seniora.org, 08. August 2023, M. K. Bhadrakumar 8. August 2023 – übernommen von indianpunchline.com
Überall auf der Welt zeigt sich die soziale menschliche Natur. Sie will weder unterdrückt noch ausgebeutet werden - nicht nur in Afrika.
Nigerianer nehmen an einem Marsch teil, zu dem die Anhänger von Putschistenführer General Abdourahmane Tchiani in Niamey, Niger, am 30. Juli 2023 aufgerufen haben. Auf dem Plakat steht: "Nieder mit Frankreich, lang lebe Putin"
Der Staatsstreich im westafrikanischen Staat Niger am 26. Juli und der Russland-Afrika-Gipfel am nächsten Tag in St. Petersburg spielen sich vor dem Hintergrund der Multipolarität der Weltordnung ab. Obwohl sie scheinbar unabhängig voneinander stattfinden, treffen sie doch den "zeitgeist" (sic!) unserer sich wandelnden Ära.
Der Afrika-Gipfel, der am 27. und 28. Juli in Russland stattgefunden hat, stellt eine große Herausforderung für den Westen dar, der instinktiv versuchte, die Veranstaltung herunterzuspielen, nachdem es ihm nicht gelungen war, souveräne afrikanische Nationen von einem Treffen mit der russischen Führung abzuhalten. 49 afrikanische Länder hatten ihre Delegationen nach St. Petersburg entsandt, und siebzehn Staatschefs waren persönlich nach Russland gereist, um politische, humanitäre und wirtschaftliche Fragen zu erörtern. Für das Gastgeberland, das sich mitten im Krieg befindet, war dies ein bemerkenswerter diplomatischer Erfolg.
Der Gipfel war ein durch und durch politisches Ereignis. Sein Leitmotiv war die Gegenüberstellung von Russlands langjähriger Unterstützung für Afrikaner, die sich dem Imperialismus widersetzen, und dem räuberischen Charakter des westlichen Neokolonialismus. Dies passt hervorragend zum heutigen Russland, das keine koloniale Geschichte der Ausbeutung und Ausplünderung Afrikas hat.
Während im Westen immer wieder Leichen aus der Kolonialzeit aus dem Keller gekramt werden, die auf den unbeweinten afrikanischen Sklavenhandel zurückgehen, beruft sich Russland auf das sowjetische Erbe, auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen – und lässt sogar den vollen Namen der Russischen Universität der Völkerfreundschaft von Patrice Lumumba in Moskau wieder aufleben.
Doch es ging nicht nur um Politik. Die Beratungen des Gipfels über die russisch-afrikanische Partnerschaft, die dem Kontinent helfen soll, "Ernährungssouveränität" zu erlangen, über Alternativen zum Getreidehandel, über neue Logistikkorridore für russische Lebensmittel und Düngemittel, über den Ausbau der Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Wirtschaft, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sicherheit, über den möglichen Beitritt Afrikas zum internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridor, über die Beteiligung Russlands an afrikanischen Infrastrukturprojekten und über den Aktionsplan des russisch-afrikanischen Partnerschaftsforums bis zum Jahr 2026 – all dies zeugt von den quantifizierbaren Ergebnissen.
Kommen wir zu Niger. Die jüngsten Entwicklungen in Niger unterstreichen das Leitmotiv des Russland-Afrika-Gipfels. Russlands Prognose der afrikanischen Krise hat sich bewahrheitet – die anhaltende Verwüstung durch den westlichen Imperialismus. Dies geht aus den Berichten über russische Flaggen bei Demonstrationen in Niamey, der Hauptstadt Nigers, hervor.
Die Rebellen, die die Macht an sich gerissen haben, haben die militärisch-technischen Kooperationsabkommen zwischen Niger und Frankreich schnell aufgekündigt und Frankreich aufgefordert, seine Truppen innerhalb von 30 Tagen abzuziehen. Frankreich seinerseits hat sich "fest und entschlossen" für eine ausländische Militärintervention ausgesprochen, "um den Putschversuch zu unterdrücken". Die französischen Behörden haben klargestellt, dass sie nicht vorhaben, ihr bewaffnetes Kontingent von 1.500 Personen abzuziehen, die sich "auf Ersuchen der rechtmäßigen Behörden des Landes auf der Grundlage unterzeichneter Abkommen" in Niger aufhalten.
Die Haltung Frankreichs ist nicht überraschend – Paris möchte seine Position in der Sahelzone und die billige Rohstoffquelle, insbesondere Uran, nicht verlieren. Frankreich war jedoch irrtümlich der Meinung, dass der Putsch weder die Unterstützung des nigrischen Militärs genießt noch eine soziale Basis hat, und dass alles, was nötig wäre, um ihn zurückzudrängen, eine begrenzte Demonstration von Gewalt wäre, die die elitäre Präsidentengarde zwingen würde, direkte Verhandlungen mit Frankreich aufzunehmen.
Frankreich und die USA koordinieren ihr Vorgehen mit der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten [ECOWAS]. Die ECOWAS hat anfangs mit dem Säbel gerasselt, ist aber inzwischen eingeknickt. Die Frist für ihr Eingreifen ist abgelaufen. Die ECOWAS verfügt einfach nicht über einen Mechanismus für die rasche Zusammenziehung von Truppen und die Koordinierung von Kampfhandlungen, und ihr Machtzentrum Nigeria hat alle Hände voll zu tun, die eigene innere Sicherheit zu gewährleisten. Die nigerianische Öffentlichkeit hat Angst vor einem Gegenschlag – Niger ist ein großes Land und hat eine 1.500 Kilometer lange, durchlässige Grenze zu Nigeria. Die unausgesprochene Wahrheit ist, dass Nigeria kaum daran interessiert ist, die französische Militärpräsenz in Niger zu verstärken oder sich auf die Seite Frankreichs zu stellen, das in der gesamten Sahelzone äußerst unpopulär ist.
Die größte Überraschung ist, dass der Militärputsch von der Bevölkerung unterstützt wird. Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, dass die französischen Truppen gezwungen sein werden, Niger, ihre ehemalige Kolonie, zu verlassen. Niger ist ein Opfer neokolonialer Ausbeutung. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung, die ironischerweise eine Folge der NATO-Intervention in Libyen im Jahr 2011 ist, die von keinem Geringeren als Frankreich in der Sahelzone angeführt wurde, hat Frankreich die Bodenschätze Nigers rücksichtslos ausgebeutet.
Ein bekannter nigerianischer Dichter und Literaturkritiker, Prof. Osundare, schrieb letzte Woche:
"Untersuchen Sie die Ursache, den Verlauf und die Symptome des derzeitigen Wiederauflebens von Militärputschen in Westafrika. Finden Sie ein Heilmittel für diese Pandemie. Noch wichtiger ist es, ein Heilmittel für die Plage der politischen und sozioökonomischen Ungerechtigkeiten zu finden, die für die Unvermeidlichkeit ihres Wiederauftretens verantwortlich sind. Denken Sie an die derzeitige brutale Anarchie in Libyen und an die zahllosen Auswirkungen der Destabilisierung dieses einst blühenden Landes auf die westafrikanische Region."
Der einzige regionale Staat, der sich eine wirksame militärische Intervention in Niger leisten kann, ist Algerien. Algerien hat jedoch weder Erfahrung mit der Durchführung solcher Operationen auf regionaler Ebene, noch hat es die Absicht, von seiner konsequenten Politik der Nichteinmischung in die Innenpolitik eines souveränen Landes abzuweichen. Algerien hat vor jeder externen Militärintervention in Niger gewarnt. "Eine offensichtliche militärische Intervention in Niger ist eine direkte Bedrohung für Algerien, die wir kategorisch ablehnen... Probleme sollten friedlich gelöst werden", sagte der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune.
Im Kern handelt es sich bei dem Staatsstreich in der Republik Niger zweifellos um einen Kampf zwischen Nigerianern und den Kolonialmächten. Sicherlich ermutigt der wachsende Trend zur Multipolarität in der Weltordnung die afrikanischen Nationen, den Neokolonialismus abzuschütteln. Das ist die eine Seite. Andererseits werden die Großmächte gezwungen, zu verhandeln, anstatt zu diktieren.
Interessanterweise hat sich Washington relativ zurückhaltend gezeigt. Präsident Bidens Bekenntnis zu "Werten" blieb weit hinter dem Diktat einer "regelbasierten Ordnung" zurück – obwohl Amerika Berichten zufolge drei Militärstützpunkte in Niger unterhält. In einem multipolaren Umfeld gewinnen die afrikanischen Nationen an Verhandlungsspielraum. Russlands Pro-Aktivismus wird diesen Prozess vorantreiben. Auch China hat wirtschaftliche Interessen in Niger.
Der Putschistenführer Abdurahman Tchiani gibt zu Protokoll, dass "die Franzosen keine objektiven Gründe haben, Niger zu verlassen", was darauf hindeutet, dass eine faire und gerechte Beziehung möglich ist. Russland hat darauf hingewiesen, dass die wichtigste Aufgabe derzeit darin besteht, "eine weitere Verschlechterung der Lage im Land zu verhindern". Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Zakharova, sagte: "Wir halten es für eine dringende Aufgabe, einen nationalen Dialog zu organisieren, um den zivilen Frieden wiederherzustellen und Recht und Ordnung zu gewährleisten... Wir glauben, dass die Androhung von Gewaltanwendung gegen einen souveränen Staat nicht dazu beitragen wird, die Spannungen zu entschärfen und die Situation im Land zu lösen."
Es ist klar, dass Niamey dem Druck von Außenstehenden nicht nachgeben wird. "Die nigrischen Streitkräfte und alle unsere Verteidigungs- und Sicherheitskräfte sind, gestützt auf die unerschütterliche Unterstützung unseres Volkes, bereit, die Integrität unseres Territoriums zu verteidigen", so ein Vertreter der Junta in einer Erklärung. Eine Delegation aus Niamey ist nach Mali gereist, um die mit Russland verbundenen Wagner-Kämpfer zu bitten, sich im Falle einer vom Westen unterstützten Intervention dem Kampf anzuschließen.
Eine baldige Lösung der Krise um Niger ist nicht zu erwarten. Niger ist ein Schlüsselstaat im Kampf gegen das Dschihadisten-Netzwerk und ist strategisch und strukturell mit dem Nachbarland Mali verbunden. Und die Lage in der Sahelzone eskaliert. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Krise der Staatlichkeit in Westafrika insgesamt.
Der amerikanische Exzeptionalismus ist kein universelles Allheilmittel für bestehende Missstände. Das Pentagon half bei der Ausbildung mindestens eines der Putschisten in Niger – und derjenigen in Mali und Burkina Faso, die versprochen haben, sich für Niger einzusetzen. Die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland, die am Montag zu Besuch in Niamey war, beklagte jedoch, dass die Putschisten ihr ein Treffen mit dem gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum verweigerten und auf die Forderungen der USA nach einer Rückkehr des Landes zu einer zivilen Regierung nicht eingingen.
Nulands Mission zielte darauf ab, die Putschisten davon abzubringen, sich mit der Wagner-Gruppe einzulassen, aber sie hatte keine Aussicht auf Erfolg. Nuland wurde kein Treffen mit General Tchiani gewährt.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
08.08.2023
Nachrichten von Pressenza: Nach uns der Flächenbrand
Berlin, Paris und die EU unterstützen im Kampf gegen die Putschisten in Niger die ECOWAS, die mit einer militärischen Invasion droht. Niger ist letzter Stationierungsort der Bundeswehr im Sahel Die westlichen Staaten, auch Deutschland, stärken im Kampf gegen die Putschisten…
Trockenheit und Landwirtschaft: Trotz Regen negative Wasserbilanz
Trotz guter Ernteaussichten 2023 haben die Dürremonate Anfang des Jahres und die Trockenheit in den Jahren zuvor insgesamt den Böden zugesetzt. Dass es nun die letzten Wochen vermehrt regnet, ist zwar wichtig – gleichzeitig erschweren die Niederschläge die Ernte und…
Reiner Brauns Rede am World Conference against A and H Bombs in Hiroshima
Am 4. und 5. August trafen sich 300 Teilnehmende aus 35 Ländern zum ‚World Conference against A and H Bombs‘ (Weltkongress gegen Atom- und Wasserstoff-Bomben) in Hiroshima kurz vor dem 78. Jahrestags der beiden Atombombenabwürfe. Rainer Braun, ehemaliger Exekutivdirektor des…
Nicht nur auf unserem Kontinent wurden die Menschen noch nie so wenig beachtet wie heute. Der ständige Missbrauch durch große Konzerne und die offene Komplizenschaft eines als Entwicklung getarnten neoliberalen Systems haben die internationale Politik in ein finsteres Machtspiel verwandelt,…
Putsch in Niger – Kampf um die Sahel Zone und Afrika
Wie real ist Demokratie und der Einfluss der Menschen in einem Land eigentlich, wenn das Gros bis zum Umfallen für das Überleben schuften musss und gerade mal 10% der Einnahmen im eigenen Land verbleiben – und davon das meiste bei…
Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
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08.08.2023
Warum Hyperschall-Waffen alles verändern
seniora.org, 08. August 2023, Alex Krainer 22.03.2023 - übernommen von alexkrainer.substack.com
Sie können ALLE Flugzeugträger der USA auf einmal versenken.
Wenn es um militärische Fragen geht, verfolge ich eine Handvoll Analysten, von denen sich der kroatische Admiral im Ruhestand, Davorin Domazet, als mein Favorit herausgestellt hat. Er verfügt über ein umfassendes und detailliertes Wissen in technischen Fragen (wie Andrej Martjanow besteht er darauf, dass man in der modernen Kriegsführung ohne umfassende Kenntnisse in fortgeschrittener Mathematik und Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht bestehen kann). Noch wichtiger ist, dass er vielleicht das klarste Verständnis für den breiten historischen Kontext des heutigen Konflikts zwischen Russland und den Westmächten hat.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, liebe Freunde, diesen Artikel veröffentliche ich mit gemischten Gefühlen. Ich lehne Waffen grundsätzlich ab, ich brauche keine, habe nie eine besessen und hatte das Glück ein sog. «weisser Jahrgang» (1930) zu sein, d.h. zu Beginn des WK2 zu jung und später zu alt, um in Deutschland zum Militärdienst eingezogen zu werden. Weil mich technischer Fortschritt interessiert, merke ich aber, dass mich die Hyperschall-Waffen irgendwie faszinieren, vielleicht auch, weil sie sich meiner Meinung nach auf der «richtigen» Seite befinden und (hoffentlich) dazu führen, den unsäglichen Ukrainekrieg rasch zu beenden. Dass überragende Waffentechnik allerdings dazu führen wird, die Menschheit vom Krieg zu befreien, denke ich nicht.
Dass eine Befreiung des Menschen vom Krieg möglich ist, darauf haben meine Frau und ich immer wieder hingewiesen, z.B. mit der «Erklärung von Sevilla zur Gewalt» oder mit dem wunderbaren «Geleitwort zum Buch ‘Grosse Pädagogen’». Der Mensch hat eine Sozialnatur und ist biologisch nicht zum Krieg verdammt. Das wissen wir inzwischen.
Aber etwas ist noch da, das verhindert, dass sich unsere Sozialnatur so stark entwickelt, dass es uns ganz komisch vorkommt, dass wir Präzisionswaffen entwickeln, viel Geld dafür ausgeben, um uns dann gegenseitig umzubringen. Die Wissenschaft der Psychologie ist noch jung, erst 120 Jahre alt.
Alfred Adler, der mit Freud seit 1902 zusammenarbeitete, sich 1911 von der Psychonalytischen Gesellschaft trennte, um die Psychologie, die er ‘Individualpsychologie’ nannte, weiter zu erforschen, hatte erkannt, dass der Charakter des Menschen nicht angeboren ist. So errichtete er in Wien in den 1920er Jahren viele Erziehungsberatungsstellen, weil er sah, dass die Eltern nicht über die Sozialnatur des Kindes informiert waren und man ihnen helfen musste, die gröbsten Erziehungsfehler (Strenge, Verwöhnung oder Vernachlässigung) zu vermeiden, damit sich das Kind in der menschlichen Gemeinschaft willkommen fühlen konnte. Er erfasste im «Gemeinschaftsgefühl» den wesentlichen Faktor, der den Menschen zum ‘Mitmenschen’ macht. Es gibt ein kurzes Video-Interview mit mir dazu.
Die Errichtung auf individualpsychologischer Grundlage arbeitender Erziehungsberatungsstellen wäre auch heute segensreich für alle jungen Eltern, denn alle wollen nur das Beste für ihr Kind und die meisten wären glücklich, eine vernünftige Anleitung kostenlos zu erhalten. Der Neurobiologe und Hirnforscher Joachim Bauer hat einmal in einem seiner Bücher diese Forderung aufgestellt, man solle neben jeder Schule auch gleich eine Erziehungsberatungsstelle einrichten. Das koste gut investierte Milliarden, die zum Wohle aller eingesetzt werden. Dieser Forderung schliessen wir uns gerne an. Warum diese gute Idee nicht freudig aufgegriffen wurde und wird, wäre ein schönes Forschungsprojekt: Was hindert uns, den Gedanken der Vererbung des Charakters und der Intelligenz einmal aufzugeben und uns den Erkenntnissen Alfred Adlers zuzuwenden? Herzlich Margot und Willy Wahl
Leider gibt Admiral Domazet nicht viele Interviews und keines in englischer Sprache, aber ich dachte, dass sein letztes Interview wichtig genug war, um es in diesem Artikel weiterzugeben.
Wenn Sie Kroatisch/Serbisch sprechen, können Sie das am 17. März 2023 veröffentlichte Interview unter diesem Link abrufen. Es dauert über 2 Stunden.
Der Kontext ist alles
Domazet ist der einzige mir bekannte Militäranalytiker, der die Geschichte der westlichen Finanzoligarchie berücksichtigt, ihre venezianischen Wurzeln, ihre Migration nach Amsterdam, wo sie das niederländische Imperium bildeten, und ihren anschließenden Umzug nach London, das bis heute das ideologische und geistige Hauptquartier des untoten britischen Imperiums ist.
Er hat den Feind der Menschheit richtigerweise als die "westliche okkulte Oligarchie" bezeichnet und den Krieg in der Ukraine sogar als Kampf zwischen Christus und dem Antichristen bezeichnet, wobei er unterstrich, dass der Antichrist im Westen sitzt. Wohlgemerkt, Kroatien ist ein NATO-Mitglied und wie Polen eine katholische slawische Nation, die sogar einen Teil ihrer kulturellen Russophobie teilt (auch wenn sie in Kroatien vielleicht nicht ganz so rabiat ist wie in Polen).
Über Russlands Hyperschall-Waffen
Der Teil von Domazets letztem Interview, den ich besonders interessant fand, war jedoch das, was er über Russlands Hyperschallwaffen erzählte.
Es war im Jahr 2018, als Wladimir Putin die Bühne betrat, um Russlands neue Hyperschallwaffen zu präsentieren. Der Begriff "Hyperschall" bezieht sich auf Raketen, die mit einer Geschwindigkeit von 5 Mach und mehr fliegen. Damals taten viele im Westen Putins Behauptungen ab und hielten sie für einen Bluff. Heute wissen wir, dass er nicht geblufft hat. Russland ist das einzige Land der Welt, das über einsatzbereite Hyperschallraketen verfügt – und zwar nicht nur eine, sondern gleich drei Typen: Zircon, Kinzhal und Avantguard.
Domazet erläutert, warum diese Waffen einen radikalen Wandel in der Kriegsführung darstellen. Im 1. Weltkrieg waren Panzer die bahnbrechende Militärtechnologie. Seit dem 2. Weltkrieg ist es die Luftwaffe. Flugzeugträger-Kampfgruppen waren eine unwiderstehliche Macht, wo immer sie auftauchten, und beherrschen seitdem die Meere. Doch Hyperschall-Präzisionsraketen haben diese Streitkräfte über Nacht obsolet gemacht.
Die wichtigste militärische Front im heutigen globalen Konflikt sind laut Domazet die Anti-Ballistik-Batterien (ABM), die die USA auf der Achse Polen-Rumänien und die Russen auf der Achse Nordpol-Kaliningrad-Krim-Syrien aufgestellt haben. Dabei handelt es sich um defensive Systeme, die dazu gedacht sind, ankommende Atomraketen abzufangen (obwohl sie leicht in offensive Atomraketen umgewandelt werden können). Die heutigen ABM-Systeme sind jedoch nur gegen Raketen wirksam, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu Mach 3,5 (3,5 x die Schallgeschwindigkeit) fliegen.
Die Kinzhal verwandelt mächtige Flugzeugträger-Kampfgruppen in leichte Beute
Russlands neue Kinzhal-Rakete fliegt mit Geschwindigkeiten von Mach 12 bis Mach 15, und nichts in den westlichen Verteidigungsarsenalen kann sie aufhalten. Während des Krieges in der Ukraine hat Russland eine beeindruckende Demonstration seiner Macht inszeniert. Der erste Kinzhal-Schlag, der einen Monat nach Beginn der Feindseligkeiten in der Ukraine erfolgte, war vielleicht der bedeutendste: Die russischen Streitkräfte griffen ein großes Waffendepot in der Ukraine an, das zu Sowjetzeiten gebaut worden war, um einem Atomschlag standzuhalten. Es war 170 Meter unter der Erde vergraben und durch mehrere Lagen gepanzerten Betons geschützt.
Die Kinzhal fliegt in Höhen zwischen 20 und 40 km und hat eine maximale Reichweite von 2.000 km. Wenn sie sich über dem Ziel befindet, stürzt sie senkrecht ab und beschleunigt auf 15 Mach, wobei sie zusätzlich zu ihrer explosiven Nutzlast enorme kinetische Energie erzeugt. Dieser Erstschlag mit einer einzigen Kinzhal-Rakete zerstörte das atomwaffenfeste unterirdische Waffendepot der Ukraine. Dies war eine Botschaft an den Westen.
Moskau ruft: Wir können ALLE Eure Flugzeugträger versenken
Die Kinzhal wurde mit dem ausdrücklichen Ziel entwickelt, Flugzeugträger-Angriffsgruppen zu zerstören. Wenn sie ein Lagerhaus zerstören kann, das einem Atomschlag standhält, kann sie einen Flugzeugträger durchschneiden wie ein heißes Messer durch Butter.
Admiral Domazet zufolge verfügen weder die westlichen Mächte noch China auch nur annähernd über derartige Waffen. Er erklärte, dass das kritische Problem bei Hyperschallwaffen die extremen Temperaturen sind, die während des Hyperschallflugs auf der Oberfläche der Raketen erreicht werden, was dazu führen kann, dass sie während des Flugs auseinanderbrechen. Russland ist das einzige Land, das spezielle Materialien entwickelt hat, die es den Raketen ermöglichen, dieser Belastung standzuhalten, so dass ihr Flug über die gesamte Flugbahn hinweg kontrolliert und mit hoher Treffsicherheit durchgeführt werden kann.
Nach Schätzungen westlicher Geheimdienste verfügte Russland zu Beginn des Krieges in der Ukraine über etwa 50 Kinzhals, von denen es bisher [März 2023] nur 9 eingesetzt hat. Letzte Woche feuerten sie sechs Kinzhals in einer einzigen Salve ab. Auch das war eine Botschaft. Domazet erklärte dies folgendermaßen: Die Vereinigten Staaten verfügen über 11 Flugzeugträger-Kampfgruppen. Von diesen sind weniger als die Hälfte gleichzeitig aktiv (während andere zur Wartung im Dock liegen oder sich in Vorbereitung befinden). Sechs Kinzhals auf einmal abzufeuern ist Militärsprache für "wir haben die Fähigkeit, ALLE eure Flugzeugträger auf einmal zu versenken".
Russland wird jeden Moment die Munition ausgehen, (sagen Experten)...
Russland hat die Kapazität, etwa 200 Kinzhals pro Jahr zu bauen, und verfügt nun über Mittel, um Kinzhal- und Zircon-Raketen von Flugzeugen, Schiffen und U-Booten aus überall hin zu bringen. Sie können nicht nur Flugzeugträger zerstören, sondern auch die ABM-Raketenstationen der NATO. Kurz gesagt, Russland ist jetzt der klare Gewinner des Wettrüstens im 21. Jahrhundert.
Die westlichen Mächte könnten 10 Jahre oder länger brauchen, um aufzuholen, und bis dahin besteht die einzige Möglichkeit, den Krieg nicht zu verlieren, darin, entweder die Niederlage einzugestehen und Russlands Sicherheitsforderungen zu akzeptieren oder den Konflikt zu einem nuklearen Schlagabtausch zu eskalieren.
Nach einer vorsichtigen Schätzung würden in einem solchen Konflikt mindestens eine Milliarde Menschen umkommen, und niemand würde gewinnen. Wer würde so etwas tun? Der Gedanke an den Einsatz von Atomwaffen ist in der Tat so abstoßend, dass wir sicher sein können, dass unsere Führer niemals den Weg dieser Eskalation wählen werden. So böse ist doch sicher niemand, oder? Oder doch?
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Die Erklärung von Sevilla zur Gewalt (1986)
seniora.org, 08. Februar 2013
“Gewalt ist kein Naturgesetz - Biologisch gesehen ist die Menschheit nicht zum Krieg verdammt.“
Im «Internationalen Jahr des Friedens» 1986 wurde von 20 international renommierten Wissenschaftern das «Sevilla Statement on Violence» verabschiedet.
Bei allen eingehend untersuchten Gattungen wird der Status innerhalb einer Gruppe durch die Fähigkeit zur Kooperation sowie die Fähigkeit, bedeutende soziale Aufgaben für die Gruppe zu übernehmen, erworben. «Dominanz» setzt soziale Bindungen und Vereinbarungen voraus; auch wo sie sich auf aggressives Verhalten stützt, ist sie nicht einfach gebunden an den Besitz und die Anwendung überlegener physischer Kraft. Immer dann, wenn bei Tieren künstlich die Selektion aggressiven Verhaltens gefördert wird, führt dies schnell zu hyperaggressiven Verhaltensweisen dieser Individuen.
Dies ist ein Beleg dafür, dass eine ausschließliche Selektion der Aggression unter normalen Bedingungen nicht vorkommt. Wenn solche experimentell gezüchteten hyperaggressiven Tiere in eine soziale Gruppe eingeführt werden, stören sie entweder deren soziale Struktur oder sie werden vertrieben.
Gewalt ist weder Teil unseres evolutionären Erbes noch in unseren Genen festgelegt.
Wir halten es für unsere Pflicht, uns aus der Sicht verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen mit den gefährlichsten und vernichtendsten Aktivitäten der Menschheit zu befassen: mit Krieg und Gewalt.
Wir wissen, dass die Wissenschaft ein Produkt des Menschen ist, sie deshalb weder endgültig noch allumfassend sein kann.
Wir danken der Stadt Sevilla sowie den Vertretern der Spanischen Unesco-Kommission für die Unterstützung unseres Treffens. In Sevilla trafen sich Wissenschafter aus der ganzen Welt, die sich mit dem Thema Krieg und Gewalt beschäftigen.
Unsere wissenschaftlichen Befunde haben wir in der folgenden «Erklärung zur Gewalt» dargelegt.
In dieser wenden wir uns gegen den Missbrauch biologischer Forschungsergebnisse, die – auch von einigen Vertretern unserer Fachbereiche – zur Rechtfertigung von Krieg und Gewalt herangezogen wurden. Einige dieser Erkenntnisse, die wir als solche nicht bestreiten, haben das Aufkommen einer pessimistischen Grundstimmung in der Öffentlichkeit mitverursacht. Wir sind der Auffassung, dass die öffentliche und gut begründete Zurückweisung falscher Interpretationen von Forschungsergebnissen einen wirksamen Beitrag zum «Internationalen Jahr des Friedens» (1986) und zu künftigen Friedensbemühungen leisten kann.
Der Missbrauch wissenschaftlicher Theorien und Forschungsergebnisse zur Rechtfertigung von Krieg und Gewalt ist nichts Neues; er hat die gesamte Geschichte der modernen Wissenschaften begleitet. So wurde beispielsweise Krieg, Völkermord, Kolonialismus und die Unterdrückung von Schwächeren mit der Evolutionstheorie gerechtfertigt.
Wir stellen unsere Positionen in Form von 5 Aussagen dar, sind uns dabei aber bewusst, dass es vom Standpunkt unserer Fachbereiche aus noch zahlreiche weitere Fragen zu Krieg und Gewalt gibt.
Wir wollen uns auf 5 Kernaussagen, die wir für einen ersten wichtigen Schritt zur Erarbeitung einer umfassenden wissenschaftlichen Position halten, beschränken.
Verhaltensforschung
Die wissenschaftliche Aussage, der Mensch hätte eine Neigung zu kriegerischen Handlungen von seinen Vorfahren aus dem Tierreich geerbt, ist falsch.
Zwar kommen Kämpfe innerhalb des ganzen Tierreichs vor, doch gibt es nur wenige Berichte über Kämpfe zwischen organisierten Gruppen von Tieren, und bei keinem dieser Kämpfe wurden – als Waffen gedachte – Werkzeuge eingesetzt. Die normalen Verhaltensweisen von Raubtieren können nicht mit Gewalt innerhalb derselben Spezies gleichgesetzt werden. Kriegsführung ist ein spezifisch menschliches Phänomen, das bei Tieren nicht vorkommt.
Die Tatsache, dass sich das Führen von Kriegen im Laufe der Geschichte so radikal verändert hat, zeigt: Krieg ist ein Produkt der kulturellen Entwicklung. Biologisch gesehen hat Krieg mit Sprache zu tun, die es ermöglicht, Gruppen zu koordinieren, Technologien zu vermitteln und Werkzeuge zu gebrauchen. Aus der Sicht der Verhaltensforschung und Biologie sind Kriege möglich, jedoch nicht unvermeidbar, wie ihre unterschiedlichen Ausprägungen in verschiedenen Epochen und Regionen zeigen. Es gibt Kulturen, in denen über Jahrhunderte und andere, in denen nur zeitweise oder gar nicht Kriege geführt wurden.
Biologische Vererbungsforschung
Die wissenschaftliche Aussage, Krieg oder anderes gewalttätiges Verhalten sei in der menschlichen Wesensart genetisch vorprogrammiert, ist falsch.
Gene sind an den Funktionen des Nervensystems in allen Bereichen beteiligt; sie stellen ein Entwicklungspotential dar, das nur in Verbindung mit seinem ökologischen und sozialen Umfeld wirksam werden kann. Individuen haben sehr verschiedene genetische Vorgaben, die ihre persönlichen Erfahrungen beeinflussen; ihre Persönlichkeit bilden Menschen jedoch im Zusammenspiel ihrer genetischen Ausstattung mit den Bedingungen ihrer Erziehung. Mit Ausnahme einiger seltener pathologischer Fälle gibt es keine zwanghafte genetische Prädisposition für Gewalt; für das Gegenteil, die Gewaltlosigkeit, gilt dasselbe. Obwohl Gene an der Entwicklung menschlicher Verhaltensmuster und Verhaltensmöglichkeiten beteiligt sind, bestimmen sie alleine noch nicht deren Ergebnis.
Evolutionsforschung
Die wissenschaftliche Aussage, im Laufe der menschlichen Evolution habe sich aggressives Verhalten gegenüber anderen Verhaltensweisen durchgesetzt, ist falsch.
Bei allen eingehend untersuchten Gattungen wird der Status innerhalb einer Gruppe durch die Fähigkeit zur Kooperation sowie die Fähigkeit, bedeutende soziale Aufgaben für die Gruppe zu übernehmen, erworben. «Dominanz» setzt soziale Bindungen und Vereinbarungen voraus; auch wo sie sich auf aggressives Verhalten stützt, ist sie nicht einfach gebunden an den Besitz und die Anwendung überlegener physischer Kraft. Immer dann, wenn bei Tieren künstlich die Selektion aggressiven Verhaltens gefördert wird, führt dies schnell zu hyperaggressiven Verhaltensweisen dieser Individuen.
Dies ist ein Beleg dafür, dass eine ausschließliche Selektion der Aggression unter normalen Bedingungen nicht vorkommt. Wenn solche experimentell gezüchteten hyperaggressiven Tiere in eine soziale Gruppe eingeführt werden, stören sie entweder deren soziale Struktur oder sie werden vertrieben. Gewalt ist weder Teil unseres evolutionären Erbes noch in unseren Genen festgelegt.
Neurophysiologie
Die wissenschaftliche Aussage, das menschliche Hirn sei «gewalttätig», ist falsch.
Zwar verfügen Menschen über einen Nervenapparat, mit dem gewalttätige Handlungen ausgeführt werden können; diese werden jedoch nicht automatisch durch interne oder externe Stimuli aktiviert. Ähnlich wie bei höheren Primaten – im Gegensatz zu anderen Tieren – werden beim Menschen alle Stimuli durch übergeordnete Nervenprozesse gefiltert, ehe sie Handlungen auslösen. Unser Verhalten ist durch die Erfahrungen in unserer Umwelt und den Verlauf unseres Sozialisationsprozesses geprägt. Nichts in der Neurophysiologie des Menschen zwingt zu gewalttätigem Handeln.
Psychologie
Die wissenschaftliche Aussage, dass Krieg durch einen «Trieb», einen «Instinkt» oder ein anderes einzelnes Motiv verursacht sei, ist falsch.
Die Geschichte der modernen Kriegführung ist sowohl durch den Vorrang emotionaler Faktoren – die mitunter «Triebe» oder «Instinkte» genannt werden – als auch den Vorrang kognitiver Faktoren gekennzeichnet.
Krieg basiert auf einer Vielzahl von Faktoren: der systematischen Nutzung individueller Ausprägungen wie Gehorsam, Suggestion und Idealismus, sozialer Fähigkeiten wie der Sprache sowie rationaler Überlegungen wie Kosten-Nutzen-Rechnung, Planung und Informationsverarbeitung. Die Technologie der modernen Kriegsführung legt besonderes Gewicht auf die Förderung «gewalttätiger» Persönlichkeitsmerkmale sowohl bei der Ausbildung der Kampftruppen wie auch bei der Werbung um Unterstützung der Bevölkerung. So kommt es, dass solche Verhaltensmerkmale häufig fälschlicherweise als Ursachen und nicht als Folgen des gesamten Prozesses angesehen werden.
Schlussfolgerungen
Wir ziehen aus allen diesen wissenschaftlichen fachspezifischen Feststellungen den Schluss: Biologisch gesehen ist die Menschheit nicht zum Krieg verdammt; sie kann von falsch verstandenem biologischem Pessimismus befreit und in die Lage versetzt werden, mit Selbstvertrauen im «Internationalen Jahr des Friedens» (1986) und in den kommenden Jahren die notwendigen Veränderungen der herkömmlichen Sichtweise einzuleiten. Obwohl diese Aufgaben hauptsächlich institutioneller und gemeinschaftlicher Art sind, liegen sie doch im Bewusstsein jedes einzelnen begründet, das entweder von Pessimismus oder von Optimismus getragen sein kann.
Ebenso wie «Kriege im Geist der Menschen entstehen», beginnt auch der Friede in unserem Denken. Dieselbe Spezies, die den Krieg erfunden hat, kann auch den Frieden erfinden.
Jeder von uns ist dafür mitverantwortlich.
Erstunterzeichner
David Adams, Psychologie, USA – S.A. Barnett, Ethologie, Australien – N.P. Bechtereva, Neurophysiologie, UdSSR – Bonnie Frank Carter, Psychologie, USA – José M. Rodríguez Delgado, Neurophysiologie, Spanien – José Luis Díaz, Ethologie, Mexiko – Andrzej Eliasz, Differentielle Psychologie, Polen – Santiago Genovés, Biologische Anthropologie, Mexico – Benson E. Ginsburg, Verhaltensgenetik, USA – Jo Groebel, Sozialpsychologie, BRD – Samir-Kuma Ghosh, Soziologie, Indien – Robert Hinde, Verhaltensforschung, England – Richard E. Leaky, Physikalische Anthropologie, Kenia – Taha M. Malasi, Psychiatrie, Kuwait – J. Martin Ramírez, Psychobiologie, Spanien – Frederico Mayor Zaragoza, Biochemie, Spanien – Diana L. Mendoza, Ethologie, Spanien – Ashis Nandy, Politische Psychologie, Indien – John Paul Scott, Verhaltensforschung, USA – Riitta Wahlström, Psychologie, Finnland.
Die Erklärung von Sevilla zur Gewalt (1986) – Auszüge “Gewalt ist kein Naturgesetz Biologisch gesehen ist die Menschheit nicht zum Krieg verdammt.“
«Sich nicht an den Krieg gewöhn
en» ist die anspruchsvolle Aufgabe für die Gemüter zur Zeit der dritten Kriegsweihnacht (2003). Das heisst auch, sich zu erinnern, was schon alles erschaffen wurde zur Frage von Krieg und Frieden.
Im «Internationalen Jahr des Friedens» 1986 wurde von 20 international renommierten Wissenschaftern das «Sevilla Statement on Violence» verabschiedet.
Es erklärt aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen, dass Gewalt und Aggression keinem Naturgesetz folgen, und wendet sich damit gegen den Missbrauch der Wissenschaft zur Rechtfertigung von Krieg und Gewalt. Kriege entstehen im Geiste der Menschen. Der optimistische Tenor der Erklärung, die übrigens 1989 von der Unesco anerkannt und mittlerweile von mehr als 100 nationalen und internationalen wissenschaftlichen Verbänden und Vereinigungen unterzeichnet wurde, möge mithelfen, in diesen Tagen einen Ausblick zu erhalten.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
08.08.2023
Verbot, Unterdrückung, Repression – Das letzte Stadium des Liberalismus
freedert.online, vom 7 Aug. 2023 09:34 Uhr, Von Gert Ewen Ungar
Der westliche Liberalismus ist in seine letzte, autoritäre und repressive Phase eingetreten. Freiheiten werden immer weiter eingeschränkt, grundlegende Werte einfach über Bord geworfen. Das System ist in einer Krise. Die Freiheit hat den Westen längst verlassen.
Gesellschaftssysteme werden autoritär und repressiv, bevor sie schließlich untergehen. Diese Theorie lässt sich gerade an der Wirklichkeit beobachten. Der Liberalismus westlicher Prägung steht massiv unter Druck. Die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstandene Weltordnung mit einem einzigen Machtzentrum in den USA und dem "Washington Consensus" als weltweit durchgesetztem neoliberalen Wirtschaftsmodell bekam mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und der Rückkehr Russlands als geopolitische Gestaltungskraft auf der Weltbühne Konkurrenz. Der Liberalismus ist in der Krise, denn er ist eben nicht das Ende der Geschichte und das alternativlos freie Gesellschaftssystem. Immer mehr Länder wenden sich ab und suchen die Kooperation mit Russland und China und streben nach einer Mitgliedschaft in den BRICS und weiteren Alternativen der transnationalen Zusammenarbeit zu den vom Westen dominierten Institutionen.
Der in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts etablierte "Washington Consensus", der seine destruktive Kraft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion frei entfalten konnte, bedeutete die massive Umverteilung von unten nach oben weltweit. Er ging einher mit der Enteignung von öffentlichem Kapital in Form von Privatisierungen. Die Schere zwischen Arm und Reich ging und geht in westlichen Ländern immer weiter auseinander, die Verelendung nahm und nimmt immer weiter zu. Die Märkte wurden dereguliert, alles wurde dem freien Spiel der Kräfte des Marktes untergeordnet. Der Staatsanteil wurde zurückgefahren, damit einhergehend wurden der Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme rückgebaut. In Deutschland wurde dies unter anderem durch die Agenda 2010, den Rückbau der Rentensicherung und die Entmachtung der Gewerkschaften umgesetzt.
Gleichzeitig behauptet der Westen, zentraler und einziger Hort der Freiheit zu sein. Meinungsfreiheit, stabile Demokratien, Presse- und Informationsfreiheit gibt es im Westen. In anderen Regionen der Welt war dies alles bestenfalls in den Anfängen, rudimentär entwickelt und brauchte westliche Unterstützung für die Entwicklung und Entfaltung nach westlichem Vorbild. Das war das Bild westlicher Staaten von sich selbst und vom Rest der Welt: Wir sind der Garten, die übrige Welt ist der Dschungel.
Darüber hinaus wurde das bis dahin Private, Individuelle ins Öffentliche getragen. Die Möglichkeit, das zu tun, wurde zum neuen Maßstab der Freiheit erklärt. Es galt, das Private, Intime und Individuelle, das jetzt in aller Öffentlichkeit stattfand, vor Diskriminierung zu schützen. Geschützt werden seitdem alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen vor allem vor verbaler Diskriminierung, vor sogenannter "Hassrede" und Herabsetzung. Die ökonomische Diskriminierung wird dabei weitgehend ausgeklammert. Armut ist im Gegensatz zur sexuellen Orientierung ein Stigma, für das man selbst verantwortlich ist.
Mit dem Aufstieg Chinas und Russlands bekam das Modell des westlichen Liberalismus Konkurrenz. Konkurrenz soll das Geschäft ja eigentlich beleben, im geopolitischen Kontext ist allerdings genau das Gegenteil zu beobachten. Im Westen reagiert man auf diese Situation, indem man die wesentlichen Merkmale westlicher Freiheit immer weiter aufgibt und ihre Geltung nur noch behauptet, ohne sie zu leben. Mit anderen Worten, der Westen reagiert mit zunehmender Repression und nicht damit, die tatsächliche Überlegenheit des liberalen Modells unter Beweis zu stellen.
In der EU ist das am deutlichsten zu sehen. Die EU als transnationale Organisation hat selbst massive Demokratiedefizite, die sie nicht behebt, sondern immer weiter ausweitet. Das ist ein alter Hut. Es wird seit Jahrzehnten kritisiert, ohne dass sich im Grundsatz etwas ändern würde.
Was die EU aber natürlich auch tut, ist, in den Ländern, die sich ihr annähern, die Demokratie sofort auszuhebeln, wenn es ihrer Machtausdehnung dient. Zuletzt passierte das in Moldawien. Die liberale, proeuropäische Präsidentin Maia Sandu steht massiv unter Druck, denn der prowestliche Kurs führt in der aktuellen geopolitischen Konstellation zu hoher Inflation, infolgedessen zu immer weiterer Verarmung und damit zu Massenprotesten und Rücktrittsforderungen. Profitiert hat davon die prorussische Partei Șor. Die Reaktion darauf war, Șor zu verbieten.
Die EU, stets auf die Einhaltung demokratischer Standards bedacht, solange es ihren Zwecken dient, hüllt sich in Schweigen. Deutsche Medien wie die tazbegrüßen das Verbot und fordern weitere Maßnahmen, um den "russischen Einfluss" zurückzudrängen. Die Möglichkeit, dass Menschen den "freien Westen" aus ganz rationalen Gründen für wenig attraktiv halten könnten, wird in den deutschen Redaktionsstuben weiterhin geleugnet. Dort nahm man schon 2014 völlig verwundert wahr, dass in der Ukraine ein relevanter Teil der Bevölkerung mit einer weitergehenden Westintegration nicht einverstanden war, weshalb im Osten des Landes ein Bürgerkrieg ausbrach. Es musste irgendwie ins Narrativ gepresst werden. Fakt ist aber, der Westen hat an Attraktivität eingebüßt.
Auch gegen das Verbot einer großen Zahl von Oppositionsparteien in der Ukraine hat man von der EU bisher wenig Kritisches gehört. Die Parteien, die verboten wurden, suchten eher die Annäherung an Russland und lehnten den Kriegskurs des Präsidenten und die wachsende Repression ab. Die Ukraine entfernt sich immer weiter von den westlichen Werten. Aber gegen all die Verbote spricht aus Sicht der EU wenig. Demokratien sind die, die für uns sind und unseren Zwecken dienen, denkt man sich in Brüssel, ganz egal wie repressiv Kiew gegen die Opposition und die Medien vorgeht.
Das macht deutlich, dass die von der EU verteidigten Freiheiten nur diejenigen sind, die ihrem Machterhalt dienen. Es sind eben keine Werte an sich.
Die Diskussion um Parteiverbote und Zensur wiederholt sich gerade in Deutschland. Die Forderung nach einem Verbot der AfD zeigt, dass Demokratie als Wert nur so lange hochgehalten wird, solange sie die bestehenden Verhältnisse stützt. Ob die AfD, sollte sie einmal gewählt werden, tatsächlich eine fundamentale Wende einleitet, steht dabei auf einem anderen Blatt. Das ist in diesem Zusammenhang allerdings unwichtig.
Analog gilt dies auch für die Presse- und Meinungsfreiheit. Sie wird nur gewährt, solange sie die bestehenden Verhältnisse stützt. Diese sind aber in einer schweren Krise. Die Verbote von RT und anderen russischen Medien belegen, dass es mit der Pressefreiheit im Westen nicht weit her ist. Die Kontosperrungen gegenüber Journalisten und Medien, die kritisch über die deutsche Politik berichten, beweisen einen Mangel an Verständnis und Verteidigungswillen dieser grundlegenden Prinzipien in Deutschland. Hinzu kommen die Strafrechts-Verschärfungen, die einen offenen Diskurs über die Ursachen des Ukraine-Konflikts faktisch unterbinden. Das System kippt in die Repression und den Autoritarismus.
Begleitet wird all das von einer repressiven Kultur der Unterdrückung anderer Meinungen und Sichtweisen. Das links-liberale Bürgertum verhindert einen offenen Diskurs, indem es andere Meinungen "cancelt". Es ist eben längst nicht mehr so, dass in Deutschland jeder seine Meinung öffentlich äußern darf. Auch strafrechtlich völlig irrelevante Meinungen werden in Deutschland ganz offen unterdrückt. Der liberale Westen ist inzwischen alles, nur nicht liberal.
Diese Entwicklungen machen deutlich, dass das Ende des Liberalismus längst eingeläutet wurde. Er ist in seine letzte, autoritäre und repressive Phase eingetreten. Tatsächliche Freiheit gibt es im Westen, in der EU und in Deutschland immer weniger und vor allem für einen immer kleineren Kreis, der die zunehmenden Repressionen nur deswegen nicht bemerkt, weil er im Kern auf Linie ist und sich an ihr beteiligt. Überlebenschancen, das zeigt die Geschichte, hat ein solches auf Unterdrückung und Repression basierendes System allerdings nicht. Es ist das finale Stadium. Die Zeit des Liberalismus westlicher Prägung kommt an ihr Ende.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
08.08.2023
„Es wird bewusst kein klares und grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelkoalition formuliert“
nachdenkseiten.de, 08. August 2023 um 9:03
Ein Artikel von: Redaktion
Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat angekündigt, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Ko-Fraktionsvorsitz zu kandidieren. In ihrer Erklärung für den Schritt werden einmal mehr die Gräben innerhalb der Linkspartei deutlich, die durch den „Anti-Wagenknecht-Flügel“ ausgehoben wurden. Ali spricht einige wichtige und richtige Punkte an, wir dokumentieren ihren Text hier im Wortlaut.
Amira Mohamed Ali hat die Erklärung auf Facebook veröffentlicht (Link, siehe unten), hier folgt der ganze Text:
„Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren.
Diese Entscheidung hat politische Gründe.
Es ist auch Aufgabe einer Fraktionsvorsitzenden, den Kurs der Partei, allen voran der Parteiführung, in der Öffentlichkeit zu stützen und zu vertreten. Diese Aufgabe fiel mir zunehmend schwer und ist mir mittlerweile unmöglich geworden.
In der Parteiführung und unter einer Mehrheit von Funktionären hat sich ein Kurs durchgesetzt, der meinen politischen Überzeugungen an vielen Stellen deutlich widerspricht und der die Linke zunehmend in die politische Bedeutungslosigkeit treibt. So beschränkt sich zum Beispiel die Kritik an der Ampelregierung weitgehend auf die Forderung nach einem etwas stärkeren sozialen Ausgleich für die Missstände, die durch die Politik der Ampelregierung und ihrer Vorgänger ausgelöst oder verschärft wurden. Es wird bewusst kein klares und grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelkoalition formuliert, der den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und damit massiv Wohlstand und Arbeitsplätze bedroht, der nichts tut gegen Kinderarmut, gegen Löhne, die zum Leben nicht reichen, gegen Armutsrenten.
Die Ampelkoalition betreibt eine Klimapolitik, die nicht den Klimawandel bekämpft, sondern vor allem das Alltagsleben vieler Menschen noch schwieriger und teurer macht, die soziale Ungleichheit fördert. Das halte ich für vollkommen inakzeptabel. Ebenso fehlt es an einem klaren Ja zu konsequenter Friedenspolitik, zu Diplomatie und internationaler Solidarität. Besonders deutlich wurde das, als der Parteivorstand sich im Februar weigerte, zur Teilnahme an einer der größten Friedensdemonstrationen der letzten Jahre aufzurufen. Eine konsequente Friedenspolitik ist aber eine der wichtigsten Aufgaben der Linken und Teil unserer historischen Tradition.
Mit dem Kurs der Parteiführung sollen in erster Linie enttäuschte Grünen-Wähler gewonnen werden. Dies gelingt nicht und es gelingt so erst recht nicht, die Menschen zu erreichen, für die eine linke Partei vor allem Politik machen sollte. Dies sind auch viele der Menschen, die von der Politik so enttäuscht sind, dass sie gar nicht mehr zu Wahlen gehen. So gelingt es auch nicht, die AfD-Wähler zu erreichen, die noch zurückgewinnbar sind. Aber beides wäre im Sinne der Demokratie bitter nötig.
Den letzten Ausschlag für meine Entscheidung hat der einstimmige Beschluss des Parteivorstandes vom 10. Juni 2023 gegeben und der Umstand, dass sich die große Mehrheit der Landesvorstände diesen Beschluss zu eigen gemacht hat. Darin wird gesagt, Sahra Wagenknecht habe in der Linken keine Zukunft mehr und solle zusammen mit anderen Abgeordneten ihr Mandat niederlegen. Dies zeigt in bis dahin noch nicht gekannter Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen. Es ist der Teil, der deutliche Kritik am Kurs der Parteiführung äußert. Dies entspricht nicht meinem Verständnis von Pluralität und Solidarität. Auch dies sind eigentlich Grundwerte der Linken. Außerdem offenbart diese Entscheidung ein Demokratieverständnis, das ich nicht teile. Gewählte Abgeordnete sind ausschließlich Ihrem Gewissen verpflichtet. So sagt es unser Grundgesetz und das ist gut so.
Ich werde mich im Bundestag weiterhin für die Ziele und Überzeugungen einsetzen, die meine politische Arbeit bisher getragen haben.
Ich danke meinem Mitvorsitzenden, Dietmar Bartsch, für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, sowie allen anderen, die mich in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzende unterstützt haben von Herzen und wünsche dem neuen Fraktionsvorstand alles Gute.“
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08.08.2023
Die faulen Wurzeln von Israels chronischer Verfassungskrise
aus e-mail von Ingrid Rumpf, 8. August 2023, 10:36 Uhr
Weitergeleitete Nachricht:
*Die faulen Wurzeln von Israels chronischer Verfassungskrise*
(David Ben-Gurion verliest 1948 in Tel Aviv die Unabhängigkeitserklärung
Israels).
B. Michael
Haaretz, Aug 8, 2023 1:33 am IDT
Da ich meinen Morgenkaffee noch nicht getrunken habe, könnte dies ein
wenig unhöflich klingen: Israels Grundgesetze, und zwar alle, sind
völliger Unsinn. Sie wurden durch eine List erdacht, unaufrichtig
geboren; einige sind ein Ärgernis, andere eine Katastrophe.
Ihre Genese mag bekannt sein, aber man muss sie trotzdem wiederholen,
und sei es nur, um sich gegen den Unsinn zu wehren, den Benjamin
Netanjahus Papageienchor hartnäckig verkündet.
Und so war es auch: In der Resolution 181 der UN-Generalversammlung vom
29. November 1947, mit der (auch) der Staat Israel gegründet wurde,
wurde festgelegt, dass der Staat eine demokratische Verfassung erlassen
muss, in der die Menschenrechte, der Gleichheitsgrundsatz, die Rechte
von Minderheiten, die Religionsfreiheit und die Freiheit von der
Religion neben vielen anderen beneidenswerten Köstlichkeiten garantiert
sind. Das Gremium, das diese großartige Verfassung beschließen wird,
heißt Verfassungsgebende Versammlung und wird in demokratischen Wahlen
gewählt.
In seiner Unabhängigkeitserklärung verpflichtete sich Israel
tatsächlich, eine demokratische Verfassung auszuarbeiten, und setzte
sogar eine Frist für deren Verabschiedung fest: "nicht später als am 1.
Oktober 1948". Aber die verfassungsgebende Versammlung wurde erst Ende
Januar 1949 gewählt. Keine große Sache. Nur eine kleine Verzögerung. Sie
dauert bis heute an.
Israel wollte keine Verfassung. Vor allem David Ben-Gurion wollte sie
nicht. Gleichheit? Menschenrechte? Rechte für Minderheiten? Freiheit von
Religion? Das ist alles, was wir brauchen. Also zog er es vor, die
religiösen Parteien in seine Regierung zu holen und nicht die
demokratisch-sozialistische Mapam-Partei, die ihm ein wenig Angst
machte. Der Trick hat funktioniert.
Es war offensichtlich, dass es unmöglich war, mit den religiösen
Parteien eine demokratische Verfassung zu verabschieden. Und so
verabschiedete die verfassungsgebende Versammlung am 16. Februar, etwa
drei Wochen nach ihrer Wahl, ein Gesetz, mit dem sie sich selbst
auflöste und zur ersten Knesset wurde. So viel zur Ausarbeitung einer
Verfassung.
Aber die Nicht-Juden in den Vereinten Nationen verlangten eine
Verfassung. Das steht ja auch in ihrer Resolution. Und so wurde die
Kombina, das Strategem, geboren. Die Aufgabe wurde von Yizhar Harari,
einem damaligen Gesetzgeber, übernommen. Er schlug eine "Verfassung in
Raten" vor. Das heißt, die Knesset wird keine Verfassung verabschieden,
sondern im Laufe der Zeit eine Reihe von "Supergesetzen" erlassen, von
denen jedes ein Kapitel in einer Verfassung darstellt, die langsam
Gestalt annimmt. Sehr langsam. Und so entstand dieses seltsame
Mischwesen, das als Grundgesetz bekannt ist.
Warum Mischwesen und warum seltsam? Weil eine Verfassung die Macht des
Gesetzgebers begrenzen soll. Die Aufgabe, eine Verfassung auszuarbeiten,
denjenigen anzuvertrauen, deren Macht sie begrenzen soll, klingt nicht
nach einer besonders klugen Idee, oder?
Und um ganz sicher zu gehen, dass eine Verfassung niemals verabschiedet
wird, hat der Gesetzgeber darauf geachtet, die "Verfassungskapitel", die
er selbst verabschiedet hat, nicht zu schützen, mit Ausnahme einiger
weniger Grundgesetze, die eine Art Schutz für ihn selbst enthalten. Fast
alle Grundgesetze können mit einer Mehrheit von zwei Gesetzgebern gegen
einen Gesetzgeber aufgehoben, geändert, geschwächt, verdreht und
zerstört werden. Oder einer, in einer leeren Kammer. Und um das Ganze
abzurunden, wurde auch jede Spur von Verfassungsrang aus der
Unabhängigkeitserklärung entfernt.
Auf diese Weise wurde die Verfassung ein für alle Mal zu Grabe getragen.
Neben ihr liegen die Menschenrechte, die Gleichheitsgesetze, die Gesetze
gegen Kriegsverbrechen, das Gesetz gegen religiösen Zwang und allerlei
andere schädliche demokratische Torheiten.
Übrigens: Seit sie die "schleichende Verfassung" erfunden hat, trägt die
Knesset zwei Hüte, den der "verfassungsgebenden Versammlung" und den der
"Legislative". Ziemlich viel für eine Institution, die kaum einen
einzigen Hut trägt (geschweige denn eine Kippa).
Oh, und zu Ihrer Information für Bibis Papageien: Es gibt kein Gesetz,
keine Verordnung, keinen Erlass oder andere juristische Akrobatik, die
es dem Obersten Gerichtshof verbietet, Grundgesetze zu überprüfen
und/oder zu kippen. Und die Zeit ist sicherlich reif dafür, dies zu tun.
Dieser 1950 geborene "verfassungsmäßige" Kadaver stinkt schon lange nach
Tod.
08.08.2023
Kundgebung für ukrainischen Pazifisten: Für gewaltfreie Verteidigung
taz.de, vom 7. August 2023, 17:04 Uhr
Der Wissenschaftler Yurii Sheliazhenko wird wegen Rechtfertigung der russischen Aggression angeklagt. Unterstützer demonstrieren in Berlin.
Kanonen unbrauchbar machen Foto: dpa (Bild v. Panzerkanone mit Guerilla Knitting)
BERLIN taz | Mit einer Schalmei eröffnete Lothar Eberhardt die Kundgebung am Montagvormittag vor der ukrainischen Botschaft in Berlin. Der langjährige Friedensaktivist und Pazifist ist seit Jahren aktiv in der Initiative „Freiheit für Ruslan Kotsaba“. Der christliche Pazifist war wegen seiner Weigerung, mit Waffen zu kämpfen, schon vor dem russischen Einmarsch von der ukrainischen Justiz angeklagt worden und lebt mittlerweile im Ausland. Am Montag setzten sich Eberhardt und seine Gruppe für den in Kiew lebenden Wissenschaftler Yurii Sheliazhenko ein.
Am 3. August 2023 durchsuchten Angehörige des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes die Wohnung des Geschäftsführers der kleinen Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, beschlagnahmten Computer und Telefone. Zudem wurde Sheliazhenko mitgeteilt, dass er wegen Rechtfertigung der russischen Aggression angeklagt wird. Für die kleine Gruppe von Pazifist*innen, die sich vor der Botschaft versammelt hat, ist dieser Anklagepunkt besonders empörend. „Pazifismus ist kein Verbrechen“ lautete eine der Parolen, die skandiert wurde.
In mehreren Redebeiträgen wurde betont, dass man sich gegen alle Kriege wende und als Pazifist*innen nicht bereit sei, mit der Waffe zu kämpfen. Eine junge Ukrainerin nahm eines der Flugblätter entgegen, betonte aber, dass sie für die Selbstverteidigung ihres Landes sei. Von den Teilnehmer:innen der Kundgebung hieß es dagegen in Reaktion darauf, dass das auch das Anliegen von Yurii Sheliazhenko sei. Dieser setze sich seit Jahren mit der Theorie und Praxis gewaltfreier Verteidigung auseinander. „Pazifismus heißt eben nicht, wehrlos zu sein“, so einer der Demonstranten.
In den Reden wurde der ukrainische Pazifist immer wieder mit seinem Vornamen Yurii genannt. „Das liegt auch daran, dass wir ihn hier in Berlin schon lange kennen, obwohl wir uns noch nie begegnet sind“, sagte einer der Pazifisten. Mitte Mai war Yurii Sheliazhenko bei einer Veranstaltung in Berlin aus Kiew zugeschaltet, auf der zum Tag der Kriegs- und Militärdienstverweigerer Pazifist*innen aus Russland, Belorussland und der Ukraine diskutierten. Sheliazhenko kann wie alle Männer im wehrfähigen Alter nicht aus der Ukraine ausreisen.
Adbusting-Aktion
„Asyl für Kriegsdienstverweigerer*innen jetzt“ stand auch auf zahlreichen Plakaten, die am Wochenende in Berlin zu sehen waren. Es war eine Adbusting-Aktion, bei der herkömmliche Werbeplakate für die neue Botschaft umgestaltet wurden. Die verantwortliche Kommunikationsguerilla-Gruppe fordert, dass Kriegsdienstverweigerer*innen aus Russland, der Ukraine und Belarus einfacher Asyl bekommen.
„Die meisten Werbemotive sind derart platt, dass man sie sich einfach mit einer anderen Forderung wie der nach Asyl aneignen kann“, so ein Sprecher der Aktionsgruppe. Außerdem findet sich auf allen Plakaten ein Link und ein QR-Code, der zur Homepage der Kriegsdienstverweigerungsorganisation Connection e. V. führt.
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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
08.08.2023
Die andere Staatsräson Die Bundesrepublik macht sich für die Verfolgung von Kriegsverbrechen in aller Welt stark – während sie jahrzehntelang für Strafbefreiung für deutsche Kriegsverbrecher im Ausland kämpfte.
german-foreign-policy.com, 8. August 2023
BONN/BERLIN (Eigener Bericht) – Während die Bundesrepublik sich als Vorkämpferin gegen Kriegsverbrechen in aller Welt inszeniert, hat sie sich jahrzehntelang für Strafbefreiung für deutsche Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg stark gemacht. Dies belegen geschichtswissenschaftliche Untersuchungen im Detail. Erst vor wenigen Tagen ist in Bremen ein Syrer festgenommen worden, dem vorgeworfen wird, als Anführer einer Miliz Menschen gefoltert und misshandelt zu haben. Berlin dringt zudem darauf, angebliche oder tatsächliche russische Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg strafrechtlich zu ahnden. Ganz im Gegensatz dazu setzten sich sämtliche Regierungen der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1989 konsequent für die Freilassung deutscher Kriegs- und anderer NS-Verbrecher im westlichen Ausland ein. Der Historiker Felix Bohr zeichnet dies in seinem Buch „Die Kriegsverbrecherlobby: Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter“ am Beispiel deutscher Kriegsverbrecher in Italien und in den Niederlanden nach. Der staatliche Einsatz für Kriegs- und NS-Verbrecher wurde demnach von allen größeren Parteien im Deutschen Bundestag mitgetragen und gehörte „bis 1989 zur bundesdeutschen Staatsräson“.
Zitat: Kirchliche Vertretung
Nach der Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 zerschlugen die Alliierten die deutschen Staatsstrukturen. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa übernahmen daraufhin zunächst „Bischöfe und Pfarrer [...] quasistaatliche Hilfsfunktionen“.[1] In diesem Rahmen bemühten sie sich unter anderem darum, die wegen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit verurteilten Deutschen in Ost- und Westeuropa sowie in den verschiedenen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs zu betreuen. Nach den beispiellosen Verbrechen des deutschen Faschismus hatten die Siegermächte rund 97.000 Deutsche und Österreicher verurteilt.[2]
„Klosterlinie“
Sowohl evangelische als auch katholische Geistliche setzten sich ab Kriegsende für gesuchte und verurteilte Kriegsverbrecher ein. Auf katholischer Seite am bekanntesten dürfte die „Rattenlinie“ oder „Klosterlinie“ sein. Über sie konnten NS-Kriegsverbrecher aus Deutschland über Italien nach Lateinamerika ausreisen. Vatikanische Stellen halfen dabei; auch der US-Armeegeheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC) wusste zumindest teilweise Bescheid. So beispielsweise geschehen im Falle von Klaus Barbie, dem so genannten „Schlächter von Lyon“.[3] Der Vatikan unter Papst Pius XII. (im Amt von 1939 bis 1958) hatte das Versailler Staatensystem abgelehnt, kroatische Klerikalfaschisten unterstützt und stand Nazideutschland im Verlauf des Zweiten Weltkriegs sehr nahe, auch wenn der Vatikan offiziell Neutralität wahrte.[4] Beide großen westdeutschen Kirchen setzten sich über Jahrzehnte für die Freilassung deutscher Kriegs- und anderer NS-Verbrecher ein.[5]
Ende der Aufklärungen
Von November 1945 bis zum Oktober 1946 fanden die Prozesse des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals statt. Ankläger der vier Siegermächte in Europa (Frankreich, Großbritannien, USA, Sowjetunion) prozessierten dabei gegen 22 führende Vertreter des NS-Regimes, darunter der ehemalige Außenminister Joachim von Ribbentrop, der einstige „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß und Hermann Göring, der zur Nazizeit sowohl Luftwaffenoberbefehlshaber als auch Wirtschaftsminister gewesen war. Nach dem Ende der Nürnberger Prozesse sank die Motivation seitens führender Vertreter der westlichen Besatzungsbehörden, deutsche Verbrecher zu verfolgen. Ab dem Jahr 1947 lieferten die US-Besatzungsbehörden in Deutschland keine deutschen Täter aus ihrer Besatzungszone nach Italien aus; ein Jahr darauf schlossen sich die britischen Besatzungsbehörden dem an.[6]
Verurteilt in Italien
In Italien wiederum, bis 1943 ein faschistischer Verbündeter Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und danach für zwei Jahre faktisch zweigeteilt zwischen den Alliierten und den Achsenmächten, dauerten die Verurteilungen deutscher Kriegs- und NS-Verbrecher an. 1948 verurteilte ein Militärgericht Herbert Kappler zu lebenslanger Haft. Beim Massaker in den Ardeatinischen Höhlen hatten am 24. März 1944 deutsche Soldaten insgesamt 335 italienische Zivilisten, davon 75 jüdische Geiseln, erschossen. Das Kriegsverbrechen organisierte Kappler, der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS (SD) in Rom. Die Ardeatinischen Höhlen gelten bis in die Gegenwart als „der Symbolort für deutsche Kriegsverbrechen in Italien“ schlechthin. Jedes Jahr legt der italienische Staatspräsident dort einen Kranz nieder.[7]
Verurteilt in den Niederlanden
Neben Kappler stehen im Zentrum von Bohrs Buch die in den Niederlanden verurteilten NS-Verbrecher der „Vier von Breda“. Bei diesen handelte es sich um Willy Lages (Leiter des Sicherheitsdienstes in Amsterdam und somit Vorgesetzter des Leiters der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Amsterdam), Jupp Kotalla (Leiter der Verwaltung im Kamp Amersfoort), Ferdinand aus der Fünten (Leiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Amsterdam) und den vormaligen SS-Sturmscharführer Franz Fischer. Alle waren maßgeblich an der Deportation niederländischer Juden beteiligt. Lages, Fischer und aus der Fünten waren für mehr Opfer verantwortlich als die meisten anderen deutschen NS- und Kriegsverbrecher in den Niederlanden.[8]
„Rechtsschutz“ in der Bundesrepublik
Im Dezember 1949, also ein halbes Jahr nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, stimmte der Bundestag einstimmig für die Einrichtung einer „Zentralen Rechtsschutzstelle“ (ZRS). Leiter der ZRS wurde der Jurist Hans Gawlik, der in Nürnberg als Verteidiger des SDs gearbeitet hatte.[9] Gawlik nutzte sein Amt, um 800 deutsche NS-Täter davor zu warnen, nach Frankreich auszureisen, da sie dort in Abwesenheit verurteilt waren und ihnen Haftstrafen drohten.[10] Binnen kürzester Zeit setzte sich im westdeutschen Regierungsapparat der Begriff „Kriegsverurteilte“ durch, der die Kriegs- und anderen NS-Verbrecher darauf reduzierte, dass sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den befreiten Ländern verurteilt wurden; ihre Kriegsverbrechen und ihr Beitrag zum Holocaust wurden mit dem Begriff heruntergespielt.
Gemeinsame Blockbildung
Die Blockbildung im Zuge der Systemkonfrontation verkomplizierte für die Bonner Regierung das Auftreten gegenüber Italien und den Niederlanden. Beide Staaten gehörten ab 1949 zur NATO, der 1955 auch die Bundesrepublik beitrat. Die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer und die italienische Regierung unter dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi einigten sich 1950 darauf, die Westintegration und die Wiederbewaffnung des jeweils anderen Staates zu unterstützen. Darüber hinaus verkürzte die italienische Regierung die Haftzeit vieler deutscher Kriegs- und NS-Verbrecher. Ab 1951 war nur noch Kappler in Haft; vor allem italienische Partisanenverbände und die jüdische Gemeinde des Landes stemmten sich vehement gegen seine Freilassung.[11]
Hilfsorganisationen
In der Bundesrepublik entstand eine Szene von Organisationen, die sich für die Freilassung der verurteilen Kriegs- und NS-Verbrecher einsetzte. Der bedeutendste Verband war der „Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands“ (VdH). Im Jahr 1959 hielt der VdH seinen Bundeskonvent in Köln-Deutz ab. Die Eröffnungsrede hielt Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) vor rund 11.000 Zuhörern.[12] Neben dem VdH gab es auch noch die „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“, als deren Ehrenpräsident der Arzt, Theologe und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer fungierte. Die „Stille Hilfe“ diente vor allem als Sammelbecken für ehemalige hochrangige SS-Männer.[13] In der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (Hiag) wiederum sammelten sich ausschließlich „Veteranen der Waffen-SS“.[14]
Faschistische Unterstützer vor Ort
Nicht nur aus der Bundesrepublik, sondern auch aus den einst von Deutschland besetzten Ländern gab es Unterstützung für verurteilte Kriegsverbrecher. Im Februar 1956 rief Pino Romualdi, einer der frühen führenden Köpfe des faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), den damaligen Ministerpräsidenten De Gasperi auf, die letzten „kriegsgefangenen deutschen Soldaten“, womit Romualdi sowohl Kappler als auch den ebenso verurteilten Österreicher Walter Reder meinte, freizulassen.[15] An einem Kongress der „Stillen Hilfe“ in München im Jahr 1955 nahm unter anderem eine Angehörige eines ehemaligen Kollaborateurs und Mitglieds der niederländischen National-Socialistische Beweging teil und beschwerte sich über angebliches „Unrecht“, das die verurteilten NS-Verbrecher in Breda vermeintlich erlitten.[16]
Flucht aus Breda
Im Dezember 1952 gelang sieben verurteilten vormaligen niederländischen SS-Männern die Flucht aus dem Gefängnis Breda in die BRD. Die westdeutschen Behörden ließen sich ein Jahr Zeit, um sechs der sieben Flüchtigen zu finden. Die Alliierten konnten nur durchsetzen, dass einer der sechs wieder zurück in die Niederlande überstellt wurde. Die übrigen fünf erhielten kurzerhand die bundesdeutsche Staatsbürgerschaft. Rechtsgrundlage dafür war ein „Führererlass“ Adolf Hitlers aus dem Jahr 1943, der SS-Männern die deutsche Staatsbürgerschaft zusicherte. Erich Mende, damals Mitglied des FDP-Bundesvorstandes und späterer Vizekanzler der Bundesrepublik, empfing einen der vormaligen SS-Männer im Bundeshaus in Bonn, in dem damals die Plenarsitzungen des Bundestages und des Bundesrates stattfanden.[17]
Die Letzten
Die so genannten „Vier von Breda“ waren in den Niederlanden zunächst zum Tode verurteilt worden. Außer ihnen amnestierten die Regierungen der Niederlande bis 1960 alle deutschen Kriegs- und NS-Verbrecher.[18] Im Verlauf des Jahres 1962 entließen die Behörden in Belgien und Frankreich sämtliche dort noch inhaftierten deutschen NS-Verbrecher, womit die „Vier von Breda“ und Kappler die letzten noch in westeuropäischen Gefängnissen einsitzenden deutschen Kriegs- und NS-Verbrecher waren.[19]
Überparteilichkeit
Neben Politikern von CDU, CSU, FDP und den in der Frühphase der Bundesrepublik noch im Bundestag vertretenen kleineren rechten Parteien GB/BHE (Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) und DP (Deutsche Partei) engagierten sich auch SPD-Mitglieder für die Freilassung von deutschen Kriegs- und NS-Verbrechern. 1963 erklärte der Westberliner Bürgermeister Willy Brandt in einem Schreiben an Manfred Klaiber, den Botschafter der BRD in Italien, er wolle in der „Angelegenheit“ der Freilassung Kapplers seine „guten Dienste“ anbieten.[20] Auch Helmut Schmidt, sein Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers, setzte die bisherige Politik fort. Bereits 1953 hatte der Hamburger SPD-Politiker in einer Rede vor dem Hamburger Hiag-Verband erklärt, er habe „immer das Gefühl besonderer Zuversicht“ gehabt, wenn im Zweiten Weltkrieg die Waffen-SS in der Nähe gewesen sei.[21] Als Kanzler setzte Schmidt auf eine „Eskalation in der Kriegsverbrecherfrage“, wie es Bohr formuliert.[22]
Flucht, Tod und Entlassung
Von den fünf NS-Verbrechern, die in Bohrs Untersuchung im Fokus stehen, wurde Willy Lages als erster im Jahr 1966 „aus humanitären Gründen“ entlassen und unmittelbar darauf in die Bundesrepublik abgeschoben. 1977 flüchtete Herbert Kappler aus dem zentralen Militärkrankenhaus der italienischen Streitkräfte in Rom.[23] Die westdeutschen Medien berichteten darüber wohlwollend; in seiner Heimatstadt Soltau erhielt Kappler einen feierlichen Empfang, die Regierung von Kanzler Schmidt schwieg in der Öffentlichkeit dazu.[24] Zwei Jahre nach Kapplers Flucht starb Jupp Kotalla in Breda in Haft. Franz Fischer und Ferdinand aus der Fünten blieben bis zum Januar 1989 inhaftiert und wurden dann freigelassen. Bundespräsident Richard von Weizsäcker dankte daraufhin dem niederländischen Parlament für die Begnadigung.[25] Fischer und Kotalla starben beide noch im Verlauf des Jahres 1989.
[1] Günter Baadte: Grundfragen der politischen und gesellschaftlichen Neuordnung in den Hirtenbriefen der deutschen Bischöfe 1945–1949, in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften, Jg. 27 (1986), Nr. 95–113 (hier: S. 96).
[2] Felix Bohr: Die Kriegsverbrecherlobby: Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter, Berlin 2018, S. 59.
[11] Felix Bohr: Ermittlung nicht erwünscht – Das geplante „Restverfahren“ im Fall Herbert Kappler: Ein Zeugnis deutscher und italienischer Vergangenheitspolitik (1959–1961), europa.clio-online.de 2012.
[12] Bohr: Die Kriegsverbrecherlobby, S. 123.
[13] Ebenda, S. 127–129.
[14] Ebenda, S. 132.
[15] Ebenda, S. 103.
[16] Ebenda, S. 132.
[17] Ebenda, S. 111.
[18] Ebenda, S. 57.
[19] Ebenda, S. 144.
[20] Ebenda, S. 156.
[21] Ebenda, S. 133.
[22] Ebenda, S. 272–283 (Zitat aus S. 272).
[23] Felix Nikolaus Bohr: Flucht aus Rom – Das spektakuläre Ende des „Falles Kappler“ im August 1977, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 60 (2012), Nr. 1, S. 111–141.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Rezension: Die Kriegsverbrecherlobby
Felix Bohr untersucht „Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter“.
german-foreign-policy.com, 08. Aug. 2023
Felix Bohr hat seine Dissertation mehr oder weniger chronologisch strukturiert, behandelt aber, der Übersichtlichkeit halber, einzelne Themenkomplexe konzentriert in einzelnen Unterkapiteln.
Im ersten Teil stellt der Autor Herbert Kappler und die „Vier von Breda“ vor und beschreibt ihre Verbrechen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs sowie die Erinnerung an sie in der Nachkriegszeit.
Im zweiten Teil widmet sich Bohr der Entstehung einer Lobby in den westlichen Besatzungszonen und in der frühen Bundesrepublik, die sowohl Repräsentanten der Kirchen, Politiker und diverse spezielle Organisationen einschloss.
Im dritten Teil des Buches wendet sich Bohr dem Übergang von der offenen hin zur eher verdeckten diplomatischen Hilfe der verschiedenen Bundesregierungen bis zum Ende der Großen Koalition im Jahr 1969 zu. Am Ende dieser Phase wurde Willy Lages aus der Haft in Breda entlassen.
Der vierte Teil wiederum thematisiert die Kriegsverbrecherphase in der Zeit der SPD-FDP-Koalitionen von 1969 bis 1982. In diese Phase fallen unter anderem die Flucht Kapplers und der Tod Kotallas in Haft.
Im fünften und finalen Teil stehen die Bemühungen zur Freilassung der übriggebliebenen „Zwei von Breda“ im Fokus.
Für seine Dissertation wertete Bohr unveröffentlichte Akten des Auswärtigen Amtes, des Bundesarchivs, des Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutzes und des Evangelischen Zentralarchivs aus und nutzte verschiedene deutsche Partei- und Privatarchive sowie italienische und niederländische Dokumente. Die Quellenakquise ist für eine Doktorarbeit sehr gut. Basierend auf all diesen Akten, veröffentlichten Quellen und Presseerzeugnissen hat der Autor dieses bis zur Veröffentlichung des Buches nur in Teilen bekannte Kapitel detailgetreu nachgezeichnet. Das Werk beschränkt sich nicht auf die Rechtsgeschichte, sondern stellt die politischen Debatten um die deutschen Kriegs- und NS-Verbrecher in den Kontext der verschiedenen Erinnerungspolitiken Deutschlands, Italiens und der Niederlande sowie in einen Zusammenhang mit den Beziehungen der drei NATO-Länder untereinander. Im Falle Deutschlands geht es in dem Buch hauptsächlich um Westdeutschland, wobei die DDR auch immer wieder eine Rolle spielte. So stieg in der Bonner Republik Ende der 1950er Jahre der Druck, NS-Verbrecher zu verfolgen. Aus Ostdeutschland kam publizistische Unterstützung im Zuge der „Blutrichter-Kampagne“. 1958 nahm dann die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg ihre Arbeit auf.
Teilweise lässt sich Bohrs Umgang mit den Quellen kritisieren. So kann beispielsweise für die Behauptung, der österreichische Bischof Alois Hudal habe Prozessakten von Herbert Kappler „genau“ studiert, kein Selbstzeugnis von Hudal herangezogen werden. Darüber hinaus ist das Buch teilweise äußerst blumig geschrieben – eher untypisch für ein wissenschaftliches Werk, ebenso die Bebilderung der Publikation. Jedoch gleitet Bohr nicht ins Populärwissenschaftliche ab, und die Fotos stören weder den Lesefluss, noch sind es zu viele. Dem Werk ist ein Personen-, aber leider weder ein Orts- noch ein Sachregister angehängt.
Das 2018 im Suhrkamp Verlag erschienene Buch ist – trotz des belastenden Themas – insgesamt recht einfach und flott lesbar. Der Autor, seit 2018 Redakteur im Ressort Deutschland und politischer Korrespondent in Baden-Württemberg des Wochenmagazins Der Spiegel, hat damit die Aufmerksamkeit auf ein immer noch zu wenig erforschtes Thema gelenkt.
Felix Bohr: Die Kriegsverbrecherlobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter, Berlin 2018 (Suhrkamp Verlag), 558 Seiten, 28 Euro (elektronisch 23,99 €). ISBN: 978-3518428405.
Es ist verboten zu töten; deshalb werden Mörder bestraft. Es sei denn, sie töten in grosser Zahl und zum Klang von Trompeten.
Voltaire
Liebe Leserinnen und Leser Ich habe mich wie Alice im Wunderland in den Kaninchenbau begeben. So definiert Kelley Beaucar Vlahos in Responsible Statecraft die Suche nach den Opferzahlen auf beiden Seiten des Krieges in der Ukraine. In jedem Krieg werden die eigenen Verluste herunter- und die gegnerischen hochgespielt. Damit soll die Unterstützung der Kampfhandlungen seitens der eigenen Bevölkerung aufrechterhalten bleiben. Mit diesem Bewusstsein müssen dann auch die entsprechenden Informationen betrachtet werden. So fliesst in westlichen Nachrichten gewöhnlich nur russisches Blut, wenn auch vorwiegend rhetorisch – aber auch das ukrainischer Zivilisten, da man damit Empörung erzeugen kann. Auch eine Google-Suche erbringt in erster Linie Beiträge über russische Opfer. Eine seltene Ausnahme dieser Berichterstattung ist ein Artikel des Wall Street Journal, über den Transition News informierte. Die Zeitung schrieb, dass seit der russischen Invasion 50’000 ukrainische Soldaten ein oder mehrere Gliedmassen verloren hätten. Diese Zahl sei auf dem Niveau des Ersten Weltkriegs. Und sie «könnte höher sein», so das WSJ, da die Registrierung von Patienten viel Zeit in Anspruch nehme. Die ukrainische Regierung halte die genauen Statistiken über die Opfer geheim, «um die Bevölkerung nicht zu demoralisieren», so dass die Berechnung auf Schätzungen von Prothesenfirmen, Ärzten und Wohltätigkeitsorganisationen basiert. Vielleicht durch den WSJ-Beitrag ermutigt, thematisierte die SRF-Tagesschau heute ebenfalls amputierte ukrainische Soldaten (ab Min. 13:42). Wikipedia, das sich fast ausschliesslich auf westliche und ukrainische Quellen beruft, führt 20’000 getötete und 130’000 verwundete ukrainische Streitkräfte an. Bei den russischen sollen es über 74’000 respektive über 243’400 sein. Gemäss dem ukrainischen Verteidigungsministerium wurden bis zum 7. August 250’240 feindliche Soldaten «liquidiert». Die russische Regierung hat allerdings lediglich 6000 Opfer seit Beginn der Invasion zugegeben. Das russische Aussenministerium teilte letzte Woche hingegen mit, dass allein seit der sogenannten ukrainischen Gegenoffensive im Juni und im Juli 43’000 Kämpfer auf Seiten der Ukraine umgebracht oder «neutralisiert» wurden. Dazu gehören auch ausländische Söldner. Die pro-russische Organisation War Tears schätzt die Todesopfer unter den ukrainische Streitkräften auf 240’000. Und Anfang April 2023 erklärte der ehemalige Geheimdienstoffizier des US Marine Corps und UN-Waffeninspektor Scott Ritter, dass laut dem Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte Waleri Saluschni 250’000 ukrainische Soldaten getötet wurden. Etwa 83’000 würden vermisst, von denen etwa 60’000 höchstwahrscheinlich tot seien. Beaucar Vlahos zufolge scheint der republikanische US-Abgeordnete Tom Massie genug von diesem «Wahnsinn» zu haben. So hat er einen Änderungsantrag zum National Defense Authorization Act (NDAA) eingebracht, der uns helfen könnte, aus dem Kaninchenbau herauszufinden. Die Änderung zwingt den Verteidigungsminister nämlich, dem Kongress einen Bericht über den Krieg in der Ukraine vorzulegen, «der Informationen über Opfer, Verwundete und Material- oder Ausrüstungsverluste für beide Seiten des Konflikts enthält». Letztendlich sind das allerdings «nur» Zahlen. Das Leid dahinter bleibt den Medienkonsumenten verborgen. Klar, allzu verstörende Bilder werden zu Recht nicht gezeigt. Doch man sieht auch keine Trauerfeiern, keine weinenden Mütter, selten Verletzte in den Krankenhäusern. Das Dreckige am Krieg versteckt sich meistens hinter verlogenem, glorreichem Pathos über «Werte» und «Demokratie». So erkennen viele nicht, dass jedes Opfer eines zu viel ist. Und dass es höchste Zeit ist, diesem Gemetzel durch Verhandlungen ein Ende zu setzten. Herzlich Konstantin Demeter kd@corona-transition.org
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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Die große Entfesselung: "Wir müssen für alles, was uns gehört, kämpfen".
seniora.org, 07. August 2023, Alastair Crooke August 7, 2023 - übernommen von strategic-culture.org
Das gesamte politische System der USA – mit oder ohne FARA-Anklage und angesichts der bevorstehenden Wahlen 2024 – ist fragil, schreibt Alastair Crooke.
Es wird sehr chaotisch. Am Rande des Wahnsinns. Gegen den ehemaligen Präsidenten Trump wurde eine neue Anklageschrift mit vier Anklagen im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 6. Januar erhoben – ihm werden nun mehr als 75 Straftaten zur Last gelegt. Diese jüngsten Anklagen werden jedoch wahrscheinlich das Vertrauen in die Bundesjustiz und in die Integrität des amerikanischen politischen Systems selbst weiter untergraben. Die Anklageschrift soll im District of Columbia verhandelt werden, der notorisch politisiert ist, und es ist wahrscheinlich, dass die Geschworenen alle feindlich gesinnt sind (in Washington heißt es, dass das Justizministerium mit einer Jury aus Washington sogar einen Burger verurteilen könnte).
Die Anklage gegen Trump, sich verschworen zu haben, die Präsidentschaftswahlen 2020 "stehlen" zu wollen, macht noch deutlicher als bisher, dass das Land auf eine große Abrechnung zusteuert – vor Gericht und an den Wahlurnen. Sie wirft Fragen auf, die unweigerlich zu einer weiteren Auflösung der Politik in den USA führen werden.
Stellen Sie diese beiden "Visionen" der Bedeutung dieser Anklage einander gegenüber. Erstens,
"In der 45-seitigen Anklageschrift wird in einfacher Sprache und mit Bergen von Beweisen erklärt, wie Trump zusammen mit sechs ungenannten Mitverschwörern ein Komplott schmiedete, um wiederholt falsche Behauptungen aufzustellen, die Wahl 2020 sei gestohlen oder manipuliert worden, und diese falschen Behauptungen als Vorwand zu benutzen, um zu versuchen, die Wahl zu stehlen: Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das Verhalten dieser Staatsanwaltschaft einen großen Einfluss darauf haben wird, ob die USA nach 2024 noch eine blühende Demokratie sein werden."
Nun zu einer anderen "Lesart" der Bedeutung der Anklageschrift:
[Die Anklageschrift des Justizministeriums] "ist eine 'Kriegserklärung' an die amerikanischen Wähler. Es geht nicht um Trump an sich. Es geht darum, Andersdenkende zu kriminalisieren und die Millionen zu bestrafen, die für ihn gestimmt haben. [Diese Woche hat das Justizministerium] den beispiellosen Schritt unternommen, den ehemaligen Präsidenten Donald Trump – Bidens Hauptkonkurrent bei den bevorstehenden Wahlen 2024 – anzuklagen, weil er wiederholt seine Meinung geäußert hat, dass die letzte Wahl gestohlen, manipuliert und unfair war.
Diese Meinung wird von Millionen von Amerikanern geteilt, die dank des Ersten Verfassungszusatzes zweifellos ein Recht darauf haben. Das gilt auch für Trump, der wiederholt (und kürzlich) gesagt hat, dass die Wahl 2020 gestohlen wurde. Er wird dies wahrscheinlich bis zu seinem Todestag sagen, und er hat jedes Recht dazu. Die Vorstellung, dass unser Justizministerium jemanden anklagen kann, insbesondere den wichtigsten politischen Rivalen des amtierenden Präsidenten, wegen einer Äußerung, die durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt ist, ist einfach verrückt ... Einfach ausgedrückt, ist diese Anklage nichts anderes als eine Kriegserklärung gegen die amerikanischen Wähler und ihr verfassungsmäßiges Recht auf freie Meinungsäußerung.
Bedenken Sie, was behauptet wird und was nicht: Die Anklage gegen Trump beinhaltet keine 'Aufstachelung zur Gewalt' am 6. Januar 2021. Kritisch: Die Anklageschriftsetzt einfach voraus,dass es keinen Wahlbetrug gegeben hat. Sie bezeichnet dann Trumps gegenteilige Behauptungen vom 14. November 2020 bis zum 20. Januar 2021 als 'falsch' – als ob das selbstverständlich wäre. 'Trumps Behauptungen waren falsch und er wusste, dass sie falsch waren.' Auf dieser Grundlage wird in der Anklageschrift behauptet, dass es sich am 6. Januar um eine 'Verschwörung' handelte, die auf Täuschung beruhte, um die ordnungsgemäße Auszählung der Stimmen der Wähler zu verhindern."
Tom Fitton, Präsident der konservativen Rechts- und Wahlbeobachtungsgruppe Judicial Watch, ist der Meinung:
"Diese Anklage ist eine unverhohlene Drohung und ein Akt der Einschüchterung durch die Demokratische Partei gegen alle ihre politischen Gegner."
Und The Federalist warnt:
"Wenn die Anklage gegen Trump Erfolg hat, bedeutet das, dass der erste Verfassungszusatz in Amerika tot ist. Es bedeutet, dass man keine Meinungen haben darf, die dem offiziellen Narrativ des Justizministeriums widersprechen."
Der Klarheit halber soll hier zum Ausdruck gebracht werden, dass diese Anklage Teil des andauernden westlichen "Kulturkriegs" ist – so wie Wissenschaftler entlassen, aus ihren Berufen entlassen und geächtet wurden, weil sie eine Meinung über die mRNA-Wissenschaft geäußert haben; so wie Ansichten über die Humanbiologie jetzt offiziell negiert werden; so wie "misgendering" zu einer potentiellen Straftat (Hassrede) geworden ist, so wird die ideologische und institutionelle Vereinnahmung auf den politischen Bereich ausgedehnt.
Dies ist eines der Themen, die Amerika entzweien werden – und mit der Entzweigung der USA auch Europa.
Auch das frühere Scheitern des Strafverfahrens gegen Hunter Biden hat viele in Washington schockiert. Jonathan Turley, Professor für Verfassungsrecht in Georgetown, bemerkt dazu ironisch:
"Schließlich ist dies eine Stadt, die weiß, wie man einen Streit schlichten kann [d.h. die weiß, wie man die Ermittlungen des Justizministeriums nach einer angemessenen Prüfung einstellt].
Nach fünf Jahren sollte der Korruptionsskandal um Biden mit einemnichtssagenden Vergleich und ohne Gefängnisstrafeenden. Fast alle waren an der Sache beteiligt, von den Mitgliedern des Kongresses über die Medien bis hin zu den Staatsanwälten. Das Problem war nur, dass eine Sache übersehen wurde: Richterin Maryellen Noreika. Die Anhörung zur Urteilsverkündung war ein Moment, der die Hindenburg-Katastrophe wie eine problemlose Landung aussehen ließ. Noreika stellte eine grundlegende Frage zu den Auswirkungen der Vereinbarung, woraufhin der gesamte Deal sofort in sich zusammenfiel.
Jetzt steckt das Justizministerium in einer Zwickmühle. Es konnte in der Anhörung nicht zugeben, dass Hunter Biden einer künftigen Haftung für eine Reihe nicht angeklagter Straftaten entgehen könnte. Doch wenn ein Angeklagter einen großzügigen Deal ablehnt, werden die Bundesstaatsanwälte in der Regel alle verfügbaren Anklagen verfolgen – und Gefängnisstrafen verhängen. Das Justizministerium könnte nun feststellen, dass es keine andere Wahl hat. Es könnte gezwungen sein, mit einer vollständigen Strafverfolgung fortzufahren.
Eine FARA-Anklage* könnte Hunters mutmaßliche Einflussnahme weiter aufdecken, denn die Ermittler der Republikanischen Partei im Repräsentantenhaus behaupten, dass er Millionen an ausländischen Zahlungen von einer Reihe ausländischer Beamter erhalten hat. Das Justizministerium würde auch unter Druck geraten, die gleiche lange Haftstrafe wie für Manafort anzustreben, der zu 73 Monaten Haft verurteilt wurde.
Joe Biden könnte Hunter präventiv oder prospektiv begnadigen. Dies würde die Ermittlungen der Bundesbehörden beenden, obwohl die Begnadigung die gesamte Bandbreite möglicher Anklagen abdecken müsste. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass die Ermittlungen des Kongresses dann eingestellt würden. Selbst wenn ein solcher Schritt die Forderung nach einer Amtsenthebungsuntersuchung abschwächen würde, würde er die Republikaner wahrscheinlich nicht davon abhalten, Antworten auf die Frage nach der offiziellen Handhabung dieser Untersuchung und den Vorwürfen der politischen Einmischung zu suchen."
Der Punkt ist, dass das gesamte politische System der USA – mit oder ohne eine FARA-Anklage und mit den bevorstehenden Wahlen im Jahr 2024 – fragil ist und die politische Zukunft der USA ernsthaft gefährdet ist.
Unabhängig davon sind Vater und Sohn Biden durch die Vorwürfe der Einflussnahme unweigerlich mit dem "Projekt Ukraine" verbunden. Die Ukraine-Politik wird zunehmend von Bidens politischer Zukunft abhängen, wie auch immer diese aussehen mag.
Die Republikaner werden ihre Untersuchungen im Kongress nicht aufgeben. Und in dem Maße, in dem Präsident Biden den "Erfolg" seines "Krieges gegen Russland" und die Ukraine hochjubelt, werden seine Gegner das Schreckgespenst der Einflussnahme in der Ukraine an die Wand malen und die Frage stellen, welchen Einfluss Zelensky auf die USA haben könnte, wenn überhaupt.
Trump verbindet bereits den Russiagate-Schwindel der Einmischung in die Wahlen von 2016 mit dem heutigen Stellvertreterkrieg gegen Russland – "zum Teil angeheizt durch die nachklingenden Dämpfe des Russiagate-Wahns". Je mehr das Team Biden die Ukraine außenpolitisch in den Mittelpunkt rückt, desto mehr Spielraum haben seine Gegner, die Wähler an Russiagate und die Burisma-Vorwürfe zu erinnern.
Dies könnte für einen frühzeitigen Rückzug aus der Ukraine sprechen, oder im Gegensatz dazu für die Clinton-Strategie wie bei "Implosion des Lewinski-Skandals" – Krieg gegen Serbien.
Die Reaktion gegen die "Politik der Verneinung" (wie Chris Rufo sie in seinem Buch "America’s Cultural Revolution" nennt), oder, wie man heute sagt, die Annullierung, ist auch in Europa angekommen. Im Vereinigten Königreich hat der Skandal, der dadurch entstand, dass die Bankenwelt Nigel Farage (den ehemaligen Vorsitzenden einer Pro-Brexit-Partei) wegen seiner politischen Ansichten auf eine schwarze Liste gesetzt hat, die bisher unbekannte Tatsache aufgedeckt, dass mehr als 1.400 Unternehmen Mitglied eines "Diversity"-Programms der Unternehmenslobby sind – eines Programms, das darauf besteht, dass die Unternehmensmitglieder gegen "alle Formen der Unterdrückung" eintreten und "rassistische Systeme, Politiken, Praktiken und Ideologien abbauen" und sich an den Interessen der "breiteren Gesellschaft" orientieren.
Farages Bank wurde für das System akkreditiert. Die Bank berief sich auf ihre B Corp-Mitgliedschaft, um zu behaupten, dass der Brexit-Befürworter Farage nicht mit der "Diversity-Verpflichtung" der Bank oder der "breiteren Gesellschaft" übereinstimmt, was ein Grund für die Schließung seines Kontos war.
Hinter den Kulissen, so stellt sich heraus, gibt es also die B Corp, die Diversity Correctness verfolgt, und Stonewall (die LBGTQ-Wohltätigkeitsorganisation), die die Beschäftigungsrichtlinien im Vereinigten Königreich überwacht. Ohne ein Bankkonto (da alle anderen Banken sich der schwarzen Liste angeschlossen haben) wäre Farage aus der Gesellschaft "gestrichen" worden.
Rufo weist in seinem Buch darauf hin, dass ein politisches Programm, das auf "Negation" beruht, kein positives Programm anbieten kann, das nicht schnell seiner eigenen Politik der Kritik zum Opfer fällt (wie der Fall Farage zeigt). Das Ergebnis, so Rufo, sei keine Utopie, sondern eine Ernte des "Scheiterns, der Erschöpfung, des Ressentiments und der Verzweiflung sowie einer sich ausbreitenden Klasse mürrischer Bürokraten, die sich um Symbole und Ephemera streiten".
Wie Naoïse MacSweeney in The West schreibt, scheint es, dass der "Ursprungsmythos des Westens als große Erzählung, die die Geschichte als einen einzigen, ununterbrochenen Faden von Platon bis zur NATO konstruiert", inzwischen weltweit als faktisch falsch und ideologisch motiviert angesehen wird.
Sie fragt: "Wohin geht der Westen von hier aus? Es gibt einige, die wollen, dass wir zurückgehen." Die meisten Menschen, so argumentiert sie, wollen jedoch nicht länger einen Ursprungsmythos, der entweder zur Unterstützung der Rassenunterdrückung oder der imperialen Hegemonie dient. Sie postuliert, dass das ursprüngliche Narrativ des "Westens" durch ein entterritorialisiertes, strukturell fließendes westliches Narrativ ersetzt wird, in dessen Mittelpunkt Toleranz, Rechte für Minderheiten, Vielfalt, Gender-Fluidität und "Demokratie" stehen.
Das Problem ist jedoch, dass das neue "große Narrativ" ebenso faktisch falsch und ideologisch motiviert ist wie der Mythos "von Platon zur NATO". Es handelt sich um die Ersetzung eines fehlerhaften repressiven Narrativs durch ein anderes.
Kurz gesagt, wenn der traditionelle westliche Mythos "gefallen" ist wie die antike Stadt Troja (in dieser Analogie), dann sind die Eindringlinge der Tradition (Troja) jetzt innerhalb der Stadtmauern – sie brennen und plündern.
Rufos Buch beschreibt die moderne Geschichte des Linksradikalismus von den Sechzigerjahren bis zu Black Lives Matter, wie Mary Harrington berichtet; Rufo versucht jedoch eher, eine umfassendere Darstellung der politischen Herausforderung zu bieten:
"Der Bogen des Buches beschreibt, wie sich die verhassten Sieger in Amerikas Institutionen eingeschmuggelt haben, versteckt in [einem trojanischen] 'hölzernen Pferd' der Bürgerrechte, nur um dann auszubrechen – in dem Versuch, die Gründungsideale zu zerstören, die ihnen den Zutritt gewährten."
America’s Cultural Revolution ist ein Schuss vor den Bug. Die Zitadelle mag gefallen sein, die Tempel geplündert. Aber Rufo fordert heraus: "Wir sind jetzt die Belagerer. Jetzt seid ihr an der Reihe und müsst versuchen, die Mauern zu halten."
America’s Cultural Revolution liest sich dennoch wie ein Dreh- und Angelpunkt im amerikanischen politischen Diskurs: Wissen Sie, wie viel Uhr es ist? (Es ist elf Minuten nach der elften Stunde).
Viktor Orbán spricht einen anderen Dreh- und Angelpunkt an, indem er Rufos Aufruf zur "Konterrevolution" aufgreift:
"Wenn man wie ich in die europäische Politik involviert ist, dann bedeuten die heutigen 'westlichen Werte' drei Dinge: Migration, LGBT und Krieg ... Sie managen den Bevölkerungsaustausch durch Migration, und sie führen eine LGBT-Offensive gegen familienfreundliche europäische Nationen.
... die Migrationskrise kann eindeutig nicht auf einer liberalen Basis bewältigt werden. Und dann haben wir eine LGBT-Gender-Offensive, die, wie sich herausstellt, nur auf der Grundlage des Gemeinschafts- und Kinderschutzes abgewehrt werden kann.
Europa hat heute seine eigene politische Klasse geschaffen, die nicht mehr rechenschaftspflichtig ist und keine christlichen oder demokratischen Überzeugungen mehr hat. Und wir müssen sagen, dass das föderalistische Regieren in Europa zu einem zügellosen Imperium geführt hat. Wir haben keine andere Wahl. Bei aller Liebe zu Europa, bei allem, was uns gehört – wir müssen kämpfen."
_____________________
* Anmerkung des Übersetzers: "FARA" steht für das Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten (Foreign Agents Registration Act), ein US-amerikanisches Gesetz, das von Einzelpersonen und Organisationen, die als Agenten ausländischer Auftraggeber tätig sind, verlangt, ihre Beziehungen und Aktivitäten gegenüber dem US-Justizministerium (DOJ) offenzulegen. Das Gesetz soll die Transparenz fördern und sicherstellen, dass die US-Regierung und ihre Bürger über ausländische Einflussnahme oder Lobbying-Bemühungen im Lande informiert sind. Die Nichtregistrierung gemäß FARA oder die Angabe falscher oder irreführender Informationen in den Registrierungsunterlagen kann zu strafrechtlichen Anklagen führen. Personen oder Einrichtungen, die sich eines Verstoßes gegen das FARA schuldig machen, können mit Geld- oder Haftstrafen oder beidem belegt werden.
Alastair CROOKE Ehemaliger britischer Diplomat, Gründer und Direktor des Conflicts Forum in Beirut.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
SPD-Chefin Esken: "Ich halte das für ein Tal der Chancen"
freedert.online, vom 6 Aug. 2023 18:01 Uhr, Von Dagmar Henn
Nun, die Altvorderen, glaubte man lang, malten Bilder von jagdbarem Wild auf Höhlenwände, um mehr Erfolg bei der Jagd zu haben. Nachdem die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft gegen die Wand gefahren hat, kommt Frau Esken mit der Lösung: positiv denken.
Was hatten wir nicht schon alles ... eine "gefühlte Rezession", Betriebe, die nicht insolvent sind, sondern nur eine Pause machen, während eigentlich die Erfolge der "Transformation" ins klimaschonende Nirwana nur ein wenig auf sich warten lassen. Für diese Perlen zeichnete meist das Haus Habeck verantwortlich. Aber nun gibt es eine neue Variante. Die Gesundbeterin, oder, wenn man es freundlicher formulieren will, die Wirtschaftspsychotherapeutin namens Saskia Esken.
Die SPD-Vorsitzende konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ein paar tröstende Worte in die laufende Deindustrialisierung zu werfen. So solle man sich "nicht in Depression hineinreden lassen". Solange man nur so tut, als sei der Betrieb nicht dicht, ist demnach alles gut, und auch die Verluste, die beispielsweise bei der Automobil- und Chemieindustrie zu verzeichnen sind, muss man vermutlich nur mit der richtigen Einstellung betrachten.
"Ich halte das für ein Tal der Chancen, für eine Gelegenheit, sich auf unsere Stärken zu besinnen, die unsere Wirtschaft tragen."
Das wird all jene trösten, die das bisher für ein Tal der Tränen hielten und voller Entsetzen auf die Mischung aus sinkenden Realeinkommen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit blicken. Dabei hatte die SPD, richtig, die Partei von Frau Esken, schon dafür gesorgt, dass dank der vielen Niedriglöhner große Teile der Bevölkerung vom Exportboom, der der Corona- und Sanktionskrise vorausging, nichts hatten – außer eben niedrigeren Löhnen.
In diesem Tal der Chancen schafft man es dann, die "Abhängigkeit von Energieimporten" genauso hinter sich zu lassen wie die "Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und Exportmärkten. "Alles nur eine Frage der richtigen Entzugstherapie.
Wobei gerade das letzte Wort hübsch ist. Abhängigkeit von Exportmärkten. Nun, wenn Exportmärkte wegfallen, kann man das, zumindest in bestimmten Bereichen, durch eine Stärkung des Binnenmarktes ersetzen. Die Reallöhne so weit zu erhöhen, dass eine solche Stärkung des Binnenmarktes möglich ist, schlägt Esken aber nicht vor. Das wäre dann doch zu traditionalistisch für die SPD von heute.
"Der Veränderungsmut in der Wirtschaft hängt genauso wie in der Gesellschaft davon ab, ob wir zuversichtlich in die Zukunft blicken oder schwarzmalen."
In den neunziger Jahren hielt man so was noch für esoterisches Geschwätz, Teil dieses "Chaka, wenn du an dich glaubst, kannst du alles"-Kults aus den USA. In Deutschland hielt man doch mehr vom Rechnen. Aber wir sind hier schließlich in der Wirtschaftspsychotherapie, und wenn man einfach mal einen ordentlichen Schluck Optimismus nimmt, dann macht das gar nichts mehr, wenn die grundlegende Stromversorgung nicht mehr stabil ist oder die Banken knirschen, weil wegen der Sanktionen alle möglichen Gelder aus allen möglichen Ländern aus Europa abgezogen werden. Nur Mut! Nicht schwarzsehen! Das ist kein Abgrund, das ist nur ein negativer Berg.
"Insgesamt haben wir die Herausforderungen in den vergangenen beiden Jahren sehr gut bewältigt."
Vielleicht hat sie auch einen großen schwarzen Kessel zu Hause, in dem sie Frösche und Schlangen kocht ... oder tanzt bei Vollmond um ein großes Feuer.
"Zu einer leistungsstarken Infrastruktur gehören heute die erneuerbaren Energien und Stromnetze, die Datennetze, der Verkehr und nicht zuletzt die soziale Infrastruktur mit Bildung, Betreuung, Gesundheit und Pflege."
Richtig, und deshalb wäre es gut, sie zu haben ... und nicht ein Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs, bröckelnde Autobahnbrücken und eine Bahn, die ewig zu spät kommt. Aber vielleicht muss man nur oft genug um das große Feuer tanzen oder morgens mit dem Mantra aufstehen "es gibt kein Energieproblem. Es gibt kein Produktionsproblem. Es gibt keine Rezession. Die USA sind unsere Freunde".
Zwischendrin gibt es sogar kurze Blitze von Erkenntnis.
"Verzichten zu können ist immer noch ein Privileg: Ich kann es mir leisten, kein Fleisch zu essen, ein eAuto zu fahren, lieber die Bahn zu nehmen als das Flugzeug. Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und nicht wissen, wie sie am nächsten Tag die Mahlzeit für die Kinder bezahlen sollen, haben diese Möglichkeiten nicht."
Aber über Wohlstand möchte sie trotzdem nicht reden. Vermutlich sollen auch die Niedriglöhner einfach schön optimistisch in den Tag blicken und sich nicht in Depressionen reden lassen, ganz so, wie es Tante Esken empfiehlt. Wenn es dann im Winter mit der Habeck-Heizung kalt werden sollte oder der Teller der lieben Kleinen dennoch leer bleibt, helfen sicher ein paar warme Gedanken. Alles gut, mit ein bisschen "Orientierung und Zuversicht".
"Und das macht Olaf Scholz."
Sollte das aber einmal nicht reichen, gibt es eine kleine meditative Übung, die Frau Esken sicher noch in ihr Therapieprogramm aufnehmen könnte. Die geht so: Stellen Sie sich vor, Sie wären Rheinmetall. Und schon verfliegt aller Ärger, und selbst der Blick auf den Krieg in der Ukraine wird zum Vorboten einer verheißungsvollen Zukunft.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
in Kürze...
aus e-mail von Doris Pumphrey, 7. August 2023, 22:01 Uhr
Antony Blinken, dankte den USA für die bereits geleistete Militärhilfe
und forderte die Bereitstellung von ATACMS zur Stärkung der ukrainischen
Langstreckenfähigkeiten."/
Zuvor hatte der Koordinator für strategische Kommunikation im Nationalen
Sicherheitsrat des Weißen Hauses, John Kirby, behauptet, die
US-Regierung habe noch keine neuen Informationen über eine mögliche
Entscheidung bezüglich künftiger Lieferungen von
ATACMS-Langstreckenraketen an Kiew. Auch der Assistent des
US-Präsidenten für nationale Sicherheit, Jake Sullivan, teilte mit,
Biden habe mit Wladimir Selenskij über die Lieferung von
operativ-taktischen ATACMS-Raketen an die Ukraine gesprochen, aber es
gebe noch keine Entscheidungen darüber.
09:07 Uhr
*Frankreich liefert Langstreckenraketen an die Ukraine*
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat seine Ankündigung umgesetzt,
Kiew mit der französischen Variante der Storm-Shadow-Rakete zu
beliefern. Dies geht aus Aufnahmen des ukrainischen
Verteidigungsministeriums hervor, in denen der ukrainische Präsident
Wladimir Selenskij mit einer als SCALP-EG gekennzeichneten Rakete für
ein Foto posiert.
Macron hatte seine Entscheidung, die Ukraine mit "Langstreckenraketen"
auszustatten, zunächst im Mai bekanntgegeben und bekräftigte seine
Zusage im Juli auf dem NATO-Gipfel in Vilnius. Bisher war jedoch nicht
bekannt, wann die Raketen geliefert würden.
Das ukrainische Verteidigungsministerium nennt die Raketen bei deren
britischen Typenbezeichnung "Storm Shadow" und deutet damit an, dass das
von Selenskij signierte Projektil kürzlich bei einem Angriff auf zwei
Brücken eingesetzt wurde, die die Halbinsel Krim mit der russischen
Region Cherson verbinden.
Die britisch-französische Storm Shadow / SCALP-EG ist eine luftgestützte
Langstrecken-Marschflugrakete mit einer Reichweite von rund 250
Kilometern. Die Waffe wurde in den 1990er-Jahren entwickelt und kam bei
mehreren westlichen Militäroperationen zum Einsatz, darunter bei der
NATO-Intervention in Libyen und dem Angriff auf Syrien, den die USA,
Großbritannien und Frankreich im Jahr 2018 gemeinsam durchführten.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Die Kontroverse über den manipulierten OPCW-Bericht zu einem angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma, Syrien, April 2018
nachdenkseiten.de, 07. August 2023 um 14:30
Ein Artikel von Karin Leukefeld
Hochrangige ehemalige UN-Offizielle und Wissenschaftler, die seit 2021 als „Berlin Gruppe 21“ (BG21) zusammenarbeiten, haben Abgeordneten des Europaparlaments ihre Untersuchung des OPCW-Berichts über einen angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma, Syrien, im April 2018 vorgelegt. Gefunden haben sie Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur.
Die Untersuchung wurde von den beiden EP-Abgeordneten Mick Wallace und Claire Daly, Mitglieder der Partei Independents 4 Change (Unabhängige für den Wandel, Irland), in Auftrag gegeben. Im Europaparlament gehören sie zu den GUE/NGL The Left. Ziel sei, das EU-Parlament zu einer eigenständigen Überprüfung und Debatte dieser „ernstzunehmenden Kontroverse“ zu führen, heißt es in einer Notiz, die der Untersuchung vorangestellt ist. Auch die OPCW-Mitgliedsstaaten und die OPCW-Verwaltung sollten die anhaltende Kontroverse über den OPCW-Douma-Bericht „in Übereinstimmung mit der Chemiewaffenkonvention und der Charta der Vereinten Nationen“ lösen.
Gründungsmitglieder der Berlin Gruppe 21 sind der brasilianische Botschafter José Mauricio Bustani, erster Direktor der (1997 gegründeten) Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW; Richard Falk, Professor em. für Internationales Recht an der Princeton-Universität, u.a. UN-Sonderberichterstatter für die Einhaltung der Menschenrechte in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten; Dr.h.c. Hans-C. von Sponeck, 32 Jahre lang UN-Diplomat u.a. in der UNDP und als stellvertretender UN-Generalsekretär im Irak; Dr. Piers Robinson, Co-Direktor der Organisation für Propagandastudien, mit Schwerpunkt Rolle von Medien in Konflikten, Außenpolitik und Intervention an den Beispielen der Invasion in den Irak (2003) und in Syrien.
Die Vorgeschichte
Die NachDenkSeiten haben in den letzten Jahren immer wieder über die Kontroverse um den umstrittenen OPCW-Bericht zu Douma berichtet, nachdem ein OPCW-Whistleblower bei einem Panel der Courage Stiftung (Oktober 2019) über den Eingriff der Organisation in die ursprünglichen Untersuchungsergebnisse berichtet hatte.
Informationen über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz waren am 7. April 2018 von den „Weißhelmen“ verbreitet worden. Sie schickten dramatische Bilder und Videoaufnahmen aus einem unterirdischen Krankenhaus in Douma über die sozialen Medien in alle Welt. Internationale Fernsehstationen und Agenturen sorgten für die umgehende Verbreitung. Die „Weißhelme“ behaupteten, die syrische Armee habe aus einem Hubschrauber mit Gas gefüllte Zylinder auf Wohnhäuser abgeworfen und mindestens 40 Menschen getötet. Die „Weißhelme“ verbreiteten auch Bilder von Leichen in einem Keller. USA, Großbritannien, Paris, Berlin schlossen sich den Anschuldigungen der „Weißhelme“ an.
Die syrische Armee dementierte die Angaben, die syrische Regierung bat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, eine Untersuchungsmission zu senden. Der UN-Sicherheitsrat stimmte zu und die Mission, eine OPCW-Fact-Finding Mission (FFM), machte sich auf den Weg. Doch während sich die OPCW-Inspektoren in Beirut auf die Weiterfahrt nach Damaskus vorbereiteten, bombardierten die USA, Großbritannien und Frankreich in der Nacht zum 14. April 2018 Ziele in Syrien als Bestrafung für Douma. Die drei westlichen Veto-Mächte und ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat waren offensichtlich nicht an einem Ergebnis der OPCW-Mission interessiert. Die OPCW, der UN-Sicherheitsrat, die UN-Vollversammlung schwiegen.
Die OPCW-Inspektoren reisten nach Damaskus und nahmen ihre Arbeit in Douma auf. Sie sammelten Bodenproben, nahmen die Orte des Geschehens in Augenschein und sprachen mit Augenzeugen. Die auf Fotos abgebildeten Leichen in einem Keller waren nicht mehr aufzufinden. Der Ort, an dem sie beerdigt worden waren, ist unbekannt. Zurück in Den Haag – Sitz der OPCW – verfassten sie ihren ersten Zwischenbericht, der nach den OPCW-Vorschriften innerhalb von vier Wochen vorliegen muss. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Das Douma-Inspektorenteam wurde von der Arbeit abberufen und es tauchte ein neuer Zwischenbericht auf.
„Besonders besorgniserregend“
Unter dem Betreff „Große Besorgnis über den ‚zensierten‘ Douma-Bericht“ wandte sich einer der Inspektoren des OPCW-Douma-Teams am 22. Juni 2018 mit einem Schreiben an die Vorgesetzten. „Als Mitglied des FFM Teams, das die Untersuchung über den angeblichen chemischen Angriff in Douma am 7. April durchgeführt hat, möchte ich meine große Besorgnis über die zensierte Version des FFM Berichts zum Ausdruck bringen“, heißt es in dem Schreiben. Dieses Schreiben und andere interne Dokumente in der Sache wurden zwischen 2019 und 2020 der Internetplattform WikiLeaks zugespielt und veröffentlicht. „Soviel ich weiß, geschah das im Auftrag der ODG“, das Kürzel für Office of the General Director. Und weiter heißt es:
„Nach der Lektüre dieses geänderten Berichts, wozu übrigens kein anderes Teammitglied, das in Douma im Einsatz war, die Gelegenheit hatte, war ich erstaunt, wie falsch er die Tatsachen wiedergibt. Viele der Fakten und Beobachtungen, die in der vollständigen Fassung dargestellt sind, sind untrennbar miteinander verbunden. Durch das selektive Weglassen bestimmter Informationen wurde eine unbeabsichtigte Voreingenommenheit in den Bericht eingebracht, die seine Glaubwürdigkeit untergräbt. In anderen Fällen haben sich einige entscheidende Fakten, die in der zensierten Fassung verblieben sind, in etwas ganz Anderes verwandelt als das, was ursprünglich verfasst worden war. Wenn Sie gestatten, möchte ich auf einige spezifische Aspekte des geschwärzten Berichts eingehen, die besonders besorgniserregend sind.“
Es folgt eine Aufzählung von Punkten, die dem Autor des Schreibens besonders wichtig waren. „In höchstem Maße irreführend“ sei die Schlussfolgerung, das Untersuchungsteam Douma habe genügend Beweise für den möglichen Einsatz von Chlor oder Chlorgas gefunden; für die Angabe, das Gas sei wahrscheinlich aus den gefundenen Zylindern freigesetzt worden, gebe es „ungenügende Beweise“; die Feststellungen zur Lage der Zylinder aus dem ursprünglichen Bericht fehlten, ebenso dessen umfassende Bibliographie. Der Bericht der Fact-Finding-Mission Douma solle vollständig veröffentlicht werden, da die zensierte Fassung nicht die Arbeit des Teams reflektiere, mahnte der Autor des Briefes an. Sollte die zensierte Version veröffentlicht werden, bitte er „höflich darum“, seine „abweichenden Bemerkungen gemäß Paragraph 62 von Teil II der Verifikationsanlage der Chemiewaffenkonvention beizufügen“.
Der Brief führte zu zahlreichen Reaktionen, doch die OPCW-Leitung war weder bereit, den Douma-Bericht zu veröffentlichen noch eine Stellungnahme des Briefautors dem zensierten Bericht beizufügen. Die beiden mittlerweile bekannten OPCW-Whistleblower Ian Henderson und Brendan Whelan wurden seitens der OPCW-Leitung verfolgt, unter Druck gesetzt, beleidigt und diffamiert.
Der Brief war nur der Anfang einer langen Kontroverse, die bis heute anhält. Zahlreiche Dokumente wurden WikiLeaks zugespielt, die dort nachgelesen werden können.
Die Courage Foundation organisierte ein Panel, in dem über die Unstimmigkeiten des OPCW-Douma-Berichts informiert wurde. Eine dort verabschiedete Stellungnahme lenkte internationale Öffentlichkeit auf den Fall und führte zu Appellen an den OPCW-Generaldirektor und die OPCW-Mitgliedsstaaten, den Fall neu zu untersuchen. Ohne Erfolg.
Neue Untersuchung dringend geboten
Die Autoren der nun vorgelegten Untersuchung begründen ihre Arbeit mit drei wichtigen Aspekten. Die Familien der 40 oder mehr Toten aus Douma müssten wissen, woran ihre Angehörigen tatsächlich gestorben seien. Die Glaubwürdigkeit der OPCW und das Vertrauen ihrer Mitgliedsstaaten in die Organisation müsse wiederhergestellt werden. Whistleblower, die den Mut hätten, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, verdienten Anerkennung und Schutz. Nicht nur die OPCW habe versagt, heißt es in dem Vorwort der Autoren. Weder die UN-Generalversammlung noch der UN-Sicherheitsrat hätten zur Aufklärung der Kontroverse beigetragen. Der Umgang mit dem Bericht über einen angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma und der kurz darauf erfolgte – nicht nach dem internationalen Recht autorisierte – Angriff von USA, Großbritannien und Frankreich auf Syrien gefährdeten den internationalen Frieden und die Sicherheit, wie es in der UN-Charta steht.
Die Untersuchung der Berlin Group 21 (BG21) ist in englischer Sprache verfasst. Bereits dem Titel ist zu entnehmen, was die Berlin Gruppe 21 nach jahrelangen Recherchen, Gesprächen und Untersuchungen der OPCW-Douma-Berichte gefunden hat: Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur. Untermauert wird das schwerwiegende Fazit mit einer Fülle von Dokumenten, Analysen aus erster Hand und von hochqualifizierten Quellen. Hinzu kommt zahlreiche interne Kommunikation der OPCW, die über die Internetplattform WikiLeaks veröffentlich wurde.
Die Untersuchung
In einem ersten Abschnitt (Section One) geht eine kurze Hintergrundinformation auf das eigentliche Geschehen in Douma, Syrien, am 7. April 2018 ein und erläutert die Einrichtung einer Fact-Finding Mission (FFM) durch die OPCW sowie die Rolle der Vereinten Nationen. Der zweite Abschnitt (Section Two) befasst sich in einer Art Chronologie mit dem angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma und mit der FFM-Untersuchungsmission. Es beginnt im April 2018 und reicht über Dezember 2019 in die Zeit danach. Beim dritten Abschnitt (Section Three) schließlich handelt es sich um eine zusammenfassende Untersuchung der vier OPCW-Berichte über den angeblichen Einsatz chemischer Waffen in Douma. Dabei werden der ursprüngliche Zwischenbericht des FFM-Teams, das in Douma ermittelte (Juni 2018), der zensierte Zwischenbericht (Juni 2018), der veröffentlichte Zwischenbericht (Juli 2018) sowie der FFM-Abschlussbericht (März 2019) zusammenfassend dargestellt. In einem vierten Abschnitt (Section Four) werden schließlich Schlussfolgerungen gezogen und konkrete Handlungsvorschläge gemacht, „um das Geschehen in Douma akkurat aufzuzeigen und darüber hinaus auch die Glaubwürdigkeit der OPCW wiederherzustellen“.
Beweise für Manipulation, Voreingenommenheit und Zensur
In einem beigefügten Anhang werden Erkenntnisse der Untersuchung in den vier OPCW-Berichten konkret aufgezeigt. In Annex 1 geht es um Aussagen der toxikologischen und forensischen Pathologie, um die „ungerechtfertigte Löschung der ursprünglichen Schlussfolgerung der Toxikologie“ und um das Versäumnis, wichtige Beweise für eine andere Todesursache aufzudecken. Annex 2 befasst sich mit den Zeugenaussagen, wo und wie sie gesammelt wurden und dem Versäumnis, „ungewöhnliche Zeugenaussagen aufzuklären“. Außerdem geht es um analytische Fehler bei der Darstellung von Mustern, wie Gas sich ausbreitet. Annex 3 untersucht die „ungenügenden chemischen Analysen“, bei denen Fehler aufgetreten sind und „wichtige Hinweise auf alternative Erklärungen“ nicht untersucht wurden. Annex 4 schließlich zeigt unzulängliche Informationen bei den ballistischen Fragen auf. Dabei geht es insbesondere um die auffällige und merkwürdige Platzierung von zwei Gaszylindern sowie die Erklärung für ein Loch im Dach, durch die einer der Gaszylinder gefallen sein soll.
Die Untersuchung wurde an alle Abgeordneten des Europaparlaments, an die Leitung und Mitgliedsstaaten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, an den UN-Generalsekretär, die UN-Mitgliedsstaaten und an den UN-Sicherheitsrat geschickt. Auch das deutsche Außenministerium hat eine Kopie erhalten. Alle Empfänger der Untersuchung sind aufgefordert, „die anhaltende Kontroverse entsprechend der Chemiewaffenkonvention und der Charta der Vereinten Nationen zu klären“.
„Zutiefst beunruhigend“
„Dieses Dokument sollte jeden zutiefst beunruhigen, der glaubt, dass die UNO die Achtung des Völkerrechts als Mittel zur Verringerung der weltweiten Gewalt fördern sollte.“ Das schreibt Professor Theodore Postol in seinem Vorwort zu der Untersuchung der Berlin Gruppe 21. Postol ist Professor für Physik em., und hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelehrt. Das Geschehen um den OPCW-Bericht zu Douma bezeichnet er als „Angriff auf die Zukunft des Internationalen Rechts und der Chemiewaffenkonvention“. Sollte die Art von „offenkundig unprofessionellen und amateurhaften Analysen“ Bestand haben, ohne korrigiert zu werden, bedeute das für die Vereinten Nationen und die OPCW, dass diese als „Vollstrecker internationalen Rechts einfach aufhören zu existieren.“ Das werde dann ein „bedauerliches Erbe sein, das der Welt von denen hinterlassen wird, die heute den Anspruch erheben, die Hüter der Wahrheit zu sein.“
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Karin Kneissl: Die Aktuelle Politjustiz und ihre Ursachen
freedert.online/meinung, 7 Aug. 2023 07:53 Uhr, Meinung Von Dr. Karin Kneissl
Ob Donald Trump in den USA, Pakistans Ex-Präsident Imran Khan oder der anhaltende Krieg gegen den Terrorismus – eines ist allen gemeinsam: Das Prinzip der Unschuldsvermutung löst sich auf.
Trump-Unterstützer und Gegner im August 2023 in Washington
Binnen weniger Tage wurden zwei ehemalige Staatspräsidenten vor Gericht gestellt. Imran Khan wurde in Pakistan ohne Anhörung von Zeugen wegen des Verkaufs von Gastgeschenken während seiner Amtszeit 2018–2022 zu drei Jahren Haft verurteilt. Für politische Ämter im Atomstaat Pakistan mit einer Bevölkerung von über 230 Millionen Menschen zu kandidieren, ist ihm ebenso untersagt. Damit kann er bei den kommenden Wahlen im Herbst nicht antreten. Eine Menschenrechtsorganisation spricht von "lawfare". Dabei handelt es sich um eine Kombination der englischen Worte "warfare" (Kriegsführung) und "law" Gesetz.
Einen Tag vor Khan wurde Trump vor einem Gericht in Washington mit neuen Anschuldigungen konfrontiert, die es in sich haben. Ihm werden rund um den Sturm auf das Kapitol Anfang des Jahres 2021 Straftatbestände vorgehalten, die an terroristische Handlungen grenzen. Dazu gehört der Vorwurf der Verschwörung. Warum für die Anklage fast drei Jahre gebraucht wurden, fragt man sich. Trump, der vorerst aussichtsreiche Kandidat der Republikaner, könnte im Falle einer Verurteilung in Berufung gehen und dann im November 2024 erst recht gewinnen. Kämpferisch gibt sich der alte Haudegen jedenfalls. Die Vorverurteilung des Lieblingsfeinds der Redaktionen erfolgt nicht nur von medialer Seite, sondern auch auf politischer Ebene, wie die Aussagen führender Amtsträger der Demokraten zeigen. Trump und seine Anhänger verwenden den Begriff der "weaponization of justice", also den Einsatz der Justiz als Waffe. Dies geht weit über das Wort Instrumentalisierung hinaus.
Im Fall des Julian Assange, der nach Jahren in den Räumen der Londoner Botschaft Ecuadors in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis auf seine mögliche Auslieferung in die USA wartet, spricht der UNO-Sonderberichterstatter für Folter eindeutig von Folter. Die Vorverurteilung des Aufdeckers von US-Kriegsverbrechen ist massiv. Etablierte Redakteure setzen sich nicht für ihn ein. Erst jetzt beginnt Australien, sich für seinen Staatsbürger zu engagieren, doch die USA blocken jede konsularische Intervention ab. Aus US-Sicht hat der Journalist Hochverrat begangen, was ein völlig absurder Vorwurf ist.
Wir bewegen uns in vielen westlichen Gesellschaften schon lange nicht mehr auf dem Feld des Rationalen. Die Irrationalität greift so massiv um sich, wie ich auch am eigenen Leib in den letzten Jahren erlebte, dass die Frage nach dem Warum ins Leere läuft. Logische Argumente haben ausgedient, ein totalitäres Lagerdenken breitet sich in der gesamten sogenannten nordwestlichen Atmosphäre aus.
Schuldig bis Unschuld bewiesen
In diesen drei prominenten Fällen wird eines klar: Anders als in der Magna Carta aus dem Jahre 1215 definiert, gilt man im Jahre 2023 nicht mehr als "unschuldig, bis die Schuld bewiesen" ist. Das Konzept der Unschuldsvermutung ist theoretisch als Grundprinzip des Strafprozessrechts verankert. Es waren die englischen Adeligen, die im Machtkampf mit dem König dieses und viele weitere Prinzipien aushandelten. Dieses Dokument des "großen Briefs", der im so gar nicht dunklen, sondern vielmehr weltoffenen Mittelalter geschaffen wurde, legte so manche Grundlage für spätere Verfassungen und Grundrechte, von der Französischen Revolution bis hin zu den großen Deklarationen und Konventionen der Menschenrechte der UNO.
Mit dem Beginn des Kriegs gegen den Terrorismus, den der damalige US-Präsident George W. Bush im Schatten der Anschläge des 11. Septembers 2001 erklärte, wurde dieses Strafrechtsprinzip der Unschuldsvermutung systematisch auf den Kopf gestellt. Zudem wurde auch der völkerrechtlich geschützte Status des Kriegsgefangenen durch den US-Begriff des "feindlichen Kämpfers" ersetzt. Letzterer verfügt über keine Rechte mehr.
Das Straflager von Guantánamo ist zum Symbol dieser US-Politik der Zerstörung des Strafrechts geworden. In über zwei Jahrzehnten ist es keiner US-Regierung gelungen, dieses Lager zu schließen, die dort willkürlich gefangenen Menschen vor ein ordentliches Gericht zu stellen und im Fall des Freispruchs Entschädigungen für die Jahre der Folter und des Freiheitsentzugs zu zahlen.
Der Bumerang
Es ist vielleicht eine Ironie der Geschichte, dass diese völlig rechtswidrige Praxis nunmehr auch die USA selbst zunehmend erfasst. Gefährlich ist, dass die Justiz als unabhängige Gewalt im Gleichgewicht von Exekutive, also der Regierung und Verwaltung, sowie der Legislative, also des Kongresses beziehungsweise der Parlamente, versagt. Diese Politisierung von Gerichtsverfahren, mit denen vermeintlich politische Gegner moralisch und angesichts immenser Anwaltskosten auch finanziell vernichtet werden, ist kein Spezifikum der USA.
In Frankreich wurde der einstige Premier Dominique de Villepin unter Staatspräsident Nicolas Sarkozy rund um ein dubioses Waffengeschäft mit Pakistan, einem der Vorgänger von Khan, strafrechtlich belangt. Sarkozy ist indes seinerseits wegen Wahlkampfkosten strafrechtlich verurteilt. In Österreich wurde ein ehemaliger Vizekanzler in mehreren Prozessen letztlich freigesprochen, aber wirtschaftlich ruiniert.
Die Grundlagen des Rechtsstaates, wie ihn der französische Rechtsphilosoph Charles de Montesquieu in seinem Grundsatzwerk "Vom Geist der Gesetze" als Ideal entwarf, sind einmal mehr tief erschüttert. Das Verfahren gegen Khan kann vorerst zu schweren Unruhen in Pakistan führen, denn die Anhängerschaft des charismatischen Khan ist groß. Von denen, die meinen, auf der "richtigen Seite der Geschichte" zu stehen, wird ihm zudem "Nähe zu Russland" vorgeworfen. Bekanntermaßen ist dies das Totschlagargument, um jede politische Laufbahn in unserer Zeit zu beenden. Ähnlich verhält es sich mit Trump, auch wenn sämtliche Anschuldigungen zu einer "Russland Verbindung" seither ausgeräumt wurden.
Der Trump-Prozess ist explosiv, denn jede Aussage vor Gericht wird zur Wahlkampfansage. Trump könnte gestärkt aus diesem Verfahren in erster Instanz – ob verurteilt oder schuldig gesprochen – hervorgehen. Die nachfolgenden internen gesellschaftlichen Umbrüche können für das US-System zur völligen Zerreißprobe werden. Jetzt bereits bleibt der Rechtsstaat auf der Strecke. War in der Vergangenheit stets die Frage, wer sich den besten Anwalt leisten kann, so zerbröckelt gegenwärtig eine Struktur von Normen, die unsere Gesellschaften seit bald einem Jahrtausend entwickelt haben. Eine Gesellschaft steht und fällt mit ihren Rechtsgrundlagen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Was der Westen in Bezug auf BRICS nicht versteht
freedert.online, 7 Aug. 2023 06:45 Uhr, Von Timor Fomenko
Das Hauptziel des BRICS-Blocks ist es, Wege zur Entwicklung zu finden, ohne von Supermächten bevormundet zu werden. Hierbei geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern um die Schaffung eines multipolaren Umfelds, das der derzeitigen Vorherrschaft des Westens entgegenwirkt.
Westliche Experten argumentieren, dass die BRICS-Staaten "Gefahr laufen, zu Vasallen Chinas zu werden", und behaupten, dass die anderen Mitglieder der Gruppe (Brasilien, Russland, Indien und Südafrika) in Bezug auf ihre wirtschaftliche Macht und ihren Einfluss umfassend von Peking dominiert werden.
Laut einem kürzlich erschienenen Artikel der Financial Times hat dies die BRICS zu einem Stellvertreter für Chinas eigene Rivalität mit den USA gemacht, wobei Peking seine Partner in die Konfrontation hineinzieht. Der Autor beschreibt die Gruppe in sehr herablassender Weise und behauptet, sie basiere auf wenig mehr als "Ressentiments" und "trotziger Rhetorik" gegen die "reiche Welt".
In solchen Kommentaren werden die BRICS und ihre Ziele nicht verstanden. China zu beschuldigen, es versuche, Ländern, die immer noch neutrale oder günstige Beziehungen zum Westen anstreben, eine Angleichung aufzuzwingen, geht am Kern der Sache vorbei. Die BRICS entwickeln sich zu einem Forum für die Entwicklungsinteressen der Länder des Globalen Südens. Das hat nichts mit einer ideologischen oder militärischen Ausrichtung zu tun, sondern damit, dass sich diese Länder den politischen Raum sichern können, um ihre eigene Entwicklung durch die Schaffung eines multipolaren Umfelds voranzutreiben und die Beschränkungen des westlichen Modells zu umgehen. Letzteres nutzt das Wachstum von Ländern auf der Grundlage einer exklusiven Reihe von ideologischen und strategischen Bedingungen aus.
Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass die Entwicklung eines Landes nicht geradlinig verläuft. Es ist leicht, sich auf den rechten Mythos zu berufen, dass "der Sozialismus gescheitert ist" und dass bestimmte Länder im Globalen Süden die alleinige Verantwortung für ihre eigene Armut oder ihren Missstand tragen. Es ist jedoch komplizierter als das. Damit ein Unternehmen erfolgreich sein kann, braucht man Kapital und Märkte, und Kapital und Märkte gibt es natürlich nur dort, wo sie bereits existieren. In den letzten 400 Jahren wurde die Verteilung des globalen Kapitals und der Märkte von einer exklusiven Gruppe von Ländern (dem Westen) beherrscht, die ihre Position durch Gewalt und Ausbeutung erlangt haben und anschließend den Zugang zu ihrem Reichtum zu für sie günstigen Bedingungen ermöglichten.
Das bedeutet, dass sich die Länder des Globalen Südens nur dann entwickeln können, wenn sie sich der politischen Ordnung und den Regeln des Westens unterwerfen, die gegen sie gerichtet sind, um das etablierte Kapital und den Reichtum am selben Ort zu halten. Nun gibt es zwar einige Länder, die den Übergang von der Armut zum Reichtum erfolgreich vollzogen haben, wie z.B. Südkorea, aber dies geschah nur, indem sie sich den USA unterwarfen und damit ihre nationale Souveränität und strategische Autonomie opferten. Andererseits wird Nationen, die sich gegen die westliche Ordnung auflehnen, insbesondere größeren, wie dem Iran, der Weg zu ihrer Entwicklung gewaltsam versperrt, da ihnen das Kapital und die Exportmärkte, die der Westen bietet, vorenthalten werden.
Daher wurden die Entwicklungsmöglichkeiten der Länder des Globalen Südens traditionell durch die westliche Vorherrschaft über das globale Finanzsystem blockiert. Doch die Welt verändert sich jetzt. Die USA haben den strategischen Fehler begangen, China in die Weltwirtschaft einzubinden, weil sie glaubten, dass die freie Marktwirtschaft den ideologischen Wandel des Landes zu den Bedingungen Amerikas einleiten würde, was jedoch nicht der Fall war. Jetzt ist China auf dem Vormarsch, was den Ländern des Globalen Südens einen politischen Raum geschaffen hat, um ihre wirtschaftliche Entwicklung außerhalb der vom Westen dominierten Blase zu etablieren. Dies war die Hauptantriebskraft für Projekte wie die Belt and Road Initiative (BRI). Natürlich haben die USA jetzt auf diese Verschiebung der globalen Strömungen reagiert, indem sie versucht haben, den Aufstieg Chinas zu unterdrücken, und damit gezeigt, was auf jedes Entwicklungsland zukommt, wenn es versucht, sich zu seinen eigenen Bedingungen zu entwickeln.
In diesem neuen geopolitischen Umfeld hat die strategische Bedeutung der BRICS vor allem deshalb zugenommen, weil sie einen Klub für die Länder des Globalen Südens darstellen, der bei der Gestaltung einer Wirtschaft der Zukunft außerhalb der westlichen Vorherrschaft zusammenarbeitet. Es handelt sich nicht, wie die Financial Times irreführend darstellt, um einen "von China geführten Block", eben weil er auf der Tradition der Nichteinmischung beruht. Auch wenn die Financial Times zu argumentieren versucht, dass Brasiliens Streben nach stärkeren Handelsbeziehungen ein Widerspruch sei, oder auf Indiens eigene Streitigkeiten mit China hinweist, ist dies irreführend.
Bei BRICS geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern um die Schaffung eines multipolaren Umfelds, das der derzeitigen Vorherrschaft des Westens entgegenwirkt. Daher ist China selbst nicht einmal wirklich gegen die Beziehungen zum Westen, sondern insbesondere gegen den Versuch der USA, diese zu untergraben. Während es sich bei Organisationen wie der NATO um Nullsummenbündnisse handelt, welche die strategischen Ziele der USA ergänzen und somit eine ideologische Mission verfolgen, sind die BRICS pragmatischer und praktischer. Daher haben sich viele Länder um eine Mitgliedschaft beworben, weil sie eine Alternative zu diesen westlich dominierten Institutionen darstellen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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07.08.2023
Nachbemerkung zum Friedenstreffen für die Ukraine in Dschidda
seniora.org, 07. August 2023, Von Gilbert Doctorow 07.08.2023 - übernommen von gilbertdoctorow.comEine beachtliche Prognose von Gilbert Doctorow
Wie ich erwartet hatte, berichtete die BBC heute Morgen kurz, dass das Treffen in Dschidda am Wochenende, bei dem ukrainische Friedensvorschläge diskutiert wurden, ohne konkrete Ergebnisse endete.
Das hinderte die Financial Times in ihrer heutigen Ausgabe nicht daran, das Treffen als Erfolg zu bezeichnen, weil China daran teilgenommen und versichert hat, dass es sich in Zukunft an solchen Gesprächen beteiligen wird.
Ich rechne außerdem damit, dass die USA und ihre Verbündeten dieselbe Art von "Big Lie", also die Behauptung eines Sieges, der in Wirklichkeit eine eklatante Niederlage ist, versuchen werden, wenn die Russen Charkow, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, zurückerobern und sich die gesamte verbleibende ukrainische Küste am Schwarzen Meer unter den Nagel reißen, indem sie Nikolajew und Odessa überrennen.
Dies könnte bereits in einigen Monaten geschehen, da die ukrainischen strategischen Reserven in den letzten Monaten nahezu vernichtet wurden und der Kreml plant, in die Offensive zu gehen, sobald die ukrainische Gegenoffensive nachlässt und bevor im Herbst die Regenzeit einsetzt, die groß angelegten Militäroperationen entgegensteht.
Welche Kaninchen werden Jake Sullivan, Blinken und seine Kollegen im Außenministerium dann aus dem Hut zaubern wollen?
Was dann passieren wird, zeichnet sich ebenfalls bereits ab. Die Polen werden mit Unterstützung der USA in Lemberg und in der Westukraine eine so genannte defensive Stationierung von Friedenstruppen vornehmen, um eine weitere russische Aggression zu verhindern, und die Vereinigten Staaten werden sagen, dass sie die ukrainische Souveränität angesichts der überwältigenden russischen Militärmacht und der Unfähigkeit von Zelensky und seinen Generälen bewahrt haben. Wir können davon ausgehen, dass Zelensky zu diesem Zeitpunkt physisch "neutralisiert" sein wird, damit er nicht in der Weltpresse über den Verrat der USA jammert.
Das Problem für die Biden-Regierung besteht darin, dass sie diese offensichtlich falschen Siegesbehauptungen mitten im Präsidentschaftswahlkampf 2024 aufstellen wird, wenn ihre große Lüge von den Republikanern Donald Trump und Ron Desantis einerseits und von Robert F. Kennedy im Lager der Demokraten andererseits heftig angegriffen werden wird.
Was die Kosten betrifft, die den EU-Mitgliedstaaten durch ihre leichtsinnige Unterordnung unter Washington bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland entstehen, so können wir der Financial Times für ihren heutigen Artikel danken, in dem sie die Verluste beziffert, die Energieunternehmen, Banken und andere Großunternehmen verbucht haben, die ihre russischen Betriebe unter Bedingungen eines Notverkaufs veräußert haben oder vom russischen Staat als Entschädigung für die Beschlagnahme russischer staatlicher und privater Vermögenswerte durch den Westen in der EU konfisziert wurden.
Im günstigsten Fall behielten sie ihre Eigentumsrechte, mussten aber die Vermögenswerte, die sie noch besitzen, zu Buchhaltungszwecken als "wertgemindert" ausweisen, da keine Dividenden oder Kapitalbeträge ins Ausland transferiert werden können. Die von der FT genannte Zahl beläuft sich auf über 100 Milliarden Euro an Verlusten.
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Verluste für die Bevölkerung in der EU aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten infolge der Abkehr von russischen Kohlenwasserstoffen. Die FT macht dazu keine Angaben, aber ich würde schätzen, dass es sich um mehr als 200 Milliarden Euro handelt, wenn man nur die öffentlich gemeldeten Entschädigungsmaßnahmen Deutschlands und mehrerer anderer EU-Länder berücksichtigt, mit denen Einzelpersonen und Unternehmen für den Energiepreisschock entschädigt werden.
Das Nettoergebnis dieser westlichen Verluste kommt den russischen finanziellen Verlusten in Europa und Amerika nahe. Wo liegt also der "Gewinn" des Westens bei seinen "Sanktionen aus der Hölle" gegen Russland?
Quelle: https://gilbertdoctorow.com/ Mit freundlicher Genehmigung von Gilbert Doctorow Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Deutschlad Archiv Wie ist dieser Krieg zu deeskalieren und zu beenden? Teil 1
bpb.de, vom 27.07.2023, Martina Fischer
Perspektiven für Sicherheit und einen gerechten Frieden in der Ukraine und Europa
Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der russischen Regierung gegen die Ukraine befasste sich die Autorin im Deutschland Archiv am 26. April 2022 mit der Genese des Konflikts. Sie vertrat die Einschätzung, dass man trotz aller Verzweiflung und Empörung über das brutale Kriegsgeschehen die Hoffnung auf die Neugestaltung einer Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa nicht aufgeben dürfe. Nach eineinhalb Kriegsjahren und zahllosen Kriegsverbrechen fällt es schwer, dafür Visionen zu entwickeln. Dennoch sollte weiter über Perspektiven für Sicherheit und Frieden in Europa nachgedacht werden. Vor allem gilt es nach Wegen suchen, um die Eskalationsspirale zu durchbrechen und das Sterben auf beiden Seiten zu beenden. Es ist schwer vorherzusagen, wann sich ein Fenster dafür öffnet – aber man muss jetzt dafür Vorbereitungen treffen. Und man sollte auch über Europa hinausschauen und Voraussetzungen für die Bewältigung globaler Friedensgefährdungen schaffen.
Seit Beginn des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine konzentrierte sich der öffentliche Diskurs hierzulande vor allem auf die Frage der Waffenlieferungen und die von Bundeskanzler Scholz verkündete „Zeitenwende“. Zahlreiche Fernseh-Talkshows widmeten sich der Dynamik des Krieges, nicht immer in ausreichender Differenzierung. So wurde die Regierung wegen anfänglicher Zurückhaltung bei der Lieferung schwerer Waffen, die der Abstimmung mit den Verbündeten geschuldet und durchaus begründet war, als zu zögerlich gescholten. Warnungen vor Eskalationsgefahren wurden, ebenso wie kritische Nachfragen zur Verschuldung und massiven Erhöhung der Militärausgaben, als Verrat an der Ukraine betrachtet.
Analysen, die den Krieg in eine übergeordnete globale Konfliktlage einordnen und auf dieser Grundlage nach Ansätzen für Deeskalation suchen, gerieten in den Verdacht, die Verantwortung für den Angriffskrieg zu relativieren. Die empörten Reaktionen sind verständlich, denn schließlich wurde ein Land überfallen und mit entsetzlichen Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen überzogen, und es steht außer Frage, wer Täter und wer Opfer ist.
Mit der Zerstörung des Kachowka-Staudamms kam am 6. Juni 2023 eine weitere Katastrophe hinzu, unter der zahllose Zivilist:innen leiden. Es gilt weiterhin, die Ukraine als souveränen Staat zu retten, dessen Zerschlagung die russische Führung explizit ankündigte, und der ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Gleichwohl wirft dieser Krieg ethische Fragen auf, für die es keine einfachen Antworten gibt.
Alternativlose Waffenlieferungen und chancenlose Diplomatie?
Neben umfangreichen Sanktionen gelten vor allem Waffenlieferungen an die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 für die Mehrheit der politisch Verantwortlichen in den Nato- und EU-Mitgliedsländern als alternativlos. Gleichzeitig betonen die meisten, dass sie nicht selbst „Kriegspartei“ werden wollen. Allerdings bleiben die Zielsetzungen der militärischen Unterstützung recht „nebulös“, wie Samuel Charap, Politikanalyst bei der RAND-Corporation, in einem Beitrag für Foreign Affairs bemerkt. Zur Auflösung der Fußnote[1] Daher – und weil sich die Begründungen für die politischen und militärischen Entscheidungen zuweilen als widersprüchlich erweisen – sind kritische Nachfragen geboten. Zur Auflösung der Fußnote[2]
Inzwischen fragen sich immer mehr Menschen – auch jenseits des pazifistischen Spektrums –, ob ein mehr an Waffen und eine Fortsetzung des Kriegs auf unbestimmte Zeit die Aussichten für einen „gerechten Frieden“ tatsächlich erhöhen. Zum Jahrestag des Angriffs im Februar 2023 häuften sich die Friedensappelle. Einige ließen leider die klare Aufforderung an die russische Führung, die Truppen aus der Ukraine zurückzurufen, vermissen. Aber manche plädierten auch mit guten Argumenten für friedenslogische Sichtweisen und für eine langfristige kooperative Sicherheitspolitik. Zur Auflösung der Fußnote[3]
Das Plädoyer für mehr Diplomatie und die Vorbereitung von Verhandlungen wurde in der darauffolgenden Debatte von politischen Akteur:innen oft pauschal mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Voraussetzungen dafür seien bis auf Weiteres nicht gegeben, wie zum Beispiel Wolfgang Ischinger (2023) explizit beklagte. Aus dem christlichen Spektrum, in dem über friedensethische Grundlagen seit geraumer Zeit sehr kontrovers diskutiert wird (vergleiche dazu die Übersicht von Thomas Hoppe), gab es neben zahlreichen Solidaritätsbekundungen für die Ukraine daher auch kritische Nachfragen. Zur Auflösung der Fußnote[4]
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, betonte in ihrer Osterbotschaft (bei Anerkennung der Notwendigkeit von militärischer Unterstützung), zwar seien Verhandlungsmöglichkeiten im Moment sehr erschwert, „dennoch dürfen wir als Christen zu keiner Zeit sagen, es kann keine Gespräche geben“. Zur Auflösung der Fußnote[5] Verhandlungen auf Augenhöhe ergäben sich nicht von selbst, man müsse sich aktiv darum bemühen, meint Kurschus, und: „Ich weigere mich, den Ruf nach Verhandlungen als zynisch und naiv abzutun". Zur Auflösung der Fußnote[6] Ein prominenter Vertreter der katholischen Kirche, Kardinal Reinhard Marx, kam zeitgleich zu dem Schluss: „Man sagt jetzt oft, die Ukraine allein entscheidet, wann der Krieg zu Ende geht. Aber ich denke, das ist ein bisschen zu kurz gegriffen. Wenn wir Waffen liefern, haben wir auch eine Verantwortung, denn mit unseren Waffen werden Menschen getötet. Deswegen gibt es auch eine Verantwortung, alles zu tun, um diesen Krieg zu beenden“. Zur Auflösung der Fußnote[7] Bei jedem Schritt müsse man sich fragen, was die Ziele sind und ob man diese erreichen könne, so Marx: „Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hörte man: Wir stehen an Eurer Seite, ‚whatever it takes‘. Was soll das bedeuten? Dass immer noch mehr Waffen oder irgendwann auch Soldaten geschickt werden? Alle sagen, wir wollen keine Kriegspartei sein, es heißt, am Ende will man keinen sogenannten dritten Weltkrieg. Dann muss man Szenarien entwickeln, (und sagen) was denn das Ende sein könnte.“
Die Rhetorik von Sieg und Niederlage helfe nicht weiter, meint Marx, sondern heize die Eskalation an. Die politisch Verantwortlichen müssten dem Einhalt gebieten und vermeiden, dass wir „einen Krieg führen, der einen dritten Weltkrieg heraufbeschwört. Wenn man das nicht will, muss man jetzt Szenarien entwickeln, um das zu beenden.“ Gerade weil man Waffen liefere, stehe man in der Pflicht, dies fortlaufend auf Verhältnismäßigkeit und Eskalationsrisiken hin zu prüfen, und nach Möglichkeiten einer Beendigung des Krieges zu suchen: „Wir benötigen eine Exit-Strategie. Man kann nicht dabei stehen bleiben, ständig weiter zu rüsten, ständig Waffen zu liefern und zu glauben, irgendwann käme dann der Frieden. Der Frieden kommt nicht durch Waffen. Er kommt am Ende durch eine Absprache, wie wir einen Weg finden, die Waffen schweigen zu lassen und zu einer politischen Lösung zu kommen, zu einem gerechten Frieden. Das sehe ich so einfach jetzt nicht vor mir. Aber es muss doch alles dafür getan werden, auch hinter verschlossenen Türen, es ist eine Verpflichtung der Politik, jetzt schon zu sprechen. (…) Ich erwarte, dass die Politiker und alle, die irgendeinen Kontakt haben, zwischen der Ukraine und Russland Gesprächsfäden herzustellen, das nutzen.“
Eine Reihe von Expert:innen aus der Diplomatie, aus dem Militär und wissenschaftlichen Einrichtungen machen sich mittlerweile verstärkt Gedanken darüber, wie man die Eskalationsspirale durchbrechen könnte. Einige bedenkenswerte Überlegungen werden in diesem Beitrag vorgestellt und bewertet.
Widersprüchliche Aussagen über Ziele der militärischen Unterstützung
Man kann davon ausgehen, dass sowohl unter den westlichen, die Ukraine unterstützenden Akteuren, als auch über die verfeindeten Linien hinweg auf verschiedenen Ebenen gesprochen wird. Aber worüber und mit welchem Ergebnis hinter verschlossenen Türen kommuniziert wird, ist für die Öffentlichkeit und auch für politische Analyst:Innen extrem schwer zu beurteilen. Insofern sind wir darauf angewiesen, uns anhand der veröffentlichten Statements ein Bild zu machen.
Im Verlauf des Jahres 2022 war der westliche politische Diskurs zunächst stark von dem Argument bestimmt, nur durch militärische Erfolge könne die Ukraine eine gute Position in Verhandlungen erreichen. Der amerikanische Präsident Joe Biden hatte das ausdrücklich als Ziel der amerikanischen Politik beschrieben. Zur Auflösung der Fußnote[8] Gleichzeitig hatte er klargestellt, man werde keine Waffen liefern, die zum Angriff auf russisches Gebiet geeignet sind. Auch die Aussage von Bundeskanzler Scholz, dass die Ukraine „diesen Krieg nicht verlieren darf“, war in diesem Sinne zu verstehen, und zugleich von einem klaren Nein zu einer Flugverbotszone begleitet, weil dies die Nato unweigerlich in einen Krieg mit Russland manövriert hätte. Angesichts erfolgreicher lokaler Gegenangriffe der ukrainischen Armee hörte man dann nicht nur aus der Ukraine, sondern auch hierzulande immer häufiger die Forderung, man müsse das Land in die Lage versetzen, den „Krieg zu gewinnen“ und Russland zu „besiegen“.
Selten wurde erklärt, was damit genau gemeint ist: die Rückeroberung der von Russland nach dem 24. Februar 2022 besetzten und annektierten Gebiete? Die Vertreibung des russischen Militärs von ukrainischem Territorium, also auch von der Krim? Oder gar die Befähigung der ukrainischen Streitkräfte zu Angriffen auf russisches Staatsgebiet? Die problematischen Dimensionen einer Rhetorik von „Sieg“ und „Niederlage“ hat der Philosoph Jürgen Habermas treffend analysiert. Zur Auflösung der Fußnote[9]
Zwar hat die Ukraine für eine Rückeroberung der besetzten Gebiete das Völkerrecht auf ihrer Seite. Jedoch ist dies aufgrund der Überlegenheit der russischen Streitkräfte unweigerlich mit großen menschlichen und materiellen Verlusten verbunden. Zudem bergen alle Szenarien massive Eskalationsgefahren, wie der deutsche Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser Zur Auflösung der Fußnote[10] immer wieder dargelegt hat. Er fordert daher von der deutschen und westlichen Politik ein „verantwortungsbewusstes Navigieren in einer Dilemmasituation“ (2022c), da sich die russische und die ukrainische Regierung nach anfänglichen Gesprächen im Frühjahr 2022 an Verhandlungen nicht mehr interessiert zeigten.
Im März 2022 hatte Präsident Selenskyj potenzielle Verhandlungsgegenstände benannt, war dann aber unter dem Eindruck massiver Menschenrechtsverletzungen (Butscha, Irpin) und militärischer Teilerfolge davon abgerückt ist und seither auf das Ziel fokussiert, mit einer militärischen Offensive möglichst das gesamte Territorium von der Besatzung zu befreien. Zwar gibt es die Zusage, die von den westlichen Verbündeten gelieferten Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet zu nutzen, allerdings sind ukrainische Drohnenangriffe auf Ziele in Russland inzwischen an der Tagesordnung.
Auch die Angriffe, die von Milizen dubioser (oft rechtsextremer) Herkunft aus der Ukraine auf russischem Gebiet gegen russische Streitkräfte verübt werden, sind schwer einzuschätzen. Zur Auflösung der Fußnote[11] Vor diesem Hintergrund gilt es, die Gefahr einer Ausweitung und Eskalation des Krieges unbedingt ernst zu nehmen: „Dieses Risiko ist real, denn im oft zitierten ‚Nebel des Krieges‘ (Clausewitz) können Kämpfe auch ungeplant außer Kontrolle geraten und eskalieren, etwa durch Raketen, die durch Systemfehler auf Nato-Gebiet einschlagen“. Zur Auflösung der Fußnote[12]
Ein langer Abnutzungskrieg ist wahrscheinlich
Trotz beharrlicher Verteidigungsanstrengungen und zahlreicher Teilerfolge wird die Möglichkeit, dass die Ukraine die russische Führung militärisch zur Aufgabe und zum Abzug aller Kräfte von ihrem Territorium zwingen könnte, als nicht sehr realistisch eingeschätzt. Ranghohe amerikanische Militärs, unter anderem Generalstabschef Mark Milley, sprechen seit Ende 2022 von einer militärischen Pattsituation, in der weder Russland noch die Ukraine den Krieg militärisch entscheiden können, und die unweigerlich einen langjährigen, verlustreichen Stellungskrieg nach sich ziehen wird. Auch in Deutschland wird diese Einschätzung von namhaften Militärexperten geteilt Helmut Ganser. Zur Auflösung der Fußnote[13] Sie verweisen auf weitaus größere Nachschubreserven an Soldaten auf russischer Seite.
Sanktionen in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Technologie sind weiterhin erforderlich, um Druck auf Russland auszuüben. Aber sie konnten das Putin-Regime kurzfristig noch nicht zum Einlenken bewegen. Zwar gibt es offenbar Einbußen in der Wirtschaftskraft, wie der US-Reporter Evan Gershkovich Zur Auflösung der Fußnote[14] nachwies (der Autor wurde inzwischen in Russland inhaftiert), und einige Sanktionsexperten gehen davon aus, dass so dem Regime sukzessive Ressourcen entzogen und damit langfristig die Kriegführung erschwert wird (zum Beispiel Janis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik). Zur Auflösung der Fußnote[15] Jedoch können Sanktionen offenbar kurzfristig diese nicht verhindern. Auch die Sanktions-Experten sagen daher einen langjährigen Krieg voraus. Vor diesem Hintergrund mehren sich Stimmen, die vorschlagen, eine Waffenruhe zu erwirken, um so den Weg für ein längerfristiges Waffenstillstandsabkommen und/oder politische Verhandlungen zu ebnen. Der Journalist und UN-Experte Andreas Zumach spricht von einer „Strategielosigkeit auf beiden Seiten“ in einer Pattsituation, in der der russische Präsident die Eskalationsdominanz und größere Durchhaltekraft mitbringe. Zur Auflösung der Fußnote[16] Auch Putin verfüge über keine gesichtswahrende Exit-Strategie. Zumachs Befürchtung lautet: Ein „Weiter so“ mit jahrelangen Waffenlieferungen werde möglicherweise dazu führen, dass sich der Krieg sehr lange hinziehe, „mit noch mehr Toten, und dass am Ende viele ukrainische Städte so aussehen, wie Grosny nach dem zweiten Tschetschenienkrieg.“
Die Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sei klar bei der russischen Führung zu verorten. Gleichwohl seien westliche Regierungen gut beraten, wenn sie der ukrainischen Regierung signalisierten, sich Gesprächen nicht zu verweigern, so Zumach: „Es geht nicht darum, der Ukraine zu sagen, worüber sie zu verhandeln hat und wo sie Konzessionen machen soll. Aber auf der anderen Seite wissen wir doch, was die Verhandlungsgegenstände sind. Sie lagen am 29. März 2022 auf dem Tisch und wurden von Selenskyj und der ukrainischen Regierungsdelegation vorgelegt. Das sind die Kernfragen: die Nato-Mitgliedschaft, die Frage des künftigen Status des Donbass, die Krim, und verlässliche Sicherheitsgarantien.“ Um hier weiterzukommen, meint Zumach, brauche es auch Signale aus Washington. Zur Auflösung der Fußnote[17] Mit der Einschätzung, dass der amerikanischen Regierung eine herausragende Rolle für eine mögliche Beendigung des Krieges zukommt, steht Zumach nicht allein. In US-amerikanischen Thinktanks sind ebenfalls eine Reihe von Analyst:innen davon überzeugt, dass es neben einer Verhandlungsbereitschaft seitens der Ukraine und Russlands auch Signale der amerikanischen Regierung braucht. Verschiedene Autor:innen weisen auf die besondere Verantwortung der USA hin. Zur Auflösung der Fußnote[18] Sie ergibt sich unter anderem daraus, dass die Vereinigten Staaten einen Großteil (ca. 70 Prozent) der militärischen Unterstützung stellen. Sie umfasst nicht nur Waffen und Ausrüstung, sondern auch die Mitwirkung bei der strategischen Planung, bei der militärischen Aufklärung und Zielerkennung. Wie stark das Pentagon in all diesen Bereichen mitwirkt, belegen unter anderem auch die Dokumente, die im April 2023 geleakt wurden. Zur Auflösung der Fußnote[19]
Vorschläge aus amerikanischen Thinktanks: Das Kriegsende vorbereiten
Schon im Frühjahr 2022 lieferten einige amerikanische Politikwissenschaftler:innen recht differenzierte Analysen. Thomas Graham (Council on Foreign Relations, New York) und Rajan Menon (City University of New York) äußerten in Foreign Affairs die Einschätzung, dass sich der Krieg gegen die Ukraine sehr lang hinziehen und sich die Zahl der Toten und Zerstörungen erhöhen würde. Damit steige das Risiko einer Ausweitung des Kriegs und auch die Gefahr, dass die USA und die Nato-Alliierten in eine bewaffnete Konfrontation mit Russland hineingezogen werden könnten. Graham und Menon forderten eine Verstärkung des diplomatischen Engagements, das sich kurzfristig auf humanitäre Versorgung und längerfristig auch auf eine politische Übereinkunft richten müsse.
Es sei das Recht der Ukraine, die Bedingungen dafür zu definieren, stellten Graham und Menon klar. Zur Auflösung der Fußnote[20] Aber Verhandlungen könnten sich nicht allein auf die Ukraine und Russland beschränken, denn ein Ausweg aus der gegenwärtigen Krise müsse neben der geopolitischen Orientierung der Ukraine auch Moskaus Bedenken bezüglich der europäischen Sicherheitsarchitektur adressieren. Dafür werde die russische Regierung vor allem mit den Vereinigten Staaten verhandeln wollen, dem einzigen Land, das – neben Russland – über das militärische Potenzial verfüge, die Machtbalance auf dem Kontinent zu beeinflussen. Die USA müssten folglich auch als Garant für ein Friedensabkommen fungieren.
Die mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine stehe im Zentrum einer solchen Debatte – Putin werde seinen Widerstand gegen den Beitritt nicht aufgeben. Graham und Menon empfehlen auszuloten, ob der Kreml die militärische Kooperation einer neutralen Ukraine mit westlichen Ländern akzeptieren würde, die eine Selbstverteidigung ermögliche, aber gleichzeitig die Dislozierung von Nato-Kampftruppen, -Waffen oder -Stützpunkten in der Ukraine ausschließe. Im Gegenzug müsse Russland auf die Stationierung militärischer Arsenale im Grenzgebiet verzichten. Zu ernsthaften Verhandlungen und Konzessionen wären die Kriegsbeteiligten vermutlich erst dann bereit, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass eine Fortsetzung der Kampfhandlungen mit höheren Kosten verbunden wäre als die Zugeständnisse, die ihnen eine diplomatische Regelung abverlangen würde. Auf eine solche Situation müsse man sich – anknüpfend an die Vorschläge der ukrainischen Regierung vom März 2022 – vorbereiten.
In ähnliche Richtung argumentieren aktuelle Beiträge, etwa von Tapio Kanninen (Vorsitzender von Global Crisis Network, New York) und Heikki Patomäki (Professor für Weltpolitik und internationale Volkswirtschaft an der Universität Helsinki). Sie empfehlen, praktikable Bedingungen für ein Abkommen auszuarbeiten, das beiden Ländern mehr Vor- als Nachteile verspricht. Die Ukraine, so Kanninen und Patomäki, könne „nur mithilfe des Westens und insbesondere der USA vom Sinn von Verhandlungen überzeugt werden“, und sie benötige dafür konkrete Garantien. Ein Abkommen müsse sicherstellen, dass die russische Invasion nicht belohnt wird und ein möglicher Vertrag nicht zur Destabilisierung des internationalen Systems führt. Mit Blick auf Russland müsse man jedoch auch „anerkennen, dass seine Sicherheitsinteressen (…) legitim und mehrere seiner früheren und aktuellen Forderungen nicht aus der Luft gegriffen sind.“ Zur Auflösung der Fußnote[21]
Im Dezember 2021 hatte Moskau den USA und der Nato dazu Vertragsentwürfe vorgelegt, die abgelehnt wurden. Zur Auflösung der Fußnote[22] „Einige Vertragspunkte hätten womöglich ausgehandelt und vereinbart werden können, andere Forderungen waren hingegen schwer annehmbar oder komplett inakzeptabel“ (ebd.). Die Autoren erinnern auch daran, dass zu Beginn der russischen Invasion einige ehemalige Diplomaten und Wissenschaftler Zur Auflösung der Fußnote[23] (Lord Owen u.a.) empfahlen, die Nato möge gemeinsam mit der Ukraine Vorschläge für die Verhandlung eines neuen Vertrags mit Russland erarbeiten, der „keine institutionelle Feindschaft erzeugt.“
Ein solcher Vertrag müsse Vereinbarungen zum Abzug atomwaffenfähiger Raketen, vertrauensbildende Maßnahmen zur Begrenzung der Truppenstärke und internationale Vereinbarungen über die umstrittenen russisch-ukrainischen Grenzen umfassen. Außerdem, so schlagen Kanninen und Patomäki vor, müsse man ernsthaft über die Möglichkeit von entmilitarisierten Zonen unter der Obhut der Vereinten Nationen für längere Zeiträume nachdenken. Verhandlungen sollten möglichst von Staaten, die aus der Sicht der Ukraine und Russlands nicht direkt am Konflikt beteiligt sind, angebahnt werden. Ziel könnte ein vom UN-Sicherheitsrat verkündeter Waffenstillstand sein, mit dem gleichzeitig eine UN-Friedenstruppe mandatiert wird. Auf dieser Grundlage könnten dann vertrauensbildende Maßnahmen etabliert werden, um Fragen wie jene über den Status der Ukraine und offizielle Abrüstungsverhandlungen zu initiieren.
In den US-amerikanischen Denkfabriken gibt es weitere bedenkenswerte Studien und Analysen. Wissenschaftler:innen am Institute for the Study of War analysieren das Kriegsgeschehen fortlaufend anhand ukrainischer, russischer und internationaler Quellen. Zur Auflösung der Fußnote[24] In der Zeitschrift Foreign Affairs Zur Auflösung der Fußnote[25] , im Onlinemagazin Responsible Statecraft Zur Auflösung der Fußnote[26] des Quincy Institutes sowie in Studien der RAND Corporation wurden diverse Vorschläge für die Deeskalation und Beendigung des Kriegs veröffentlicht. Anders als viele Beratungsagenturen in den europäischen Hauptstädten, legen sie auch einen starken Fokus auf die Eskalationsgefahren.
„Avoiding a long war“ – Eine Studie der RAND Corporation
Besonders aufschlussreich erweist sich die RAND-Studie von Samuel Charap und Miranda Priebe. Zur Auflösung der Fußnote[27] Sie gehen sehr detailliert der Frage nach den möglichen Auswirkungen eines langanhaltenden Krieges nach und begründen, warum ein solcher auf keinen Fall wünschenswert wäre – weder für die Ukraine, noch für die USA und ihre Verbündeten und die übrige Welt. Sie sehen vor allem das Risiko, dass irgendwann ein Nato-Mitgliedsland in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei denken sie weniger an absichtliche Angriffe als an Irrläufer. Als Beispiel nennen sie die ukrainische Luftabwehrrakete, die im November 2022 auf polnischem Gebiet einschlug. Es könne ein „spill over“ auf Bündnisgebiet erfolgen, auch mit umgekehrten Vorzeichen, denn auch russische Raketen könnten vom Kurs abkommen und einen Aktions-Reaktionsmechanismus auslösen, der in einen viel größeren Krieg münden kann.
Eine weitere Gefahr sehen die Autor:innen im möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen von russischer Seite. Diese Gefahr dürfe man nicht herunterspielen, sondern man müsse sie sehr ernst nehmen, denn unter russischen Kommandeuren sei diese Möglichkeit angesichts von Verlusten im Herbst 2022 durchaus diskutiert worden. Die Einschätzung, dass Russland vom Einsatz von Atomwaffen aus eigenem Interesse absehen würde, verkenne, dass dieser Krieg für das Regime inzwischen nahezu existenzielle Bedeutung habe, und dass es bereit sei, einen hohen Preis zu zahlen, erst recht, falls es bei den konventionellen Kapazitäten (trotz der Überlegenheit an Personal) Engpässe geben sollte. Der Einsatz taktischer Atomwaffen wiederum könnte einen umfassenden Nuklearkrieg zwischen Russland und der Nato nach sich ziehen.
Weiterhin hinterfragen Charap und Priebe Zur Auflösung der Fußnote[28] die Annahme, dass ein möglichst großer territorialer Rückgewinn durch die ukrainischen Streitkräfte vorteilhaft und wünschenswert wäre. Sie plädieren dafür, die Frontlinie, die ukrainische Truppen im Dezember 2022 erreicht haben, als „ausreichend vorteilhafte Grundlage“ für einen Verhandlungsprozess zu bewerten. Diese Linie stelle sicher, dass keine für das Land vitalen Regionen verloren seien. Angesichts der militärischen Pattsituation sei offen, ob weitere Gebietsgewinne möglich sind – die Fortsetzung des Kriegs könne auch weitere Gebietsverluste nach sich ziehen.
Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, Moskau werde versuchen, inzwischen besetzte Gebieten zu behalten, einen militärischen Sieg über die Ukraine jedoch nicht mehr erzielen können. Ein militärischer Sieg der Ukraine, der mit einer Rückeroberung aller besetzten Regionen ende, sei ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn es den ukrainischen Streitkräften gelänge, alle Gebiete einschließlich der Krim zurückzugewinnen, habe Putin die Eskalationsdominanz mit Luftwaffe und Marine, die in diesem Krieg noch kaum Verluste erfuhren. Man solle sich vor Augen führen, so Charap und Priebe, dass ein länger andauernder Krieg weitere menschliche Verluste, Leid für die ukrainische Bevölkerung und einen ökonomischen Niedergang mit sich bringen würde. Auch die Kosten für Europa und den globalen Süden durch Inflation und Lebensmittelengpässe seien in Rechnung zu stellen. Daher solle die amerikanische Regierung darauf hinwirken, dass ein langandauernder Krieg vermieden wird. Es brauche Verhandlungen, um einen Waffenstillstand zu erwirken. Die Aussichten dafür stünden kurzfristig schlecht, dennoch müsse man sich bemühen, dorthin zu gelangen.
Zugleich unterscheiden die Autor:innen klar zwischen Waffenstillstandsabkommen (armistice agreements) und politischen Abkommen (political settlements). Ähnlich wie im Koreaabkommen (1953) oder im Abkommen zwischen Moldau und Transnistrien (1992) könne man die Gewalt durch demilitarisierte Zonen stoppen, mit dem Ergebnis weitgehend geschlossener und militarisierter Grenzen, ohne dass die Konfliktursachen und gegenläufigen politischen Interessen verhandelt würden. Damit würde man den Krieg längerfristig einfrieren. Strebe man stattdessen ein politisches Abkommen an, wären Kompromisse in den strittigen territorialen und geostrategischen Fragen auszuhandeln. Die bilateralen Verhandlungen, die im März 2022 im Istanbul-Communiqué mündeten, hätten die relevanten Themen benannt. Die Erwartungen Russlands erstrecken sich auf die Neutralität der Ukraine, und das Hauptinteresse der Ukraine liege auf westlichen Sicherheitsgarantien.
Charap und Priebe weisen zudem darauf hin, dass sich politische Abkommen in der Regel als dauerhafter erwiesen, aber viel schwerer zu erreichen seien. Ein politisches Abkommen würde regionale Stabilität ermöglichen und eine Behandlung von Fragen, die die Sicherheitsarchitektur im Eurasischen Raum betreffen. Aber man könne auch zunächst über Wiederaufbau, Aspekte des Handels, Personen- und Güterverkehr verhandeln, während die komplexen territorialen Fragen in einem späteren Schritt behandelt werden: „A political settlement does not have to definitely resolve all the differences between the parties; it does need to address enough of these differences to qualitatively improve the broader relationship between the belligerents“. Zur Auflösung der Fußnote[29] Viele Abkommen bewegen sich irgendwo zwischen Waffenstillstands- und Friedensvereinbarungen. Auch die Beendigung des Ukrainekriegs könnte sich in solch einer Zwischenform vollziehen.
Die USA selbst könnten den Krieg zwar nicht verkürzen, aber durchaus Schritte ergreifen, um seine Beendigung zu unterstützen: „Avoiding a long war requires efforts to spur talks. And the United States could take steps to address key impediments to starting them“. Zur Auflösung der Fußnote[30]
Hindernisse sehen Charap und Priebe allerdings in der Annahme sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite, dass sich die Dynamik des Krieges zu den jeweils eigenen Gunsten entwickele, und dass man über das längere Durchhaltevermögen verfüge. Zudem gebe es auf beiden Seiten großes Misstrauen, ob die andere Seite ein Abkommen auch einhalten würde. Um dem zu begegnen, könnten die USA gemeinsam mit anderen Staaten auf demilitarisierte Zonen hinwirken. Gleichzeitig müssten sie verbindliche Festlegungen über die zukünftigen Sicherheitsgarantien und militärische Unterstützung jenseits einer Nato-Mitgliedschaft ausbuchstabieren.
Als Vorbild für Sicherheitsgarantien nennen Charap und Priebe die umfassenden Zusagen, die die USA gegenüber Israel verbrieft haben, um dessen Zustimmung zum Frieden mit Ägypten zu erhalten. (Anm. der Autorin: Eine solche Variante wurde vom amerikanischen Präsidenten Joe Biden beim jüngsten Nato-Treffen in Vilnius bereits in Erwägung gezogen). Solche Garantien wären unterhalb von Beistandsverpflichtungen angesiedelt, könnten aber sehr weitreichende Formen annehmen, und man könne sie mit langfristiger militärischer und ökonomischer Unterstützung verknüpfen. Allerdings wären Sicherheitsgarantien für die Ukraine wiederum für den Kreml akzeptabler, wenn sie nicht nur von den USA, sondern auch von weiteren, nicht in die westliche Allianz eingebundenen Staaten getragen würden. Auch die G7-Staaten hätten bei ihrem Treffen im Juli 2022 bereits in Aussicht gestellt, dass sie zur Unterstützung im Falle eines erneuten Angriffs nach einem Waffenstillstand bereit wären.
Noch würden Russland und die Ukraine eine Fortsetzung des Kampfes positiver einschätzen als einen Friedensschluss. Die US-Regierung solle versuchen, die Dynamik zu beeinflussen, indem sie ihre Bereitschaft zur zukünftigen militärischen Unterstützung erklärt und Sicherheitsgarantien im Falle einer Neutralität des Landes und Bedingungen für die Lockerung von Sanktionen formuliert (Charap and Priebe). Zur Auflösung der Fußnote[31] Hilfen müssten so ausbalanciert werden, dass die Ukraine ausreichend Sicherheit gewinnt und dass gegenüber Russland keine Schwäche signalisiert wird; man dürfe sie aber nicht so gestalten, dass sie die Ukraine motivieren, den Krieg auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Auf russischer Seite gebe es die Annahme, dass westliche Sanktionen ein Ende des Krieges überdauern werden. Daher brauche es einen Prozess, in dem eine Lockerung von Sanktionen im Gegenzug für das Mitwirken an einem Abkommen moderiert wird.
Ein Krieg, der nicht gewonnen werden kann
Die Thesen aus der genannten Studie hat Samuel Charap in einem Beitrag für Foreign Affairs nochmals zugespitzt. Zur Auflösung der Fußnote[32] Er betont: „The Ukrainians are the ones dying for their country, so they ultimately get to decide when to stop – regardless from what Washington might want, but it is time now that the United States develop a vision for how the war ends. Fifteen months of fighting has made clear that neither side has the capacity – even with external help – to achieve a decisive military victory over the other.”
Das Argument, dass die ukrainische Regierung soeben eine Frühjahrsoffensive gestartet habe, lässt Charap nicht gelten. Denn selbst wenn sie erfolgreich wäre und die Frontlinie nochmals verschieben könnte, würde sie den Krieg nicht beenden. Weitere Mobilisierungsrunden könnten folgen, Bombardements ukrainischer Städte – oder auch eine Stillhaltetaktik, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder anzugreifen. Oft würden Staaten weiterkämpfen, auch wenn sie ihre Ziele nicht mehr erreichen können. Unter Verweis auf Studien des Center for Strategic and International Studies und der Universität Uppsala belegt Charap, dass etwa 50 Prozent aller zwischenstaatlichen Kriege maximal ein Jahr dauern. Kriege, die nicht in diesem Zeitraum beendet wurden, erstreckten sich im Schnitt über mehr als eine Dekade – wie beispielsweise der Iran-Irak-Krieg, der fast eine halbe Million tote Soldaten und ebenso viele Verwundete mit sich brachte. Es gelte, die Ukraine vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.
Unabhängig davon, wie viel Territorium die ukrainischen Streitkräfte wiedergewinnen, werde Russland die Fähigkeit behalten, die Ukraine fortlaufend zu bedrohen. Gleichzeitig werde die Ukraine weiterhin die Fähigkeit besitzen, russisch besetzte Gebiete anzugreifen und auch militärische und zivile Ziele in Russland ins Visier zu nehmen. Ein langwieriger und zerstörerischer Konflikt wäre die Folge. Auf dieses Szenario müssten sich die USA einstellen: „An effective strategy (…) requires the United States and its allies to shift their focus and start facilitating the endgame.“
Auch wenn kurzfristig kein politisches Friedensabkommen vorstellbar sei, sei zumindest eine bilaterale Waffenstillstandsvereinbarung wünschenswert. Der Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea habe seit 1953 gehalten, obwohl beide Länder das Territorium der gesamten Halbinsel weiterhin für sich beanspruchen. Man könne der Ukraine keine Bedingungen diktieren. Dennoch sollten Diskussionen über eine Kriegsbeendigung zwischen den USA, den Verbündeten und der Ukraine rasch und parallel zur militärischen Unterstützung beginnen, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Es brauche Monate, um zwischen der Ukraine, der US-Regierung und den Verbündeten eine gemeinsame diplomatische Strategie zu entwickeln. Je eher man die Diskussion beginne, desto besser.
Anders als die beiden „Minsker-Abkommen“, Zur Auflösung der Fußnote[33] die 2014/2015 durch Frankreich und Deutschland vermittelt wurden, um die Kämpfe in der Ostukraine zu befrieden, müsse man ein zukünftiges Abkommen zwischen Russland und der Ukraine mit effektiven Mechanismen ausstatten, welche die Einhaltung des Vereinbarten durch beiden Seiten garantieren. Diese zu entwickeln sei die Herausforderung der Stunde – einschließlich der erforderlichen Sicherheitsgarantien, die jenseits der Nato international breit und gut verankert werden müssten. Denn – davon ist Charap überzeugt –, mit dem Insistieren auf einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine werde man Moskau nicht für einen Waffenstillstand gewinnen. Um all das vorzubereiten, brauche es spezielle Strukturen: Sondergesandte und diplomatische Akteure innerhalb der US-Administration, die sich der Ausarbeitung von Konzepten und intensiven Gesprächen zwischen den USA, den Verbündeten, der Ukraine und Russland widmen, die im absolut geschützten Raum und jenseits der öffentlichen Beobachtung gestaltet werden.
Diplomatische Foren und juristisch fundierte Konzepte sind notwendig
Auch hierzulande gibt es Empfehlungen, sich frühzeitig und fachlich fundiert auf Verhandlungen vorzubereiten. Im März 2023 erregte Wolfgang Ischinger, Staatssekretär und Botschafter a.D. sowie langjähriger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Aufmerksamkeit mit seiner Forderung, Deutschland müsse sich angesichts des russischen Angriffskriegs auf eine „Kriegswirtschaft“ einstellen. Dieses Anliegen wurde kontrovers diskutiert und von vielen als unpassend kritisiert. Weniger bekannt wurden seine Vorschläge zur Ausarbeitung fachlicher Konzepte, um einer Beendigung des Krieges näher zu kommen. Am 12. März 2023 veröffentlichte Ischinger konkrete Vorschläge für die Vorbereitung eines diplomatischen Prozesses. Zur Auflösung der Fußnote[34] Er distanzierte sich von Aufrufen zur sofortigen Einstellung der Waffenlieferungen und zugleich auch von denen, die argumentieren, die Voraussetzungen für Verhandlungen seien bis auf Weiteres nicht gegeben: „Also nur Krieg und Waffenlieferungen – wo soll das enden?“ Zwar könne man der Ukraine nicht Verhandlungsbereitschaft „jetzt und heute“ abverlangen. Es bleibe deren Entscheidung, wann und worüber sie verhandeln wolle. Gleichwohl dürfe man „nicht in politisch-strategischer Schockstarre“ verharren. Es sei an der Zeit, „einen Prozess zur Erarbeitung einer Friedenslösung für die Ukraine“ zu initiieren. Ischinger schlug vor, eine politisch-strategische Kontaktgruppe solle neben die militärische Ramstein-Kontaktgruppe treten und alle denkbaren Elemente künftiger Verhandlungskonzepte ausloten, Optionen für Verhandlungsstrategien entwickeln, Textentwürfe erarbeiten und mit der Ukraine abgleichen. Sollte es tatsächlich zu Verhandlungen kommen, könnte sie Teil einer Vermittlungsgruppe werden. Für den Friedensschluss in Bosnien-Herzegowina 1995 und zum Ende des Kriegs im Kosovo 1999 hätten größere Diplomaten-Teams über mehrere Wochen hinweg Textentwürfe für alle Eventualitäten vorbereitet – Gesetzestexte, detaillierte Vorschläge für Rüstungskontrollvereinbarungen und Überwachungsmodalitäten bis hin zur Einrichtung einer internationalen Schutztruppe. All das sei von Juristen durchgeprüft worden. Nur aufgrund solcher juristisch fundierter Vorarbeiten könne man Abkommen, die aus sehr umfangreichen Vertragswerken bestehen, dann bei Bedarf in einem überschaubaren Zeitrahmen erfolgreich verhandeln. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich ohnehin fortlaufend zur Situation abstimmen, sollten als „Vierergruppe“ den engsten Kern bilden, meint Ischinger. Drumherum könne sich „ein größerer Kreis von europäischen und transatlantischen Partnern gruppieren, darunter Kanada, Spanien, Polen, Italien, die Baltischen Staaten sowie die UN, EU, OSZE und Nato“.
Diese Gruppe solle auf Außenministerebene zusammentreten, einzelne Gespräche könnten an hohe Beamte oder Botschafter delegiert werden. Staaten des Globalen Südens – zum Beispiel Brasilien, Indien und China – sollten in einem weiteren Kreis mitwirken. Angesichts der russischen Veto-Blockade im UN-Sicherheitsrat könne so „eine gewisse Ersatz-Legitimität durch eine möglichst breite internationale Beteiligung“ hergestellt werden.
Die Gruppe solle die Modalitäten eines möglichen Waffenstillstands abstimmen und klären, welche Textentwürfe erforderlich sind, wie ein Friedensprozess überwacht werden kann, zum Beispiel durch die Vereinten Nationen oder die OSZE, und ob eine militärische Pufferzone nötig ist. Gleichzeitig müssten schon jetzt Bestandteile einer möglichen längerfristigen Friedenslösung skizziert werden: „Falls es der Ukraine nicht gelingen sollte, die Krim militärisch zu befreien, welche verschiedenen Szenarien böten sich für die Behandlung des Gebiets? (…) Hätten mehrere Staaten die Kontrolle über das Gebiet? Sollten die Bewohner der Krim in einem Referendum über ihre Zugehörigkeit entscheiden? Sollte man die Frage der Krim erst einmal ausklammern? Ähnliche Fragen könnten sich je nach Entwicklung der militärischen Lage für die Gebiete im Donbass oder Teile davon stellen.“
Auch über Sicherheitsgarantien müsse man sich verständigen: „Bleibt die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine auf der Tagesordnung? Oder wird der ukrainische Verzicht, den der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Frühjahr 2022 andeutete, doch wieder zum Verhandlungsgegenstand? Wie könnten für einen solchen Fall alternative Sicherheitsgarantien der USA und anderer Nato-Partner möglichst glaubwürdig ausgestaltet werden?“ Außerdem müsse über Wiederaufbau, Reparationen, internationale Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung von Kriegsverbrechen gesprochen werden, und es seien Überlegungen zur Neugestaltung einer verlässlicheren und dauerhaften europäischen Sicherheitsordnung notwendig. Dafür müsse ausgelotet werden, ob und wie nukleare und konventionelle Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen wiederbelebt werden könnten – und auch vertrauensbildende Maßnahmen, beispielsweise das Wiener Dokument über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (2011), Zur Auflösung der Fußnote[35] oder der Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies-Abkommen) Zur Auflösung der Fußnote[36] . Und es sei zu klären, welche Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zukäme, und ob eine Neuauflage der Charta von Paris für ein neues Europa (1990) Zur Auflösung der Fußnote[37] vorstellbar wäre. Zudem stelle sich auch die Frage nach der Bedeutung des Konzepts der „Neutralität“ in Europa. Aus solchen Überlegungen – so Ischingers Hoffnung – könnte sich ein neuer Helsinki-Prozess ergeben, der vor fast 50 Jahren in die Unterzeichnung der Grundakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mündete. Zur Auflösung der Fußnote[38] Man mag insbesondere das Modell der konzentrischen Kreise in der Verantwortung für den Prozess kritisch betrachten, das letztlich doch von einem recht eurozentrischen Blickwinkel getragen ist. Es stellt sich die Frage, ob die Bedeutung Deutschlands und der Einfluss europäischer Akteure in diesem Szenario nicht völlig überschätzt wird. Aber der Vorschlag verdeutlicht, ebenso wie Empfehlungen aus den amerikanischen Thinktanks, dass man extrem gut vorbereitet sein muss, wenn man erfolgreich auf die Deeskalation und Beendigung eines Krieges hinwirken möchte. Ohne eine fundierte inhaltliche wie diplomatische Vorbereitung läuft man Gefahr, dass man das „window of opportunity“, wenn es sich denn öffnet, nicht nutzen kann.
Zitierweise: Martina Fischer, „Wie ist dieser Krieg zu deeskalieren und zu beenden? Teil 1“, in: Deutschland Archiv, 27.07.2023, Link: www.bpb.de/523377
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
07.08.2023
Eskalation im Niger – Wie in Mali: Beteiligung von auch durch die „Bundeswehr“ ausgebildete Soldaten und Armeeeinheiten am Militärputsch wahrscheinlich.
Am 26.7.2023 fand im Niger ein Militärputsch statt. Derzeit droht die Lage zu eskalieren, eine militärisch-kriegerische Eskalation scheint möglich. Niger wurde bis zuletzt von „Bundeswehr“ und „Verteidigungs“minister als „Stabilitätsanker“ in der Sahel-Zone gepriesen.
Auch Mali galt bis zum Militärputsch am 18.8.2020 als so ein Stabilitätsanker.
In beiden Ländern hat sich die deutsche Armee in unterschiedlicher Weise, zumeist eingebettet in EU-Missionen engagiert.
Klar ist auf jeden Fall: Die „Bundeswehr“ und ihre „Spezialkräfte“ haben seit 2021 die nigrischen „Spezialkräfte“ ausgebildet und ausgerüstet. „Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung“ heißt das auf militärdeutsch, „Joint Special Operations Task Force Gazelle“ der Einsatzname. Die deutsche Armee schreibt dazu (Hervorhebungen durch uns):
„Der Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle verfolgt zwei Handlungslinien: Zum einen wurde der Partnerverband 41. Bataillon Special d’Intervention seit 2018, zunächst im Rahmen der Mission Gazelle, ausgebildet. Auch wurde er unter anderem mit Schutzausstattung, Geländewagen, Funk- und Nachtsichtgeräten materiell ausgestattet sowie die erforderliche Infrastruktur am nigrischen Heimatstandort in Tillia mitfinanziert. Nach einer Ausbildungsphase begleiten die Kampfschwimmer wechselweise je eine der drei Kampfkompanien des 41. Bataillon Special d’Intervention und evaluieren den Ausbildungsstand dieser Einheit während ihrer Operationen.
Zum anderen wurde zusammen mit den nigrischen Partnern mitten in der Dornstrauchsavanne eine Ausbildungseinrichtung für Spezialkräfte aufgebaut – das Centre d’Entrainement des Forces Speciales. Hier werden, derzeit noch mit Hilfe von Mentoren westlicher Partnernationen, alle nigrischen Spezialkräfte ausgebildet, evaluiert und durch mobile Ausbilderteams an den landesweiten Standorten unterstützt. (…)
Am Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle waren bisher die Spezialkräfte der Marine, der Luftwaffe und des Heeres sowie über 50 verschiedene Dienststellen und Truppenteile aus nahezu allen Organisationsbereichen der Bundeswehr beteiligt.
Von Anfang war das Kommando Spezialkräfte der Marine der Leitverband für die Mission und später den Einsatz Gazelle und stellt mit seinen Kampfschwimmern den Kern der Ausbilder. Zahlreiche Kampfschwimmer aus Eckernförde waren wiederholt in Niger.
Gemeinsam mit Spezialkräften westlicher Partnernationen wie den USA, Belgien und Italien beraten deutsche Ausbilder die nigrischen Spezialkräfte. Den Schwerpunkt des Einsatzes der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle bildet auch in der letzten Phase des Einsatzes die Ausbildung und Evaluierung nigrischer Spezialkräfte, einschließlich nigrischer Ausbilder.
Einzelpersonal aus dem Kommando Spezialkräfte ist ebenfalls Teil der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle. So arbeiten Kommandosoldaten mit ihren Marinekameraden als Ausbilder und Berater an der Spezialkräfteschule oder in mobilen Evaluierungs- und Trainingsteams zusammen.
Zur direkten Unterstützung der Kampfschwimmer sind als schnelle Eingreifkräfte Quick Reaction Force Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung in Tillia. Sie werden durch eine hochwertige und intensive Ausbildung gesondert befähigt, eng mit Spezialkräften zu operieren. Als Angehörige der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle übernehmen auch die Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung eigene Ausbildungsaufgaben für nigrische Partner oder unterstützen als Ausbilder in Kursen der nigrischen Spezialkräfteschule.
Die Spezialkräfte der Luftwaffe sind mit dem Waffensystem Leichter Unterstützungshubschrauber Spezialkräfte H145M und rund 25 Frauen und Männern vor Ort. Im Kleinen bilden sie alle Fähigkeiten ab, die sonst auf mehrere Einheiten verteilt sind: Technikpersonal, Piloten, Luftumschlag, Munitions-, Rettungsmittel- oder Betriebsstoffspezialisten. Oft übernehmen die Kameraden mehrere Aufgaben, um jederzeit einsatzbereit zu sein. Im Ernstfall werden die bewaffneten LUH SOFLight Utility Helicopter – Special Operation Forces zur Feuerunterstützung der deutschen Soldatinnen und Soldaten aus der Luft eingesetzt. Behelfsmäßiger Verwundetentransport sowie Nachversorgung sind ebenfalls Teil ihres Auftrages. (…)“
Das Auswärtige Amt äußert sich auf eine Beteiligung von durch die „Bundeswehr“ ausgebildete nigrische Militärs am Putsch nicht eindeutig und das Bundes“verteidigungs“ministerium wollte auf eine Presseanfrage zu dieser Frage und zu Fragen, inwiefern durch Deutschland geliefertes Material, Fahrzeuge oder Waffen am Putsch beteiligt sind oder sein könnten bislang noch gar nicht antworten …
„Der Einsatz der Joint Special Operations Task Force Gazelle ist eine Kombination aus einem Spezialkräfte Military Assistance Ansatz und der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Dadurch war es möglich, mit einem vergleichsweise geringen Kräfteansatz nigrische Spezialkräfte flexibel auszubilden und zu beraten sowie die materielle Ausstattung unserer Partnereinheit zu verbessern sowie die erforderliche Infrastruktur zu finanzieren. Das aufeinander aufbauende Zusammenspiel dieser Aspekte ist im Vergleich zu anderen Einsätzen einzigartig. (…) Grundlage für den Erfolg: klar formulierte Ziele, zeitlich befristetes Engagement und maximale Teilhabe der Partnernation. Ausgangspunkt für die Unterstützung unseres nigrischen Partners war die gemeinsame Definition der zu erreichenden Ziele. Dabei ging es darum, konkret festzuschreiben, was wir bis zu einem bestimmten und ebenfalls festgeschriebenen Zeitpunkt erreichen wollten. Die Ziele sollten messbar, erreichbar und damit nicht überambitioniert sein, gleichzeitig aber einen Beitrag zur Stärkung der Sicherheitsstrukturen in dem afrikanischen Staat leisten. Gerade mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte haben wir einen Partner, der mit einem klaren Konzept und eigenen Vorstellungen, ausgerichtet an dem Machbaren, sich in den Prozess eingebracht hat. Auch die Ausbildung unseres Partnerverbandes wurde von ihm begleitet, Fortschritte gewürdigt. Es wurde auch von nigrischer Seite nachgesteuert, wo es erforderlich war. (…) Die Partnerschaft hat sich als loyale und respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe dargestellt. Stets den Bedarf der nigrischen Spezialkräfte im Fokus wurde sich gegenseitig abgestimmt und das weitere Vorgehen erarbeitet. Ausgeprägte Motivation beiderseits diente als Grundlage für die zügige Umsetzung des Auftrages. Der Erfolg dieses Military Assistance Engagements beruht auf einer über Jahre hinweg gemeinsam gewachsenen Vertrauensbasis. (…) Gazelle verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen die Befähigung eines nigrischen Spezialkräfte-Bataillons im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Zum anderen die Unterstützung zum Aufbau und Betrieb der nigrischen Spezialkräfteschule. Der Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte erwähnt gerne, dass das in Tillia ausgebildete Bataillon zur Spitze der nigrischen Streitkräfte gehört. Die Kompanien unseres Partnerbataillons werden neben den besonderen Aufgaben in der Region um Tillia, aber auch für Operationen in anderen Sicherheitszonen, so an der Grenze zu Mali und Burkina Faso sowie an der Grenze zu Nigeria, eingesetzt. Dies unterstreicht die hohe Leistungsfähigkeit der ausgebildeten Sicherheitskräfte. (…) Zusammenfassend kann ich sagen, dass durch Gazelle die nigrischen Sicherheitsstrukturen gestärkt und eine signifikante Steigerung der Sicherheit in der Grenzregion zu Mali erreicht werden konnte. Mit Betrieb der Spezialkräfteschule wurden darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen, nachhaltig positive Effekte auf die Sicherheitslage in Niger zu erzielen. (…)“
Klar ist: Der bisherige Chef der durch Deutsche aus- und fortgebildeten (ist Kriegsführung „Bildung“?) nigrischen Spezialkräfte – der wohl eben mehrfach erwähnte Kommandeur Barmou – wurde von den Putschenden inzwischen zum neuen Oberbefehlshaber der nigrischen Armee befördert, ist also ein Teil des Spitzenpersonals des Militärputsches. Die Phrasen von der „gemeinsamen Vertrauensbasis“ und den „nachhaltig positiven Effekten auf die Sicherheitslage“ wirken im Nachhinein bitter und ernüchternd.
Auch andere Portale haben darüber schon berichtet, die Tagesschau schreibt gar pointiert:
„Jetzt aber sieht es so aus, als sei die Bundeswehr zu erfolgreich mit ihrer Ausbildung gewesen: Brigadegeneral Batoure, der Chef der nigrischen Spezialkräfte soll auf Fotos der Putschisten zu sehen sein. Das Grundproblem, dass westliches Training nicht nur im Anti-Terrorkampf erfolgreich eingesetzt werden kann, hatte die Bundeswehr übrigens schon im Nachbarland Mali, wo man auch einige Teilnehmer der verschiedenen Putsche der vergangenen Jahre militärisch ausgebildet hatte. „
Und heute nun haben die Militärputschenden im Niger den Luftraum über dem Land in Erwartung eines Angriffes von anderen westafrikanischen Staaten und durch Frankreich für geschlossen erklärt. Es stinkt nach Krieg.
Niger war bis zu seiner formellen Unabhängigkeit in 1960 eine Kolonie Frankreichs. Wieweit diese Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht tatsächlich erreicht wurde bleibt diskutabel.
Und auch gut zu wissen: „Frankreich bezieht den größten Teil seines Urans, das für seine Nuklearindustrie benötigt wird, aus Niger.“ (Quelle)
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