28.06.2023

Fremde FedernRüstungsindustrie, Einwanderungsland, Next Level Aussichtslosigkeit

makronom.de, vom 27. Juni 2023,

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.



Die Welt und ihre Wirtschaft wird indischer


piqer: Thomas Wahl

Migration ist ein globales und offenbar extrem komplexes Phänomen. Insofern ist der Blick aus der Vogelperspektive, den der ECONOMIST auf das weltweite, von indischen Migranten angeführte Phänomen wirft, spannend.

Von den 281 Millionen Migranten, die sich heute rund um den Globus verteilen – allgemein definiert als Menschen, die außerhalb ihres Geburtslandes leben – sind nach den jüngsten Schätzungen der UNO aus dem Jahr 2020 fast 18 Millionen Inder. Mexikanische Migranten, die die zweitgrößte Gruppe bilden, zählen etwa 11,2 Millionen. Die Auslandschinesen kommen auf 10,5 Millionen.

Das sind ganz andere Gruppen, als die, die wir in Deutschland aufnehmen, wahrnehmen oder gar fürchten. Der Artikel betont dabei den quantitativen, aber auch qualitativen Erfolg indischer Refugiés, die auch für das Image ihres Landes stehen. Während die Inder im Ausland eher positiv wahrgenommen werden, schlägt den Chinesen eher Misstrauen entgegen. Was auch auf geopolitische Verwerfungen hindeutet.

Eine große Zahl von Chinesen der zweiten, dritten und vierten Generation lebt im Ausland, vor allem in Südostasien, Amerika und Kanada. Doch in vielen reichen Ländern, darunter Amerika und Großbritannien, übersteigt die Zahl der in Indien geborenen Menschen die der in China geborenen.

Indisch stämmige Migranten verteilen sich über den ganzen Globus. So etwa in den westlichen Staaten:

  • 2,7 Millionen leben in Amerika,
  • über 835.000 in Großbritannien,
  • 720.000 in Kanada und
  • 579.000 in Australien.

Junge Inder strömen in den Nahen Osten, wo niedrig qualifizierte Jobs im Baugewerbe und im Gastgewerbe besser bezahlt werden als im Heimatland:

  • 3,5 Mio. indische Migranten leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten und
  • 2,5 Mio. in Saudi-Arabien.

Weitere findet man in Afrika und anderen Teilen Asiens und der Karibik. Bekanntlich leisten gerade Arbeitsmigranten meist auch einen wichtigen Beitrag zum BIP ihres Heimatlandes. So erreichten Indiens Überweisungen aus dem Ausland 2020 einen Rekordwert von fast 108 Mrd. $, etwa 3% des BIP und damit mehr als in jedem anderen Land. Aber die Inder in Übersee mit ihren guten Sprachkenntnissen, dem hohen Bildungsstand und ihrem Know-how fördern auch intensiv den grenzüberschreitenden Handel und die Investitionen.

Indien hat wesentliche Voraussetzungen, um ein führender Exporteur von Talenten zu sein: eine große Zahl junger Menschen und eine erstklassige Hochschulbildung. Dass die Inder die englische Sprache beherrschen, ein Erbe der britischen Kolonialherrschaft, ist wahrscheinlich auch hilfreich. Nur 22 % der indischen Einwanderer in Amerika, die älter als fünf Jahre sind, geben an, dass sie nur begrenzte Englischkenntnisse haben, verglichen mit 57 % der chinesischen Einwanderer, … .

Dazu kommt, die Einwanderungsregeln vieler reicher Länder filtern nach gefragten hohen Qualifikationen. Was z.B. dazu führte, dass 2022 73% der amerikanischen h-1b-Visa, die an Spezialisten in „Fachberufen“ wie Informatiker vergeben werden, an in Indien geborene Menschen gingen. Was als „Brain Drain“ für das Geburtsland sicher auch Nachteile hat. So analysierte eine Studie den Verbleib

von Studenten, die 2010 die hart umkämpften Aufnahmeprüfungen für die Indian Institutes of Technology, die Elite-Ingenieurschulen des Landes, absolvierten. Acht Jahre später stellten die Forscher fest, dass 36 % der 1 000 Besten ins Ausland abgewandert waren, unter den 100 Besten waren es sogar 62 %. Die meisten gingen in die USA.

Eine andere Studie untersuchte die besten 20%

der Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz (definiert als diejenigen, deren Arbeiten im Wettbewerb für eine Konferenz im Jahr 2019 angenommen wurden). Dabei wurde festgestellt, dass 8 % ihren ersten Abschluss in Indien gemacht haben. Aber nur eine winzige Anzahl von Forschern arbeitet heute dort.

Und so besitzen auch fast 80% der in Indien geborenen Bevölkerung im schulpflichtigen Alter mindestens einen Bachelor-Abschluss.

Bei den in China geborenen Amerikanern sind es nur  50 % und lediglich 30 % der amerikanischen Gesamtbevölkerung können dies von sich behaupten. Und so verwundert es nicht, dass Inder die am höchsten verdiente Migrantengruppe in Amerika sind –  mit einem mittleren Haushaltseinkommen von fast 150.000 Dollar pro Jahr. Das ist doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt und weit vor chinesischen Migranten, mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von über 95.000 Dollar. In Australien liegt das mittlere Haushaltseinkommen unter indischen Migranten bei fast 87.000 Dollar pro Jahr, verglichen mit einem Durchschnitt von etwa 62.000 Dollar in allen Haushalten und etwa 58.000 Dollar bei den in China geborenen.

Und so steigen Mitglieder der indischen Diaspora auch zunehmend an die Spitze der Geschäftswelt sowie der Politik auf. So sind heute bei den amerikanischen S&P 500-Unternehmen 25 Geschäftsführer indischer Abstammung, gegenüber 11 vor einem Jahrzehnt.

In der Technologiebranche war es, laut Vinod Khosla, Mitbegründer von Sun Microsystems, für indische Unternehmer noch in den 1980er Jahren schwierig, in Amerika Geld zu sammeln.

„Sie waren Leute mit einem lustigen Akzent und einem schwer aussprechenden Namen und sie mussten höhere Hürden überwinden“, sagt er. Jetzt werden Adobe, Alphabet, Googles Muttergesellschaft, ibm und Microsoft alle von Menschen indischer Abstammung geführt. Die Dekane an drei der fünf führenden Business Schools, einschließlich der Harvard Business School, sind es auch.

Vergleichbares gilt ebenfalls für die Politik. Johns Hopkins-Forscher zählten im britischen Unterhaus 19 Mitglieder indischer Abstammung, darunter Premierminister Rishi Sunak. Man identifizierte sechs Indischstämmige im australischen Parlament und fünf im amerikanischen Kongress. Amerikas Vizepräsidentin Kamala Harris hat eine tamilisch-indische Mutter. Chef der Weltbank ist Ajay Banga, geboren in Pune in Westindien, nachdem er mehr als ein Jahrzehnt lang MasterCard geführt hatte.

Die chinesische Diaspora ist die einzige andere Gruppe mit vergleichbarem Einfluss in der Welt. Eine Analyse von The Economist, die zu Beginn der Covid-19-Pandemie durchgeführt wurde, schätzt, dass mehr als drei Viertel des gesamten 369-Milliarden-Dollar-Vermögens der Milliardäre in Südostasien von huaqiao kontrolliert werden, einem Mandarin-Begriff für ethnische Chinesen, die Bürger anderer Länder sind.

Vergleicht man Südostasien mit Europa und Nordamerika, sieht dieses Bild etwas anders aus. Es gibt z.B. weniger Chefs chinesischer Abstammung, die S&P 500-Unternehmen leiten, als Chefs indischer Abstammung. Man vermutet, dass sich viele der chinesischen Geschäftsleute eher dafür entscheiden, in China zu arbeiten und zu investieren. Gibt es doch genügend schnell wachsende chinesische Unternehmen, wie etwa den Smartphone-Hersteller Xiaomi, den Internet-Suchdienst Baidu und ByteDance, die in Peking ansässige Muttergesellschaft von TikTok, einer global agierenden Social-Media-App.

Der wachsende indische Einfluss wird zunehmend auch gestützt durch das westliche Misstrauen gegenüber China und seiner aggressiven Politik. Viele Westler sehen das Land zunehmend als Feind, der auf einen neuen Kalten Krieg zusteuert. Das belastet die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen gegenüber China.

Huawei, ein chinesischer Telekommunikationsausrüster, der in der Vergangenheit verdächtigt wurde, Embargos zu brechen und ein Kanal für die Spionage der chinesischen Regierung zu sein, wurde in Amerika verboten. Einige europäische Länder sind dem Beispiel gefolgt. Strenge Überprüfungen ausländischer Investitionen in amerikanische Unternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit zielen offen auf chinesisches Geld im Silicon Valley. Einzelne Personen, die im Verdacht stehen, auf Chinas Geheiß zu handeln, darunter ein ehemaliger Harvard-Professor, wurden bestraft.

Auch wenn Modi und seine hindunationalistische Bharatiya Janata Party Anlass zur Sorge gibt, indische Firmen können hier viel freier agieren.

Indiens Anspruch, eine von liberalen Werten geprägte Demokratie zu sein, erleichtert der Diaspora die Integration im Westen. Die Diaspora wiederum bindet Indien an den Westen. Ein verblüffendes Beispiel dafür war 2005, als die USA ein Abkommen schlossen, das Indien faktisch als Atommacht anerkannte, obwohl das Land sich weigerte, den Atomwaffensperrvertrag … zu unterzeichnen. Lobbyarbeit und Geldbeschaffung durch indische Amerikaner halfen dabei, das Abkommen durch den Kongress zu bringen.

Sicher, unter Modis Führung werden Indiens Verbindungen zum Westen einem Stresstest unterzogen. Im Land wächst die nationalistische Rhetorik und liberale Freiheiten werden angegriffen. Außenpolitisch ist Indien kein williger Follower der USA oder des Westens. Es betont seinen Status als unabhängige Macht, hat sich geweigert, Russlands Invasion der Ukraine zu verurteilen und kauft billig russisches Öl und Dünger.

Indien ist eine gewichtige Stimme der BRICS-Staaten, einer Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften. Die Abkürzung „BRICS“ steht für die Anfangsbuchstaben der fünf zugehörigen Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Der Club erwägt gerade, Saudi-Arabien und den Iran beitreten zu lassen. Das alles könnte den Ruf Indiens gefährden und der indischen Soft Power schaden. Andererseits werden die Übersee-Inder das versuchen auszugleichen. Und in der Konfrontation mit China wäre der Westen um so mehr auf Indien angewiesen. Ebenso wie auf die fachlich guten indischen Migranten. Es bleibt also spannend.

economistIndia’s diaspora is bigger and more influential than any in history



Next Level Aussichtslosigkeit in Großbritannien


piqer: Silke Jäger

John Harris ist ein von mir sehr geschätzter Reporter, der unermüdlich durch Großbritannien reist und mit den Menschen spricht. Ihnen einfach zuhört. Wissen will, was sie bewegt. Und sie nicht ausstellt, wenn er berichtet.

Er hat sich schon, so lange ich ihn lese, Sorgen gemacht. Um die Menschen, die kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen. Um die, die keine Perspektive sehen. Und um das Land, das sie so sehr im Stich lässt.

Aus diesem Text sticht aber noch etwas anderes aus den ohnehin schon düsteren Zeilen heraus. Harris ist selbst von Erschöpfung und Perspektivlosigkeit betroffen. Das sagt er nicht direkt, sondern erzählt es aus der Perspektive zweier Frauen, die in seiner Heimatstadt wohnen.

Die eine ist Altenpflegerin und verdient 10,70 Pfund die Stunde, was im Moment 12,48 Euro entspricht. Sie verdient damit als erfahrene Pflegefachkraft ungefähr das, was in Deutschland eine Pflegehilfskraft bekommt. Sie hat keine Hoffnung, dass sie demnächst mehr verdienen könne. Denn aus ihrer Sicht wäre der naheliegendste Grund für eine Lohnerhöhung ihr Einsatz während der Covid-Pandemie gewesen. Doch auch dafür gab es keine finanzielle Anerkennung.

Die andere ist selbstständige Buchhalterin und fürchtet sich vor dem Auslaufen ihres Hauskreditvertrages. So wie schätzungsweise zwei Millionen Brit:innen, deren zinsgebundene Verträge bald auslaufen und die dann mehrere Hundert Pfund im Monat nachzahlen müssen. Man schätzt, dass circa 4% der Haushalte in UK ihre Ersparnisse deshalb verlieren werden. Diese Aussicht gibt der Frau das Gefühl, sich nicht mehr hocharbeiten zu können, sondern mit dem, was sie jetzt hat, für immer zufrieden sein zu müssen.

Diese Beispiele symbolisieren unterschiedliche Arten von Aussichtslosigkeit. Und was Harris so anfasst, ist, dass nicht mehr nur diejenigen hoffnungslos sind, die von prekären Jobs oder von staatlicher Unterstützung leben müssen, sondern inzwischen auch die Mittelschicht. Leute wie er selbst.

Auf die Frage, was diese Menschen von der Politik erwarten, kommt:

If we have a Conservative government, it gets worse every year.

und

Everything is so out of your control … I feel like it doesn’t make much difference any more.

Die Rhetorik der letzten Jahre und die wirtschaftlichen Probleme erzeugen bei den Menschen eine tiefe Erschöpfung. Niemand will mehr leere Versprechungen hören, aber jede:r erwartet nur noch diese von der politischen Klasse.

Harris meint:

Now, I hear echoes of the weariness and bafflement I used to associate with the post-industrial places whose furies took us out of the EU, but this time in our market towns and suburbs. I worry about that. I think we all should.

GuardianBritain is used to crises now. But this widespread hopelessness is new – and frightening Autor: John Harris



Rüstungskonzern Hensoldt AG: Profit schlägt Compliance?


piqer: Lars Hauch

Russlands Überfall auf die Ukraine ist ein PR-Glücksfall für die deutsche Rüstungsindustrie. Als Olaf Scholz das Ulmer Werk der Hensoldt AG besucht, verkündet Vorstandschef Thomas Müller dem Kanzler und Aktionärsvertretern, Hensoldts Produkte seien technologisch „die besten, wirklich die besten elektronischen Systeme zur Verteidigung unserer liberalen Grundordnung“.

Überraschung: In Wirklichkeit scheint Hensoldt es mit liberalen Werten nicht ganz so genau zu nehmen. Dem Spiegel wurden diverse interne Dokumente zugespielt. Daraus entstanden ist ein Text, der viele Fragen aufwirft. Vor einem Monat erschien er bei Spiegel+. Hier nun ohne Paywall bei Spiegel International. Es folgt eine Zusammenfassung.

Die Bundesregierung hat vor drei Jahren 25,1 Prozent der Hensoldt AG gekauft. Technik von Hensoldt steckt in allen möglichen Waffensystemen, unter anderem dem Leopard-2 sowie Iris-T. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Hensoldts Aktienkurs sich beinahe verdreifacht.

Compliance (= Regeltreue) ist besonders in der Rüstungsindustrie ein wichtiges und heißes Eisen. Deals werden oft über Ecken, unter Beteiligung diverser Unternehmen und Regierungen, eingefädelt. Korruption und Grauzonen gibt es entsprechend zuhauf. Leitend zuständig für Compliance ist bei der Hensoldt AG ein Jurist namens Solms Wittig. Laut internen Unterlagen mischt Sittig sich regelmäßig in laufende Geschäfte ein und macht sich dadurch nicht nur Freunde.

Besser kann man die Rolle von Compliance wohl nicht beschreiben. Die Aufpasser warnen, mahnen — aber können längst nicht jedes Fehlverhalten verhindern. Ein Beispiel dafür sind Hensoldts Geschäfte mit Uganda.

Uganda wird seit 37 Jahren autoritär von Yoweri Museveni regiert. Hensoldts hausinterne Analyse warnte 2020, es gebe ein „sehr hohes und kritisches Korruptionsrisiko“. Wegen des „Geschäftspotenzials“ drang man laut Spiegel-Recherchen dennoch in den Markt ein. Ein üblicher Vorgang: Hensoldt engagierte eine lokale Beraterfirma, die über die nötigen Verbindungen für einen Deal verfügt. Der Leiter der Geschäftsentwicklung Afrika schrieb an seine Kollegen gar, die Berater hätten besonderen Zugang zur Armee und Spezialkräften, die von Musevenis Sohn geleitet werden. Er sei ein „Bekannter von uns“. Hensoldt hat sich auf Nachfrage nicht zu dieser Beziehung äußern wollen. Der Deal sei jedoch nicht zustande gekommen.

An die Luftwaffe Ugandas lieferte Hensoldt dann aber doch. Compliance-Chef Sittig schrieb im Dezember 2020 einem Mitglied des Exekutivkomitees: „Wir haben einen Fall, der uns Kopfschmerzen bereitet.“ Ugandas Luftwaffe sollte Sensoren bekommen, die vor herannahenden Raketen warnen. An dieser Stelle wird es etwas kompliziert. Denn, wie in der Rüstungsbranche üblich, Hensoldt war nicht direkter Vertragspartner, sondern Zulieferer, in diesem Fall an die israelische Rüstungsfirma Bird Aerosystems. Das israelische Unternehmen arbeitete in Uganda mit einem einflussreichen Waffenhändler namens Boaz Badichi zusammen, der für Deals mit Despoten bekannt ist. Badichis Firma sowie eine lokale Tochterfirma bemühten sich zwei Jahre darum, den Deal mit der Luftwaffe auf die Beine zu stellen.

Compiance-Chef Wittig schlug Alarm. Es sei nicht klar, ob Hensoldt sich strafbar mache. Denn obwohl Hensoldt ja „bloß“ Zulieferer war, könnte ihr Mittäterschaft vorgeworfen werden, falls der israelische Waffenhändler in Korruption verwickelt sei. Sittig forderte eine Prüfung durch externe Rechtsexperten. Das dauerte der Verkaufsabteilung von Hensoldt aber offenbar zu lang. Der Deal wurde ohne weitere Prüfung durchgezogen.

Auf Nachfrage sagte Hensoldt, es habe keine konkreten Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten gegeben. Ergänzende Ermittlungen hätten das letztlich bestätigt. Derlei Ermittlungen sind allerdings schwierig, und das hat in der Waffenbranche System. Die internationalen Unternehmen outsourcen gewisse Bereiche an lokale Partner, deren Methoden sie kaum kontrollieren können — und vermutlich auch nicht wollen. Laut internen Dokumenten gab es innerhalb Hensoldt einen heftigen Streit um das richtige Vorgehen. Letztlich setzten sich die Verkaufsleute gegen die Compliance-Abteilung durch. Wenn Compliance ernst genommen wird, sollte es eigentlich anders herum laufen.

Im Spiegel-Artikel wird noch ein weiteres Beispiel ausgeführt, dabei geht es um fragwürdige Deals mit Katar. Hensoldt hat die Anschuldigungen der Spiegel-Recherche übrigens allesamt zurückgewiesen. Wie wertegeleitet und feministisch deutsche Außenpolitik ist, wenn Profit in einem Rüstungsunternehmen mit Staatsbeteiligung offenbar über Compliance geht, muss die Bundesregierung beantworten.

spiegel Documents Hint at Dark Dealings at a German Defense Company Autoren: Sven Becker, Rafael Buschmann, Nicola Naber & Niklas Olschewski



Über Putins Schwäche


piqer: Theresa Bäuerlein

Nach den plötzlichen und chaotisch wirkenden Entwicklungen in Russland – auf einmal marschierte Söldnerführer Jewgenij Prigoschin auf Moskau zu und zog nach einer bizarren Vereinbarung mit dem Kreml blitzschnell wieder ab – habe ich nach Hintergrundartikeln gesucht, um besser zu verstehen, was da los ist.

Einer der Besten, die ich gefunden habe, ist aus dem New Yorker. Der Autor sprach dafür mit Mikhail Zygar, einem der kenntnisreichsten Reporter und Kommentatoren, über die Macht des Kremls.

Im Januar 2023 schrieb Zygar in der New York Times einen prophetischen Kommentar über Prigoschin mit dem Titel „The Man Challenging Putin for Power“. Zygar lebt seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Europa im Exil. Er ist ehemaliger Chefredakteur von TV Rain (auf Russisch Dozhd), einem unabhängigen Sender, den Putin nach Beginn des Krieges geschlossen hat. Sein 2016 erschienenes Buch „All the Kremlin’s Men“ war in Russland ein Bestseller, darin untersucht er Putins Herrschaft und die innere Dynamik seines Führungszirkels.

Für den Artikel im New Yorker beschreibt er, wie sich die Beziehung zwischen Putin und Prigoschin entwickelt hat. Nach einem neunjährigen Knastaufenthalt und Jobs als Hot-Dog-Verkäufer und im Catering schaffte Prigoschin es ins Putins Nähe, wurde sein Günstling, wurde reich, dann Anführer der Wagner-Truppe. Seit dem Ukraine-Krieg trat er jedoch mehr und mehr als Gegner Putins auf – nicht weil er gegen den Krieg war, sondern weil er nicht damit einverstanden war, wie dieser geführt wurde.

Sie [Putin und  Prigoschin] überwarfen sich in dem Moment, als Prigoschin zu glauben begann, er sei beliebt“, sagte Zygar. Als Prigoschin letzten Herbst durch Russland reiste, um Gefangene für die Wagner-Gruppe zu rekrutieren, „fühlte er sich wie ein Rockstar“. Seine Gabe war, dass er „so effektiv mit ihnen in ihrer Sprache sprach“, sagte Zygar. „Es kam der Moment, in dem Prigoschin nicht mehr Putins Marionette war. Pinocchio wurde ein echter Junge.“

Der auffälligste Aspekt des gerade geschehenen Aufstandes, so Zygar:

Putin ist schwächer geworden. Ich habe das Gefühl, dass er das Land nicht wirklich regiert. Jedenfalls nicht so, wie er es einst tat. Er ist immer noch Präsident, aber alle verschiedenen Clans“ – die Fraktionen innerhalb der Regierung, des Militärs und vor allem der Sicherheitsdienste – „haben jetzt das Gefühl, dass das ‚Russland nach Putin‘ näher rückt. Putin ist noch am Leben. Er ist immer noch in seinem Bunker. Aber es wächst das Gefühl, dass er eine lahme Ente ist, und sie müssen sich auf ein Russland nach Putin vorbereiten.

In ideologischer Hinsicht, so Zygar,

…verbindet Prigoschin zwei Ideen. Die erste ist die Anti-Korruption und die Anti-Oligarchen. Trotz seines eigenen immensen Reichtums hat er sich immer als Oligarchen-Bekämpfer dargestellt. Gleichzeitig ist er super illiberal. Er hasst den Westen und behauptet, er sei der wahre Beschützer der traditionellen Werte. Wahrscheinlich hat er mehr Anhänger als die Wagner-Gruppe; es gibt Leute in der Armee, der F.S.B., dem Innenministerium, die seine ideologischen Verbündeten sein könnten.

Im Gegensatz zu Putin und seinen Anhängern, die Propaganda über Staatsfernsehen und andere offizielle Kanäle verbreiten, nutzen Prigoschin und seine Anhänger Social Media, vor allem Telegram. Dort inszenieren sie sich als das „wahre“ Russland.

Sollte Putin demnächst stürzen, so Zygar, könnten ihm entweder extrem harte Elemente folgen, die von den Sicherheitsdiensten unterstützt werden, oder ein „relativ“ liberaler Clan, vertreten durch Premierminister Michail Mischustin und den Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin.

Die Atmosphäre erinnert ein wenig an die späten Tage Josef Stalins in den frühen fünfziger Jahren, als er eine weitere Säuberungsaktion (gegen Juden, „wurzellose Kosmopoliten“ und andere vermeintliche Feinde) plante, während Rivalen wie Georgi Malenkow und Nikita Chruschtschow „geduldig“ auf den Tod des alten Mannes warteten, damit sie ihren Zug machen konnten. Putin, so Zygar, wisse genau, wie Autokraten wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Putschversuche ausnutzten, um Massenverhaftungen vorzunehmen, Medien und Informationen weiter zu unterdrücken und die Regierung neu zu ordnen. Er könnte diesem Beispiel folgen. Die üblichen Stimmen in den sozialen Medien haben den ganzen Tag über eine Kakophonie der Spekulationen ausgelöst. Das wird so schnell nicht aufhören.

Was das für die Ukraine bedeutet? Einerseits ist es ein wichtiger Moment in diesem Krieg, sogar eine historische Chance, glaubt Zygar. „Sie müssen jetzt angreifen. Das ist der Moment, in dem die russische Armee mit internen Problemen beschäftigt ist.“

Gleichzeitig gibt es aber keine Garantie dafür, dass das derzeitige Chaos in Russland nur eine gute Nachricht für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenski ist. Zygar befürchtet, dass Putin nach einer solchen innenpolitischen Blamage wie der Prigoschin-Affäre ins Ausland ausschlagen und den Krieg in der Ukraine eskalieren könnte.

new yorkerPutin’s Weakness UnmaskedAutor: David Remnick



China plant 455 Gigawatt Solar- und Windleistung in Wüsten


piqer: Ralph Diermann

Im Westen Rumäniens entsteht derzeit der aktuell größte Solarpark Europas, die 1,6 Millionen Module kommen auf eine Spitzenleistung von gut einem Gigawatt. Das nur zur Einordnung einer Meldung, die der Erneuerbare-Energien-Infodienst IWR jetzt veröffentlicht hat: China plant, in der Wüste Gobi sowie in anderen Wüsten bis 2030 Solar- und Windparks mit einer Leistung von zusammen 455 Gigawatt zu bauen – also rund 400 Mal so viel wie die XXL-Anlage in Rumänien. Bei voller Auslastung würden sie etwa so viel Strom liefern wie 1.000 mittelgroße Kohlekraftwerksblöcke.

Ein gigantisches Vorhaben, da nicht nur Windräder und Solarmodule gebaut werden müssen, sondern auch entsprechende Stromleitungen, die die Energie aus den abgelegenen Wüsten in die Verbrauchszentren transportieren. Wobei China bei den Erneuerbaren derzeit ohnehin kräftig klotzt. Das zeigt etwa eine Meldung des Solar-Branchendienstes TaiyangNews: Allein zwischen Januar und Mai dieses Jahres hat China 61 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert. Das entspricht etwa vier Fünftel der gesamten heute in Deutschland installierten Menge.

iwrChina plant gigantische 455 GW Solar- und Windkraftleistung in Wüsten bis 2030



Erst der Shitstorm, dann die Begeisterung


piqer: Squirrel News

Wenn es um die Qualität wichtiger Zukunftsentscheidungen geht, dann sollte man die öffentliche Meinung lieber nicht als Beraterin heranziehen. Umfragen zeigen jedenfalls immer wieder, dass sie sich ziemlich schnell ändern kann. Und die jüngsten Boulevard-Attacken auf die Wärmepumpe haben auch nicht gerade zu einem Klima geführt, in dem durchdachtes, kühles Abwägen überall an erster Stelle steht – um es mal ganz, ganz vorsichtig zu formulieren.

Eine interessante Sicht auf die Dynamik von gesellschaftlichen Herausforderungen, Lösungsvorschlägen, öffentlicher Resonanz und Akzeptanz hat nun Uwe Schneidewind in einem Interview mit der taz geäußert. Schneidewind war ja selbst Wissenschaftler, bis er dann 2020 in die Politik ging und Bürgermeister von Wuppertal wurde.

Im Interview erklärt er nun, warum der Wandel zuerst einmal mehr Zeit brauchte, als er es sich vorgestellt hatte, und warum es mühsam sein kann, Bürger von den Vorzügen einer Veränderung zu überzeugen, an die sie bisher noch nicht gewöhnt waren. Sein zwischenzeitliches Fazit:

Man muss immer erst einmal durch eine Shitstormphase durch. ­Danach sind dann meist alle begeistert.

Der Rest des Interviews ist nicht ganz so prägnant wie diese zwei Sätze. Aber auf jeden Fall lesenswert.

taz„Das knirscht ordentlich“Autorin: Dunja Batarilo



Deutschland, das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt


piqer: Theresa Bäuerlein

„Wir sind kein Einwanderungsland und wir können es auch nicht werden,“ sagte Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl 1989. Das ist noch keine 35 Jahre her und wirkt dennoch wahnsinnig veraltet. Heute hat nur ein Land auf der Welt in absoluten Zahlen mehr Einwanderer als Deutschland: die USA.

ZEIT ONLINE hat in dem hier empfohlenen Überblick Daten zu allen Zu- und Wegzügen nach und aus Deutschland seit dem Jahr 1952 ausgewertet.

Dem statistischen Bundesamt zufolge hat mittlerweile rund ein Viertel der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass mindestens ein Elternteil bei der Geburt keinen deutschen Pass besaß.

Rund 58 Millionen Zuzüge gab es insgesamt in den vergangenen 70 Jahren, 42 Millionen Migrant:innen verließen Deutschland wieder. Die ZON-Redaktion hat in Grafiken die bisher vier großen Phasen der Zuwanderung seit dem zweiten Weltkrieg dargestellt:

Phase 1: Ab 1955 holte die Bundesrepublik rund 14 Millionen sogenannte Gastarbeiter ins Land, vor allem aus Italien, der Türkei und Jugoslawien. Elf Millionen gingen wieder zurück.

Phase 2: Nach dem Zerfall des Ostblocks und Jugoslawiens wanderten viele Menschen aus Polen nach Deutschland ein, außerdem die sogenannten Spätaussiedler – Menschen mit deutschen Wurzeln aus Ost- und Mitteleuropa. 774.000 von ihnen kamen allein 1989 und 1990.

Phase 3: Ab den Nullerjahren nahm die EU zwölf neue Mitgliedsstaaten auf. Allein zwischen 2011 und 2021 kamen rund 6,3 Millionen Menschen aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Etwa 1,6 Millionen Menschen kamen im gleichen Zeitraum aus humanitären Gründen, vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Phase 4: Seit Russland 2022 die Ukraine überfiel, erlebt Deutschland den größten Zuzug seit Gründung der Bundesrepublik. Mehr als eine Million Ukrainer:innen kamen 2022 ins Land.

Außerdem gibt es eine wachsende Migration aus asiatischen Staaten.

Die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland kommt mittlerweile aus China. Und Indien liegt in der Liste der größten Herkunftsländer heute auf Platz fünf.

Die Einwanderer leben nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt.

Die meisten Ausländer leben bis heute im Westen Deutschlands, vor allem in den Städten. In die BRD zogen bis zur Wiedervereinigung weit mehr Migranten als in die DDR, später zogen viele Einwanderer dorthin, wo bereits andere Einwanderer lebten. Hinzu kommt ein wirtschaftlicher Grund: Das Lohnniveau ist im Westen Deutschlands bis heute höher als im Osten. Das machte vor allem westdeutsche Städte für Migranten attraktiv.

Staatsbürger der Türkei leben bis heute vor allem in westdeutschen Städten mit Industrie, in Ostdeutschland leben heute so gut wie keine Menschen mit türkischem Pass. Im Osten leben wiederum deutlich mehr Vietnamesen als im Westen – die Familien der Zehntausenden ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam. Geflüchtete wiederum dürften ihren Wohnort nicht selbst wählen, sondern werden nach einem politisch ausgehandelten Quotensystem im Land verteilt. Deswegen leben fast überall in Deutschland Syrer:innen.

Wie geht es weiter mit Deutschland als Einwanderungsland? Das hätte Kohl sich vermutlich nicht im Traum einfallen lassen, aber:

Kaum jemand bezweifelt heute, dass Deutschland angesichts einer alternden Bevölkerung auf Zuwanderung angewiesen ist. Schätzungen zufolge braucht das Land rund 400.000 Migrantinnen und Migranten jedes Jahr, damit die Zahl der Arbeitskräfte stabil bleibt. Die Frage ist: Werden die Menschen weiter ins Land kommen? Und wird die Politik in der Lage sein, zu steuern, wer kommt?

Global betrachtet, so argumentiert der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler Parag Khanna, befinden sich überalterte Länder wie Deutschland längst in einem Wettstreit um junge Arbeitskräfte. Die große Frage der kommenden Jahre wird sein, ob Deutschland attraktiv genug sein wird, um nicht nur Menschen aus Europa, sondern auch aus den jungen Gesellschaften im Mittleren Osten und Nordafrika, aus China und Indien anzuziehen.

zeitDie Millionen, die kamenAutor: Jakob Bauer, Paul Blickle, Philip Faigle, Valentin Peter, Julius Tröger, Vanessa Vu & Benja Zehr



KI (LLM) erweitert das Methodenspektrum der Sozialwissenschaft


piqer: Ole Wintermann

In diesem SCIENCE-Text wird auf eindrückliche und spannende Weise beschrieben, wie die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, die auf Sprachmodellen (LLM) basiert, die Methodik der Sozialwissenschaft bedeutend erweitern könnte. Der Text ist ein großartiges Beispiel für die potenzialorientierte Sicht auf KI und eine starke Empfehlung wert.

KI kann menschenähnliche Reaktionen und Verhaltensweisen simulieren und damit die Grundlage dafür schaffen, dass sozialwissenschaftliche Analysen sehr viel schneller, vielfältiger und effizienter durchgeführt werden können, da KI menschliche Teilnehmende an Fragebögen, Beobachtungsstudien oder Experimenten ersetzen oder auch alternative Erklärungsansätze für menschliches Verhalten anbieten könnte. KI bietet also die Möglichkeit, mehr Verhaltensparameter zu messen und zu interpretieren.

In der politischen Analyse könnte KI alternative Handlungs- und Verhaltensszenarien in Abhängigkeit politischer Ideologien entwickeln helfen. Die Autoren sprechen vom “Ideologischen Turing-Test”:

„Once LLMs can pass the Ideological Turing Test—meaning that they can accurately represent opposing viewpoints in a way indistinguishable from real humans—researchers can use them to generate future scenarios.“


"Sobald LLMs den ideologischen Turing-Test bestehen - d. h., dass sie gegnerische Standpunkte so genau darstellen können, dass sie von echten Menschen nicht zu unterscheiden sind - können Forscher sie verwenden, um Zukunftsszenarien zu erstellen.

In der Forschung über soziale Interaktion könnte KI den Part von einzelnen Personen übernehmen. Hiermit könnten unterschiedliche Interaktionsmuster erzeugt werden. Gerade in der Interaktionsforschung könnte ausgerechnet die KI helfen, so die Autoren, inhärente Annahmen und Verzerrungen, die durch Forschende und Probanden in die Experimente unbewusst eingeschleust werden, offenzulegen und zu eliminieren. Dass hierbei die LLM ja selbst Ergebnis kulturell erzeugter Sprachmuster ist und Sprache auch ein Spiegelbild menschlicher Vorurteile sein kann, muss aber natürlich beachtet werden. Zwar versuchen bereits die KI-Modellierer selbst auf die “reine” und durch Vorurteile unbelastete KI wert zu legen. Aber schon die Frage, was eine „unbelastete“ KI sein soll, ist an sich wieder eine normative Frage, so die Autoren.

Die Sozialwissenschaft muss rechtzeitig Richtlinien für die ethische Verwendung der LLM, den passenden Datenschutz, die algorithmische Fairness, die Umweltfolgekosten der LLM sowie den Missbrauch erarbeiten, so die Autoren.

„Only by maintaining transparency and replicability can we ensure that AI-assisted social science research truly contributes to our understanding of human experience.“


"Nur wenn wir für Transparenz und Replizierbarkeit sorgen, können wir sicherstellen, dass die KI-gestützte sozialwissenschaftliche Forschung wirklich zu unserem Verständnis der menschlichen Erfahrung beiträgt."

scienceAI and the transformation of social science researchAutor: Igor Grossmann, Matthew Feinberg , Dawn C. Parker, Nicolas A. Christakis, Philip E. Tetlock & William A. Cunningham


Info: https://makronom.de/ruestungsindustrie-einwanderungsland-next-level-aussichtslosigkeit-44495?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ruestungsindustrie-einwanderungsland-next-level-aussichtslosigkeit


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

28.06.2023

Tiefschwarze Wolken über dem „Green Deal“

lostineu.eu, 28. Juni 2023

Im Europaparlament fällt ein wichtiges Umweltschutzgesetz durch. Und der europäische Rechnungshof zweifelt an den Klimazielen.

Scheitert die ehrgeizige Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Europäischen Union? Vier Jahre nach dem Startschuss für den „European Green Deal“ sind tiefschwarze Wolken aufgezogen. Die EU drohe ihre ehrgeizigen Klimaziele zu verfehlen, warnt der Europäische Rechnungshof in Luxemburg. Auch im Europaparlament in Brüssel herrscht Krisenstimmung – dort ist das umstrittene Renaturierungs-Gesetz durchgefallen.

Bei einer Kampfabstimmung im Umweltausschuss fand sich keine Mehrheit für den Entwurf der EU-Kommission. Deutsche Christdemokraten, Konservative und Rechtsextreme stimmten dagegen; der Entwurf fiel mit 44 zu 44 Stimmen durch.

Damit wankt nicht nur eine zentrale Säule des europäischen „Green Deal“. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerät in Bedrängnis. Die CDU-Politikerin wird von ihren eigenen Parteifreunden bedrängt, eine Kehrtwende zu vollziehen und den Entwurf zurückzuziehen.

Das Gesetz sei zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht, sagt der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Die Vorlage sei „rückwärtsgewandt und ideologisch“, erklärt seine Parteifreundin Christine Schneider. „Er wird zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden.“


Druck und Drohungen

Noch weiter geht Manfred Weber (CSU). Der EVP-Chef hat seine Truppen auf ein „Nein“ eingeschworen. Befürwortern des Entwurfs soll Weber sogar mit dem Rauswurf aus der Fraktion gedroht haben. Nur mit massivem Druck und Drohungen, so heißt es im Europaparlament, habe Weber das umstrittene Renaturierungs-Gesetz zu Fall bringen können.

Das endgültige „Aus“ bedeutet die Schlappe im Umweltausschuss jedoch nicht. Das letzte Wort hat das Plenum. Bei der für Mitte Juli geplanten Abstimmung droht ein Showdown zwischen den Befürwortern – Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Liberale – auf der einen und den konservativen und rechten Gegnern auf der anderen Seite.

Ein Fragezeichen muss man wohl jetzt schon hinter die EU-Klimaziele machen. Das EU-Programm „Fit for 55“ sei intransparent und schlecht finanziert, kritisiert der Europäische Rechnungshof in einem Sondergutachten. Auch die nationalen Energie- und Klimapläne seien zu vage.

„Wir brauchen mehr Transparenz“, forderte die Leiterin der Prüfung, Joëlle Elvinger. Die Datenlage sei zu schlecht. Wie so oft, wenn von der Leyen EU-Politik macht…

Siehe auch Backlash beim Klima. Mehr zur Klimapolitik hier


Info: https://lostineu.eu/tiefschwarze-wolken-ueber-dem-green-deal


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




Weiteres:




Update: Deutschland verletzt Nato-Russland-Grundakte


lostineu.eu, vom 27. Juni 2023

Verteidigungsminister Pistorius will die Nato-Ostflanke stärken und 4000 deutsche Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren. Verletzt er damit die Nato-Russland-Grundakte?

Dies hatten wir in unserem Newsletter geschrieben. Daraufhin entwickelte sich eine lebhafte Debatte auf Twitter. Die Nato habe die Grundakte spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Krieges aufgegeben, hieß es.

Doch das ist falsch, wie ein Blick auf die Nato-Homepage zeigt. Zitat: „NATO fully abides by the NATO-Russia Founding Act.“ Man halte den Vertrag weiter ein, denn Truppen würden ja nur vorübergehend verlegt.

Dies entspreche der Grundakte. Darin erklärte die Nato, „zusätzlich substantielle Kampftruppen“ werde man nicht „dauerhaft“ in den Staaten des ehemaligen Ostblocks stationieren.

Genau dies läßt sich von den deutschen Plänen jedoch nicht mehr sagen. Deshalb habe Berlin auch lange gezögert, Litauen verbindliche Zusagen zu machen, heißt es bei der SWP, einem regierungsnahen Thinktank.

Offenkundig wird vermutet, dass die Bundesregierung ungebrochen an der Nato-Russland-Grund­akte festhalten will und daher Vorbehalte hat gegenüber einer permanenten militärischen Präsenz in Litauen.

SWP 2023

Einen Bruch sieht offenbar auch der Militärblogger Th. Wiegold. Pistorius Entscheidung sei überraschend, schreibt er auf seinem Blog:

(Schließlich) gehörte Deutschland bislang zu den Nationen, die im Gegensatz zu osteuropäischen NATO-Staaten an der Vereinbarung in der NATO-Russland-Grundakte festhielten, keine substanziellen Kampftruppen dauerhaft auf dem Territorium ehemaliger Mitglieder des Warschauer Vertrags zu stationieren.

Blog „Augen geradeaus“

Das war einmal – ab sofort nimmt Deutschland keine Rücksicht auf Russland mehr…

Siehe auch „Berlin verletzt Nato-Vertrag“

P.S. Zur neuen Rechtsposition der Bundesregierung sagte Christian Wagner, einer der Sprecher des Auswärtigen Amts, laut „telepolis“: Die Nato-Russland-Grundakte könne „kein beschränkender Faktor für den Ausbau der Nato-Ostflanke sein“. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ergänzte, der russische Angriff auf die Ukraine in einem „eklatanten Gegensatz“ zur Grundidee und den Zielen des Abkommen zwischen der Nato und Russland stehe. Deswegen fühle sich die Bundesregierung „an dieser Stelle auch nicht daran gebunden“.

8 Comments

  1. KK
    29. Juni 2023 @ 02:03

    @ european:
    „Den Irak-Krieg der USA nicht zu vergessen.“
    Und was immer gern vergessen wird: das perfide und letztlich dann gewaltsame Vorgehen gegen Grenada.
    Besonders auffällig: es geht immer gegen vermeintlich schwächere – wenn es um einen Gegner wie Russland geht, dann provozieren die USA nur, und lasssen dann letztlich andere für sich ganz vorne den Kopf hinhalten.
    Wird sicher auch bei China so kommen. Japan und Australien werden ja schon gut angestachelt und aufgerüstet, und Japans Pazifismusideologie wurde auch sicher nicht ganz freiwillig – gegen den Willen der Bevölkererungsmehrheit – beerdigt.

Reply

  • european
    28. Juni 2023 @ 19:50

    Vielleicht kann sich noch jemand daran erinnern, wie sehr seitens des Westens immer betont wurde, dass es „leider“ Gorbatschow’s Pech war, dass die Versprechen bezüglich der NATO-Osterweiterung niemals in Vertragsform schriftlich festgehalten worden waren. Man kann sie zwar in den Baker-Minutes nachlesen und auf Seite 8-9 steht es so eindeutig wie es eindeutiger nicht sein könnte. Als Deutsche bleibt man nur noch beschämt zurück, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach deutschem, gültigem, Recht auch ein mündlich abgeschlossener Vertrag ein Vertrag ist.
    Nun haben wir hier den Fall, dass es einen richtigen Vertrag gibt, so schwarz auf weiß gedruckt, und den halten wir auch nicht ein mit der Begründung, dass er unter anderen Voraussetzungen geschlossen wurde.
    Gleichzeitig in Deutschland: „Im vergangenen Jahr seien rund 132 Milliarden US-Dollar (125 Milliarden Euro) mehr Direktinvestitionen aus Deutschland abgeflossen, als aus dem Ausland in Deutschland investiert wurden.“
    https://www.businessinsider.de/wirtschaft/deindustrialisierung-geldabfluss-aus-deutschland-fuer-investitionen-so-hoch-wie-nie-iw/#:~:text=Im%20vergangenen%20Jahr%20seien%20rund,Ausland%20in%20Deutschland%20investiert%20wurden.
    Willkürliche Rechtsauslegung führt zu Rechtsunsicherheit und dazu, dass Investoren in Länder gehen, wo es Rechtssicherheit gibt. Das ist eine logische Konsequenz. Die deutschen Politiker mögen innerhalb Deutschlands mit dieser Rechtsverdrehung durchkommen. International werden sie damit nicht erfolgreich sein. Zum Schaden des Landes.

    Reply

  • european
    28. Juni 2023 @ 18:18

    @Stefan

    „Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat“ vor.“

    Oh, oh. Das ist sehr dünnes Eis. Wenn das das Kriterium ist, dann hat die Nato/USA dieses Abkommen schon längst gebrochen, lange vor der Ukraine. Siehe Kosovo, Libyen, Afghanistan uvm. Den Irak-Krieg der USA nicht zu vergessen. Millionen Tote, direkt und indirekt, und man kann nicht mal alle erfassen, weil die Schäden von Uranmunition lange nachhallen, z.B. durch Krebserkrankungen, Totgeburten, Fehlgeburten, Entstellungen. Gleiches gilt für Vietnam mit Agent Orange, der bis heute nachwirkt und den Kosovo, das Land mit der höchsten Rate an Brustkrebs und Lungenkrebs.

    Ganz aktuell dazu die Studie des Watson-Institutes der Brown University in Rhode Island, USAhttps://watson.brown.edu/costsofwar/papers/2023/IndirectDeaths

    Reply

  • Stefan
    28. Juni 2023 @ 17:41

    Die Nato Grundakte wurde von Russland aufgekündigt. Denn sie sieht auch
    „Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat“ vor.

    Reply

  • KK
    28. Juni 2023 @ 11:47

    @ Hekla:
    “ Gehört inzwischen auch Vertragsbruch zu unseren Werten?“

    Offensichtlich; es zeichnet sich ja bereits ab, dass keiner mehr wirklich welche mit „uns“ abschliessen möchte. Siehe Brasilien, siehe Tunesien – um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen.

    Wer hat diese Typen bloß gewählt?

    Reply

  • Hekla
    27. Juni 2023 @ 21:28

    Ich las verschiedentlich, evtl. auch im Tagesspiegel, dass der Vertragsbruch von Pistorius damit begründet wird, dass der Vertrag unter ganz anderen Rahmenbedingungen geschlossen wurde… wenn man diese Linie fährt, kann man eigentlich auch das komplette Völkerrecht in die Tonne treten; seine Grundlagen sind mit dem Westfälischen Frieden von 1648, unter ganz anderen Rahmenbedingungen gelegt worden. Und was müsste dann das Bundesverfassungsgericht zu Grundgesetzverstössen sagen – nicht so schlimm, das GG ist unter ganz anderen Rahmenbedingungen in Kraft gesetzt worden?
    Gehört inzwischen auch Vertragsbruch zu unseren Werten?

    Reply

  • KK
    27. Juni 2023 @ 19:35

    @ Stef:
    „Bin gespannt, mit welchem Dreh dieser abermalige Vertragsbruch Deutschlands auch wieder den Russen selbst zugeschrieben wird….“

    Mit einem Dreh um 360 Grad natürlich!

    Reply

  • Stef
    27. Juni 2023 @ 18:06

    Bin gespannt, mit welchem Dreh dieser abermalige Vertragsbruch Deutschlands auch wieder den Russen selbst zugeschrieben wird….


  • Info: https://lostineu.eu/update-deutschland-verletzt-nato-russland-grundakte


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukrainekeinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    27.06.2023

    Russisch-Ukrainischer Krieg: Der Wagner-Aufstand

    seniora.org, 27. Juni 2023, BIG SERGE 26.06.2023 - übernommen von bigserge.substack.com

    Yewgeny Prigoschins wilder Ritt


    (Red.) Es kursieren alle möglichen Theorien über die Gründe für den (leider doch blutigen) Theatercoup von Prigoschin. Big Serge stellt diese Theorien zusammen und klärt auf, was wirklich los war. Vor allem in den beigefügten Kommentaren des nigerianischen Bloggers kommt Licht ins Dunkel. Offenbar werden derzeit Lager für die Wagner-Kämpfer in Belarus eingerichtet und es scheint, dass Russland dieses Instrument auch in Zukunft verwenden will - wenn auch vermutlich weniger für den Ukraine-Krieg, sondern für Afrika.

    Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes (23. bis 25. Juni 2023) waren so surreal und phantasmagorisch, dass sie sich jeder Beschreibung widersetzen. Am Freitag startete die berüchtigte Wagner-Gruppe eine scheinbar echte bewaffnete Revolte gegen den russischen Staat. Sie besetzten Teile von Rostow am Don   – einer Stadt mit über 1 Million Einwohnern, Regionalhauptstadt und Sitz des südlichen Militärbezirks Russlands   – bevor sie in einer bewaffneten Kolonne in Richtung Moskau aufbrachen. Diese Kolonne   – vollgepackt mit schwerem militärischem Gerät, einschließlich Luftabwehrsystemen   – kam bis auf wenige hundert Kilometer an die Hauptstadt heran   – praktisch unbehelligt von den russischen Streitkräften   –, bevor sie abrupt anhielt, verkündete, dass mit Hilfe des weißrussischen Präsidenten Alexander "Onkel Sascha" Lukaschenko ein Abkommen ausgehandelt worden sei, umkehrte und sich auf den Rückweg zu den Wagner-Stützpunkten im ukrainischen Gebiet machte.

    Es versteht sich von selbst, dass das Spektakel eines bewaffneten Marsches einer russischen Söldnertruppe auf Moskau und die Absperrung der Gebäude des Verteidigungsministeriums in Rostow durch Panzer und Infanterie der Firma Wagner in den westlichen Kommentaren die Zuversicht auslöste, der russische Staat stehe kurz vor dem Sturz und die russischen Kriegsanstrengungen in der Ukraine würden sich in Luft auflösen. Innerhalb weniger Stunden wurden zuversichtliche und haarsträubende Vorhersagen verbreitet, darunter die Behauptung, Russlands globale Präsenz werde sich auflösen, wenn der Kreml seine Truppen zur Verteidigung Moskaus zurückruft, und Russland stehe kurz vor dem Eintritt in einen Bürgerkrieg. Auch die ukrainische Propagandamaschine lief auf Hochtouren: Personen wie Anton Geraschtschenko und Igor Sushko bombardierten die sozialen Medien mit gefälschten Geschichten über meuternde russische Armeeeinheiten und zu Prigoschin "übergelaufene" Regionalgouverneure.

    Es gibt etwas zu sagen über das analytische Modell, das in unserer Zeit vorherrscht   – es gibt eine Maschine, die sofort zum Leben erwacht, Gerüchte und Teilinformationen in einem Umfeld extremer Ungewissheit aufnimmt und formelhafte Ergebnisse ausspuckt, die zu ideologischen Vorannahmen passen. Informationen werden nicht neutral bewertet, sondern durch einen kognitiven Filter gezwungen, der ihnen im Lichte vorher festgelegter Schlussfolgerungen eine Bedeutung zuweist. Es wird *vermutet*, dass Russland zusammenbricht und einen Regimewechsel vollzieht (so Fukuyama)   – daher mussten Prigoschins Handlungen in Bezug auf dieses angenommene Endspiel eingeordnet werden.

    Am anderen Ende des Spektrums sahen wir ein ähnliches Maß an aggressiver Modellanpassung bei den Befürwortern des russischen "Trust the Plan", die zuversichtlich waren, dass der Wagner-Aufstand nur ein Schauspiel war   – eine ausgeklügelte List, die Prigoschin und Putin gemeinsam ausgeheckt hatten, um Russlands Feinde zu täuschen und den Plan voranzutreiben. Der analytische Fehler ist hier derselbe   – Informationen werden nur zu dem Zweck analysiert, ein bereits beschlossenes Endspiel zu untermauern und voranzutreiben; nur dass hier von russischer Allmacht ausgegangen wird und nicht vom Zusammenbruch des russischen Staates.

    Ich vertrat so etwas wie einen Mittelweg. Ich fand die Vorstellung, Russland stehe vor einem Bürgerkrieg oder einem Staatszerfall, äußerst bizarr und völlig unbegründet, aber ich war auch nicht der Meinung (und ich denke, die Ereignisse haben diese Ansicht bestätigt), dass Prigoschin in Zusammenarbeit mit dem russischen Staat eine Scharade inszeniert hat. Wenn der Wagner-Aufstand tatsächlich eine Psyop (Psychologische Operation) war, um die NATO zu täuschen, dann war es eine extrem ausgeklügelte und verworrene Operation, die bisher noch keinen eindeutigen Nutzen gezeigt hat (mehr dazu in Kürze).

    Ich glaube im Großen und Ganzen, dass Prigoschin aus eigenem Antrieb in einer äußerst riskanten Weise handelte (die sowohl sein eigenes Leben als auch eine destabilisierende Wirkung auf Russland riskierte). Dies stellte den russischen Staat vor eine echte Krise (wenn auch eine, die nicht schwerwiegend genug war, um die Existenz des Staates zu bedrohen), die dieser meiner Meinung nach im Großen und Ganzen recht gut bewältigt hat. Der Wagner-Aufstand war ganz klar schlecht für Russland, aber nicht existenzbedrohend, und der Staat hat gute Arbeit geleistet, um ihn einzudämmen und abzumildern.

    Beginnen wir mit einem kurzen Blick auf die zeitliche Abfolge der Ereignisse.

    Anatomie einer Meuterei

    Das Ausmaß der Desinformation (insbesondere durch die Ukrainer und die im Westen ansässigen russischen Liberalen), die während des gesamten Wochenendes im Umlauf war, war extrem, so dass es ratsam sein könnte, die Entwicklung der Ereignisse, wie sie tatsächlich stattfanden, zu überprüfen.

    Das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt, waren einige brisante Äußerungen von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am 23. Juni (Freitag). In einem ziemlich langen und sprunghaften Interview stellte er die schockierende Behauptung auf, dass der Vorwand Russlands für den Krieg in der Ukraine eine glatte Lüge sei und dass der Krieg von Korruption und der Ermordung von Zivilisten geprägt sei. Noch verrückter wurde es dann, als Wagner behauptete, die russische Armee habe ihr Lager mit einer Rakete getroffen. Das war äußerst merkwürdig, denn auf dem veröffentlichten Video (das angeblich die Folgen dieses "Raketeneinschlags" zeigte) waren weder ein Einschlagkrater noch Trümmer noch verletzte oder getötete Wagner-Mitarbeiter zu sehen. Der "Schaden" durch die Rakete bestand aus zwei Lagerfeuern, die in einem Graben brannten   – anscheinend hat Russland Raketen, die kleine kontrollierte Brände auslösen können, ohne die umliegende Pflanzenwelt zu zerstören?

    Das Video zeigte natürlich nicht die Folgen eines Raketenangriffs, aber Prigoschins Rhetorik eskalierte daraufhin und er kündigte bald an, dass Wagner einen "Marsch für Gerechtigkeit" beginnen würde, um eine Lösung für seine verschiedenen Beschwerden zu erreichen. Es war nicht klar, was er genau wollte, aber es schien sich um persönlichen Groll gegen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow zu drehen.

    Kurz darauf wurden einige Videos von den russischen Behörden veröffentlicht (darunter eines mit General Surovikin), in denen Wagner offenbar aufgefordert wurde, "die Bewegung seiner Kolonnen zu stoppen" und in seine Lager zurückzukehren, um Blutvergießen und Destabilisierung zu verhindern. Dies bestätigte einige der Gerüchte, wonach Wagner die Lager in voller Stärke verlassen würde. Die Nachricht, dass die russische Nationalgarde in Moskau und anderswo aktiviert worden war, schien die Befürchtung zu bestätigen, dass ein bewaffneter Zusammenstoß in Russland unmittelbar bevorstand.

    Gegen Ende des Freitags waren bewaffnete Wagner-Konvois in Rostow (mit dem roten Z-Zeichen) und hatten in einem unblutigen Staatsstreich die Kontrolle über mehrere militärische Einrichtungen der Stadt übernommen. Die Szenen waren ein wenig skurril   – Panzer auf den Straßen der Stadt und Sicherheitskordons um wichtige Einrichtungen, aber scheinbare Gleichgültigkeit der Bevölkerung. Die Menschen mischten sich unter die Wagner-Soldaten, Straßenkehrer gingen ihrer Arbeit nach, Wagner kaufte Cheeseburger, und die Leute machten Fotos mit den Panzern.

    Ein T-72 ist das ultimative Accessoire

    An diesem Abend hatte Prigoschin ein angespanntes, aber höfliches persönliches Treffen mit zwei hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums   – Yanus Evkurov (stellvertretender Verteidigungsminister) und Vladimir Alekseev (stellvertretender Leiter der Direktion des militärischen Geheimdienstes).

    Die Lage spitzte sich am nächsten Tag (Samstag, den 24.) zu, als bekannt wurde, dass zwei große bewaffnete Einheiten innerhalb der russischen Vorkriegsgrenzen unterwegs waren. Bei der einen handelte es sich um eine Kolonne von Wagner-Personal und Waffen, die Rostow in Richtung Moskau verließ, bei der anderen um eine tschetschenische Truppe, die vom Staat nach Rostow entsandt worden war. Angesichts der Nachricht, dass die staatlichen russischen Streitkräfte Straßensperren und Verteidigungsstellungen außerhalb Moskaus errichteten, sah es so aus, als stünden zwei getrennte Kämpfe bevor   – einer zwischen der Wagner-Kolonne und den staatlichen Streitkräften außerhalb Moskaus und ein weiterer zwischen den Tschetschenen und den Wagner-Überbleibseln um die Kontrolle über Rostow.

    An diesem Punkt begannen die ukrainischen Desinformationen wirklich zu wuchern, indem sie behaupteten, dass russische Militäreinheiten und regionale Verwaltungen zu Prigoschin überliefen   – was in der Tat bedeutet hätte, dass es sich nicht nur um einen Aufstand von Wagner gegen den Staat, sondern um eine umfassende Revolte des russischen Systems gegen Putins Regierung gehandelt hätte. Tatsächlich (und das ist ein wichtiger Punkt, auf den ich später noch zurückkommen werde) gab es keine Überläufer in regulären russischen Militäreinheiten oder regionalen Regierungen, und es gab keine zivilen Unruhen. Die Meuterei beschränkte sich auf die Wagner-Gruppe, und selbst daran waren nicht alle von Wagner beteiligt.

    Wie dem auch sei, in den frühen Abendstunden des Samstags gab es Grund zur Sorge, dass außerhalb Moskaus oder in Rostow Schießereien beginnen könnten. Putin gab eine Erklärung ab, in der er den Verrat anprangerte und eine angemessene Reaktion versprach. Das russische Justizministerium eröffnete ein Strafverfahren gegen Prigoschin wegen Hochverrats. Zwei Flugzeuge des russischen Verteidigungsministeriums wurden von der Wagner-Kolonne abgeschossen (ein Mi-8-Hubschrauber und eine IL-22). Die Atmosphäre in der Welt wurde durch die Menge an Speichelfluss aus Washington deutlich feuchter.

    Da kann man nicht parken, Kumpel

    Dann kam die Wagner-Kolonne zum Stillstand. Die belarussische Regierung gab bekannt, dass mit Prigoschin und Putin eine Einigung ausgehandelt worden sei. Das Büro von Lukaschenko behauptete, "man habe sich darauf geeinigt, dass ein blutiges Massaker auf dem Territorium Russlands untragbar sei." Die Kolonne wich von der Straße nach Moskau ab und kehrte zu Wagners Feldlagern in der Ukraine zurück, und die in Rostow verbliebenen Wagner-Truppen packten zusammen und verließen die Stadt. Abgesehen von den Besatzungen der beiden abgeschossenen Flugzeuge wurde niemand getötet.

    Die Spekulationen drehten sich natürlich sofort um die Bedingungen der Vereinbarung zwischen Prigoschin und dem Staat. Einige spekulierten, dass Putin zugestimmt hatte, Schoigu, Gerasimow oder beide aus ihren Ämtern zu entfernen (vielleicht war das die ganze Zeit der Sinn der Sache?). In Wirklichkeit waren die Bedingungen relativ lahm und antiklimaktisch:

    1. Das Hochverratsverfahren gegen Prigoschin wurde eingestellt, und er sollte nach Belarus gehen.
    2. Wagner-Kämpfer, die an dem Aufstand teilgenommen haben, werden nicht angeklagt und kehren zu ihren Einsätzen in der Ukraine zurück.
    3. Wagner-Kämpfer, die nicht am Aufstand teilgenommen haben, würden Verträge mit dem russischen Militär unterzeichnen (und damit Wagner verlassen und reguläre Vertragssoldaten werden).
    4. Ein vager Hinweis auf "Sicherheitsgarantien" für Wagner-Kämpfer.

    Also, das ist alles sehr seltsam. Ein echter bewaffneter Aufstand mit Panzern und schweren Waffen (und nicht ein Mann mit einem Büffelkopfschmuck) mit einer Übernahme von Militäreinrichtungen, die von Lukaschenko zu einer plötzlichen Lösung gebracht wurde, und alles, was Prigoschin dafür bekommen zu haben scheint, war... freie Fahrt nach Belarus? Das ist in der Tat merkwürdig.

    Versuchen wir also zu analysieren, was hier passiert ist, indem wir einen analytischen Rahmen verwenden, der nicht vordeterministisch ist   – das heißt, gehen wir davon aus, dass weder die russische Allzuständigkeit noch der russische Regimewechsel und die neoliberale Kuscheligkeit garantiert sind.

    Ich möchte mich zunächst mit genau diesen beiden ideologisch geprägten Theorien befassen. Auf der einen Seite gab es diejenigen, die behaupteten, Russland stehe kurz vor einem Bürgerkrieg und einem Regimewechsel, und auf der anderen Seite diejenigen, die der Meinung waren, das Ganze sei ein von der russischen Regierung geplantes Psycho-Spiel. Erstere haben sich bereits dadurch diskreditiert, dass alle ihre dramatischen Vorhersagen innerhalb von 24 Stunden in sich zusammenfielen   – Prigoschin führte tatsächlich keine metastasierende Meuterei an, stürzte Putin nicht und erklärte sich selbst nicht zu Zar Eugen I. An der anderen extremen Theorie   – Psyop   – ist nach wie vor etwas dran, aber ich halte sie für äußerst unwahrscheinlich, aus Gründen, die ich jetzt aufzählen werde.

    Psyop Szenarien

    Es ist relativ einfach zu sagen: "Der Aufstand war eine Psyop", ohne das näher zu erläutern. Es ist trivialerweise offensichtlich, dass der Wagner-Aufstand die westlichen Analysten „getäuscht“ hat   – aber das ist nicht ipso facto ein Beweis dafür, dass der Aufstand inszeniert war, um den Westen zu täuschen. Wir müssen nach etwas Konkreterem fragen   – zu welchem Zweck könnte der Aufstand inszeniert worden sein?

    Ich habe vier denkbare Theorien identifiziert, die es zumindest wert sind, untersucht zu werden   – lassen Sie uns einen Blick auf sie werfen und darüber sprechen, warum ich denke, dass sie alle letztlich den Aufstand nicht zufriedenstellend erklären können.

    Option 1: Lebendköder

    Eine mögliche Erklärung   – die ich schon häufig gehört habe   – ist die Vorstellung, dass Prigoschin und Putin den Aufstand inszeniert haben, um theoretische Netzwerke von Aufrührern, ausländischen Agenten und illoyalen Elementen aufzuspüren. Der Gedanke war wohl, dass Prigoschin ein kontrolliertes, aber kosmetisch realistisches Krisengefühl für den russischen Staat schaffen würde, das Putins Regierung verwundbar erscheinen ließe und verräterische und feindliche Parteien in ganz Russland dazu zwingen würde, sich zu offenbaren.

    Konzeptionell läuft dies auf wenig mehr hinaus, als dass Putins Regierung vorgibt, ein verwundetes Tier zu sein, um die Aasfresser anzulocken, damit sie getötet werden können.

    Ich denke, dass diese Theorie Anklang findet, weil sie Putin als einen extrem gerissenen, machiavellistischen und paranoiden Führer darstellt. Das ist auch der Grund, warum ich sie für falsch halte. Putin hat ein hohes Maß an Legitimität aus seiner Fähigkeit geschöpft, den Krieg zu führen, ohne das tägliche Leben in Russland zu stören   – es gibt keine Rationierung, keine Einberufungen, keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit usw. Eine der größten Kritiken an Putin kommt von der Kriegspartei, die behauptet, er führe den Krieg aus Angst zu zaghaft und sei zu sehr mit der Aufrechterhaltung der Normalität in Russland beschäftigt.

    Es erscheint daher widersprüchlich, dass ein Staatschef, der sehr darauf bedacht ist, die russische Gesellschaft nicht in einen Krieg zu stürzen, etwas so Destabilisierendes wie einen fingierten Aufstand inszeniert. Sollte die Wagner-Revolte tatsächlich eine Scharade gewesen sein, um andere verräterische und terroristische Elemente auszuräuchern, so ist sie zudem gründlich gescheitert   – es gab keine Überläufer, keine zivilen Unruhen und keine Verläumdungen Putins. Die Theorie des lebenden Köders besteht also aus mehreren Gründen den Schnuppertest nicht.

    Option 2: Maskierung von Einsätzen

    Eine zweite Theorie besagt, dass der Wagner-Aufstand im Wesentlichen eine riesige Vernebelung war, um die Bewegung der militärischen Kräfte um Russland herum zu ermöglichen. Der Gedanke dahinter ist wohl, dass, wenn bewaffnete Kolonnen scheinbar wild umherfliegen, die Menschen nicht bemerken, wenn russische Truppen in Stellung gehen, um beispielsweise Sumy oder Charkow anzugreifen. Diese Annahme wurde durch die Nachricht, dass Prigoschin nach Weißrussland gehen würde, nur kosmetisch untermauert. War das Ganze ein Trick, um die Verlegung von Wagner für eine Operation in der Westukraine zu verschleiern?

    Das Problem mit dieser Denkweise ist dreifach. Erstens verkennt sie die Komplexität der Aufstellung einer Truppe für Operationen. Es geht nicht nur darum, eine Reihe von Lastwagen und Panzern in Stellung zu bringen   – es gibt enorme logistische Anforderungen. Munition, Treibstoff, Infrastruktur im rückwärtigen Bereich   – all das muss bereitgestellt werden. Das lässt sich nicht innerhalb von 24 Stunden unter dem vorübergehenden Deckmantel einer vorgetäuschten Meuterei bewerkstelligen.

    Zweitens richtet sich der "Ablenkungseffekt" vor allem gegen die Medien und die Kommentatoren, nicht gegen den militärischen Geheimdienst. Anders ausgedrückt: CNN und die New York Times waren definitiv auf den Wagner-Aufstand fixiert, aber amerikanische Satelliten überfliegen weiterhin das Kampfgebiet und die westliche ISR (Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance = Nachrichtendienst, Überwachung und Aufklärung) funktioniert noch. Prigoschins Eskapaden würden sie nicht davon abhalten, die Vorbereitungen für den Angriff auf eine neue Front zu beobachten.

    Drittens und letztens sieht es nicht so aus, als ob viel von Wagner Prigoschin nach Weißrussland begleiten wird   – seine Reise ins Lukaschenko-Land sieht eher nach einem Exil als nach einer Verlegung der Wagner-Gruppe aus.

    Option 3: Konstruierte Radikalisierung

    Dies ist die übliche "Falsche-Flagge"-Theorie, die immer dann in Umlauf kommt, wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert. Sie ist ziemlich blasiert und abgedroschen: "Putin hat den Aufstand inszeniert, um den Krieg zu eskalieren, die Mobilisierung zu erhöhen usw."

    Das ergibt keinen Sinn und ist ziemlich leicht von der Hand zu weisen. Es gab echte ukrainische Angriffe innerhalb Russlands (einschließlich eines Drohnenangriffs auf den Kreml und grenzüberschreitender Vorstöße ukrainischer Streitkräfte). Wenn Putin den Krieg intensivieren wollte, hätte er jede dieser Gelegenheiten nutzen können. Die Vorstellung, dass er lieber einen internen Aufstand inszenieren würde   – mit dem Risiko einer weitreichenden Destabilisierung   – als sich auf die Ukraine zu konzentrieren, ist lächerlich.

    Option 4: Konsolidierung der Macht

    Von allen Psyop-Theorien ist dies diejenige, die wahrscheinlich am meisten für sich hat. Es gab zwei verschiedene Richtungen, die wir nacheinander behandeln werden.

    Zu Beginn wurde spekuliert, dass Putin Prigoschin als Vorwand benutzt, um Schoigu und Gerasimow zu vertreiben. Ich hielt dies aus mehreren Gründen für unwahrscheinlich.

    Erstens glaube ich nicht, dass es einen triftigen Grund gibt, diese Männer zu entlassen. Der russische Krieg war zu Beginn uneinheitlich, aber es gibt eine klare Tendenz zur Verbesserung der Rüstungsindustrie, da Schlüsselsysteme wie Lancet und Geran in immer größeren Mengen zur Verfügung stehen, und im Moment machen die russischen Streitkräfte aus der ukrainischen Gegenoffensive Mulch.

    Zweitens: Wenn Putin entweder Schoigu oder Gerasimow absetzen wollte, wäre dies als Reaktion auf einen vorgetäuschten Aufstand der schlechteste Weg, da dies den Anschein erwecken würde, dass Putin sich den Forderungen eines Terroristen beugt. Denken Sie daran, dass Putin weder Schoigu noch Gerasimow öffentlich für ihr Verhalten im Krieg kritisiert hat. Öffentlich scheinen sie seine volle Rückendeckung zu haben. Könnte der Präsident sie wirklich als Reaktion auf Prigoschins Forderungen entlassen, ohne unglaublich schwach zu wirken? Viel besser wäre es, wenn Putin sie einfach aus eigenem Antrieb entlassen würde   – und damit sich selbst und nicht Prigoschin zum Königsmacher machen würde.

    Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es nicht so aus, als würden Schoigu oder Gerasimow ihre Posten verlieren. Dies führte dazu, dass die Theorie der "Machtkonsolidierung" auf eine zweite Denkrichtung umgeschwenkt hat: Putin wollte mit Prigoschin im Wesentlichen das russische politische System einem Stresstest unterziehen, um zu sehen, wie die regionale Verwaltung und die Armeeführung reagieren würden.

    Die Objekte von Prigoschins Zorn?

    Damit wird der Aufstand wie eine Feuerwehrübung behandelt   – man löst den Alarm aus, schaut, wie alle reagieren, und notiert, wer die Anweisungen befolgt hat. Natürlich kamen russische Politiker aus dem Gebüsch gekrochen, um ihre Unterstützung für Putin zu bekräftigen und Wagner anzuprangern   – mit dem für Russland typischen Flair, wie der Governeur von Twer, der Prigoschin zum Selbstmord aufrief. Dies verleiht vielleicht der Vorstellung Glaubwürdigkeit, dass Putin seine Untergebenen auf die Probe stellen wollte.

    Aber auch diese Theorie lässt meiner Meinung nach einige wichtige Punkte außer Acht. Erstens schien Russland innerlich sehr stabil zu sein. Putin sah sich keiner Opposition oder Gegenwehr gegenüber, keine zivilen Unruhen, keine Meutereien in der Armee, keine Kritik von hochrangigen politischen Persönlichkeiten   – es ist nicht klar, warum er das Bedürfnis verspüren sollte, das Land zu erschüttern, nur um die Loyalität des politischen Apparats zu testen. Vielleicht halten Sie ihn für eine hyperparanoide Stalin-Figur, die sich dazu getrieben fühlt, mit dem Land Psychospielchen zu treiben, aber das passt wirklich nicht zu seinem Verhaltensmuster. Zweitens ist der Verlauf des Krieges im Moment überwiegend zu Gunsten Russlands, da der Sieg bei Bakhmut noch frisch im Gedächtnis der Öffentlichkeit ist und die Gegenoffensive der Ukraine mehr und mehr wie eine militärische Pleite der Weltgeschichte aussieht. Es macht wenig Sinn, warum Putin gerade jetzt, wo die Dinge für Russland sehr gut laufen, eine Granate abwerfen sollte, nur um die Reaktionszeit zu testen.

    Letztlich denke ich, dass alle diese "Psyop"-Theorien sehr schwach sind, wenn man sie in gutem Glauben nach ihren eigenen Bedingungen bewertet. Ihre Fehler haben einen gemeinsamen Nenner. Die Dinge laufen sehr gut für Russland, die Armee leistet hervorragende Arbeit bei der anhaltenden Niederlage der ukrainischen Gegenoffensive, es gibt keine inneren Unruhen oder Ungleichgewichte, und die Wirtschaft wächst. Die "Psyop"-Denkweise geht davon aus, dass Putin in einer Zeit, in der die Dinge gut laufen, ein enormes Risiko eingehen würde, indem er eine gefälschte Meuterei für vernachlässigbare Gewinne inszeniert und damit nicht nur Unruhen und Blutvergießen riskiert, sondern auch Russlands Image der Stabilität und Zuverlässigkeit im Ausland beschädigt.

    Man geht davon aus, dass das Putin-Team allwissend und in der Lage ist, ein hochkomplexes Täuschungsmanöver durchzuführen. Ich glaube nicht, dass die russische Regierung allwissend ist. Ich denke, dass sie einfach nur normal kompetent ist   – zu kompetent, um so einen Trick mit hohem Risiko und geringem Vorteil durchzuziehen.

    Was Prigoschin will

    Manchmal denke ich, dass der westliche Prädeterminismus des "Endes der Geschichte" (in dem die gesamte Geschichte ein unaufhaltsamer Marsch in Richtung globaler neoliberaler performativer Demokratie ist und die endgültige Befreiung und das Glück der gesamten Menschheit verkündet wird, wenn ihre siegreiche Flagge über Moskau, Peking, Teheran und Pjöngjang weht) im Wesentlichen ein geopolitisches Gegenstück zu Jurassic Park ist   – einer ergreifenden Geschichte von Hybris und Untergang (und einer meiner Lieblingsfilme).

    Das analytische Modell der Schöpfer von Jurassic Park ging davon aus, dass die Dinosaurier   – Kreaturen, über die sie praktisch nichts wussten   – sich im Laufe der Zeit Kontrollroutinen unterwerfen würden wie Zootiere. Geblendet von der Illusion von Kontrolle und der theoretischen Stabilität ihrer Systeme (von denen man annahm, dass sie stabil sind, weil sie so konstruiert wurden), war man sich nicht der Tatsache bewusst, dass der Tyrannosaurus eine eigene Intelligenz und einen eigenen Willen hatte.

    Ich denke, dass Jewgeni Prigoschin ein bisschen wie der Tyrannosaurus in Jurassic Park ist. Sowohl der westliche neoliberale Apparat als auch die russischen vierdimensionalen Planer scheinen Prigoschin als ein Rädchen zu betrachten, das dazu da ist, die Funktion ihres Weltmodells auszuführen. Ob es sich bei diesem Modell um den langen Marsch der Geschichte auf die Demokratie und den letzten Menschen oder um einen brillanten und nuancierten Masterplan Putins zur Zerstörung der unipolaren atlantischen Welt handelt, spielt keine große Rolle   – beide neigen dazu, Prigoschins Handlungsfähigkeit zu negieren und ihn zu einem Sklaven des Modells zu machen. Aber vielleicht ist er ein Tyranosaurus, mit einer Intelligenz und einem Willen, die eine innere Richtung haben, die unseren Weltmodellen gleichgültig ist. Vielleicht hat er den Zaun aus seinen eigenen Gründen niedergerissen.

    Ein Möchtegern-Lenin? Oder nur ein Mann, der mit dem Rücken zur Wand steht?

    Wir müssen darauf zurückkommen, wer Prigoschin ist und was Wagner ist.

    Für Prigoschin ist Wagner in erster Linie ein Unternehmen, das ihm vor allem in Afrika viel Geld eingebracht hat. Der Wert von Wagner (im grundlegendsten Sinne) ergibt sich aus seiner hohen Kampfkraft und seinem einzigartigen Status als von den russischen Streitkräften unabhängige Einheit. Jede Bedrohung eines dieser beiden Faktoren stellt für Prigoschin eine finanzielle und statusmäßige Katastrophe dar.

    In jüngster Zeit haben die Entwicklungen im Krieg eine existenzielle Bedrohung für die Wagner-Gruppe als lebensfähiges PMC erkennen lassen. Dies sind insbesondere:

    1. Ein konzertierter Vorstoß der russischen Regierung, Wagner-Kämpfer zu zwingen, Verträge mit dem Verteidigungsministerium zu unterzeichnen. Damit droht die Auflösung von Wagner als unabhängiger Organisation und ihre vollständige Eingliederung in das reguläre russische Militär.
    2. Wagner verliert das Personal aus den Rekrutierungen des letzten Jahres (einschließlich der Sträflinge). Diese Einberufenen stellten ein enormes Personalpolster dar, das es Wagner ermöglichte, die groß angelegten Kämpfe in Bakhmut zu schultern, aber viele von ihnen haben ihre Dienstzeit beendet.

    Dies bedeutet, dass Wagner an zwei Fronten bedroht ist. Auf institutioneller Ebene will die russische Regierung die Unabhängigkeit von Wagner im Wesentlichen neutralisieren, indem sie das Unternehmen dem Verteidigungsministerium unterstellt. Aus der Sicht von Prigoschin bedeutet dies im Wesentlichen die Verstaatlichung seines Unternehmens.

    Darüber hinaus ist ein verschlankter Wagner (der einen Großteil der Einberufenen verloren hat, die ihn auf die Größe eines Armeekorps gebracht hatten) nichts, was Prigoschin in den Kampf in der Ukraine schicken möchte. Ist Wagner erst einmal auf seinen Kern der erfahrenen Truppe reduziert, werden die Verluste in der Ukraine direkt auf Wagners Lebensfähigkeit durchschlagen.

    Mit anderen Worten: Prigoschin und die Behörden befanden sich in einer ausweglosen Situation. Was Prigoschin wahrscheinlich am meisten wollte, war, den in Bakhmut gewonnenen Ruhm zu nutzen, um Wagner zurück nach Afrika zu bringen und wieder viel Geld zu verdienen. Was er nicht wollte, war die Eingliederung seiner PMC in das russische Militär oder die Zermürbung seines Kerns von tödlichen Profis in einer weiteren großen Schlacht in der Ukraine. Das Verteidigungsministerium hingegen möchte die Wagner-Kämpfer unbedingt in die reguläre Armee integrieren und sie einsetzen, um die Ukraine auf dem Schlachtfeld zu besiegen.

    Wir haben also einen klaren Interessenkonflikt.

    Aber was kann Prigoschin dagegen tun? Er hat keinerlei institutionelle Macht, und Wagner ist in Bezug auf Ausrüstung, Nachschub, ISR und vieles mehr vom Verteidigungsministerium abhängig. Darüber hinaus unterstehen Prigoschins persönliches Vermögen und seine Familie der Gerichtsbarkeit des russischen Staates. Er hat nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten. Es gibt wirklich nur wenige Dinge, die er tun kann. Er kann Videos aufnehmen, um das Verteidigungsministerium in Verlegenheit zu bringen, zu belästigen und zu entwürdigen. Natürlich ist es wahrscheinlich unklug, Putin in diesen Tiraden direkt anzugreifen, und es könnte sich als unpassend erweisen, einfache russische Soldaten zu beleidigen. Daher müssen diese Angriffe genau auf die Art von bürokratischen Vorgesetzten abzielen, die die russische Öffentlichkeit nicht mag   – Männer wie Schoigu und Gerasimow.

    Abgesehen von diesen Videowutausbrüchen gab es für Prigoschin nur eine einzige Möglichkeit, die institutionelle Übernahme Wagners zu verhindern: einen bewaffneten Protest. Er musste so viele Männer wie möglich dazu bringen, sich ihm anzuschließen, eine Aktion zu starten und zu sehen, ob der Staat genug erschüttert werden könnte, um ihm den gewünschten Deal zu geben.

    Das klingt natürlich seltsam. Sie haben schon von Kanonenbootdiplomatie gehört   – jetzt sehen wir Vertragsverhandlungen mit Panzern. Es ist jedoch klar, dass der Streit über die Unabhängigkeit und den Status Wagners gegenüber den russischen Militäreinrichtungen im Mittelpunkt dieser Angelegenheit stand. Anfang dieses Monats kündigte Prigoschin an, dass er sich über einen Befehl des Präsidenten hinwegsetzen wolle, der seine Kämpfer verpflichtet, bis zum 1. Juli Verträge mit dem Verteidigungsministerium zu unterzeichnen.

    Die Erklärung von Prigoschin heute Morgen (Montag, 26. Juni) war jedoch äußerst aufschlussreich. Sie konzentrierte sich fast ausschließlich auf seinen zentralen Missstand: Wagner solle in das institutionelle Militär eingegliedert werden. Er führt dies zwar nicht zu Ende und merkt an, dass dies sein hochprofitables Unternehmen verstaatlichen würde, aber seine Kommentare lassen keinen Zweifel an seiner Motivation. Hier sind einige der wichtigsten Punkte, die er anspricht:

    • Wagner wollte keine Verträge mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen.
    • Die Eingliederung in das Verteidigungsministerium würde das Ende von Wagner bedeuten: "Diese Einheit sollte am 1. Juli aufhören zu existieren."
    • "Das Ziel unserer Kampagne war es, die Zerstörung der Wagner-Gruppe zu verhindern."

    Aber was glaubte Prigoschin, was passieren würde? Was war sein optimistisches Szenario? Wahrscheinlich hoffte er, dass die allgemeine Stimmung gegen Bürokratie und Korruption in Verbindung mit Wagners Popularität und Ruhm zu einem Aufschwung der Unterstützung für die Gruppe führen würde, der die Regierung in die Lage versetzen würde, Wagners Unabhängigkeit zu dulden.

    Es war eine mutige Entscheidung. Angesichts der institutionellen Absorption setzte Prigoschin auf eine maßvolle Destabilisierungskampagne, die das Land gerade so weit erschüttern würde, dass Putin sich zu einer Einigung mit ihm durchringen könnte. Prigoschin mag sich eingeredet haben, dass dies ein kluger und entscheidender Schachzug war, bei dem die Würfel zu seinen Gunsten fallen würden. Ich glaube eher, dass sie gar nicht gewürfelt haben. Sie haben mit Karten gespielt, und Prigoschin hatte nichts auf der Hand.

    Russlands Krisenmanagement

    Dies ist der Teil des Artikels, bei dem ich vermute, dass ich Federn lassen und mir den Vorwurf der "Anpassung" einhandeln werde   – aber sei’s drum. Lassen Sie uns das einfach offen ansprechen:

    Russland hat den Wagner-Aufstand sehr gut gemeistert, und sein Krisenmanagement deutet auf ein hohes Maß an staatlicher Stabilität hin.

    Damit will ich nicht sagen, dass der Aufstand gut für Russland war. Er war in mehrfacher Hinsicht eindeutig negativ. Russische Flugzeuge wurden von Wagner abgeschossen und russische Piloten wurden getötet. Prigoschin durfte dann gehen, nachdem er diese Todesfälle verursacht hatte   – ein Schandfleck für die Regierung. Es herrschte weit verbreitete Verwirrung, was der Moral nicht zuträglich ist, und die Operationen im südlichen Militärbezirk wurden durch Wagners Besetzung von Rostow gestört.

    Alles in allem war dies kein gutes Wochenende für Russland. Es war eine Krise, aber es war eine Krise, die der Staat insgesamt gut gemeistert und die Schattenseiten abgemildert hat   – vielleicht hat er sogar ein oder zwei Gläser Limonade aus den Zitronen von Prigoschin gemacht. Es passt vielleicht ein wenig, dass Schoigu früher Minister für Notstandssituationen (im Wesentlichen Katastrophenhilfe) war. Katastrophen sind nie gut, aber es ist immer besser, sie gut zu bewältigen, wenn sie passieren.

    Die Reaktion des Staates war eigentlich ziemlich einfach: Prigoschins Bluff durchschauen.

    Prigozhin fuhr mit seiner Kolonne in Richtung Moskau   – aber was sollte er tun, wenn er dort ankam? Die russische Nationalgarde bereitete sich darauf vor, sie am Betreten der Stadt zu hindern. Würde Wagner Moskau angreifen? Würden sie auf die Nationalgardisten schießen? Würden sie den Kreml stürmen oder die Basilius-Kirche beschießen? Dies würde unweigerlich zum Tod aller Beteiligten führen. Wagner, ohne eigenen Nachschub oder Beschaffung, kann die russischen Streitkräfte nicht erfolgreich bekämpfen und könnte sich wahrscheinlich nicht länger als ein oder zwei Tage selbst versorgen.


    Das Problem bei Prigoschins Ansatz ist, dass die Pantomime eines Staatsstreichs nicht funktioniert, wenn man nicht bereit ist, tatsächlich einen Staatsstreich zu versuchen   – und ein Staatsstreich funktioniert nur, wenn die institutionellen Behörden auf seiner Seite sind. Es ist nicht so, dass Prigoschin mit einem Panzer zum Lenin-Mausoleum fahren und den Bundesministerien und den Streitkräften Befehle erteilen könnte. Putsche erfordern die Kontrolle über die institutionellen Hebel der Macht   – regionale Gouverneursämter, Ministerien und das Offizierskorps der Streitkräfte.

    Prigoschin fehlte nicht nur all dies, sondern der gesamte Machtapparat denunzierte ihn, verachtete ihn und brandmarkte ihn als Verräter. Nachdem er sich durch Meuterei in eine Sackgasse manövriert hatte, blieb ihm nur die Wahl, entweder ein Feuergefecht vor Moskau zu beginnen und garantiert als verräterischer Terrorist in die Geschichte einzugehen oder sich zu ergeben. Es ist wahrscheinlich, dass der Abschuss eines russischen Flugzeugs durch die Wagner-Kolonne (den Prigoschin später als "Fehler" bezeichnete) ihn erschreckte und ihm bestätigte, dass er zu weit gegangen war und keinen Ausweg mehr sah. Wenn der Gegner mitgeht und Sie nichts auf der Hand haben, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als aufzugeben.

    Betrachten wir nun einen Moment lang die tatsächliche Szene in Russland. Eine Panzerkolonne fuhr auf die Hauptstadt zu. Wie reagierten der russische Staat und die Bevölkerung? Die Behörden auf allen Ebenen verurteilten öffentlich den Aufstand und erklärten ihre Unterstützung für den Präsidenten. Es gab keine Abtrünnigen, weder bei den militärischen Einheiten noch in der zivilen Verwaltung. Es gab keine zivilen Unruhen, keine Plünderungen, keinen Verlust auch nur der grundlegenden staatlichen Kontrolle im Land. Vergleichen Sie die Szenen in Russland während einer bewaffneten Rebellion mit denen in den Vereinigten Staaten im Sommer 2020. Welches Land ist nun stabiler?

    Letztlich gelang es der Regierung, eine Krisensituation, die leicht in ein erhebliches Blutvergießen hätte münden können, zu entschärfen, ohne dass dabei Menschen ums Leben kamen, abgesehen von den Besatzungen der beiden abgeschossenen Flugzeuge (deren Tod nicht verharmlost werden sollte und die als Opfer von Prigoschins Ehrgeiz in Erinnerung bleiben müssen). Außerdem laufen die Bedingungen der "Einigung" auf kaum mehr als eine Kapitulation Prigoschins hinaus. Er selbst scheint in einer Art Halb-Exil in Weißrussland zu leben (wo er möglicherweise auf einen Trotzki-Eispickel-Moment wartet), und es sieht so aus, als würde die Mehrheit der Wagner-Leute Verträge unterzeichnen und in das institutionelle russische Militär eingegliedert werden. Ausgehend von der Rede, die Putin heute Abend gehalten hat (bei Redaktionsschluss vor fünfzehn Minuten), haben die Wagner-Kämpfer nur drei Möglichkeiten: Verträge mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen, sich auflösen und nach Hause gehen oder sich Prigoschin im belarussischen Exil anschließen (vermutlich ohne ihre Ausrüstung). Was den institutionellen Status von Wagner betrifft, so hat Prigoschin verloren und der Staat gewonnen. Wagner als unabhängiger Kampfverband ist am Ende.

    Wir müssen natürlich ehrlich sein, was die Schäden des Aufstandes angeht.

    Prigoschin hat russische Soldaten getötet, als seine Kolonne die Flugzeuge abschoss, und wurde dann wegen Hochverrats angeklagt. Man kann natürlich sagen, dass eine friedliche Lösung weiteres Blutvergießen verhindert hat, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er russische Soldaten getötet hat und ungestraft davonkommt. Dies ist ein Versagen, das sowohl eine moralische als auch eine institutionelle Legitimationsdimension hat.

    Darüber hinaus sollte diese ganze Episode als ergreifende Lektion über die inhärente Instabilität dienen, die entsteht, wenn man sich auf Söldnergruppen verlässt, die außerhalb der formalen militärischen Institutionen operieren. Es gibt viele solcher Gruppen in Russland, nicht nur Wagner, und es wäre ein Fehler, wenn die Regierung nicht entschlossen handeln würde, um ihre Unabhängigkeit zu beseitigen. Andernfalls warten sie nur darauf, dass sich so etwas wiederholt   – möglicherweise mit einem weitaus explosiveren Ergebnis.

    Im Großen und Ganzen scheint es jedoch unbestreitbar, dass die Regierung mit einer extremen Krise recht kompetent umgegangen ist. Entgegen der neuen westlichen Sichtweise, wonach die Wagner-Revolte die Schwäche der Regierung Putin offenbart habe, deuten die Einheit des Staates, die Gelassenheit des Volkes und die besonnene Strategie der Deeskalation darauf hin, dass der russische Staat stabil ist.

    Schlussfolgerung: 1917

    Einer der universellsten und beliebtesten Zeitvertreibe der Menschheit ist das Aufstellen schlechter historischer Vergleiche, und dieser Prozess war am vergangenen Wochenende sicherlich in vollem Gange. Der beliebteste Vergleich war natürlich, den Aufstand von Prigoschin mit dem Sturz des Zaren im Jahr 1917 zu vergleichen.

    Das Problem ist, dass diese Analogie eine perfekte Umkehrung der Wahrheit ist.

    Der Zar stürzte 1917, weil er sich im Hauptquartier der Armee weit weg von der Hauptstadt aufhielt. In seiner Abwesenheit führte eine Garnisonsmeuterei in Petrograd (Petersburg) zum Zusammenbruch der Regierungsgewalt, die dann von einem neuen, aus der Staatsduma gebildeten Kabinett übernommen wurde. Staatsstreiche werden nicht durch sinnloses Blutvergießen erreicht. Was am meisten zählt, ist die grundlegende Frage der bürokratischen Autorität, denn das ist es, was es bedeutet, zu regieren. Wenn Sie zum Telefon greifen und die Stilllegung einer Eisenbahnlinie anordnen, wenn Sie eine Militäreinheit in Bereitschaft versetzen, wenn Sie einen Kaufauftrag für Lebensmittel, Granaten oder Medikamente erteilen   – werden diese Anweisungen befolgt?

    Es war trivialerweise offensichtlich, dass Prigoschin weder die Kraft noch die institutionelle Unterstützung oder den wirklichen Willen hatte, die Macht an sich zu reißen, und die Vorstellung, dass er einen echten Putschversuch unternahm, war absurd. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, dass es Wagner gelungen wäre, sich durch die russische Nationalgarde nach Moskau durchzuschlagen. Prigoschin stürmt das Verteidigungsministerium   – er verhaftet Schoigu und setzt sich auf dessen Stuhl. Glauben wir wirklich, dass die Armee im Feld plötzlich seine Befehle befolgen würde? Es ist kein Zauberstuhl. Die Macht ist nur im Falle eines totalen Zusammenbruchs des Staates greifbar, und was wir in Russland gesehen haben, war das Gegenteil   – wir haben gesehen, wie der Staat seine Reihen schloss.

    Am Ende bleiben also sowohl das neoliberale Kommentariat als auch die russischen Planverfechter mit einer unbefriedigenden Sicht der Dinge zurück. Prigoschin ist weder der Vorbote eines Regimewechsels noch eine Figur in Putins vierdimensionalem Schachspiel. Er ist einfach ein launischer und äußerst verantwortungsloser Mann, der gesehen hat, dass ihm sein privates Militärunternehmen weggenommen werden sollte, und beschlossen hat, extreme und kriminelle Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern. Er war ein Kartenspieler, der nichts in der Hand hatte und beschloss, sich mit einem Bluff aus einer Ecke herauszuwinden   – bis sein Bluff aufflog.


    Kommentare (Auszüge):

    Chima Okezue

    Writes Sharp Focus on Africa

    @bigserge: Ich bin Nigerianer. Ich wollte nur ein paar eigene Gedanken zu Ihrer Analyse hinzufügen.

    In den afrikanischen Ländern, in denen Wagner aktiv ist, haben sie lokale Unterstützung. So wurde beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik von einem lokalen Bildhauer ein Denkmal errichtet, um Wagners erfolgreichen Kampf gegen dschihadistische Aufständische zu feiern.

    Ich verfolge russische Telegram Kanäle und habe gehört, wie einige der maskierten Wagner-Kämpfer in der Donbass-Region sagten, dass sie nach Afrika zurückkehren wollen, wo die Dinge viel einfacher sind.

    Tatsache ist, dass Wagner auf dem afrikanischen Kontinent freie Hand hatte, ohne jegliche Aufsicht durch das russische Verteidigungsministerium und mit nur minimaler Überwachung durch den Kreml und den afrikanischen Gaststaat.

    Prigoschin und ein Teil seiner Kämpfer sind daher sehr verärgert über die Unterwerfung unter das Diktat des russischen Verteidigungsministeriums im ukrainischen Einsatzgebiet.

    In Bakhmut konnte Wagner nicht einfach seine eigenen Operationen planen und durchführen. Er musste sich dem Diktat des russischen Verteidigungsministeriums beugen, einer militärisch-bürokratischen Einrichtung, die er weder besonders mochte noch respektierte.

    Sie können sehen, wie Prigohzin in Bakhmut wütend wurde, weil er die benötigten Waffen nicht bekam. Es ging nicht darum, ob die Munition wirklich ausreichte. Es ging um die Tatsache, dass Wagner nicht das bekam, was er auf Anfrage verlangte, wie es in jedem afrikanischen Land, in dem er operierte, der Fall gewesen wäre.

    Wenn die Wagner-Truppen die Regierungen von Burkina Faso, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik um die Lieferung bestimmter Materialien zur Unterstützung der örtlichen Aufstandsbekämpfung baten, erhielten sie diese stets ohne Widerspruch. (Bitte beachten Sie, dass die afrikanischen Gastländer für einen Teil der von Wagner verwendeten Waffen bezahlen, wenn auch nicht für alle).

    Prigozhin und der loyalistische Kern seiner Kämpfer konnten sich einfach nicht an die Situation in der SMO-Zone in der Ukraine anpassen. Sie unterschied sich einfach zu sehr von ihren Erfahrungen in Afrika. Der Versuch, Wagner in die reguläre russische Armee zu integrieren, war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Also revoltierten sie gegen das russische Verteidigungsministerium, und der Rest ist Geschichte.

    Big Serge

    Ja, ich glaube, da haben Sie recht. Das Arbeitsumfeld in der Ukraine ist völlig anders als in Afrika, und Prigozhin konnte sich nicht darauf einstellen.

    Chima Okezue

    Writes Sharp Focus on Africa

    Wagner hat Frankreich nicht aus den frankophonen afrikanischen Staaten verdrängt [Anm. Übersetzer: das hatte ein anderer Kommentator behauptet], das haben die dortigen Regierungen mit Unterstützung der lokalen Bevölkerung getan. Selbst wenn es Wagner nicht gegeben hätte, wären die französischen Truppen aus diesen Ländern, in denen eine antifranzösische Stimmung herrschte, vertrieben worden.

    Bitte beachten Sie, dass die meisten frankophonen afrikanischen Länder weiterhin gute Beziehungen zu Frankreich unterhalten und dessen Militärstützpunkte beherbergen. In diesen noch bestehenden Militärstützpunkten befinden sich immer noch 3.000 französische Soldaten, und weitere 3.000 französische Soldaten befinden sich in anderen frankophonen Ländern, in denen Frankreich keine offiziellen Militärstützpunkte unterhält. In diesen Ländern teilen sich die französischen Truppen die Quartiere mit den einheimischen Soldaten.

    Was wird aus den Wagner-Truppen, die derzeit in einigen afrikanischen Ländern (und Syrien) stationiert sind?

    Ich weiß es nicht. Aber was die Spekulationen angeht, so vermute ich, dass Putin sich seinem Naturell entsprechend verhalten wird. Höchstwahrscheinlich wird man den Wagner-Truppen gestatten, ihre Arbeit im Kampf gegen dschihadistische Aufständische fortzusetzen, während eine dauerhafte Lösung gesucht wird.

    Was auch immer aus Wagner in Weißrussland wird, wird sich wahrscheinlich auf Wagner in Afrika auswirken.

    Mit anderen Worten: Wenn Putin den Status quo, dass Prigoschin die Kontrolle über das Wagner-PMC in Weißrussland behält, beibehält, dann sehe ich keinen Grund, warum Prigoschin nicht auch die Kontrolle über Wagner im fernen Afrika behalten sollte.

    Wenn Putin und Lukaschenko andererseits beschließen, Wagner in Weißrussland aufzulösen, erwartet Wagner in Afrika das gleiche Schicksal.

    Im Gegensatz zu dem, was viele denken, setzt der Kreml Wagner nicht direkt in anderen Ländern ein. Vielmehr bittet ein befreundetes Land den Kreml um russische Truppen. Putin antwortet mit einer Empfehlung für Wagner. Dann vergibt das Land einen Auftrag an Prigoschin und leistet eine Anzahlung. Danach taucht Wagner auf.

    Quelle: https://bigserge.substack.com/p/russo-ukrainian-war-the-wagner-uprising?utm_source=substack&utm_medium=email
    Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


    Info: https://seniora.org/index.php?option=com_acymailing&ctrl=url&subid=3998&urlid=4223&mailid=1823


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    27.06.2023

    Die smarte Planwirtschaft

    zeit.de, vom 25. Juni 2023, 18:20 Uhr, Von Houssam Hamade und Christoph Sorg, 28 Kommentare

    Dank Big Data und KI sei heute eine neue Form der Planwirtschaft möglich, behauptet eine Reihe von Wissenschaftlern. Vorbilder sind ausgerechnet Konzerne wie Amazon.



    Lässt sich Wirtschaft demokratisch planen? Um diese Frage dreht sich eine aktuelle Debatte. © [M] Alexander Hoepfner für ZEIT ONLINE

    Die smarte Planwirtschaft – Seite 1

    Es gibt sie also doch, die gut funktionierende Alternative zum Kapitalismus: die smarte Planwirtschaft. Das behaupten zumindest eine Reihe von Büchern und wissenschaftlichen Artikeln, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.

    Diese neue Form der demokratischen Planwirtschaft sei nicht nur gerechter und umweltfreundlicher, sondern ebenfalls effizienter und innovativer.

    Das klingt zunächst ungeheuerlich. Schließlich verbinden viele mit dem Wort Planwirtschaft jahrelange Wartezeiten für schlechte Autos und Telefone, stillstehende Produktionsbänder oder fehlende Bauteile. Die Privatwirtschaft sei dagegen flexibel, effizient und produktiv. Warum sollte die smarte Planwirtschaft also besser funktionieren als die Zentralverwaltungswirtschaft, wie man sie aus der DDR oder Sowjetunion kennt?  

    Houssam Hamade

    ist Autor und Journalist. Er veröffentlichte unter anderem zu den Themen Klassismus, Rassismus und Gewalt.

    Der wohl einflussreichste Text dieser neuen Debatte ist das 2019 erschienene Buch People's Republic of Walmart von Leigh Phillips und Michal Rozworski. Die beiden kanadischen Autoren behaupten: Es sind paradoxerweise hyperkapitalistische Konzerne wie Amazon und Walmart, die die Grundlage für vernünftiges und geplantes Wirtschaften schaffen. Diese seien nämlich intern riesige Planwirtschaften. Es wäre durchaus möglich, die Technik und Planung von Walmart dafür zu nutzen, eine bedürfnisorientierte Wirtschaftsweise zu schaffen.

    Christoph Sorg

    ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht vor allem zu Theorien des Kapitalismus, sozialen Bewegungen, Schulden und Wirtschaftsplanung.

    Auch Paul Adler, Professor für Management and Organization an der University of Southern California, meint: Obwohl viele Führungskräfte in der Öffentlichkeit für Märkte und Wettbewerb argumentieren, bevorzugen sie in ihren eigenen Unternehmen Koordination und Planung. Ihre verschiedenen Abteilungen ziehen alle am gleichen Strang, ganz ohne Markt und Konkurrenz. Dementsprechend hätten diese Führungskräfte, so Adler, ähnliche Sorgen wie sozialistische Planer: Wie kann das Personal an Entscheidungen mitwirken, ohne dass Chaos entsteht? Welche Form der Organisation führt zu Innovation, Effizienz und motivierten Mitarbeitenden?

    Formularbeginn

    Formularende

    Formularbeginn

    Formularende

    Hier zeigt sich also ein scheinbares Paradox im Herzen des Kapitalismus: Für ein System, das wir Marktwirtschaft nennen, gibt es darin erstaunlich viel Planung. Der frühkapitalistische Wettbewerb zwischen kleinen Familienunternehmen, den der Begründer der Nationalökonomie Adam Smith einst beschrieb, ist mittlerweile einer Dominanz global agierender Konzerne gewichen. Diese nutzen modernste Technologien, um Arbeitsprozesse, transnationale Lieferketten und Ressourcenverbrauch präzise zu steuern. Nicht Angebot und Nachfrage, sondern die Planung des Managements herrschen innerhalb dieser riesigen Institutionen. Der Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon formulierte es einmal sinngemäß so: Stellen wir uns vor, ein Wesen vom Mars hätte ein Teleskop, das soziale Strukturen offenbart, und würde damit auf die Erde schauen. Stellen wir uns weiter vor, dass dieses Wesen Unternehmen als große grüne Flächen und Märkte als rote Striche zwischen den konkurrierenden Unternehmen sehen würde. Dieses Wesen, so Simon, wäre sicherlich überrascht, dass wir dieses mehrheitlich grüne, von dünnen roten Linien verbundene System Marktwirtschaft und nicht Organisationswirtschaft nennen.

    Dennoch sind Märkte wichtig für die Wirtschaft. So arbeiten die jeweiligen Abteilungen von BMW, Mercedes oder Volkswagen innerhalb der Firmen zwar entsprechend der Planung zusammen. Aber sobald die Autos das Werk verlassen, herrschen die Regeln der Konkurrenz. Nur wer auf dem Markt kaufkräftige Nachfrage findet, wird für die vorherige Planung mit Profit belohnt.

    Staatsregulierung

    Das Wesen vom Mars würde in dieser Konkurrenz aber nicht nur rote Linien zwischen BMW, Mercedes und Volkswagen sehen, sondern auch Striche, die beim Staat beginnen und die zu den Unternehmen führen oder sie umkreisen. Denn Staaten regulieren den Wettbewerb und steuern Märkte zu einem hohen Maß. Der schlanke Nachtwächterstaat aus der Zeit von Adam Smith und Karl Marx, der den Markt weitgehend sich selbst überlässt, wurde zumindest in reichen Ländern des Globalen Nordens von großen Wohlfahrtsstaaten ersetzt. Moderne Staaten planen außerdem sehr aktiv den Erfolg wichtiger Industriezweige im globalen Wettbewerb. Sie nutzen dafür Subventionen, Steuern, Zölle und betreiben selbst Unternehmen. Ohne solche öffentliche Planung könnten strategische Wirtschaftszweige kaum auf dem Weltmarkt bestehen. Bis zum Zweiten Weltkrieg erhoben die USA die höchsten Zölle der Welt. Sie forderten erst globalen Freihandel, als die eigenen Industrien auf dem Weltmarkt bestehen konnten. Auch das südkoreanische Wirtschaftswunder ist ohne den strategischen Schutz und Aufbau der eigenen Stahl-, Eisen- und Elektronikindustrien undenkbar.

    Ohne öffentliche Forschung kein iPhone

    Die deutsche Staatsquote, also der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, betrug in den 1950er-Jahren noch rund 30 Prozent. Seit 1970 lag sie konstant zwischen 43 und 50 Prozent. Mit der Corona-Pandemie wurden die 50 Prozent zum ersten Mal überschritten. Die Tendenz ist klar: Staatliche Planung wird an allen Ecken gebraucht. Mit wieder aufkommenden Finanzkrisen und der Klimakatastrophe wird sich diese Tendenz vermutlich noch weiter verstärken. Entgegen weitverbreiteten Annahmen sind öffentliche Institutionen vielfach beweglicher und risikofreudiger als allgemein angenommen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato zeigt das am Beispiel des iPhones. Ein Großteil der Schlüsseltechnologien, die das iPhone zu einem Smartphone machen, seien mit staatlichen Mitteln in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung entwickelt worden. Dazu gehören auch der Touchscreen, GPS und die Sprachassistentin Siri. Apple habe das Ganze nur geschickt marktfähig gemacht. Staatliche und öffentliche Einrichtungen, sagt Mazzucato, seien im Durchschnitt viel innovativer und risikofreudiger als Privatunternehmen. Denn diese haben große Schwierigkeiten, riskante Investitionen zu tätigen, die nicht oder kaum profitabel sind. Auch deshalb kommen die grundlegenden Technologien für Computer, Digitalkameras, Schreibmaschinen, Radios, Luftpost, virtuelle Realität und Mikrowellen ursprünglich aus öffentlicher Hand.

    Es wird also auch in der Marktwirtschaft schon viel geplant.

    • In heutiger Marktwirtschaft
      a. Unternehmensplanung
      b. Staatsplanung

    Die neue Planungsdebatte diskutiert hier zwei Hauptfragen:

    • Wie lässt sich Wirtschaft demokratisch planen?

    • Und: Kann diese Planung stärker auf ökologische Nachhaltigkeit und auf gerechte Verteilung abzielen anstatt auf Profite?

    Die sozial und ökologisch zerstörerischen Auswirkungen der gegenwärtig kapitalistischen Wirtschaftsweise sind bekannt: Klimaverschmutzung, Artensterben oder die Ausbildung ökonomisch abgehängter Schichten sind davon nur einige. Die Hoffnungen auf grünes Wachstum im Kapitalismus haben sich bisher nicht erfüllt. Zudem ist nicht alles, was profitabel ist, auch gesellschaftlich wünschenswert. Mit Kohle und Öl lässt sich etwa sehr gut Geld machen, die Verwendung dieser Energieträger ist aber nicht nachhaltig. Auch ist vieles, was wünschenswert erscheint, wiederum nicht profitabel, wie beispielsweise die Versorgung armer Regionen mit teuren Medikamenten.

    Frühere sozialistische Kalkulationsdebatte

    Ähnliches wurde bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der sogenannten sozialistischen Kalkulationsdebatte intensiv diskutiert. Damals erklärten liberale Ökonomen und Philosophen wie Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek, Wirtschaft sei zu komplex, um geplant zu werden.

    Dafür gäbe es zwei Gründe.

    1. Zum einen könne die Fülle der Informationen, die der Markt als Quasi-Rechenmaschine verarbeitet, nicht durch eine Planungsbehörde ersetzt werden. Selbst einfache Prozesse, wie die Herstellung und der Vertrieb eines Kugelschreibers, sind höchst komplex. Von den Wetterverhältnissen, den Lagerbedingungen bis zum Zustand der Materialien: Unzählige Variablen spielen eine Rolle und müssen aufeinander abgestimmt werden. Je mehr Prozesse koordiniert werden müssen, desto komplexer. Der Markt, sagte Hayek, mache diese Komplexität bewältigbar. Es entscheidet nämlich die Bereitschaft, einen bestimmten Preis zu bezahlen. Die zeige an, wie dringend die Ware gebraucht wird.

    Eine Tischlerin, die besonders dringend Schrauben benötigt, ist bereit, mehr für die knappen Schrauben zu bezahlen. Sie kann auch selbst entscheiden, wann sie welche Schrauben mit welchem Härtegrad und in welcher Größe einkauft. Es ist darum sinnvoll, ihr diese Entscheidungsgewalt auch zu überlassen.

    2, Das ist das zweite Argument Hayeks: Das lokale Wissen von Betrieben und Arbeitenden ist für die Produktion notwendig. Es kann vielfach nicht ohne Weiteres artikuliert und von einer Zentrale gesammelt werden. Genauso wie auch viele Menschen nicht verständlich in Worte fassen können, wie man Fahrrad fährt. Die Kaufentscheidungen der jeweiligen Tischlerinnen liefern den Schraubenfabrikantinnen die Information, die sie benötigen, um die richtigen Schrauben in der richtigen Menge zu produzieren. Je mehr nachgefragt wird, desto mehr produzieren sie. So braucht der Markt keine Planungsbehörde. Marktwirtschaft wird – in der Theorie – dezentral organisiert. Das ist – in der Theorie – ihre Stärke.

    Unternehmen vertrauen schon lange nicht mehr nur auf Marktpreise

    Diese Argumentation war so gut, dass der sozialistische Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Oskar Lange meinte, dass eine "Statue von Professor Mises" einen ehrenvollen Platz in der Zentralen Planungsbehörde eines sozialistischen Staates einnehmen sollte. Aber es war auch derselbe Oskar Lange, der kurz vor seinem Tod 1965 die heutige Debatte vorwegnahm: Angesichts des damals noch jungen Computers sei der Markt eine Technologie des "vorelektronischen Zeitalters". Wenn der Markt eine Art Datenverarbeitungssystem ist, wieso sollte er dann nicht durch modernere, digitale Technologien ersetzt werden können?

    Firmen wie Amazon nutzen bereits heute Machine-Learning-Algorithmen. Diese werden mit dem Click-Verhalten von Konsumierenden gefüttert. Mithilfe dessen wird die zukünftige Nachfrage eingeschätzt. Mit der gleichen Technologie könnte also eine Planungsbehörde auch die gesellschaftliche Nachfrage feststellen. Anschließend stellt sich die Frage, wer ein Produkt wie auf welche Weise produziert. Industrielle Plattformen und Cloud-Computing bieten hier Potenzial zur Optimierung. Datenökosysteme wie die derzeit entstehende VW Industrial Cloud versprechen eine "smarte Steuerung in Echtzeit". Wenn beispielsweise "demnächst ein Lkw im Stau steht, ein Bauteil fehlerhaft ist oder eine Maschine ausfällt, wissen sofort alle Beteiligten Bescheid. Denn die Informationen sind sofort über die Cloud verfügbar. So lassen sich zum Beispiel Materialflüsse und mögliche Lieferengpässe noch besser managen", erklärt der VW-Konzern auf seiner Website.

    Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene entstehen so riesige Datenmengen, die potenziell eine mathematische Optimierung der Produktion erlauben. Eine Methode dafür heißt lineare Programmierung. Ironischerweise wurde sie von dem Nobelpreisträger und Mathematiker Leonid Kantorowitsch in der Sowjetunion entwickelt, konnte sich aber im dortigen autoritären System nicht durchsetzen. Stattdessen nutzen kapitalistische Konzerne die Methode heute zur Optimierung ihrer Produktionsprozesse und Logistik.

    Innerhalb dieser Planungsdebatte wird teilweise argumentiert, dass die Rechenkapazität für eine Optimierung der gesamten Wirtschaft erst heute durch moderne Supercomputer zur Verfügung steht. Diese können mit den vielen Variablen umgehen, wegen denen von Mises und Hayek vor ökonomischer Planung gewarnt hatten.

    Potenziell könne eine smarte Planung sogar besser mit den Bedürfnissen einer Volkswirtschaft umgehen als der Markt. Das marktwirtschaftliche Einpendeln von Angebot und Nachfrage ist schließlich oft ineffizient. Wenn beispielsweise Corona-Impfdosen fehlen, brauchen Pharmaunternehmen Rohstoffe, Technik und ausgebildete Arbeitskräfte. Ab einem gewissen Punkt müssen sie neue Fabriken bauen und ein dazugehöriges logistisches System. Wenn sich herausstellt, dass zu wenige Pharmaunternehmen ihre Kapazitäten erweitert haben, kommt es längere Zeit zu einem in diesem Fall tödlichen Mangel. 

    Waren es zu viele, wurden Anlagen umsonst gebaut und stehen still. Darum vertrauen auch kapitalistische Unternehmen schon lange nicht mehr nur auf Marktpreise als Indikatoren dafür, was an welchem Ort gebraucht wird, sondern auf Marktforschung und die Analyse von Konsumverhalten. Überproduktion ist außerdem nicht nur ein Problem für die jeweiligen Unternehmen, sondern kann auch zu schweren Wirtschaftskrisen führen. Kooperative Planung hat dagegen den Vorteil, dass voneinander abhängige Betriebe sich miteinander abstimmen können. Das führt auch dazu, dass wertvolle Informationen geteilt werden können.

    Autoritäre Strukturen produzieren schlechte Daten

    Aber historischen Experimenten mit Planwirtschaft, allen voran der sowjetischen, fehlte es nicht nur an Rechenleistung und besseren mathematischen Methoden, sondern an demokratischer Beteiligung. Autoritäre Strukturen sind nicht nur ein ethisches Problem, sondern führen auch zu schlechter Planung. Aus Angst vor Bestrafung spielten Betriebe ihre Produktionskapazitäten herunter, um die von oben vorgegebenen Output-Ziele auch erfüllen zu können. Planungsbehörden, denen das bewusst war, mussten die wahren Kapazitäten schätzen. Auch darum produzieren autoritäre Strukturen schlechte Daten. Zudem führten starre Vorgaben von oben zu mangelnder Motivation unter Lohnabhängigen. Darum arbeiten Unternehmen wie Google mit vergleichsweise flachen Hierarchien. Die jeweiligen Arbeitskräfte können so ihr konkretes Wissen schneller und direkter anwenden. Autonomie am Arbeitsplatz gilt außerdem heutzutage als Schlüssel zur Motivation der Mitarbeitenden.

    Smarte Wirtschaftsplanung soll also nicht die dystopische Form eines perfekten algorithmischen Plans von oben annehmen. Schließlich sind lokale Betriebe und das koordinierende Zentrum voneinander abhängig. Lokale Betriebe kennen ihre spezifischen Produktionsbedingungen, während vermittelnde Zentren einen besseren Überblick über die Entwicklungen in der gesamten Wirtschaft haben. Wie das Zusammenspiel zwischen lokalen Betrieben und Zentrum genau aussieht, wird in verschiedenen Planungsansätzen unterschiedlich geregelt. Im Modell der sogenannten Participatory Economics bestimmen beispielsweise demokratisch besetzte Konsumierendenräte ihre Nachfrage. Währenddessen passt ein Unterstützungsbüro auf Basis dieser Nachfrage die Preise für Güter an. Die Preise sollen dazu beitragen, Angebot und Nachfrage, sowie Sozial- und Umweltkosten auszugleichen. Der Ökonom Pat Devine schlägt dagegen vor, Preise für die Input-Güter Arbeitskraft, natürliche Ressourcen und Kapital von Regierungen zentral festzulegen. Lokale Betriebe können auf dieser Basis autonom agieren. Über Investitionen entscheidet ein Governance-System, das verschiedene Interessengruppen zusammenbringt.

    Innerhalb der Debatte wird immer wieder darauf hingewiesen, dass KI und Big Data keine Wundermittel sind. Sie lösen nicht automatisch alle Probleme der Welt. Zwar spreche sehr viel dafür, dass eine smarte Wirtschaftsplanung heute technisch und organisatorisch effizient funktionieren kann. Das löst aber nicht die dringenden politischen Fragen: Wollen wir in Zukunft in Städten leben, die vornehmlich für Autos gebaut sind oder für nachhaltigere Transportmittel? Wie wollen wir arbeiten und wie viel Ungleichheit empfinden wir als gerecht? Erkennen wir Sorgearbeit als wichtige und schwere Arbeit an? Aber auch hier tragen technische Mittel dazu bei, demokratische Aushandlungsprozesse zu verbessern. Vor allem aber könnte eine smarte Planwirtschaft überhaupt erst diese Entscheidungsfreiheit ermöglichen, während der Markt über Wettbewerbs- und Wachstumsdruck Möglichkeitsräume allzu oft schließt.

    Warum sollte man sich angesichts von Klimawandel, Armut oder zukünftigen Pandemien also in einem zentralen Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens, nämlich unserer Wirtschaftsweise, das Nachdenken über ganz grundsätzliche Veränderungen und Verbesserungen versagen? Im Gegenteil: Die Debatte über eine – im Gegensatz zur einstigen Sowjet-Planwirtschaft – produktive und nachhaltige Alternative zum rein profitorientierten Wirtschaften scheint dieser Tage nötiger denn je.  

    https://www.zeit.de/kultur/2023-06/wirtschaftsplanung-ki-smarte-planwirtschaft-big-data/komplettansicht

    https://www.zeit.de/thema/bmw

    Is Green Growth Possible?

    Jason Hickel & Giorgos Kallis

    Pages 469-486 | Published online: 17 Apr 2019

    The notion of green growth has emerged as a dominant policy response to climate change and ecological breakdown. Green growth theory asserts that continued economic expansion is compatible with our planet’s ecology, as technological change and substitution will allow us to absolutely decouple GDP growth from resource use and carbon emissions. This claim is now assumed in national and international policy, including in the Sustainable Development Goals. But empirical evidence on resource use and carbon emissions does not support green growth theory. Examining relevant studies on historical trends and model-based projections, we find that: (1) there is no empirical evidence that absolute decoupling from resource use can be achieved on a global scale against a background of continued economic growth, and (2) absolute decoupling from carbon emissions is highly unlikely to be achieved at a rate rapid enough to prevent global warming over 1.5°C or 2°C, even under optimistic policy conditions. We conclude that green growth is likely to be a misguided objective, and that policymakers need to look toward alternative strategies.

    Das Konzept des grünen Wachstums hat sich als eine der wichtigsten politischen Antworten auf den Klimawandel und den ökologischen Zusammenbruch herauskristallisiert. Die Theorie des grünen Wachstums besagt, dass eine fortgesetzte wirtschaftliche Expansion mit der Ökologie unseres Planeten vereinbar ist, da der technologische Wandel und die Substitution es uns ermöglichen werden, das BIP-Wachstum von der Ressourcennutzung und den Kohlenstoffemissionen absolut zu entkoppeln. Diese Behauptung wird heute in der nationalen und internationalen Politik vorausgesetzt, auch in den Zielen für nachhaltige Entwicklung. Empirische Belege für Ressourcenverbrauch und Kohlenstoffemissionen stützen die Theorie des grünen Wachstums jedoch nicht. Bei der Untersuchung einschlägiger Studien über historische Trends und modellgestützte Projektionen stellen wir fest, dass: (1) es keine empirischen Beweise dafür gibt, dass eine absolute Entkopplung von der Ressourcennutzung auf globaler Ebene vor dem Hintergrund eines anhaltenden Wirtschaftswachstums erreicht werden kann, und (2) es höchst unwahrscheinlich ist, dass eine absolute Entkopplung von den Kohlenstoffemissionen in einem Tempo erreicht wird, das schnell genug ist, um eine globale Erwärmung von mehr als 1,5°C oder 2°C zu verhindern, selbst unter optimistischen politischen Bedingungen. Wir kommen zu dem Schluss, dass grünes Wachstum wahrscheinlich ein fehlgeleitetes Ziel ist und dass die politischen Entscheidungsträger nach alternativen Strategien suchen müssen.



    Notes on Contributors

    Jason Hickel is an anthropologist at Goldsmiths, University of London, and a Fellow of the Royal Society of Arts. He writes on global inequality, political economy and ecology.

    Giorgos Kallis is an ICREA professor at the Institute of Environmental Sciences and Technology at the Autononomous University of Barcelona, an ecological economist and political ecologist writing on limits to growth.

    Wie Amazon lernte, was wir wollen

    Die personalisierten Produktempfehlungen des Internetkonzerns scheinen banal zu sein. Und doch hat der Algorithmus Amazon groß gemacht und den Onlinehandel geprägt.

    Von Meike Laaff

    5. Juli 2019, 19:45 Uhr 239 Kommentare


    © Phil Goodwin/​unsplash.com

    Wie Amazon lernte, was wir wollen – Seite 1

    Suchen wir etwas auf Amazon, wird es persönlich. Melden wir uns an, bekommen wir auf uns zugeschneiderte Produktempfehlungen eingespielt. Es wird angezeigt, was Kundinnen und Kunden, die auch die just angeklickte Stichsäge kauften, außerdem noch kauften oder ansahen. Und dass viele andere die Sägeblätter gleich mitbestellt haben. Solche personalisierten Empfehlungen sind heute so alltäglich, dass wir kaum mehr über sie nachdenken.

    Für Amazon aber sind sie ein Teil seiner Erfolgsgeschichte: Laut der Unternehmensberatung McKinsey sollen 35 Prozent aller Verkäufe über die Plattform auf Produktempfehlungen zurückgehen, die Algorithmen errechnet haben. Schon früh hat Amazon darauf gesetzt, seinen Kundinnen und Kunden personalisierte, gute Empfehlungen zu machen. Mithilfe von Daten und Computersystemen. Möglich wurde das durch einen Algorithmus, der sich in den frühen Tagen des Onlinehändlers als zentral für die Empfehlungssysteme herausstellte. Sein Erfinder war Greg Linden, ein früher Entwickler von Amazon. Was er und sein Team damals programmierten, gilt als Basis dafür, wie Nutzern heute im Netz Produkte, aber auch Musik und Videos empfohlen werden. 

    Andere Algorithmen waren überfordert

    Linden kam 1997 zu Amazon. Damals war das Unternehmen, das Jeff Bezos am 5. Juli 1994 zunächst unter dem Namen Cadabra gegründet hatte, noch recht klein. Es verkaufte nur Bücher, konzentrierte sich auf den Markt in den USA. Mitarbeiter arbeiteten im Firmensitz in Seattle an Tischen, die aus ausgehängten Türen zusammengebaut waren. Linden war Mitte 20, als er als Entwickler bei Amazon anfing – frisch von der Uni, wo er zu künstlicher Intelligenz geforscht hatte.

    Eigentlich war es in dem jungen Unternehmen gar nicht Lindens Aufgabe, an Empfehlungen für die Nutzer zu arbeiten. Er war für Marketing zuständig, träumte aber davon, intelligente Systeme zu bauen, die Menschen helfen sollten, Bücher zu entdecken, auf die sie von allein nie gestoßen wären. Darum tüftelte er nebenher an Lösungen dafür.

    Eine "Notwendigkeit, die Innovation stimuliert", sei das gewesen, schreibt Linden an ZEIT ONLINE. Ein Interview am Telefon will er jetzt, zum 25-jährigen Amazon-Jubiläum, nicht geben. Auch das Unternehmen will zu seiner Arbeit von damals nichts mehr sagen. Längst schon hat er dort gekündigt, war später bei Google und Microsoft und lebt heute vor allem als Privatier in Seattle.

    Fest steht jedenfalls: Amazon hatte damals ein Problem. Die Empfehlungssysteme, die Mitte der Neunzigerjahre gängig waren, versuchten mithilfe von Daten der Nutzer, Kunden zu finden, die sich möglichst ähnlich waren – und darauf ihre Empfehlungen aufzubauen. Die Vorschläge, die so entstanden, waren jedoch nicht besonders gut, vor allem aber wurden die Systeme immer langsamer, je mehr Daten sie verarbeiten mussten. Deshalb waren sie für Amazon bald schon ungeeignet. Dessen Produktpalette und Kundenstamm umfasste damals schon Millionen. Fast minütlich liefen neue Bestellungen auf, die in die Berechnungen mit einfließen sollten. Das Ziel waren Empfehlungen in Echtzeit. Andere Modelle sortierten Nutzer in vordefinierte Gruppen, denen sie Vorschläge machten – doch am Ende waren diese Empfehlungen noch schlechter.


    Greg Linden, ehemaliger Entwickler von Amazon, schrieb einen Algorithmus, auf dem die Empfehlungen für Kunden beruhen. © privat

    Also drehte Linden das Prinzip um. Nicht der Vergleich von Menschen, sondern der von Produkten sollte helfen, Amazons Buchempfehlungen zu verbessern. Aus dieser Idee entwickelten er und andere einen Algorithmus, den sie kompliziert item-to-item collaborative filtering nannten. Vereinfacht gesagt funktioniert er im Grunde so: Werden zwei Produkte außergewöhnlich häufig zusammen gekauft, wird das in einer Datenbank vermerkt. Ruft eine Kundin amazon.com auf, werden in der Datenbank gespeicherte Informationen abgerufen – und auf ihrer Basis individuelle Empfehlungen erstellt. Auf eine gewisse Art tut Amazons berühmtes Feature "Kunden, die dies kauften, kauften auch" etwas ganz Ähnliches, aber nur bezogen auf das Produkt, das gerade angeschaut wird. Mit dem neuen Algorithmus flossen alle Produkte, die mit einem Kundinnenkonto verbunden waren, in die Empfehlung mit ein.  

    1998 meldete das Team ein Patent an

    Dieser Algorithmus stellte sich als blitzschnell heraus, weil er einen Großteil der Berechnungen offline durchführen konnte. Sein Grundprinzip war simpel, er verschluckte sich auch an immer weiter wachsenden Datenmengen nicht. Und er war in der Lage, transparent zu machen, warum einem Kunden ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde. Auch von der Qualität der Empfehlungen war Amazon nach Testläufen überzeugt. Noch 1998 begann Amazon, den Algorithmus zu nutzen, im gleichen Jahr meldeten Linden und seine Mitstreiter ein Patent an.

    Und alle so: item!

    Es war der Startschuss für die Personalisierung auf Amazon: Mit dieser Technologie war es möglich, jedem Nutzer, jeder Nutzerin eine andere Webseite auszuspielen – gespickt mit Angeboten, die sie zu noch mehr Käufen stimulieren sollten.

    Rasch habe sich gezeigt, dass dahinter ein lukratives Geschäft stecke, schreibt Linden. "Es dauerte nicht lange und die Leute merkten, dass das Einzige, was noch mehr Verkäufe bei Amazon auslöste als die Empfehlungen, Menschen waren, die gezielt nach etwas suchten, von dem sie schon wussten, dass sie es kaufen wollten."

    "Was Linden da entwickelt hat, war der erste große kommerzielle Einsatz von Big Data", sagt Viktor Mayer-Schönberger. Der Professor am Oxford Internet Institute hat 2013 mit einem Journalisten ein Buch über die computergestützte Verarbeitung gigantischer Datenhaufen und deren Auswirkung auf die Gesellschaft geschrieben. Zuvor hätten Empfehlungssysteme Daten meist genutzt, um sich Fragen beantworten zu lassen. Dank Lindens System aber seien nun auch diese Fragen aus den Daten abgeleitet worden, sagt Mayer-Schönberger. Eine wichtige Verbesserung. Denn auf diese Weise wurden bisher nicht entdeckte Verbindungen zwischen Produkten offenkundig, auf die vielleicht kein Mensch je gekommen wäre.

    Viele Onlinehändler begannen in den folgenden Jahren, item-based collaborative filtering zu nutzen. Sie schrieben eigene, ähnliche Algorithmen oder integrierten die ursprüngliche Variante, angepasst an ihre Zwecke. Auch Unternehmen wie YouTube und Google machten sich den Linden-Algorithmus zunutze.

    "Amazon hat nie den Preis ins Zentrum gestellt, sondern immer die Empfehlungen", sagt Mayer-Schönberger. Notwendig dafür sei es, Daten auszuwerten, schnell, effizient, mit Ergebnissen, die besser sind als die Empfehlungen der Konkurrenten. Lindens Filterprinzip unterschied Amazon schon Ende der Neunziger von anderen Händlern. "Das ist der zentrale Grund, warum Amazon so erfolgreich wurde und es bis heute ist."

    Auch andere Forscher sehen in Lindens Arbeit einen wichtigen Schritt für die Personalisierung von Onlineempfehlungen: Joseph Konstan ist Informatikprofessor von der Universität Minnesota. Er gehörte zu dem Forscherteam, das 2001 die erste wissenschaftliche Veröffentlichung zu dem produktbasierten Filterprinzip publizierte und bestätigte, dass es tatsächlich dazu taugte, die bisherigen Probleme der Empfehlungssysteme zu überwinden.

    Heute bezeichnet Konstan Amazons Erfolge in der Personalisierung zwar als groß – daran hätte Lindens Arbeit einen Anteil, andere Algorithmen aber auch. Tatsächlich ist der ursprüngliche Code von Linden und seinem Team über die Jahre immer wieder ergänzt, verbessert und abgewandelt worden.

    Die Qualität von Empfehlungen hänge stark davon ab, was genau man unter der Verbindung von Produkten verstehe, schrieben Linden und der langjährige Amazon-Mitarbeiter Brent Smith vor zwei Jahren in einem Fachmagazin (IEEE Internet Computing: Smith & Linden, 2017). So braucht es zum Beispiel Kniffe, damit auch eine Kundin, über die kaum Daten vorliegen, gute Empfehlungen bekommt – oder ein neues Produkt, das kaum verkauft wurde, sinnvoll vorgeschlagen wird. Auch darauf, wie sich Interessen und Präferenzen von Menschen über die Zeit hinweg verändern, muss das System reagieren. Denn jemand, der vor vielen Jahren eine Babyrassel gekauft hat, braucht jetzt gerade vermutlich keine Schnuller mehr. 

    Und dann ist da noch das Harry-Potter-Problem

    Lösungen gibt es inzwischen auch für das Harry-Potter-Problem: Ist ein Produkt so populär, dass unglaublich viele Menschen es kaufen, unabhängig davon, ob sie sich sonst für Mangas, medizinische Fachliteratur oder Kochrezepte interessieren, dann taugt die Empfehlung dazu wenig, weil sie den Nutzern vermutlich nichts anzeigt, was sie nicht ohnehin schon auf dem Schirm hatten.

    Fast schon zu bequem?

    Manche Menschen irritieren die Kauftipps aber bis heute. Nicht nur, weil ihnen zum Beispiel empfohlen wird, was sie schon haben oder nie wollten, sondern auch, weil es ihnen unangenehm und aus Datenschutzgründen nicht recht ist, wenn Unternehmen in ihren Käufen und ihrem Klickverhalten herumstöbern.

    Greg Linden hat eine andere Sicht darauf. Für ihn sind die Algorithmen hinter den Kauftipps nur ein Werkzeug dafür, dass Millionen Menschen einander auf anonyme Weise durch das, was sie kaufen, indirekt Dinge empfehlen. Und deshalb sei es in gewisser Weise auch die falsche Frage, ob die Empfehlungen auf Amazon, Netflix oder Spotify heute schon besser seien als Tipps von Angesicht zu Angesicht. 

    Viktor Mayer-Schönberger kann sich aber auch Szenarien vorstellen, in denen solche Empfehlungen zum Problem werden könnten: Etwa wenn Unternehmen sie bewusst manipulieren würden, um Eigenmarken zu bevorzugen – oder wenn es Dritten gelänge, den Empfehlungsalgorithmus durch Daten über falsche Käufe und Aufrufe so zu beeinflussen, dass Millionen Amazon-Kunden falsche Empfehlungen angezeigt bekämen.

    https://www.zeit.de/digital/2019-07/amazon-algorithmus-greg-linden-empfehlungssysteme/komplettansicht

    Info: https://www.zeit.de/kultur/2023-06/wirtschaftsplanung-ki-smarte-planwirtschaft-big-data/komplettansicht

    27.06.2023

    EU hat den Schuß nicht gehört, Berlin verletzt Nato-Vertrag – und doch kein Friedensgipfel

    lostineu.eu, 27. Juni 2023

    Die Watchlist EUropa vom 27. Juni 2023 –

    Es ist schon bitter. Da schmiedet EUropa seit Monaten Pläne, um Russland zu ruinieren und Kremlchef Putin zu schwächen. Doch wenn es ernst wird und sich erste Risse im russischen System zeigen, dann tappen die EUropäer im Dunkeln.

    „Die unmittelbaren Ereignisse am vergangenen Wochenende haben wir so nicht erwartet“, sagte der Vorsitzende des EU-Militärausschusses Robert Brieger am Montag in Luxemburg. Es habe auch „keine akute Warnung“ gegeben. Ja, teilen die Amerikaner denn nicht ihre Erkenntnisse? Die US-Dienste behaupten, sie hätten den Aufstand von Wagner-Chef Prigoschin kommen sehen!

    Die EU hat den Schuß nicht gehört – genau wie zu Beginn des Ukrainekriegs.

    Fast noch frustrierender ist die Erkenntnis, dass es in Brüssel keinen Plan B für den Fall gibt, dass in Russland wirklich eine Staatskrise ausbricht. Darauf sei man nicht vorbereitet, räumte EU-Chefdiplomat Borrell ein. Dabei wäre ein Zusammenbruch des mit Atombomben vollgestopften Riesenreiches für Deutschland und die EU eine wesentlich größere Gefahr als der (noch) begrenzte Krieg in der Ukraine…

    Mehr zur Krise in Russland hier

     

    News

    • Mehr Geld für Militärhilfe. Die Europäische Union will mit noch mehr Härte und weiterer Aufrüstung auf die am Wochenende zutage getretenen „Risse“ in Russland reagieren. Die EU-Außenminister verkünden weitere 3,5 Milliarden Euro für die Ukraine – 5,6 Mrd. Euro wurden bereits für Kiew bereit gestellt. – Mein Beitrag für die „taz“ steht hier
    • Ukraine scheitert mit Vorstoß für Friedensgipfel. Der internationale Gipfel sollte im Juli in Kopenhagen stattfinden und auf der ukrainischen „Friedensformel“ aufbauen, die den Abzug der russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten einschließlich der Krim vorsieht. Ein vorbereitendes Treffen am Sonntag war aber ohne Ergebnis zu Ende gegangen. – Mehr zur Friedensformel“ hier
    • Deutschland verletzt die Nato-Russland-Grundakte. Verteidigungsminister Pistorius will 4000 Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren. Damit stärkt er die Nato-Ostflanke, was angesichts der Krise in Russland hochwillkommen ist. Zugleich verletzt er aber den Nato-Vertrag mit Russland von 1997, der eine dauerhafte Stationierung von Kampftruppen im östlichen Bündnisgebiet verbietet…

     

    Watchlist

    • Verfehlt die EU ihre hochfliegenden Klimaziele? In einem Sonderbericht hat der Europäische Rechnungshof dem Kampf gegen den Klimawandel in der EU ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. In dem Report bezweifelt der Rechnungshof, dass die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 wie angestrebt um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken kann. Die Finanzierung sei nicht gesichert, so die Prüfer.
    • Fällt Naturschutz-Gesetz erneut durch? Am Dienstag stimmt der Umweltausschuß des Europaparlaments über einen Gesetzentwurf zur Renaturierung durch. Bei einer ersten Sitzung gab es ein Patt von 44 zu 44. Die konservative EVP, in der CDU/CSU den Ton angeben, stemmt sich gegen den Entwurf von Klimakommissar Timmermans. Der Sozialist habe schlechte Arbeit geleistet, so CDU-Experte P. Liese


    Info: https://lostineu.eu/eu-hat-den-schuss-nicht-gehoert-berlin-verletzt-nato-vertrag-und-doch-kein-friedensgipfel


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    „AWK vermint“: Wie Selenskyj die Nato einspannen will


    lostineu.eu, vom 26. Juni 2023

    Präsident Selenskyj hat die Nato aufgefordert, sich auf einen Einsatz in der Ukraine vorzubereiten. Russland habe das AWK Saporischschja vermint und wolle einen Atomunfall auslösen – das dürfe die Nato nicht unbeantwortet lassen. Doch die Warnung führt in die Irre.

    Russland bereite einen „Terrorangriff“ mit „Strahlenfreisetzung“ am AKW Saporischschja vor, behauptete Selenskyj in einem Tweet an den kanadischen Premier Trudeau. Die Partner der Ukraine müssten eine „prinzipienfeste Antwort“ vorbereiten, insbesondere beim Nato-Gipfel in Vilnius.

    Dieselbe Botschaft werde er anderen Nato-Chefs übermitteln, kündigte Selenskyj an. Er stützt sich dabei auf (angebliche) Erkenntnisse seines Militärgeheimdienstes, wonach Russland das Kraftwerk vermint habe und eine gezielte Sprengung vorbereite, um Radioaktivität freizusetzen.

    Allerdings ist das AKW seit langem in russischer Hand. Warum sollte Russland diesen wichtigen Trumpf in die Luft sprengen? Wer würde bewußt eine radioaktive Wolke auslösen wollen, die ebensogut nach Westen wie nach Osten oder Norden – also nach Russland – ziehen könnte?

    Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA gibt Entwarnung: Man habe keine Minen am Kühlwasserbecken des AKW festgestellt, teilten IAEA-Beobachter mit, die vor Ort mögliche Gefahren prüfen sollen. Man kenne die ukrainischen Berichte, könne sie aber nicht bestätigen.


    „Die Schwarzmeerflotte vernichten“

    Wer hat Recht? Wir wissen es nicht, würden im Zweifel aber den IAEA-Experten mehr Vertrauen schenken als dem ukrainischen Geheimdienst. Zudem erinnern wir uns an frühere Versuche Selenskyjs, die Nato direkt in den Krieg in der Ukraine hineinzuziehen.

    Nun versucht er es offenbar erneut. Nicht ohne Erfolg: In Nato-Kreisen wird an die Drohung des Westens vom vergangenen Herbst erinnert, dass die Allianz die russische Schwarzmeerflotte vernichten könnte, falls Russland Atomwaffen in der Ukraine einsetzt.

    Noch sind das bloß Warnungen und Drohungen. Doch diesmal scheint es Selenskyj wirklich darauf anzulegen, die Nato hineinzuziehen. Wenn es tatsächlich zu einem Störfall kommen sollte – von wem auch immer verursacht – könnte er sein Ziel erreichen…

    Siehe auch Selenskyj will die Nato in den Krieg ziehen – nun auch über Saporischschja

    P.S. Der russische Außenminister Sergej Lawrow weist die Vermutung zurück, die Regierung in Moskau wolle das Atomkraftwerk in Saporischschja sprengen lassen. Solche Anschuldigungen des Westens und der Ukraine seien „Unsinn“, wird Lawrow von der amtlichen Nachrichtenagentur Tass zitiert.

    5 Comments

    1. KK
      27. Juni 2023 @ 00:29

      @ Hekla:
      „den grössenwahnsinnigen und offensichtlich zu allem fähigen Schauspieler“
      Ich bin geneigt zu wetten, dass bei einem Koks-Screening bei dem Mann der Messbereich des Tests nicht ausreichen würde… Grössenwahn, Allmachtsphantasien und auch sein stierer bis irrer Blick könnten darauf hindeuten…

    Reply

  • Hekla
    26. Juni 2023 @ 20:19

    Kurz und bündig: es ist allerhöchste Zeit (wenn nicht schon zu spät), dass der Westen den grössenwahnsinnigen und offensichtlich zu allem fähigen Schauspieler fallen lässt. Im eigenen existenziellen Interesse.

    Reply

  • european
    26. Juni 2023 @ 19:22

    Dazu gibt es zwei lesenswerte Artikel von Thomas Röper auf dem Anti-Spiegel.

    Der Atomwaffeneinsatz rückt näher, insbesondere im Zusammenhang mit dem AKW Saporischschja.
    https://www.anti-spiegel.ru/2023/rote-linien-und-das-akw-saporoschschje-russland-droht-mit-atomwaffeneinsatz/

    Der zweite befasst sich mit den vielen offenen Fragen des „Putschversuchs“.
    https://www.anti-spiegel.ru/2023/war-der-putschversuch-nur-eine-show-um-von-etwas-anderem-abzulenken/

    Reply

  • KK
    26. Juni 2023 @ 18:41

    Jetzt bräuchte es einen deutschen Aussenminister, der sich, wenn es wieder mal ernst wird, ein selbstbewusstes „I’m not convinced“ traut – und keine US-Marionette, die alles für die Ukraine tut und die dem ukrainischen Berufsschauspieler im Präsidentenamt jedes Drehbuch-Gefasel glaubt – egal, was ihre deutschen Wähler dann ausbaden müssen.
    Zur Not täte es auch ausnahmsweise mal ein selbstbewusster Kanzler.

    Reply

  • Mars attacks
    26. Juni 2023 @ 17:41

    Seit mehr als 13 Monaten wird nun pausenlos von Raketen auf NATO-Gebiet, AKW Zerstörung und vor allem vom Genozid an der Ukraine und ganz besonders deren Kinder gesabbelt. Ich kann es nicht mehr hören und schon gar nicht die tägliche Wahrsagung und das dazugehörige „ich weiß was was noch niemand sonst weiß“ diverser Knalltueten. Alle Seiten sind mit dem Thema durch, da aber die öffentliche Wahrnehmung mutwillig aufrechterhalten wird, bleibt der Krieg am köcheln und jeder einzelne tote wird zu Märkte getragen.


  • Info: https://lostineu.eu/awk-vermint-wie-selenskyj-die-nato-in-den-krieg-ziehen-will-schon-wieder


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:



    „Risse“ in Russland: Gießt die EU Öl ins Feuer?


    lostineu.eu, vom 26. Juni 2023

    Die Watchlist EUropa vom 26. Juni 2023. Heute mit dem Machtkampf in Russland, der Reaktion der EU-Außenminister, dem EU-Gipfel (u.a. zur Migration) und der Regierungskrise in Belgien.

    Wie geht der Machtkampf in Russland weiter? Welche Auswirkungen hat er auf den Krieg in der Ukraine, aber auch für die Sicherheit in EUropa? Nach dem gescheiterten Putschversuch von Wagner-Chef Progoschin dürften diese Fragen die neue Woche beherrschen.

    Den Auftakt machen die EU-Außenminister, die sich am Montag mit der russischen Krise befassen. Außenministerin Baerbock erklärte bei ihrer Ankunft in Luxemburg, aus ihrer Sicht sei der Machtkampf noch nicht beendet.

    „Es ist nach wie vor unklar, was dort geschieht. Ich sage ganz klar, was dort geschieht und nicht, was dort geschah“, sagte die Grünen-Politikerin. Die Ereignisse am Wochenende seien offensichtlich nur „ein Akt in diesem russischen Schauspiel“ gewesen.

    Das kann man so sehen. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die EU sich in diesen Machtkampf einmischen will – und welche Folgen dies für die Nachbarn Russlands und EUropa haben könnte.


    „Risse im System“

    Vor einem Jahr hatte Baerbock erklärt, dass die EU mit ihren Wirtschaftssanktionen darauf ziele, Russland zu „ruinieren„. Einige EU-Strategien wollten sogar einen Aufstand gegen Putin auslösen.

    Ist es nun so weit? Zeigen sich erste „Risse“ im russischen System, wie EU-Chefdiplomat Borrell glaubt? Geht die westliche Strategie der Schwächung und Destabilisierung Russlands auf?

    Oder kann Kremlchef Putin seine Macht festigen und den Krieg weiterführen, vielleicht sogar intensiver und brutaler als zuvor? Seinem Freund Erdogan ist dies nach einem Militärputsch gelungen…

    Diese und viele andere Fragen zur Russland-Politik dürften auch den EU-Gipfel beschäftigen, der am Donnerstag in Brüssel beginnt.

    Eigentlich sollte sich das zweitägige Treffen vor allem um die Ukraine drehen. Die EU wollte die ukrainische „Friedensformel“ vorantreiben. Doch dieses Thema rückt nun in den Hintergrund.

    Die Hardliner in der EU glauben, Putin verstehe nur die Sprache der Gewalt. Dies habe der Putschversuch am Wochenende gezeigt. Von Frieden wollen sie nichts wissen. Vielmehr gelte es, die Ukraine noch stärker zu bewaffnen, also Öl ins Feuer zu gießen…


    Streit über Asylkompromiss

    Weitere Gipfel-Themen sind die China-Politik sowie die Migration. Die Flüchtlingskrise und der Streit über den EU-Asylkompromiss dürfte die EU-Chefs lange beschäftigen, heißt es in Brüssel.

    Was passiert noch? Am Montag muß sich die belgische Außenministerin Lahbib einer Anhörung im Parlament stellen. Die Opposition verlangt ihren Kopf, weil sie in diversen Iran-Affären versagt habe. Ein Rücktritt könnte den Sturz der Regierung nach sich ziehen.

    Und am Dienstag versucht der Umweltausschuß im Europaparlament, den umstrittenen Entwurf zur Renaturierung doch noch durchzubringen. Die konservative EVP lehnt ihn weiter ab. Bei einem Scheitern droht Ungemach für den „European Green Deal“…

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    1 Comment

    1. KK
      26. Juni 2023 @ 19:32

      Wer wird denn Öl ins Feuer giessen – bei den Preisen?
      Oder gibts wieder welches aus ukrainischen Sonnenblumen?

    Reply


    Info: https://lostineu.eu/risse-in-russland-die-reaktion-der-eu-und-regierungskrise-in-belgien


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Open thread zum Machtkampf in Russland


    lostineu.eu, vom 25. Juni 2023

    Der Machtkampf in Russland hat ein vorläufiges Ende gefunden. Wagner-Chef Prigoschin zieht sich zurück, Kremlchef Putin will ihn ungestraft nach Belarus abziehen lassen. Ist Putin nun geschwächt – und wenn ja, was bedeutet das für Russland, die Ukraine und EUropa?

    Diese Frage dürfte das Treffen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg beherrschen. Hier können Sie aktuelle Meldungen, Analysen (Links) und Kommentare posten. Wir freuen uns auf Ihr Feedback!

    Zum Start zwei konträre Einschätzungen aus Deutschland und China.

    Die Meuterei zeige klare Risse in Putins Machtsystem, meint das ZDF:

    Prigoschin hat dramatisch offengelegt, wie kaputt das System Putin ist, wie brüchig seine Macht und Sicherheitsapparate sind. Auch Prigoschin konnte sich nicht durchsetzen, nach über einem Jahr Ukraine-Krieg ist Putins Herrschaft aber klar auf Sand gebaut.

    ZDF

    Dass Putin geschwächt wurde, sei reines Wunschdenken, schreibt die „Global Times (China)

    Despite the Western media saying that the revolt exposed the weakness of the Putin administration, the rebellion was quelled in such a short period of time after Putin vowed to take decisive actions on Saturday morning. This in fact shows that the Kremlin maintains a strong capability of deterrence, which will further increase its authority, some experts said.

    Global Times

    Over to you!

    Hier noch ein Kommentar vom „Standard“ in Wien. Er sieht Putin geschwächt, doch das sei keine gute Nachricht:

    Nicht unwahrscheinlich ist, dass Putin seinen Verteidigungsminister Schoigu und dessen Generalstabschef Gerassimow entlässt. Hardliner könnten an die Macht kommen. Für die Ukraine wäre das keine gute Perspektive. Und für Putin eine nicht sehr populäre Entscheidung, nicht einmal ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl. Die Wahl wird er wohl gewinnen, einen wirklichen Nachfolger gibt es nicht. Aber was kommt dann? Scheitert Putin, droht in Russland ein Bürgerkrieg. Das Gespenst des Chaos der 90er-Jahre steht im Raum. Machtkämpfe, politische Morde. Diesmal allerdings mit diversen Privatarmeen. Dann würde sich der Westen Putin wohl händeringend zurückwünschen. Auch damit die Atomwaffen unter Kontrolle blieben.“

    Der Standard

    Update

    Nun kommen erste Meldungen über Twitter, wonach die Wagner-Gruppe ein oder mehrere große Lager in Belarus errichtet. Sie sollen 200 km von der Grenze zur Ukraine entstehen und bis zu 8000 Mann beherbergen. Womöglich hat sich die Ukraine zu früh gefreut – und die EU die Lage erneut falsch eingeschätzt!?



    25 Comments

    1. Thomas Damrau
      27. Juni 2023 @ 06:54

      @ebo (26. Juni 2023 09:36)
      Richtig, die NATO meint, „dass Putin nur auf militärischen Druck reagiert“. Aber diese Arbeitshypothese ist schon seit Beginn des Krieges Grundlage der Entscheidungen – nicht erst seit Prigoschins Erpressungsversuch.
      Und als Grund für mehr Waffenlieferung braucht die NATO die Ereignisse des Wochenendes auch nicht: Die Eskalationslogik „Wenn der Nagel nicht in die Wand will, brauchen wir eben einen größeren Hammer“ erfordert schon auf Grund der mangelnden militärischen Erfolge der Ukraine „mehr und heftigere“ Waffen.

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    Arthur Dent
    26. Juni 2023 @ 23:52

    Welch wundersame Dinge unsere Auguren doch aus dem Vogelflug, den Innereien und den Knochen herauslesen können – wo doch die Wirklichkeit oft tief verborgen hinter der Fassade des Augenscheins liegt.
    Und wie der Astronaut sich aus dem Schwerefeld der Erde löst, so entkommen unsere Politiker zunehmend der Gravitationskraft des Humanismus.

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  • Hekl
    26. Juni 2023 @ 16:55

    Von allen Vermutungen, Spekulationen, Analysen, Einschätzungen, usw. erscheint mir bisher am plausibelsten, dass es sich um einen sog. „verdeckten Aufmarsch“ handeln könnte. Mein (zugegebenermaßen einziges und unsicheres) Indiz dafür: Russland befindet sich im Krieg, daher sollte man das Bild, das uns, dem unfreundlichen Westen, Russland von sich vermittelt mit größter Skepsis betrachten. Mich irritiert, wie massiv und mit welcher ungewohnten Transparenz Russland über die angeblichen inneren Konflikte und Zwistigkeiten kommuniziert. Das wäre nichts, was man seinen Gegnern auf dem Silbertablett servieren würde. Können wir uns wirklich sicher sein, dass Prigoschin wirklich der Rebell und Verräter ist, als den man ihn verkauft? Können wir es wirklich wissen?

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  • KK
    26. Juni 2023 @ 14:21

    Man stelle sich vor, die in Privatarmeen konzentrierten russischen und die vom Westen bis an die Zähne modernst bewaffneten ukrainischen Faschisten tun sich zusammen und holen sich ein Stück des ehemaligen „Ostblocks“ heim ins Reich (bzw. die Reiche).

    Dann schauen unsere immer mehr Waffen geliefert habende Bellizisten aber sicher blöd aus der Wäsche, wenn dann andere tatsächlich das tun, was sie Putin immer als Ziel unterstellt haben. Und die den Finger dann sicher noch viel näher am Atomknopf haben.

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  • Godfried van Ommering
    26. Juni 2023 @ 12:47

    Der Kommentar vom Wiener Standard macht klar daß es eher die Schwäche des Westens, der Koalition aus Ukraine und NATO, ist, die von den Ereignissen des Wochenendes in Russland bloß gelegt worden ist: denn sein kriegerisch vorangetriebenen Versuch „Putin“ zu stürzen, unter Einsatz der Ukrainischen Armee, führt, so hat sich jetzt gezeigt, sofort in die Verunsicherung bezüglich der Folgen innerhalb und außerhalb Russland, und zu einer Art Lähmung der konfrontierenden Politik des Westens wegen des Faktors Atomwaffen: die Reaktionen aus Regierungskreisen und von sonstigen Politikern zeigen nur wie wenig oder einfach slecht durchdacht das ganze Vorgehen der Westmächte ist. Man hat der russische Präsident verteufelt, aber anscheinend sich keine realistische Vorstellung gebildet, wie denn umzugehen mit den unüberschaubaren Wirbeln nach einem Sturz des Teufels. Vielmehr muß sich der Westen darüber Gedanken machen, daß das Projekt dieses Krieges gegen Russland beim jeden Schritt weiter, seien es Sanktionen oder Waffenlieferungen, unbeherrschbarer wird. Und bald ruft der verwegene Zauberlehrling nach den rettenden Formel, der den Spuk ein Ende setzen kann…

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    • ebo
      26. Juni 2023 @ 14:44

      Richtig ist, dass der Westen auf eine Destabilisierung Russland und die Entmachtung Putins zielt. Nichts anderes bezweckt der Wirtschaftskrieg, der 2022 auch von der EU entfesselt wurde. Damals wie heute will man Russland „ruinieren“ (Baerbock) – doch an die möglichen Folgen hat offenbar niemand gedacht. Naiv wirkt auch die Schadenfreude, mit der nun die Krise in Russland kommentiert wird. Sollte sich Prigoschin durchsetzen, so wird der Krieg gegen die Ukraine nicht etwa abgeblasen, sondern sogar noch härter geführt werden…

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  • Helmut Höft
    26. Juni 2023 @ 11:15

    Das Getöse um Wagner+brutale Söldnergruppe(n) sollte einmal allseits aufgearbeitet werden. Wer weiß denn, dass unter den Truppen des Wertewestens® ebenfalls massig Angehörige von PMSC (Private Military Security Company) mitlaufen? Die größte solcher „Organisationen“ heißt G4S und sitzt in Crawley, UK-; wer denkt noch an Blackwater in Falludscha und ja, die waren – und sind, heute unter anderem Namen – auch an anderen Stellen beteiligt, z. B. im Abu-Ghuraib-Folterskandal.
    Fazit: Die „Guten“ sind nicht besser als die „Bösen“! Annalena aus Borbeck: Bitte übernehmen, machen Sie was „feministisches“, was „moralisches“, was „unter Völkerrecht“ draus. *ächz*

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  • Stef
    26. Juni 2023 @ 10:52

    Vielleicht waren Motivation und Hintergrund der Aktion auch viel simpler.

    Wagner sollte sich auf Druck der russischen Militärführung vertraglich zu einer Eingliederung in die Befehlshierarchie des Militärs verpflichten, was Prigoschin in die direkte Befehlsgewalt des verhassten Verteidigungsministers Schoigu gebracht hätte. Damit sollte wohl die mit einer kampfstarken, autonomen Militärtruppe verbundene Problem für den Stast gelöst werden. Frist für den Vertragsschluss sollte wohl Ende Juni ablaufen.

    Vielleicht war dies einfach nur der verzweifelte Versuch Prigoschins und Wagners, sich der Einverleibung zu widersetzen.

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  • Cornelia Henke
    26. Juni 2023 @ 10:23

    Schwer einzuschätzen: Fake oder das bröckelnde Machtgefüge Putins? Ich vermute eine koordinierte Aktion von Putin und seinem „Kettenhund“.
    Prigoschin ist es als Militärexperte sicher klar, dass man mit 25000 Soldaten keinen erfolgreichen Putsch durchführen kann und einen Flächenbrand – mit Unterstützung der Bevölkerung hat es auch nicht gegeben. Genau so wenig wie eine „Bestrafung“ für die Missetat. (Allerdings könnte es auch für Prigoschin ein Versuch sein, zu prüfen, wie weit er „gehen kann“.) Na ja – vielleicht nur „Theaterdonner“ oder eine Loyalitätsprüfung der anderen Art. … Fakt ist – ein instabiles Russland im Bürgerkrieg könnte unsere Zivilisation zum Einsturz bringen. Wenn der Verkauf von Atomwaffen zur Geschäftsidee von Warlords wird. Willkommen im 21. Jahrhundert, Konflikte mit Kriegen regulieren und Intelligenz ohne Vernunft!


  • Info: https://lostineu.eu/open-thread-zum-machtkampf-in-russland


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    27.06.2023

    Interview Wie lässt sich der Fachkräftemangel beheben, Herr Jäger?

    makronom.de, vom 26. Juni 2023, IN TERVIEW: SUSANNE ERBE, Deutschland
    Während die Erwerbstätigkeit in Deutschland neue Rekordwerte erreicht, klagen die Unternehmen über einen eklatanten Fachkräftemangel – der sich noch verschärfen dürfte, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Ein Gespräch mit IZA-Direktor Simon Jäger über das Ausmaß des Mangels und mögliche Gegenmaßnahmen.


    Zur Person

    Simon Jäger ist Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Associate Professor of Economics am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Faculty Research Fellow am National Bureau of Economic Research (NBER). Auf Twitter: @simon_jaeger


    Herr Jäger, wie genau wird der Fachkräftemangel eigentlich gemessen?

    Typischerweise wird hierfür die Zahl der offenen Stellen im Verhältnis zur Arbeitslosenzahl herangezogen. Je größer dieses Verhältnis und je mehr Zeit zur Besetzung offener Stellen durchschnittlich benötigt wird, desto ausgeprägter demnach der Fachkräftemangel. Außerdem werden Unternehmen direkt befragt, etwa im Rahmen der ifo Konjunkturumfragen, ob sie ihre Geschäftstätigkeit durch Fachkräftemangel beeinträchtigt sehen. Auf diese Weise lassen sich Engpassberufe und Branchen mit besonderen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung identifizieren. Allerdings geht aus den Zahlen nicht hervor, ob der wahrgenommene Mangel daraus resultiert, dass es zu wenige Menschen mit den gesuchten Qualifikationen gibt oder dass die angebotenen Löhne und Arbeitsbedingungen nicht attraktiv genug sind.


    Lassen sich Unterschiede nach Regionen, Branchen und Qualifikation erkennen?

    Insgesamt sehen wir einen großen Bedarf bei Gesundheits- und Sozialdienstleistern, in der Logistikbranche oder auch in Handwerk und Bau. Groß ist der Mangel auch in den Bereichen der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien, also Sektoren, die für die Transformation sehr zentral sind. Dabei suchen die Unternehmen sowohl Fachkräfte, das heißt Menschen, die mindestens eine abgeschlossene Ausbildung haben, als auch Arbeitskräfte, die in Helfertätigkeiten arbeiten und für die keine spezielle Qualifikation benötigt wird. Und je nach Region lassen sich hier auch Unterschiede in den Bedarfen feststellen.


    Ist die Lücke vor allem durch einen regionalen oder qualifikatorischen Mismatch entstanden?

    Aus meiner Sicht spielen beide Komponenten bei der Betrachtung von Engpässen eine zentrale Rolle, hinzu kommt ein sektoraler Mismatch. Deswegen spricht aus wissenschaftlicher Perspektive sehr viel dafür, den Wettbewerb um Arbeitskräfte zu stärken. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Menschen auf Arbeitsplätze wechseln, die gute Löhne und Arbeitsbedingungen bieten, und das sie dort auch seltener kündigen. Für Arbeitgeber ergeben sich daraus zusätzliche Anreize, in Form von Qualifizierungsmaßnahmen mehr in ihre Beschäftigten zu investieren.

    Darüber hinaus ist es wichtig, die Entgelttransparenz zwischen verschiedenen Arbeitgebern zu stärken. Dies führt nachweislich zu stärkerem Wettbewerb und Anstieg von Löhnen, wie Reformen aus anderen europäischen Ländern und US-Bundesstaaten zeigen. Nicht zuletzt sollten wir unsere Kurzarbeitsregelungen überprüfen und anpassen, um strukturelle Veränderungen zu ermöglichen – etwa den Wechsel der Ingenieurin vom Automobilzulieferer zum e-Mobility-Startup.


    Wie sieht es in der Zukunft aus? In welcher Größenordnung und in welchen Berufen werden Lücken prognostiziert?

    Aktuelle Berechnungen des IAB zeigen: Ohne Zuwanderung und steigende Erwerbsquoten würde die Zahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, bis zum Jahr 2035 um über sieben Millionen sinken, vor allem weil die Babyboomer nach und nach aus dem Berufsleben ausscheiden.

    Das wirkt sich gleich doppelt auf die Arbeits- und Fachkräftesituation aus: Für frei werdende Stellen fehlt der Nachwuchs, während die älter und pflegebedürftiger werdende Gesellschaft einen steigenden Arbeits- und Fachkräftebedarf gerade in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales hat.

    In welchen Berufen in Zukunft Lücken aufklaffen werden, lässt sich aus meiner Sicht nur schwer mit belastbaren Zahlen prognostizieren, da dies – neben technologischem Fortschritt – auch davon abhängt, inwiefern stärkerer Wettbewerb zu Lohnerhöhungen führt und damit auch zu einer geringeren Arbeitsnachfrage in dem jeweiligen Beruf.


    Die Vorhersagen zur Demografie gehen von einer stark schrumpfenden Bevölkerung aus. Wäre es möglich, dass in einer solchen Situation auch weniger Fachkräfte nachgefragt werden – und sich das Problem quasi von selbst erledigt?

    Entscheidend ist weniger das Schrumpfen, sondern das Altern der Bevölkerung, also das sinkende Erwerbspersonenpotenzial bei gleichzeitig steigendem Rentenbezug und wachsendem Bedarf an Arbeitskräften etwa in der Pflege. Dass sich die Nachfrage nach Fachkräften reduziert, ohne dass wir als Gesellschaft Wohlstandsverluste in Kauf nehmen müssten, wäre dann vorstellbar, wenn es gelingt, durch mehr Automatisierung und Digitalisierung menschliche Arbeit zu ersetzen oder produktiver zu machen. Das wird sicherlich in Teilen der industriellen Fertigung wie auch bei manchen Dienstleistungen mit hohem Routineanteil möglich sein.

    Bislang hat der technologische Fortschritt allerdings immer auch neue Tätigkeiten hervorgebracht, also die Arbeit zwar verändert, aber die Arbeitsnachfrage nicht reduziert. Außerdem gewinnen gerade die Bereiche an Bedeutung, in denen es besonders auf menschlichen Kontakt, Empathie und soziale Kompetenzen ankommt, etwa Pflege und Bildung. Wir sollten daher unsere Hoffnungen nicht allein in Roboter und künstliche Intelligenz setzen.


    Welche Maßnahmen sind erforderlich, um den Mangel abzuwenden?

    Wenn die Gesellschaft möchte, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht schrumpft, sind verschiedene Maßnahmen zielführend: Wir müssen die Einwanderung von Fachkräften erleichtern und zugleich unser inländisches Erwerbspotenzial besser ausschöpfen. Qualifizierung spielt hier eine wichtige Rolle. Aber auch bessere Arbeitsbedingungen, insbesondere flexiblere Arbeitszeitregelungen, können dazu beitragen, die Frauenerwerbstätigkeit zu steigern, die „stille Reserve“ zu aktivieren und Ältere länger im Unternehmen zu halten.


    Inwieweit würde eine Anhebung des Renteneintrittsalters helfen, wie sie verschiedentlich wieder gefordert wird?

    Unser Ziel sollte sein, dass die Menschen länger arbeiten, weil sie können und wollen, nicht weil sie müssen. Neben mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten und, wo möglich, auch bei den ausgeführten Tätigkeiten kann ein effektives betriebliches Gesundheitsmanagement dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit länger zu erhalten. Wenn es in Kombination mit zusätzlichen Anreizen für die Beschäftigung Älterer gelänge, das faktische Renteneintrittsalter dem gesetzlichen anzunähern, wäre schon viel erreicht. Dann müsste auch weniger über Ausnahmen und Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen oder Erwerbsverläufe diskutiert werden. Zur Stabilisierung des Rentensystems insgesamt werden dennoch weitere Stellschrauben wichtig bleiben, auch das Renteneintrittsalter.


    Durch welche Maßnahmen ließe sich die Frauenerwerbstätigkeit weiter erhöhen?

    Im europäischen Vergleich sehen wir, dass die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr hoch ist, was sehr zu begrüßen ist. Allerdings arbeiten viele Frauen und insbesondere Mütter im Durchschnitt wenige Stunden, also häufig in einem Minijob oder in der geringen Teilzeit. Hier ist also in jedem Fall noch großes Potenzial.

    Entscheidende Faktoren sind hier: Kinderbetreuungsangebote müssten weiter ausgebaut werden, sowohl qualitativ als auch von der zeitlichen Flexibilität her, denn die Praxis zeigt, dass es allein mit dem formellen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht getan ist. Neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde vor allem die Abschaffung des Ehegattensplittings und der Begünstigung von Minijobs die nötigen Anreize setzen, damit mehr Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen oder ihre Arbeitszeit über eine geringfügige Beschäftigung oder eine Teilzeit mit geringer Stundenanzahl hinaus ausweiten.

    „Bislang hat der technologische Fortschritt immer auch neue Tätigkeiten hervorgebracht, also die Arbeit zwar verändert, aber die Arbeitsnachfrage nicht reduziert“

    Eine Doktorandin von mir hat untersucht, wie sich die Option für eine flexible Arbeitszeitgestaltung in Australien ausgewirkt hat: Junge Mütter arbeiten häufiger und mehr – und die sogenannte Motherhood Penalty (also die Einkommenseinbußen durch die Geburt der Kinder) ist geschrumpft. Das bedeutet: Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen nach der Geburt des ersten Kindes hat sich weniger stark geöffnet. Die Reform ist ein gutes Beispiel dafür, wie die gesamtwirtschaftlich geleisteten Arbeitsstunden steigen könnten, wenn die Menschen flexibler über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Außerdem sind kulturelle Faktoren, das heißt, gesellschaftliche Erwartungen an Mütter, ein wichtiger Faktor, über den wir zu wenig sprechen.


    Sie haben mit anderen IZA-WissenschaftlerInnen einen Vorschlag zur besseren Gestaltung der Einwanderung gemacht. Welche Elemente enthält Ihr Konzept?

    Auf dem Papier sind die Einwanderungsangebote für Fachkräfte außerhalb Europas schon recht großzügig, werden aber noch zu wenig genutzt, auch weil sie nach wie vor zu kompliziert sind. Wir schlagen daher eine deutliche Vereinfachung vor, die allerdings die Erteilung einer befristeten Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige an ein vorliegendes Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot in einem tarifgebundenen Unternehmen koppelt. Unser Vorschlag schafft also eine doppelte Dividende: Wir steigern die Erwerbsmigration und setzen einen zusätzlichen Anreiz für produktive, wachsende Unternehmen, eine Tarifbindung einzugehen, um Zugang zu einem größeren Arbeitskräftepool zu erhalten. Von der Gewährleistung tariflicher Standards bei Löhnen und Arbeitsbedingungen würden in- und ausländische Beschäftigte gleichermaßen profitieren.


    Letztlich wäre die einfachste und marktwirtschaftlichste Lösung für einen Mangel eine Preiserhöhung. Man könnte also erwarten, dass in den Berufen, in denen die Nachfrage nach Arbeitnehmern hoch ist, auch die Löhne steigen. Warum ist das nicht geschehen?

    Ich denke, dass die Erkenntnisse aus der modernen Arbeitsmarktforschung zur Marktmacht von Unternehmen am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle beim Verständnis spielen. Der Arbeitsmarkt ist kein perfekt kompetitiver Markt und die Friktionen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Klage über Arbeitskräftemangel ist auch Ausweis dessen, dass in manchen Bereichen Löhne unterhalb der Arbeitsproduktivität gezahlt werden.

    „Im Kern ist die Debatte um den Fachkräftemangel auch eine gesellschaftliche Debatte darüber, in welchen Bereichen wir unsere Ressourcen einsetzen möchten“

    Wir müssen die Diskussion sehr offen und ehrlich führen. Im Kern ist die Debatte um den Fachkräftemangel auch eine gesellschaftliche Debatte darüber, in welchen Bereichen wir unsere Ressourcen einsetzen möchten: Wie wichtig ist uns als Gesellschaft das Bildungssystem? Wie wichtig ist uns die Arbeit am Menschen? Der empfundene Fachkräftemangel ist damit auch ein Symptom des zugrunde liegenden Problems: die Verteilung knapper Ressourcen.


    Gegen höhere Löhne werden u. a. die Sorgen vor steigenden Preisen, aus dem Markt verschwindenden Unternehmen und wegautomatisierten Jobs angeführt. Sind diese Bedenken aus Ihrer Sicht berechtigt?

    All diese Entwicklungen sind in gewissem Maße zu erwarten, aber nicht zwingend Anlass zur Sorge. Wenn stärkerer Wettbewerb um Arbeitskräfte zu steigenden Reallöhnen für einen großen Teil der Beschäftigten führt, wie aktuelle Forschung aus den USA nahelegt, könnten etwaige Preissteigerungen dadurch weitgehend ausgeglichen werden. Wo sich höhere Lohnkosten nicht auf die Preise umwälzen lassen, muss das Unternehmen geringere Gewinne in Kauf nehmen oder verstärkt auf Automatisierung setzen. Fallen auf diese Weise gering bezahlte Jobs weg oder werden bestimmte Geschäftsmodelle unrentabel, die sich auf einen breiten Niedriglohnsektor stützen, muss das gesamtgesellschaftlich kein Problem sein, wenn die Beschäftigten dann für produktivere, besser entlohnte Tätigkeiten zur Verfügung stehen.


    Welche Maßnahmen sind am ehesten politisch durchsetzbar, welche sind am effizientesten?

    Unser Vorschlag zur Verknüpfung von Einwanderung und Tarifbindung könnte, abgesehen von einer gewissen Skepsis auf Arbeitgeberseite, auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen, weil er ohne den Einsatz von Steuermitteln auskommt und Unternehmen wie Beschäftigten gleichermaßen zugutekäme.

    Als besonders effizient gelten Maßnahmen im Bildungssystem, vor allem solche, die bei der frühen und systematischen Förderung benachteiligter Gruppen ansetzen. Umfangreiche Forschung aus den USA weist für die dafür eingesetzten Mittel enorme gesellschaftliche Renditen nach, denn Bildungsinvestitionen zahlen sich noch Jahrzehnte später auf dem Arbeitsmarkt aus. Darüber hinaus gibt es „low-hanging fruits“ beispielsweise bei der Steigerung des Wettbewerbs um Arbeitskräfte durch Erhöhung der Entgelttransparenz zwischen Arbeitgebern. Insgesamt mangelt es in Deutschland leider noch zu häufig an geeigneten Forschungsdaten, anhand derer sich die Effizienz von Maßnahmen überhaupt analysieren lässt.


    Info: https://makronom.de/interview-wie-laesst-sich-der-fachkraeftemangel-beheben-herr-jaeger-44472?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=interview-wie-laesst-sich-der-fachkraeftemangel-beheben-herr-jaeger


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    27.06.2023

    Nachrichten von Pressenza: Friedensboot „Goldene Regel“ erhielt eine Auszeichnung des New Yorker Rates „wie sanfter Wind in deinen schönen Segeln“

    aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 27. Juni 2023, 7:15 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 27.06.2023


    Friedensboot &#8222;Goldene Regel&#8220; erhielt eine Auszeichnung des New Yorker Rates „wie sanfter Wind in deinen schönen Segeln“


    An einem schönen Tag vor dem Rathaus von New York City begeisterte die Stadträtin Carlina Rivera große Menschenmengen mit Enthusiasmus, Überzeugung und der Wahrheit darüber, warum wir die Missionen von Veterans For Peace und Move The Money schätzen müssen. Mit&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/friedensboot-goldene-regel-erhielt-eine-auszeichnung-des-new-yorker-rates-wie-sanfter-wind-in-deinen-schoenen-segeln/


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    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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    27.06.2023

    Der Übergang zur Diplomatie (I)   Ex-US-Regierungsmitarbeiter sagt baldigen Übergang zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg voraus – rechtzeitig vor dem US-Präsidentschaftswahlkampf. Erste Vorgespräche haben bereits stattgefunden.

    german-foreign-policy.com, 27. Juni 2023

    BERLIN/KIEW/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Die westlichen Mächte steigen in Verhandlungen mit Kiew über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs ein. Am Samstag sind in Kopenhagen Repräsentanten der G7-Staaten, der Ukraine und mehrerer Länder des Globalen Südens zusammengetroffen, um erstmals gemeinsam Friedensgespräche in Aussicht zu nehmen. Konkrete Ergebnisse wurden dabei noch nicht erzielt; die Verhandlungen sollen aber fortgesetzt werden. Dass im Anschluss an die aktuelle ukrainische Gegenoffensive Gespräche zumindest über einen Waffenstillstand geführt werden sollen, ist als Ziel der Biden-Administration seit geraumer Zeit erkennbar. Ursachen sind die abnehmende Zustimmung in der US-Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine und der Präsidentschaftswahlkampf, der für Biden eine Fortsetzung der milliardenschweren Hilfsleistungen nicht angeraten sein lässt. Auch in Europa schrumpft der Anteil derjenigen, die Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland befürworten. Ein ehemaliger US-Regierungsmitarbeiter spricht sich dafür aus, spätestens im Herbst konkret auf einen Waffenstillstand zu orientieren. „Am schwierigsten“, urteilt er, dürften dabei „die Gespräche mit den Ukrainern“ sein.


    Zitat: Stimmungsumschwung in den USAUrsache dafür, dass die Unterstützung für die Ukraine im Westen unter Druck zu geraten beginnt, ist zum einen ein gewisser Stimmungsumschwung in den USA, verbunden mit dem herannahenden US-Präsidentschaftswahlkampf und eskalierenden Kosten. Waren im März 2022 laut einer Umfrage des Pew Research Center nur sieben Prozent aller US-Amerikaner der Meinung, Washington investiere zuviel in Hilfsprogramme aller Art für Kiew, so stieg ihr Anteil in diesem Monat bereits auf 28 Prozent.[1] Unter Republikaner-Wählern lag er sogar bei 44 Prozent, während nur 20 Prozent die US-Unterstützung als angemessen einstuften und nur 14 Prozent der Ukraine umfangreichere Mittel zugute kommen lassen wollten. Darüber hinaus werden auch unter Politikern zunehmend Einwände geäußert, man könne nicht auf Dauer zweistellige Milliardensummen in die Ukraine pumpen und – je nach Parteipräferenz – es an Mitteln für die Sozialpolitik (Demokraten) oder für die Abschottung der US-Grenze zu Mexiko (Republikaner) fehlen lassen. Der Ukraine-Krieg droht für Joe Biden umso stärker zur Belastung im Wahlkampf zu werden, als bei den Republikanern der Flügel an Einfluss gewinnt, der die Unterstützung für Kiew reduzieren will, insbesondere Kräfte um Ex-Präsident Donald Trump.[2]


    Stimmungsumschwung in Europa

    Ein gewisser Stimmungsumschwung zeichnet sich auch in Europa immer deutlicher ab. So zeigt etwa eine Umfrage, die im Auftrag des Deutschen Polen-Instituts durchgeführt wurde, dass in Deutschland der Anteil derjenigen, die Waffenlieferungen an die Ukraine befürworten, von 58 Prozent im März 2022 auf 51 Prozent im Mai 2023 zurückgegangen ist. In Polen sank er von 87 auf 76 Prozent.[3] Im selben Zeitraum schrumpfte der Anteil derjenigen, die die Russland-Sanktionen unterstützen, von 69 auf 57 Prozent (Deutschland) bzw. von 90 auf 85 Prozent (Polen). Gleichzeitig zeigt eine aktuelle Umfrage der Universität Warschau, dass der Anteil der Polen, die stärkere Unterstützung für die Ukraine wünschen, von fast 50 Prozent im Frühjahr 2022 auf nur noch 28 Prozent gefallen ist, während sich die Einstellung gegenüber ukrainischen Flüchtlingen erheblich gewandelt hat. So ist der Anteil derjenigen, die von sich sagen, eine „sehr positive“ Einstellung gegenüber Ukrainern zu haben, von 44 Prozent im Januar auf 28 Prozent im Mai und im Juni gesunken. 31 Prozent geben an, ihre Einstellung gegenüber Ukrainern habe sich verändert; von diesen nennen 85 Prozent eine Änderung „zum Schlechteren“.[4] Die am meisten genannte Ursache ist die Wahrnehmung, ukrainische Flüchtlinge hielten sich oft für berechtigt, Leistungen jeder Art kostenlos zu erhalten.


    Politische Widerstände

    In Polen haben EU-Vergünstigungen für ukrainische Getreideexporte, die gravierende Nachteile für polnische Landwirte mit sich brachten, bereits zu massiven Protesten geführt. Diese mussten mit Sonderregelungen gedämpft werden, die den Verkauf kostengünstigeren ukrainischen Getreides in Polen wie auch in weiteren Staaten Ost- und Südosteuropas einschränken. Ungarn trägt schon heute weder alle Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine noch alle Maßnahmen gegen Russland umstandslos mit. Die Slowakei könnte, wie Beobachter spekulieren, nach der vorgezogenen Parlamentswahl im September einem ähnlichen Kurs folgen.[5] Auch die zunehmenden Widerstände in den USA beginnen sich, wie berichtet wird, mittlerweile in der politischen Praxis niederzuschlagen. So heißt es, ukrainische Abgeordnete seien in kürzlich geführten Gesprächen mit Mitarbeitern des US-Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrats immer wieder vertröstet worden, wenn sie um zusätzliche Waffenlieferungen gebeten hätten – mit dem Hinweis, man wolle nun erst einmal „sehen, wie die Gegenoffensive verläuft“.[6] Die ehemalige ukrainische Vizeministerpräsidentin Iwanna Klympusch-Tsyntsadse wurde unlängst mit der Äußerung zitiert, sie „fürchte“ um die Fortsetzung der US-Förderung in gewohnter Höhe für das kommende Finanzjahr. Letzteres beginnt am 1. Oktober.


    Den Waffenstillstand im Blick

    Mit Blick auf die langsam geringer werdende Unterstützung für die Ukraine und vor allem auf den US-Präsidentschaftswahlkampf sind seit geraumer Zeit Überlegungen zu vernehmen, die auf eine Einstellung der Kämpfe nach der aktuellen ukrainischen Gegenoffensive und auf Verhandlungen hinauslaufen – wohl noch in diesem Jahr (german-foreign-policy.com berichtete [7]). In diesem Sinne hat sich kürzlich etwa Charles Kupchan geäußert, ehedem Europadirektor im Nationalen Sicherheitsrat unter US-Präsident Barack Obama und heute beim einflussreichen Council on Foreign Relations (CFR) tätig. Auch Kupchan sagt voraus, man könne „nicht davon ausgehen, dass die Unterstützung des Westens auf dem derzeitigen Niveau anhält“.[8] In den USA seien genügend Mittel „wahrscheinlich bis zum Spätsommer“ vorhanden; spätestens 2024 müsse Biden dann jedoch „stärker auf einen Waffenstillstand und eine diplomatische Lösung“ dringen. Dies sei umso mehr der Fall, als die Ukraine beim Versuch, sie „zu retten“, vollständig „zerstört werden“ könne: „Je länger dieser Krieg anhält, desto mehr fügt er dem Land enormen Schaden zu“. „Wenn die Kampfsaison zu Ende geht, wird es eine neue Pattsituation geben“, sagt Kupchan voraus: Spätestens dann müsse der Westen „zu einer diplomatischen Strategie übergehen, die auf einen Waffenstillstand abzielt“.


    Die schwierigsten Gespräche

    Dabei müsse es „das allererste Ziel“ sein, fordert Kupchan, „den Krieg zu beenden und das Töten zu stoppen“. Nötig sei etwa „eine stabile Kontaktlinie, hinter die sich die Truppen zurückziehen“.[9] Man dürfe es auch nach einer Beendigung der Kämpfe „nicht akzeptieren, dass Russland die Kontrolle über einen Teil des [ukrainischen, d.Red.] Territoriums behalten darf“; es gebe „historische Analogien, auch zu Deutschland“: Die Bundesrepublik hat im Kalten Krieg den Anspruch auf das Territorium der DDR tatsächlich niemals preisgegeben. „Schwer“ werde es, Russland zu Verhandlungen zu veranlassen, sagt Kupchan voraus. Auch die Ukraine werde sich dagegen sperren: Selenski strebe „die volle territoriale Souveränität seines Landes und den kompletten Abzug der russischen Streitkräfte an“, und er werde dabei „von 90 Prozent der Bevölkerung unterstützt“. „Die Gespräche mit den Ukrainern“, urteilt Kupchan, „könnten deshalb am schwierigsten werden.“


    Erste Verhandlungen

    Am Samstag haben erste Gespräche in größerem Rahmen begonnen – mit einem Treffen in Kopenhagen, bei dem auf offizielle Einladung der Ukraine die G7-Staaten und fünf Länder des Globalen Südens zusammenkamen, um die Perspektiven einer Friedenslösung für die Ukraine in den Blick zu nehmen. german-foreign-policy.com berichtet am morgigen Mittwoch.

     

    [1] Andy Cerda: More than four-in-ten Republicans now say the U.S. is providing too much aid to Ukraine. pewresearch.org 15.06.2023.

    [2] Pete Shmigel: US Polling and Politics on Ukraine War is Changing. kyivpost.com 19.06.2023.

    [3] Jacek Kucharczyk, Agnieszka Łada-Konefał: Der deutsche und der polnische Blick auf die russische Aggression gegen die Ukraine. Deutsch-polnisches Barometer. Forschungsbericht Juni 2023. Darmstadt 2023.

    [4] Aleksandra Krzysztoszek: Poles less willing to help Ukrainian refugees: poll. euractiv.com 15.06.2023.

    [5] Lubos Palata: Slowakei: Auf dem Weg ins prorussische Lager? dw.com 12.06.2023.

    [6] Jamie Dettmer: Ukraine’s long war and the importance of patience. politico.eu 15.06.2023.

    [7] S. dazu „Untragbare Opfer“, Nach der Offensive und Der Korea-Krieg als Modell.

    [8], [9] Annett Meiritz: „Der Rückhalt des Westens für die Ukraine wird abnehmen“. handelsblatt.com 15.06.2023.


    Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9279


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2023

    Kommunalpolitik Nur AfD ist zufrieden: Parteien, Kirche und Verbände enttäuscht von Sonneberg-Wahl

    mdr.de, Stand: 26. Juni 2023, 06:44 Uhr, von MDR THÜRINGEN

    Während die Thüringer AfD auf weitere Wahlerfolge hofft, sieht die CDU die Gründe für ihr Scheitern bei der Bundesregierung. Die Grünen kritisieren die Sonneberger, die die AfD gewählt haben. Innenminister Maier (SPD) schlägt vor, die AfD viel mehr als bisher bei Sachthemen zu stellen. Bei den Kommunalwahlen 2024 hält der Jenaer Politologe Oppelland ein starkes AfD-Ergebnis für denkbar. Die Jüdische Landesgemeinde weist darauf hin, dass die AfD keine normale demokratische Partei sei.


    Robert Sesselmann ist nach seinem Wahlsieg der erste Landrat der AfD in Deutschland. In Thüringen gibt es darauf unterschiedliche Reaktionen. Bildrechte: IMAGO/Jacob Schröter (Bild)


    Auf dieser Seite:


    Die Reaktionen auf die Wahl des ersten AfD-Landrates in Deutschland im Kreis Sonneberg fallen unterschiedlich aus.


    AfD-Chef Höcke: Sonneberg als "politisches Wetterleuchten"

    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sieht im Wahlsieg des AfD-Politikers Robert Sesselmann den Auftakt für mehr Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen. Höcke sagte am Sonntag bei der AfD-Wahlparty, von Sonneberg gehe ein "politisches Wetterleuchten" aus. Die AfD wolle diesen Schwung mitnehmen für die kommenden Landratswahlen. "Und dann bereiten wir uns für die Landtagswahlen im Osten vor, wo wir dann wirklich ein politisches Erdbeben erzeugen können." Kommendes Jahr werden die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. Zuletzt lag die Thüringer AfD in Umfragen auf Platz eins. Die Thüringer AfD warf den anderen Parteien undemokratisches Handeln.


    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke spricht von einem "politischen Wetterleuchten". Bildrechte: dpa


    CDU: Lösungen gegen Art des Protests aus Berlin finden

    Für die Thüringer CDU erklärt der Thüringer Generalsekretär Christian Herrgott, dass der amtierende Landrat und CDU-Kandidat "Jürgen Köpper als erfahrener und ehrlicher Arbeiter den Landkreis Sonneberg auf Kurs gehalten hätte, statt ihn in eine unsichere Zukunft zu führen." Herrgott fordert nun, dass "jetzt wir alle Lösungen gegen diese Art des Protestes gegen Berlin finden."
     

    Wahlverlierer Jürgen Köpper (links) neben CDU-Generalsekretär Christian Herrgott Bildrechte: MDR/Sina Reeder


    Coburger Nachbar-Landrat: Nicht hilfreich für weitere Zusammenarbeit

    Perspektivisch sei die Wahl eines AfD-Landrates im Sonneberger Landkreis erst einmal nicht hilfreich für die weitere Zusammenarbeit, sagt der Coburger Landrat Sebastian Straubel (CSU) nach der Wahl. Eine Prognose zur weiteren Zusammenarbeit verbiete sich erst einmal für ihn. "Das Ergebnis nehme ich als Landrat des Nachbar-Landkreises zur Kenntnis", erklärt Straubel. Außergewöhnlich sei gewesen, dass bundespolitische Themen eine so große Rolle im Wahlkampf gespielt hätten, jedoch nicht regionale Themen, die die Kommunalpolitik ja ausmachten. Gerade auf regionaler Ebene sei in den vergangenen Jahren viel auf den Weg gebracht worden. Als Beispiel nannte er das "erfolgreiche Tourismusmarketing im Verein Coburg-Rennsteig".

    Ministerpräsident Ramelow: Sonneberger wollten Signal geben Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken sagte angesichts des Wahlsieges des AfD-Landratskandidaten am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt", die Sonneberger hätten sich entschieden, ein Signal zu geben. Auch Ramelow verweist darauf, dass Sesselmann allein mit Themen Wahlkampf gemacht habe, die nichts mit Kommunalpolitik zu tun hätten. Als Wahlbeamter sei es jedoch seine Aufgabe eine Kommunalverwaltung zu führen. Zur gemeinsamen Wahlempfehlung über die Parteigrenzen hinweg, sagte Ramelow, dass er nicht ausschließen könne, das mancher das als Bevormundung empfindet. Der Linken-Politiker erklärt dabei, dass die Landratswahl im Kreis Sonneberg eine demokratische Landratswahl gewesen sei. Ramelow hält es für notwendig, dass die Parteien "die Ostdeutschen mitnehmen, statt über sie zu reden".

    SPD-Innenminister: Sachpolitik statt Geheimdienstbeobachtung Der Ausgang der Landratswahl in Sonneberg zeigt für Thüringens Innenminister und SPD-Chef Georg Maier, dass weder Wahlaufrufe gegen die AfD noch deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz Menschen davon abhielten, diese Partei zu wählen. Konkrete Sachpolitik sei das Mittel, um die AfD zu bekämpfen. Maier appellierte an die rot-rot-grüne Koalition und die CDU in Thüringen, "einen Modus zu finden, um die politische Selbstlähmung des Landtages zu überwinden".

    Wesentlich dabei sei, dass bei allen Plänen zur Bewältigung von Krisen auch eine soziale Abfederung mitgedacht werde - wie etwa beim umstrittenen Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) oder auch, wenn es um das Aus für Verbrenner-Motoren gehe. Wer auf dem Land lebe, habe derzeit oft keine reale Chance, auf seinen Verbrenner zu verzichten und den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, sagt Maier. "Wir haben da wirklich eine Überforderung vieler Menschen gehabt."

    Gleichzeitig kritisierte Maier den Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen, Michael Brychcy (CDU), der sich offen für eine Zusammenarbeit mit AfD-Vertretern auf kommunaler Ebene gezeigt hatte. "Manche haben der AfD ja den Teppich ausgerollt", sagt Maier mit Verweis auf Brychcy. "Was soll das?"

    Für die nächsten Monate erwarte Maier, dass Sesselmann als neuer Landrat versuchen werde, "Sand ins Getriebe zu streuen". An vielen Stellen seien Landräte zwar nur ein ausführendes Organ von politischen Entscheidungen an anderer Stelle. Etwa bei der Jugendpolitik in ihrem Landkreis könnten sie aber durchaus versuchen, zum Beispiel Migranten schlechter zu stellen als Nicht-Migranten.


    Georg Maier (SPD), Thüringer Innenminister, spricht sich für eine neue Strategie im Umgang mit der AfD aus. Bildrechte: dpa

    Grünen-Landeschef: "Bewusst für 'rechtsextremes' Original entschieden"

    Obwohl sich die Wahl von Sesselmann als neuer Landrates im Kreis Sonneberg abgezeichnet habe, "lässt mich das Ergebnis fassungslos zurück", sagt Ann-Sophie Bohm, eine der beiden Landesvorsitzenden der Grünen in Thüringen. Die Mehrheit der Wähler im Kreis Sonneberg hätte damit das Amt des Landrates "in die Hände einer Partei gelegt, deren politische Agenda die gesellschaftliche Spaltung ist", erklärt sie weiter.

    Der Grünen-Co-Vorsitzende Max Reschke erklärt, dass "wir uns trotz aller inhaltlichen Differenzen hinter den CDU-Kandidaten gestellt" hätten, doch dies habe nicht gereicht. Teile der Bevölkerung im Kreis Sonneberg hätten sich "bewusst für das 'rechtsextreme' Original entschieden". Der AfD-Kandidat Sesselmann habe keinen einzigen praktikablen Vorschlag für die Lösung der Probleme des Landkreises. Bedenklich sei stattdessen, dass er nur mit dem Schüren von Stimmungen und Ängsten so viel Zuspruch erfahren habe.

    FDP-Chef Kemmerich: Kein politisches Konzept erkennbar

    Thomas Kemmerich als Vorsitzender der FDP im Thüringer Landtag erklärte, dass "niemand in Thüringen ein politisches Amt übernehmen sollte, der kein erkennbar positives Konzept für die Zukunft unseres Landes hat." Es müssten gute Lösungen für Probleme gefunden werden, "deren Bestehen für den Höhenflug extremer Kräfte sorgt."

    Die Jungen Liberalen, die FDP-Nachwuchsorganisation, äußern sich deutlicher als Kemmerich. Sie blicken in einer Stellungnahme mit höchster Sorge auf das Wahlergebnis: Demokratische Grundwerte und friedliches Miteinander seien in Gefahr. Landesvorsitzender Christopher Hubrich sieht die AfD "nicht nur als eine politische Gefahr, sondern auch als ökonomischen Albtraum für Ostdeutschland." Jede Stimme für die AfD sei ein direkter Angriff auf den Zusammenhalt und setze die wirtschaftliche Zukunft der Region aufs Spiel.

    Politikwissenschaftler: Starke Ergebnisse für AfD auch kommendes Jahr möglich

    Der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland hält auch bei den Thüringer Kommunalwahlen im kommenden Jahr ein starkes AfD-Ergebnis für möglich. Ganz auszuschließen sei das nicht, sagte Oppelland nach der Landratswahl in Sonneberg MDR THÜRINGEN. Die etablierten Parteien hätten das Signal aus Sonneberg sicher verstanden, könnten ihre Politik aber auch nicht komplett ändern.

    Die Probleme blieben für alle bestehen, die Wähler müssten mitgenommen werden. Das sei vor allem bei den großen bundespolitischen Themen wichtig, die auf regionaler Ebene für Wellen schlagen. Neben dem Heizungsgesetz sei das die Frage der medizinischen Versorgung, sagte Oppelland mit Verweis auf das Krankenhausgesetz, das derzeit diskutiert wird.


    Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland Bildrechte: dpa

    Oppelland sagte, auf kommunaler Ebene müsse man mit der AfD in irgendeiner Weise zusammenarbeiten, eine reine Blockade und Verweigerung im Kreistag sei "sicher nicht sinnvoll". Das bedeute aber keine politische Zusammenarbeit. Das Prinzip der etablierten Parteien, politische Bündnisse mit der AfD zu verweigern, könne man aufrechterhalten, so der Politologe.

    Evangelische Bischöfin: Sonneberger nach Wahl nicht in politische Ecke stellen Die Regionalbischöfin Friederike Spengler von der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland hat nach eigenen Angaben bis zum Schluss gehofft, dass es ein anderes Wahlergebnis gibt. "Aber es gehört zur Demokratie, dass Wahlergebnis anzuerkennen. Das muss ich akzeptieren", sagt die für Südthüringen zuständige evangelische Bischöfin MDR THÜRINGEN. Sie verweist darauf, dass laut Studien drei Viertel der Menschen die AfD aus Protest gewählt hätten. Sie warnt zugleich davor, die Sonneberger in eine politische Ecke zu stellen. Die Menschen hätten eine Art Wut gespürt, ein Gefühl, dass sie nicht mehr gehört würden und nicht mehr an demokratischen Prozessen beteiligt seien. "Weitere Sonntagsreden helfen da nicht". Stattdessen werde ein öffentlicher Diskurs benötigt, vor allem muss man sich "gegenseitig ausreden lassen." Das einzig Gute an dem Wahlabend sei die hohe Wahlbeteiligung gewesen, sagt Spengler, die zuvor auch einen Aufruf, zur Wahl zu gehen, mitgetragen hatte.

    Jüdische Landesgemeinde: Erschreckendes Ergebnis

    Den Vorsitzenden der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, macht das Wahlergebnis "zutiefst traurig". Die Wahl des AfD-Landrates sei für ihn erschreckend, sagte er MDR THÜRINGEN. Wer in Thüringen die AfD mit einem Björn Höcke an der Spitze wähle, weiß, wem er die Stimme gebe. "Wo soll das noch hinführen?", fragte er mit Blick darauf, dass der Nationalsozialismus und dessen Verbrechen relativiert würden. Die AfD sei keine normale demokratische Partei. Er habe Angst davor, was noch kommen könnte, sagte Schramm. "Demokratische Parteien und Organisationen sind nun aufgefordert, die Stärken der Demokratie zu vermitteln", sagt er weiter.


    Reinhard Schramm von der Jüdischen Landesgemeinde hat Angst davor, was nach dem AfD-Sieg in Sonneberg noch kommen könnte. Bildrechte: dpa

    Stiftung Gedenkstätten: Ausgang der Landratswahl ist "Schande"

    Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hat den Ausgang der Landratswahl als "Schande" bezeichnet. Zwar seien nicht alle, die bei dieser Wahl für den AfD-Kandidaten Robert Sesselmann gestimmt hätten, Rechtsextreme und Rassisten, schrieb Wagner auf Twitter. Aber jeder AfD-Wähler habe "wissentlich für eine Partei gestimmt, zu deren Kern Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit gehören".

    DGB begrüßt gemeinsamen Wahlaufruf

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund Hessen Thüringen (DGB) sieht es als wichtiges Zeichen an, dass vor der Stichwahl alle demokratischen Parteien "an einem Strang gezogen haben". Jetzt müsse dafür gesorgt werden, "dass zwischen den demokratischen Fraktionen kein politischer Stillstand entsteht", sagt Michael Rudolph als Vorsitzender der Gewerkschaft. Das Prinzip der Spaltung und der Ausgrenzung dürfe nicht die Oberhand in der Politik gewinnen. Der DGB forderte, dass im Sonneberger Kreistag die demokratischen Fraktionen daran arbeiten, eine soziale und inklusive Politik voranzutreiben.

    CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt warnen vor Radikalisierung

    Auch in Sachsen-Anhalt gab es Reaktionen auf die Wahl in Südthüringen. So zeigte sich der Vorsitzende des Landkreistages von Sachsen-Anhalt, Götz Ulrich (CDU), beunruhigt. Ulrich sagte dem MDR am Montag, man sehe eine ähnliche Entwicklung mindestens in Mitteldeutschland, wahrscheinlich auch in ganz Ostdeutschland. Das mache ihm Sorge.

    Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich betroffen. Haseloff warnte einerseits vor zu schnellen Bewertungen. Andererseits müsse man sich angesichts der Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent fragen, was jetzt im gesamten politischen Bereich zu diskutieren und auch zu besprechen sei: "Dafür müssen wir uns jetzt auch wirklich die Zeit nehmen in den nächsten Tagen und Wochen, darüber im demokratischen Spektrum auch eine klare Vereinbarung zu treffen, dass wir diesen radikalen Tendenzen entsprechend auch entgegenwirken können."

    Hinweis aus der Redaktion: User-Kommentare sind unter diesem Beitrag zur Wahl in Sonneberg möglich.


    Info: (https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/landrat-afd-sesselmann-reaktionen-100.html#sprung1)




    Weiteres:




    Reaktionen auf AfD-Sieg : Schuld sind vor allem die Anderen


     
    faz.net, Aktualisiert am 26.06.2023-21:42, Von Eckart Lohse, Berlin


    AfD in Feierstimmung: Wahlsieger Robert Sesselmann zwischen Landeschef Björn Höcke und Bundeschef Tino Chrupalla Bild: Robert Gommlich (Bild)


    Wer ist verantwortlich für die Wahl Robert Sesselmanns zum Landrat? Die Union gibt der Ampel die Schuld, die Grünen machen der CDU Vorwürfe. Und die Linke teilt in beide Richtungen aus.


    Die Linkspartei hat ihre Beinfreiheit am Montag ausgiebig genutzt. Da sie weder Mitglied der Ampelkoalition ist noch Rücksicht auf die CDU nehmen muss, hat sie gleich zwei Schuldige benannt dafür, dass im thüringischen Sonneberg am Sonntag erstmals in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt worden ist. „Zuallererst“ habe es eine „sehr große Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung“ gegeben, sagte der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan im ZDF. Als Beispiel nannte er das Gebäudeenergiegesetz, das die Ampel gerade in einem zweiten parlamentarischen Anlauf fertigzustellen versucht.


    Eckart Lohse Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin. (Bild)


    Zudem gebe es aber ein „Riesenproblem“ mit dem Verhalten von CDU und CSU „und auch der FDP teilweise“, weil diese der „AfD den roten Teppich manchmal ausrollen“. Nämlich, so fuhr Schirdewan fort, indem sie „ihre Sprüche übernehmen, indem sie ihre Politik übernehmen, beim Klimawandel zum Beispiel, bei der Migrationspolitik oder auch in Fragen gendergerechter Sprache“.

    Damit waren so viele Gründe und Verantwortliche für die Entscheidung der Wähler in Sonneberg genannt, dass der Erkenntnisgewinn gering blieb. Warum die vor allem im Osten verankerte Partei Die Linke es nicht geschafft hat, den enormen Zulauf zur AfD zu verhindern, wurde jedenfalls nicht beantwortet.


    SPD zeigt zumindest Spuren von Selbstkritik

    Überraschender äußerte sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Sie teilte nicht nur gegen die Konkurrenz aus, sondern ließ zumindest Spuren von Selbstkritik erkennen. Die Politik der Ampel sei in letzter Zeit „nicht nur schlecht erklärt, sondern auch schlecht organisiert“ gewesen. Allerdings ließ Esken auch die Union nicht ungeschoren davonkommen und forderte sie auf, zu einer „konstruktiven Oppositionspolitik zurückzukehren“. Die SPD-Chefin bestritt, dass es sich bei der Wahl des AfD-Landrats um „eine reine Ostproblematik“ handele.


    Die Union verortete die Verantwortung für die Wahl Robert Sesselmanns vor allem bei der Ampel. „In Sonneberg hat die beispiellose Unzufriedenheit mit der Bundespolitik sich ein Ventil gesucht und gefunden“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der F.A.Z. Mit Blick auf das Bemühen der anderen Parteien, gemeinsam die Wahl des AfD-Bewerbers zu verhindern, äußerte er, auch ein „aus der Not geborener kurzfristiger überparteilicher Schulterschluss“ habe die Auswirkungen der Unzufriedenheit nicht mehr eindämmen können und eher eine Abwehrreaktion hervorgerufen. Wer bislang geglaubt habe, „der Wähler werde es schon nicht wagen, ist spätestens am Sonntagabend unsanft von der Realität eingeholt worden“.


    Als Rezept empfahl Frei, die unterschiedlichen politischen Konzepte und Alternativen „klar konturiert“ herauszuarbeiten. Nur so werde man der AfD erfolgreich begegnen können. „Es wäre falsch, bestimmte Themen nicht anzusprechen, nur weil sie auch von der AfD thematisiert werden.“ Die Politik müsse „von den Bürgern her denken und überzeugende Lösungen für die Herausforderungen anbieten, die sich aus ihrer Sicht stellen“, äußerte Frei.


    „Die Bundesregierung spaltet das Land“

    Ähnlich eindeutig wie er wies auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja die Verantwortung für den Wahlausgang der Ampelkoalition zu. Die AfD habe im Wahlkampf in Sonneberg viele bundespolitische Themen bearbeitet, sagte Czaja dem Fernsehsender Phoenix. „Die Bundesregierung spaltet das Land. Sie hat zu viele Themen und Vorschläge, die im Land nicht auf Konsens stoßen.“

    Nur selten führte die Suche nach den Ursachen des AfD-Sieges am Tag danach weiter als bis zum kurzatmigen Parteienstreit. Für einen Moment ließ Czaja den Blick auf die Vorgänge etwas grundsätzlicher werden. In Ostdeutschland würden bundespolitische Themen schon immer eine große Rolle spielen, sagte der CDU-Generalsekretär, der zumindest insofern aus Erfahrung sprechen kann, als er die DDR noch als Jugendlicher erlebt hat. Die Menschen dort hätten bereits mehr Veränderung erlebt als die Bürger in den westlichen Bundesländern. Dieser Veränderungsdruck führe dazu, dass es im Osten ein besonderes Augenmerk dafür gebe, ob in Berlin alles gerecht zugehe und Maß und Mitte gewahrt würden.

    Die zu den Grünen gehörende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die wie Czaja in der DDR aufwuchs, schaltete im „Tagesspiegel“ auf Parteienkampf. Wenn Teile der Union „einen Kulturkampf“ ausriefen, müsse man sich nicht wundern, wenn dieser Kampf „von rechts“ angenommen werde.

    Quelle: F.A.Z.


    Info: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/reaktionen-auf-afd-sieg-schuld-sind-vor-allem-die-anderen-18991860.html

    26.06.2023

    Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich dann ungeniert?

    gruene-linke.de, Jun 09 2023



    Zut Krise der Grünen:

    HIER als PDF zum Runterladen.

    https://gruene-linke.de/wp-content/uploads/2023/06/Gruene-Krise_UGL_07062023.pdf


    1. Bestandsaufnahme der grünen Ampel-Politik

    Schon früh gab es den Streit um die Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke. Der Streckbetrieb hat sich energiepolitisch als sinnlos, für die Steuerzahler*innen als teuer und fürs Klima als wirkungslos erwiesen. Dennoch verlangt die FDP unbeirrt von den Fakten den unbegrenzten Weiterbetrieb. Die notwendige Steuererhöhung für Reiche, etwa durch eine Reform der Erbschaftssteuer bzw. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, lehnt die FDP ab. Sie klebt an der Schuldenbremse, während sie zugleich an Steuerschlupflöchern und klimaschädlichen Subventionen in Höhe von
    ca. 65 Milliarden Euro (Quelle: Umweltbundesamt) festhält. Indem die FDP sowohl den sozialen Ausgleich durch das von den Grünen geforderte Klimageld als auch die sozialökologische Transformation für verzichtbar erklärt, agiert sie als parlamentarischer Arm neoliberaler und fossiler Profitinteressen.

    Erneuerbare Energien werden auf diese Weise ebenso ausgebremst wie die CO2-Reduktionsziele. Die faktische Abschaffung der Sektorenziele als Rückgrat der Klimaschutzarchitektur im Sinne von FDP-Verkehrsminister Volker Wissing bedeutet einen Rechtsbruch der Regierung. Ein Tempolimit, welches erwiesenermaßen einen deutlichen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten könnte und in ganz Europa bereits Realität ist, wird weiterhin abgelehnt.

    Mit dem Knüppel der „Verzichts- und Verbotsideologie“ (à la Veggie-Day) gegen die Grünen werden Ausstiegsdaten aus der Verbrenner-Technologie bei Autos und Heizungen bekämpft. Die FDP setzt ausschließlich auf ihre neoliberale Steinzeit-Marktideologie, die in der Klimapolitik längst gescheitert ist. Diese dient ihr jedoch weiterhin dazu, die Interessen der Wohlhabenden durchzusetzen nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut!“


    1. Das Ampel-Gehampel führt zur Stärkung des rechten Randes

    In der Ampelkoalition verhindert die FDP praktisch jedes Vorhaben der Grünen. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt sich gelassen zurück und überlässt den Streitparteien Grüne und FDP das Feld. „Führung bestellt“ – aber „geliefert“ wird nicht! Insgeheim herrscht wohl Schadenfreude darüber, dass die Konkurrenz bei Wahlen und Umfragen stark nachlässt. Die Grünen haben ihre Regierungsbeteiligung in Berlin und bei den Wahlen in Bremen 5,5 Prozentpunkte (= 32 Prozent ihrer Stimmen!) verloren.

    Mit drastischen Wahlverlusten muss auch bei den nächsten Landtagswahlen in Hessen und Bayern sowie bei der Europawahl gerechnet werden. Mittlerweile liegt die AfD bei den Wahlumfragen vor den Grünen und gleichauf mit der SPD auf Platz zwei. Die machttaktischen „Spielchen“ der FDP, der Streit in der Ampelkoalition und ihre Unfähigkeit, die drängenden Zukunftsfragen zu lösen, führen zu Demokratieverdrossenheit und zur Stärkung der AfD.


    1. Der grüne Bundesvorstand fällt als Korrektiv aus!

    Der grüne Bundesvorstand und die Fraktion (teilweise in Personalunion) schauen diesem Treiben in der Ampel tatenlos zu. Eigene Fehler von grünen Regierungsverantwortlichen werden schöngeredet. Es geht allein darum, unseren Minister*innen den Rücken freizuhalten, anstatt klare Kante zu zeigen und die Parteilinie bzw. unsere Parteibeschlüsse zu vertreten. Intern bemüht sich der Bundesvorstand, parteiinterne Kritiker*innen an den Rand zu drängen oder sie mit anderen zweifelhaften Methoden ruhigzustellen. Ursache für den Bedeutungsverlust der Grünen ist der seit Jahren betriebene Prozess, grüne Grundwerte wie Gewaltfreiheit, Ökologie, soziale Politik und Basisdemokratie zu entschärfen bzw. zu schreddern, damit die Partei stromlinienförmig in jede Regierungskoalition eintreten kann.

    Die Folge davon kann mit einem Spruch aus dem Plattdeutschen gut beschrieben werden: „Wör sög för`n Pannekauken utgift, dei wet ok dorfür upeiten!“ Für Menschen, die des Plattdeutschen nicht so mächtig sind, hier die Übersetzung: „Wer sich für einen Pfannkuchen ausgibt, der wird auch als solcher aufgegessen!“ Dieser Spruch fasst die aktuelle Lage der Grünen zusammen, die FDP hat rote Linien und benennt diese auch klar, die Grünen haben keine und sind zum Bettvorleger und Fußabtreter der FDP geworden.


    1. Konfrontation statt Klimaschutz

    Der Koalitionsvertrag und die Besetzung der Ministerien ließ hoffen, dass die deutsche Politik sich auf die nahende Klimakatastrophe konzentriert. Die praktische Politik der Grünen sah dann anders aus. Nicht die internationale Kooperation zum Kampf gegen den Klimawandel stand im Vordergrund, sondern die sich verschärfende Konfrontation mit Russland und China, wovor wir als Unabhängige Grüne Linke seit Jahren warnen. Anstatt diplomatische Initiativen zur friedlichen Konfliktlösung in der Ukraine zu unterstützen, setzten Grüne ganz auf Sanktionen und – nach dem Angriffskrieg der russischen Armee – die Lieferung von immer mehr und schweren Waffen sowie die weitere Aufrüstung der NATO.

    Eine Folge der Sanktionspolitik war, dass Russland kein Erdgas mehr lieferte. Um schnell Ersatz zu beschaffen, hat unsere Partei (zu!) viele faule Kompromisse in der Ampel vereinbart, wie den umweltschädlichen Bau von LNG-Terminals für umweltschädliches Fracking-Gas, Kohleimporte aus Kolumbien oder längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.

    Weitere drastische Herausforderungen warten politisch auf uns: Wirtschaftliche Rezession und Inflation, humanitäre Hilfe für alle, die vor Krieg, Gewalt, Armut oder aufgrund zerstörter natürlicher Lebensgrundlagen fliehen müssen, Armut, Fachkräftemangel, Wohnungsnotstand, fehlende Kitaplätze, verfehlte Bildungspolitik etc.


    1. Was tun?

    Die Grünen müssen sich endlich wieder an ihre gewaltfreien und ökologischen Wurzeln erinnern und in der Ampel klar definierte rote Linien aufgrund der gültigen Beschlusslage und des Koalitionsvertrages ziehen, sonst wird der dramatische Niedergang bei den Wahlen und Umfragen weitergehen. Die von uns als Unabhängige Grüne Linke (UGL) immer kritisierte Frage der Kanzlerkandidatur hat sich damit jedenfalls erledigt.

    Zur Bewältigung der Krise ist eine antizyklische Krisenpolitik und der von den Grünen geforderte Green New Deal erforderlich. Die FDP will das Gegenteil durchsetzen, eine neoliberale Spar- und Austeritätspolitik, die bereits z. B. in der Weimarer Republik und während der Euro-Krise gescheitert ist. Nur wenn unsere Minister*innen und der Bundesvorstand bereit sind, auch die weitere Regierungsbeteiligung in Frage zu stellen, werden grüne Anliegen in der Ampel Resonanz finden. Jedes andere Verhalten ist blauäugig und führt weiter in den grünen Abgrund!

    Sinnvoll wäre dazu eine zeitnahe Sonder-BDK, die eine Bestandsaufnahme und kritische Reflexion unserer bisherigen Regierungsverantwortung, eine schonungslose Aufarbeitung der eigenen Fehler (z. B. Trauzeugen und weitere Affären in Habecks Ministerium, Fehler bei der Ausformulierung, Kommunikation und Umsetzung beim Gebäudeenergiegesetz/GEG) und die Festlegung klarer roter Linien für die Fortführung der Ampelkoalition beinhalten muss. Geschieht dies nicht werden die Grünen weiterhin in der Ampel-Koalition untergehen, sich von einem faulen Kompromiss zum nächsten faulen Kompromiss hangeln und ihr Gesicht verlieren. Das Durchsetzen grüner Politik nach den nächsten Wahlen können wir dann zu den Akten legen.


    Unabhängige Grüne Linke (UGL)

    v.i.S.d.P.: Klemens Griesehop für das Orga-Team der UGL: www.gruene-linke.de


    Info: https://gruene-linke.de/2023/06/09/ist-der-ruf-erst-ruiniert-lebt-es-sich-dann-ungeniert


    unser Kommentar: Auch gegenwärtig scheint sich hierbei und auch sonst noch kein Aufarbeitungsbedarf in Sachen Unterstützung des verheerenden Natoosterweiterungsmilitarismus abzuzeichnen.


    unser weiterer Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2023

    Ein Erdbeben – (demokratisch) ausgerechnet im Landkreis Sonneberg?

    freeassange.rtde.life, 26 Juni 2023 20:25 Uhr,Von Dagmar Henn

    Einige Thüringer haben es also tatsächlich gewagt, sich einen Landrat von der AfD zu wählen. Und das wird zu einem großen Skandal stilisiert, obwohl jeder weiß, dass damit eigentlich weit mehr vor allem gegen die anderen Parteien als ausgerechnet für die AfD gestimmt haben. Aber wird dieses gefühlt "seismische" Beben zu Veränderungen führen?


    Quelle: www.globallookpress.com © Martin Schutt


    (Bild)


    Jetzt geben sie sich also eine Runde lang bußfertig, nachdem der AfD-Kandidat Robert Sesselmann zum Landrat des Landkreises Sonneberg in Thüringen gewählt wurde. Ein leuchtendes Beispiel dafür liefert der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow, der es eigentlich als Politiker der Linken selbst lange genug mit der "Einheit der Demokraten" zu tun hatte: "Ich glaube, wir müssen den Geist der deutschen Einheit neu definieren, dass wir die Ostdeutschen mitnehmen und nicht das Gefühl auslösen, dass über sie gelacht oder über sie nur geredet wird."


    Diese Antwort birgt in sich allerdings bereits einen Teil des Problems – Ramelow fällt es nicht einmal auf, dass er mit dieser "landesväterlichen" Äußerung selbst eben der Westdeutsche bleibt, der auf die Ostdeutschen herabblickt, und zwar sogar im höchsten Amt als Vertreter für die Einwohner eines ostdeutschen Bundeslandes. Allein die Tatsache, dass er ganz automatisch in diesem "wir" denkt, das eben nur die Alt-Bundesdeutschen meint und gleichzeitig die Neu-Bundesdeutschen als eine Gruppe kennzeichnet, die man "mitnehmen", also gewissermaßen pädagogisch betreuen müsse, sagt genug. Denn wer "mitgenommen" wird, sitzt eben nicht am Steuer, nicht einmal im eigenen Bundesland.


    Ein "Wahlbeben" sei das, ein "Schlag in die Magengrube", ein "harter Schlag gegen die demokratische Mitte", heißt es überwiegend in der Presse. Positiv hervor sticht eigentlich nur der Cicero, der auch zwei Kommentare liefert, die zumindest ernsthafte Nachdenklichkeit erkennen lassen. Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer, nach mittlerweile vielen Jahren, in denen jeder "Abweichler" – sei es in der Frage Corona, sei es in der bedingungslosen NATO-Hörigkeit, sei es in der katastrophalen "Klimapolitik" – nach Strich und Faden beschimpft und ausgegrenzt wurde, wollte man irgendwie signalisieren, auch nur an einem Punkt nicht einverstanden zu sein. Und das von einer angeblichen "Einigkeit der Demokraten", die Die Linke nun doch bereits kooptiert hatte und eben nur noch eine einzige Partei als "Bösewicht" per definitionem übrig ließ.

    Ein "schwarzer Tag für unsere Demokratie" sei das, behauptet Omid Nouripour, Co-Vorsitzender bei den Grünen. Man könnte behaupten, dann sei ja alles normal, da sich zuletzt nur noch schwarze Tage aneinanderreihten. Außer natürlich, man verklärt den Fanatismus, mit dem sich nahezu der gesamte Bundestag in die militärische Unterstützung der Ukraine stürzt und zugleich jede wirklich demokratische Diskussion zu dieser in der Gesellschaft heißdiskutierten und entscheidenden Frage über Krieg und Frieden mit dem Totschlagargument angeblicher "russischer Propaganda" verhindert, zu einem Gipfelpunkt der demokratischen Kultur.


    Ganz zu schweigen davon, wenn ausgerechnet Ricarda Lang als die andere "Hälfte" des Grünen-Vorstands erklärt, die AfD habe gar "kein Interesse daran, dass es dem Land gut geht". Das ist schon eine ganz besondere Art von schwarzem "Humor" von jenen, die es auch noch toll finden, dass die ihnen ohnehin verhassten Pipelines Nord Stream außer Gefecht gesetzt wurden.

    Aber es geht hier "nur" um einen Landrat. "Der siegreiche Kandidat", monierte der Focus, "bestritt seinen Wahlkampf mit Themen, mit denen ein Landrat nichts oder fast nichts zu tun hat:" Nun, Gleiches gilt allerdings auch für die verschworene "Einheit der Demokraten", die sich gegen ihn gebildet hatte. Diesen Wahlkampf um einen Landratsposten für einen Landkreis mit nur 54.000 Einwohnern zu einem bundespolitischen Schlachtfeld zu erheben, müsste man demzufolge wohl beiden Seiten vorwerfen. Und das ganze Spektakel, das um ein gewähltes Verwaltungsoberhaupt in den unteren Rängen gemacht wurde, hat letztlich dazu geführt, dass aus einer Wahlbeteiligung von ehedem knapp über 30 Prozent eine von fast 60 Prozent wurde. Ein Teil des Empfindens von Erschütterung innerhalb der "Einheit der Demokraten" dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sie von einem gewissen Wählerpotential für sich unter den Nichtwählern ausgingen, das man nur mobilisieren müsse. Doch nun mussten sie feststellen, dass auch die noch mobilisierbaren Nichtwähler eher gegen sie gestimmt haben.


    Das erweist sich natürlich als ein künftiges taktisches Problem. Schließlich bestand die Gegenreaktion auf die AfD bisher schlicht darin, das "Nazi, Nazi"-Geschrei noch ein bisschen lauter aufzudrehen – ungeachtet der Tatsache, dass jemand, der gerne deutsche Panzer gegen Russland rollen sieht, den verbrecherischen historischen Nazis weit näher steht als jemand, der etwa nur nicht immer weiter Flüchtlinge aufnehmen will.


    Wenn ein zunehmender Teil der Deutschen auf die Warnung vor "Rrrächts" nicht mehr reagiert, hat das durchaus auch damit zu tun, dass an vielen Punkten die herrschende Politik der Einheitsparteien – nämlich nach klassischen Kriterien, wessen Interessen sich ausdrücken dürfen und wessen Interessen umgesetzt werden, wer Rechte hat und wer nicht – selbst bereits so weit "rechts" angesiedelt ist, dass die Verwendung dieses Begriffs "rechts" in der deutschen Gegenwart eigentlich schon völlig absurd ist. Das gilt nicht nur im Zusammenhang mit Panzerlieferungen, sondern auch im Umgang mit demokratischen Rechten für alle, mit der Meinungsfreiheit, bei der Verwischung der Grenze zwischen Wort und Tat im Rechtssystem und angesichts der weitgehenden Gleichschaltung der Medien.


    Es hat schon einen besonderen Charme, wenn wie in der Berliner Zeitung vielerorts darauf hingewiesen wird, dass sich ein Landrat "mehr um Straßen, Schulen und die Abfallentsorgung kümmern sollte und weniger um Kriegsgeschehen, Grenzschutz oder Energiepolitik". Wenn man nur daran denkt, wie auf allen politischen Ebenen die "Solidarität mit der Ukraine" nicht nur gepredigt, sondern unter völliger Missachtung demokratischer und sonst dafür üblicher Regeln auch noch öffentliche Gebäude beflaggt wurden, als lebe man überhaupt nicht mehr in Deutschland, sondern irgendwo bei Lwow. Oder auch als anderes Beispiel, wie auf jeder politischen Ebene das Lied vom Klimaschutz gesungen wird. Auch das ist schließlich ein Grund für das grundlegende Unbehagen, dass nämlich die konkreten Alltagsprobleme von "Otto Normalverbraucher" in diesem Wertegewoge ohnehin keine Rolle spielen. Oder wie Außenministerin Annalena Baerbock das mal kurz und klar verständlich ausdrückte: "Es ist mir egal, was meine Wähler denken."


    In einem anderen Artikel fasste die Berliner Zeitung das Dilemma sogar selbst zusammen: "Wer mit der Politik der Ampel und der sonstigen Opposition grundlegend unzufrieden ist, kann ihnen an der Wahlurne oder beim Anruf eines Umfrageinstituts nur so einen echten Denkzettel verpassen. Eine Stimme für die Union oder die Linken empört niemanden." Das hat im echten Leben schlicht damit zu tun, dass beide Fraktionen bei so vielen Fragen mittlerweile schlicht die gleiche Politik verfolgen wie diese "Ampel".


    Aber was wird letztlich daraus folgern? Logisch: erst einmal wird der Lautsprecher noch weiter aufgedreht. Das zeigt sich schon daran, dass die Tagesschau sogleich Charlotte Knobloch in Stellung brachte, um die "Nazi, Nazi"-Version zu bekräftigen. Der Cicero-Kommentar von Mathias Brodkorb, des ehemaligen SPD-Finanzministers von Mecklenburg-Vorpommern, erklärt zumindest die bisherige Strategie für gescheitert und fordert "die Rückkehr zu einer der Demokratie angemessen politischen Kultur, die auf sachliche Argumente und überzeugende Politik setzt".

    Man kann allerdings nie ausschließen, dass es geradezu beabsichtigt ist, möglichst alle Menschen, denen die gegenwärtig herrschende deutsche Politik schwer im Magen liegt, der AfD zuzutreiben. Die Linke hat sich schließlich auch ihr oppositionelles Potential in jahrelanger Arbeit austreiben lassen. Weder die bundesdeutsche Medienlandschaft noch die einzig "demokratischen" Parteien erwecken den Eindruck, als würden sie demnächst gern eine Wagenknecht-Partei begrüßen, ganz zu schweigen von der Bildung anderer politischer Strukturen, die ebenso den Kotau vor dem Mantra vom "russischen Angriffskrieg" unterlassen.


    Überhaupt stelle man sich einmal die Konsequenzen vor, wenn im Deutschen Bundestag eine Verurteilung der regierungsoffiziellen Corona-Maßnahmen oder eine wohlbegründete Ablehnung der NATO-Politik als eine ganz normale, demokratisch legitimierte politische Sicht ausgesprochen werden dürfte. Darum handelt es sich nämlich in letzter Konsequenz, aber es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn das jemals eingestanden würde. Deshalb kursiert ja auch bereits die andere Variante – die Idee zumindest wurde bereits lanciert, ausgerechnet von Bundesinnenministerin Nancy Faeser –, mit Hilfe eines AfD-Verbots auch noch das letzte Loch zu stopfen, durch das ein Stück Wirklichkeit in das Machtgefüge eindringen kann. Wie das Beispiel Moldawien zeigt, darf man den Versuch sogar gegen mögliche Mehrheitsparteien wagen.


    Das wäre natürlich vom jetzt erreichten Punkt aus einfacher und auf den ersten Blick weit weniger anstrengend und gesichtswahrend, als mit einem Ende des bisherigen "Haß-und-Hetze-Nazi-Nazi"-Geschreis die Bundesrepublik wenigstens etwas zu redemokratisieren. Und ein Verbot kurzerhand würde jedes Risiko vermeiden, dass die Deutschen sich irgendwie doch noch zur Wehr setzen, während der "Große Bruder" ihnen weiterhin das Fell über die Ohren ziehen will und zieht. Diese Bundesregierung hat am Beispiel von Nord Stream klar gezeigt, dass sie sich nicht dem Wohl und Willen der Wähler hierzulande, sondern vor allem dessen Interessen verpflichtet fühlt.


    Aber ganz so einfach ist das "leider" gar nicht. Das Parteiverbot, das in der Alt-Bundesrepublik im Jahre 1956 gegen die KPD ausgesprochen wurde, zielte vor allem darauf, die unliebsamen Stimmen gegen die Wiederbewaffnung der BRD einzuschüchtern. Und das Verbot war vor allem deshalb durchsetzbar, weil erst kurz zuvor noch unter den Nazis große Teile der linken Mitgliedschaft schlicht ermordet worden waren, und danach (trotz eines strikten innerparteilichen Verbots) weitere Teile mit dieser Gesinnung lieber in die DDR gingen, als sich der Verfolgung durch Adenauer auszusetzen. Eine Partei verbieten zu wollen, die in ähnlich grundlegenden Fragen wie der damaligen – dennoch von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten – Wiederbewaffnung abweicht, aber nicht nur ein Fünftel der Wählerschaft anzieht und außerdem noch über geographisch zusammenhängende Hochburgen verfügt, ist nicht so einfach. Die Umsetzung würde wohl bereits an den Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden scheitern.


    Nein, vermutlich wird man demnächst schlicht den Landkreis Sonneberg von der Landkarte jeglicher positiver Berichterstattung streichen, außer man kann dabei mit einer Runde "Nazi, Nazi"-Geschrei nachlegen. Und ansonsten wird weitergemacht wie bisher, mit der gleichen Arroganz, der gleichen Verachtung für den annektierten Teil Deutschlands und der gleichen NATO-Hörigkeit, dem "Großen Bruder" zuliebe. Währenddessen wird man den Rahmen des Sagbaren immer enger ziehen. Bei Bedarf zaubert man einen neuen Rollator-Putsch aus der Trickkiste und setzt darauf, einzelne Personen durch Rufmord unmöglich zu machen.


    Aber ist eine Rückkehr zu halbwegs normalen demokratischen Verhältnissen denkbar? Das wird nicht passieren, denn dafür gibt es zu viele zentrale politische Projekte, die schlichtweg gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit gerichtet sind: vom Krieg in der Ukraine über die Deindustrialisierung bis hin zu den Heizungsvorgaben. Diese Mehrheit dagegen darf sich nicht sammeln, nicht artikulieren und vor allem nicht durchsetzen.


    Allerdings gibt es ja noch die Meloni-Variante: Einen Wahlkampf zu führen, der den Eindruck erweckt, man sei gegen EU und NATO, und dann – endlich an der Macht – auch dort wieder schlicht das Gegenteil tun. Das ist der Punkt, in dem der Blick aller Enttäuschten und aller Sympathisanten auf die AfD vor allem kritisch bleiben sollte. Mit dem Amt eines demokratisch gewählten Landrats in Thüringen hat das allerdings wirklich nichts zu tun.


    Mehr zum Thema - Unter Vormundschaft – Wie deutsche Politiker im Einvernehmen mit den USA das eigene Land ruinieren


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    26.06.2023

    Der Bodensatz des bewaffneten Prigoschin-Aufstandes

    seniora.org, 26. Juni 2023, Von Gilbert Doctorow 26.06.2023 - übernommen von gilbertdoctorow.comDie Analyse des bewaffneten Aufstandes von Prigoschin innerhalb und außerhalb Russlands hat gerade erst begonnen.


    Ohne mein Zutun kennen die Konsumenten der westlichen Mainstream-Medien die offizielle Interpretation sehr gut, die wie immer aus Washington kommt und von unseren Journalisten als ihre eigene Originalberichterstattung wiedergegeben wird: wie die Prigoschin-Affäre die Zerbrechlichkeit von Diktaturen demonstriert, wie sie die wahre Schwäche des Putin-Regimes zeigt, und so weiter und so fort.

    Ich möchte hier einen kleinen Einblick in das geben, was in der russischen Öffentlichkeit derzeit gesagt wird. Ich sage "einen Einblick", weil die Vielfalt der Ansichten in Russland fast so groß ist wie das Land selbst und nur unsere ignoranten und bigotten Meinungsmacher im Westen dies übersehen.

    Die Diskussion über die Prigoschin-Meuterei in der gestrigen Sendung "Abend mit Wladimir Solowjow" gab einen guten Einblick in die Unterschiede und Übereinstimmungen der Russen in Bezug auf die Ereignisse von Freitag und Samstag.

    Wie so oft übergab Solowjow das Wort an die Podiumsteilnehmerin Margarita Simonyan, Chefredakteurin des Fernsehsenders RT. Sie lieferte ein starkes und emotionales Argument für den friedlichen Ausgang der Krise, der am Samstag mit der Ausweisung Prigoschins nach Weißrussland und der Rückkehr der Truppen der Wagner-Gruppe in ihre Kasernen und Feldlager erreicht worden zu sein scheint.

    Simonyan begann ihre kleine Rede mit einer Erinnerung an die Schrecken eines Bürgerkriegs, egal wo er ausbricht. Sie wies darauf hin, dass die meisten Opfer, die die Vereinigten Staaten in einem ihrer zahlreichen Kriege seit ihrer Gründung zu beklagen hatten, ausgerechnet im Bürgerkrieg zu beklagen waren. Und in Russland hat der Bürgerkrieg von 1917-21 mehr Menschenleben gekostet als die Kämpfe an der Front im Ersten Weltkrieg. Die offizielle Zahl wird mit über 10 Millionen angegeben. Die Zahl der russischen Todesopfer des Bürgerkriegs wurde nur noch auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs übertroffen. Simonyans Bericht war nichts für schwache Nerven: Sie zählte die grausamen und entsetzlichen Todesarten auf, die sowohl die weißen als auch die roten Streitkräfte an gefangenen feindlichen Truppen sowie an Zivilisten, die sich ihnen in den Weg stellten, verübten.

    Aus diesen Gründen, so Simonyan, müsse eine solche Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts an der Heimatfront um jeden Preis vermieden werden. Denjenigen, die einwenden, dass die Bedingungen der Vereinbarung gegen die Rechtsnormen der Russischen Föderation verstoßen, antwortet sie, dass Gesetze nicht gottgegeben sind, sondern von Menschen geschrieben werden, um die Beziehungen zu regeln und die Ordnung im Land aufrechtzuerhalten. Die Gesetzgeber können keine außergewöhnlichen Umstände vorhersehen, unter denen die strikte Einhaltung der Rechtsnormen genau das Gegenteil bewirken und völlige Unordnung und Chaos verursachen würde. Daher verdient die Beilegung der Krise, so wie sie ausgegangen ist, unsere Unterstützung.

    Eine diametral entgegengesetzte, ebenfalls sehr gut begründete Meinung vertrat der Generalleutnant im Ruhestand und Staatsduma-Abgeordnete Andrej Guruljow, der wie Simonyan gelegentlich in der Solowjow-Sendung auftritt und als Vertreter der Hardliner in Fragen des Patriotismus und der staatsbürgerlichen Pflichten gelten kann. Guruljow sagte unumwunden, dass Verrat, wie ihn Prigoschin begangen hat, durch die physische Beseitigung der Täter, durch einen Kopfschuss, bestraft werden muss.

    Der Generalleutnant erklärte weiter, dass er die Gruppe Wagner seit ihrer Gründung im Jahr 2014 kenne, als sie weniger als 150 Mitglieder zählte, und dass er mit ihrem damaligen Kommandeur Utkin Seite an Seite im Donbass gekämpft habe. Im Jahr 2015 kämpften sie dann Seite an Seite in Syrien. Im Jahr 2016 trennten sich die Wege von Guruljow und den Wagner-Kommandos.

    Mit Blick auf die Ereignisse von Freitag und Samstag zeigte sich Guruljow schockiert und empört darüber, dass die Rebellen in der Lage waren, in einen Luftwaffenstützpunkt im russisch-ukrainischen Grenzgebiet einzudringen und ihn unter ihre Kontrolle zu bringen, und dass sie nach Norden bis Woronesch marschieren konnten, ohne auf den Widerstand der örtlichen Verteidigungskräfte zu stoßen. Es liegt auf der Hand, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Verteidigungsbereitschaft Russlands in den Regionen zu stärken, die der militärischen Aktion der militärischen Sonderoperation am nächsten liegen.

    Zu der von Lukaschenko ausgehandelten Regelung sagte Guyulyov, dass nur diejenigen Wagner-Soldaten, die Verträge mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen und unter dessen direkter Kontrolle stehen, Waffen tragen dürfen. Alle anderen sollten aufgelöst und aus dem Kriegsgebiet weggeschickt werden.

    Der dritte Podiumsteilnehmer in der Solowjow-Sendung, den ich ganz kurz zitieren möchte, war Alexander Babakow, stellvertretender Vorsitzender der Staatsduma und Abgeordneter der Partei "Einiges Russland". Er wies darauf hin, dass die bewaffnete Meuterei gescheitert sei, weil sie von der regulären Armee, von der russischen Regierung auf allen Ebenen und von der gesamten Bevölkerung abgelehnt worden sei. Auf diese Weise demonstrierte Russland der Welt seine Einigkeit in Kriegszeiten und seine Bereitschaft, dem kollektiven Westen die Stirn zu bieten. Die Lektion für den Westen war gerade die Stärke des Landes und seines Oberbefehlshabers.

    Hört jemand in Washington zu?

                                                                              *****

    Hierzu möchte ich noch zwei weitere Anmerkungen machen.

    Die erste ergibt sich aus dem Videomaterial, das Solovyov zu Beginn der Sendung präsentierte, bevor die Diskussion mit den Podiumsteilnehmern losging. Insbesondere war es interessant, Videobilder von Solovyovs Besuch an der Front zu sehen, den er inzwischen fast wöchentlich mit Unterstützung des Verteidigungsministeriums durchführt. Seine Gespräche mit Soldaten, die auf dem Schlachtfeld Drohnen einsetzen, ergänzten sehr gut die Berichte der Kriegsberichterstatter in den regelmäßigen Nachrichtensendungen des russischen Staatsfernsehens. Und das ist der Punkt: Der Krieg in der Ukraine hat die traditionelle sowjetisch-russische Militärdoktrin über den Einsatz der Streitkräfte auf den Kopf gestellt.

    Der gleichzeitige Einsatz von Aufklärungs- und Kamikaze-Drohnen durch russische Soldaten an der Front macht den Vorteil bei der Echtzeit-Zielerfassung, den die Ukrainer zu Beginn des Krieges dank amerikanischer Aufklärungsflugzeuge und Satellitenbilder hatten, völlig zunichte. Diese neue Kriegsführung, die, wie wir an der Zerstörung von Bradleys und Leopards bei den Angriffsversuchen der laufenden ukrainischen Gegenoffensive sehen, macht deutlich, dass die russische Armee aus den militärischen Operationen in der Ukraine viel stärker hervorgeht, als sie in den Krieg eingetreten ist. Nicht nur in Bezug auf die Zahl der Soldaten, die im Herbst 2022 aus den Reserven einberufen werden, oder durch die 160.000 Freiwilligen, die sich in diesem Jahr gemeldet haben, nicht nur durch die fast dreifache Produktionssteigerung des russischen militärisch-industriellen Komplexes, sondern auch dadurch, dass sie im Krieg abgehärtet ist und über die neuesten Erkenntnisse darüber verfügt, was auf dem Schlachtfeld funktioniert und was nicht. In diesem Sinne hat die Schwächung Russlands, die von Blinken, Austin und Biden als Ziel der amerikanischen Unterstützung für das Kiewer Regime genannt wurde, das Gegenteil bewirkt. Ich sage dies, ohne die Leerung der Rüstungsbestände in Europa zu berücksichtigen, die aus den massiven Waffenlieferungen an die Ukraine resultiert.

    Mein zweiter Punkt ist, dass die Talkmaster überall, in Ost und West, die gemeinsame Neigung haben, in umgekehrtem Verhältnis zu dem zu reden, was sie von den vorliegenden Fakten wissen. Was wir in der BBC, bei Euronews und CNN über die Prigoschin-Affäre und über den Verlauf des Krieges im Allgemeinen hören, sind fast ausschließlich unbegründete Spekulationen.

    Auch die russische Öffentlichkeit hat ihren Anteil an leerem Geschwätz. Gestern Abend veröffentlichte das Nachrichtenportal Tsargrad einen aufsehenerregenden Artikel über den für Montagmorgen erwarteten Rücktritt Schoigus und Spekulationen darüber, wer sein Nachfolger werden könnte.

    Ich schließe die Möglichkeit nicht ganz aus, dass Schoigu im Rahmen der Gesamtaufarbeitung der Prigoschin-Affäre aus dem Amt scheiden wird. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist die Diskussion absolut aus der Luft gegriffen.


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    26.06.2023

    Offene Fragen War der Putschversuch nur eine Show, um von etwas anderem abzulenken?

    anti-spiegel.ru, 26. Juni 2023 14:41 Uhr, von Anti-Spiegel

    Nachdem der Putschversuch vom Samstag beendet wurde, gab es verschiedene Meldungen, die "nicht ins Bild passen". Darüber werde ich hier berichten, weise aber gleich darauf hin, dass sehr vieles, worüber ich hier berichte, spekulativ ist.



    Die Stammleser des Anti-Spiegel wissen, dass ich mich immer auf Fakten berufe und ausgesprochen ungerne spekuliere. Und die Stammleser des Anti-Spiegel wissen auch, dass ich kein Problem damit habe, Irrtümer einzugestehen, wenn neue Fakten zeigen, dass ich mit einer Einschätzung falsch gelegen habe.

    Das ist nicht oft passiert, aber es ist vorgekommen, ich erinnere an meinen vorsichtigen Standpunkt zur Pandemie, den ich in den ersten Monaten 2020 vertreten habe (wofür ich von vielen Lesern kritisiert wurde) und dann komplett revidieren musste. Ich stütze mich bei meinen Analysen auf bekannte Fakten (nicht auf Spekulationen) und wenn neue Informationen bekannt werden, kann das eben auch zu einer Änderung meiner Einschätzung führen.

    Ich habe am Wochenende berichtet, wie ich den Putschversuch von Prigoschin erkläre und grundsätzlich bleibe ich bisher bei meiner Meinung, weil es zu wenig belastbare Fakten gibt, die in einer andere Richtung deuten. Aber es gibt ausgesprochen interessante Hinweise, über die ich zumindest berichten will.


    War der „Putschversuch“ eine Show?

    Was wäre, wenn der „Putschversuch“ in Wahrheit eine Show war, mit der die Gegner Russlands verwirrt werden sollten, mit der Putin illoyale Personen in Russlands Behörden und Regierungskreisen ausfindig machen wollte, und in Wahrheit davon abgelenkt werden sollte, dass die Wagner-Truppen sich darauf vorbereiten, von Weißrussland aus in die Ukraine vorzustoßen?

    Das klingt erst einmal vollkommen irrsinnig und ich sage ausdrücklich nicht, dass es so war. Aber es gibt Hinweise, die zumindest in diese Richtung deuten.

    Wo ist Schoigu?

    Es war auffällig, dass Schoigu seit Beginn des „Putschversuches“ nicht mehr öffentlich aufgetreten ist. Man müsste doch meinen, dass der Verteidigungsminister in der Situation am Samstag aktiv gewesen sein müsste und sich auch an seine Soldaten gewandt haben sollte. Aber nichts dergleichen ist passiert, Schoigu ist aus der Öffentlichkeit verschwunden.

    Unterdessen melden irgendwelche Telegram-Kanäle, Schoigu sei angeblich verhaftet worden. Nur um das deutlich zu sagen: Das können Falschmeldungen sein, niemand bestätigt das und woher die Kanäle ihre Informationen haben, bleibt deren Geheimnis. Aber ich frage mich, warum das russische Verteidigungsministerium keine aktuelle Erklärung von Schoigu zeigt, um alle Spekulationen zu zerstreuen.

    Das russische Verteidigungsministerium hat am Montag zwar ein Video davon veröffentlicht, wie Schoigu Truppen inspiziert und sich mit Generälen trifft, aber das Video ist wahrscheinlich eine Konserve. Vor allem ist merkwürdig, dass das Video ohne Ton veröffentlicht wurde, was bedeutet, dass es weiterhin keinerlei Erklärung von Schoigu zu den Vorfällen vom Wochenende gibt.

    Nur die Sprecher des Verteidigungsministeriums treten öffentlich auf und verkünden, gerade so, als sei am Wochenende nichts anderes passiert, ihre Berichte über die Kampfhandlungen mit den ukrainischen Streitkräften.


    Wo ist Wagner?

    Die nächste interessante Meldung ist, dass die Wagner-Truppen offenbar nicht in ihre Stützpunkte zurückgekehrt sind. Am Sonntag standen die Wagner-Kolonnen noch immer am Straßenrand der Autobahn Moskau-Rostow, auf der sie am Samstag Richtung Moskau unterwegs waren. Videos der stehenden Kolonnen findet man überall in sozialen Netzwerken und auch Alina Lipp, die am Sonntag auf derselben Autobahn von Rostow nach Moskau gefahren ist, davon Bilder veröffentlicht.

    Dabei ist ein weiteres Detail interessant. Die Autobahn ist eine Mautstrecke, aber alle Zahlschranken waren geöffnet. Offenbar wurden die Zahlschranken abgeschaltet, als die Wagner-Kolonnen Richtung Moskau unterwegs waren, um den Vormarsch nicht zu stören und um zu verhindern, dass die Wagner-Kolonnen einfach die Schranken durchbrechen. Und sie wurden – zumindest am Sonntag – nicht wieder eingeschaltet. Um die Wagner-Kolonnen auf ihrem Weg (wohin auch immer) nicht zu stören?

    Inzwischen gibt es viele Meldungen darüber, dass zumindest Teile der Wagner-Truppen nach Weißrussland verlegt werden. Offiziell bestätigt ist nichts, aber die Meldungen halten sich hartnäckig.

    Will Kiew verhandeln?

    Über eine besonders merkwürdige Meldung habe ich am Sonntag berichtet. Alexej Danilow, der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, eine der einflussreichsten Figuren in der Ukraine, hat erklärt, er schließe Friedensverhandlungen unter Teilnahme (oder meinte er Vermittlung?) von Lukaschenko nicht aus.

    Die Meldung ist eine Sensation, denn das offizielle Kiew verweigert bisher alle Gespräche mit Russland und der ukrainische Präsident Selensky hat Verhandlungen mit Russland Ende September per Dekret verboten und unter Strafe gestellt. Aber die Erklärung von Danilow hatte keinerlei Folgen. Warum nicht?

    Hinzu kommt eine ganz aktuelle Meldung, die ich bei der russischen Nachrichtenagentur TASS gefunden habe. Die TASS hat berichtet, dass die ARD über streng geheime Gespräche in Kopenhagen berichtet hat. Dabei sollen Vertreter des Westens und Kiews mit Vertretern der BRICS über Friedensverhandlungen gesprochen haben, die demnach schon im Juli beginnen sollen.


    Atomwaffen in Weißrussland

    Ein weiterer Zufall ist es, dass Russland und Weißrussland in diesen Tagen bekannt gegeben haben, dass russische taktische Atomwaffen in Weißrussland stationiert wurden. Offiziell war das eine Reaktion auf die Ansammlung von NATO-Truppen in Polen, nahe der weißrussischen Grenze, und auf die extrem gestiegenen Aktivitäten der Luftwaffen der NATO-Staaten an der Grenze zu Weißrussland. Lukaschenko warnt seit Monaten davor, dass die NATO versuchen könnte, einen Putschversuch in Weißrussland zu organisieren und diese Gelegenheit nutzen könnte, mit Truppen in Weißrussland einzumarschieren.

    Wenn man aber das Timing des „Putschversuches“ von Prigoschin und die danach gemeldeten Verlegungen von Wagner-Truppen nach Weißrussland bedenkt, dann könnte man auch auf die Idee kommen, dass Wagner von Weißrussland aus in die Ukraine marschieren könnte. Die NATO könnte darauf nicht militärisch reagieren, weil sie in dem Fall befürchten müsste, dass die in Weißrussland stationierten Atomwaffen zum Einsatz kommen.


    Die Ukraine in der Zange

    Sollte das so sein, dürfte deren Ziel nicht Kiew sein, sondern die Grenzregionen zu Polen, um den Nachschub westlicher Waffen für die Ukraine zu unterbinden.

    Da ein solches Vorgehen von Wagner ukrainische Truppen binden würde, wäre die ukrainische Gegenoffensive damit beendet, weil Truppen aus dem Donbass gegen Wagner in Marsch geschickt werden müssten. Das allerdings könnte dazu führen, dass Russland im Donbass eine Offensive startet und die ohnehin geschwächten Kiewer Truppen überrennen könnte.


    Russlands Geduld ist am Ende

    Gerade habe ich eine Eilmeldung veröffentlicht, weil ich das, was in russischen Medien derzeit verkündet wird, als letzte Warnung an den Westen verstehe, die Eskalation zu beenden. Russische Medien diskutieren den Einsatz einer taktischen Atombombe gegen Polen, um dem Westen klarzumachen, dass Russlands Geduld am Ende ist. Nur so, meinen einige russische Experten, lässt sich noch verhindern, dass sich die Ukraine-Krise zu einer Konfrontation mit der NATO und zu einem globalen Atomkrieg aufschaukelt.

    Der Grund ist, dass Kiew offen davon spricht, dass es beim AKW-Saporoschschje die Kühlwassertanks angreifen will. Ein Ausfall der Kühlung würde zu einem Super-Gau führen.

    Ich will an dieser Stelle nicht darauf eingehen, dass westliche Medien den Unsinn aus Kiew nachplappern, Russland habe die Kühlwasserbecken des AKW vermint und könnte sie selbst sprengen. Das ist Unsinn und wurde von den Experten der Internationalen Atomenergiebehörde, die vor Ort sind, nicht bestätigt. Damit, dass die westlichen Medien das verschweigen und stattdessen die Lügen aus Kiew nachplappern, disqualifizieren sie sich ein weiteres Mal und bestätigen, dass sie keine objektiven Medien, sondern reine Instrumente der US-Kriegspropaganda sind.

    Russland würde einen schweren Angriff auf das AKW offenbar als nuklearen Angriff der NATO werten, so verstehe ich das, was die russischen Medien gestern und heute berichtet haben.


    Und nun?

    Ich wiederhole: In diesem Artikel habe ich viel spekuliert und ich setze keineswegs darauf, dass das alles tatsächlich so ist. Aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass es durchaus die Möglichkeit und dass es zumindest gewisse Anzeichen dafür gibt, dass der „Wagner-Putsch“ nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver gewesen ist, mit dem Russland die Verlegung der Wagner-Truppen verschleiern und illoyale Personen in den russischen Führungsetagen ausmachen wollte.

    Dass russische Medien ausgerechnet seit Sonntag über den Einsatz von taktischen Atomwaffen spekulieren und offen davor warnen, passt ins Bild eines als Ablenkungsmanöver geplanten „Putsches“. Ich weiß inzwischen ein wenig darüber, wie Fernsehen funktioniert und ich bin ziemlich sicher, dass der lange Beitrag vom Sonntag über den möglichen Atomwaffeneinsatz vor den Ereignissen von Samstag vorbereitet wurde.

    Sollte das, was ich mir hier „zusammenfantasiert“ habe, einen wahren Kern haben, dürften wir das sehr bald erfahren.


    Info: https://www.anti-spiegel.ru/2023/war-der-putschversuch-nur-eine-show-um-von-etwas-anderem-abzulenken


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2023

    "Russischer Maidan"? Der Westen setzt alles auf einen Bürgerkrieg in Russland

    freeassange.rtde.life, 26 Juni 2023 16:56 Uhr, Von Wiktorija Nikiforowa, RIA Nowosti

    Mit dem Scheitern der Wagner-Meuterei ist die Gefahr eines "Regime Changes" in Russland mit katastrophalen Folgen für Land und Volk noch lange nicht gebannt. Die Reaktion des Westens und westlicher Agenten wie Michail Chodorkowski auf Jewgeni Prigoschins Aktion zeigt, dass ein "russischer Maidan" im patriotischen Gewand daherkommen könnte.


    Quelle: Sputnik © Sergei Piwowarow, RIA Nowosti


    Wagner-Söldner und -Technik in Rostow (24. Juni 2023)


    Was auch immer zur Rechtfertigung von Jewgeni Prigoschins "Marsch auf Moskau" angeführt wird, er hat unseren strategischen Gegnern einen erstklassigen Steilpass zugespielt. Den ganzen Samstag über waren die westlichen Medien in heller Aufregung.


    Auch die Tatsache, dass die Meuterei an einem Freitagabend begann, spielte eine Rolle: In Russland sind die Behörden das Wochenende über traditionell geschlossen, in den Vereinigten Staaten hingegen war man zu diesem Zeitpunkt noch mitten im Arbeitstag. Die Propaganda trat sofort in Aktion.


    Das System Putin wankt – wieder mal: Deutsche Medien über den Aufstand der Wagner-Truppen




    Das System Putin wankt – wieder mal: Deutsche Medien über den Aufstand der Wagner-Truppen






    "Rebellion in Russland", "Rebellion gegen Putin", "Wagners Panzer kommen nach Moskau", "Russland steht am Rande des Abgrunds", schrien die Titelseiten der einflussreichen Zeitungen. Die Wagnerianer wurden schnell als "Aufständische" tituliert – ein sehr vertrauter Gebrauch der angelsächsischen Sprachregelung für die "richtigen" Aufständischen gegen die "falsche" Regierung.


    Natürlich begannen auch die "Guten" unter den russischen Emigranten, sofort zu drängeln. Michail Chodorkowski (der in Russland als Agent des Auslands gilt) rief die russischen Bürger dazu auf, die Rebellion zu unterstützen und zu den Waffen zu greifen. Die Wehrdienstverweigerer der letzten Stunde kamen aus ihren Löchern hervorgekrochen und träumten wieder einmal davon, mit Abrams-Panzern die Twerskaja-Straße in Moskau hinunterzufahren. Was soll man da erst über die ehemalige Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik sagen? Dort feierte man die ganze Nacht hindurch.


    Viel Hoffnung hatte man im Westen in unsere Probleme gesetzt. Wie leicht hätten sich damit seine eigenen Probleme lösen lassen: die verpatzte "Großoffensive" der Ukraine, die Wirtschaftskrise, die die ehemalige "goldene Milliarde" heimgesucht hat, und das Scheitern der "regelbasierten Ordnung".


    Die EU-Führung war schnell zur Stelle, das Fell des russischen Bären zu verteilen, indem sie ihr Krisenreaktionszentrum "im Zusammenhang mit der Situation in Russland" aktivierte. Unsere europäischen "Partner" wollen unsere Krise managen – genauso wie sie den ukrainischen Maidan 2013/2014 gemanagt haben.

    "Die ukrainische Armee (...) wird sich über die Unordnung in den Reihen des Feindes freuen", stellte der Economist erfreut fest.

    Einen offensichtlichen Vorteil der Meuterei für die USA stellte die New York Times fest: Sie sollte Russlands Position an der Front verschlechtern und der Ukraine einen militärischen Sieg sichern.


    US-Medien: In Washington wusste man vorab von Prigoschins Meuterei





    US-Medien: In Washington wusste man vorab von Prigoschins Meuterei






    Peter Baker von der New York Times wies im selben Artikel jedoch auch auf die Kehrseite der ganzen Angelegenheit für die Vereinigten Staaten hin. Seiner Meinung nach könnten Russlands Atomwaffen außer Kontrolle geraten – oder unter der Kontrolle von jemandem gelangen, der nicht zögern würde, mit ihnen auf Washington zu ballern.


    Man muss die Logik unserer Feinde verstehen, um sich darüber im Klaren zu sein: Wagners Auftritt könnte bei Weitem nicht der letzte gewesen sein. Darauf muss man vorbereitet sein. Bereits im Jahr 2019 rieten US-Militäranalysten der RAND Corporation Washington, alle möglichen Proteste und Aufstände in Russland eifrig zu schüren – wir haben bereits über diesen Plan geschrieben. Dabei soll das eigene Vorgehen, so der Rat der RAND Corporation, sorgfältig konspiriert werden, damit die Proteste und Aufstände so authentisch wie möglich aussehen und ihnen nicht schon auf den ersten Blick die Ohren des US-Botschafters abstehen.


    Das bedeutet, dass die Demonstranten beim nächsten Mal nicht mit Pro-US-Slogans wie "Kaz (auch ein Agent des Auslands in Russland) fordert die Kapitulation" herumlaufen werden. Nein, die prowestlichen Proteste könnten dieses Mal paradoxerweise in ein patriotisches Gewand gekleidet sein.


    In unserer Geschichte hat es Präzedenzfälle gegeben. Wie ein Witzbold sagte, lief in den späten 80er-Jahren in Moskau niemand mit Plakaten herum, auf denen stand: "Lasst uns all unser Öl Chodorkowski übereignen". Nein, die Tausende von Menschen auf den Kundgebungen der Perestroika-Zeit forderten die Abschaffung der Parteiprivilegien, Demokratie und ein Mehrparteiensystem. Aber bekommen haben sie das, was sie bekommen haben.


    Das ist bewaffnete Meuterei und Verrat: Russland hat die Lehren aus seiner Geschichte gezogen




    Meinung

    Das ist bewaffnete Meuterei und Verrat: Russland hat die Lehren aus seiner Geschichte gezogen





    Auch heute mögen die Demonstranten (und Meuterer) aufrichtig glauben, dass sie für das Gute kämpfen, aber was sie mit ihren Protesten tatsächlich erreichen werden, wird eine katastrophale Niederlage Russlands sein. Alle "besorgten Patrioten" sollten dies ernsthaft bedenken.


    Es ist töricht zu glauben, dass der Westen, sobald Prigoschin neutralisiert ist, seine Versuche aufgeben wird, unser Boot zum Kentern zu bringen. Nach dem Scheitern der Sanktionen und dem militärischen Versagen der ukrainischen Armee ist dies ihre einzige Chance, zu gewinnen. Sie werden sie nicht ungenutzt lassen.


    Ja, alle derzeitigen "Retter Russlands" und "Väter der russischen Demokratie" sind fest und hoffnungslos kompromittiert. Alexei Nawalny, Garri Kasparow (auch er gilt in Russland als Agent des Auslands) und Chodorkowski sind längst von ihren eigenen Herren ausrangiert worden, denn sie sind bereits enttarnt. Es ist klar, auf wessen Lohnliste sie stehen, es ist klar, für welche Sonderdienste sie arbeiten. In der russischen Gesellschaft stoßen sie nur auf angewiderte Verachtung.

    Aber was wäre, wenn an Prigoschins Stelle eine neue, besser aussehende Person träte, die redegewandt ist, keine schlechten Angewohnheiten wie die Neigung zu Exekutionen im Schnellverfahren aufweist, einen Sinn für Humor und keine offenliegenden kompromittierenden Verbindungen zum US-Establishment hat? Was, wenn diese Person patriotische Slogans ausstoßen und an den "Nationalstolz der Großrussen" appellieren würde?



    30 Jahre Gemeinschaft Unabhängiger Staaten






    30 Jahre Gemeinschaft Unabhängiger Staaten






    Wenn eine solche Person im Westen keine Zweifel hervorriefe, wenn sie an ihre Beherrschbarkeit glaubten und daran, dass sie keine Atomwaffen gegen sie einsetzen würde, würden sie sie mit ihrer ganzen Propagandamaschine unterstützen. Sie würden sogar, wenn nötig, nach außen Angst vor dem "russischen Nationalisten" imitieren.


    Auch dafür gibt es Präzedenzfälle. Boris Jelzin war – bevor er 1991 zum Präsidenten wurde – von vielen westlichen Medien als "russischer Nationalist" dargestellt worden. Auch Nawalny galt eine Zeit lang als "Patriot". Selbst Chodorkowski hatte seine "patriotische Phase".


    Unsere Gesellschaft, so klug, skeptisch und desillusioniert sie auch sein mag, könnte darauf hereinfallen. Dieses Risiko sollte nicht unterschätzt werden. Schließlich vermehren sich die Betrüger bei jedem Unglück in Russland wie die Karnickel – wir zählen in unserer Geschichte mindestens ein Dutzend falscher Dimitris, die Historiker streiten sich noch immer über ihre genaue Zahl.

    Das Einzige, was uns Hoffnung gibt, ist das, was Wagners Auftritt auch gezeigt hat: Unser Volk will keinen Bürgerkrieg in irgendeiner Form. Die Russen wollen einander auf keinen Fall zur Freude von Washington und London töten. Und wenn wir die aktuelle Krisenzeit überstehen, werden wir unweigerlich ein großes Imperium aufbauen. Das ist in unserer tausendjährigen Geschichte schon mehr als einmal geschehen.


    Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 26. Juni 2023 auf ria.ru erschienen.


    Mehr zum ThemaDer Wagner-Marsch auf Moskau zeigt, warum Russland die NATO in der Ukraine nicht dulden kann


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    26.06.2023

    Liveticker Ukraine-Krieg – Putin: Bewaffnete Meuterei wäre in jedem Fall unterdrückt worden

    Russland führt gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine Militäroperation in der Ukraine durch. Der Westen reagiert mit immer neuen Waffenlieferungen an die Ukraine und beispiellosen Sanktionen gegen Russland. Lesen Sie hier die neuesten Entwicklungen.


    Quelle: Sputnik © Gawriil Grigorow

     

    Archivbild: Russlands Präsident Wladimir Putin.


    • 26.06.2023 22:33 Uhr

    22:33 Uhr

    Damit beenden wir für heute den Live-Ticker zur Lage im Ukraine-Konflikt. Morgen früh ab 7 Uhr geht es mit der Berichterstattung weiter. Wir wünschen unseren Lesern trotz aller Spannungen in der Welt eine gute Nacht!

  • 22:33 Uhr

    Putin ruft Leiter der Sicherheitsbehörden auf, die Lage zu analysieren

    Während des Arbeitstreffens mit den Oberhäuptern der russischen Sicherheitsbehörden hat Präsident Wladimir Putin ihnen für die Arbeit während der letzten Tage gedankt und sie aufgerufen, nach einer Analyse der jüngsten Ereignisse die anstehenden Aufgaben zu besprechen. Auf einem vom Kreml veröffentlichten Video sagte er:

    "Ich habe sie versammelt, um Ihnen für die verrichtete Arbeit zu danken und um die gegenwärtige Lage zu besprechen. Wir werden auch über die Aufgaben sprechen, die vor uns stehen, nach einer Analyse der Ereignisse, die in unserem Land passiert sind."

  • 22:01 Uhr

    Peskow: Putin führt eine Besprechung mit Leitern der Sicherheitsbehörden durch

    Nach seiner Ansprache führt der russische Präsident Wladimir Putin eine Besprechung mit den Leitern der Sicherheitsbehörden, darunter des Verteidigungsministeriums, durch. Der Pressesprecher des Kremls, Dmitri Peskow, erklärte hierzu:

    "Nach seiner Ansprache führt Wladimir Putin gegenwärtig ein Arbeitstreffen durch, an dem folgendes Führungspersonal teilnimmt: der Generalstaatsanwalt Igor Krasnow, das Oberhaupt der Kreml-Administration Anton Waino, der Leiter des Innenministeriums Wladimir Kolokolzew, der Verteidigungsminister Sergei Schoigu, der Leiter des FSB Alexandr Bortnikow, der Leiter der russischen Nationalgarde Wiktor Solotow, der Leiter des Schutzdienstes Dmitri Kotschnew und der Leiter des Ermittlungskomitees Alexandr Bastrykin."

  • 21:53 Uhr

    Putin bedankt sich beim Volk für Einigkeit und Patriotismus


    In seiner Ansprache an die russische Bevölkerung hat der russische Präsident seinen Landsleuten für die Unterstützung der verfassungsmäßigen Ordnung gedankt.

    "Ich danke Ihnen für Ihre Ausdauer, Ihre Einigkeit und Ihren Patriotismus. Diese zivile Solidarität hat gezeigt, dass jede Erpressung, jeder Versuch, inneren Aufruhr zu erzeugen, zum Scheitern verurteilt ist. Ich wiederhole: Die Gesellschaft, die Exekutive und die Legislative haben sich auf allen Ebenen in höchstem Maße konsolidiert", betonte er am Montagabend.

    Außerdem dankte er dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko für seine Bemühungen um eine friedliche Lösung der Lage.  

  • 21:43 Uhr

    Putin wendet sich an das Volk: Bewaffneter Aufstand wäre ohnehin niedergeschlagen worden

    In seiner Ansprache an die russische Bevölkerung hat der russische Präsident betont, dass der bewaffnete Aufstand am vergangenen Wochenende auf jeden Fall niedergeschlagen worden wäre. Ihm zufolge seien alle notwendigen Entscheidungen sofort nach Beginn des Meutereiversuchs getroffen worden:

    "Ich möchte betonen, dass zu Beginn der Ereignisse sofort die notwendigsten Entscheidungen getroffen wurden, um die entstandene Gefahr zu neutralisieren und die verfassungsmäßige Ordnung, das Leben und die Sicherheit unserer Bürger zu schützen. Der bewaffnete Aufstand wäre in jedem Fall niedergeschlagen worden."

    Die überwiegende Mehrheit der Wagner-Kämpfer seien Patrioten Russlands, doch man habe versucht, sie auszunutzen, betonte Putin.

  • 21:36 Uhr

    DVR: Fast 9.000 Zivilisten seit 2014 durch ukrainischen Beschuss gestorben


    Knapp 9.000 Bewohner der Donezker Volksrepublik sind seit 2014 durch ukrainische Artillerieangriffe ums Leben gekommen, etwa 12.000 weitere sind verwundet worden, berichtete die Leiterin der Vertretung der DVR beim Gemeinsamen Zentrum für Kontrolle und Koordination, Natalja Schutkina. Sie erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur TASS:

    "Seit 2014 kamen insgesamt 8.965 Zivilisten ums Leben, darunter 228 Kinder. Verwundet wurden 12.505 Zivilisten, darunter 762 Kinder."

    Schutkina fügte hinzu, dass seit dem Beginn der Eskalation im Februar 2022 das ukrainische Militär das Gebiet der DVR über 19.000 Mal unter Feuer nahm, wobei 122.835 Geschosse abgefeuert wurden.

  • 20:56 Uhr

    Kreml: Putin wird heute Abend eine Ansprache halten

    Der russische Präsident Wladimir Putin wird sich am Montagabend in einer Ansprache an die russische Bevölkerung wenden, teilte der russische Sender Perwy Kanal mit Verweis auf den Kremlsprecher Dmitri Peskow mit.

    Laut einem Telegram-Kanal, der dem weißrussischen Präsidenten nahesteht, soll auch Alexander Lukaschenko am Montagabend eine Erklärung abgeben. 

  • 20:18 Uhr

    Russische Staatsduma: Es findet keine große ukrainische Offensive statt


    Die Offensive der ukrainischen Streitkräfte verlaufe wegen der hohen Verluste nicht nach Plan, sagte der Leiter des Verteidigungskomitees der russischen Staatsduma, Andrei Kartapolow. In einer Sendung des Fernsehkanals Rossija-1 erklärte er:

    "Es gab und gibt keine große Gegenoffensive. Es gibt Angriffsversuche an unterschiedlichen Frontabschnitten. Verluste, die die Ukraine heute erleidet, sind überkritisch ‒ nicht kritisch, sondern überkritisch."

    Kartapolow betonte außerdem, dass der Versuch einer bewaffneten Meuterei die russische Verteidigung nicht beeinträchtigt habe, die Truppenführung wurde nicht unterbrochen.

  • 19:36 Uhr

    Bericht: Entwicklungsländer unterstützen Selenskijs Friedensformel nicht


    Brasilien und andere Entwicklungsländer unterstützen die Friedensformel nicht, die vom ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij vorgeschlagen wurde. Dies berichtete eine Quelle aus der Administration des brasilianischen Präsidenten gegenüber der Nachrichtenagentur TASS.

    Laut dem Bericht habe der Assistent des brasilianischen Präsidenten für besondere Angelegenheiten, Celso Amorim, an einem Treffen in Kopenhagen teilgenommen, bei dem Vertreter des Westens andere Staaten dazu bringen wollten, im Ukraine-Konflikt Position gegen Russland zu beziehen. Die Quelle von TASS erklärte hierzu:

    "Entwicklungsländer, darunter Brasilien, haben die ukrainische 'Friedensformel' nicht unterstützt. Wir sind auch dafür eingetreten, die russische Seite zu weiteren Verhandlungen heranzuziehen."

    Nach Meinung der brasilianischen Repräsentanten sei Kiews Vorschlag "unproduktiv", da er Russlands Position nicht berücksichtige. Darüber hinaus habe Amorim die Teilnahme Chinas an den kommenden Verhandlungen vorgeschlagen.

  • 18:54 Uhr

    Borrell: Nach Ereignissen in Russland Waffenlieferungen an die Ukraine verdoppeln


    Die einzige Schlussfolgerung der EU aus dem Versuch der Meuterei in Russland sei eine weitere Steigerung der Waffenlieferungen an die Ukraine. Dies sagte der Chefdiplomat der EU, Josep Borrell, während einer Pressekonferenz nach dem Abschluss der Sitzung des EU-Rats in Luxemburg. Angaben der Nachrichtenagentur TASS zufolge behauptete er:

    "Die einzige Schlussfolgerung unserer Debatten ist klar ‒ die Ukraine mehr denn je zu unterstützen. Jede Unterstützung zu steigern, Lieferungen und Trainings zu verdoppeln, alles zu tun, um die Gegenoffensive der Ukraine zu unterstützen."

  • 18:09 Uhr

    Ungarns Außenministerium lehnt Waffenlieferungen an Ukraine weiterhin ab


    Ungarn lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine auf Kosten des Europäischen Friedensfonds weiterhin ab. Der Außenminister des Landes, Péter Szijjártó, erklärte diesbezüglich in einer Übertragung via Facebook:

    "Wir haben der Vergrößerung des Europäischen Friedensfonds unter der Bedingung zugestimmt, dass die zusätzlichen Mittel an die Länder Afrikas und Westbalkans geht, um Stabilität zu steigern und den Migrationsdruck zu vermindern. Wir waren aber nicht damit einverstanden, dass die EU aus den Zusatzmitteln neue Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert."

  • 17:35 Uhr

    Medienbericht: Ukrainische Armee verliert mindestens 17 Bradley-Kampffahrzeuge aus US-Produktion


    Mehrere Faktoren hätten dazu geführt, dass der ukrainische Gegenangriff in seiner Anfangsphase zu einem "langsamen und blutigen Kampf" geworden sei, berichtet die New York Times (NYT) unter Verweis auf einen hochrangigen US-Militärbeamten. Die ukrainischen Streitkräfte seien dabei nur knapp fünf Kilometer vorangerückt, was weniger als die Hälfte der Strecke betrage, die ukrainische Einheiten zurücklegen müssten, um die wichtigsten Verteidigungspositionen der russischen Truppen erreichen zu können.

    Weiter stellt die US-Zeitung fest, dass russische Kampfhubschrauber vom Typ KA-52 in der Lage seien, der Luftabwehr zu entgehen, die ukrainische Armee beim Vormarsch zu verhindern, aber auch die vom Westen bereitgestellten Panzer sowie gepanzerte Kampffahrzeuge zu beschädigen oder zu zerstören.

    Die USA hätten der Ukraine im März 113 Bradley-Kampffahrzeuge bereitgestellt, hieß es weiter. Mindestens 17 von ihnen – mehr als 15 Prozent – seien inzwischen bei Kämpfen beschädigt oder zerstört worden.

  • 16:56 Uhr

    Polen übergibt Tausende Sturmgewehre an ukrainische Polizei


    Polnische Behörden werden an die ukrainische Nationalgarde, Polizei und Grenzwache massenhaft Schusswaffen samt zugehöriger Munition übergeben. Dies erklärte der polnische Innenminister Mariusz Kamiński während einer Pressekonferenz.

    Kamiński führte aus, dass an den Kämpfen in der Ukraine nicht nur das Militär, sondern auch dem Innenministerium unterstellte Verbände teilnehmen, nämlich Nationalgarde, Grenzschutz und Polizei. Diesen sagte er Unterstützung zu und erklärte in Bezug auf die beabsichtigten Waffenlieferungen:

    "Es werden Sturmgewehre sein, Tausende Sturmgewehre und Millionen Patronen."

  • 16:21 Uhr

    Frontbericht des russischen Verteidigungsministeriums

    In der Nacht zum Montag wurden Depots mit Artilleriemunition unter anderem aus westlicher Produktion mit hochpräzisen seegestützten Langstreckenwaffen angegriffen. Alle anvisierten Objekte wurden getroffen.

    In den zurückliegenden 24 Stunden unternahmen Streitkräfte der Ukraine weiterhin Angriffsversuche in Richtung Donezk, Krasny Liman und Süd-Donezk. Die Einheiten des russischen Truppenverbands Süd wehrten zwei gegnerische Angriffe in Richtung Donezk ab.

    Die Verluste der Ukraine beliefen sich auf bis zu 195 Armeeangehörige, zwei Infanterie-Kampffahrzeuge, sechs Fahrzeuge, aber auch zwei Paladin-Selbstfahrlafetten aus US-Produktion.

    Bei Krasny Liman wurden mehr als 90 ukrainische Militärs getötet; drei gepanzerte Kampffahrzeuge, fünf Pick-ups, eine Selbstfahrlafette vom Typ Akazija und eine Haubitze vom Typ D-30 wurden außer Gefecht gesetzt. 

    Bei Kämpfen am Wremewski-Vorsprung in Richtung Süddonezk wurden unter Einsatz von Artillerie und Mehrfachraketenwerfern (schwere Flammenwerfer-Systeme) vier ukrainische Angriffe zurückgeschlagen. Nahe der Ortschaft Rabotino in Richtung Saporoschje wurde eine gegnerische Attacke abgewehrt.

    Die Gesamtverluste der Ukraine in diesen Richtungen beliefen sich auf mehr als 150 Soldaten, drei Kampffahrzeuge, zwei Pick-ups, aber auch Haubitzen Msta-B und D-20.

    Am Frontabschnitt Kupjansk wurden über 30 ukrainische Militärs getötet; zwei Fahrzeuge und zwei Selbstfahrlafetten vom Typ Krab aus polnischer Produktion wurden vernichtet.

    Bei Einsätzen am Frontabschnitt Cherson verloren die ukrainischen Truppen etwa 35 Soldaten, drei Fahrzeuge sowie zwei Haubitzen vom Typ Msta-B.  

    Von operativ-taktischen Luft-, Raketen- und Artillerieangriffen der russischen Truppenverbände waren binnen 24 Stunden 83 ukrainische Artillerieeinheiten in ihren Gefechtsstellungen sowie gegnerische Kräfte und deren Ausrüstung in 104 Standorten betroffen.

    Des Weiteren hat die russische Armee entlang der Front insgesamt 19 Drohnen zerstört.

  • 15:45 Uhr

    Ungarn ändert seine Stellung zum Ukraine-Konflikt nicht


    Ungarn wird seine Außenpolitik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt nicht ändern. Dies erklärte der Regierungschef des Landes, Viktor Orbán, im Anschluss eines Treffens der Ministerpräsidenten der Visegrád-Gruppe in Bratislava. Obwohl Budapest grundsätzlich bereit sei, mit EU-Ländern zusammenzuarbeiten, betreibe Ungarn eine souveräne Außenpolitik.

    "Wir werden die Richtung nicht ändern, die wir nach dem Ausbruch des Krieges [in der Ukraine] eingeschlagen haben, und wir werden den Frieden anstreben. Unsere Maßnahmen werden darauf abzielen, ihn zu erreichen."

    Die Regierungschefs der Slowakei, Tschechiens und Polens, die zusammen mit Ungarn die Visegrád-Gruppe ausmachen, sprachen sich für die Fortsetzung der umfassenden Hilfe für die Ukraine aus. Sie betonten, dass ihre Regierungen keine Eskalation des Konflikts wollten.

  • 14:55 Uhr

    Reliquien des Kiewer Höhlenklosters: UNESCO an keiner vermeintlichen Abfuhr beteiligt


    Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ist am Transport von Heiligtümern aus dem Kiewer Höhlenkloster nicht beteiligt.

    Damit kommentiert der Pressesprecher der Organisation, Thomas Mallard, die Erklärung des russischen Auslandsgeheimdienstes (SWR). Sein Chef, Sergei Narischkin, hatte davor gewarnt, dass die sogenannten globalistischen Eliten sich immer mehr Mühe mit der Plünderung der Ukraine geben würden. Vermeintlich gehe es diesmal nicht um Geld oder Getreide, sondern um orthodoxe Heiligtümer der Ukraine. Naryschkin zufolge sei darin auch die UNESCO verwickelt.

    "Nach Angaben des SWR trafen Kiewer Behörden und Vertreter der UNESCO eine Vereinbarung über den Abtransport von christlichen Wertgegenständen, einschließlich heiliger Gebeine, aus dem Kiewer Höhlenkloster und ihre weitere Übergabe an Museen in Italien, Frankreich, Deutschland und dem Vatikan unter dem Vorwand, sie vor russischen Raketenangriffen zu schützen".

  • 14:39 Uhr

    Medienbericht: Deutschland gegen EU-Plan, eingefrorene russische Vermögenswerte für Wiederaufbau der Ukraine einzusetzen


    Hochrangige deutsche Regierungsbeamte bezweifeln, dass der EU-Plan, eingefrorene Vermögenswerte der russischen Zentralbank für den Wiederaufbau der Ukraine zu übertragen, genügend Unterstützung finden würde. Dies berichtet die Financial Times (FT).

    Berlin tue zwar alles rechtlich Mögliche, um die Vermögenswerte sanktionierter russischer Bürger und Unternehmen ausfindig zu machen und einzufrieren, so eine Quelle im Außenamt. Die Idee aber, russische Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden, werfe komplexe finanzielle sowie rechtliche Fragen auf.

    Diese Sache öffne die Büchse der Pandora, soll ein weiterer namentlich nicht genannter deutscher Beamte gesagt haben:

    "Wenn die EU Geld der russischen Zentralbank nehmen würde, würde dies einen Präzedenzfall für andere schaffen – etwa für die Reparationsansprüche Polens gegen Berlin wegen Schäden im Zweiten Weltkrieg."

    Der deutsche Justizminister Marco Buschmann habe die EU-Vorschläge zur Beschlagnahmung der russischen Zentralbank geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, dass sie rechtlich nicht umsetzbar seien, so die FT unter Verweis auf einen anderen Beamten. Ein Sprecher von Buschmann habe eine Stellungnahme abgelehnt.

  • 14:04 Uhr

    Behörden: Verwundete ukrainische Soldaten werden in die von Kiew kontrollierte Stadt Saporoschje gebracht – Krankenhäuser überfüllt

    Ukrainische Truppen erleiden am Frontabschnitt Saporoschje enorme Verluste, teilt Wladimir Rogow, ein Mitglied des Hauptverwaltungsrates des Gebiets Saporoschje, gegenüber der Agentur RIA Nowosti mit. Selbst das Selenskij-Regime, das seine Militärs in den sicheren Tod schicke, sei nicht mehr in der Lage, diese Tatsache zu verbergen. Rogow wörtlich:

    "Verwundete Soldaten und Offiziere werden massenhaft auch mit Zügen in die Stadt Saporoschje gebracht. Alle Krankenhäuser der Stadt sind übervoll."

  • 13:31 Uhr

    Litauen fordert Aufrüstung der NATO-Ostflanke


    Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Russland fordert Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis die NATO auf, ihre Ostflanke zu stärken. Vor dem EU-Außenministertreffen in Luxemburg erklärte der Politiker, dass die Verbündeten konkrete Pläne für eine Bewaffnung der Länder an der Ostflanke ausarbeiten sollten, insbesondere jener, die an Russland und Weißrussland grenzen.

    Der NATO-Gipfel in Vilnius am 11. und 12. Juli werde eine gute Gelegenheit sein, um eine solche Entscheidung zu treffen, so Landsbergis.

  • 13:04 Uhr

    Gouverneur von Cherson dementiert Berichte, wonach ukrainische Einheiten sich angeblich am linken Dnjepr-Ufer festsetzen  


    Das Kiewer Regime verbreitet erneut Falschberichte darüber, dass sich ukrainische Einheiten angeblich am linken Dnjepr-Ufer unter der Antonowski-Brücke festgesetzt haben, teilt der kommissarische Gouverneur des Gebiets Cherson Wladimir Saldo auf Telegram mit. Weiter betont er:

    "Ich gebe offiziell bekannt, dass dies eine Lüge ist."

    Laut Saldo unternahmen die Streitkräfte der Ukraine nur mehrere Versuche, in kleinen Gruppen den Fluss in Booten zu überqueren und sich unter der Brücke zu verstecken, wurden aber "wie Ratten in einer Mausefalle eliminiert".

    "Es ist möglich, dass der Gegner seine Soldaten weiterhin wie Schlachtvieh unter die Antonowski-Brücke schickt. Ihnen allen droht das gleiche Schicksal wie ihren Vorgängern."

    Zuvor tauchten auf Telegram Meldungen auf, wonach sich die ukrainischen Truppen am linken Dnjepr-Ufer niedergelassen hätten und dabei seien, ihren Stützpunkt nahe der beschädigten Auto- und Fußgängerbrücke über den Dnjepr auszubauen, welche die Ortschaft Antonowka mit der Stadt Aljoschki verbindet.

  • 12:35 Uhr

    Medienbericht: Kiew konnte Wagner-Aufstand nicht zum eigenen Vorteil nutzen


    Die Ukraine hat die Meuterei der Gruppe Wagner mit Jewgeni Prigoschin an der Spitze nicht bei Kampfhandlungen ausnutzen können, berichtet die US-Zeitung New York Times (NYT). Die jüngsten Ereignisse hatten demnach für Russland keine negativen Auswirkungen an der Front. 

    In dem Zusammenhang stellt die NYT unter Berufung auf US-Beamte sowie unabhängige Experten fest, dass es "keine Lücken in der Verteidigung" gegeben habe, die "ausgenutzt werden konnten", keine russischen Einheiten ihre Stellungen am Wochenende verlassen hätten und es "keine Kampfpausen" gegeben habe.  

    Zugleich berichtet die Zeitung, dass Kiew versuchen werde, "das Chaos auszunutzen", das angeblich durch den Wagner-Aufstand entstanden sei.

  • 11:51 Uhr

    DVR-Behörde: Kiews Truppen töteten bisher 32 Donezker Zivilisten mit HIMARS-Raketen


    Durch ukrainischen Beschuss mit HIMARS-Raketen sind in der Donezker Volksrepublik (DVR) im Laufe des Jahres 32 Zivilisten ums Leben gekommen. Dies berichtet Natalja Schutkina, die Leiterin der DVR-Vertretung beim Gemeinsamen Zentrum für die Kontrolle und Koordinierung von Fragen im Zusammenhang mit ukrainischen Kriegsverbrechen. Darüber hinaus seien 145 Menschen verletzt worden.

    Die jüngsten Opfer des HIMARS-Einsatzes hatte die DVR-Behörde am Sonntag gemeldet. Infolge eines Beschusses im Donezker Bezirk Kiewski kamen ein 18-jähriger Mann und eine Frau ums Leben. Fünf Zivilisten kamen mit Verletzungen unterschiedlicher Schwere davon.

  • 11:20 Uhr

    Medien: Strafverfahren gegen Prigoschin nicht eingestellt


    Am Montagmorgen berichten mehrere Medien, dass die Ermittlungen gegen den Chef der Gruppe Wagner Jewgeni Prigoschin offiziell nicht eingestellt worden seien. Diese Information bestätigt auch RT unter Berufung auf eine Quelle bei den Strafverfolgungsbehörden.

    Um das Strafverfahren einzustellen, müsse die Ermittlungsdirektion des Föderalen Sicherheitsdienstes, die es eingeleitet habe, oder die Oberste Militärstaatsanwaltschaft als Aufsichtsbehörde eine entsprechende Entscheidung vorlegen, so die Quelle.

    Zuvor hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärt, dass Prigoschin nach Weißrussland gehe und dass das "Strafverfahren wegen Vorbereitung eines bewaffneten Aufstandes" gegen den Wagner-Chef eingestellt werde.

  • 11:04 Uhr

    DVR-Chef: Russisches Militär stärkt bei Awdejewka eigene Positionen


    Russische Einheiten an der Front bei Awdejewka in der Volksrepublik Donezk (DVR) haben ihre eigenen Positionen verbessert, sodass es nun gewisse Perspektiven gibt. Dies teilt das Interimsoberhaupt der DVR Denis Puschilin im russischen Staatsfernsehen mit. Er sagte:

    "Die Jungs sind entschlossen, diese Ortschaft so schnell wie möglich zu befreien und die Intensität des Beschusses sowohl von Donezk selbst als auch von Jassinowataja sowie Makejewka zu verringern."

    Ukrainische Truppen hatten die unter ihrer Kontrolle stehend Stadt Awdejewka in eines ihrer wichtigsten befestigten Gebiete verwandelt. Von dort aus greifen sie die Regionalhauptstadt Donezk, aber auch die Städte Makejewka, Jassinowataja sowie deren Umgebung an.

  • 10:37 Uhr

    Wagner-Aufstand: Anti-Terror-Maßnahmen in Moskau und weiteren Regionen aufgehoben

    Maßnahmen zur Terrorbekämpfung, die am vergangenen Samstag angesichts des Aufstands der Gruppe Wagner verhängt worden waren, sind in Moskau aufgehoben. Sergei Sobjanin, der Bürgermeister der russischen Hauptstadt, gibt dies auf Telegram bekannt. Er dankt den Einwohnern erneut für das Bewahren der Ruhe und für ihr Verständnis.

    Die Regionalverwaltungen in Moskau Umgebung und im Gebiet Woronesch haben die Maßnahmen ebenfalls aufgehoben.

  • 10:18 Uhr

    Verteidigungsminister Schoigu inspiziert Truppenverband West


    Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu ist zu einer Inspektion in der Zone der militärischen Sonderoperation eingetroffen. Laut einer offiziellen Erklärung besuchte der Minister eine vorgeschobene Führungsstaffel des Truppenverbands West.

    Verbandsbefehlshaber Generaloberst Jewgeni Nikiforow berichtete Schoigu über die Lage an der Front und die Vorgehensweise der ukrainischen Streitkräfte. Darüber hinaus wurde der Verteidigungsminister über die Erfüllung von Kampfaufgaben durch russische Truppen und die Aufstellung von Reserveregimentern für den Truppenverband West informiert.

    Bei einem Treffen mit dem Kommando stellte Schoigu die hohe Effizienz bei der Aufdeckung und Eliminierung militärischer Ausrüstung und Ansammlungen von Kämpfern des Gegners fest. Eine weitere Aufgabe bestehe darin, die aktive Aufklärung fortzusetzen, um Pläne ukrainischer Truppen im Voraus aufzudecken und deren Umsetzung zu verhindern.

    Insbesondere wies Schoigu auf die Organisation umfassender Unterstützung der Soldaten hin, die an der militärischen Sonderoperation beteiligt sind. Bedingungen für eine sichere Unterbringung des Personals seien zu schaffen.

  • 09:47 Uhr

    Ungarns Außenminister: Europa steht wegen Kriegspsychose vor einer Katastrophe


    Europa steuert "leider in jeder Hinsicht" immer weiter auf eine Katastrophe zu, schreibt der ungarische Außenminister Péter Szijjártó in den sozialen Netzwerken. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitiert ihn mit den Worten:

    "Derzeit wäre es noch möglich, eine noch größere Katastrophe zu verhindern und viele Tausend Menschenleben zu retten, aber dafür wäre es notwendig, aus der Kriegspsychose auszubrechen. Aber ich mache mir keine Illusionen, dass dies beim heutigen Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg geschehen wird."

  • 09:21 Uhr

    DVR meldet binnen 24 Stunden 19 Angriffe ukrainischer Streitkräfte

    Die Behörden in Donezk haben innerhalb der vergangenen 24 Stunden 19 Angriffe durch ukrainische Truppen registriert. Demnach wurden auf das Territorium der Volksrepublik mindestens 107 Geschosse abgefeuert. Dabei setzte das ukrainische Militär Mehrfachraketenwerfer, Artilleriegeschütze, 120-Millimater Granatwerfer und Projektile im Kaliber 155 und 152 Millimeter ein. Unter Beschuss gerieten vier Ortschaften einschließlich der Regionalhauptstadt Donezk.

    Bei den Angriffen in der Zeitspanne von 00.00 Uhr am 25. Juni bis 00.00 Uhr am 26. Juni (Ortszeit) sind zwei Zivilisten getötet worden, vier weitere erlitten Verletzungen unterschiedlicher Schwere. Bei dem Beschuss wurden vier Wohnhäuser in Donezk sowie zwei zivile Infrastrukturobjekte beschädigt.

    Am Vortag hatten die Behörden von Donezk 38 Angriffe aus der Ukraine berichtet.

  • 09:05 Uhr

    Australien kündigt millionenschweres Hilfspaket für Ukraine an


    Australien wird der Ukraine weitere Hilfe zur Verfügung stellen, diesmal im Umfang von umgerechnet rund 67 Millionen Euro. Laut einer Erklärung des Premierministers Anthony Albanese umfasst das Unterstützungspaket 70 Militärfahrzeuge verschiedener Typen und die Lieferung von Munition im Kaliber 105 Millimeter.

    Rund sechs Millionen Euro sollen an die Abteilung für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten bei den Vereinten Nationen überwiesen und für humanitäre Hilfe an ukrainische Bürger eingesetzt werden.

    Mit dem neuen Paket steigt die Gesamtunterstützung Australiens für die Ukraine auf rund 438 Millionen Euro, hiervon sind knapp 373 Millionen Euro für Waffenkäufe bestimmt.

  • 08:31 Uhr

    Angriffe der ukrainischen Armee bei Artjomowsk zurückgeschlagen


    Ukrainische Truppen haben mit den Versuchen, eine Offensive auf Artjomowsk in der Donezker Volksrepublik zu starten, keine Erfolge erzielt. Nach Angaben von Andrei Marotschko, Militärexperte und pensionierter Oberstleutnant der Volksmiliz der Lugansker Volksrepublik, soll das ukrainische Militär hierfür Einheiten in Kompaniestärke eingesetzt haben. Gefährdet seien russische Flanken im Nordwesten und Südwesten von Artjomowsk gewesen.

    Artillerie- und Raketentruppen sowie Flugzeuge der russischen Streitkräfte hätten Ansammlungen von Personal und Ausrüstung des Gegners erfolgreich eliminiert, so Marotschko weiter. Alle Angriffsversuche seien abgewehrt worden.

    "Nachdem die ukrainischen Kämpfer Verluste erlitten hatten, mussten sie sich auf Ausgangslinien zurückzuziehen."

  • 08:03 Uhr

    Russische Truppen nehmen Dutzende ukrainische Artilleriestellungen unter Beschuss


    Artilleristen des russischen Truppenverbands Mitte haben rund 30 Artilleriestellungen der ukrainischen Streitkräfte in Richtung Krasny Liman aufgedeckt und unter Beschuss genommen.

    Wie der Pressesprecher der Gruppierung Alexander Sawtschuk betont, sind dabei mehr als 20 Mörsergranatstellungen samt Besatzung eliminiert worden.

    Darüber hinaus hätten Flugzeuge des Truppenverbands mehr als 40 Lufteinsätze durchgeführt. Bei Raketen- und Bombenangriffen seien Stützpunkte und Stellungen sowie Ansammlungen von Ausrüstung, Truppen und Feuerkraft der ukrainischen Streitkräfte getroffen worden.

    Sawtschuk zufolge seien zudem Bewegungen ukrainischer Einheiten in der Volksrepublik Lugansk aufgedeckt worden. Gepanzerte Kampffahrzeuge und zwei Pick-ups, die die Truppen eskortierten, seien zerstört worden. Kräfte des Gegners hätten erhebliche Verluste erlitten.

  • 07:28 Uhr

    Lugansk: Mehr als 50 ukrainische Angriffe binnen einer Woche abgewehrt


    Soldaten des russischen Truppenverbands Süd haben binnen einer Woche mehr als 50 ukrainische Angriffe in Richtung Lugansk zurückgeschlagen. Dies berichtet Andrei Marotschko, Militärexperte und pensionierter Oberstleutnant der Volksmiliz der Lugansker Volksrepublik, gegenüber TASS. Dabei sollen die russischen Streitkräfte etwa 2.600 ukrainische Soldaten und ausländische Söldner eliminiert haben.

    Darüber hinaus betonte Marotschko, dass in der vergangenen Woche die Aktionen von 33 ukrainischen Sabotagegruppen unterbunden worden seien. Ein Zug der ukrainischen Streitkräfte soll sich fast vollständig ergeben haben und sei gefangengenommen worden.

    "Mehr als 70 Fahrzeuge und 80 verschiedene gepanzerte Kampffahrzeuge wurden zerstört. Außerdem wurden 34 gezogene und selbstfahrende Artilleriesysteme getroffen."

  • 25.06.2023 21:00 Uhr

    21:00 Uhr

    Damit beenden wir für heute den Live-Ticker zur Lage im Ukraine-Konflikt. Morgen früh ab 7 Uhr geht es mit der Berichterstattung weiter. Wir wünschen unseren Lesern trotz aller Spannungen in der Welt eine gute Nacht!

  • 20:50 Uhr

    Kiew zieht Teilnahme Lukaschenkos an Gesprächen mit Russland in Betracht

    Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtet, hat der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Aleksei Danilow, auf seiner Facebook-Seite erklärt, dass der belarussische Präsident Aleksander Lukaschenko an den Gesprächen über die Beilegung des Konflikts in der Ukraine teilnehmen könnte. Danilow schrieb dazu:

    "Die eigentliche Gruppe der zukünftigen russischen Vermittler mit der Ukraine gibt es bereits, sie bleibt aber vorerst im Schatten, wobei die Teilnahme Lukaschenkos an dem Prozess nicht ausgeschlossen ist."

  • 20:28 Uhr

    "Zimmer auf der Krim gebucht": Sacharowa antwortet dem tschechischen Außenminister


    Während des Aufstandes der Wagner-Gruppe erklärte der tschechische Außenminister Jan Lipavský spöttisch:

    "Ich sehe, mein Sommerurlaub auf der Krim rückt näher."

    Jetzt ‒ nachdem der Konflikt beigelegt ist ‒ kommentiert die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, die Aussage und weist darauf hin, dass für den ausländischen Diplomaten ein Zimmer auf der Halbinsel gebucht wurde. Auf ihrem Telegram schreibt sie:

    "Ich gehe davon aus, dass Jan zu seinem Wort steht. Das Zimmer ist gebucht. Wir warten."

  • 20:04 Uhr

    Zwei Dutzend Häuser im Gebiet Woronesch durch Feuergefecht bei Wagner-Durchfahrt beschädigt

    Fast 20 Häuser wurden bei einer Schießerei beschädigt, die sich am Samstag während der Durchfahrt eines Konvois der Wagner-Gruppe durch das Gebiet Woronesch ereignete, berichtet die NachrichtenagenturTASS. Laut der Agentur erzählte der Leiter des Pawlowski-Bezirks des Gebiets, Maksim Janzow, auf seinem Telegram:

    "Infolge der Schießerei, die am 24. Juni in der Nähe der Ortschaft Elisawetowka im Pawlowski-Bezirk stattfand, als ein Konvoi der Gruppe Wagner durch unseren Bezirk fuhr, wurden 19 Haushalte des Dorfes beschädigt. Es besteht keine Gefahr für die Bausubstanz von Häusern oder Nebengebäuden."

    Der Beamte fügte hinzu, dass die Gegend derzeit begutachtet werde und dass die Menschen anschließend Hilfe erhalten werden, damit der Schaden ersetzt oder behoben wird.

  • 19:39 Uhr

    Vučić: Putin verhinderte dank seiner Autorität ein negatives Szenario


    Der russische Präsident Wladimir Putin sei die einzige Person, die das negative Szenario des Wagner-Aufstandes hätte verhindern können. Dies erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vučić in einem Interview mit dem Fernsehsender Pink. Dazu merkte er an:

    "Putin hat mit seiner persönlichen Botschaft und seiner scharfen und starken Haltung gestern die Sache gestoppt. Niemand, der heute lebt, hätte das aufhalten können."

    Vučić betonte, dass der weißrussische Präsident Aleksandr Lukaschenko einen ernsthaften Beitrag zur Lösung der Situation geleistet habe, aber "es war Putin, der sie gestern beendet hat".

  • 18:41 Uhr

    La Repubblica: NATO kontaktierte russisches Verteidigungsministerium wegen Wagner-Aufstand


    Laut der italienischen Zeitung La Repubblica gab es "informelle Kontakte" zwischen dem NATO-Bündnis und dem russischen Verteidigungsministerium über die Situation mit dem Aufstand der Wagner-Gruppe. Die Hauptsorge der Bündnisvertreter galt der Gefahr einer nuklearen Eskalation – die Rede war von mehr als 1.400 sofort einsatzbereiten Atomsprengköpfen Russlands. Wie in dem Artikel der Zeitung behauptet wird, wollte der Westen sofort klarstellen, dass man selbst bei dem Aufstand keine Rolle spiele.

    Der Zeitung zufolge waren die Vermeidung des Risikos einer Eskalation und "die Vermeidung eines nuklearen Vorfalls" die zentralen Themen der Gespräche zwischen "US-Präsident Joe Biden und führenden europäischen Staats- und Regierungschefs".

  • 18:23 Uhr

    In Bulgarien brennt Lagerhaus eines Waffenlieferanten für die Ukraine nieder

    Nach Meldungen des bulgarischen Rundfunksenders BNR ereignete sich jetzt im bulgarischen Karnobat innerhalb eines Jahres schon der zweite Brand in einem Munitionsdepot, das dem Unternehmer Emilian Gebrew gehört. Gebrew hatte im Jahr 2014 auf dem Höhepunkt des Konflikts im Osten der Ukraine Waffen an Kiew geliefert. Dem jüngsten Brand war eine Reihe von Explosionen vorausgegangen. Es wurde niemand verletzt, aber das Lagerhaus brannte vollständig aus.

    Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtet dazu unter Berufung auf BNR:

    "Nach Angaben der Polizei untersucht die nationale Sicherheitsbehörde diesen Vorfall. Es sei unklar, ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Bränden gebe, sagte Gebrew.
    Die
    Zeitung New York Times berichtete im Jahr 2021, dass Gebrew zugegeben hatte, auf dem Höhepunkt des Konflikts im Osten des Landes im Jahr 2014 Waffen an die Ukraine geliefert zu haben und bestätigte auch, dass er Munition in Lagerhäusern in der tschechischen Stadt Vrběticegelagert hatte."

  • 17:47 Uhr

    Putin überwacht Lage an der Front rund um die Uhr


    Der russische Präsident Wladimir Putin hat erklärt, dass er die Lage an der Front rund um die Uhr überwacht. Der Staatschef äußerte das in einem Interview für die Sendung "Moskau. Kreml. Putin" auf dem Fernsehsender Rossija 1 am 21. Juni. Auf die Frage des Journalisten Pawel Sarubin, wie viel Zeit der Präsident dem Verlauf der Spezialoperation widme, sagte Putin:

    "Damit beginnt mein Tag, und damit endet er. Natürlich hat das für mich höchste Priorität."

    Auf die Frage, ob er beispielsweise um drei Uhr morgens einen Bericht über wichtige Themen entgegennehmen könnte, antwortete der Präsident, dass er ohnehin "in letzter Zeit ziemlich lange aufbleibt" und ergänzte:

    "Natürlich muss ich immer in Kontakt bleiben. Und das passiert auch so. Ich bin immer in Kontakt, ich bin da."

  • Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

    Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
    Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
    Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.


    Info: https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2023

    Der Wagner-Marsch auf Moskau zeigt, warum Russland die NATO in der Ukraine nicht dulden kann

    Von Anton Gentzen

    Am Sonnabend hat ganz Russland den Atem angehalten und die Kilometer gezählt, die die Wagner-Söldner noch von der Hauptstadt entfernt waren. Das wird vielen Russen in Erinnerung gerufen haben, wie nah die Ukraine ist. Sie werden nun noch stärker zu ihrem Präsidenten und ihrer Armee im Existenzkampf gegen die NATO halten.


    Quelle: Sputnik © RIA Nowosti / FSB


    Symbolbild.


    Als am 24. Juni die Kolonnen der Wagner-Fahrzeuge und -Söldner scheinbar ungehindert auf Moskau zurollten, deutete sich das Szenario an, das Russland am meisten fürchtet und das es auch um den Preis der nuklearen Apokalypse nicht zulassen wird: Kolonnen der NATO, die sich von der russisch-ukrainischen Grenze ausgehend ähnlich rasant auf die Hauptstadt und das Herz des Landes zubewegen.


    Ein Blick auf die Landkarte genügt: Die Ukraine sitzt einem ausgewachsenen Geschwür gleich im weichen Bauch Russlands. Von der russisch-ukrainischen Grenze sind es nur wenige hundert Kilometer bis Moskau, aber auch zu so strategisch wichtigen Punkten wie Wolgograd (das ehemalige Stalingrad), Rostow am Don ("das Tor zum Kaukasus"), dem Kaukasus selbst.


    Nukleare Abschreckung: In Russland sucht man nach Wegen, sie wieder glaubhaft werden zu lassen




    Meinung

    Nukleare Abschreckung: In Russland sucht man nach Wegen, sie wieder glaubhaft werden zu lassen





    Dabei hat die russisch-ukrainische Grenze sogar in der vom Westen anerkannten Konfiguration vor 2014 die Länge von fast zweitausend Kilometern. Es ist schlichtweg unmöglich, sie auf ihrer gesamten Länge effektiv gegen einen gleichstarken oder stärkeren Feind zu verteidigen, zumal es der Angreifer ist, der auswählt, wo er den Hauptstoß führt und dank gut ausgebauter Infrastruktur in der Ukraine auch noch seine Kräfte in kürzester Zeit verlegen kann. Russland muss dagegen bei seiner Logistik längere Wege in Kauf nehmen, die um den Körper der Ukraine herum gelegt sind.


    Hinzu kommt, dass zwischen der Ukraine und Moskau keine nennenswerten natürlichen Hindernisse wie Berge oder größere Flüsse existieren, auf die man eine feste Verteidigungslinie stützen könnte oder die den Vormarsch eines Angreifers substantiell verzögern würden. Sicherlich wären die Wagner-Kolonnen irgendwo am Fluss Oka gestoppt und vernichtet worden, hätten sie ihren Vormarsch am Sonnabend fortgesetzt. Aber die NATO ist auch nicht die Wagner-Gruppe und kann um ein Hundertfaches mehr an Technik und Manneskraft aufbringen, ohne sich zu übernehmen.


    Wenn es der NATO also gelingt, sich in der Ukraine festzusetzen, dann ist sie in einer Ausgangsposition für den vom Westen fest geplanten (nein, die Europäer sind nicht "die Guten", waren sie nie und sind es auch heute nicht) Eroberungskrieg, von der Hitler nur träumen konnte. Der Sieg in einem konventionellen Krieg ist dem westlichen Bündnis dann praktisch garantiert. Auch Hitler hätte unter solchen Ausgangsvoraussetzungen wahrscheinlich gesiegt. Zumindest Moskau eingenommen.



    Der Leser wird einwenden, dass ein Krieg zwischen der NATO und Russland kein konventioneller sein wird. Nun, das hängt erstens davon ab, wie erfolgreich ein US-amerikanischer Erstschlag ausfallen wird und über wie viel nukleares Potenzial Russland danach noch verfügt. Und hier, und das ist der zweite und entscheidende Punkt, bringen amerikanische Raketen und Startrampen bei Charkow und Donezk der NATO den alles entscheidenden Vorteil für den Atomkrieg, der sie auch dazu verleiten könnte, tatsächlich loszuschlagen.


    Weiterer Tabubruch: USA denken offen über Atomwaffen für die Ukraine nach




    Analyse

    Weiterer Tabubruch: USA denken offen über Atomwaffen für die Ukraine nach






    Da sind zum einen die Anflugzeiten: Von Charkow aus sind amerikanische Atomraketen schneller in Moskau, als ein Mensch die Situation zur Kenntnis nehmen, analysieren und angemessen reagieren kann. Das führt übrigens auch dazu, worauf Scott Ritter immer wieder zu Recht hinweist, dass die Neigung zunehmen wird, in einer unklaren Situation den "roten Knopf" lieber sofort zu drücken, statt mit kühlem Kopf zu analysieren oder mit Washington zu telefonieren. Die Gefahr von Fehleinschätzungen und fatalen Reaktionen auf Harmloses steigt. Schlimmer noch: Die Entscheidung über die Auslösung des "Vergeltungsschlags" könnte einer künstlichen Intelligenz übertragen werden, mit unabsehbaren Folgen.


    Noch mehr Sorgen macht russischen Militärstrategen der zweite Aspekt: Russische Trägerraketen sind in der Startphase am verwundbarsten. Können die USA ihre Luftabwehr so installieren, dass ihre Abfangraketen rechtzeitig am Abschussort sind, um die russischen nuklearen Träger dort abzufangen, brauchen sie den russischen Vergeltungsschlag gar nicht mehr zu fürchten (außer vielleicht durch die jüngsten "Spielzeuge", deren Wirkung aber die Zyniker in Washington durchaus auch einkalkuliert und als hinnehmbar befunden haben  könnten).


    Von den bisherigen Stellungen in Polen und Rumänien, Westeuropa und den USA selbst ist ein solcher, nahezu hundertprozentiger Erfolg nicht erreichbar. Die Mehrzahl der russischen Startrampen ist zu weit entfernt: an der Wolga sowie am und hinter dem Ural. Der Leser kann es sich denken: Im Osten der Ukraine muss die strategische amerikanische Luftabwehr stehen, damit die Kalkulationen der Weltkriegsplaner in Washington aufgehen. Auch darum wird derzeit gekämpft.


    All das zeigt, dass Russland sich nicht nur im Überlebenskampf sieht, sondern es auch objektiv um seine Existenz geht. Mit dem Griff nach der Ukraine haben die USA, EU und NATO den Rubikon überquert und sind in die aktive Phase der Kriegsvorbereitungen eingetreten, auf die Russland reagieren musste und eher noch zu zurückhaltend reagiert. Ein Recht auf dieses Vorgehen, Russland strategisch so in die Ecke zu treiben, dass es nicht zu verteidigen und dem kollektiven Westen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein wird, haben Brüssel und Washington nicht. Sie sind der Aggressor in diesem Konflikt und sollten auch als solche wahrgenommen werden.

     

    Und die Ukraine? Hat sie nicht das Recht, ihr Schicksal frei zu wählen? Nun, erstens hat die Ukrainer selbst bislang niemand gefragt. Es gab kein Referendum über die außenpolitische Orientierung des Landes. Über die Assoziierung mit der EU wollte übrigens 2013 die "prorussische" Kommunistische Partei abstimmen lassen, die Proeuropäer waren strikt dagegen und haben die Bestrebungen der KPU, ein Referendum zu initiieren, mit Erfolg blockiert. Das sagt viel darüber aus, wie das Ergebnis ‒ zumindest damals ‒ ausgefallen wäre.


    Schutz vor "Bedrohungen": Bereitet sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vor?





    Schutz vor "Bedrohungen": Bereitet sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vor?






    Und, zweitens, nein. Die Ukraine hat nicht das Recht, alles zu tun, was ihr in den Sinn kommt. Wie jeder Nachbar muss auch sie die legitimen Interessen ihrer Nachbarn, des größten allemal, achten und hüten. Was würden Sie denn von einem Nachbarn halten, der in seiner Wohnung Explosionen durchführt oder einer Bande von Räubern und Einbrechern die Hausschlüssel überlässt?


    Am Sonnabend hat nicht nur Moskau, es hat ganz Russland den Atem angehalten und die Kilometer gezählt, die die Wagner-Söldner noch von der Hauptstadt entfernt waren. Das wird vielen Russen in Erinnerung gerufen haben, wie schnell die nur scheinbar riesigen Entfernungen im Land überwunden werden können und wie nah die Ukraine doch ist. Auch den letzten Zweiflern am Sinn der militärischen Sonderoperation werden die Zweifel nun vergangen sein. Das russische Volk wird nun noch näher mit seinem Präsidenten und seiner Armee zusammenrücken und den Kampf als das ansehen, was er tatsächlich ist: als einen nationalen und persönlichen Überlebenskampf.


    Was den Westen angeht, so täte er längst gut daran, sich zurückzuziehen, aus einem Land, in dem er gerechterweise nichts zu suchen hat. Wenn er denn tatsächlich Frieden will, was ich bezweifle. Die Grundlage des Friedens in Europa ist die Einsicht, dass Europa an der Curzon-Linie endet. Jetzt und für alle Zeiten.


    Mehr zum Thema - Das verratene Wunder: Was die Geschichte Deutschland nach 1945 lehren wollte


    RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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    Info: https://freeassange.rtde.life/meinung/173604-wagner-marsch-auf-moskau-zeigt


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    26.06.2023

    Putin ordnet Realitätsprüfung an - Keine Ukrainer mehr auf dem Schlachtfeld, keine Souveränität in Kiew

    seniora.org, 26. Juni 2023, John Helmer 24. Juni 2023 - übernommen von johnhelmer.net

    (Red.) Der kurze Spuk von Prigoschins "Marsch auf Moskau" ist zuende. Prigoschin ist im Hausarrest bei Lukaschenko. Die meisten Wagner-Kämpfer kämpfen weiter an der Front. Wladimir Putin und seine Regierung haben dieses Abenteuer kurz und bündig und vor allem unblutig ad acta gelegt. Während dessen sind die in dem anliegenden Essay dargestellten Äusserungen von Putin, Lawrow und Schoigu in der westlichen Presse weitestgehend untergegangen. Sie zeigen aber die Entschlossenheit Russlands und die Perspektiven für die Zukunft für die "Ukraine" auf. Der kollektive Westen kann sich noch so sehr darüber aufregen - Russland wird ihnen zeigen - wie die Bayern sagen - "wo der Bartl den Most holt"...

    In kurzen Erklärungen, die Ende vergangener Woche in Moskau abgegeben wurden und deren Bedeutung von der westlichen Presse übersehen wurde, ordnete Präsident Wladimir Putin einen Realitätscheck der russischen Kriegsstrategie an. Dann antwortete er selbst, indem er erklärte, der Krieg sei zu Ende, wenn keine ukrainische Armee und keine NATO-Waffen mehr auf dem Schlachtfeld seien.

    Das Außenministerium antwortete mit dem Hinweis, dass Russland die Existenz eines rechtmäßigen ukrainischen Staates nicht anerkennt, da der Vertrag über die gegenseitige Anerkennung zwischen Russland und der Ukraine in den Jahren 2018 und 2019 von den Präsidenten Petro Poroschenko und Wladimir Zelenski gekündigt wurde.

    "Wir können schlussfolgern", sagte Putin auf der Sitzung des Sicherheitsrates am Donnerstagmorgen, "dass sie sicherlich zusätzliche Ausrüstung schicken können, aber die Mobilisierungsreserve ist nicht unbegrenzt. Und die westlichen Verbündeten der Ukraine scheinen wirklich entschlossen zu sein, mit Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Gleichzeitig müssen wir von der Tatsache ausgehen, dass das Offensivpotenzial des Gegners noch nicht ausgeschöpft ist; er verfügt möglicherweise noch über ungenutzte strategische Reserven, und ich bitte Sie, dies bei der Ausarbeitung von Kampfstrategien im Auge zu behalten. Sie müssen von der Realität ausgehen."

    Diese Äußerung von Putin folgte nur wenige Stunden nach der Erklärung des Außenministeriums, dass Russland die rechtliche Souveränität des Regimes in Kiew nicht anerkennt und dass es nach der Kündigung des Vertrags zwischen der Ukraine und Russland im Jahr 2019 keinen ukrainischen Staat mehr geben wird, der ein Abkommen zur Beendigung des Krieges unterzeichnen könnte.

    Bei ihrem wöchentlichen Briefing für Reporter wurde die Sprecherin des Ministeriums, Maria Zakharova, gefragt: "Wann wird Russland ein juristisches Verfahren einleiten, um den bilateralen Vertrag mit der Ukraine über seine Souveränität zu beenden?" Zakharova antwortete: "Das Verfahren zur Beendigung des bilateralen Vertrages mit der Ukraine über ihre Souveränität wird durch das Fehlen eines solchen Vertrages erschwert. In Artikel 1 des Vertrags über die Grundsätze der Beziehungen zwischen der RSFSR und der Ukrainischen SSR vom 19. November 1990 erkannten sich die beiden Republiken gegenseitig als ‘souveräne Staaten’ an. Der Vertrag von 1990 wurde dann durch den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine vom 31. May 1997 (Artikel 39) ersetzt, der von der Ukraine gekündigt wurde und am 1. April 2019 auslief."

    Keine Armee, kein Staat. Aber der Krieg wird weitergehen, denn es ist der Krieg zwischen den USA und den NATO-Mächten und Russland. Auch der wird ein Ende haben, aber später.

    "Wenn [NATO-Generalsekretär] Stoltenberg erneut im Namen der NATO sagt, dass sie gegen ein Einfrieren des Konflikts in der Ukraine sind", sagte Außenminister Sergej Lawrow am 21. Juni, "bedeutet das, dass sie kämpfen wollen. Sollen sie doch kämpfen. Wir sind dazu bereit. Wir haben die wahren Ziele der NATO in der Ukraine schon vor einiger Zeit erkannt, als ihre Pläne in den Jahren nach dem Putsch Gestalt annahmen. Heute versucht die NATO, sie in die Tat umzusetzen ... sie ist direkt in den hybriden und heißen Krieg verwickelt, der Russland erklärt wurde."

    Lawrow fügte hinzu: "Ich fühle mich an einen Witz aus der Sowjetzeit erinnert, der besagt, dass die Sowjetunion zu nahe an den US-Militärbasen liegt." Die Sowjetunion wurde aufgelöst, aber der Krieg gegen Russland geht weiter. Er wird enden, wenn die USA in eine sichere Entfernung gedrängt werden. Putin bat Verteidigungsminister Sergej Schoigu darum, mit der Antwort auf zwei Fragen zu erklären, wie groß diese Sicherheit ist.

    Putins Frage: "Wir wissen, dass der Feind zusätzliche westliche Ausrüstung erhalten soll. Was denkt das Verteidigungsministerium über die Bedrohungen in diesem Zusammenhang?"

    Schoigus Antwort: "Alle Arsenale, die von der Sowjetunion und den Ländern des ehemaligen sozialistischen Blocks angehäuft wurden, sind jetzt praktisch erschöpft. Das Gleiche können wir über die ehemaligen ukrainischen Ressourcen sagen... die Menge, die im Laufe des Jahres 2023 geliefert werden soll, sowie die Waffen, die bereits geliefert wurden, werden den Verlauf der Feindseligkeiten nicht ernsthaft beeinflussen. Hinzu kommt, dass die meisten gepanzerten Fahrzeuge und Kampffahrzeuge der vorherigen Generation oder sogar einer früheren Generation angehören. Zum einen ist ihre Panzerung im Vergleich zu moderner Ausrüstung schwach und unwirksam. Herr Präsident, wir sehen hier keine Bedrohung."

    Frage: "Herr Schoigu, wie hoch ist der prozentuale Anteil westlicher Ausrüstung an der seit dem 4. Juni zerstörten Ausrüstung, über die Herr Patruschew soeben mit allgemeinen Angaben berichtet hat? Ungefähr."

    Antwort: "Von den 246 zerstörten Panzern waren 13 aus westlicher Produktion. Gleichzeitig ist festzustellen, wenn wir die gelieferte Ausrüstung betrachten, insbesondere Panzer: Es wurden 81 Panzer aus westlicher Produktion geliefert. Von den 81 westlichen Panzern sind 13 [16%] zerstört worden. Von den gepanzerten Kampffahrzeugen sind 59 westliche Fahrzeuge zerstört worden. Bis heute haben westliche Länder schätzungsweise 109 gepanzerte Kampffahrzeuge vom Typ Bradley an die Ukraine geliefert. Von den 109 Kampfpanzern wurden 18 [17%] zerstört. Insgesamt wurden 59 gepanzerte Fahrzeuge aus westlicher Produktion zerstört. Was die Feldartillerie und die Geschütze angeht, so kann ich natürlich sofort schätzen, dass von den 48 zerstörten Geschützen etwa 30 Prozent aus westlicher Produktion stammen."

    Die "Realität" ist, so schlussfolgerte Putin, nicht für Schoigu oder den Generalstab, sondern öffentlich, dass der Prozentsatz der auf dem Schlachtfeld zerstörten NATO-Waffen stark ansteigen wird, weil "das Offensivpotenzial des Feindes noch nicht ausgeschöpft ist; er verfügt möglicherweise über noch ungenutzte strategische Reserven". Wenn diese Reserven besiegt sind, wird es weder NATO-Waffen noch ukrainische Soldaten geben.

    Die Bedeutung dieser Neuausrichtung der russischen Kriegsziele wurde durch die Prigozhin Affaire für einige Stunden in den Hintergrund gedrängt.

    Die Rückkehr der Wagner-Kolonnen zu ihren Stützpunkten in Lugansk, die Auflösung von Wagner durch das Verteidigungsministerium und der Abzug von Prigoschin in den Hausarrest in Weißrussland lenken vom Schlachtfeld und der Kriegsstrategie des Generalstabs ab. Wenn Prigozhin das Schweigen, den fehlenden Zugang zu seinem angehäuften Vermögen und den Verlust seiner Bewegungsfreiheit nicht erträgt, könnte er einen Ausbruch nach Afrika versuchen, um seine Rückkehr in die russische Politik zu planen. Er wird sich auch des Präzedenzfalls Lebed bewusst sein   – und dass Hubschrauberflüge gefährlich sind.

    Russische Militärquellen glauben, dass der Ausgang des einarmigen Aufstandes für die wichtigsten Entscheidungsträger, darunter Putin und Schoigu, heilsam sein wird; am wenigsten für den Generalstab und seinen Chef, General Waleri Gerassimow, die sich mit einem größeren politischen Einfluss auf den Kreml aus der Affäre gezogen haben. Einer Moskauer Quelle zufolge "wird der Präsident jetzt, da der Generalstab ihn gerettet hat, dem General Geduld erlauben, seine Arbeit fortzusetzen, so wie die Generäle Iskander und Kinzhal ihre Arbeit jetzt zu tun scheinen".


    Präsident Putin bei einem Besuch im Hauptquartier der Dnjepr-Kampfgruppe in der Nähe der Cherson-Front am 18. April. Tass berichtete: "Während seines Besuchs im Hauptquartier der Dnepr-Kampfgruppe in der Nähe der Cherson-Front hörte Wladimir Putin die Berichte des Kommandeurs der Luftlandetruppen, Generaloberst Michail Teplinski [links], des Kommandeurs der Dnepr-Kampfgruppe, Generaloberst Oleg Makarewitsch [rechts], und anderer Feldkommandeure."

    Die letzte Bemerkung bezieht sich auf Angriffe mit Langstreckenraketen auf ukrainische Kommandozentralen, Flugplätze, Munitions- und Treibstoffreserven und NATO-Lager. Nachdem Schoigu am 20. Juni öffentlich vor Enthauptungsschlägen gewarnt hatte, falls die Ukrainer Ziele auf der Krim und in anderen russischen Regionen angriffen, und es am 22. Juni zu einem Angriff mit Storm Shadow-Marschflugkörpern auf die Tschongar-Brücke auf der Krim kam, meldete das Verteidigungsministerium, dass es am 23. Juni eine Salve abgefeuert habe, "als Antwort auf einen Angriff auf eine Straßenbrücke über die Chongar-Meerenge [sowie] die Zerstörung eines Lagers mit Storm Shadow-Marschflugkörpern auf einem ukrainischen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe der Siedlung Starokonstantinow in der Region Chmelnizki. "


    Links: Rakete explodiert beim Einschlag auf der Chongarsky-Brücke am 22. Juni; rechts: Einschlagkrater auf der Fahrbahn der Brücke. Quelle: https://www.dailymail.co.uk

    Was die Auswirkungen der Progoschin-Affäre auf die Kriegsführung angeht, so lag die Einschätzung, die in der Sendung einige Stunden vor dem Ende der Affäre geäußert wurde, zwischen fast nichts und nicht sehr viel. Die Ziele "keine ukrainische Armee, keine NATO-Waffen, kein Kiewer Staat" sind jetzt noch wichtiger.

    Ein NATO-Veteran kommentiert, was er als nächstes an der Front erwartet. "Die Ukrainer werden ein Problem damit haben, sich an der Front zurückzuziehen und zu einer konventionellen Verteidigung überzugehen. Ich habe festgestellt, dass die Russen, insbesondere an der Front zwischen der Lugansker Volksrepublik und Charkow, erhebliche Kräfte zusammengezogen haben und Druck ausüben. Dies veranlasst die Ukrainer dazu, ihre Kräfte zu verlagern und in das Gebiet zu verlegen, um entweder die Russen aufzuhalten oder durch einen Angriff die Initiative zu ergreifen. Solange sie nicht bereit sind, Gebietsverluste hinzunehmen, um ihre Reserven zu schonen   – und das scheint nicht der Fall zu sein   –, werden sie an der Front weiter aufgerieben werden. Währenddessen wird ihre Logistik durch russische Angriffe, die zu einem großen Teil aus billigen, vom Iran entwickelten und mit Raketen bestückten Drohnen bestehen, in immer größerem Umfang und Tempo zusammenbrechen.

    "Die Stossrichtung bewegt sich weg von der taktischen Bataillonsgruppe als Dreh- und Angelpunkt der Operationen und zurück zu Formationen auf Divisionsebene. Die an der Charkow-Front aufgebauten Kräfte sind ein Indiz dafür. Wenn Ihr Feind weiß, wie Sie auf grundlegender Ebene denken, ist es für ihn eine Kleinigkeit herauszufinden, was Sie als nächstes tun werden. Danach geht es darum, wie man den Feind dazu bringt, etwas bestimmtes zu tun, wann und wo man will. Ich werde Charkow weiter beobachten."

    Hören Sie sich die Präsentation im dritten Segment von TNT Radio's War of the Worlds an, ab Minute 46:

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    Quelle: https://tntradiolive.podbean.com/ [16]


    Quelle:  https://johnhelmer.net/ - Dances With Bears -


    Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


    Info: https://seniora.org/index.php?option=com_acymailing&ctrl=url&subid=3998&urlid=4217&mailid=1821


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2023

    Der mysteriöse Aufstieg der AfD

    freeassange.rtde.life, 26 Juni 2023 06:15 Uhr, Von Isaak Funke

    Das Establishment kann sich denn rasanten Aufstieg der AfD nicht erklären oder greift zu absurden Theorien. Dabei liegen die Gründe auf der Hand. Wenn die Politik wirklich einen weiteren Aufstieg der Partei verhindern will, müsste sie jene Probleme angehen, die die Bürger umtreiben.


    Quelle: Gettyimages.ru © Martin Schutt/dpa


    Straßenszene im thüringischen Sonneberg: Bei den Landratswahlen am Sonntag hat AfD-Kandidat Robert Sesselmann eine echte Chance auf einen Sieg gegen Jürgen Köpper (CDU).


    Plötzlich ist der rasante Aufstieg der "Alternative für Deutschland" (AfD) in aller Munde. In Umfragen liegt die rechtskonservative Partei bundesweit zwischen 18 und 19 Prozent. In Thüringen konnte sie zuletzt sogar bis zu 30 Prozent erreichen und liegt damit vor allen anderen Parteien. Wie immer sind die Mainstreammedien am Verzweifeln, wie sie sich diesen Aufstieg erklären sollen.

    Die einen versuchen zu beschwichtigen und verweisen auf die Fehlertoleranz von Umfragen, die bei einigen Prozentpunkten liegt. Es handle sich demnach möglicherweise nur um eine statistische Abweichung – kein Grund zur Sorge, weitermachen wie gehabt! Doch ist der Trend der Erstarkung der AfD ein langfristiger. Bei den letzten Bundestagswahlen lag die Partei bei knapp über 10,3 Prozent, jetzt kratzt sie an der 20-Prozent-Marke. Das ist mitnichten nur eine Abweichung im Rahmen der statistischen Fehlertoleranz, sondern spiegelt echte gesellschaftliche Trends wider.

    "Maischberger": Ein AfD-Mann und der Auftrag des deutschen Journalismus




    Analyse

    "Maischberger": Ein AfD-Mann und der Auftrag des deutschen Journalismus






    Die anderen geben den Unionsparteien und/oder der FDP die Schuld und behaupten, diese hätten "rechtspopulistische Narrative normalisiert". Ähnliche Vorwürfe werden an die Medien gerichtet, die durch ihre Berichterstattung über die Flüchtlingsthematik und dadurch, dass sie der AfD eine Plattform gegeben haben, der Partei Unterstützung gesichert hätten.


    Diese Theorien gehen jedoch in die völlig falsche Richtung. Die überwältigende Mehrheit der Menschen ist nämlich nicht so blöd, dass es reichen würde, ihnen eine beliebige Propaganda oder irgendein "Narrativ" aufzutischen, damit sie erstere akzeptieren. Zwar können Medien durchaus das Stimmungsbild beeinflussen; wären sie jedoch allein ausschlaggebend, würde sich jede Regierung mit genug Medienunterstützung praktisch unbegrenzt an der Macht halten können. Allerdings kam es in der Geschichte immer wieder zu Umstürzen und zum Scheitern solcher Regierungen, sodass man diese Idee getrost fallen lassen kann. Die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Menschen hat einen viel größeren Einfluss auf ihre Gedanken.


    Zudem wäre es eine grobe Verzerrung, würde man behaupten, die AfD sei bewusst vom Establishment gefördert worden. Das Gegenteil ist der Fall: Jahrelang grenzte sich die Union unter Merkel vehement von der AfD ab – und trotzdem konnten die Rechtskonservativen ihre Unterstützungsbasis immer weiter ausbauen.


    Auch hinsichtlich der Medien liegt auf der Hand, dass diese die AfD unablässig kritisierten und verteufelten. Wenn die AfD überhaupt erwähnt wurde, dann im Allgemeinen mit kritischem Unterton. Die deutschen Medienvertreter sind überwiegend Anhänger der Grünen. Eine große Mehrheit der Journalisten liebäugelt mit Rot-Grün. Die Behauptung, die hohen Umfragewerte der AfD seien vor allem damit zu erklären, dass sie von den anderen Parteien oder den Medien künstlich gefördert wird, ist absurd.


    Weidel als Kanzlerin? AfD will bei Bundesparteitag Kandidat nominieren – CSU-Chefin fordert Verbot





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    Wer in den letzten Monaten regelmäßig und aufmerksam die Nachrichten verfolgte, wird den echten Grund für den weiteren Aufstieg der AfD leicht ausmachen können. Immer wieder klagten Kommunalpolitiker über große Probleme bezüglich der Einwanderungspolitik und forderten Unterstützung. Sie warnten auch explizit davor, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte.


    Sogar grüne Kommunalpolitiker sahen diese Gefahr. So warnte etwa Jens Marco Scherf, Landrat des Landkreises Miltenberg in Bayern, Anfang Februar im Interview mit der FAZ, dass man die Flüchtlinge, die im Jahr 2022 aufgenommen wurden, nicht mehr versorgen könne. Es mangele an Wohnraum und Personal. Durch die mangelnden Ressourcen werde die Integration "zum Zufallsprodukt". In Abgrenzung zu den geflügelten Worten Angela Merkels aus dem Jahr 2015 beteuerte er:

    "Wir schaffen das nicht."

    In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte Scherf, die Asylmigration zu begrenzen. Ebenfalls Anfang Februar hatten mehrere Kommunalpolitiker aus verschiedenen Parteien einen Brandbrief an Scholz geschickt, indem sie forderten, die Migration zu begrenzen und zu steuern. Am Ende des Briefes forderten sie:

    "Führen Sie Menschen, die sich unrechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, auch aktiv zurück, damit wir unsere Ressourcen für die einsetzen können, die wirklich unserer Hilfe bedürfen!"

    Die Menschen sehen die Probleme vor Ort in ihren Kommunen und erwarten eine Lösung vom Staat. Dieser jedoch versteckte sich viel zu lange und versuchte stattdessen, zu beschwichtigen. "Wir schaffen das!", lautet immer noch die Parole. Statt die Sorgen der Bürger anzusprechen und ernst zu nehmen, verteufeln Politik und Medien diese.


    Während die Kommunen sich immer lauter über die Probleme bei der Migration beschwerten, war die Bundesregierung unter maßgeblichem Einfluss der Grünen vor allem damit beschäftigt, das unpopuläre und antisoziale Heizungsgesetz durchzupeitschen. Für Millionen Eigentümer, aber auch Mieter älterer Immobilien, würde die Einführung dieses Gesetzes hohe Kosten verursachen – ausgerechnet in einer Zeit, in der nicht nur die Unterschicht, sondern zunehmend auch die Mittelschicht finanziell bedrängt ist. Durch den Ukraine-Krieg, die ökonomische Abkoppelung von Russland, die steigenden Energiepreise und die rekordverdächtige Inflation, die vor allem Güter des täglichen Bedarfs verteuert, werden die Abstiegsängste der Massen noch weiter angefacht.


    Greifswald: Bürger sagen Nein zu Containerdorf für Flüchlinge





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    Ist es denn nun wirklich überraschend, dass sich ein Teil der Bürger, nachdem sie immer wieder von den etablierten Medien und Politikern enttäuscht und nicht ernst genommen wurden, einer Partei zuwenden, die verspricht, genau diese Probleme anzugehen?


    Dass sich die Mehrheit dieser Bürger vor allem eine Lösung ebendieser Probleme wünscht und mitnichten ideologisch völlig auf der Linie der AfD und somit nicht einfach als "rechtsextrem" abzustempeln ist, lässt sich daran ablesen, dass als Ursache für die Zuwendung zur AfD in Umfragen immer wieder die Enttäuschung über und der Protest gegen die etablierte Politik genannt wird. Die Bundespolitik hat es also selbst in der Hand, etwas wirklich Wirksames gegen den Aufstieg der AfD zu unternehmen. Und zwar indem sie ihr die brennenden Themen entzieht und die Migrationsproblematik lindert, die antisozialen und freiheitsfeindlichen Maßnahmen im Namen des "Klimaschutzes" einstellt und einen Ausgleich mit Russland anstrebt.


    Von der aktuellen Regierung ist dies jedoch kaum zu erwarten. Somit ist das wahrscheinlichste Szenario, dass die AfD weiter an Zustimmung gewinnt.


    Mehr zum Thema - Die Russophobie wurde zu einem Instrument im innerdeutschen Machtkampf


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    26.06.2023

    Die Rolle der NGOs – oder wie die simulierte Demokratie die reale erdrückt

    freeassange.rtde.life, 26 Juni 2023 07:00 Uhr, Von Dagmar Henn


    Mittlerweile hat man in Deutschland das Gefühl, Politik und öffentliche Meinung wären eine Art Waschmaschinenprogramm. Irgendjemand drückt auf den Knopf, und dann wird eingeseift, gespült und geschleudert, und bei Bedarf geht es in die nächste Runde

    .

    Quelle: www.globallookpress.com © Jutta Prechtel


    Greenpeace-Demonstration: drei Leute, zwanzig Fotografen; Berlin, 21. Juni 2023.


    Warum verbietet Russland den WWF? Warum werden in Deutschland die Klimakleber so viel freundlicher behandelt, als es einst gegenüber jenen üblich war, die Atomwaffenlager blockierten? Und wie kommt es dazu, dass sich inzwischen die politischen Interessen der Reichen vollständig durchsetzen?

    Widerstand: Wir machen das nicht aus Spaß!





    Meinung

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    Diese Themen hängen alle zusammen, und sie haben mit dem Stichwort NGO (Nichtregierungsorganisation) zu tun. Und auch mit einer Entkernung demokratischer Prozesse, die inzwischen auf hohen Touren läuft, mit einem eingebauten Selbstverstärker.


    Dabei muss man zugeben, Demokratie ist langweilig und anstrengend. Sie macht vor allem jenen, die demokratische Entscheidungen vorbereiten, viel Arbeit. Es ist nicht nur im Bundestag so, dass man für einen Beschluss über einen Antrag eine schriftliche Vorlage braucht, damit man den Inhalt wirklich diskutieren kann; diese Vorlage sollte auch nicht erst auf einer Versammlung zugehen. Wenn sich mehr als fünf Leute versammeln, muss außerdem ein Raum organisiert werden, ab fünfzig eine Lautsprecheranlage, und in jeder Form von Partei oder auch nur Verein braucht es Protokolle, Konten, und zuletzt – Geld. Das alles wird aufgewandt, damit Menschen eine Stellung zu Themen beziehen, die sie unter Umständen nicht wirklich interessieren. Oder Kandidaten aufstellen, die ohnehin keine Chance haben.


    Das klingt schon furchtbar. Aber Demokratie, gleich wo, hat eine Voraussetzung: Information – und eine zweite: Zeit. Wie demokratisch eine Versammlung ist, lässt sich unter anderem an der Redezeit erkennen, die jedem Teilnehmer einer Debatte zugestanden wird. Bundesparteitage parlamentarischer Parteien liegen meist bei drei Minuten. Das bedeutet, völlig neue Fragen kann man gar nicht aufwerfen, weil die Zeit nicht reicht, selbst wenn man es schon geschafft hat, delegiert zu werden und dann auch noch das Wort erteilt zu bekommen.


    Von der Kapitalismuskritik zum woken Establishment ‒ Warum haben die deutschen Linken versagt?




    Analyse

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    Also kann man das ganze nervende Zeug doch einfach lassen, oder? Nein, kann man nicht. Denn wenn gesellschaftliche, wirtschaftliche Macht ungleich verteilt ist, haben die Unteren nur einen Joker – ihre schiere Zahl. Damit diese Zahl wirksam werden kann, brauchen sie Organisation. Und damit diese Organisation weder von den Eigeninteressen eventueller Hauptamtlicher noch von außen manipuliert werden kann, und damit sie über Handlungsfähigkeit politische Wirksamkeit entfalten kann, braucht sie viel Demokratie; denn es geht um eine Zusammenarbeit von Gleichen, nicht um eine Kommandostruktur wie in Betrieben und beim Militär.


    Man kann es unschwer erkennen: Als Gegenpol zu diesen Mühen braucht es auch Erfolge. Die dauern normalerweise; hinter der Einführung eines Sozialtickets in München steckten drei Jahre politischer Arbeit, und das ist eine kleine Frage auf der untersten politischen Ebene.


    Und da kommen nun die NGOs ins Spiel. Als Greenpeace, gewissermaßen der Eisbrecher dieser Variante in Deutschland, die ersten Schlagzeilen mit seinen Aktionen machte, erzeugte das große Bewunderung, durch die schnelle Bekanntheit und auch durch die Kühnheit der Aktionen. Jeder, der sich durch das demokratische Prozedere quälte, erblasste vor Neid. Aber erst nach einigen Jahren, die man in dieser mühsamen demokratischen Welt verbracht hat, kann man erkennen, dass es für Erfolge wie die von Greenpeace drei Dinge braucht: professionelle Planung, die auf diesem Niveau nur funktioniert, wenn die Planer davon auch leben können, also bezahlt werden; viel Geld, um alles erforderliche Material zu haben; und dann noch Sympathien in der Medienlandschaft, wobei egal ist, ob die echt oder erkauft sind.


    Deutschland: Die Zeit der Idioten





    Meinung

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    Demokratische Strukturen? Wehrt man damit ab, dass diese der nötigen Geheimhaltung für solche Aktionen im Weg stünden. Und schon verrutschen die Erwartungen für das Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung, und die langweiligen Sitzungen werden noch etwas langweiliger. Denn eigentlich wäre man doch auch gerne auf den bunten Fotos von den kühnen Aktionen.

    Aktionen, die Aufmerksamkeit erregten, gab es schon wesentlich früher. Man denke an Manolis Glezos, der im besetzten Athen 1941 auf der Akropolis die Hakenkreuzfahne herunterriss. Oder die Jugendlichen, die 1950 Helgoland besetzten, das von den Briten als Bombenübungsgelände genutzt wurde. Aber hinter diesen sichtbaren Handlungen standen immer ganze Organisationen. Das Symbol hatte einen sozialen Inhalt.


    Organisationen wie Greenpeace tauchten auf, ohne einen solchen Inhalt zu besitzen. Man durfte Geld spenden, später eine Zeitung abonnieren, aber nicht mitentscheiden oder mitmachen. Ein klassischer Verein, die Kernstruktur der gesellschaftlichen Organisation in Deutschland, bietet immer beide Optionen, unterschiedliche Formen der Beteiligung. Selbst Kirchen tun das in unterschiedlichem Ausmaß – man kann zu Weihnachten mal vorbeikommen, man kann aber auch im Gemeindevorstand arbeiten.


    Wie man Demokratie verhindert: Ein paar Worte über NGOs





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    Nun gibt es für eine Wirksamkeit, die den eher langsamen und bescheidenen Durchschnitt übertrifft, nur zwei Möglichkeiten – entweder eine größere Zahl Menschen arbeitet sehr eng zusammen und verbringt überproportional viel Zeit mit der Sache, um die es geht; oder es gibt irgendwie viel Geld und es werden Menschen dafür bezahlt. Jeder, der so etwas schon einmal organisiert hat, konnte erkennen, dass der Maidan mit viel Geld aufgeblasen wurde; die Lautsprecheranlage war eines der Indizien dafür. Je weniger Menschen diese Kenntnisse haben, desto schwerer setzt sich solches Wissen allerdings in der Gesellschaft durch.


    Die künstlichen Strukturen, die nur mit Geld aufgezogen werden, schaffen es leicht, ihre Anliegen in die Medien zu bringen. Viel leichter, als es wirklichen Organisationen von unten gelingt. Wenn die eigene Reichweite durch die Zahl der Flugblätter begrenzt ist, der Konkurrent um die politische Aufmerksamkeit aber in den Fernsehnachrichten landet, obwohl wesentlich weniger Menschen dahinter stehen, welche Auswirkungen hat das langfristig? Wenn die Aktionen, mit denen man Aufmerksamkeit suchen kann, durch den Mangel an Mitteln scharf begrenzt sind?

    Es entmutigt viele, die überlegen, ob sie sich in irgendeiner Weise politisch einmischen wollen. Es schwächt die Ausdauer all jener, die es dennoch tun, ohne sich davon ihren Lebensunterhalt zu erwarten. Und es führt am Ende dazu, dass die Menge irgendwie gesellschaftlich engagierter Menschen immer weiter abnimmt. Vor allem bei unmittelbar politischen Themen.


    Schweizer Referendum: Mehrheit stimmt für Klimaneutralität des Landes





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    Tatsächlich sind die großen Massenorganisationen inzwischen weitgehend tot. Die Gewerkschaften existieren nur noch durch ihre hauptamtliche Struktur, haben auf vielen Ebenen Schwierigkeiten, ihre ehrenamtlichen Positionen überhaupt noch zu besetzen, und begreifen sich daher inzwischen fast als Dienstleister, wie eine Art Versicherung für erträgliche Arbeitsverhältnisse. Der Zustand der Parteien ist nicht wesentlich besser. Vereine jedwelcher Art bekamen durch die Lockdowns den Todesstoß. Dafür machen Klimakleber Furore, die tun, als seien sie überparteilich, aber in Wirklichkeit den Grünen zuarbeiten, und die für ihre kriminellen Aktionen auch noch bezahlt werden.


    Der Trick dabei ist, so zu tun, als wäre das Thema unpolitisch und beträfe alle. Würde man das mit den Problemen Alleinerziehender versuchen, es würde nicht gelingen; das sind eben die Probleme Alleinerziehender. Da ist es gelungen, alle sozialen Themen aufzuspalten, weil die Gesamtsicht, dass für das Wohl des Landes auch für das Wohl materiell benachteiligter Minderheiten gesorgt werden muss, schon wieder als national verpönt ist.


    Man nehme, so der Trick, ein Thema, das als allumfassendes Gutes taugt, wie den Tierschutz oder seit einiger Zeit das Klima. Dann sorgen Kampagnen künstlicher Organisationen dafür, das Thema in der Gesellschaft zu setzen, bis es als das allumfassende Gute anerkannt ist. Und dann erst werden die konkreten Forderungen lanciert, die – wie beispielsweise die CO2-Abgabe – letztlich unmittelbar den Interessen von Kapitalanlegern dienen; zu diesem Zeitpunkt muss allerdings jeder, der versucht, dagegen anzutreten, sich erst einmal durch die Hirsebreimauer des "allumfassenden Guten" fressen. Wie kannst du nur gegen Klimaschutz sein? Gegen Tierschutz? Gegen Menschenrechte?


    Die konstruierte Wirklichkeit von SPIEGEL & Co.





    Meinung

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    Dass die Organisationen selbst schon durch ihre Struktur toxisch sind, macht sich erst nach langer Zeit bemerkbar. Und da ist ein Kreislauf, der sich selbst stetig verstärkt. Demokratie ist nämlich nicht nur mühsam, man muss sie lernen. Man muss erlebt haben, dass jemand völlig anderer Meinung und trotzdem sogar ein guter Freund sein kann. Man muss erlebt haben, wie groß der Abstand zwischen Wort und Tat ist. Tat in diesem Sinne bedeutet, tatsächlich eine größere Menge Menschen in Bewegung zu versetzen.


    Dass völlig symbolische Handlungen inzwischen politisch wirksam sind, wenn sie den "richtigen" Interessen dienen, hat auch zur Folge, dass das Wort und die Tat gleichgesetzt werden. Ohne die grundlegende soziale Erfahrung führt das dann zur Entstehung dieser Blasen, im weiteren Verlauf dann zur Sortierung des sozialen Umfelds nach Aussagen, dann zu Redeverboten. An dem Punkt sind wir mittlerweile angekommen, und die verschiedenen Spielarten des "allumfassenden Guten", die über die Jahre hinweg ins Spiel gebracht wurden, haben geradezu einen Reflex geschaffen, die künstliche Bewegung für echter zu halten als die echte.


    Corona war ein Beispiel. Früher waren große Demonstrationen immer ein Beleg dafür, dass sich nennenswerte Teile der Gesellschaft an einem gewissen Punkt einig waren. Bei der großen Demonstration im Bonner Hofgarten beispielsweise, gegen die Pershing-Raketen. Inzwischen gibt es zwei Sorten von Demonstrationen: Die einen, die mit an der Szenerie der künstlichen Organisationen hängen – wie etwa "Unteilbar" – sind mit einem vorgegebenen entleerten Thema versehen, das man nur noch schlucken oder lassen kann; nicht einmal die Spitzen beteiligter Organisationen dürfen noch mitentscheiden. Oder es ist gleich völlig synthetisch, wie Fridays For Future. Die anderen entstehen amorph, wie die Corona-Proteste, erreichen sogar beträchtliche Größe, werden aber schlicht über die Redeverbote dämonisiert oder gleich ganz verschwiegen. Zu einer wirklichen Organisation kann es in den meisten Fällen gar nicht mehr kommen.


    Die bestrafte Meinung – Es ist in Deutschland kaum noch möglich, Position zu beziehen





    Meinung

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    Die Kombination aus Redeverboten, künstlich finanzierter politischer Landschaft und kontrollierten Medien hat zwei Effekte – zum einen werden die auch in der inneren Verfasstheit demokratischen Strukturen weiter geschwächt, was zuallererst die Durchsetzbarkeit der Interessen des ärmeren Teils der Gesellschaft zusätzlich verringert; und zum anderen können diese künstlichen Strukturen von ihren Geldgebern als zusätzliche Lobbykanäle genutzt werden. Bei Bedarf entsteht so ein geschlossener Kreislauf – eine "Bewegung" setzt ein Thema, ein über eine Stiftung finanzierter Lehrstuhl oder ein Institut oder gar mehrere Institute stützen das Ganze, die entsprechend geneigten, eben ihren Eigentümern verpflichteten Medien greifen das auf, und schon wirkt jeder, der nicht mitmacht, wie ein komischer Außenseiter, wenn nicht gar eine hoffnungslos rückständige Gestalt.


    Man kann natürlich, und sei es erst an dem Punkt, wo die Forderungen konkret werden, nachweisen, welchen Interessen das Drama dient. Die konkrete Gestalt, die das Thema "Klimaschutz" annimmt, liefert international Entwicklungshindernisse und Schutzzölle gegen arme Länder, eine Steigerung ihrer Erpressbarkeit durch Aushungern, Zwang zur Annahme Abhängigkeit erzeugender Kredite für erneuerbare Energien, und zuletzt externe Kontrolle; im Inneren sind diese Hindernisse ein ungeheurer Angriff auf den Lebensstandard der einfachen Bürger, die bekanntlich weder heizen noch Fleisch essen noch in den Urlaub fahren sollen (wobei alle Strukturen, die an diesem Punkt Widerstand leisten müssten, längst übernommen sind, wie die meisten Gewerkschaften). Hätte man dieses Paket am Anfang auf den Tisch gelegt, als das Thema erst gesetzt wurde, es hätte schnell Widerstand erzeugt. Jetzt steht davor die Mauer aus Hirsebrei, das "allumfassend Gute".


    Tief im Schützengraben des Informationskriegs – der SWR und die Meinungsfreiheit




    Meinung

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    Welche Möglichkeiten gibt es, eine solche Entwicklung zu verhindern? Im Grunde nur eine: Jede Organisation, jeder Verein, jede Partei muss im Inneren demokratisch verfasst sein, und eine Finanzierung politischer Tätigkeit, und sei es auch für das "allumfassend Gute" durch Großspenden ist verboten. Aus dem Ausland betriebene Organisationen müssen das offenlegen (ja, auch Greenpeace gehört dazu, oder der WWF), und wenn sie versuchen, politischen Einfluss auszuüben, der disproportional zur Zahl der beteiligten (sprich in dieser Organisation stimmberechtigten) Menschen ist, werden sie verboten.


    Das klingt radikal. Aber es ist unmöglich, die reale Demokratie, in all ihrer majestätischen Trägheit, ihrer mühsamen Egalität, zu bewahren, wenn Strukturen die Landschaft bestimmen, die durch Talmi entmündigen und durch die Hintertür den ganz materiellen Interessen kleiner Eliten dienen.


    Mehr zum ThemaFleischverbot und Russenhass – Wie sich die Nazi-Wurzeln der Grünen in ihrer Politik widerspiegeln


    RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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    Info: https://freeassange.rtde.life/meinung/173365-wie-simulierte-reale-demokratie-erdrueckt


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    26.06.2023

    "Der Mann ist das größte Geschenk!" - Das russische Fernsehen über die Reaktion in Europa auf den Putschversuch

    anti-spiegel.ru, 26. Juni 2023 04:00 Uhr, von Anti-Spiegel

    Der Putschversuch in Russland wurde weltweit genau beobachtet. Interessant ist, wie in Russland über die Reaktion in Europa berichtet wurde.


    Wie jeden Sonntag war der Bericht des Deutschland-Korrespondenten einer der interessantesten im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens. Er hat berichtet, wie der Putschversuch in Europa aufgenommen wurde, aber er hatte natürlich auch andere interessante Themen der Woche, die aus russischer Sicht ganz anders klingen als in deutschen Medien. Wie fast jeden Sonntag habe ich den Korrespondentenbericht aus Deutschland übersetzt.


    Beginn der Übersetzung:

    Aufstand und Gegenangriff: Die Reaktion Europas

    Die Nachricht von dem bewaffneten Aufstand in Russland wurde von Europa mit reibenden Händen aufgenommen. Natürlich, schließlich ist jede Uneinigkeit bei uns eine Hoffnung auf Russlands Niederlage. Aus Europa berichtet unser Korrespondent.

    In allen europäischen Hauptstädten werden die Ereignisse um Wagner seit Freitagabend mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, so die offiziellen Pressemitteilungen. Auch die Fernsehberichterstattung wird regelmäßig durch Breaking News unterbrochen, Eilmeldungen unter Einbeziehung verschiedener Experten, die ihren Jubel kaum verbergen können: Sie haben den Champagner noch nicht geöffnet, aber für alle Fälle schon mal kalt gestellt.

    „Das ist eine großartige Gelegenheit für die Ukraine, sich die derzeitigen Unruhen und das Chaos in Russland zunutze zu machen“, sagt Tobias Ellwood, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des britischen Parlaments.

    Auf den Websites britischer Medien sind Karten mit Pfeilen aufgetaucht, die zeigen, wohin Prigoschins Gruppe vordringt. Der Name des Mannes ist in Europa wohlbekannt, aber es ist das erste Mal, dass er von solchen Worten begleitet wird, wie hier von der Bild: „Völlig wahnsinnig. Russen-Söldnerchef Prigoschin beschuldigt das russische Verteidigungsministerium, einen Luftangriff auf eines seiner Lager verübt zu haben. Jetzt ruft er seine 25.000 Söldner zum Kampf gegen das russische Militär auf. Der Mann ist das größte Geschenk!“

    Das ist keine Gegenoffensive, sondern ein blutiger Crash-Test, schreibt das Handelsblatt. Die – um es vorsichtig auszudrücken – nicht sehr erfolgreiche Offensive der Ukraine im südlichen Sektor der Militäroperation hat ihren Zweck erfüllt: selbst die glühendsten Anhänger der Idee einer strategischen Niederlage Russlands durch die Niederlage seiner Streitkräfte werden langsam davon überzeugt, dass das unmöglich ist. Jetzt sind sie verstummt. Die EU beschränkt sich auf die Feststellung, dass das, was geschieht, eine innere Angelegenheit Russlands ist: Sie haben Angst, ihr Glück zu verschrecken – die innere Destabilisierung der militärischen und politischen Führung gibt ihnen eine Chance auf dem Schlachtfeld. Die einzige Chance, denn eine andere wird es nicht geben.

    Wie sagte es der polnische Präsident Duda diese Woche? Eine Chance, „Russland zu erschießen“?

    „Wenn eine wilde Bestie einen Menschen verschlingt, sagt man gewöhnlich, dass sie einfach gejagt und erschossen werden muss. So ist es auch mit Russland“, so Duda.

    Durch Duda hat der Westen seine Ziele so deutlich wie möglich verkündet. In dieser Woche beschrieb der ungarische Außenminister Szijjártó die Stimmung der transatlantischen Eliten als militärische Psychose: ein mentaler Zustand, eine verzerrte Wahrnehmung der Perspektive, und mancher mag denken, dass die Ziele näher sind, als sie tatsächlich sind. Diese Illusion überschattet heute alles andere, obwohl es in der vergangenen Woche sicherlich Ereignisse gab, die es wert sind, angeschaut zu werden.

    „Das Haushaltsdefizit der Ukraine bis 2027 beträgt rund 60 Milliarden Euro. Der Bedarf für den raschen Wiederaufbau des Landes liegt bei etwa 50 Milliarden Euro. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 110 Milliarden Euro. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass die EU-Mitgliedstaaten 45 Prozent dieser Summe, also 50 Milliarden Euro, übernehmen“, sagte die Chefin der EU-Kommission Ursula von der Leyen.

    Am Dienstag fand in London eine Konferenz der Geberländer für das Kiewer Regime statt. Da die Konfiszierung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte nach wie vor höchst problematisch ist, werden andere Quellen benötigt. Potenzielle Investoren wurden eingeladen, und man hat versucht, ihnen ein attraktives Bild von Investitionen in Projekte zum Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft zu vermitteln.

    Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, weshalb Brüssel Geld für den aktuellen Bedarf bereitstellt. Zum Ärger Kiews gibt es das Geld nicht umsonst, sondern gegen Zinsen. Und weniger als die Hälfte von dem, was es braucht. Der EU-Haushalt, der ebenfalls bis 2027 gilt, ist bereits erschöpft, und selbst Deutschland, das die Waffen für die Ukraine durch die Erhöhung seiner eigenen Staatsverschuldung kauft, hat kein Geld, um den EU-Haushalt aufzufüllen.

    „Einige Fahrzeuge, wie gepanzerte Brückenleger und Pionierfahrzeuge, werden Teil des 2,7-Milliarden-Euro-Pakets sein, das wir im Mai vorgelegt haben“, sagte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius.

    Aus dem gleichen Paket stammen 20 Marder Schützenpanzer und mehrere Dutzend eilig aufgerüstete Leopard-1-Panzer. Die Leopard-2-Panzer sind bereits ausgegangen. Aber Macron und Meloni haben diese Woche das gemeinsame Flugabwehrsystem «Mamba» vorgestellt, ansonsten gibt es eigentlich wenig Gemeinsamkeiten zwischen ihnen.

    „Das französisch-italienische Raketenabwehrsystem Mamba ist jetzt in der Ukraine stationiert und einsatzbereit. Wie ich gestern bereits sagte, stellt es einen wichtigen Beitrag zur Luftverteidigung des Landes dar“, erklärte Macron

    „Wir sollten stolz darauf sein, dass wir so hart gearbeitet haben, um dieses Instrument in der kürzest möglichen Zeit anbieten zu können“, fügte Meloni hinzu.

    Zum Thema Zeit gibt es einen auffälligen Trend: Europa lässt sich mit jedem neuen Paket anti-russischer Sanktionen mehr Zeit. Diese Woche wurde das elfte Paket endlich vorgestellt. Die Manager unseres Fernsehsenders Anton Slatopolskij, Andrej Kondraschow und Rifat Sabitow sowie die Journalisten Andrej Medwedew, Jewgenij Poddubnij und Alexander Sladkow sind von persönlichen Sanktionen betroffen. Die wichtigste wirtschaftliche Einschränkung betrifft erwartungsgemäß die Druschba-Pipeline: Der Transport von russischem Öl durch ihren nördlichen Zweig, der über Polen nach Deutschland führt, ist gesperrt. Das ist für sich genommen eine symbolische Maßnahme, die den aktuellen Stand der Dinge festschreibt. Und selbst von der Leyen räumt ein, dass man sich kaum etwas anderes ausdenken kann: „Wir haben das elfte Paket von Wirtschaftssanktionen gerade beschlossen. Sie werden weiterhin eine starke Wirkung entfalten. Aber weiter zu gehen, ist schon schwierig.“

    Die Sanktionen gegen Russland sind ihnen ausgegangen, deswegen ist die EU-Kommission besonders stolz darauf, dass es ihr gelungen ist, eine Art Mechanismus zur Berechnung und Bestrafung von Verstößen gegen das Sanktionsregime bei sich selbst und in Drittländern zu erfinden. In Anbetracht der Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft im Bereich der „grauen“ Importe ernsthafte Erfolge erzielt hat, ist Ärger vorhersehbar: Die Partei „Alternative für Deutschland“ ist in den Umfragewerten auf den zweiten Platz vorgerückt, gleich hinter der oppositionellen CDU.

    Es ist sogar irgendwie erstaunlich: einzelne Vertreter von Merkels Partei interessieren sich nicht nur dafür, wie die Ermittlungen zum Anschlag auf die Nord-Streams verlaufen, sondern haben auch den gesunden Menschenverstand, um deren Reparatur zu fordern.

    „Die Pipelines wurden infolge eines Anschlags, infolge eines Verbrechens gesprengt. Es gibt keinen Grund, warum wir die Pipelines jetzt nicht sichern und reparieren sollten. Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland an den Ursachen der Explosionen interessiert sind. Alles, was wir hören, ist, dass die CIA gewarnt hat, dass jemand anderes gewarnt hat. Was ist denn dann letztendlich dort passiert?“, fragt Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Landes Sachsen.

    Die Antwort auf diese Frage scheint die Scholz-Regierung insgesamt und insbesondere ihre grüne Komponente nicht zu interessieren. Überhaupt ist es schwer zu verstehen, was sie will: Letzte Woche schloss Wirtschaftsminister Habeck noch nicht aus, dass die deutsche Industrie ohne russisches Gas ganz stillstehen müsse, und diese Woche sagt er plötzlich das Gegenteil: „Ich bin sehr froh, dass wir kein Gas mehr aus Russland bekommen, ich finde, das sollte so bleiben.“

    Heute so, morgen so. Das „grüne“ Experiment zielt nicht nur auf die deutsche Wirtschaft, es wird mit der klaren Absicht fortgesetzt, es global zu machen. Am Donnerstag versammelte Macron in Paris mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs, vor allem aus Afrika. Der Westen will sie durch eine Reform der Finanzinstitutionen – alle Arten von IWF und Weltbanken – gewissermaßen beglücken.

    „Die Finanzinstitutionen der Welt sind heute zu klein und zu beschränkt, um ihr Mandat zu erfüllen, vor allem wenn es um die schwächsten Länder geht“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres.

    Auf der Suche nach neuen Wachstumspunkten für sich selbst will der Westen den ehemaligen europäischen Kolonien unter dem Deckmantel der Armutsbekämpfung und des Klimaschutzes eine neue Form der Knechtschaft anbieten: die Abkehr von der traditionellen Wirtschaft und die Umstellung auf die „grüne Schiene“, die die ehemalige Dritte Welt in eine einzige Richtung führt: in eine noch größere Abhängigkeit von westlichem Geld und westlicher Technologie. Das passt nicht jedem.

    „Es muss ein gerechter Übergang sein, der die existenzielle Situation verschiedener Gemeinschaften berücksichtigt, vor allem die der Arbeiter, die in der Industrie für fossile Brennstoffe arbeiten“, sagt Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa.

    Die gesamte Geschichte der kolonialen und postkolonialen Welt zeigt eines: Die Leute aus dem Westen bauen keine Schulen, Krankenhäuser und Universitäten, sie hinterlassen eine Wüste von Pumpen, mit denen sie alle möglichen Bodenschätze abpumpen können, und eine durch und durch korrupte Elite, die ihnen das ermöglicht. Die Ukraine kann als neues Pilotprojekt betrachtet werden, das bereit ist, alles aufzugeben: Land, Bodenschätze, Industrie und Menschen, um einen Teil des Kuchens zu bekommen. Nun, zumindest irgendwann.

    Am Freitag sagte die Chefin der EU-Kommission, sie könne sich die Ukraine in 20 oder 30 Jahren kaum außerhalb der EU vorstellen. Das ist keine besonders schöne Perspektive. Auch eine Einladung in die NATO wird es nicht geben.

    „Auf dem Gipfel in Vilnius und während der Vorbereitung des Gipfels diskutieren wir nicht über eine offizielle Einladung. Wir diskutieren darüber, wie wir die Ukraine näher an die NATO heranführen können“, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

    Heranführen kann man sie. Und sie dort auch weiter halten – mit einem engen Halsband und an der kurzen Leine.

    Es ist unwahrscheinlich, dass die aktuellen Ereignisse in Russland die Beziehungen Kiews zu seinen europäischen und transatlantischen Herren verändern werden.

    Ende der Übersetzung


    Info: https://www.anti-spiegel.ru/2023/das-russische-fernsehen-ueber-die-reaktion-in-europa-auf-den-putschversuch


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