Leserbriefe zu „Jetzt verstehe ich meine Eltern. (II von II)
21. Leserbrief
Sehr geehrter Albrecht Müller!
Mich, Jahrgang 1942, Treiben die von Ihnen geschilderten Probleme schon jahrelang um. Besonders bin ich um die Zukunft meiner Enkel besorgt. Wer bringt ihnen denn ein selbständiges Denken bei?? Die Eltern haben keine Zeit und überlassen das Google& Co.; Oma und Opa mit ihrer reichen Lebenserfahrung wohnen weitab. Die Kinder erhalten ihre ideologische Erziehung eigentlich zum übergroßen Teil aus der systemrelevanten Schule und aus den meist zensierten Medien des Internet.
Aus diesem Grunde habe ich damals, vor fast 2 Jahren, ihnen meine Gedanken und Erkenntnisse zukommen lassen, in der Hoffnung, dass sie zumindest nachdenklicher an die Probleme herangehen.
Nachstehend meine eindringliche Mahnung an sie.
NDS,macht weiter so! Auf meine Unterstützung könnt ihr rechnen.
H-P Hoffmann
Mahnung an meine Enkel
oder
Späte Erkenntnisse
oder
Aus der Geschichte für die Zukunft lernen
„Denkt daran: 90% der Deutschen sind Faschisten!“ sagte ein sowjetischer General zu seinen Soldaten, bevor sie im April 1945 zum Sturm auf Berlin ansetzten.
Lange hielt ich diesen Appell für übertrieben. Durch meine Recherchen zu unseren Ahnen hat sich meine Ansicht jedoch geändert. Heute sage ich: ja, er hat Recht gehabt! Es war wohl tatsächlich so!
Ich will versuchen, meinen geänderten Standpunkt mit Fakten und Vermutungen zu belegen, die in den letzten Monaten während meiner Gespräche mit V. und W. wieder aus meinem Gedächtnis in Erinnerung gerufen wurden, und andere, die ich erst durch diese Gespräche erfahren habe.
Bis vor kurzem war ich der Meinung, in einer ziemlich unpolitischen Familie aufgewachsen zu sein. Es kam mir nicht in den Sinn, dass meine Eltern und die übrige Verwandtschaft Nazis gewesen sein könnten. Eigentlich deutete nichts darauf hin. Meine Erziehung nach dem Krieg war unpolitisch. Ich wurde nicht im Hass gegen die Russen erzogen, etwa wie unser ehemaliger Bundespräsident Gauck. Nein, wenn ich mich an manche Gespräche mit meinem Vater erinnere, sprach er öfters positiv über die Politik in der DDR, über die Enteignung der Großgrundbesitzer, über die LPG. Ja, mein Vater war in der NSDAP und in der SA gewesen. Das hat er mir selbst gesagt und mir sogar sein Partei-Buch gezeigt. Mama, Oma, Opa und Tante H. gaben mir keinen Anlass, zu vermuten, dass sie Nazis gewesen wären. Ja, alte Illustrierte aus dem 3. Reich hatte die Tante aufgehoben, „Mein Kampf“ das Hochzeitsgeschenk des Führers, ebenfalls. Mein Vater hatte auch noch Fotobände (in 3-D!) von den martialischen Aufmärschen zu den Reichsparteitagen in Nürnberg. Aber überzeugte Nazis waren sie doch beileibe nicht!
Bis in einem Gespräch über meine Großeltern W. beiläufig sagte: „Ja, die Beiden hatten es ja nach dem Krieg besonders schwer. Sie waren besonders arm dran“. Ja, ich wusste, dass wir keine Ersparnisse hatten und jede Mark zweimal herumgedreht werden musste, bevor Mama sie ausgeben konnte. Opa und Oma wurden von meinen Eltern versorgt, sie lebten mit uns zusammen. Mama rackerte Tag und Nacht, um unsere hungrigen Mäuler zu stopfen. Da ich den Sinn von W.´s Andeutungen nicht verstanden hatte, fragte ich nach. Und er erzählte mir, dass die beiden Alten keine Rente bekamen, weil sie sich ihre Rente vor dem Krieg hatten auszahlen lassen. Ihrer beiden Söhne P. und K. hatten sie dazu überredet. Sie wollten das Geld in Opas Fabrik stecken und diese erweitern. „Ihr braucht keine Rente. Wir sorgen für euch!“ sollen die beiden gesagt haben.
Aber es kam ganz ganz anders, ausgelöst durch den Krieg: P. starb 1941 als Soldat -35-jährig- nicht an der Front, nein, in seiner Garnison in Deutschland. Angeblich an „Lungenentzündung“. Wer´s glaubt, wird selig. K. fiel 1944 an der Ostfront, trotz seines ruhigen Postens als Regimentsschreiber. Die Firma ging Pleite und die Alten saßen mittellos da, mussten durch meine Eltern durchgefüttert werden, denn es gab außer ihnen niemand mehr, der sich um sie kümmern konnte.
Nachdem ich (erst jetzt) die für mich schockierende Information über die beiden mittellosen Alten und die Gründe für diesen Zustand erfahren hatte, fragte ich mich, wieso meine beiden Onkel so überzeugt waren, dass sie aus dem kleinen Familienbetrieb eine florierende Fabrik machen konnten, mit der die gesamte Familie versorgt werden konnte?
Sie mussten an den Führer und seine Versprechen geglaubt haben, und zwar in fester Überzeugung! Sie mussten davon ausgegangen sein, dass das vor dem Krieg florierende Geschäft noch weiter angekurbelt werden konnte. Das Geschäft waren zu Hitlers Zeiten nicht mehr die Masken und diverse Scherzartikel. Fahnen wurden gebraucht! Kleine und große in Unmassen. Ein amerikanischer Dokumentarfilm (keine kommunistische Propaganda!) über Deutschland in jenen Jahren zeigte es überdeutlich: Ein Fahnenmeer überall in Deutschland. Aus allen Fenstern wehten die Hakenkreuzfahnen:
ASR – Film – Kanal: Deutschland 1938 in Farbe
Ein bedrückendes Zeitdokument. Fahnen wurden gebraucht. Und wer seine Lebensgrundlage auf diesen ausufernden Fahnenrausch aufbauen wollte, der musste auch dieser Ideologie verfallen sein. Anders ist ihre Verhaltensweise nicht erklärbar! Offensichtlich waren das bei P. und K. der Fall. Und keiner aus der Familie hatte ihnen offensichtlich widersprochen! Alle waren wohl ebenfalls berauscht, betört und durchseucht von dieser Ideologie!
Langsam kamen bei mir Eindrücke und Geschehnisse, die ich vergessen, verdrängt oder denen ich keine Bedeutung zugemessen hatte, wieder aus dem Unterbewusstsein zu Tage.
Da war die Beileidskarte, die Oma und Opa vom Nachbarn anlässlich des Todes von P. erhalten hatten, und die ich – neugierig wie ich war – irgendwo in alten Unterlagen aufgestöbert hatte. Der Nachbar, der mir noch als biederer Mitarbeiter einer Schreibwarenhandlung in unserer Kreisstadt in guter Erinnerung ist, schrieb damals 1941 sinngemäß: „Niemand hat den Nationalsozialismus so gut verstanden und danach gehandelt wie Euer Sohn P.“. So schreibt nur ein Überzeugter über einen anderen Überzeugten!
Da erinnerte ich mich an ein Foto, auf dem unsere Mutter, umringt von einer Schar SA-Männern in Bernau zu sehen war. Sie war dort –wohl Ende der 1930-er Jahre „in Stellung“. Sie war jeden Sommer „in Stellung“, aber sonst immer in Hotels im Rheinland. Wie kam sie in eine SA-Führungsschule in Bernau? Wahrscheinlich war auch sie von der Hitler-Ideologie umgarnt gewesen.
Da war auch noch meine Cousine A., K.s Tochter, die mir in den 1950/60-er Jahren in einem Gespräch gesagt hatte, dass sie sofort mit 18 Jahren (also im Frühjahr 1944!) in die NSDAP eingetreten sei, weil sie voll überzeugt gewesen sei.
Mein Vater, der bereits vor Hitlers Machtergreifung als SA-ler zusammen mit den Kommunisten (seinem Bruder V.) im Rheinland die französischen Besatzer in in den Fluss geschmissen hatte, und der daraufhin – steckbrieflich durch die Franzosen gesucht – aus dem Besatzungsgebiet fliehen musste.
Da erinnerte ich mich an eine Feldpostkarte, die mein Onkel W. (Vatis Bruder) aus der Slowakei – wohl kurz vor Kriegsende- an seine kranke Mutter geschrieben hatte, in der er stolz erzählte, wie sie die slowakischen Partisanen gejagt hatten, offensichtlich als Mitglied einer berüchtigten Einsatzgruppe.
Alle waren sie mehr oder wenig vom Virus des Nationalsozialismus befallen! Nicht nur Mitläufer, nein gläubige Anhänger und Erfüllungsgehilfen!
Der sowjetische General hatte doch Recht: die meisten Deutsche waren damals Nazis!
Sechs, sieben Jahre hatten den Nazis gereicht, die Gesinnung der Deutschen umzukrempeln. Noch 1932 waren die Kommunisten die stärkste Partei. Wem nimmt es Wunder, was heute in der Ukraine geschieht! Ich will hier niemanden verdammen. Meine Stellung zu meinen Eltern hat sich durch diese neuen Erkenntnisse nicht geändert. Ich weiß natürlich auch nicht, wie ich mich unter den damaligen Umständen verhalten hätte. Mir ist nur aus meiner persönlichen Familiengeschichte klar geworden, wie schnell man Menschen verführen kann! Und ich möchte, dass meine Nachfahren, meine Enkel, daraus persönliche Schlüsse ziehen:
Seid nicht leichtgläubig, naiv und blauäugig! Hinterfragt alles, was man versucht, euch unterzuschieben. Betrachtet alle Geschehnisse auch aus anderen Richtungen. Seid Querdenker! Denkt selbst! Denkt nicht nach, was Rattenfänger euch vorgedacht haben! Lernt aus der Geschichte, auch aus der eurer eignen Sippe! Nur so könnt ihr den ideologische Fallen entgehen, die heute stärker denn je auf euren Wegen auf euch lauern!
Auch in Deutschland wird intensiv daran gearbeitet, die Geschichte umzuschreiben, wird versucht aus schwarz weiß zu machen. Fallt auf die Flötentöne der neuen Rattenfänger nicht herein! Stellt euch immer die Frage: „Wem nützt es?“ Nicht „Menschlichkeit“ und „Gerechtigkeit“ sind das eigentliche Ziel: Macht und Geldgier sind es in Wirklichkeit. Und ihr sollt zu willenlosen Marionetten in diesem makabren Spiel gemacht werden!
Sommer 2021
22. Leserbrief
Sehr geehrter Hr. Müller,
erst einmal vielen Dank für ihre Lebenswerke. Als Ossi habe ich meine Kindheit in einem friedlichen geeigneten Deutschland vielfach genossen. Die Nachdenkseiten sind heute ein unentbehrlicher Teil meines Lebens. Danke dafür.
Nun zu ihrem Kommentar: Ich denke, dass Sie ihn ihrem Beitrag die Kinder als letzte Chance sehen, dass die Welt gerettet werden könnte. Dabei vertauschen Sie jedoch die Verantwortung. Ich möchte Sie nicht dafür verurteilen, denn ich erkenne darin eine Verzweiflung, die ich zu teilen glaube. Ich muss Ihrer Beobachtung zustimmen, dass ich inzwischen glaube, die Entwicklungen der 1930er Jahre sehr gut nachfühlen zu können. Ich hatte aber bereits in der Corona-Krise diesen Eindruck, da damals eine Unterbrechung des Alltags erzwungen wurde, die man eben nur aus den extremsten Krisen kennt, wie dem Krieg. Dass die Rhetorik der vergangen Jahre immer mehr auf Kriegsmethaphern aufbaute, tat zudem ihr übriges.
Ich bin Lehrer an einer Berliner Schule und habe in meinem Arbeitsleben mit vielen jungen Leuten zu tun, die ich vor ihrer Aussage in Schutz nehmen muss:
“So adrett, dass die deutsche Jugend nahezu komplett wegschaut. Was sind das für eingeschlafene Zeitgenossen, diese jungen Leute. Ignoranten und damit Kriegsbefürworter. Wegseher und schon damit voll beteiligt.
Sie wachen auf, wenn sie gerade am Verglühen sind.”
Zusammengefasst ist ihr Vorwurf an die Jugend ungerecht und ungerechtfertigt. Meine Argumente zuerst in Kürze, im Anhang (P.P.S.) unten führe ich sie aus:
- Er ist zu pauschal. Dies trifft zu viele verschiedene Gruppen und Altersstufen, die unterschiedlich motiviert sind und sich auch abweichend verhalten.
- Die Verrohung der Gesellschaftseliten und des öffentlichen Umgangs (durch Medien aber öffentliche Organe) erzwingt eine Anpassung des Verhaltens von Kindern, da Kinder in besonderer Weise abhängig und ohnmächtig sind, damit sie nicht Opfer der Gewalt werden.
- Kinder können auf Grund mangelnder Vorbilder oder starker Abschreckung den Eindruck der völligen Ausweglosigkeit viel schneller erlangen als Erwachsene, die in vielen Bereichen viel größere Autonomie besitzen (sollten).
- Die Soziologie legt nahe, dass die Entwicklung der ethischen Selbstständigkeit für eine freie und eigenständige Meinungsbildung weder bei allen Menschen schon mit 16Jahren vorliegt, noch überhaupt bei allen Menschen je entwickelt wird.
Was also können wir von den Kindern eigentlich verlangen? Sie können für den Krieg genauso wenig wie dagegen. Was also können wir von Ihnen verlangen? Eigentlich nichts. Wir können sie im Gegenzug nur bitten, dass sie den Urhebern des ganzen Bösen, das ihr Leben schwer, schwerer, katastrophal macht, machen könnte oder machen wird, je verzeihen.
Daher möchte ich Sie ermuntern zu überlegen, was Sie und ich aus ihrer heutigen Perspektive auf ihre Eltern über die Kinder von Morgen ableiten können: Sie werden uns und die Welt heute nicht verstehen, aber mit der Lebenszeit zumindest nachvollziehen können, wie Ihnen heute geschieht. Ich hoffe Sie können verzeihen.
Mein Urteil gegenüber meinen Zeitgenossen wird momentan durch keinerlei Milde bestimmt
Mit freundlichen Grüßen
R. G.
Zwischenbemerkung Albrecht Müller: Die Kritik, der Vorwurf an die Jugend sei ungerecht und ungerechtfertigt, muss ich gelegentlich gelten lassen. Ich habe meine Kritik an die junge Generation adressiert. Das war einseitig und nicht berechtigt. Danke für die Kritik daran.
Fortsetzung des Leserbriefs:
P.P.S. Im Folgenden meine inhaltlich ausführliche Darlegung:
Dies ist gemein. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend in Ostberlin und Brandenburg in den 1990er und 2000er Jahren eine Welt kennengelernt, in der ausnahmslos die Mehrheit der Erwachsenen, die für mein Leben prägend waren, keinerlei Vertrauen in die Amtsträger und Volksvertreter hatten. Mir wurde vorgelebt, dass sich die wesentlichen Lebensbedingungen nicht durch Wahlen ändern ließen. Außerdem lernte ich, dass in den Nachrichten immer ein Krieg sein musste: Jugoslawien, Israel-Palästina, Irak, Afghanistan. Es gab ihn immer. Egal wer an der Macht war. Wir machten immer mit.
Heute haben die Kinder noch die diversen Finanzkrisen und ihre Nachbeben erlebt, die Entmachtung der Staaten durch CETA, TTIP und deren schreckliche Nachgeburten sowie nun die totale Heuchelei erlebt, dass mit Corona ein Notstand geschaffen wird, ohne ihn zu benennen und entsprechend die in der Rechtstradition dafür vorgesehenen Mechanismen ernst zu nehmen: Klare Benennung des Zustandes als Notstand, Begrenzung der Notstandszeit, genau Abtrennung zwischen Norm(al) und Ausnahme.
Erfahrung formt die Seele: Die Kinder sind schlicht desillusioniert. Wie sollen denn Kinder gegen in die allseitigen Lügen ankommen, wenn ihnen die Erfahrung fehlt. Bei dieser Disziplin scheitern doch schon zu viele Erwachsenen, die altes Wissen und Erfahrungen verwerfen, nur weil eine Autorität jemand ein neues Wissen proklamiert. Das ist unfair.
Für eine kritische Meinungsbildung und letztlich auch die Positionierung gegen die veröffentlichte Meinung erforderte doch, dass die Kinder ein klares und überprüfbares (und sich dadurch bestätigendes) Weltbild in der Schule vermittelt bekämen. Aber genau das wurde in den letzten Jahrzehten in Berlin zerstört. Man hat einen Lehrplan eingeführt, bei dem mit Absicht dem Bereich “Fertigkeiten/Fähigkeiten” (neudeutsch Kompetenz) ein Primat vor dem Wissen (Inhalt) eingeräumt wurde. DIe genannten BEgriffe sin dzwar nicht deckungsgleich, aber doch in so großem Maße, dass allein die Begriffsersetzung zeigt wohin die Reise gehen soll: Die Kinder sollen Handlungsautomaten sein.
Die Fächer Geographie und Geschichte wurden in der Grundschule zum nichtssagenden GEWI kombiniert, das jeder beliebige Lehrer aus dem Bereich “Gesellschaftswissenschaften” unterrichten dürfte, wenn er sich dazu bereit erklärt. In der Sekundarstufe I (7-10.Klasse) werden die Fächer stellenweise mit einer Wochenstunde unterrichtet(!). Der Lehrplan sieht in Geschichte KEINEN chronologischen Unterricht mehr vor. Stattdessen werden einzelne Schwerpunkte a la “Menschenrechte” oder “Demokratie” an den einzelnen Geschichtsausschnitten behandelt. Der Chronologische Überblick geht verloren und das ganze begünstigt dadurch, dass der Inhalt dekontextualisiert wird.
Zuletzt haben viele Kinder erschreckt aufgeblickt, als ich Ihnen von den Abstimmungsergebnissen der BRD zu den UN-Resolutionen gegen den Nazismus berichtete. SIe schämten sich für unser Land. Ich konnte einigen Ansehen, dass sie sofort ein gerüttelt Maß Glauben an und in unseren Staat verloren hatten. Dies traf sie um so mehr, als dass in Berlin ein tolles Schülerprogramm namens “Model United Nations” (kurz MUN) durchgeführt wird, das auch vom Land Anerkennung erhält. Dort setzen sich die Teilnehmenden Kinder jedes Jahr mit den großen Fragen und Interessen der Weltpolitik auseinander. Einige hatten Erfahrungen gesammelt und mussten sicher die Widersprüche zwischen Ansprüchen unserer Volksvertreter und der Wirklichkeit feststellen.
Zuletzt sprechen wir von Kindern. Wir können nicht verlangen, dass sie die Arbeit machen, die die Erwachsenen nicht im Stande sind zu verrichten. Die Fridays For Future war eine gutes Beispiel, dass die Stimme der Kinder sehr mächtig werden kann, aber sie ersetzt nicht die Pflichten der eigentlichen Verantwortlichen. Zumal besonders die Kinder heute fast überhaupt keinen Schutz mehr genießen in unserer Gesellschaft: Polizeigewalt gegen Kinder, auch bei Abschiebungen, Corona-Maßnahmen, Hartz-IV, Bildungsungerechtigkeit, Familienfeindlichkeit, Kinderfeindlichkeit, und so weiter.
23. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
Sie schreiben:
„Was wir uns heute an Feindseligkeit gegenüber anderen Völkern, an Gleichschaltung und an Agitation gefallen lassen und dem folgen, ist so schlimm wie die Agitation der Nazis. Es kommt auf feinere Weise daher, verkündet von harmlos aussehenden Akteuren … und eben nicht in SS-Uniform. Aber es ist das Gleiche“
So bitter es ist, diese Realität anzuerkennen: da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.
Zum Zeitpunkt der Geburt meiner Mutter wurde ihr Vater, mein Großvater, seines Zeichens Grafiker, von der Gestapo verhaftet – wegen einer Zeichnung, die als Karikatur, mithin als Verspottung des „Führers“ gedeutet wurde. Das war 1936. Nach 8 Tage dauerndem Verhör wurde er wieder freigelassen. Man könnte meinen: Noch einmal glimpflich davon gekommen. Tatsächlich wurde er deswegen entlassen, war dann arbeitslos (während viele andere in der Zeit wieder in Lohn und Brot kamen), wurde von Bekannten, die ihn dann nicht mehr (er)kannten, auch von „Freunden“ gemieden und stand vor der Frage, wie er seine junge Familie durchbringen sollte. Mit Klavierspielen in diversen Lokalen konnte er etwas Geld verdienen, mit seinen Zeichnungen etwas hinzuverdienen (aus dieser Zeit stammen viele „Charakterstudien“ von lokal bekannten Menschen, die er zeichnete), es reichte dennoch „hinten und vorne“ nicht. Eine harte Zeit, für ihn, für seine Frau, meine liebe Oma, und seine erstgeborene Tochter, meine liebe Mutter.
Er war kein Pazifist, aber gegen Krieg. Sein Vater, mein Urgroßvater, hatte den Traum, ein Kino in Barcelona zu eröffnen. Während er noch austüftelte, wie er das mit Frau und zwei Kindern bewerkstelligen könnte, wurde er 1914 zum Wehrdienst eingezogen und landete in den Gräben von Verdun. Dort erhielt er einen Bauchschuss und wurde zum Kriegsinvaliden. Sämtliche Träume waren geplatzt, er konnte nur eingeschränkt arbeiten, die Invalidenrente war knapp bemessen. Fortan hielt er sich häufig in Kneipen auf, im Gespräch mit anderen Kriegsveteranen. Dadurch war sein Sohn, mein Großvater, obwohl selbst noch Kind, vor die Aufgabe gestellt, zum Familienunterhalt beizutragen. Ihm oblag es zudem, seinen Vater aus der Kneipe zu holen. Das hat er gehasst. Er hat gehasst, was der Krieg aus seinem Vater gemacht hatte. Und diese Erfahrung vor allem war der Hintergrund seiner Ablehnung von jeglichem Krieg.
Wie ich aus den Schriften meines Großvaters entnommen habe (er gab mir mal ein Kapitel aus seinen Aufzeichnungen über diese Zeit, weil er meine Meinung dazu wissen wollte), gab es in dieser Zeit (zweite Hälfte der 30-er Jahre) Gastarbeiter, die in einer Siedlung im Norden Frankfurts (a. M.) wohnten. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse, des Französischen und des Russischen, fand er eine Anstellung in der Betreuung dieser Gastarbeiter. Als jedoch Zäune um diese Siedlung errichtet wurden und eine „Umstellung“ vom Gastarbeiterstatus auf einen Zwangsarbeiterstatus (so interpretiere ich jedenfalls die Ereignisse) stattfand, wollte er dabei nicht mitmachen. Dennoch musste er seine Familie ernähren. Er entschied sich dann, sich zum Wehrdienst zu melden (ließ seine UK-Stellung aufheben).
Er kam an die Ostfront. Nicht zur 6. Armee, sondern der dahinter. In Russland suchte er immer wieder Kontakt zur Zivilbevölkerung. Er sprach, wie gesagt, russisch, und war ein Patriot im Sinne des Gegenteils eines Nazideutschen. Er empfand es stets als besondere Kränkung, dass die Nazis „das Deutsche“ gekapert hatten, ihm „sein Deutschland“ weggenommen hatten. Er wollte deutlich machen, dass es Deutsche in der Tradition des Landes der „Dichter und Denker“ und auch der Frankfurter Nationalversammlung gibt, und nicht nur Nazis.
In Gefechten hat er um sein Überleben gekämpft, auch um das seiner „Kameraden“. Wie er für sich den Spagat hinbekommen hat, zwischen Schießen im Gefecht und Reden mit der Zivilbevölkerung nach dem Gefecht, weiß ich nicht. Er war ein „harter Knochen“, ein Kämpfer mit Ehrgefühl und hat sich allen Widrigkeiten zum Trotz 91 Jahre auf dieser Erde behauptet.
In dieser Zeit an der Ostfront kursierten Fotos unter den Soldaten, Fotos von Massenerschießungen, Fotos von KZs. Unter der Hand weitergereicht. Meiner Einschätzung nach ein weiterer Beleg dafür, dass alle gewusst haben, was vor sich ging.
Seine Armee bog dann von Russland (über die Ukraine und Bulgarien) nach Griechenland ab. Aus Griechenland kam er wieder zurück nach Deutschland. In seine zerstörte Heimatstadt.
Seine Frau und seine Kinder hatten überlebt, dank verwandtschaftlicher Beziehungen in die Rhön, dennoch einigen Bombenhagel in Frankfurt aushalten müssen. Die Erzählungen meiner Mutter zu Aufenthalten in Bunkern (als sie 8 bzw. 9 Jahre alt war) sind mir eindringlich im Gedächtnis.
Kriegsschäden konnte ich noch selbst in den 70er Jahren in der Stadt sehen. (In Berlin bis Anfang der 90er Jahre.)
Meinen Opa habe ich niemals herzhaft lachend erlebt. Allenfalls einmal ein bitteres Lachen. Bei seinen Enkel/innen konnte er zumindest lächeln. Gegenüber sämtlichen Vorgängen in der Gesellschaft und in der Politik war er stets skeptisch. Ich mochte meinen Opa, doch als junger Mensch habe ich nicht so recht verstanden, weshalb er so war, wie er war. Erst als ich seine Aufzeichnungen las, wurde mir vieles klar.
Er hat mir persönlich – wohlüberlegt – etwas hinterlassen. Einen literarischen Schatz. Die gesammelten Werke Dostojewskis. Er wusste, dass die für mich (auch beruflich) bedeutsam sind, das ich sie gründlich lese; er wusste, dass ich realisiere, wie sehr er die russische Kultur schätzte; und da er sie mir selbst aushändigte, einige Jahre, bevor er starb, wusste er, dass ich sie habe, egal, was seine künftigen Erben treiben.
Diesen Ausschnitt aus meiner Familiengeschichte schreibe ich, um den Gehalt Ihrer Aussage zu unterstreichen: Die Parallelen in der Geschichte sind offensichtlich. Sie schreiben: „Es kommt auf feinere Weise daher“ – ja, dem äußeren Anschein nach, Anzüge, Kostüme, statt Uniformen. Aber, möchte ich hinzufügen, mit noch größerer, weil heimtückischer Brutalität (gibt es „feinere“ Brutalität? Wenn ja, die kriegen das hin). Ulrike Guerot, Patrick Baab, Rommy Arndt u. v. a. – beständig wird nicht nur gegen sie gehetzt, sondern zugleich noch der Entzug ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage gefordert. Und dabei machen Unis, Verbände und Behörden noch mit.
Wer eine regierungskritische Meinung äußert, soll exekutiert werden. Das ist die Aussage. Das ist der Tenor in von Bürgerinnen und Bürgern zwangsfinanzierten Medien, in von privaten Konzernen finanzierten Medien, in Presseerklärungen von angeblichen „NGO“s, die tatsächlich zur Klasse der PPP gehören (ob das nun Public-Private-Partnership oder Nachttopf-Partnerschaft heißt, weiß ich nicht).
Über Russinnen und Russen, die ich kennengelernt habe, kann ich nur Gutes berichten. Weshalb diese m. E. komplett irre gewordenen „Repräsentanten“ Deutschlands eine solch unglaubliche Russlandfeindlichkeit propagieren, erschließt sich mir nicht. Da reichen mir auch „Entschuldigungen“ wie „Geschichtsvergessenheit“ (ach, in der Schule nicht aufgepasst?) und „Debilität“ (Inklusion erfordert anscheinend auch, eine solche Außenprinzessin zuzulassen – eine Außenprinzessin, die eigenhändig Russland den Krieg erklärt: „We fight a war against Russia“) nicht aus. Es ist die Wiederkehr der Nazis, das erneute Aufblühen des tausendjährigen Reiches (nun nur noch 910 Jahre), das da zum Vorschein kommt.
In der ganzen politischen Landschaft der Bundesrepublik scheint es nun mehr nur noch zwei Aufrechte zu geben: Oscar Lafontaine (den ich gerne 1990 als Kanzler gesehen hätte) und Sahra Wagenknecht (aber was soll sie alleine machen?).
In der medialen Landschaft gibt es ein paar mehr Aufrechte: die Nachdenkseiten natürlich, mit, möchte ich anmerken, der unvergleichlichen Lisa Fitz an ihrer Seite und Artikeln von z. B. Klinkhammer und Bräutigam, die Sachverhalte in einer Weise auf den Punkt bringen, dass ich gerne sagen möchte: „köstlich zu lesen“, jedoch sind die Themen von bitterem Ernst.
Es gibt „apolut.net“, die Nachfolgeseite von KenFM, dem geschassten, übel verleumdeten Ken Jebsen, auf der viele interessante Interviews zu finden sind, meinethalben auch den „Rubikon“, da findet sich auch was, multipolar – stets aufrecht, Norbert Häring – sollte Wirtschaftsminister in einer hoffentlich kommenden vernünftigen Regierung werden, das „3. Jahrtausend“, unterhaltsam, und noch einige andere. Dirk Pohlmann, Gaby Weber, Karin Leukefeld, Wolf Wetzel …
Wenn es gelänge, eine mediale Struktur aufzubauen, die von solchen Menschen getragen wird, dann hätten wir eine äußerst wirksame Presse, eine wirkliche „4. Gewalt“.
Dass nun wieder deutsche Panzer auf Russland zurollen sollen, ist erschütternd und beschämend. Und das wir eine Regierung haben, die gewollt und gezielt der eigenen Bevölkerung den größtmöglichen Schaden zufügt, ist ein erbärmliches Zeugnis für die Verfasstheit unserer Gesellschaft. Es wäre an der Zeit, dass das Volk mal sagte: „Schluss damit“. In Deutschland, dem Land der Kriecher und Henker ist das nicht zu erwarten.
Ein Zitat noch von Olaf Scholz: „Vertrauen Sie mir. Vertrauen Sie der Bundesregierung.“
Ganz gewiss nicht.
Dieser Staat und sämtliche „öffentlich-rechtliche Körperschaften“, fast alle Gewerkschaften, Kirchen, Verbände, NGOs, Vereine und sonstigen organisierten Hanseln haben jedes Vertrauen verspielt. Dieser Staat und die in diesem positionierten geldgierigen Duckmäuser sind korrupt, verlogen, durch und durch kriminell, in allen ihren Äußerungen und Handlungen menschenverachtend. Was sich zusammengebraut hat und hier und heute zum Vorschein gekommen ist, das ist der blanke Faschismus, die tiefste Menschen- und Lebensverachtung, ein Vernichtungs- und Zerstörungswille, quantitativ geht es heute um mehr als 1 Milliarde Menschen, deren Tod „billigend in Kauf genommen“ wird.. Es ist das erbärmlichste Zeugnis des „Menschentums“.
Wer auch immer noch einen Funken Anstand in sich verspürt, wehrt sich mit jeder Faser seines Leibes und seiner Seele gegen diese moralisch verrotteten, gewissenlosen, skrupellosen Soziopathen.
Das mögen zum Schluss hin harsche Worte sein. Aber ich vertrete meine Meinung und weiche keinen Schritt zurück.
Solidarische Grüße für die NDS und einen herzlichen Gruß an Sie, Albrecht Müller, da Sie in einer Weise schockiert zu sein scheinen, die ich vollumfänglich nachvollziehen kann.
Heinrich Peter
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