(Hg.) Andreas Bracher
Aus dem Englischen von Peter Geiger –
Basel: Perseus Verlag 2008 ISBN 978-3-907564-69-1 Eine
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse dieses Buches findet sich in
einem mehrteiligen Interview mit Antony Sutton auf you tube: http://www.youtube.com/watch?v=3sCpsq55uic&feature=related
- H I E R F O L G E N A U S Z Ü G E -
S. 10 Vorwort des deutschen Herausgebers
Die Veröffentlichung einer deutschen Übersetzung von Antony Suttons Buch
Wall Street and the Rise of Hitler möchte zunächst ein Versäumnis gutmachen.
Das Buch, 1976 auf Englisch veröffentlicht, hätte längst auch im Deutschen
erscheinen sollen; wäre es früher rezipiert worden, hätte es die Diskussion um
das Dritte Reich um eine wesentliche Perspektive erweitern können.
In den zweiunddreissig Jahren seit seiner englischsprachigen Erstveröffentlichung sind Hunderte von Büchern über den Nationalsozialismus beziehungsweise einzelne Aspekte davon aus dem Englischen übersetzt auf
Deutsch erschienen, Bücher unterschiedlichster Inhalte und Blickrichtungen,
aber kaum eines wohl mit einem so sensationellen Inhalt: Sutton zeigt anhand
von allgemein zugänglichem Quellenmaterial, was sonst nur manchmal geraunt und vorschnell in eine politisch anrüchige Ecke abgeschoben wurde:
dass es eine bedeutende, willentliche amerikanische Mitwirkung beim Heraufkommen des Dritten Reiches bis 1933 und bei seiner Machtsteigerung
nach 1933 gegeben hat. Das Dritte Reich ist, das legt Sutton nahe, bis zu einem
gewissen Grade, auch so etwas wie ein amerikanisches Klientelregime beziehungsweise ein Klientelregime der «Wall Street», das heisst der wirtschaftlichen Machtelite der USA, gewesen. Das Bild, das sich einem (über Sutton
hinaus) ergibt, wenn man seine Fakten auf sich wirken lässt, ist das des «Dritten Reiches» als einer zeitweiligen, mehr oder weniger notwendigen Metamorphosenform Deutschlands auf dem Weg, der vom Kaiserreich über die
Niederlage von 1918 bis schliesslich zur Gründung und Westintegration der
Bundesrepublik 1949 bis 1955 führte. Der innere Kompass dieses Weges war
es, Deutschland in eine Form zu bringen, in der es einem amerikanisch beziehungsweise angloamerikanisch geführten Weltsystem «kompatibel» sein
konnte. Das Steuer auf diesem Weg lenkte eine wirtschaftliche Elitengruppe
in den USA – Sutton nennt sie in diesem Buch kurz die Wall Street –, der
Transmissionsriemen waren amerikanisch-deutsche Konzern- beziehungsweise Unternehmensbeziehungen. Der Treibstoff waren in der Zwischenkriegszeit die Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auferlegten unmöglichen Reparationszahlungen und ihre zeitweilige Scheinregelung durch einen gigantischen transatlantischen Finanz- und Kreditkreislauf.
Die Beziehungen grosser amerikanischer Konzerne zum Deutschland des
Nazismus haben in den Jahren seit dem Erscheinen von Suttons Buch immer
wieder Aufmerksamkeit gefunden. Besonders war das in der Zeit eines verstärkten amerikanischen Drucks erst auf Schweizer und dann auf deutsche
Unternehmen seit etwa Mitte der neunziger Jahre der Fall. Damals lösten die
Restitutionsforderungen gegen Schweizer Banken (wegen ihrer Einbehaltung
von Konten von Holocaustopfern) und gegen deutsche Unternehmen (wegen
der Beschäftigung von Zwangsarbeitern) ein neues Interesse am Verhalten
10 Vorwort des deutschen Herausgebers
von Unternehmen im Dritten Reich aus, das dann auch nicht vor amerikanischen Unternehmen Halt machte.1 Diese Untersuchungen haben zweifellos
viel neues Material zutage gefördert. Ihre Grenze liegt darin, dass sie alle
mehr oder weniger von der dogmatisch festgehaltenen Vorstellung ausgehen,
dass es nur kurzfristige Profitinteressen, das heisst Gier war, was diese jeweiligen Firmenpolitiken inspiriert hat. Allein Sutton, der selbst ebenfalls das Profitmotiv betont, hat doch auch die Konsequenz aufgebracht, dieses Handeln amerikanischer Konzerne in einem grösseren Muster zu betrachten.
Gegenüber der hundertfältigen NS-Literatur des akademischen «Kartells»
(derzeitiger Immer-Noch-Spitzenreiter der gegenseitigen Superlativpreisungen: «Sir» Ian Kershaw mit seiner Hitlerbiographie) ist Sutton daher so etwas
wie der ungeliebte Gast auf einer Hochzeitsgesellschaft; derjenige, der an das
Tabu rührt, von dem niemand sonst auch nur reden darf. Sein Buch ist ein
Buch, das so unmittelbar in einen Bereich des «unberührbaren Unbewussten»
des westlichen, transatlantischen Meinungskartells zielt, dass es eigentlich
nur ignoriert werden kann. Das ist ihm denn auch tatsächlich passiert: Das
Buch ist seit seinem Erscheinen 1976 in akademischen Kreisen kaum rezipiert
worden, es wird weder bestätigt noch widerlegt, es wird einfach nicht diskutiert. Manchmal, ganz selten, taucht es verschämt in Bibliographielisten am
Ende irgendwelcher Werke, etwa zur Frage der Finanzierung der NS-Bewegung oder zur Frage der Beziehungen von US-Konzernen zum Dritten Reich,
auf. Ansonsten fristet es ein gewisses Dasein in Zirkeln historisch Interessierter ausserhalb der Universitäten; Sutton hat dort einen Ruf besonders wegen
seiner späteren Bücher über den Orden Skull & Bones. Andererseits sind für
diese Zirkel, die oft schnurstracks auf die Lösung der Gesamtweltverschwörung samt genauer Nennung der Hintermänner losgehen, Suttons Wall-Street-Bücher zu mühsam; sie sind methodisch zu sorgfältig und minuziös gearbeitet, um von Beginn an jenen vollen Akkord erklingen zu lassen, der sie für das «preaching to the converted» wirklich brauchbar machen würde.
1 Siehe zum Beispiel Ulrich Völklein, Geschäfte mit dem Feind. Die geheime Allianz des grossen Geldes während des Zweiten Weltkriegs auf beiden Seiten der Front, Hamburg 2002; Edwin
Black, IBM and the Holocaust. The Strategic Alliance between Nazi Germany and Americas Most
Powerful Corporation, London 2001. Typisch für die aufgewühlte Atmosphäre der Restitutionsverhandlungen waren auch Zeitungsartikel, die sich mit dem Handeln amerikanischer
Konzerne befassten. Zum Beispiel: Herbert Reginbogin, «Erträgliches Geschäft mit dem
Feind. Amerikanisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen im Krieg», in: NZZ, 22.10.1998;
Klaus Wiegrefe, «Orden für Henry», in: Der Spiegel, Nr. 50/1998, S. 184f.; Philipp Gassert,
«Handel mit Hitler. Nach den Schweizer Banken geraten nun auch die amerikanischen
Unternehmen ins Visier», in: Die Zeit, 14.1.1999, S. 78; Tobias Jersak, «Öl für den Führer.
Mit amerikanischem Treibstoff lief die deutsche Kriegsmaschinerie wie geschmiert», in: FAZ,
o.D. (um 1999). Ein weiteres, schon in den achtziger Jahren erschienenes bedeutendes Buch
zum Thema ist: Charles Higham, Trading with the Enemy. An Expose of the Nazi-American
Money Plot 1933-1949, New York 1983.
S.11
Antony Sutton (1925-2002) war der Geburt nach Engländer, lebte aber die
meiste Zeit seines Lebens in den USA und fühlte und gebärdete sich als amerikanischer «Patriot».2 Er war professioneller Historiker, der in den sechziger
und siebziger Jahren in akademischen Institutionen an der amerikanischen
Westküste beschäftigt war. Unter anderem lehrte und forschte er einige Jahre
am Hoover Institute an der Stanford University, der bedeutendsten Forschungsinstitution in den USA mit Bezug auf Russland und die russische
Geschichte. Sein historisches Interesse konzentrierte sich zunächst auf eine
vom Kalten Krieg vorgegebene, im McCarthyismus der fünfziger Jahre vielbesprochene Thematik: die Frage nach der westlichen Unterstützung für die
Sowjetunion in Form von Technologietransfer und Wirtschaftshilfe, das heisst,
könnte man sagen, die Frage nach dem «Verrat» im Kalten Krieg. In einer
dreibändigen, äusserst minuziösen Untersuchung, Western Technology and
Soviet Economic Development (Stanford 1968-1973), kam er zu dem Schluss,
dass bei weitem der Grossteil der sowjetischen Technologie aus dem Westen
kam und dass die Sowjetunion an sich ohne westliche Technologietransfers
und anderweitige Hilfe niemals überlebensfähig gewesen wäre. Mit dieser
Fragestellung und diesen Forschungsergebnissen manövrierte sich Sutton
immer weiter in eine Art Frontstellung gegen die herrschenden Eliten in den
USA. Mit der Reihe seiner drei Wall-Street-Bücher 1974-1976 ging er dann
auf einen direkten Konfrontationskurs. Er untersuchte die Rolle einer Reihe
von Institutionen und Personen der Wall Street bei drei zentralen, bedeutsamen Ereignissen des frühen 20. Jahrhunderts: der Russischen Revolution 1917
(Wall Street and the Bolshevik Revolution), der Wahl Franklin D. Roosevelts zum
Präsidenten der USA 1932 (Wall Street and FDR) und dem Aufstieg Hitlers in
Deutschland mit der Machtergreifung 1933 (Wall Street and the Rise of Hitler).
Diese Bücher stellten ihn ins akademische Abseits. Sutton hatte mit ihnen
offenbar eine unsichtbare Linie überschritten, er wurde zu einem Niemand,
zu einer geächteten Aussenseiterfigur, zu einem Einzelkämpfer jetzt ausserhalb
der geschlossenen Kreise einer vermeintlich seriösen Wissenschaft. Jemand
spielte ihm aber dann um 1980 die Mitgliederlisten einer geheimen Gesellschaft zu, und für Sutton wurde das zu einer Offenbarung: in dieser Geheimgesellschaft, dem Orden Skull & Bones (einer sogenannten Senior Society der
Yale-Universität), glaubte er nun das eigentliche Zentrum dessen gefunden
zu haben, was sich ihm in seinen früheren Büchern als das Zusammenwirken
einiger diffuser Elemente aus der Wall Street in der Politik des 20. Jahrhunderts ergeben hatte. Die Bändchen, die er in der ersten Hälfte der achtziger
Jahre über das Wirken von Skull & Bones schrieb, wurden zu einer Art Hauptwerk Suttons. Zusammengefasst unter dem Titel Americas Secret Establishment. An Introduction to the Order of Skull & Bones sind sie in den letzten zwan
2 Eine ausführlichere Darstellung von Suttons Leben und Werk findet sich in: Andreas Bracher,
«Schädel und Knochen an der Wall Street.» Antony Sutton und die Hintergründe der
amerikanischen Weltpolitik im 20. Jahrhundert, in: ders., Europa im amerikanischen Weltsystem.
Bruchstücke zu einer ungeschriebenen Geschichte des 20. Jahrhunderts, Basel (Perseus) 2001,
S. 49-77.
S. 12
zig Jahren zu einem weltweiten Klassiker der Untergrundliteratur beziehungsweise einer Gegengeschichtsschreibung geworden.3
Sutton fühlte sich als ein Krieger des Worts in einem langwierigen Krieg
mit dem amerikanischen Establishment, er fühlte sich als Individuum in
einem Kampf gegen antiindividualistische, korrumpierende und unterdrückende Mächte, als ein Ritter der Wahrheit gegen ein Heer der Lüge und der
ideologischen Verkleisterung. Er war offenbar bereit, alle Nachteile, die eine
solche Rolle mit sich bringt beziehungsweise für ihn mit sich brachte (Verlust
des Arbeitsplatzes und von Einkommensmöglichkeiten, Verlust öffentlicher
Präsenz und Anerkennung), auf sich zu nehmen. Diese Situation ist in seinen
Büchern an einem manchmal aggressiven Ton und an einer Neigung zur
Pointierung zu spüren. Sein eigentliches wissenschaftliches Verdienst besteht
in der Hartnäckigkeit, mit der er Fragen des Geldflusses und Fragen technologischer Wissenstransfers im 20. Jahrhundert nachgegangen ist; er hat die
Wirtschaftseliten der Wall Street mit dem Misstrauen und der Hartnäckigkeit
eines Kriminalisten verfolgt und hat einen beträchtlichen Spürsinn dafür entwickelt, wo hinter einer Vielzahl schwer verständlicher oder belanglos scheinender Vorgänge, von Firmengründungen, Finanztransfers, Austausch von Direktorenposten u.Ä., irgendwo ein Muster politischer Manipulationen in grossem Stil durchscheint.
Sutton hat sich selbst als «Libertären» (libertarian) verstanden, das heisst
als Mitglied einer Strömung, die in den USA bedeutend, in Europa aber kaum
recht verständlich ist. Das hat sich bei ihm kombiniert aus einem Wirtschaftsliberalismus (dessen wichtigster Gewährsmann für ihn der österreichische
Ökonom Ludwig von Mises war) und einem für die Jefferson-Tradition in den
USA typischen Misstrauen gegen die Zentralregierung und ihr Eingreifen in
die verschiedensten Lebensbereiche wie auch in die Hoheitsrechte der Einzelstaaten. Sein grosses Thema war der Kampf gegen die Ausweitung der Zentralgewalt des Staates – etwas, das er als Sozialismus bezeichnet hat – und
gegen die Manipulation dieser Staatsgewalt durch kleine, private Interessensgruppen.
In diesem Libertarismus ist Sutton zunehmend zu einer Art «Antideutschem» geworden. Die deutsche Philosophie (besonders diejenige Hegels)
erschien ihm als Kern des Bösen in der Welt und als Ursprung der modernen
Staatsgläubigkeit. Er hat – merkwürdig genug – Skull & Bones, also das Herz
des amerikanischen Ostküstenestablishments, als eine Organisation von Leuten betrachtet, die das gesunde, unschuldige Amerika mit dieser vorgeblichen
deutschen Staatsgläubigkeit und Staatshörigkeit vergiften. Bei einer solchen
3 Skull & Bones hat seit dem Erscheinen von Suttons Bänden eine recht grosse Publizität erfahren und ist inzwischen kaum mehr geheim. Die Mitgliedschaft beider Bush-Präsidenten –
George Sr. 1989-1993; George W. 2001-2009 – in dem Orden wurde recht viel besprochen,
ebenso diejenige von Bush Jrs. Gegenkandidaten von 2004, John Kerry. Es gab eine Serie von
Hollywood-Spielfilmen über einen Orden, zu dem eindeutig Skull & Bones Pate gestanden
hatte (The Skulls I-III,2000-2004) und einen Film von Robert De Niro (The Good Shepherd,
2006), der die Bedeutung von Skull & Bones für die Frühgeschichte der CIA herausstellte.
S. 13
Betrachtungsweise bleibt es natürlich umso merkwürdiger, warum diese (vermeintlichen) deutschen «Agenten» zweimal die USA in einen Weltkrieg gegen ihr (angebliches) geistiges Heimatland geführt haben. Dieser Widerspruch scheint Sutton nur noch am Rande bewusst gewesen zu sein. Vielleicht ist aber ein solcher «antideutscher» Hintergrund keine schlechte Voraussetzung, um seinen Ausführungen über das amerikanische Mitwirken am Aufstieg des Nazismus zusätzliche Glaubwürdigkeit zu verleihen.
***
Die Übersetzung des Buches ins Deutsche besorgte dankenswerterweise Herr
Peter Geiger.
Anmerkungen, Anhang und Bibliographie wurden von der englischen
Ausgabe von 1976 übernommen. In der Bibliographie wurde bei auf Deutsch
erschienenen oder im Original deutschen Titeln der deutsche Titel jeweils in
Klammern hinzugefügt. Ein paar wenige zusätzliche Anmerkungen des deutschen Herausgebers finden sich jeweils am unteren Seitenrand. Einige wenige
offensichtliche Irrtümer des englischen Originals (Schreibweisen von Namen
usw.) wurden stillschweigend korrigiert. Zitate wurden normalerweise auch dort aus dem Englischen übersetzt, wo sie ursprünglich Deutsch sind. Im Rahmen dieser Ausgabe war es nicht möglich, die zum Teil schwer zugänglichen Quellenstellen im Deutschen herauszusuchen.
Vorwort des Autors
Dies ist der dritte und letzte Band einer Trilogie, welche die Rolle der amerikanischen korporativen Sozialisten, ansonsten auch bekannt als Wall-StreetElite oder das liberale Ostküstenestablishment, bei drei bedeutenden historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts beschreibt: bei der Lenin-TrotzkiRevolution von 1917 in Russland, bei der 1933er Wahl Franklin D. Roosevelts
in den USA und bei der 1933er Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland.
Jedes dieser Ereignisse etablierte eine Form des Sozialismus in einem wichtigen Land – so den bolschewistischen Sozialismus in Russland, den New-DealSozialismus in den Vereinigten Staaten und den nationalen Sozialismus in
Deutschland.
Zeitgenössische akademische Historiker mit vielleicht der einzigen Ausnahme von Carroll Quigleys Tragedy and Hope ignorieren dieses Beweismaterial. Andererseits ist es verständlich, dass Universitäten und Forschungsorganisationen, die von Finanzspritzen von Stiftungen abhängen, die von dieser
selben New Yorker finanziellen Elite kontrolliert werden, Forschungen über
derartige Aspekte der internationalen Politik kaum unterstützen und veröffentlichen wollen. Auch der tapferste Treuhänder wird kaum die Hand beissen, die seine Organisation unterhält.
Aus dem Beweismaterial dieser Trilogie geht ausserdem überwältigend
hervor, dass «zum Dienst an der Öffentlichkeit gestimmte Geschäftsleute»
nicht als Lobbyisten oder Regierungsmitglieder nach Washington gehen, um
den Vereinigten Staaten zu dienen. Sie sind in Washington, um ihren eigenen
Interessen der Profitmaximierung zu dienen. Ihr Ziel besteht nicht darin, ein
Wettbewerbssystem des freien Markts zu fördern, sondern darin, ein politisiertes Regime, das man wie auch immer nennen mag, zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren.
Es ist die Manipulation von Hitlers Machtergreifung im März 1933 durch die Geschäftswelt, die das Thema des Werks Wall Street und der Aufstieg Hitlers bildet.
Antony C. Sutton
Juli 1976.
S. 15 Einleitung Unerforschte Aspekte des Nazismus
Seit den frühen zwanziger Jahren befinden sich unbestätigte Berichte in Umlauf, die besagen, dass nicht nur deutsche Industrielle, sondern ebenso Financiers aus der Wall Street eine Rolle – möglicherweise sogar eine bedeutende
Rolle – beim Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus gespielt haben.
Zur Unterstützung dieser Hypothese präsentiert dieses Buch bislang unveröffentlichtes Beweismaterial, das zum grossen Teil den Akten der Nürnberger
Militärprozesse entnommen ist. Das volle Ausmass und die Aussagekraft des
Beweismaterials lassen sich jedoch nicht allein durch die Lektüre dieses Buches erschliessen. In zwei früheren Bänden aus dieser Reihe, Wall Street and the
Bolshevik Revolution1 und Wall Street and FDR2 , wurden die Rollen derselben
Firmen wie auch oft derselben Personen und ihrer Mitdirektoren beschrieben,
wie sie bei der Manipulation und Unterstützung der bolschewistischen Revolution in Russland 1917 zugange waren und Franklin D. Roosevelt bei der
Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten im Jahre 1933 unterstützten
und eben Hitlers Aufstieg im Vorkriegsdeutschland Hilfe leisteten. Kurz, dieses Buch ist Teil einer umfassenderen Studie zum Aufstieg des modernen Sozialismus und der korporativen Sozialisten.
Bei dieser politisch aktiven Gruppe aus der Wall Street handelt es sich
mehr oder weniger um denselben elitären Kreis, der unter den Konservativen
im Allgemeinen als «liberales Establishment», unter den Liberalen (zum Beispiel G. William Domhoff) als «die herrschende Klasse»3 und unter Versehwörungstheoretikem wie Gary Allen4 und Dan Smoot5 als die «Insider» bekannt
ist. Doch egal, wie wir diese sich selbsterhaltende Elitegruppe bezeichnen, sie
ist anscheinend auf einer Ebene weit hinter und über jener der gewählten
Politiker von erheblicher Bedeutung, wenn es um die Richtungsgebung für die Weltpolitik geht.
Der Einfluss und die Arbeit dieser selben Gruppe beim Aufstieg Hitlers
und Nazideutschlands ist Gegenstand dieses Buches. Es handelt sich hier um
ein in der akademischen Forschung nahezu völlig unerfasstes Gebiet. Es ist
ein historisches Minenfeld für die Unvorsichtigen und Oberflächlichen, die
sich nicht der notwendigen Komplexitäten der Forschungsverfahren bewusst
sind. Die Sowjets haben lange Zeit die Bankiers der Wall Street der Unterstützung des internationalen Faschismus bezichtigt, doch ihre eigene Tradition
historischer Wahrhaftigkeit verleiht ihren Anschuldigungen in der westlichen
Welt kaum Glaubwürdigkeit. Und sie kritisieren natürlich nicht die Unterstützung für ihre eigene Marke Faschismus.
Der Autor dieses Buches fällt in ein anderes Lager. Früher wurde er wegen seiner übermässigen Kritik am sowjetischen System und am heimischen
S. 16
Sozialismus kritisiert, während er Wall Street und den Aufstieg Hitlers überging. Doch dieses Buch wird hoffentlich ein vermutetes und zu Unrecht unterstelltes philosophisches Ungleichgewicht zurechtrücken und das eigentliche Thema in den Vordergrund stellen: Ob man das kollektivistische System
nun als sowjetischen Sozialismus, als New-Deal-Sozialismus, korporativen
Sozialismus oder Nationalsozialismus bezeichnet, es ist immer der Durchschnittsbürger, der Mann auf der Strasse, der ein Verlierer ist gegenüber den
Jungs, die in den oberen Etagen den Betrieb leiten. Jedes System ist auf seine
eigene Weise ein System des Plünderns, eine organisatorische Vorrichtung,
die versucht, jeden dazu zu bringen, auf Kosten eines anderen zu leben (oder
dies zu versuchen), während die Führerelite, die Herrschenden und die Politiker, den Rahm an der Spitze abschöpfen.
Die Rolle dieser amerikanischen Machtelite beim Aufstieg Hitlers sollte
auch im Zusammenhang mit einem wenig bekannten Aspekt des Hitlerschen
Systems betrachtet werden, der erst jetzt erforscht wird: den mystisch-okkulten Ursprüngen des Nazismus und seinen Beziehungen zur Thule-Gesellschaft und anderen Verschwörergruppen. Der Autor dieses Buches ist kein
Fachmann auf dem Gebiet des Okkultismus und der Verschwörung. Dennoch
liegt es auf der Hand, dass die mystischen Ursprünge, die neuheidnischen,
historischen Wurzeln des Nazismus, die bayrische Illuminati-Geheimgesellschaft und die Thule-Gesellschaft, relativ unbekannte Gebiete sind, die noch
von technisch kompetenten Forschern zu erkunden sind. Dazu gibt es schon
einige Forschungen, die in französischer Sprache vorliegen; die beste Einleitung in englischer Sprache ist wahrscheinlich die Übersetzung des Buches Hitler et la Tradition Cathare von Jean-Michel Angebert.6
Angebert enthüllt den Kreuzzug des Schutzstaffel-Mitglieds Otto Rahn,
der sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral begab, der sich angeblich im
Katharerkerngebiet in Südfrankreich befand. Die frühe Nazihierarchie (Hitler
und Himmler sowie Rudolf Hess und Rosenberg) wateten tief in einer neuheidnischen Theologie, die zum Teil mit der Thule-Gesellschaft zusammenhing, deren Ideale wiederum jenen der bayrischen Illuminaten-Geheimgesellschaft nahe standen. Dies war eine hinter dem Nazismus verborgene Triebkraft, die einen starken mystisch wirkenden Einfluss auf den harten Kem der
gläubigen SS-Leute ausübte. Unsere zeitgenössischen Historiker des Establishments erwähnen diesen okkulten Ursprung so gut wie überhaupt nicht,
geschweige denn, dass sie ihn erforschen. Folglich fehlt ihnen ein Element,
das ebenso wichtig ist wie die finanziellen Ursprünge des Nationalsozialismus.
1950 veröffentlichte James Stewart Martin ein sehr lesenswertes Buch mit
dem Titel All Honorable Men7
, das seine Erlebnisse als Vorsitzender der Abteilung Wirtschaftliche Kriegsführung des US-Justizministeriums schildert und
die Struktur der Naziindustrie untersucht. Martin stellt die Behauptung auf,
dass amerikanische und britische Geschäftsleute sich in diesen Nachkriegsermittlungen selbst in Schlüsselpositionen hievten, um von den Ermittlungen
zu Naziindustriellen abzulenken, diese im Keim zu ersticken und einzudäm-
S. 17
men und dabei ihre eigene Beteiligung zu verbergen. Ein britischer Offizier
wurde von einem Kriegsgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er einen
Nazi deckte, und mehrere amerikanische Offiziere wurden aus ihren Positionen entfernt. Warum sollten amerikanische und britische Geschäftsleute Nazigeschäftsleute decken? Vor der Öffentlichkeit argumentierten sie, es handele
sich lediglich um deutsche Geschäftsleute, die nichts mit dem Naziregime zu
tun hätten und nicht der Komplizenschaft an der Naziverschwörung schuldig
seien. Zwar untersucht Martin diese Erklärung nicht näher, jedoch gibt er sich
offenbar nicht damit zufrieden und bewahrt seine Skepsis ihr gegenüber. Das
Beweismaterial legt den Schluss nahe, dass es sich um einen gemeinsamen
Versuch handelte, nicht nur Nazigeschäftsleute zu decken, sondern ebenso
die kollaborierenden Elemente der amerikanischen und britischen Geschäftswelt.
Die deutschen Geschäftsleute hätten eine Menge unbequemer Tatsachen
offenlegen können. Als Dank dafür, dass sie gedeckt wurden, sagten sie nur
sehr wenig aus. Es ist zweifelsohne kein Zufall, dass die Industriellen Hitlers,
die in Nürnberg vor Gericht standen, kaum mehr als einen Klaps auf den Hintern erhielten. Wir stellen die Frage danach, ob die Nürnberger Prozesse nicht
in Washington hätten abgehalten werden sollen – mit ein paar wenigen prominenten amerikanischen Geschäftsleuten sowie Nazigeschäftsleuten auf der
Anklagebank!
Zwei Auszüge aus zeitgenössischen Quellen führen in das Thema ein
und legen nahe, es auszuweiten. Der erste Auszug stammt aus Roosevelts
eigenen Papieren. Der amerikanische Botschafter in Deutschland, William
Dodd, schrieb bezüglich der amerikanischen Industriellen und ihrer Hilfe für
die Nazis aus Berlin an Franklin D. Roosevelt am 19. Oktober 1936 (drei Jahre
nach Hitlers Machtergreifung):
Obwohl ich sehr an den Frieden als unsere beste Politik glaube, kann ich den Befürchtungen, die Wilson mehr als einmal in Gesprächen mit mir am 15. August 1915 und
später äusserte, nicht ausweichen: der Zusammenbruch der Demokratie in ganz
Europa wird für die Menschen eine Katastrophe sein. Doch was kann man tun?
Gegenwärtig haben mehr als einhundert amerikanische Firmen hier Tochterfirmen
oder arbeiten mit hiesigen Firmen zusammen. Die DuPonts haben drei Geschäftspartner in Deutschland, welche die Rüstungen unterstützen. Ihr Hauptverbündeter ist
die Firma IG Farben – praktisch ein Teil der Regierung –, die pro Jahr 200.000 Reichsmark für eine Propagandaorganisation ausgibt, die sich mit der Beeinflussung der
öffentlichen Meinung in Amerika befasst. Die Standard Oil Company (beziehungsweise eine New Yorker Unterfirma) hat im Dezember 1933 $ 2.000.000 nach
Deutschland geschickt und hat durch ihre Unterstützung der Herstellung von Ersatzgas für Kriegszwecke $ 500.000 Gewinn pro Jahr gemacht; doch die Standard Oil
kann ihren Gewinn nicht aus dem Land ausführen, ausser in Form von Gütern. Das
macht sie kaum, liefert zu Hause einen Bericht über ihre Gewinne ab, aber erklärt
nicht die Fakten. Der Präsident der International Harvester Company erzählte mir,
sein Geschäft hier sei um 33% pro Jahr gestiegen (Rüstungsindustrie, wie ich denke),
S. 18
doch man könne nichts aus dem Land ausführen. Selbst unsere Flugzeugleute haben
geheime Absprachen mit Krupp getroffen. General Motors und Ford machen hier
enorme Geschäfte [sic] durch ihre Tochterfirmen und können keinen Gewinn entnehmen. Ich erwähne diese Tatsachen, weil sie die Dinge komplizierter machen und zu
den Kriegsgefahren beitragen.8
Zweitens ein Zitat aus dem Tagebuch desselben US-Botschafters in Deutschland. Der Leser sollte dabei im Hinterkopf behalten, dass ein Vertreter der
zitierten Vacuum Oil Company – sowie Vertreter anderer amerikanischer Firmen, die die Nazis unterstützten – in die Nachkriegs-Kontrollkommission
ernannt wurde, die die Nazis entnazifizieren sollte:
Donnerstag, den 23. Januar. Unser Handelsbotschafter hat Dr. Engelbrecht, den Vorsitzenden der Vacuum Oil Company in Hamburg, zu einem Treffen mitgebracht.
Engelbrecht wiederholte, was er vor einem Jahr gesagt hatte: «Die Standard Oil Company aus New York, die Mutterfirma der Vacuum, hat 10.000.000 Reichsmark in
Deutschland für den Versuch ausgegeben, Ölressourcen ausfindig zu machen und
eine grosse Raffinerie in der Nähe des Hamburger Hafens zu bauen.» Engelbrecht
bohrt immer noch Löcher und findet eine Menge Rohöl in der Gegend von Hannover,
doch hat er keine Hoffnung auf grosse Vorräte. Er hofft, Dr. Schacht werde seine Firma
subventionieren, wie er das bereits bei einigen deutschen Firmen macht, die kein
Rohöl gefunden haben. Die Vacuum gibt ihre gesamten Gewinne hier aus, beschäftigt
1.000 Mitarbeiter und schickt nie irgendwelches Geld nach Hause. Ich konnte ihm keine Hoffnung machen ...9
Und weiter:
Kaum waren die Männer aus dem Gebäude, kam der Rechtsanwalt noch einmal
herein, um über seine Schwierigkeiten zu berichten. Ich konnte nichts tun, jedoch
fragte ich ihn: Warum hat die Standard Oil Company aus New York im Dezember
1933 $ 1.000.000 hierher geschickt, um den Deutschen bei der Herstellung von Benzin aus Steinkohle für Kriegs-Notfälle zu helfen? Warum läuft die Produktion bei der
International Harvester in Deutschland weiter, wenn die Firma nichts aus dem Land
herausnehmen kann und wenn sie bei der Eintreibung der Kriegsverluste gescheitert
ist? Er sah mein Argument ein und stimmte mir zu, dies sei töricht und würde nur
grössere Verluste bedeuten, wenn ein neuer Krieg ausbricht.10
Das Bündnis zwischen der politischen Macht der Nazis und dem amerikanischen «Big Business» mag Botschafter Dodd und dem amerikanischen
Rechtsanwalt, den er befragte, sehr töricht erschienen sein. In der Praxis ist
natürlich «Big Business» alles andere als töricht, wenn es um die eigenen Interessen geht. Investitionen in Nazideutschland (ebenso wie ähnliche Investitionen in die Sowjetunion) spiegelten eine höhere Politik wider. Dabei stand
weitaus mehr als ein schneller Gewinn auf dem Spiel, zumal die Gewinne
nicht ins Heimatland zurücktransferiert werden konnten. Um dieser «höhe-
S. 19
ren Politik» auf die Spur zu kommen, muss man heraufinden, wo die finanzielle Kontrolle der multinationalen Konzerne liegt, weil diejenigen, die die
Finanzflüsse steuern, letztendlich auch die tagtägliche Firmenpolitik steuern.
Carroll Quigley11 hat gezeigt, dass die Spitze dieses internationalen Finanzkontrollsystems vor dem Zweiten Weltkrieg die Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich war, die Vertreter aus den internationalen Bankfirmen
Europas und der Vereinigten Staaten hatte, im Rahmen eines Arrangements,
das im Zweiten Weltkrieg weiterhin Bestand hatte. Während der Nazizeit war
der Vertreter Deutschlands bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Hitlers Finanzgenie und Präsident der Reichsbank, Hjalmar Horace Greeley Schacht.
Hjalmar Horace Greeley Schacht
Die Involvierung der Wall Street im Deutschland Hitlers lässt zwei Deutsche
mit Verbindungen zur Wall Street hervorstechen – Hjalmar Schacht und
«Putzi» Hanfstaengl. Letzterer war ein Freund Hitlers und Roosevelts, der
eine auffällige und massgebliche Rolle bei dem Ereignis spielte, das Hitler auf
die Höhe seiner Macht als Diktator brachte: dem Reichstagsbrand von 1933.12
Die frühe Geschichte Hjalmar Schachts, und insbesondere seine Rolle in
der Sowjetunion nach der bolschewistischen Revolution von 1917, habe ich
in meinem früheren Buch Wall Street and the Bolshevik Revolution beschrieben. Der ältere Schacht war Anfang des 20. Jahrhunderts im Berliner Büro der
Equitable Trust Company aus New York tätig gewesen. Hjalmar wurde durch
die zufällige Krankheit seiner Mutter, welche die Familie zwang, nach
Deutschland zurückzukehren, in Deutschland und nicht in New York geboren. Sein Bruder William war gebürtiger Amerikaner. Die amerikanische
Herkunft Hjalmars wurde durch seine mittleren Namen «Horace Greeley»
bestimmt, nach dem sehr bekannten Politiker der Demokraten. Folglich
sprach Hjalmar ein flüssiges Englisch, und das Verhör Schachts nach dem
Krieg im Projekt Dustbin wurde sowohl in deutscher wie in englischer Sprache geführt. Der Punkt hier ist, dass die Familie Schacht aus New York kam
und für die renommierte Wall-Street-Firma Equitable Trust (gesteuert von der
Morgan-Bank) arbeitete. Hjalmar behielt diese Wall-Street-Verbindungen sein
ganzes Leben über bei.13 Zeitungen und zeitgenössische Quellen belegen wiederholte Besuche bei Owen Young von der General Electric, bei Farish, dem
Vorsitzenden der Standard Oil of New Jersey und ihren Bankpendants. Kurz:
Schacht war Mitglied der internationalen Finanzelite, die ihre Macht hinter
den Kulissen mithilfe des politischen Apparats eines Landes ausübt. Er ist ein
entscheidendes Bindeglied zwischen der Wall-Street-Elite und Hitlers innerem Kreis.
Dieses Buch ist in zwei grosse Teile unterteilt. Der erste Teil beschreibt den
Aufbau der deutschen Kartelle durch den Dawes- und den Young-Plan während der zwanziger Jahre. Diese Kartelle waren die wichtigsten Unterstützer
S. 20
Hitlers und des Faschismus und waren direkt dafür verantwortlich, dass die
Nazis 1933 an die Macht kamen. Es wird die Rolle der amerikanischen IG Farben, der General Electric, der Standard Oil of New Jersey, Fords und anderer
US-Firmen skizziert. Der zweite Teil präsentiert das bekannte dokumentarische Beweismaterial zur Finanzierung Hitlers: vollständig und inklusive fotografischer Reproduktion der Banküberweisungsbelege, die zur Überweisung
von Finanzmitteln der Farben, General Electric und anderer Firmen an Hitler
durch Hjalmar Schacht verwendet wurden
1. New York, Arlington House Publishers, 1974.
2. New York, Arlington House Publishers, 1975.
3. The Higher Circles: The Governing Class in America, Vintage, New York, 1970.
4. None Dare Call it Conspiracy. Rossmoor, Concord Press, 1971. Für eine andere Perspektive, die
auf Insider-Dokumenten beruht, S. Carroll Quigley, Tragedy and Hope, The Macmillan Company, New York 1966; dt. Teilausgabe unter dem Titel Katastrophe und Hoffnung bei Perseus
Verlag, Basel, 2007.
5. The Invisible Government, Boston, Western Islands, 1962.
6. Auf Englisch veröffentlicht unter dem Titel The Occult and the Third Reich. (The mystical origins of Nazism and the Search for the Holy Grail. New York, The Macmillan Company, 1974.
Siehe auch Reginald H. Phelps, «Before Hitler Came». Thule Society and Germanen-Orden»,
in: Journal of Modern History, September 1963, Nr. 3.
7. Boston, Little Brown and Company, 1950.
8. Edgar B. Nixon, Hg., Franklin D. Roosevelt and Foreign Affairs, Vol. III, September 1935 -Januar
1937, Cambridge, Belknap Press 1969, S. 456.
9. Herausgegeben von William E. Dodd Jr. und Martha Dodd, Ambassador Dodd's Diary 1933-1938,
New York, Harcourt Brace and Company, 1941, S. 303.
10. Ebda.;S. 358.
11. Quigley, l.c.
12. Für mehr Informationen zu Putzi Hanfstaengl siehe achtes Kapitel.
13. S. Sutton, Wall Street and the Bolshevik Revolution, a.a.O., zu Schachts Beziehungen zu den Sowjets und zur Wall Street und bezüglich seines Direktorenpostens bei einer sowjetischen Bank.
S. 161 Kapitel 12 Schlussfolgerungen
Wir haben mittels dokumentarischer Beweismaterialien eine Reihe entscheidender Verbindungen zwischen den internationalen Bankiers der Wall Street
und dem Aufstieg Hitlers und des Nazismus in Deutschland aufgezeigt.
Erstens, dass die Wall Street die deutschen Kartelle Mitte der zwanziger
Jahre finanzierte, die wiederum Hitler mit an die Macht brachten.
Zweitens, dass die Finanzierung Hitlers und seiner SS-Strassengangster
zum Teil den Partner- oder Tochterfirmen von US-Firmen entsprang, wozu
Henry Ford 1922, Zahlungen der IG Farben und General Electric (AEG) 1933
zählten, gefolgt von den Zahlungen der Tochterfirmen der Standard Oil of New Jersey und von ITT an Heinrich Himmler bis zum Jahre 1944.
Drittens, dass multinationale US-Firmen unter der Kontrolle der Wall Street einen stattlichen Gewinn aus Hitlers militärischem Aufbauprogramm der dreissiger Jahre bis mindestens 1942 zogen.
Viertens, dass dieselben internationalen Bankiers ihren politischen Einfluss in den USA dazu benutzten, ihre Kollaboration während des Krieges zu
verschleiern, und zu diesem Zweck den US-Kontrollrat für Deutschland unterwanderten.
Unser Beweismaterial für diese vier grossen Behauptungen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Im ersten Kapitel haben wir Beweise dafür vorgelegt, dass der DawesPlan und der Young-Plan zu den deutschen Reparationszahlungen von Wall
Streetern formuliert wurden, die zwischenzeitlich als Regierungsleute auftraten, und dass diese Darlehen einen Geldregen für diese internationalen Bankiers in Umlauf brachten. Owen Young von der General Electric, Hjalmar
Schacht, A. Voegler und andere eng im Zusammenhang mit der Machtergreifung Hitlers stehende Personen waren zuvor die Verhandlungsführer für die
amerikanische beziehungsweise die deutsche Seite gewesen. Drei Häuser aus
der Wall Street – Dillon, Read & Co., Harris, Forbes und die National City
Company – handhabten drei Viertel der Reparationsdarlehen, die zum Aufbau des deutschen Kartellsystems verwendet wurden, zu dem die beherrschende IG Farben und die Vereinigten Stahlwerke zählten, die zusammen 95
Prozent der Sprengstoffe für die Nazis im Zweiten Weltkrieg herstellten.
Die zentrale Rolle der IG Farben beim Staatsstreich Hitlers wurde im zweiten
Kapitel besprochen. Die Direktoren der amerikanischen IG Farben wurden als
prominente amerikanische Geschäftsleute identifiziert: Walter Teagle, ein
enger Verbündeter und Geldgeber Roosevelts sowie ein Verwalter der National Recovery Administration; der Bankier Paul Warburg (dessen Bruder Max
Warburg im Vorstand der IG Farben in Deutschland sass) und Edsel Ford. Die
IG Farben spendete 400.000 RM direkt an Schacht und Hess zur Verwendung
S. 162
bei den entscheidenden Wahlen von 1933 und anschliessend stand die IG Farben an vorderster Stelle bei der militärischen Entwicklung Nazideutschlands.
Eine Spende von 60.000 RM an Hitler kam von der deutschen General Electric
(AEG), bei der vier ihrer Direktoren und eine Beteiligung von 25 bis 30 Prozent von der amerikanischen Mutterfirma, der General Electric Company,
kamen. Diese Rolle wurde im dritten Kapitel beschrieben, und wir haben festgestellt, dass Gerard Swope, ein Begründer von Roosevelts Politik des New
Deal (beziehungsweise ihrem National-Recovery-Administration-Segmerd), gemeinsam mit Owen Young von der Federal Reserve Bank in New York und Clark Minor von der International General Electric die beherrschenden Figuren aus der Wall Street bei der AEG waren und dort den bedeutendsten einzelnen Einfluss hatten.
Wir haben ausserdem keine Beweise gefunden, welche die deutsche Elektrofirma Siemens belasten würden, die nicht unter der Kontrolle der Wall
Street stand. Im Gegensatz dazu gibt es aber dokumentarische Belege dafür,
dass sowohl die AEG wie auch Osram, die weiteren zentralen Elemente der
deutschen Elektroindustrie – beide mit Beteiligungen und Kontrolleinfluss
aus den USA –, Hitler wirklich finanzierten. In der Tat waren fast alle Direktoren der deutschen General Electric Geldgeber Hitlers – entweder direkt durch
die AEG oder indirekt durch andere deutsche Firmen. Die General Electric
rundete ihre Unterstützung für Hitler durch die technische Zusammenarbeit
mit Krupp ab, die auf eine Beschränkung der Entwicklung von Wolframkarbid in den USA abzielte, was den USA im Zweiten Weltkrieg zum Schaden
gereichte. Wir haben die Schlussfolgerung gezogen, dass es den Fabriken der
AEG in Deutschland durch ein bislang unbekanntes Manöver gelang, den
Bombenangriffen der Alliierten zu entgehen.
Eine Untersuchung der Rolle der Standard Oil of New Jersey (die von
den Interessen Rockefellers gesteuert wurde und wird) wurde im vierten
Kapitel unternommen. Die Standard Oil finanzierte Hitlers Machtergreifung
1933 anscheinend nicht (dieser Teil des «Sidney-Warburg»-Mythus ist nicht
erwiesen). Auf der anderen Seite wurden bis 1944 von der Standard Oil of
New Jersey Zahlungen für die Entwicklung synthetischen Benzins zu Kriegszwecken zugunsten der Nazis geleistet und auch durch die hundertprozentige Tochterfirma Zahlungen an Heinrich Himmlers Freundeskreis der SS zu
politischen Zwecken. Die Rolle der Standard Oil bestand in der technischen
Hilfestellung für die Nazis zur Entwicklung von synthetischem Gummi und
Benzin durch ein amerikanisches Forschungsunternehmen, das unter der Leitung der Standard Oil stand. Die Ethyl Gasoline Company, im gemeinsamen
Besitz der Standard Oil of New Jersey und der General Motors, war das
Instrument bei der Lieferung des unbedingt notwendigen Äthylbleis an Nazideutschland. Das erfolgte gegen die schriftlichen Proteste des US-Kriegsministeriums mit dem vollen Wissen, dass Äthylblei den militärischen Zwecken
der Nazis diente.
Im fünften Kapitel haben wir dargestellt, dass die International Telephone and Telegraph Company, eines der berüchtigteren multinationalen
Schlussfolgerungen 163
Unternehmen, durch Baron Kurt von Schröder von der Schroder-BankingGruppe im Zweiten Weltkrieg für beide Seiten tätig war. Die ITT hatte auch
eine Beteiligung von 28 Prozent an der Flugzeugfirma Focke-Wolfe, die vorzügliche deutsche Kampfflugzeuge herstellte. Wir haben auch festgestellt, dass
die Texaco (Texas Oil Company) durch den deutschen Anwalt Westrick in die
Bestrebungen der Nazis verwickelt war, jedoch ihren Vorstandsvorsitzenden
Rieber entfernte, als diese Bestrebungen publik wurden.
Henry Ford war ein früher Geldgeber Hitlers (1922), und Edsel Ford führte
die Familientradition 1942 fort, als er Ford Frankreich dazu ermunterte, von
der Ausrüstung der deutschen Wehrmacht zu profitieren. Später wurden diese
von Ford produzierten Fahrzeuge gegen amerikanische Soldaten verwendet,
als diese 1944 in Frankreich landeten. Ford erhielt 1938 für seine frühe Beachtung und seine frühzeitige Hilfe für die Nazis eine Medaille der Nazis. Die
Belege von Ford Frankreich legen die Vermutung nahe, dass die Ford Motor
nach 1940 von den Nazis mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Die erwiesenen Fäden der Finanzierung Hitlers laufen im siebten Kapitel
zusammen und beantworten durch konkrete Namen und Figuren die Frage,
wer Adolf Hitler finanzierte. Dieses Kapitel ist eine Anklage an die Wall Street
und interessanterweise niemand anderen von Bedeutung in den Vereinigten
Staaten ausser noch der Familie Ford. Die Familie Ford wird normalerweise
nicht mit der Wall Street in Zusammenhang gebracht, doch sie ist mit Sicherheit ein Teil der «Machtelite».
In vorangegangenen Kapiteln haben wir mehrere Verbündete Roosevelts
zu Wort kommen lassen, u.a. Walter Teagle von der Standard Oil, die Familie
Warburg und Gerard Swope. Im achten Kapitel gingen wir der Rolle Putzi
Hanfstaengls, eines weiteren Freundes Roosevelts und einem Beteiligten
beim Reichstagsbrand, auf den Grund. Die Zusammensetzung des inneren
Kreises der Nazis im Zweiten Weltkrieg und die finanziellen Spenden von
Tochterfirmen der Standard Oil of New Jersey und der ITT werden im neunten Kapitel ergründet. Dokumentarische Beweise dieser Geldspenden werden vorgelegt. Kurt von Schröder wird als Schlüsselvermittler bei diesem SS-Fonds für «Bestechungsgelder» identifiziert.
Schliesslich haben wir im zehnten Kapitel ein 1934 unterdrücktes Buch
und den «Sidney-Warburg»-Mythus besprochen. Das unterdrückte Buch klagte
die Rockefellers, Warburgs und die grossen Ölfirmen an, Hitler finanziert zu
haben. Zwar war der Name «Sidney Warburg» zweifelsohne eine Erfindung,
doch es bleibt die aussergewöhnliche Tatsache, dass das, was in dem unterdrückten Buch von «Sidney Warburg» behauptet wird, dem hier vorgelegten
Beweismaterial erstaunlich nahe kommt. Ebenso bleibt es ein Rätsel, weswegen James Paul Warburg fünfzehn Jahre später den Versuch unternehmen
sollte, in einer ziemlich durchschaubar schlampigen Art den Inhalt des Buches von «Warburg» zu widerlegen, von einem Buch, das er behauptet nie zu
Gesicht bekommen zu haben. Es ist vielleicht sogar ein noch grösseres Rätsel,
warum Warburg die Memoiren des Nazis von Papen als Vehikel zur Präsentation seiner Widerlegung verwenden sollte.
S. 164
Schliesslich haben wir im elften Kapitel die Rolle der Banken Morgan und
Chase im Zweiten Weltkrieg untersucht – speziell deren Kollaboration mit
den Nazis in Frankreich, zurzeit, als ein grosser Krieg im Gange war.
Mit anderen Worten, wir finden ein beweisbares Muster der Unterstützung und politischen Manipulation – wie in unseren zwei früheren Untersuchungen der Verbindungen zwischen den New Yorker internationalen Bankiers und bedeutenden historischen Ereignissen.
Der durchdringende Einfluss der internationalen Banker
Wenn wir uns die breitgefächerte Anordnung der Tatsachen betrachten, die
in den drei Bänden der Wall-Street-Reihe vorgelegt werden, stellen wir eine
konsequente Wiederkehr derselben Namen fest: Owen Young, Gerard Swope,
Hjalmar Schacht, Bernard Baruch usw.; dieselben internationalen Banken: J.P.
Morgan, Guaranty Trust, Chase Bank und dieselbe Adresse in New York: in der Regel Broadway 120.
Diese Gruppe internationaler Bankiers unterstützte die bolschewistische
Revolution und zog nachfolgend Gewinne aus der Gründung eines sowjetischen Russland. Diese Gruppe war der Geldgeber Roosevelts und zog
Gewinn aus dem Sozialismus des New Deal. Diese Gruppe war ebenso der
Geldgeber Hitlers und zog mit Sicherheit Gewinn aus der deutschen Rüstung
in den dreissiger Jahren. Während das Grosskapital in den Firmen Ford Motor,
Standard Oil of New Jersey usw. seine normalen Geschäfte hätte betreiben
sollen, finden wir es aktiv und tief in politischen Umwälzungen, Krieg und
Revolutionen in drei wichtigen Ländern involviert.
Die hier präsentierte Version der Geschichte besagt, dass die Finanzelite
wissentlich und vorsätzlich die bolschewistische Revolution 1917 im Zusammenspiel mit deutschen Bankiers unterstützte. Nachdem sie ansehnliche Gewinne aus dem Elend der Hyperinflation in Deutschland 1923 gezogen hatte und daran ging, die Last der deutschen Reparationszahlungen dem Rücken amerikanischer Investoren aufzubürden, stellte die Wall Street fest, dass sie die Weltwirtschaftskrise 1929 herbeigeführt hatte.
Damals wurden zwei Männer als Führer grosser westlicher Länder unterstützt: Franklin D. Roosevelt in den Vereinigten Staaten und Adolf Hitler in
Deutschland. Roosevelts Politik des New Deal und Hitlers Vierjahresplan hatten grosse Ähnlichkeiten aufzuweisen. Die Vorhaben Roosevelts und Hitlers
waren Pläne für faschistische Machtübernahmen in ihren jeweiligen Ländern.
Während Roosevelts Wirtschaftsreformadministration (NRA) aufgrund damals wirksamer konstitutioneller Einschränkungen scheiterte, hatte Hitlers Vorhaben Erfolg.
Warum wollte die Elite der Wall Street, die internationalen Bankiers, dass
Roosevelt und Hitler an die Macht kommen? Dies ist ein Gesichtspunkt, den
wir noch nicht erkundet haben. Dem «Sidney-Warburg»-Mythos gemäss wollte
die Wall Street eine Politik des Revanchismus, das heisst sie wollte Krieg in
S. 165
Europa zwischen Frankreich und Deutschland. Wir wissen aus der herrschenden Geschichtsauffassung, dass sowohl Hitler wie auch Roosevelt Politik betrieben, die zum Krieg führte.
Die Verbindungen zwischen Menschen und Ereignissen aus dieser dreibändigen Reihe würde ein weiteres Buch erfordern. Doch ein einziges Beispiel weist vielleicht schon auf die bemerkenswerte Machtbündelung innerhalb relativ weniger Organisationen und auf die Anwendung dieser Macht hin.
Als die Bolschewisten am 1. Mai 1918 nur einen kleinen Teil Russlands
unter ihrer Kontrolle hatten (und selbst diesen Teil im Sommer 1918 beinahe
verlieren sollten), wurde die amerikanische Liga zur Hilfe und Zusammenarbeit mit Russland {American League to Aid and Cooperate with Russia) in Washington D.C. zur Unterstützung der Bolschewisten gegründet. Es handelte
sich hierbei nicht um die typische Art von «Hände-weg-von-Russland»-
Komitee, wie es von der amerikanischen Kommunistischen Partei oder ihren
Verbündeten gegründet wurde, sondern um ein Komitee, das von der Wall
Street geschaffen wurde, mit George P. Whalen von der Vacuum Oil Company
als Schatzkanzler und mit Coffin und Oudin von der General Electric, mit Thompson vom Federal Reserve System, Willard von der Eisenbahngesellschaft Baltimore & Ohio Railroad und verschiedenen Sozialisten als Mitgliedern.
Wenn wir den Aufstieg Hitlers und des Faschismus betrachten, stellen
wir fest, dass dabei die Vacuum Oil und die General Electric gut dabei vertreten sind. Botschafter Dodd in Deutschland war perplex über die sowohl
finanziellen als auch technischen Beiträge der unter der Kontrolle Rockefellers stehenden Vacuum Oil Company, die Benzinanlagen zur militärischen
Verwendung für die Nazis aufbaute. Der Botschafter versuchte, Roosevelt zu
warnen. Dodd glaubte in seiner anscheinenden Naivität hinsichtlich weltbewegender Angelegenheiten, dass Roosevelt eingreifen würde, doch wurde
Roosevelt selbst von denselben Ölinteressen unterstützt und Walter Teagle
von der Standard Oil of New Jersey und der NRA sass zugleich im Vorstand
von Roosevelts Warm Springs Foundation. Somit stellen wir fest, dass die
unter der Kontrolle von Rockefeller stehende Vacuum Oil Company, als nur
ein Beispiel, eine wichtige Rolle spielte bei der Schaffung des bolschewistischen
Russland, der militärischen Aufrüstung Nazideutschlands und der Unterstützung der New-Deal-Politik Roosevelts.
Werden die Vereinigten Staaten von einer diktatorischen Elite regiert?
Ein stetiger Fluss an Literatur hat etwa während des letzten Jahrzehnts,
sicherlich seit den sechziger Jahren, die These vertreten, dass die Vereinigten
Staaten von einer sich selbst perpetuierenden und nicht gewählten Machtelite
beherrscht werden. Mehr noch, die meisten dieser Bücher vertreten die Meinung, dass diese Elite sämtliche Entscheidungen in der auswärtigen wie in
S. 166
Wall Street und die Gelder für Hitler
der inneren Politik steuert oder zumindest stark beeinflusst und dass in den
Vereinigten Staaten keine Idee ohne die stillschweigende Billigung beziehungsweise die fehlende Missbilligung dieses Elitekreises zu Ansehen kommt oder veröffentlicht wird.
Offenbar bezeugt gerade der stete Fluss der Anti-Establishment-Literatur
selbst, dass die Vereinigten Staaten nicht gänzlich unter der Fuchtel einer einzigen Gruppe oder Elite stehen. Auf der anderen Seit findet die Anti-Establishment-Literatur in Wissenschafts- und Medienkreisen keine volle Anerkennung oder vernünftige Besprechung. Meistens besteht sie in einer begrenzten
Auflage, die von Privatpersonen produziert wird und mehr oder weniger dadurch in Umlauf kommt, dass sie von Hand zu Hand weitergereicht wird.
Sicher, es gibt einige Ausnahmen, doch nicht genug Ausnahmen, um die Beobachtung zu bestreiten, dass die gegen das Establishment gerichteten Kritiker
keinen leichten Zugang zu den normalen Informations- und Distributionskanälen haben.
Während Anfang und Mitte der sechziger Jahre jede Idee über die Herrschaft einer Verschwörungselite, ja jedweder Elite ausreichend Grund war,
denjenigen, der sie äusserte, sofort als «verrückt» abzutun, hat sich das Klima
für derartige Ideen radikal geändert. Die Watergate-Affäre hat wahrscheinlich
die letzten Mosaiksteine zu einer langwierigen Entwicklung von Skepsis und
Zweifeln hinzugefügt. Wir sind fast am Punkt angelangt, wo jeder der zum
Beispiel den Bericht der Warren Commission akzeptiert oder glaubt, dass Rücktritt und Fall Mr. Nixons keinerlei Verschwörungsaspekte beinhalten, suspekt
ist. Kurz, heute schenkt keiner mehr dem Informationsprozess des Establishments wirklich Glauben. Und es gibt eine grosse Palette alternativer Darstellungen zu Ereignissen, die Interessierten jetzt zur Verfügung stehen.
Mehrere hundert Bücher aus der ganzen Bandbreite des politischen und
philosophischen Spektrums fügen Beweisstücke, weitere Hypothesen und
Anklagen hinzu. Was vor noch nicht allzu langer Zeit noch als eine überkandidelte Idee galt, über die man gegen Mitternacht hinter verschlossenen
Türen leise und mit verschwörerischem Flüstern sprach, wird heute offen
debattiert – natürlich nicht in den Zeitungen des Establishments, aber sicherlich in privaten Radio-Talkshows, in der Untergrundpresse und von Zeit zu
Zeit sogar in Büchern, die von angesehenen Verlagshäusem des Establishments herausgegeben werden.
Stellen wir also noch einmal die Frage: Steckt hinter der US-Regierung
eine nicht gewählte Machtelite?
Eine grundlegende und oft zitierte Informationsquelle ist Carrroll Quigley, Professor für internationale Beziehungen an der Georgetown Universität,
der 1966 ein monumentales Werk zur jüngeren Geschichte mit dem Titel Tragedy and Hope veröffentlicht hat.1 Quigleys Buch setzt sich von anderen der
revisionistischen Art durch die Tatsache ab, dass es auf einer zweijährigen
Studie interner Dokumente eines der Machtzentren gründet. Quigley geht der Geschichte der Machtelite nach:
S. 167
... die Mächte des Finanzkapitalismus hatten ein weiteres weitreichendes Ziel: nichts
Geringeres als die Schaffung eines Weltsystems der finanziellen Kontrolle in privaten
Händen, das das politische System eines jeden Landes und die Wirtschaft der gesamten Welt beherrschen können sollte.
Quigley führt ebenso an, dass der Council on Foreign Relations, die National Planning Association und weitere Gruppen «halb geheime» Einrichtungen zur politischen Planung sind, die unter der Kontrolle dieser Machtelite stehen.
In der folgenden tabellarischen Aufstellung haben wir fünf dieser revisionistischen Bücher aufgeführt, darunter dasjenige Quigleys. Die grundlegenden Thesen dieser Bücher und ihre Vereinbarkeit mit den drei Bänden der «Wall-Street»-
Reihe werden zusammengefasst. Es ist erstaunlich, dass Carroll Quigleys Buch bei den drei grossen historischen Ereignissen, die aufgeführt werden, nicht mit den in der Reihe der «Wall-Street»-Bücher vorgelegten Beweisen übereinstimmt. Quigley tut sehr viel, um Beweise zur Existenz der Machtelite vorzulegen, durchdringt jedoch nicht die Aktionen dieser Elite.
Möglicherweise waren die von Quigley verwendeten Akten gesäubert
und enthielten keine Dokumente zur Manipulation etwa der bolschewistischen Revolution, Hitlers Machtergreifung und der Wahl Roosevelts 1933 seitens der Elite. Es ist wahrscheinlicher, dass diese politischen Manipulationen
überhaupt nicht in den Akten der Machtgruppen belegt sind. Es könnte sich
um nicht belegte Aktionen eines kleinen Ad-hoc-Segments der Elite gehandelt
haben. Es sollte festgehalten werden, dass die vom Autor dieses Buches verwendeten Dokumente aus Regierungsquellen kamen, wo die täglichen Handlungen Trotzkis, Lenins, Roosevelts, Hitlers, J.P. Morgans und der verschiedenen involvierten Firmen und Banken aufgezeichnet wurden.
Auf der anderen Seite stimmen die Werke von Autoren wie Jules Archer,
Gary Allen, Helen P. Lasell und William Domhoff, die aus weit auseinandergehenden politischen Standpunkten heraus geschrieben wurden2
, tatsächlich
mit den durch die «Wall-Street»-Bücher vorgelegten Beweisen überein. Diese
Schriftsteller legen die Hypothese vor, dass eine Machtelite die US-Regierung
beeinflusst. Die «Wall-Street»-Reihe führt vor, wie diese hypothetische «Machtelite» bestimmte historische Ereignisse manipuliert hat.
Offenbar ist jede derartige Ausübung uneingeschränkter und übergesetzlicher Macht verfassungswidrig, auch wenn sie in das Gewand gesetzeskonformer Handlungen verpackt wird. Daher kann die legitime Frage gestellt
werden, ob eine subversive Kraft tätig ist, die die durch die Verfassung garantierten Rechte beseitigen will.
Info: https://ia801700.us.archive.org/12/items/wall-street-und-der-aufstieg-hitlers/wallstreet_und_der_aufstieg_hitlers.pdf