Verarbeitung überwiegen. Es besteht deshalb weitgehend Einigkeit, dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine Frage nach dem Impfstatus unzulässig sein dürfte[5]. Dies zumal mittlerweile Erkenntnisse der britischen Gesundheitsbehörde PHE und der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde vorliegen, dass die Impfung möglicherweise gar nicht dazu führt, dass infizierte Geimpfte weniger infektiös wären als Ungeimpfte[6]. Dies müsste konsequenterweise dazu führen, den Impfstatus als Kriterium des Gefahrenabwehrrechts für ungeeignet zu betrachten[7].


Dieser Befund kann auch nicht durch das Hausrecht des Arbeitgebers ausgehebelt werden. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers schlägt das Hausrecht[8].


Auch der Zugang zu betrieblichen Sozialeinrichtungen wie z.B. Kantinen kann nicht aus Gründen des präventiven Gesundheitsschutzes an den Impfstatus gekoppelt werden. Eine solche Koppelung wäre maßregelnd iSd. 612a BGB. Entsprechende Fragen hierzu sind ebenfalls nicht erforderlich und demnach unzulässig[9].


Etwas anderes gilt aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 23a IfSG jedoch für Beschäftigte in den in § 23 Abs. 3 IfSG benannten Einrichtungen des Gesundheitswesens, soweit die Verarbeitung der personenbezogenen Daten über den Impf- und Serostatus von Beschäftigten zur Erfüllung der Verpflichtung der Einrichtungsleiter zur Verhütung nosokomialer Infektionen und der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erforderlich ist.


Auskunftspflicht für Aufgaben der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Seit neuestem wird vertreten, dass eine Frage nach dem Impfstatus jedenfalls in den Fällen erlaubt sein müsste, in denen ein Arbeitnehmer an COVID-19 erkrankt ist. Denn in der Nichtimpfung läge ein sog. „Verschulden gegen sich selbst“, welches gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließe. Zur Prüfung der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung sei deshalb die Kenntnis über den Impfstatus erforderlich[10]. Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber – anders als beim Entschädigungsanspruch in § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG – einen Anspruchsausschluss für Nichtgeimpfte gerade nicht normiert hat. Hinzu kommt, dass auch bei geimpften Arbeitnehmern der Eintritt einer COVID-19-Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann[11].


Auskunftspflicht zur Erfüllung der Aufgabe der Entschädigungsauszahlung

Arbeitnehmer müssen sich nach den Coronaverordnungen der Länder in Absonderung begeben, wenn sich haushaltsnahe Angehörige infiziert haben oder wenn sie enge Kontaktpersonen zu infizierten Personen sind (beispielhaft: § 4 CoronaVO Absonderung BW). Ihnen steht in diesem Fall ein Entgeltanspruch wegen vorübergehender Verhinderung der Dienstleistung zu gem. § 616 BGB. Umstritten ist, für welchen Zeitraum der Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtet ist. Diskutiert werden Zeiträume von wenigen Tagen[12] bis zu 6 Wochen[13], wobei eine Tendenz zu einer nur kurzzeitigen Zahlungspflicht erkennbar ist. Hinzu kommt, dass auch dieser Zahlungsanspruch nach § 616 BGB unter dem Vorbehalt des fehlenden Verschuldens steht und außerdem auch noch vertraglich abbedungen werden kann.

Subsidiär[14] zu diesem vorrangigen Entgeltzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber räumt § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG dem Arbeitnehmer für den Fall des Verdienstausfalls einen Entschädigungsanspruch ein. Dieser Entschädigungsanspruch ist gem. § 56 Abs. 5 IfSG vom Arbeitgeber für die zuständige Behörde auszuzahlen. Der Arbeitgeber ist also die Zahlstelle für den Entschädigungsanspruch. Eine Entschädigung für die Zeit der Absonderung erhält gem. § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG jedoch nicht, wer durch die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch den Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Nach aktuell geltender Rechtslage besteht eine Absonderungspflicht für den genannten Personenkreis aber nicht (mehr), wenn sie geimpft oder genesen sind, vergl. § 10 Abs. 1 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung. Ob diese Privilegierung Geimpfter mittlerweile angesichts vergleichbarer Viruslasten wie bei Ungeimpften verfassungsrechtlich zulässig ist,[15] mag bezweifelt werden, kann jedoch dahinstehen. Denn eine Frage nach dem Impfstatus ist in diesen Fallgestaltungen gar nicht mehr erforderlich. Denn aus der Absonderungsanordnung folgt schließlich schon unmittelbar, dass es sich um einen ungeimpften und somit nicht absonderungsbefreiten Mitarbeiter handeln muss. Lediglich, wenn auch Geimpfte sich absondern müssten, bedürfte der Arbeitgeber, um seine Zahlstellenfunktion ausfüllen zu können, notwendigerweise eine ausdrückliche Kenntnis vom Impfstatus seines Mitarbeiters. In diesen Fällen müsste eine Erforderlichkeit der Frage nach dem Impfstatus jedoch bejaht werden.


Entsprechendes dürfte gelten, wenn sich ein Arbeitnehmer z.B. nach dem Urlaub wegen einer Einreise aus einem Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet gem. § 4 Abs. 1 CoronaEinreiseV in die Absonderung begeben muss. Schließlich gilt für Geimpfte und Genesene gleichermaßen keine Absonderungspflicht, wenn sie einen Genesenen- oder Impfnachweis vorlegen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 CoronaEinreiseV).


Auskunftspflicht wegen Kundenanforderung

Nicht alle Arbeitnehmer arbeiten regelmäßig im Betrieb ihres Arbeitgebers. Vielfach werden Arbeitnehmer auch direkt beim Kunden eingesetzt. Kritisch werden Fälle, in denen der Kunde nur geimpfte Personen in den Betrieb lassen möchte.


Handelt es sich um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, ist die Frage noch einfach zu beantworten. Ein Leiharbeitnehmer unterliegt gem. § 11 Abs. 6 AÜG den im Entleiherbetrieb geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts. Im Arbeitsschutzrecht ist, wie oben bereits dargestellt, eine Impfpflicht nicht vorgesehen, weshalb auch ein Fragerecht des entleihenden Kunden ausscheiden dürfte. Der verleihende Arbeitgeber kann also nicht einfach die gewünschte Impfanforderung „durchreichen“. Er wird vielmehr gehalten sein, auf seinen Kunden leistungssichernd einzuwirken. Der Entleiher ist gegenüber dem Verleiher gem. § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme verpflichtet und kann daher keine weitergehenden Pflichten konstituieren, ohne sich ggf. gegenüber dem Verleiher schadensersatzpflichtig zu machen[16].


Entsprechendes dürfte gelten, wenn der Kunde sich vertraglich nicht ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der zur Erbringung der Arbeitsleistung einzusetzenden Arbeitnehmer ausbedungen hat[17].


Wie Fälle zu entscheiden sind, in denen der Kunde sich ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Arbeitnehmer ausbedungen hat und der Kunde nunmehr einen Impfnachweis verlangt, ist derzeit noch nicht entschieden. Datenschutzrechtlich erscheint aber zweifelhaft, ob Auftraggeber ein schützenswertes Interesse haben, von Arbeitnehmern seines Auftragsnehmers mehr zu verlangen, als er eigenen Arbeitnehmern abverlangen dürfte, würden diese die Arbeit selbst erledigen.


Letztlich werden diese Fallgestaltungen aber kaum beim Datenschutz entschieden werden. Die Macht des Faktischen wird den Arbeitgeber aus rein wirtschaftlichen Zwängen dazu bringen, sich dem Wunsch des Kunden zu beugen. Ob der Arbeitnehmer wegen einer verneinenden Antwort zur Impfung oder wegen einer verweigerten Auskunft nicht zum Einsatz beim Kunden kommt, spielt dann keine Rolle. Der Arbeitgeber wird ihn bei diesem Kunden nicht einsetzen. Der Streit wird dann vielmehr bei der Frage ausgetragen werden, ob der Arbeitnehmer dennoch Entgelt zu beanspruchen hat, obwohl er nicht gearbeitet hat. Ein Fall des Betriebsrisikos, für den der Arbeitgeber zahlungspflichtig wäre gem. § 615 Satz 3 BGB, liegt hierin nicht. Auch aus Annahmeverzug gem. § 615 Satz 1 BGB wird der Arbeitnehmer Entgelt nicht beanspruchen können. Denn wenn der Kunde dem Arbeitnehmer (unabhängig davon, ob berechtigt oder nicht) den Zugang zu seinen Betriebsräumlichkeiten verwehrt, liegt bezogen auf diese konkret zugewiesene Tätigkeit eine Leistungsunmöglichkeit gem. § 297 BGB vor. Ob der Arbeitnehmer einen Zahlungsanspruch hat, hängt deshalb davon ab, ob § 326 Abs. 1 BGB („ohne Arbeit kein Lohn“) zum Tragen kommt oder § 326 Abs. 2 BGB, welcher den Vergütungsanspruch aufrecht erhält, wenn der Umstand, aufgrund dessen der Arbeitnehmer nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers liegt und in einem Zeitpunkt eingetreten ist, in welchem sich der Arbeitgeber im Verzug der Annahme befunden hat. 

Letzteres wird man annehmen können, wenn es der Arbeitgeber unterlassen hat, dem Arbeitnehmer eine mögliche anderweitige Tätigkeit kraft Direktionsrecht zuzuweisen oder wenn er es unterlassen hat, gegenüber dem Kunden zumutbar von seiner Einwirkungspflicht zur Einhaltung des Rücksichtnahmegebots Gebrauch zu machen[18].


Fazit

Bis auf einzelne Ausnahmefälle dürfte ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus seiner Mitarbeiter nicht bestehen. Dennoch: Der durch den Dammbruch der Einschränkungen in der sozialen Teilhabe beabsichtigte Impfdruck wird im Arbeitsleben seine Fortsetzung erfahren. Die Macht des Faktischen wird es richten. Wenige dürften bei Übergriffigkeiten dem Druck im Arbeitsleben standhalten.


[1] https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/aufsatz-geimpft-wie-ein-datum-ueber-unsere-freiheit-entscheiden-koennte/

[2] BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 –

[3] Kühling/Klar/Sackmann Datenschutzrecht 4. Aufl. Rn. 497, 499

[4] Kühling/Klar/Sackmann Datenschutzrecht 4. Aufl. Rn. 509

[5] Haschert in COVID-19 Rechtsfragen zur Coronakrise 3. Aufl. § 24 Datenschutz Rn. 90b; Wittek ArbRAktuell 2021, 61; Naber/Schulte NZA 2021, 81

[6] beispielhaft: Tagesspiegel vom 7.8.2021 https://www.tagesspiegel.de/politik/studie-aus-grossbritannien-viruslast-bei-geimpften-genauso-hoch-wie-ungeimpften-delta-infizierten/27492972.html

[7] Rolf Merk Testpflicht jetzt auch für Geimpfte! LTO 23.8.2021 https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-impfpflicht-testpflicht-3g-regel-2g-impfung-immunitaet-genesen-virus-impfdurchbruch/.

[8] Naber/Schulte NZA 2021, 81

[9] Naber/Schulte NZA 2021, 81

[10] Krainbring NZA 2021, 247

[11] Naber/Schulte NZA 2021, 81

[12] MüKoBGB/Henssler BGB 8. Aufl. § 616, Rn. 68

[13] BGH 30.11.1978 – III ZR 43/77 –

[14] Glaser in Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht 5. Aufl. § 24 Rn. 230

[15] verneinend: Rolf Merk Testpflicht jetzt auch für Geimpfte! LTO 23.8.2021 https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-impfpflicht-testpflicht-3g-regel-2g-impfung-immunitaet-genesen-virus-impfdurchbruch/

[16] BAG 28.9.2016 – 5 AZR 224/16 –

[17] BAG 28.9.2016 – 5 AZR 224/16 –

[18] BAG 28.9.2016 – 5 AZR 224/16 –


Info: htthttps://netzwerkkrista.de
30.08.2021

Landkarte im Jahr 2050: Auf dem europäischen Schachbrett bahnt sich eine Katastrophe an

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, vom 29.08.2021 20:06, Deutsche Wirtschaftsnachrichten

Bis zum Jahr 2050 wird sich die europäische Landkarte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nachhaltig verändern. Alte Feindseligkeiten könnten wieder ausbrechen und sogar einzelne Bundesländer könnten sich lossagen, um eigene Wege zu gehen. Doch es gibt einen Mittelweg zwischen EU und Nationalstaat.



Landkarte im Jahr 2050: Auf dem europäischen Schachbrett bahnt sich eine Katastrophe an





 Sezessionistische Bestrebungen in Europa. (Grafik: GPF)



Zitat: „Wir haben schon oft gesagt und werden noch oft sagen, dass der Nationalismus auf der ganzen Welt zunimmt. Und nirgendwo ist das so offensichtlich wie in Europa. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass dieser Nationalismus nicht durch die britische Abstimmung zum Austritt aus der Europäischen Union in der vergangenen Woche verursacht wurde. Der Aufstieg des Nationalismus war bereits im Gange, und viele der politischen Entwicklungen, die in den letzten Wochen aus Europa hervorgegangen sind, sind direkte Manifestationen seines Wiederauflebens“, prognostizierte der US-Informationsdienst Geopolitical Futures (GPF).


GPF hatte zahlreiche nationalistische und sezessionistische Bewegungen in Europa untersucht, um anschließend anzudeuten, dass nicht alle Bestrebungen dieser Bewegungen auch wirklich eintreten werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die von uns gewohnte Europakarte in den nächsten 50 Jahren unverändert bleibt, ist jedoch ebenfalls äußerst gering. Der Nationalismus ist Teil der Fragmentierung Europas und Teil der Krise der Europäischen Union. Diese Karte ist ein Gedankenexperiment (siehe Titelbild, Anm.d.Red.): Sie folgt der Logik des Nationalismus bis zum äußersten Ende. Wer sich für die Zukunft Europas interessiert, sollte sie studieren“, so GPF.

Es gibt zwei Teilbereiche, aus denen eine Bedrohung für die EU und die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten hervorgeht.


Die populistischen Anti-EU-Parteien bedrohen das Gebilde der EU, ohne den Anschein einer Gefahr für die eigenen Nationen, aus denen sie kommen, zu erwecken. Doch das dürfte ein Trugschluss sein. Sollten diese Parteien in Europa die Macht ergreifen, würden sie auch in ihren eigenen Heimatländern Reaktionen auslösen, die die europäischen Nationen innerhalb ihrer eigenen Grenzen in eine Phase der Fragmentierung eintreten lassen würden.


Zum aktuellen Zeitpunkt ist es beispielsweise undenkbar, dass das eine oder andere deutsche Bundesland sich von der Bundesrepublik Deutschland lossagt. Doch diese Gefahr, die unter der Decke schlummert, würde ihre Auswirkungen zeigen, wenn das eine oder andere Bundesland seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen unilateral mit ausländischen Mächten ausbaut, die gegen die Interessen des Bundes arbeiten oder aus geopolitischen Gründen gegen die Bundesrepublik arbeiten müssen. Hierbei ist vor allem das Spannungsfeld zwischen und Ost und West zu beobachten.


Das zweite Szenario für Deutschland ergibt sich aus einer möglichen Abspaltung Bayerns vom Rest des Bundes aufgrund massiver Proteste zum Länderfinanzausgleich und zur fehlenden politischen Mitbestimmung in dem Maße, in dem das Bundesland auch Gelder an die „Schwachen“ im Bund verteilt. Diese Gefahr war auch vor der Corona-Krise vorhanden, jedoch sehr gering. Auf den Freistaat dürften in den kommenden Jahren wegen der Corona-Auswirkungen zusätzliche massive Belastungen zukommen. Beispielsweise wäre Berlin ohne die bayrischen Steuergelder über den Länderfinanzausgleich ein Dritte-Welt-Land. Jeder, der etwas anderes behauptet, lügt. Wie lange Bayern dieses Spiel mitmacht, muss beobachtet werden. Es darf niemals vergessen werden, dass bei Sezessionen und Abspaltungen vor allem finanzielle Beweggründe maßgeblich sind. Im Regelfall entstehen sezessionistische Bestrebungen oftmals dann, wenn Bundesländer oder Bundesstaaten sich vorsätzlich finanziell benachteiligt sehen, oder aber meinen, dass sie ungerechterweise durchgehend mehr Ausgaben schultern müssen als andere.


In den anderen europäischen Ländern gibt es hingegen offene nationalistisch-sezessionistische Bestrebungen, die jederzeit ausbrechen könnten, sobald der EU-Schirm oder der Einfluss der EU über all diesen Ländern wegfällt. Dann würden auch die alten ethnischen und religiösen Feindseligkeiten unter den einzelnen europäischen Staaten zwangsläufig ausbrechen. Es muss ernsthaft festgestellt werden, dass immer mehr EU-Staaten dazu neigen, ihre eigenen Wege zu gehen.


Der Brexit stellt für die Gegner der EU den Startschuss für das Ende der EU dar. Sie argumentieren, dass früher oder später auch Italien, Spanien und weitere EU-Staaten sich von Brüssel lossagen werden. Das dürfte den Bürokraten in Brüssel und vor allem der EZB klar geworden sein, weshalb auch Mario Draghi als Premier in Rom installiert wurde. Er wird offenbar als „Brüsseler Satellit“ agieren, um einen Italexit zu verhindern.


Um den bereits begonnenen Prozess des Zerfalls abzumildern, müsste die EU zurück zu ihren Wurzeln als Freihandelszone namens Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Darin dürfte im Rahmen dieses Negativ-Szenarios der einzige Ausweg bestehen, um noch das zu retten, was zu retten ist – insbesondere aus Sicht der wirtschaftlichen und politischen Interessen Deutschlands.


Info: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/510387/Landkarte-im-Jahr-2050-Auf-dem-europaeischen-Schachbrett-bahnt-sich-eine-Katastrophe-an


30.08.2021

Die Ära der Straflosigkeit      Westliche Militärs töteten in Afghanistan tausende Zivilisten und begingen Kriegsverbrechen. Fast nichts davon wurde vor dem endgültigen Abzug gesühnt.

german-foreign-policy.com, 30. August 2021

(Eigener Bericht) - Mit dem endgültigen Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan am morgigen Dienstag gehen auch zwei Jahrzehnte tödlicher westlicher Angriffe auf Zivilisten sowie systematischer westlicher Kriegsverbrechen am Hindukusch zu Ende. Bis zum Abschluss des US-Abzugsabkommens mit den Taliban im Februar 2020 kamen durch Luftangriffe westlicher Streitkräfte und Spezialkräfteoperationen laut UN-Angaben jährlich hunderte Zivilisten zu Tode - mindestens 559 im Jahr 2019. Zahllose Unbeteiligte wurden bei US-Drohnenattacken getötet; laut Unterlagen, die ein Whistleblower durchstach, war zeitweise nur eines von zehn Drohnenopfern ein von den US-Militärs zur Ermordung freigegebenes "Ziel". Informationen, die für die Drohnenangriffe benötigt wurden, wurden auch von deutschen Stellen an US-Militärs weitergeleitet; dies gilt auch für Informationen, die zu Verschleppung und Folter von Verdächtigen durch die CIA führten. Australische Spezialtrupps begingen Morde an wehrlosen Zivilisten als Initiationsritual. Westliche Kriegsverbrechen blieben in aller Regel straflos - bis heute.


Zitat: Zivile Todesopfer

Die westlichen Streitkräfte, die jetzt wohl endgültig aus Afghanistan abziehen, haben bei ihren Operationen am Hindukusch bis zuletzt regelmäßig eine hohe Zahl an Zivilisten umgebracht. Die Opferstatistiken der Vereinten Nationen ordnen etwa von den 3.804 Zivilisten, deren Tod durch Kriegshandlungen im Jahr 2018 verlässlich dokumentiert wurde, mindestens 1.185 Angriffen der diversen Truppen zu, die auf Seiten der Regierung in Kabul kämpften; mindestens 406 von ihnen kamen demnach bei Einsätzen westlicher Militärs ums Leben. Im Jahr 2019 stieg die Zahl der zivilen Todesopfer westlicher Truppen auf mindestens 559; ein Rückgang ließ sich erst nach dem US-Abzugsabkommen mit den Taliban im Februar 2020 konstatieren. Immer wieder haben die westlichen Streitkräfte Luftangriffe durchgeführt, die wegen ihrer eklatanten Opferzahl zum Gegenstand der internationalen Medienberichterstattung wurden. Im Juni 2007 etwa kamen bei einem Luftangriff in der Provinz Helmand, dem letzten in einer langen Serie an Bombardements, bis zu 80 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, zu Tode.[1] Am 5. Mai 2019 starben bei einem US-Bombardement angeblicher Drogenlabore mindestens 30, vermutlich 60 oder gar mehr Zivilisten. Während die USA behaupten, es habe sich um Taliban gehandelt, beklagt die UNO hingegen den Tod von zivilen Arbeitern, Frauen und Kindern.[2]


"Man nahm das hin"

Die Liste ließe sich verlängern. Sie umfasst nicht zuletzt das gezielte Bombardement einer großen Anzahl von Zivilisten, das am 4. September 2009 vom deutschen Oberst Georg Klein befohlen wurde. Die Bomben trafen Hunderte Menschen, die sich bei einem feststeckenden Tanklastwagen eingefunden hatten, um Benzin für ihre Familien abzuzweigen; über hundert Zivilisten kamen zu Tode. Klein hatte den Luftangriff gegen ausdrückliche Warnungen der US-Piloten angeordnet, die darauf hingewiesen hatten, es handele sich bei der versammelten Menschenmenge offensichtlich nicht um Aufständische.[3] Abgesehen von Luftangriffen sind Zivilisten oft bei Operationen von - häufig US-amerikanischen - Spezialkräften zu Tode gekommen. Erst vor kurzem berichtete der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel unter Berufung auf umfangreiche Interviews mit deutschen Afghanistan-Veteranen von außergewöhnlich hohen zivilen Opferzahlen: "Wenn bei Operationen der amerikanischen Spezialkräfte Zivilisten auch mal im dreistelligen Bereich umkamen, nahm man das hin."[4] Regelmäßig am Hindukusch im Einsatz waren auch Trupps des deutschen Kommando Spezialkräfte (KSK). Ob und, wenn ja, zu wie vielen zivilen Opfern diese Einsätze führten, ist aufgrund der strikten Geheimhaltungspraxis der Bundesregierung nicht bekannt.


Zufallsopfer: neun von zehn

Zahlreiche zivile Todesopfer forderten auch die US-Drohnenattacken, die vor allem US-Präsident Barack Obama dramatisch ausweitete. Das Londoner Bureau of Investigative Journalism, das die Drohnenangriffe seit Jahren systematisch analysiert, listet für Afghanistan inzwischen mehr als 13.000 derartige Attacken auf. Die Zahl der Todesopfer wird mit zwischen 4.100 und über 10.000 angegeben, die Zahl der nachweislich zivilen Todesopfer mit 300 bis 900.[5] Laut Recherchen der Onlineplattform The Intercept dürfte diese Zahl zu niedrig sein. Wie The Intercept bereits im Oktober 2015 unter Berufung auf Dokumente berichtete, die ein Whistleblower übergeben hatte, fanden sich unter den mehr als 200 Todesopfern einer US-Drohnenkampagne von Januar 2012 bis Februar 2013 im Nordosten Afghanistans lediglich 35, die auf US-Ziellisten verzeichnet waren. Während fünf Monaten lag der Anteil derjenigen, die ungeplant mit Drohnen umgebracht wurden, bei fast 90 Prozent.[6] Daniel Hale, der Whistleblower, der den Einblick in die Abgründe der US-Drohnenmorde ermöglichte, wurde im Juni zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.[7] Angaben, die der Vorbereitung von Drohnenattacken dienten - Mobilfunkdaten von Verdächtigen etwa -, wurden auch von deutschen Stellen an US-Einheiten weitergegeben. Die Bundesrepublik ist damit in die US-Drohnenmorde involviert.[8]


Mord als Initiationsritual

Zu der hohen Zahl ziviler Todesopfer im Rahmen von Kriegsoperationen kommen gezielte Morde ohne jeden Anlass hinzu. So belegt ein im Herbst 2020 veröffentlichter Untersuchungsbericht, dass Angehörige australischer Spezialkräfte mindestens 39 Afghanen gänzlich willkürlich umbrachten. Auf einem Video ist beispielsweise dokumentiert, wie ein australischer Soldat einen wehrlos in einem Kornfeld liegenden afghanischen Zivilisten mit drei Schüssen aus nächster Nähe ermordete. Dem Untersuchungsbericht zufolge handelt es sich bei diesen Morden an unbewaffneten Zivilisten außerhalb jeglichen Kampfgeschehens um ein Initiationsritual, mit dem neue Mitglieder der australischen Spezialeinheit ihre angebliche soldatische Eignung unter Beweis stellen mussten. Die Praxis wurde demnach "blooding" genannt.[9] Morde außerhalb des Kampfgeschehens werden auch US-Soldaten vorgeworfen. So berichtet der Militärhistoriker Neitzel, laut Berichten deutscher Militärs seien "selbst hartgesottene Soldaten des KSK" (Kommando Spezialkräfte) "erschüttert" gewesen, "als ihnen Amerikaner nonchalant davon berichteten, wie sie gefangene Taliban exekutierten".[10] Auch für Morde britischer Spezialkräfte an afghanischen Zivilisten liegen klare Hinweise vor.[11] Konsequenzen hatten die Willkürmorde für die westlichen Soldaten fast nie.


Verschleppung und Folter

Kaum aufgeklärt und stets straflos sind nicht zuletzt zahllose Fälle der Verschleppung Verdächtiger in Foltergefängnisse im Rahmen des "Anti-Terror-Kriegs" seit dem Herbst 2001. Die Praxis betraf auch Afghanistan, wo Personen, die - zutreffend oder unzutreffend - jihadistischer Terroraktivitäten bezichtigt wurden, aufgegriffen, in Verliese verschleppt und dort brutal gefoltert wurden. Nach Erkenntnissen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) kann bei mindestens 54 Personen klar aufgezeigt werden, dass Angehörige der US-Streitkräfte in Afghanistan sie folterten, misshandelten sowie sexualisierte Gewalt an ihnen verübten. Dieselben Verbrechen an 24 Personen lassen sich dem IStGH zufolge auch CIA-Mitarbeitern nachweisen.[12] Zumindest in einige der Fälle ist die Bundesrepublik involviert: Deutsche Stellen lieferten den USA nicht nur Informationen, die zur Verschleppung und Festsetzung auch deutscher Staatsbürger führten; Mitarbeiter mehrerer deutscher Geheimdienste (Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz) wie auch Polizeibehörden (Bundeskriminalamt) verhörten Verschleppte in afghanischen Folterkerkern, darunter Khaled el-Masri aus Ulm [13] und Ahmad S. aus Hamburg [14]. Berichte von Murat Kurnaz aus Bremen, er sei in einem US-Lager in Kandahar nicht nur festgehalten und gefoltert, sondern auch von KSK-Soldaten geschlagen worden, wiesen die Bundeswehr und die Bundesregierung zurück. Neutralere Zeugen bestätigten Kurnaz' Version.[15]

 

[1] Jason Burke: 'Up to 80 civilians dead' after US air strikes in Afghanistan. theguardian.com 01.07.2007.

[2] UNAMA Special Report: Airstrikes on alleged drug-processing facilities. Farah, 5 May 2019. Kabul, October 2019. unama.unmissions.org.

[3] S. dazu Die Bomben von Kunduz.

[4] Sönke Neitzel: Deutsche Krieger. Vom Kaiserreich zur Berliner Republik - eine Militärgeschichte. Berlin 2020. S. 547.

[5] Strikes in Afghanistan. thebureauinvestigates.com.

[6] Jeremy Scahill: The Assassination Complex. theintercept.com 15.10.2015.

[7] Chip Gibbons: Daniel Hale Went to Prison for Telling the Truth About US Drone Warfare. jacobinmag.com 05.08.2021.

[8] S. dazu Zur Tötung vorgeschlagen.

[9] Matthew Doran: Afghanistan war crimes report released by Defence Chief Angus Campbell includes evidence of 39 murders by special forces. abc.net.au 19.11.2020. S. dazu Bilanz von 18 Jahren.

[10] Sönke Neitzel: Deutsche Krieger. Vom Kaiserreich zur Berliner Republik - eine Militärgeschichte. Berlin 2020. S. 547.

[11] Panorama Investigation: War crimes scandal exposed. bbc.co.uk 17.11.2019.

[12] Situation in Afghanistan. Summary of the Prosecutor's Request for authorisation of an investigation pursuant to article 15. International Criminal Court. 20 November 2017.

[13] S. dazu Wer ist "Sam", der deutsche Foltergesandte?

[14] Hans Leyendecker: "Hochkonkret" oder "abstrakt"? sueddeutsche.de 01.11.2010.

[15] Brite bestätigt: KSK misshandelte Kurnaz. tagesspiegel.de 24.01.2008.


Info: 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8687


Kommentar: Parteien- Regierungspolitik und Militärs, alle stehen hier auch ursächlich in der Verantwortung!      Thomas Bauer

29.08.2021

Thesenpapier 8 der Autorengruppe

– Pandemie als komplexes System
– Steuerung der Epidemie durch Indikatoren-Sets
– Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie
– Politik und Demokratie unter Pandemie-Bedingungen


corona-netzwerk.info, (Datum 29.8.2021)

INFO-PLATTFORM CORONA Wissenschaftsbasierte Entscheidungsfindung

Die Thesenpapier-Autorengruppe hat ihr 8. Thesenpapier erarbeitet, das auf insgesamt 151 Seiten zu folgenden Aspekten Stellung nimmt:


Die Thesenpapier-Autorengruppe hat ihr 8. Thesenpapier erarbeitet (Datum 29.8.2021), das auf insgesamt 151 Seiten zu folgenden Aspekten Stellung nimmt:

  1. es wird ein Konzept für das Verständnis der Epidemie entwickelt (Kap. 2 „Pandemie als Komplexes System“), mit dem das schwer zu entschlüsselnde Verhalten der Epidemie zu erklären ist, und das es erlaubt, Empfehlungen für die Steuerung (Messparameter) und die Präventionsstrategie abzuleiten;
  2. es wird ein Indikatoren-Set entwickelt (Kap. 3), das die Melderate („Inzidenz“) ablösen kann und über eine erheblich bessere Aussagekraft verfügt;
  3. es werden in einem umfangreichen, kritischen Ansatz das Wissen zur SARS2-Epidemie im Kindes- und Jugendalter dargestellt (Kap. 4) und weitgehende Erleichterungen für diese bisher am stärksten psychosozial belastete Bevölkerungsgruppe gefordert;
  4. es wird eine Politische Theorie der Pandemie vorgestellt, die die „Massivreaktion“ der gesellschaftlichen und politischen Ebenen erklärt und für die Diskussion der Handlungsoptionen öffnet.


Die Autorengruppe beschäftigt sich seit März 2020 ehrenamtlich mit der Corona-Thematik und greift kontinuierlich mit Thesenpapieren und adhoc-Stellungnahmen in die politische Diskussion ein. Das Thesenpapier 8 steht HIER zum Download bereit. Ein Register über die Inhalte der bisherigen Thesenpapiere kann man HIER erhalten. Für Rückfragen steht das Autorenteam jederzeit zur Verfügung.

 

Info: https://corona-netzwerk.info/thesenpapier-8-der-autorengruppe  DOWNLOAD hier



Weiteres: 



Die Einschüchterung der Intelligenz


corona-netzwerk.info, Veröffentlicht am 29. August 2021

Unser angstbesetztes Meinungsklima untergräbt die freiheitliche Ordnung und treibt die wahre Elite zur Abkehr von der repräsentativen Demokratie.


”Artikel von Dr. Michael Andrick, Berlin, in der Berliner Zeitung vom 24.8.2021: “Als Mensch mit vielen Minderheitsmeinungen traute ich im Juni sofort meinen Augen, als ich las: Nur noch 45 Prozent der Deutschen geben bei Allensbach an, frei und ohne besondere Vorsicht ihre politische Meinung zu äußern. Dieses angstbelastete Meinungsklima untergräbt unsere bisher freiheitliche Ordnung. Wieso?


Seit dem Beschluss einer „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ leben wir mit Verordnungen. Die Regierung gibt wechselnde, niemals genaue Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit ihres Handelns an und wird bisher von den Gerichten auch nicht zur nötigen Präzisierung gezwungen. Damit sind die verfügten Grundrechtseinschränkungen genau besehen Willkür. Die gerade vorherrschende Rhetorik, nach der Grundrechte „zurückgewonnen“ werden könnten, ist unhaltbar. Sie können überhaupt nicht entzogen, sondern nur mit triftiger, transparenter Begründung vorübergehend eingeschränkt werden.


Der Souverän muss nachdenken
In dieser Lage muss ich mir als Bürger ein Urteil zur Corona-Politik bilden: Das Grundgesetz (Art. 20, Abs. 4) fordert jeden von uns auf, zu bewerten, ob eine Politik mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist oder nicht.


Ich habe nicht alle Fakten zu „Corona“ parat. Zur Meinungsbildung brauche ich eine offene, vielstimmige Debatte. Äußern nur 45 Prozent der Mitbürger frei heraus ihre politische Meinung, so vereitelt das diese Pluralität: Tatsachen und Bewertungen, die der meistveröffentlichten Erzählung widersprechen, werden kaum geäußert und kaum gehört.


Sie werden kaum geäußert, weil jeder, der sie zur Diskussion stellt, dem Stress der Minderheitsposition ausgesetzt ist. Und die Furcht vor dieser Unsicherheit erklärt ja gerade den zitierten Allensbach-Befund…


Die wahre Elite wendet sich ab
So entsteht der falsche Eindruck weitestgehender Einigkeit darüber, was in der Sache gerade passiert (eine schlimme Pandemie) und wie das zu bewerten ist (Notlage gebietet Gehorsam).
Diese diskursoptische Täuschung verleitet Politiker und manche Intellektuelle, sich als Sprecher der angeblichen „Mehrheit der Vernünftigen“ zu gerieren und gegen die angebliche Minderheit der „fragwürdigen“ oder „umstrittenen Abweichler“ Stimmung zu machen.


Diese Diskriminierung offenbart undemokratischen Geist. Sie trifft naturgemäß meist diejenigen, die sich ungeachtet der Mehrheitsmeinung „ihres Verstandes ohne die Leitung eines anderen bedienen“ (I. Kant). Die „Einschüchterung der Intelligenz“ (S. Freud), des selbstständigen Denkens, wird so offizielle Politik. Jeder weiß jetzt: Zweifle ich an, was meistens zu lesen und zu hören ist, dann droht mir Ausgrenzung.


Der zutreffende Eindruck, mit ihren Kenntnissen und Urteilen kaum gehört zu werden, frustriert viele bereits seit März 2020 immer mehr. Die Folge ist Radikalisierung in Filterblasen oder resignierter Zynismus gerade derer, die sich als überzeugte Demokraten weiterhin trauen, eine (vermutliche) Minderheitsmeinung zu vertreten. Können wir uns den Verlust dieser wahren demokratischen Elite leisten?”


Quelle Berliner Zeitung


Info: https://corona-netzwerk.info/die-einschuechterung-der-intelligenz

28.08.2021

AFGHANISTAN-KONFLIKT                                                                                                US-Armee übt Vergeltung in Afghanistan

dw.com, 28.08.2021

Als Reaktion auf den blutigen Anschlag am Flughafen der afghanischen Hauptstadt haben die USA den regionalen Ableger der Terrormiliz IS attackiert. Die Kabuler US-Botschaft veröffentlichte eine neue Sicherheitswarnung.


US-Drohnen in Afghanistan














Unbemannt im Einsatz: eine US-Drohne (Archivbild)


Zitat: Der Angriff mit einer Drohne in der afghanischen Provinz Nangahar habe "einem Planer" des regionalen Ablegers der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (IS-K) gegolten, teilte ein Sprecher des US-Zentralkommandos Centcom mit. "Ersten Anzeichen zufolge haben wir das Ziel getötet. Wir wissen von keinen zivilen Opfern."


US-Präsident Joe Biden hatte nach der blutigen Attacke am Kabuler Flughafen Rache geschworen. Bei dem Terrorangriff am Donnerstag waren Dutzende Menschen getötet worden - darunter 13 amerikanische Soldaten. "Wir werden nicht vergeben. Wir werden nicht vergessen. Wir werden euch jagen und euch dafür bezahlen lassen", hatte Biden kurz nach dem Anschlag gesagt.


Am Freitag bekräftigte seine Sprecherin Jen Psaki die Entschlossenheit des Präsidenten: "Er hat klar gemacht, dass er nicht will, dass sie noch auf der Erde leben." Psaki antwortete damit auf die Frage, ob Biden die Urheber der Attacke töten lassen oder vor Gericht stellen wolle. Zu dem Anschlag hatte sich die afghanische IS-Gruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (IS-K) bekannt.


Neuer Anschlag "wahrscheinlich"


Die US-Botschaft in Kabul rief ihre Landsleute unterdessen erneut auf, sich "umgehend" von den Toren des Flughafens zu entfernen. "US-Bürger, die sich im Moment am Abbey Gate, East Gate, North Gate oder am Tor des Neuen Innenministeriums aufhalten, sollten jetzt umgehend gehen", erklärte die diplomatische Vertretung auf ihrer Internetseite, ohne nähere Angaben zu machen. Vor dem Anschlag am Donnerstag hatte die Botschaft eine ähnliche Warnung veröffentlicht.


Pentagon-Sprecher John Kirby sprach von "konkreten und glaubwürdigen Bedrohungen" am Airport der afghanischen Hauptstadt. Bidens Sicherheitsberater stuften einen weiteren Anschlag als "wahrscheinlich" ein. Die kommenden Tage seien der "bisher gefährlichste Zeitraum" der Mission, meinte Biden-Sprecherin Psaki. Trotz allem sollen "bis zum letzten Moment" Evakuierungsflüge stattfinden, wie US-General Hank Taylor betonte.

wa/cw (dpa, afp, rtr)


Info: https://www.dw.com/de/us-armee-übt-vergeltung-in-afghanistan/a-59010202

28.08.2021

KOMMENTAR   Die Kapitulation  -  Linke toleriert erstmals Kampfeinsatz

jungewelt.de, Aus: Ausgabe vom 27.08.2021, Seite 8 / Ansichten, Von Sebastian Carlens

Zitat: Während am Mittwoch im Bundestag noch gestritten wurde, ob Die Linke nicht – durch Enthaltung beim Evakuierungsmandat – einen Völkermord begehe, war den entscheidenden Stellen längst klar: Die Flüge aus Kabul würden einen Tag später sowieso enden. US-Präsident Joseph Biden hatte den »G7« klargemacht, schnellstmöglich abrücken zu wollen; Konsultationen hatte es dazu nicht gegeben. Die Debatte war eine Phantomdiskussion, nachträgliche Legitimation eines abgeschlossenen Einsatzes. Im Bundestag hat das keine Rolle gespielt.


Den Karren mögen andere in den Dreck gefahren haben, nun muss er gemeinsam herausgezogen werden – diese Logik hat sich Die Linke zu eigen gemacht. Es sei bedauerlich, dass eine Lage eingetreten sei, in der nur noch militärisch »geholfen« werden könne, hatte Ex-MdB Jan van Aken vorab in ND – Der Tag erklärt: »Als Pazifist fällt es mir nicht leicht, aber ich finde: ja!« Die Fraktionsführung empfahl Enthaltung. So sollte es kommen, genutzt hat es der Partei wenig. Sie könne eben »nicht über ihren antimilitärischen Schatten springen und setzt damit Ideologie vor Menschenleben«, donnerte Springers Welt.


Nein, an der Menschenvernichtung am Hindukusch trägt Die Linke keine Schuld. Eine Viertelmillion Tote sind auch nicht als Kollateralschäden beim Brunnenbohren oder mit Missgeschicken beim Mädchenschulenbau erklärbar. Wie es wirklich lief, schildert der afghanische Schriftsteller Emran Feroz: US-Soldaten verkleiden sich als Taliban, marschieren in die Dörfer ein und schlachten jeden ab, der auf die Maskerade hereinfällt (»Bauch aufgeschlitzt«). Der Krieg ist nicht an »zu ehrgeizigen Zielen« (Angela Merkel) gescheitert. Es war ein imperialistischer Raubzug.


Die Linke hat 20 Jahre lang dagegengehalten, um auf dem letzten Meter zu kapitulieren. Das mit ihrer Duldung beschlossene Mandat ist ein Kampfeinsatz, eine UN-Resolution dazu gibt es nicht. Genau dies war eine der »roten Haltelinien«. Das aktuell der Partei gehörende ND – Der Tag eröffnete eine »Pro- und Contra-Diskussion«; zur Debatte standen: Enthaltung oder Zustimmung. Dass man nicht nur mit Nein stimmen konnte, sondern – im Sinne des Programms – hätte stimmen müssen, spielt keine Rolle. Dass immerhin zehn Prozent der Fraktionsmitglieder mit Nein gestimmt haben, auch nicht. Prominent plaziert dagegen Matthias Höhn, der Heiko Maas der Opposition: Auch er hatte »ja!« gesagt.


Die Linke wird nur um den Preis der Zustimmung zu weiteren deutschen Militäreinsätzen mitregieren können, das haben alle potentiellen Partner klargemacht. Jan van Aken nennt den Vorwurf, es gehe um den Beweis der Koalitionsfähigkeit, »infam«. Sollte dies das Kalkül gewesen sein, dann war es mindestens dumm. Die sechs bis sieben Prozent, die links wählen wollen, sind Stammwähler; für sie spielt Antimilitarismus eine Rolle. Und den Bürgerlichen reicht eine halbe Unterwerfung nicht, sie wollen die ganze.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/409176.die-kapitulation.html
27.08.2021

MELDUNGEN                                                                                                                              3G, 2G, 1G, nichts Gt mehr … für Ungeimpfte! Oder: Ein Lockdown hat auch positive Seiten - Dirk Müller im Gespräch mit Naturscheck

cashkurs. com,  27.08.2021, Autor: Cashkurs-Redaktion

Wie an dieser Stelle prognostiziert, erleben wir nun das Hineingleiten eine Zweiklassengesellschaft aus Geimpften und Ungeimpften sowie die Impfpflicht durch die Hintertür. Im Gespräch erzählt Dirk Müller nicht nur, wie er mit der aktuellen Corona-Situation umgeht, sondern erklärt auch seine Sicht auf die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan und weshalb die Bundestagswahlen für ihn überhaupt keine Rolle spielen.


Zitat: Dirk Müller ist seit vielen Jahren das Gesicht der Börse. Kompetent und charismatisch versteht er es, das Börsenlatein so zu übersetzen, dass es auch Normalsterbliche begreifen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht Klartext. Für den NATURSCHECK beantwortet er regelmäßig Fragen unserer Leser zu den Themen Politik, Wirtschaft und Finanzen.


Lieber Herr Müller, wie geht es Ihnen? Wie haben Sie den Sommer verbracht?


Dirk Müller: Den Sommer habe ich wunderbar verbracht. Ich habe versucht, mich so gut wie es geht von den negativen Themen fernzuhalten – was natürlich nicht immer möglich ist. Mein Urlaub fand in Deutschland statt mit dem Wohnmobil, auf den Plätzen, wo man sich nicht testen lassen musste und wo es keine Gulag-ähnliche Situation gab. Ich kam an einem Campingplatz vorbei, der mich an ein russisches Strafgefangenenlager erinnerte. Er war gespickt mit Verbots- und Gebotsschildern und Einbahnstraßenregelungen für Fußgänger etc.


Und nur einhundert Meter entfernt ein anderer offizieller Platz der Stadt ohne die geringsten Vorgaben, 50 Wohnmobile nah nebeneinander. Hier hat Corona gar keine Rolle gespielt. Ja, das sind schon interessante Zeiten …


Beginnen wir mit dem Thema „Bundestagswahlen“. Hier muss vorausgeschickt werden, dass wir dieses Interview am 24.8.2021 führen und bekanntermaßen noch vieles geschehen kann, das den Wahlausgang beeinflusst. Drei Fragen auf einmal: Wie geht die Wahl aus? Wer wird neuer Kanzler bzw. Kanzlerin? Und warum?


Dirk Müller: Ehrliche Antwort: Das spielt für mich überhaupt keine Rolle! Wir haben in der Politik momentan keine Alternativen. Die Parteien sind mit winzigen Unterschieden alle deckungsgleich. Wir haben auch keine echte Opposition mehr. Wenn es einmal Widersprüche gibt, dann nur aus politischem Kalkül, damit man sich etwas profilieren kann. Aber inhaltlich ist man quasi identisch.


Ich beschreibe es einmal so: Wenn Sie einem Veganer drei verschiedene Steaksorten vorsetzen, dann ist das in etwa so, wie ich es momentan in der Politik erlebe. Ich habe nur die Wahl zwischen Dingen, die ich nicht will. Und wer da am Ende der Vorturner ist, ist mir dann egal. Mehr denn je gilt der Spruch von Horst Seehofer aus dem Jahre 2010:

„Diejenigen, die entscheiden, sind meist nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben meist nichts zu entscheiden.“


Gemäß meiner Lebensphilosophie als ganzheitlich und ökologisch denkender Mensch, müsste ich eigentlich zwingend eine grüne Partei wählen. Doch ganz ehrlich: wenn ich mir die Protagonisten und auch die aktuelle Ausrichtung der Grünen betrachte, finde ich mich dort kaum noch wieder. Umweltschutz durch Preiserhöhungen, unbegrenzte Zuwanderung, Impfpflicht, Gendersprache ... Was mir aber vor allem fehlt, ist der spirituelle Aspekt - sind es doch die grünen „Realos“, die sich gegen Homöopathie, Naturheilkunde, Heilpraktiker etc. aussprechen, die Spiritualität als Esoterik bezeichnen und die oft naturferne Wissenschaft zum Maß aller Dinge verklären. Wie erleben Sie dieses „grüne Paradoxon“?


Dirk Müller: Das sehe ich ganz genauso. Was ursprünglich einmal die Gründungsgedanken zumindest der Basis der Grünen waren, hat absolut nichts mehr mit dem zu tun, was die grüne Politik heute darstellt. Wenn man sieht, dass die Grünen inzwischen Vorreiter bei der Unterstützung internationaler Waffengänge sind und ganz vorne dabei, wenn die Amerikaner wieder irgendwo in der Welt mit ihrem Militär einmarschieren, oder eine Frau Baerbock, die derzeit wieder Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, hat das nichts mehr mit der ehemaligen Partei des Spirituellen, des Naturverbundenen, des Pazifistischen, aus der Friedensbewegung Hervorgegangenen zu tun. Da ist vielleicht ein grüner Anstrich, das war´s aber auch schon.


Und was die aktuellen Polit-Protagonisten angeht, da möchte ich einen Freund zitieren, ohne einen Namen zu nennen, der für viele tausende Mitarbeiter in einem großen Konzern zuständig ist. Der sagte: Eigentlich hätte ich ja die Grünen wählen wollen. Aber dann habe ich mir überlegt: Würde ich der Baerbock einen Job geben, wenn die sich bei mir bewerben würde? Nein, auf gar keinen Fall! Und dem Laschet würde ich ein Vorruhestandsangebot machen. Ich kann die nicht wählen! (lacht)


Das ist ein guter Übergang. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat ja mit Angela Merkel etwas gemeinsam: Sie wurde 2020 vom Weltwirtschaftsforum in das Young Global Leader Programm aufgenommen. Für alle, die es nicht wissen: Der von Klaus Schwab gegründete „Club der größten Konzerne“ kümmert sich um zukünftige politische Führungskräfte. Sie bekommen von der Konzernlobby eine entsprechende Ausbildung. Angela Merkel gehörte 1992 zur ersten Runde des Eliten-Programms, ebenso wie der spätere spanische Ministerpräsident Aznar, der EU-Kommissionschef Barroso, der britische Regierungschef Tony Blair, sowie der französische Regierungschef Sarkozy. Auch Emmanuel Macron und unser lieber Jens Spahn haben das Programm erfolgreich durchlaufen, wie man sieht. Ein Schalk, der Konspiratives dabei denkt. Entweder hat das Forum ein gutes Händchen für Politiktalente, oder die Unterstützung des Großkapitals hilft, um die Auserwählten in die höchsten Etagen zu manövrieren. Wie sehen Sie diesen Club der elitären Talentförderer? Und welche Gegenleistung müssen Geförderte erbringen?


Dirk Müller: Ich sehe – um nochmal auf Seehofer zurückzukommen –, dass die, die nicht zur Wahl stehen, im Hintergrund inzwischen mehrheitlich die Entscheidungen treffen. Dass sie sich ihre Politiker heranzüchten und ins Amt bringen. Und idealerweise solche Politiker, die so wenig Eigengestaltungsspielraum wie möglich einfordern, sondern in der Regel das durchsetzen, was man ihnen souffliert. Und wenn man aktuell sieht, dass sich der ehemalige Siemens-Industrievorstand Joe Kaeser, der ja ein ganz wesentlicher Protagonist der internationalen Konzernszene ist, für eine Kanzlerin Baerbock ausspricht, dann kann man leicht ermessen, dass die Konzerne Frau Annalena „Ich-komme-eher-vom-Völkerrecht“ Baerbock sicher nicht wegen ihrer überragenden Kenntnisse der Industriepolitik bevorzugen.


Kommen wir zum unvermeidlichen „C-Thema“. Während immer mehr Länder aus der Pandemie aussteigen und die fragwürdigen Maßnahmen aufheben, bleibt die Politik hierzulande auf Kurs. Dabei zeigt sich immer mehr, dass die vielgescholtenen „Querdenker“ und „Verschwörungstheoretiker“ in fast allen Kritikpunkten recht hatten: Wir erleben nun eine Zweiklassengesellschaft aus Geimpften und Ungeimpften und die Impfpflicht durch die Hintertür. Dabei ist die Impfung nicht der versprochene Heilsbringer. Selbst dreifach Geimpfte erkranken, übertragen Viren und erleben teilweise heftige Impf-Nebenwirkungen. Dennoch erhalten sie Privilegien gegenüber gesunden Menschen. Statt 3G fordert man nun 2G und in Österreich bereits 1G, also Freiheiten nur noch für Geimpfte. Diskriminierung für Gesunde auf allerhöchstem Niveau! Wie sehen Sie die aktuelle Lage? Und wohin wird die Reise gehen?


Dirk Müller: Das ist exakt das, was ich bereits vor über einem Jahr angekündigt habe. Das wird kommen. Der Weg dorthin ist vorgepflastert. Es geht dahin, dass man ohne Impfung am öffentlichen Leben nicht mehr teilnehmen kann. Es wird einen Impfpass geben, und an den Impfpass werden in einer späteren Phase alle weiteren persönlichen Informationen geknüpft werden, so dass man dann ein internationales und individuelles Dokument hat zur Kontrolle jedes Einzelnen.

Die Wenigsten werden sich dem entziehen können, sei es aufgrund des Drucks der Familie, der Gesellschaft, dem Wunsch nach der Teilhabe am öffentlichen Leben oder einfach der Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung wird sich fügen. Und wer sich fügt, wird es spätestens mit einigem zeitlichen Abstand gut und richtig finden und große Abneigung gegen „die anderen“ empfinden.


Das ist das, was wir erleben werden … und zwar international. Es ist das Perfide und Faszinierende, dass es hier offenkundig gelungen ist, dies international durchzuziehen. Es gibt kein Land, in das man sich zurückziehen und dem ganzen Wahnsinn aus dem Weg gehen könnte. Wir erleben ein seit vielen, vielen Jahren geplantes Szenario, das jetzt generalstabsmäßig abgespult wird.


Ohne das Impfthema allzu sehr zu strapazieren: Ich war kürzlich in Frankreich, wo gerade Geimpfte landesweit gefragt wurden, „warum“ sie sich haben impfen lassen. Nur sage und schreibe acht Prozent (!) gaben an: aus gesundheitlichen Gründen! Dem Rest ging es tatsächlich um Reisendürfen, Restaurantbesuche, Zwang durch den Arbeitgeber etc. Anscheinend liegen die Umfragewerte hierzulande in einem ähnlichen Bereich …


Dirk Müller: Ja, das ist schon sehr paradox. Aber es zeigt auch die Grundproblematik: Die meisten, die sich derzeit nicht impfen lassen wollen, haben ja kein grundsätzliches Problem mit Impfungen. Das Hauptargument nahezu aller Skeptiker, die sich gegen die Impfung aussprechen, ist, dass sie mit der Art der Impfstoffe nicht einverstanden sind. Denn es ist ja im Grunde gar keine Impfung, sondern eine gentechnische Behandlungsmethode, für die es – logischerweise – noch keinerlei langfristige Erfahrungswerte und Studien über die gesundheitlichen Folgen etc. gibt. Was ja auch aus den Verträgen der Pharmahersteller mit der Bundesregierung hervorgeht, die kürzlich „geleakt“ wurden. Wir wissen nicht, was da in Zukunft passiert. Kosten für Impfschäden müssen die Pharmaunternehmen auch nicht tragen.


Würde man den Skeptikern sogenannte Totimpfstoffe anbieten, wie sie beispielsweise in Asien eingesetzt werden und von der WHO zugelassen sind, hätten wir vielleicht ein anderes Bild. Stattdessen zwingt man den Menschen diese neue, wenig geprüfte Behandlungsmethode auf … Warum? Was ist der Hintergrund?


Das ist eine gute Frage, die sich jeder mündige Bürger stellen sollte …Themenwechsel: Mitte August haben die Taliban „völlig überraschend“ Kabul eingenommen und die gewählte afghanische Regierung gestürzt. Ex-Präsident Ghani flüchtete angeblich mit 169 Millionen US-Dollar Bargeld im Gepäck nach Abu Dhabi. Nun fragen sich Militär-Experten, wie dieser Taliban-Sieg möglich war. Denn die afghanische Armee bestand aus 300.000 Soldaten, vom Westen gut ausgebildet und mit Hightech-Ausrüstung ausgestattet. Zudem mit einer intakten Luftwaffe. Die 100.000 Taliban hingegen seien „Bettler in Sandalen, mit Kalaschnikows“. Doch hat sich die hochgerüstete Staatsarmee anscheinend gar nicht gewehrt, und es ist kaum zu Kämpfen gekommen. Wie haben Sie dieses seltsame Spektakel wahrgenommen?


Dirk Müller: Es ist etwas, das wir seit Jahrzehnten immer wieder erleben, wie etwa in Vietnam oder anderen Ländern: Immer war es ein Kampf gegen die Bevölkerung, ein Versuch, die westlichen Ideale, Werte und Wertvorstellungen anderen Völkern überzustülpen. Nach dem Motto: Das müssen die doch auch alle toll finden – tun sie aber nicht! Zumindest nicht in der großen Mehrzahl. Darum fragten sich auch viele Afghanen: Warum sollen wir für die Werte anderer kämpfen? Wenn die als Machthaber weg sind, müssen wir denen auch nicht mehr nach dem Mund reden.


Viele Afghanen, die damals zum Militär gegangen sind oder sich auf die amerikanische Seite geschlagen haben, haben es getan, weil sie dafür bezahlt wurden. Man ist es gewohnt, immer denen zu dienen, die gerade an der Macht sind. Das hat man über Jahrhunderte gelernt. Und als klar war, die lassen uns im Stich, von denen ist nichts mehr zu erwarten, da wechselte man eben die Seiten.


Zudem haben es die Taliban sehr geschickt gemacht. Sie waren ja schon in den Städten überall präsent. Sie sind nicht von außen auf die Städte zugestürmt, sondern haben über Jahre ihre Schläferzellen mit jeweils hunderten von Kämpfern in den einzelnen Städten platziert, die dort undercover gelebt haben und dann – als es Zeit war – bewaffnet aus ihren Wohnungen gekommen sind. Die Taliban mussten nicht von außen die Städte einnehmen, die waren schon drin. Und man kann ja nicht die eigene Stadt bombardieren.


Während die Taliban alles von langer Hand vorbereitet haben, wurde vom Westen her absolut dilettantisch agiert. Anscheinend war die mächtigste Militärmacht der Welt nicht in der Lage, einen geordneten Rückzug zu organisieren. Und die politische Aussage, das Ganze sei überraschend passiert, ist ein Witz!


Aber eine Frage muss man sich schon stellen: Was bedeutet diese Situation für den amerikanischen Staat? Wir haben ja in jeder Regierungsform eine ähnliche Aufteilung. Wir haben einen Präsidenten oder einen König, der erklärt, wie er sich das Land vorstellt. Dann gibt es eine Regierungselite, die beauftragt ist, diese Vorstellungen umzusetzen und den Staat zu organisieren. Dazu das Volk, das individuelle Bedürfnisse hat.


Das heißt, der Vertrag zwischen der regierenden Elite und dem Volk, also der breiten Masse, ist: Wir garantieren euch innere und äußere Sicherheit, stellen den Ordnungsrahmen dar, damit ihr euch um nichts kümmern müsst. Als Gegenleistung bringt das Volk Loyalität gegenüber dem Staatswesen und bezahlt seine Steuern. Das ist der Vertrag, der seit Jahrtausenden in fast allen Regierungsformen gilt. Und jetzt haben wir in den USA die Situation, dass der Staat, dass die Regierungselite diesen Vertrag – offenkundig und für jeden sichtbar – zunehmend nicht mehr erfüllt. Man baut landesweit Polizeistationen ab, was zu Unruhen auf den Straßen führt. Nun ist man auch nicht mehr in der Lage, außenpolitisch Sicherheit zu gewährleisten, sondern lässt sich durch eine Horde mittelalterlich ausgerüsteter Paschtunen über den Haufen rennen.


Je mehr der Staat seine Aufgaben nicht mehr erfüllt, desto größer ist die Gefahr, dass das Volk seinerseits seine Loyalität aufkündigt. Die herrschende Elite verliert so ihre Machtposition. Aber irgendwer wird die dann wieder übernehmen. Während das in Afghanistan die Taliban sind, sind es im Westen dann vielleicht Konzernstrukturen, die sich als Lösung anbieten und das Machtvakuum füllen …


Das ist ein interessanter Gedanke. Es sind ja wohl schon jetzt mehr von Konzernen finanzierte Söldner in den Krisengebieten als staatliche Militärs.


Dirk Müller: Das ist zunehmend der Fall, ja. Schauen wir nur auf die Opiumproduktion in Afghanistan: die hat sich vervierfacht, nachdem die Amerikaner ins Land gekommen sind. Diese Plantagen werden teilweise von Söldnern geschützt. Ich bin gespannt, wie sich das unter den Taliban entwickelt


Hier noch etwas für all jene, die gerne auf Zeichen achten: Das Bild eines US-Militär-Flugzeugs, umringt von hunderten flüchtenden Afghanen, ging millionenfach geteilt um die Welt. Es ist leicht im Internet zu finden und quasi das Symbol für die Invasion der Taliban und die Flucht der Amerikaner nebst Kollaborateuren. Wer genau hinschaut, sieht, dass die Flugzeugnummer 1109 ist, was stark an den 11. September erinnert, der sich gerade zum 20. Mal jährt und angeblich der Grund für die Besetzung Afghanistans war. Alles Zufall oder ein Signal? Und an wen ist es gerichtet?


Dirk Müller: Zum einen bestätigt dieses Bild das, was ich gerade gesagt. Der amerikanische Staat wird zunehmend vorgeführt oder zeigt sich selbst als „nicht Herr der Lage“. Und das ist eine sehr gefährliche Situation. Was die Flugnummer 1109 angeht, da bin ich überfragt. Vielleicht ist es tatsächlich ein Zufall …


Ja, wer weiß? Um an Ihren Gedanken anzuknüpfen: Ein US-Präsident Biden erscheint tatsächlich alles andere als Herr der Lage oder gar mächtigster Mann der Welt …


Dirk Müller: Und das ist definitiv kein Zufall! Wenn ich einen solchen Mann in Position bringe, von dem jeder weiß, dass er nicht mehr selbständig gerade sprechen kann, dann habe ich einen Grund, dies zu tun. Jetzt könnte man sich wieder fragen: Wer hat ein Interesse daran, einen solch schwachen Präsidenten aufzustellen, der seine Aufgabe gar nicht erfüllen kann?


Auch diese Frage lassen wir offen. Es kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Laut Innenminister Seehofer werden sich nun geschätzte fünf Millionen Afghanen auf den Weg nach Deutschland machen. Einige Politiker fordern bereits, zumindest all jene aufzunehmen, die mit dem Westen kooperiert haben. Auch diese Diskussion trägt sehr viel Zündstoff in sich, da bereits heute ca. 270.000 afghanische Asylbewerber in Deutschland leben, größtenteils ohne Einkommen. Die Kriminalitätsstatistik 2020 zeigt zudem, dass über 18 Prozent aller Sexualstraftaten und auch viele Drogendelikte von dieser Minderheit ausgehen. Gefolgt von syrischen Straftätern. In Berlin führt die Polizei einen fast aussichtslosen Kampf gegen arabische Clans mit teilweise tausenden von Mitgliedern. Anstatt die bösen „Querdenker“ zu kriminalisieren, wäre es sicher an der Zeit, unsere Zuwanderungspolitik zu überdenken. Eine weitere von vielen Baustellen hierzulande.


Kommen wir zum Thema Börse. Hier habe ich – ehrlich gesagt – etwas den Überblick verloren. Was hat sich in Sachen Weltfinanz in den letzten drei Monaten getan? Und was erwartet uns in den nächsten drei Monaten?


Dirk Müller: Wir haben nach wie vor Riesenprobleme, was die Versorgungslage der Industrie angeht. Und wir wissen nicht, was über das Winterhalbjahr an wirtschaftlichen Entwicklungen kommt. Der Wahnsinn und die Geldorgien an den Börsen gehen weiter. Das Narrenschiff fährt mit immer höherem Tempo voraus. Ein Narrenschiff, bei dem die Narren oben auf der Brücke sitzen, die verrücktesten Dinge tun und sich währenddessen totlachen - und dabei im Moment auch eine Party feiern und Erfolg haben. Wer nicht mitspielt, wird belächelt und als unwissend bezeichnet.


Für uns „Alt-Börsianer“, die wir seit 20 oder 30 Jahren an den Börsen aktiv sind, ist das wirklich eine Situation, die sich mit allem, was wir einmal gelernt haben, nicht mehr vernünftig erklären lässt. Es fehlt komplett die Logik. Daher ist es ratsam, sich etwas zurückzuziehen und die Wahnsinnigen machen zu lassen. Irgendwann ist die Party dann urplötzlich zu Ende …


Wie immer zum Schluss die Frage: Was stimmt sie zuversichtlich in diesen schwierigen Zeiten?


Dirk Müller: Meine Zuversicht kommt aus der Erkenntnis, dass sich alles in Wellen bewegt und das Pendel einmal in die eine, dann auch wieder in die andere Richtung ausschlägt. So haben wir in der Vergangenheit großen Raubbau an der Natur betrieben, nun dreht sich das Thema in das extreme Gegenteil bis zum Verbot der Strohhalme. Zuerst einmal jedoch ist es richtig und wichtig, dass wir umdenken, auch wenn es anfänglich über das Ziel hinausschießt. Irgendwann pendelt es sich ein.


Ich für meinen Teil versuche, das Beste aus der Situation zu machen und neue Prioritäten zu setzen. Von den Verrücktheiten halte ich mich so gut es geht fern. Ich mache derzeit auch keine Vorträge mehr, da ich unter 3G- oder künftig 2G- oder gar 1G-Bedingungen keine Veranstaltungen durchführe oder daran teilnehme.


Das führt dazu, dass ich viel mehr Zeit habe als früher. Zeit für die wichtigen Dinge, Zeit, um sie auf dem Fahrrad zu verbringen, Zeit, ein Buch zu lesen, etc. Mein Leben war viel zu vollgestopft mit Aktivitäten, die teilweise oberflächlich waren. Nun habe ich mehr Zeit für das Wesentliche und Tiefgründige. So ist das aktuelle Geschehen also auch ein Geschenk für mich, und ich sage manchmal schmunzelnd und mit etwas Galgenhumor: So ein Lockdown hat auch seine positiven Seiten. (lacht)


Lieber Herr Müller, ganz herzlichen Dank für das interessante und wieder sehr offene Gespräch. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal!


Das Interview führte Michael Hoppe

Der Text erscheint in Kürze in der Zeitschrift „Naturscheck“.


Info: 
https://www.cashkurs.com/meldungen/beitrag/3g-2g-1g-nichts-gt-mehr-fuer-ungeimpfte-oder-ein-lockdown-hat-auch-positive-seiten-dirk-mueller-im-gespraech-mit-naturscheck

27.08.2021

Elektronischer Identitätsnachweis

reguvis.de20.08.2021, Peter Schmidt, Redakteur des Informationsdienstes „Gesetzgebungska-lender“  und Herausgeber der Internetzeitschrift Logo Humboldt Forum Recht

Durch die Änderungen im Personalausweisgesetz, im eID-Karte-Gesetz und im Aufenthaltsgesetz soll das Ziel einer nutzerfreundlichen Weiterentwicklung erreicht werden, indem die Durchführung des elektronischen Identitätsnachweises allein mit einem mobilen Endgerät ermöglicht wird. 


Zitat: Das Gesetz zur Einfführung eines elektronischen Identitätsnachweises mit einem mobilen Endgerät wurde im Bundesgesetzblatt verkündet.


Hintergrund

Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Die Identifizierung von antragstellenden Personen ist dabei ein wichtiges Element. Das Identifizierungsverfahren muss sowohl ein hohes Sicherheitsniveau als auch ein hohes Maß an Nutzerfreundlichkeit bieten. Der elektronische Identitätsnachweis, der derzeit unter Verwendung des Personalausweises, der eID-Karte oder des elektronischen Aufenthaltstitels durchgeführt werden kann, ist in seiner gegenwärtigen Form allgemein als sehr sicheres Identifizierungsmittel anerkannt, so die Bundesregierung. Sein Verbreitungsgrad könne jedoch noch gesteigert werden.

Wesentlicher Inhalt

Durch die Änderungen im Personalausweisgesetz, im eID-Karte-Gesetz und im Aufenthaltsgesetz soll das Ziel einer nutzerfreundlichen Weiterentwicklung erreicht werden, indem die Durchführung des elektronischen Identitätsnachweises allein mit einem mobilen Endgerät ermöglicht wird. Bürgerinnen und Bürger seien es durch die ubiquitäre Verwendung insbesondere von Smartphones gewohnt, Lebenssachverhalte wie das Stellen eines Antrags bei einer Bank oder den Erwerb einer Ware im Fernabsatz allein mit diesem einen Endgerät durchführen zu können. Diesem geänderten Nutzerverhalten müssten die staatlichen Angebote für eine sichere Identifizierung durch eine einfache Handhabung Rechnung tragen.

Weiterführende Hinweise:


Info:: https://www.reguvis.de/no_cache/spezial-gesetze/feed/detail/artikel/elektronischer-identitaetsnachweis-45547.html?WA=11004014&utm_source=Newsletter&utm_medium=STG&utm_campaign=3008&utm_content=STG-NL-Gesetzeaktuell



Weiteres: 



Verkündungen im Bundesgesetzblatt

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Hier finden Sie alle seit der letzten Ausgabe des Newsletters "Gesetze aktuell" im Bundesgesetz-blatt verkündeten Gesetze mit direkter Verlinkung zum Gesetzestext im Online-Bürgerzugang des BGBls.


Hier erfahren Sie mehr:

https://www.reguvis.de/no_cache/spezial-gesetze/feed/detail/artikel/verkuendungen-im-bundesgesetzblatt-45545.html?WA=11004014&utm_source=Newsletter&utm_medium=STG&utm_campaign=3008&utm_content=STG-NL-Gesetzeaktuell

26.08.2021

Afghanistan
"Das totale Dämonisieren der Taliban ist falsch"

welt-sichten.org, vom 19. August 2021, Das Gespräch führte Melanie Kräuter. 

Reinhard Erös engagiert sich schon seit 30 Jahren in Afghanistan. Mit seiner Initiative "Kinderhilfe Afghanistan" hat er in den letzten 20 Jahren 30 Schulen in von Taliban dominierten Provinzen gebaut - mit Zustimmung und Unterstützung der Mullahs. Er glaubt nicht, dass die Taliban das Rad zurückdrehen werden und ist überzeugt, dass Mädchen weiter zur Schule gehen können.


Zitat: Seit die Taliban die Macht in Kabul übernommen haben, fliehen viele Menschen aus Angst vor einer erneuten Schreckensherrschaft. Wie ist die Lage im Osten des Landes, wo die Kinderhilfe Afghanistan 30 Schulen betreibt?

Im Osten des Landes ist es ruhig, da herrscht ganz normales Geschäftsleben. Unseren knapp 2000 einheimischen Mitarbeitern geht es gut, sie arbeiten ganz normal weiter.


Dieses Gebiet ist seit langem eine Hochburg der Taliban. Seit 2002 hat die Kinderhilfe dort Schulen für rund 60.000 Schülerinnen und Schüler gebaut. Wie haben Sie die Taliban von Ihrem Vorhaben überzeugt?
Mit Logik, Kenntnissen des Islam und vor allem mit meinen paschtunischen Sprachkenntnissen. Wer die Sprache des Landes nicht beherrscht, ist verloren, denn bis hoch zum Bürgermeister spricht niemand Englisch. Es brauchte Kulturkompetenz, Sprachkompetenz und Glaubwürdigkeit. Mir hat außerdem mein persönliches Image geholfen. Ich bin ja seit über 30 Jahren in Afghanistan tätig, ich war dort einer der wenigen Ärzte während des sowjetisch-afghanischen Krieges. Ich war also bekannt vor Ort, ich hatte und habe immer noch eine hohe Glaubwürdigkeit, die Leute vertrauen mir.


Befürchten Sie, dass sich der Unterricht jetzt durch Vorgaben der Taliban ändern wird?
Was soll sich denn ändern? Diese Horrormeldungen der letzten Tage vom Flughafen in Kabul haben mit dem Rest von Kabul, wo ja vier Millionen Menschen leben, und vor allem mit dem Leben im Rest von Afghanistan, zumindest wie ich es von meinen Mitarbeitern erfahre, nichts zu tun. Und in vielen Gebieten, wo wir Schulen unterstützen, haben die Taliban längst das Sagen.


Sie fürchten also nicht, dass sich an Ihrer Arbeit in den Schulen etwas ändern wird, etwa dass Lehrerinnen nur Mädchen unterrichten dürfen und Lehrer nur Jungs?

Als ich früher in Bayern zur Schule gegangen bin, war das dort auch so und im Gottesdienst haben die Buben und Männer rechts gesessen, und die Mädchen und Frauen links. Die Trennung der Geschlechter ist also auch bei uns noch nicht so lange vorbei, und das zu ändern braucht Zeit. In Afghanistan gehen die Mädchen aber jetzt immerhin zur Schule, und das wird auch so weiter gehen. Jetzt ist die Lage im Osten des Landes sogar sicherer, weil dort nicht mehr gekämpft wird, weil dort keine amerikanischen Drohnen mehr Bomben abwerfen oder Dörfer beschießen, weil dort keine Minen mehr auf den Straßen verlegt werden und weil dort keine Selbstmordattentäter unterwegs sind. Endlich ist hoffentlich der Krieg vorbei. Dort wird die Zukunft, soweit sie vorhersehbar ist, besser sein als die letzten zwanzig Jahre.


Können Sie nicht verstehen, dass viele Afghaninnen nun Angst haben, dass ihr Leben wieder so wird wie während der Taliban-Herrschaft zwischen 1996 und 2001?
Zwischen 1996 und 2001 herrschte ein Terrorregime der Taliban: Alle Rechte, die wir im Westen für wesentlich halten, haben sie missachtet. Ich hätte dort nicht leben wollen. Trotzdem, und das wird hierzulande kaum erwähnt, sind während des Talibanregimes nur ein paar Tausend Menschen geflohen, obwohl es möglich war. Davor, während der sowjetischen Besatzung und des Bürgerkriegs danach, und auch seit 2001/2002, nach dem Einmarsch des Westens, sind mehrere Millionen Afghanen geflohen. Die Idee vom Paradies, das entstanden ist, seit wir da sind, ist schlicht falsch. In den letzten zwanzig Jahren sind in Afghanistan circa 200.000 bis 300.000 Afghanen bei Kämpfen ums Leben gekommen, während der Talibanzeit viel weniger. Ich selbst bin während dieser Zeit problemlos durch Afghanistan gereist. Da gab es keine Straßensperrungen, keine Checkpoints und so gut wie keine Korruption. Worauf ich hinaus will: Dieses totale Dämonisieren der Taliban und des Islamismus und andererseits das Glorifizieren der Gegenseite ist falsch. Afghanistan ist eines der korruptesten Länder geworden, seit der Westen dort einmarschiert ist. Die Taliban waren in den letzten Wochen und Monaten auch so erfolgreich, weil ein Großteil der Bevölkerung, vor allem in der Sprachgruppe der Paschtunen, sie unterstützen. Nicht weil man die Taliban besonders liebt, sondern weil die andere Seite, die korrupte, die mit dem Westen verbundene Seite, in ihren Augen nicht besser ist.


Die Taliban wollen das islamische Recht, die Scharia, anwenden. Was ist damit gemeint?

Man muss sehen, wie das interpretiert wird. Afghanistan ist laut Verfassung bereits jetzt eine islamische Republik und darin steht zum Beispiel der Paragraph „Kein Gesetz in Afghanistan und keine Regierungshandlung darf dem Gesetz des Islams widersprechen“. Die Scharia ist ja, vergleicht man es mit deutschen Gesetzen, eine Mischung aus Bürgerlichem Gesetzbuch, Strafgesetzbuch und Familienrecht. Darin gibt es Sanktionen für Übeltäter, die von körperlicher Züchtigung über Hand abhacken bis hin zu Steinigung reichen. Wir wissen, dass während der Talibanzeit gesteinigt wurde, wie viele Menschen, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass das in Saudi-Arabien bis heute geschieht. Da köpft jeden Freitag nach dem Gottesdienst der Scharia-Henker den „Verbrecher der Woche“. Das wird allerdings im Westen nicht thematisiert, weil man zu abhängig von Saudi-Arabien ist. Nun befürchten viele, dass auch in Afghanistan wieder Hinrichtungen stattfinden, dabei geschieht das in Saudi-Arabien wöchentlich. Diese Doppelmoral ist ärgerlich.


Frauen, die in Kabul nach westlichen Werten gelebt haben, und Aktivistinnen, die sich für Frauenrechte engagieren, fürchten jetzt um ihr Leben. Mit Grund?
Ich weiß nicht, ob Afghaninnen, die hochgebildet sind, die studiert haben, die ein reiches Elternhaus haben und priviligiert nach westlichen Werten gelebt haben, so weiterleben können. Für sie wird es sicher schwieriger. Aber man darf nicht vergessen, dass sie wenige Prozent der Frauen in Afghanistan ausmachen. Mir geht es um die 90 oder 95 Prozent Frauen, die auf dem Land außerhalb Kabuls und der anderen Großstädte leben. Die als Schwestern, Töchter, Mütter ein physisch brutal hartes Leben haben. Die Väter und Mütter dort mussten und müssen schauen, dass sie – ich sage das als Arzt – jeden Tag genügend zu Essen schaffen, um ihren vier oder fünf Kindern das rein physische Leben zu ermöglichen. Unseren Projekten ging es darum, dass all diese Frauen, die so hart gelebt haben, nicht nur ihre Buben, sondern auch ihre Töchter zur Schule schicken konnten. Wenn sie klug waren, konnten die auch noch auf die Oberschule gehen und Abitur machen. Wahrscheinlich haben inzwischen Tausende Mädchen von uns unterstützte Schulen besucht und studieren können. In der entlegenen Provinzen Laghman ist mit unserer Hilfe sogar eine Universität entstanden.  Und ich gehe mal davon aus, dass das so weiter geht, schließlich waren die Taliban damals Ende 2011 bei der Grundsteinlegung dabei und haben den Betrieb der Universität wie auch aller Schulen unterstützt.


Gibt es unter den Taliban verschiedene Strömungen von Pragmatikern bis zu Hardlinern?
Sehr wahrscheinlich – das ist so, wie wenn Sie bei uns nach den verschiedenen Flügeln in der AfD, der CDU oder der SPD fragen. Die Taliban sind keine Heiligen, ich würde mir auch wünschen, dass eine andere politische Gruppe an die Macht käme, die mehr an liberalen Werten und Rechten ausgerichtet ist. Oder eine Gruppe, die wirtschaftlichen Sachverstand mitbringt, denn die Taliban haben den nicht.


Sie haben es schon angesprochen, Afghanistan hat auch Probleme wie Mangelernährung, Hunger, ein marodes Gesundheitssystem, schlecht funktionierende Wirtschaft und Korruption. Wo brauchen die Menschen am meisten Hilfe?
Ich habe es seit langem für problematisch gehalten, fast alle deutsche Entwicklungshilfe auf Kabul und auf das Thema Frauenrechte zu konzentrieren, also dass Frauenhäuser gebaut werden. Natürlich sind Frauenhäuser wichtig, aber meiner Meinung nach hätten andere Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Auch die Konzentration auf Kabul war falsch. Die Begründung der damaligen Ministerin Wieczorek-Zeul für das Engagement in Kabul war im Jahr 2003, es in ein Juwel des wirtschaftlichen Erfolges verwandeln zu wollen, wo die Jugend frei und gebildet ist, wo sie westliche Kultureinrichtungen wie Kinos haben, wo die Menschen dann nach westlichen Werten leben. Ihre Hoffnung war, dass das dann ausstrahlt auf alle anderen Provinzen. Eine falsche Strategie. Aber die Menschen hatten 30 Jahre Krieg hinter sich, in dem mindestens 1,5 Millionen Afghanen gestorben sind. Das hat nicht funktioniert und konnte auch nie funktionieren.


Wie sehen Sie die Zukunft von Afghanistan? Es sieht ja im Moment danach aus, dass westliche Regierungen nun die afghanische Bevölkerung ihrem Schicksal überlassen wollen.
Immerhin hat Außenminister Heiko Maas jetzt einen Sonderbeauftragten nach Doha entsandt, der mit den Taliban verhandeln soll. Mal sehen, was da rauskommt. Es ist auch die Frage, ob die deutsche Entwicklungshilfe an Bedingungen geknüpft wird und wenn ja, an welche. Seit dem ersten Weltkrieg hat kein anderes Land der Welt in Afghanistan ein so gutes Ansehen und so viel Vertrauen genossen wie Deutschland. Das haben wir in den vergangenen Jahren viel zu wenig genutzt und stattdessen am politischen Rockzipfel der in Afghanistan unbeliebten US-Amerikaner gehangen.


Dr. Reinhard Erös ist Oberarzt a.D. der Bundeswehr und betreibt seit 1998 zusammen mit seiner Frau Annette und seinen fünf Kindern die Kinderhilfe Afghanistan. Die Organisation leistet in den Ostprovinzen Afghanistans humanitäre Hilfe, etwa mit dem Bau von Schulen, Waisen- und Krankenhäusern.suess/privat


Info: https://www.welt-sichten.org/artikel/39219/das-totale-daemonisieren-der-taliban-ist-falsch
25.08.2021

Die Linke und Afghanistan: Friedenspolitik am Pissoir

heise.de, vom 24. August 2021  

Bundestag soll bewaffnete Evakuierung in Kabul nachträglich bewilligen. Linke könnten erstmals nicht geschlossen dagegen stimmen. Das sorgt für Debatten


Kurz vor einer Abstimmung im Bundestag über ein nachträgliches Bundeswehrmandat für die bereits angelaufene Evakuierung sogenannter Ortskräfte aus Afghanistan ist in der Linkspartei ein Streit um die Abstimmungsempfehlung der Parteiführung an die Fraktion entbrannt.


Denn während die Partei auf zwei Plakaten mit dem Schlagwort "Frieden" um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger am 26. September wirbt, sollen die 69 Abgeordneten am Mittwoch erstmals nicht gegen einen robusten, also bewaffneten Einsatz der Bundeswehr stimmen, bei dem auch das von Rechtsradikalen infiltrierte Kommando Spezialkräfte entsandt werden soll.


Die Empfehlung geht auf eine mehrstündige Videokonferenz des Parteivorstandes der Sozialisten am Sonntag zurück. Dabei hatten sich Realos wie der Abrüstungsexperte und ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken durchgesetzt und mit dem bisherigen Konsens, Auslandseinsätze der Bundeswehr abzulehnen, gebrochen. In der Fraktion sorgt das nun für erhebliche Unruhe. Am heutigen Dienstagnachmittag soll es bei einer Fraktionssitzung zur Aussprache kommen.


Bei der wöchentlichen Pressekonferenz im Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der Linken in Berlin, hatte Parteivorsitzende Janine Wisseler die Beschlussempfehlung am Montag verteidigt. Die bisherigen Evakuierungsmaßnahmen würden katastrophal umgesetzt, so Wisseler: "Deshalb halten wir eine Enthaltung für einen gangbaren Weg."


Zuvor hatten Realos in verschiedenen Alternativ- und Änderungsanträgen für den Parteivorstand die Option, gegen das Mandat zustimmen, unterlaufen. In einem ausführlichen Papier plädierte etwa der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, ausdrücklich für den "militärischen Schutz der Evakuierung".


Man stehe für die Rettung der Ortskräfte und ihrer Familien vor Ort ein, argumentierte Schindler, beanstande aber, "wie spät sie erfolgt und dass sie höchstwahrscheinlich zu wenige erreichen könnte". Die Vermeidung einer Ablehnung war Schindler wichtig. Er insistierte: "Damit stimmen wir nicht gegen das Mandat für den militärischen Schutz der Evakuierung."


Von Enthaltung zu "Zustimmung unter Bedingung"


In einer weiteren Vorlage nahm van Aken den Ball auf und kritisierte Schindler in der Form seines Antrags, nicht aber in der Sache.


Seine Empfehlung geht sogar einen Schritt weiter und fordert von den Abgeordneten eine "Zustimmung unter der Bedingung, dass die Evakuierung ausschließlich in Absprache mit den Taliban erfolgt und wenn alle Ortskräfte und alle Menschenrechtsaktivist:innen gleichberechtigt mit gerettet werden sollen". Sollte nur eine Evakuierung "fast nur für Deutsche" angestrebt bleiben, "empfehlen wir Enthaltung".


Mitunter nahm die Debatte skurrile Züge an. Ein Parteivorstandsmitglied schlug vor, die Abgeordneten sollten sich einer Positionierung gänzlich entziehen und den Plenarsaal verlassen. Man könne ja vorgeben, auf Toilette zu gehen, um dort Parolen an den Wänden zu hinterlassen, habe der Politiker nach Informationen aus Parteikreisen in einem internen Verteiler geschrieben.


Antimilitarismus am Pissoir: Einige Linke werden einen Monat vor der Bundestagswahl auf bizarre Weise kreativ.


Vor der Fraktionssitzung am heutigen Dienstag werben Befürworter der antimilitaristischen Position in einem eigenen Beschlussantrag unter dem Titel "Evakuierung jetzt – NATO-Intervention in Afghanistan konsequent beenden" für die Beibehaltung der bisherigen Linie.


Darin verweisen mehr als ein Dutzend Abgeordnete der Linken auf die negativen Folgen westlicher Militäreinsätze in Afghanistan. Auch die Bundeswehr habe viele zivile Tote zu verantworten, heißt es in einem Entwurf.


So seien am 4. September 2009 im nordafghanischen Kundus bei einem Luftangriff, der von einem deutschen Oberst ausgelöst worden war, 142 Menschen ums Leben gekommen, mehrheitlich Zivilisten.


"Die zentrale Lehre aus dieser Entwicklung muss darin bestehen, künftig nicht mehr die Bundeswehr in solche Einsätze zu schicken, sondern sie allein auf die Landesverteidigung auszurichten. Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen werden", heißt es in dem Antrag.


Politischer Druck durch angestrebte Regierungsbeteiligung


Die Debatte in der Linken ist ein Ausdruck des Anpassungsdruckes, unter den einige Akteure Partei und Fraktion setzen. Denn vor allem von sozialdemokratischer Seite wird die bedingungslose Ablehnung von Bundeswehreinsätzen immer wieder als Hindernis für ein gemeinsames Regierungsprojekt auf Bundesebene angeführt.


Dabei lesen sich Passagen der Rede des damaligen Linken-Politikers Wolfgang Gehrcke vom 22. Dezember 2001 angesichts der Lage am Kabuler Flughafen dieser Tage erstaunlich aktuell. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe das damalige UN-Mandat aus dem Krieg heraus entwickelt und beides miteinander verbunden, monierte Gehrcke:

Ich halte die Logik, dass man durch das Führen eines Krieges zu einem solchen Ergebnis kommt, für fatal. Ich möchte, dass künftige UN-Missionen von Kriegen abgesetzt werden, dass sie das Gegenteil von Krieg darstellen und dass es um zivile Lösungen geht. (…) Das ist die Verknüpfung zwischen Kriegsaktion und Friedensmission. Die genau wollen wir nicht. (…) Deswegen haben wir uns zu einem Nein entschieden, was wir unter uns kritisch genug und auch in der Öffentlichkeit diskutiert haben.

Wolfgang Gehrcke

Einen ähnlichen Tenor hat ein offener Brief von sicherheitspolitischen Experten an die Bundestagsabgeordneten, den Telepolis heute dokumentiert.


Der Einsatz bewaffneter Nato-Kräfte in Afghanistan habe während der vergangenen zwei Jahrzehnte lediglich dem Ziel gedient, eine vermeintliche Handlungsfähigkeit zu simulieren, die de facto jedoch nie existiert habe, heißt es in dem Aufruf der "Informationsstelle Militarisierung" mit Sitz in Tübingen.


Das gilt auch für die Evakuierungsmission der Bundeswehr, die nur diplomatisch Erfolg haben kann. 


Kommentare lesen

Info: https://www.heise.de/tp/features/Die-Linke-und-Afghanistan-Friedenspolitik-am-Pissoir-6172662.html?seite=all



Weiteres:



Afghanistan-Mandat: So betrügt der Bundestag sich und die Öffentlichkeit


heise.de, 25. August 2021  

Abgeordnete sollen Evakuierung heute nachträglich bewilligen. Doch die Entsendung ist völkerrechtlich fragwürdig und droht zum Himmelfahrtskommando zu werden


Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute Mittag eine Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan nach dem Scheitern des zwei Jahrzehnte währenden Einsatzes von Nato-Staaten abgegeben haben wird, sollen die 709 Abgeordneten über einen der problematischsten Bundeswehreinsätze der vergangenen Jahre entscheiden.


Der dreiseitige Regierungsantrag mit dem Titel "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan" ist dabei eines der heuchlerischsten Dokumente dieser zu Ende gehenden 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestags. Denn während der Westen am Hindukusch vor Augen der Weltöffentlichkeit in epochaler Monumentalität gescheitert ist, versucht das letzte Kabinett Merkel weiterhin vorzugaukeln, man habe das Heft noch in der Hand.


Anders ist der Antrag der Bundesregierung nicht zu interpretieren, der Bundestag möge den "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte" für die abenteuerliche Evakuierungsmission nachträglich bewilligen.


Dabei ist der Regierungsantrag nicht mehr und nicht weniger als ein Beleg der fortdauernden Selbst- und Öffentlichkeitstäuschung. Das wird schon bei einem raschen Abgleich der Vorbemerkungen mit dem Antragstext deutlich.


Eingangs nämlich gesteht die Bundesregierung ein, dass die radikalislamischen Taliban "bei wegbrechender staatlicher Autorität das Land unter ihre Kontrolle gebracht" haben. Vorausgegangen sei die "Implosion der afghanischen Regierung".


Wenige Zeilen später begründen die Regierungsautoren die rechtlichen Grundlagen dann aber mit der "Zustimmung der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan" und einem "Notenwechsel vom 15. August 2021". An diesem Tag aber war Präsident Aschraf Ghani außer Landes geflohen und die Regierung zerbrochen.


Irgendwie scheint der Bundesregierung der Widersinn klar zu sein, denn sie führt ein "gewohnheitsrechtlich anerkanntes Recht zur Evakuierung eigener Staatsangehöriger" an.

Fakt aber ist, dass sich die Lage in Afghanistan am 15. August grundsätzlich geändert hat. Ein Mandat können nur die neuen Machthaber - sei ihre Regierungsgewalt de jure begründbar oder de facto gegeben - erteilen. Sympathien oder Antipathien gegenüber dem jeweiligen politischen Regime sind da unerheblich.


Robustes Mandat ist nicht durchsetzbar


Der heute zu entscheidende Antrag ist damit erstens nicht nur völkerrechtlich ein Blendwerk, sondern zweitens auch sicherheitspolitisch. Die Bundeswehrkräfte sollen in eine weitere robuste Mission geschickt werden, die – spinnt man dieses Szenario ernsthaft weiter – zu einem Himmelfahrtskommando werden würde. Man erlaube "den Einsatz militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags", heißt es in dem Text. Ernsthaft?


Die Abgeordneten des Bundestags sollen heute der Entsendung von zunächst 600 Soldatinnen und Soldaten grünes Licht geben, damit diese sich mit Waffengewalt am Kabuler Flughafen gegen die Taliban stellen, denen es gerade gelungen ist, die gesamte westliche militärische Phalanx zu besiegen?


Einige hundert deutsche Militärs sollen sich, so liest sich das im Antrag der scheidenden Bundesregierung, zu "Sicherung, Schutz und Wirkung" mit "Aufklärung" und "Nachrichtenwesen" in Afghanistan gegen eine islamistische Übermacht behaupten, die gerade die Bestände einer ganzen Armee erobert hat. Und das "längstens jedoch bis zum 30. September".


Das Problem: US-Präsident Joe Biden zieht angesichts der katastrophalen Bilder aus Afghanistan die Reißleine und will seine 6.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum kommenden Dienstag abziehen. Er folgt damit einem Ultimatum der Taliban.


Spätestens dann wird das "robuste Mandat", das die Regierungsmehrheit und Teile der Opposition heute Nachmittag durchwinken werden, ebenso in sich zusammenfallen wie der gesamte Einsatz in den Jahren zuvor.


Im Übrigen geht der auf peinliche Weise selbstbetrügerische Antrag der Bundesregierung noch in zwei weiteren Punkten über das bisherige Mandat hinaus.


Zu einen wird keine Obergrenze zur Entsendung der zunächst 600 Einsatzkräften festgelegt. Zum anderen wird das Mandat für das "Staatsgebiet Afghanistans" und "angrenzende Räume" erteilt. Was genau das bedeutet? Wer weiß das schon!


Taliban kontrollieren die Lage und arbeiten mit westlichen Militärs


Die Realität freilich sieht ganz anders aus. Intern gesteht das Bundesverteidigungsministerium ein, dass bis zu 300.000 Geflüchtete in Kabul, vor allem aber vor den Betonmauern des internationalen Flughafens der Hauptstadt campierten.


Wiederholt ist es in den vergangenen Tagen zu Massenpaniken gekommen, zum Schusswaffeneinsatz überforderter westlicher Militärs gegen Zivilisten und zu einem undurchsichtigen Angriff am nördlichen Tor des Flugfeldes.


Dass es bisher keine größere militärische Eskalation gegeben hat, liegt allein in der Zurückhaltung der Taliban begründet, und damit offensichtlich in Verhandlungen mit dem US-Militär.

Und eben

 das ist die so einfache wie brutale Wahrheit, die man in Berlin nach wie vor nicht anzuerkennen bereit ist: Die Taliban haben den Krieg gewonnen. Wer in Afghanistan etwas erreichen will, muss mit ihnen reden.


Das mag schwer zu akzeptieren sein, ist aber längst Realität. Denn während UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet von Hinweisen auf Massenhinrichtungen durch Taliban berichtet, arbeiten britische Soldaten nach Angaben der BBC mit den radikalislamischen Milizionären. Teile des Flughafens befinden sich zudem bereits unter Kontrolle von Spezialeinheiten der Taliban.


Die militärische Evakuierung ist damit nicht nur im höchsten Maße von den neuen Machthabern abhängig. Sie verläuft auch derart schleppend, dass die Zielmarke von 10.000 Evakuierten wohl deutlich verfehlt werden wird. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wurden vom 16. bis zum 23. August 3.442 Personen durch die Bundeswehr außer Landes gebracht, darunter 302 Deutsche.


In der verbleibenden Woche wird das Tempo nicht angehoben werden. Ganz im Gegenteil ist eine Eskalation nicht unwahrscheinlich, in Regierungsdokumenten ist immer wieder von einer "volatilen Lage" die Rede. Brigadegeneral Jens Arlt, der das Bundeswehrkontingent befehligt, gestand bereits ein, dass es unter dem bestehenden Zeitdruck "jederzeit" zu einer weiteren Eskalation kommen könnte.


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Info: https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Mandat-So-betruegt-der-Bundestag-sich-und-die-Oeffentlichkeit-6173604.html?seite=all



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Rettung aus Afghanistan: Es geht nicht um Humanität


heise.de 

Die inszenierte Evakuierung von Zivilisten versperrt den Blick auf zivile Lösungen. Das ist wohl so gewollt


Vor zwei Wochen wurde von Politikern der Bundesregierung noch diskutiert, wie Migranten zurück nach Afghanistan abgeschoben werden können. Heute dreht sich die Debatte darüber, wie man möglichst viele Menschen aus Afghanistan herausholen kann.


Es ist zunächst positiv, wenn dabei antirassistische Initiativen wie das Bündnis Seebrücke für sichere Luftwege aus Afghanistan plädieren.


Interessant aber ist, dass Seebrücke offenlässt, ob dafür die Bundeswehr oder eine zivile Kraft zuständig sein soll. Dabei ist die Frage wichtig. Schließlich hat die Bundeswehr ihren Evakuierungseinsatz in Afghanistan bereits über den Kabuler Flughafen hinaus ausgeweitet – und steht doch auf verlorenem Posten, wenn die rund 6.000 US-Militärs in wenigen Tagen abziehen.


Es ist sicherlich dem Pragmatismus geschuldet, der viele progressive Gruppen in Deutschland dazu schweigen lässt. Das war schon so, als die Bundeswehr bei der Corona-Bekämpfung eingesetzt wurde.


Die antimilitaristische Gruppe NoWar-Berlin gehörte zu den wenigen Initiativen, die sich dazu kritisch äußerte und auf zivile Alternativen in der Pandemiepolitik verwies. Noch schwerer ist die Frage, ob es bei der Evakuierung aus Afghanistan solche zivilen Alternativen gibt und ob diese in kurzer Zeit zu organisieren gewesen wären.


Die Menschen, die jetzt aus Afghanistan rauswollen, haben nämlich keine Zeit. Das ist ein Dilemma, dass sich auch Menschen, die der Bundeswehr kritisch gegenüberstehen, eingestehen müssen. Dennoch sollte man Alternativen nicht von vornherein ausschließen.


Auch Abschiebungen werden immer wieder über zivile Luftfahrtunternehmen organisiert, bis vor wenigen Wochen auch nach Afghanistan. Da sollte doch zumindest die Frage erlaubt sein, warum nicht auch für die Luftbrücke zivile Flugzeuge verwendet werden, zumal ja durch die Corona-Pandemie noch immer ein Teil der Flugzeuge nicht ausgelastet sind.


Bundeswehrkritiker argumentieren mitunter, nun sollten die Soldaten mit der Evakuierung auch mal "etwas Humanitäres" machen. Doch dabei sollte man nicht naiv sein. Es ist kein Zufall, dass jetzt auch die offizielle Politik von Evakuierungen in Afghanistan redet.


Es gab schließlich seit vielen Jahren Forderungen nach sicheren Transitwegen von Migranten aus Afrika nach Europa. Damit, so heißt es dann gemeinhin, könne verhindert werden, dass Menschen auf kleinen Booten bei der Überfahrt ihr Leben verlieren.


Natürlich wurden solche Forderungen in der Politik nie ernsthaft in Erwägung gezogen, obwohl man immer wieder von Todesfällen auf den illegalen Fluchtrouten erfahren musste.


Es geht also nicht abstrakt um das Humanitäre, wenn heute im Bundestag darüber diskutiert wird, ob die Evakuierungsmission nachträglich mandatiert und der Abzug der Militärs aus Afghanistan über den 30. August hinaus ausgeweitet wird. Solche Diskussionen gibt es auch in den USA, Frankreich und in Großbritannien.


Hier versuchen Politiker, die in den letzten 20 Jahren den Afghanistan-Einsatz auf unterschiedliche Weise befürwortet haben, mit dem Argument, die Ausreise der Schutzbedürftigen sei noch nicht abgeschlossen, den Militäreinsatz zu verlängern und eine nicht bestehende militärische Hoheit zu simulieren. Und wenn sich die Taliban, wie schon angekündigt, nicht nur verbal gegen die ausländischen Truppen wenden?


Dann könnte schnell eine neue Runde der militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan eingeleitet werden. Schließlich ist das Argument, in einem Land die Menschenrechte durchsetzen zu wollen, nicht nur am Hindukusch ein probates Mittel, ein militärisches Eingreifen zu rechtfertigen.


Man braucht da nur an die Debatten in Deutschland Ende der 1990er-Jahre um den Krieg in Jugoslawien zu denken.


Der Afghanistan-Einsatz aber war in den letzten Jahren vor allen in den USA in großen Teilen der Bevölkerung unbeliebt. Daher hat auch US-Präsident Biden die Abzugspläne seines Vorgängers fortgesetzt. Nun könnte man mit dem Verweis auf die humanitäre Katastrophe die Stimmung zu drehen versuchen.


Wer wird ausgeflogen?


Neokonservative Interventionisten wie der ehemalige US-Sicherheitsberater John Bolton haben schon deutlich gemacht, dass es eben nicht nur humanitären Erwägungen geht. Mit seiner Warnung vor Atombomben in den Händen der Taliban sucht er neue Gründe für ein militärisches Engagement.


Dabei könnte auch die Auswahl der Menschen, die evakuiert werden, eine Rolle spielen. Natürlich sind Personen, die schon mit den Nato-Soldaten kooperiert haben, eher dazu bereit, das auch in Zukunft zu tun.


Anders ist bei Menschenrechtlern und Feministinnen, die unabhängig von den Militärs für Veränderungen in der afghanischen Gesellschaft eintreten und es viel schwerer haben, auf die Evakuierungsliste zu kommen.


Daher hat der viel kritisierte Vorschlag der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, nur Frauen aufzunehmen, auch einen realen Hintergrund.


Tatsächlich ist es auffallend, dass sich überwiegend Männer um den Flughafen von Kabul drängeln. Der Zusammenhang, dass Frauen schon vor der Machtübernahme der Taliban massiv diskriminiert wurden, und sich gar nicht in der Öffentlichkeit zeigen können, ist ebenso wenig von der Hand zu weisen, wie die Tatsache, dass sie von den Taliban und auch durch die mit ihnen verfeindeten Islamisten besonders unterdrückt wurden.


Das betrifft natürlich nicht alle Frauen in Afghanistan. Es gibt sicher viele, die das islamistische Regime verteidigen. Aber es ist eine Überlegung wert, zivile Transitmöglichkeiten für Frauen zu fordern und dafür die noch im Land befindlichen Nichtregierungsorganisationen einzubeziehen.

Es sind ja nicht alle geflohen. Mehrere NGO haben schon erklärt, dass sie ihre Arbeit im Interesse der Bevölkerung fortsetzen wollen. Das würde auch das Fake-Bild korrigieren, dass in den letzten Tagen von Afghanistan gezeichnet wurde.


Da war die Rede von einer Hölle, aus der alle fliehen wollen. Das ist ein kolonialistisches Narrativ, das auch schon gegenüber verschiedenen afrikanischen Ländern angewandt wurde.

Im Fall Afghanistans wird hier einfach unterschlagen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung nicht den Kabuler Flughafen umlagert und fliehen will, worauf auch Menschen hinweisen, die in afghanischen Provinzen teils seit Jahren Projekte unterstützen.


Zudem wird natürlich nicht erwähnt, was die verschiedenen Nato-Staaten seit Jahrzehnten dazu beigetragen haben, dass die Situation in Afghanistan so desolat ist. Das fing bereits Ende der 1970er-Jahre mit dem Kampf gegen die damalige afghanische Linksregierung an.


Es sollte auch bei der aktuellen Berichterstattung eine gewisse Sensibilität dafür bestehen, dass durch das Zeichnen eines ganzen Landes als Hölle, vor der man nur flüchten will, auch ein politisches Klima geschaffen wird, in dem dann scheinbar nur noch Nato-Truppen den Teufel bannen können. (Peter Nowak)


Info: https://www.heise.de/tp/features/Rettung-aus-Afghanistan-Es-geht-nicht-um-Humanitaet-6173609.html

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