Das aktualisierte Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation; 31.3.2023
seniora.org, 03. April 2023Treffen mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates
am 2. April 2023 von amortasawi, Fee Strieffler und Wolfgang Jung, selected articles, Verfallendes Land
Der (russische) Präsident hielt per Videokonferenz eine Informationssitzung mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates ab, um die aktualisierte Fassung des außenpolitischen Konzepts der Russischen Föderation und andere aktuelle Themen zu erörtern.
Übersetzt und kommentiert von Fee Strieffler und Wolfgang Jung, 2. April 2023
Anmerkungen der Übersetzer:
Aus dem Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation geht hervor, dass Moskau die USA als „Hauptverursacher der antirussischen Politik“ und deren westliche Vasallen eher als Komplizen und Mitläufer sehen.
Deshalb legtRussland den Schwerpunkt seiner Außenpolitik künftig auf seine „strategischen Interessen im Zusammenhang mit der Vertiefung der eurasischen Integration auf der Grundlage des Unionsstaates Russland und Weißrussland, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, der GUS, der Bildung einer größeren eurasischen Partnerschaft und der weiteren Stärkung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und der BRICS“.
Russland wird sich vorrangig um die Erschließung „des Potenzials der strategischen Partnerschaft mit seinen großen Nachbarn – der Volksrepublik China, der Republik Indien und den Ländern der islamischen Welt sowie mit den Ländern der ASEAN, Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik – “ kümmern.
Trotz aller schlechten Erfahrungen will sich Russland „nicht von den angelsächsischen Ländern und Kontinentaleuropa isolieren und keine feindlichen Absichten ihnen gegenüber hegen“. Durch einen „pragmatischen Umgang“ mit Russland muss der Westen aber erst nachweisen, dass er neues Vertrauen verdient.
Wir befürchten allerdings, dass „Meisterdiplomaten“ wie Mister Blinken und Frau Baerbock die ausgestreckte russische Hand auch diesmal nicht ergreifen, sondern wieder darauf spucken werden.
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Wir haben das Teilprotokoll über das Treffen mit DeepL-Unterstützung übersetzt und mit Hervorhebungen versehen.
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Beginn der Übersetzung
An dem Treffen nahmen Premierminister Michail Mischustin, die Sprecherin des Föderationsrates Valentina Matwijenko, der Sprecher der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin, der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates Dmitri Medwedew, der Stabschef des Präsidialamtes Anton Vaino und der Sekretär des Sicherheitsrates Nikolai Patruschew teil, sowie Innenminister Wladimir Kolokoltsew, Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der Direktor des Föderalen Sicherheitsdienstes Alexander Bortnikow, der Direktor des Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin und der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Umweltschutz, Ökologie und Verkehr Sergej Iwanow.
Treffen mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates
Der (russische) Präsident hielt per Videokonferenz eine Informationssitzung mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates ab, um die aktualisierte Fassung des außenpolitischen Konzepts der Russischen Föderation und andere aktuelle Themen zu erörtern. Der Kreml, Moskau, 31. März 2023 ( http://en.kremlin.ru/events/president/news/70810 )
Übersetzt und kommentiert von Fee Strieffler und Wolfgang Jung, 2. April 2023
Anmerkungen der Übersetzer: Aus dem Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation geht hervor, dass Moskau die USA als "Hauptverursacher der antirussischen Politik" und deren westliche Vasallen eher als Komplizen und Mitläufer sehen. Deshalb legt Russland den Schwerpunkt seiner Außenpolitik künftig auf seine "strategischen Interessen im Zusammenhang mit der Vertiefung der eurasischen Integration auf der Grundlage des Unionsstaates Russland und Weißrussland, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, der GUS, der Bildung einer größeren eurasischen Partnerschaft und der weiteren Stärkung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und der BRICS". Russland wird sich vorrangig um die Erschließung "des Potenzials der strategischen Partnerschaft mit seinen großen Nachbarn – der Volksrepublik China, der Republik Indien und den Ländern der islamischen Welt sowie mit den Ländern der ASEAN, Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik – " kümmern.
Trotz aller schlechten Erfahrungen will sich Russland "nicht von den angelsächsischen Ländern und Kontinentaleuropa isolieren und keine feindlichen Absichten ihnen gegenüber hegen". Durch einen "pragmatischen Umgang“ mit Russland muss der Westen aber erst nachweisen, dass er neues Vertrauen verdient.
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Wir befürchten allerdings, dass "Meisterdiplomaten" wie Mister Blinken und Frau Baerbock die ausgestreckte russische Hand auch diesmal nicht ergreifen, sondern wieder darauf spucken werden. **** Wir haben das Teilprotokoll über das Treffen mit DeepL-Unterstützung übersetzt und mit Hervorhebungen versehen.
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Beginn der Übersetzung
An dem Treffen nahmen Premierminister Michail Mischustin, die Sprecherin des Föderationsrates Valentina Matwijenko, der Sprecher der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin, der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates Dmitri Medwedew, der Stabschef des Präsidialamtes Anton Vaino und der Sekretär des Sicherheitsrates Nikolai Patruschew teil, sowie Innenminister Wladimir Kolokoltsew, Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der Direktor des Föderalen Sicherheitsdienstes Alexander Bortnikow, der Direktor des Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin und der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Umweltschutz, Ökologie und Verkehr Sergej Iwanow.
Der Präsident Russlands Wladimir Putin: Guten Tag, liebe Kollegen, wir werden unsere heutige Sitzung mit einer Diskussion über das Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation beginnen. Die radikalen Veränderungen in den internationalen Angelegenheiten haben uns gezwungen, unsere wichtigsten Dokumente zur strategischen Planung gründlich zu überarbeiten, darunter das außenpolitische Konzept der Russischen Föderation, in dem die Grundsätze, Aufgaben und Prioritäten unserer Diplomatie festgelegt sind.
Das Außenministerium hat in Zusammenarbeit mit dem Präsidialamt, dem Stab des Sicherheitsrates, der Regierung und vielen Ministerien und Abteilungen eine umfangreiche und akribische Arbeit geleistet, um das Konzept zu aktualisieren und an die modernen geopolitischen Gegebenheiten anzupassen.
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Heute habe ich eine Exekutivverordnung unterzeichnet, mit der das aktualisierte außenpolitische Konzept der Russischen Föderation angenommen wird. Ich möchte, dass Außenminister Sergej Lawrow über die wichtigsten Bestimmungen des Konzepts berichtet.
Herr Lawrow, bitte fahren Sie fort. Außenminister Sergej Lawrow:
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kollegen, wie Sie bereits sagten, handelt es sich um ein strategisches Planungsdokument, das von unserem Ministerium in Zusammenarbeit mit anderen föderalen Exekutivorganen ausgearbeitet wurde. Es baut auf den außenpolitischen Bestimmungen auf, die in der von Ihnen im Jahr 2021 verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie enthalten sind. Das Konzept weist ein hohes Maß an Kontinuität mit der vorherigen Version von 2016 auf, was die Grundprinzipien unserer Außenpolitik betrifft, vor allem ihre Unabhängigkeit und ihre Ausrichtung auf die Schaffung günstiger äußerer Bedingungen für die fortschreitende Entwicklung Russlands, die Gewährleistung seiner Sicherheit und die Verbesserung des Wohlergehens unserer Bürger. Herr Präsident, Sie sagten vorhin, dass die Logik des Dokuments die sich verändernde geopolitische Realität widerspiegelt, nämlich die revolutionären Fortschritte im internationalen Bereich, die mit dem Beginn der militärischen Sonderoperation einen beträchtlichen Schub erhalten haben. Insbesondere das beispiellose Ausmaß der internationalen Spannungen im letzten Jahrzehnt ist eine Tatsache. Der existenzielle Charakter der Bedrohungen für die Sicherheit und Entwicklung unseres Landes, die von unfreundlichen Staaten ausgehen, wurde erkannt. In dem Dokument
werden die Vereinigten Staaten als Hauptverursacher und -träger der antirussischen Politik
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bezeichnet. Insgesamt wird die Politik des Westens, die auf die völlige Entwürdigung Russlands abzielt, als eine neue Art des hybriden Krieges beschrieben. Es werden die wichtigsten langfristigen internationalen Entwicklungstrends beschrieben, darunter die Krise der wirtschaftlichen Globalisierung, die bis vor kurzem noch den amerikanischen Regeln folgte. Zu den Faktoren gehört die Tatsache, dass die Weltwirtschaft auf dem Weg zu einer neuen technologischen Basis eine umfassende strukturelle Umgestaltung erfährt. Die Umverteilung des Wachstumspotenzials zugunsten neuer Wachstumszentren führt zur Schaffung einer multipolaren Weltordnung, die den wichtigsten Trend in den derzeitigen internationalen Beziehungen darstellt. In dem Konzept haben wir unsere Vorstellung von den Grundsätzen einer ausgewogeneren und gerechteren Weltordnung dargelegt, wie z. B. Polyzentralität, souveräne Gleichheit der Länder, Gewährleistung ihres Rechts auf Wahl der Entwicklungsmodelle und Wahrung der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt der Welt. Die Unterstützung beim Aufbau einer multipolaren Weltordnung wird als Rahmenaufgabe für alle Bereiche der Außenpolitik definiert. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, die Rechtsstaatlichkeit in den internationalen Beziehungen zu gewährleisten, und erklärt, dass die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts die Realitäten der heutigen Welt berücksichtigen muss. Angesichts akuter äußerer Bedrohungen wird unsere Bereitschaft zur Einhaltung des Grundsatzes der unteilbaren Sicherheit bekräftigt, allerdings nur gegenüber den Ländern und ihren Verbänden, die in dieser Frage Gegenseitigkeit zeigen. Der Ansatz für die Arbeit in der UNO konzentriert sich darauf, die Wirksamkeit dieser Organisation zu erhöhen und ihre grundlegenden Ziele und die Prinzipien ihrer Charta zu bekräftigen, die der Westen mit diversen Aktionen zu untergraben versucht.
Wichtige Neuerungen sind bei den Bedingungen für die Anwendung von Gewalt zur Selbstverteidigung im Rahmen der bedingungslosen Einhaltung der einschlägigen Anforderungen von Artikel 51 der UN-Charta vorgesehen.
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Das Konzept sieht die Möglichkeit vor, als Reaktion auf feindliche Handlungen gegen Russland symmetrische und asymmetrische Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt auch einen Passus über den Einsatz der Streitkräfte, um einen bewaffneten Angriff auf Russland und seine Verbündeten abzuwehren oder zu verhindern. So erklären wir unmissverständlich, dass wir das Recht des russischen Volkes auf Existenz und freie Entwicklung verteidigen werden. Das Konzept enthält Bestimmungen, die den Schutz der traditionellen geistigen und moralischen Werte Russlands und den Aufbau einer Zusammenarbeit auf der Grundlage eines einheitlichen geistigen und moralischen Kompasses, der allen Weltreligionen gemeinsam ist, betreffen. Es lehnt neokoloniale Praktiken und jede Art von Hegemonismus strikt ab. Zu den unbedingten Prioritäten gehören die Wahrung der Rechte unseres Volkes und unserer Organisationen im Ausland, die Unterstützung unserer Landsleute, die Bekämpfung der Russophobie, die Stärkung der Stellung der russischen Sprache in der Welt, der Kampf für die historische Wahrheit, der Schutz unserer Kultur, die Entpolitisierung des Sports und die Schaffung neuer Formen der sportlichen Zusammenarbeit. Der regionale Teil des Konzepts legt den Schwerpunkt auf die strategischen Interessen Russlands im Zusammenhang mit der Vertiefung der eurasischen Integration auf der Grundlage des Unionsstaates Russland und Weißrussland, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, der GUS, der Bildung einer größeren eurasischen Partnerschaft und der weiteren Stärkung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und der BRICS. Die Politik zur Erschließung des Potenzials der strategischen Partnerschaft mit unseren großen Nachbarn - der Volksrepublik China, der Republik Indien, den Ländern der islamischen Welt sowie den Ländern der ASEAN, Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik - wurde als wichtige Ressource verankert. Die Verpflichtung zu einer friedlichen Lösung aller Probleme, die in der arktischen Region auftreten können, wurde bestätigt.6 In den Bestimmungen des Konzepts heißt es, dass die antirussischen Bestrebungen unfreundlicher Staaten konsequent und, wenn nötig, entschlossen unterbunden werden sollen. Der Gedanke, dass wir uns nicht von den angelsächsischen Ländern und Kontinentaleuropa isolieren und keine feindlichen Absichten ihnen gegenüber hegen, wurde klar vermittelt. Diese müssen jedoch erkennen, dass ein pragmatischer Umgang mit Russland nur möglich ist, wenn sie die Sinnlosigkeit ihrer Konfrontationspolitik erkennen und sich in ihrem praktischen Handeln von einer solchen Politik ablassen. Es wird an uns liegen, zu entscheiden, inwieweit und ob wir dem Westen vertrauen können. Insgesamt, Herr Präsident, haben wir eine schwierige Aufgabe vor uns, um unsere Außenpolitik unter grundlegend neuen Bedingungen umzusetzen. Wir werden keine diplomatischen Mühen scheuen, um das, was wir uns vorgenommen haben, in enger Abstimmung mit anderen Stellen zu erreichen, und werden Ihnen auf der Grundlage der von Ihnen unterzeichneten Exekutivanordnung regelmäßig über die Fortschritte und mögliche zusätzliche Schritte in einzelnen Bereichen berichten. Ich danke Ihnen. Wladimir Putin: Ich danke Ihnen. Ich denke, dass das oben genannte Konzept als solide Doktrin für weitere Aktivitäten auf der internationalen Bühne dienen wird. Konkret möchte ich unsere Kollegen, die sich mit der Umsetzung der einheitlichen Außenpolitik befassen, bitten, dem Ausbau der Beziehungen zu unseren konstruktiv gesinnten Partnern und der Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass unfreundliche Staaten ihre feindliche Politik gegenüber unserem Land aufgeben, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wichtig ist, dass unsere langfristige Planung das gesamte Spektrum der Faktoren und Trends in den internationalen Beziehungen einbezieht, die Souveränität Russlands stärkt und die Rolle7 unseres Landes bei der Bewältigung globaler Probleme und der Gestaltung einer gerechteren multipolaren Weltordnung ausbaut. Zweifellos sollte das Außenministerium in Zusammenarbeit mit anderen Stellen eine koordinierende Rolle bei der Umsetzung des Konzepts spielen. Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die direkt an der Erarbeitung des Konzepts beteiligt waren. Am Ende haben wir ein ausgewogenes Dokument erhalten, das mittel- und längerfristig die Grundlage für unsere praktischen Maßnahmen bilden wird. Ich danke Ihnen sehr herzlich
Lassen Sie uns zum nächsten Thema übergehen.
Ende der Übersetzung
Der vollständige Text des aktualisierten Konzepts der Außenpolitik der Russischen Föderation ist unter dem folgenden Link zu lesen: https://germany.mid.ru/de/aktuelles/pressemitteilungen/the_concept_of_the_foreign_policy_of_the_russi an_federation/ PDF-Version:
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Die Ukraine will die Krim “de-okkupieren”, die Beamten einer “Säuberung” unterziehen und die Bevölkerung einer “Entgiftung” aussetzen. Dies ist keine Fake News, sondern offizielles Programm der Regierung in Kiew, zitiert nach dpa. Als Teil der “De-Okkupation” soll die Krim-Brücke nach Russland abgerissen werden, schrieb der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, O. Danilow, auf Facebook. Die “Säuberung” verglich er mit der Entnazifizierung Deutschlands. Was sagt Berlin zu diesen krassen Ansagen?
P.S. Nun berichtet auch die “Tagesschau”, und zwar hier. Danilow propagiert auch offen die Zerschlagung Russland und die Änderung der Grenzen, und zwar hier (Youtube, französisch)
9 Comments
Thomas Damrau 3. April 2023 @ 10:58
Das ist das Grundproblem der Ukraine-Darstellung im Westen: Es wird immer so getan, als sei die Ukraine ein uralter Staat mit einer homogenen Ethnie, die irgendwann mal von den Russen okkupiert wurde und 1991 Gott-sei-Dank wieder selbstständig wurde. Wer bereit ist, 15 Minuten zu investieren, erkennt, dass dieses Narrativ nichts mit den historischen Fakten ( https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Ukraine ) zu tun hat: Die Ukraine ist ein multi-ethnischer Staat mit sehr komplizierter Geschichte (der auch nicht von „den Russen“ okkupiert wurde).
Die Politiker in Kiew, die davon träumen, nach der Vertreibung der russischen Armee einen „homogenen Volkskörper“ zu erzeugen, werden um ethnische Säuberungen nicht rumkommen.
Im weiten Osten ist man nicht zimperlich bezüglich Beschimpfungen und Nationalismus wird gut gepflegt. Putins Polit-Offiziere waren bisher auf der Krim tätig. Stalinismus ist wiedergekehrt.
Naja, wenn es um Beschimpfungen und Diffamierungen geht, braucht man aktuell nicht in den Osten sehen.
Die Kommunikationskultur bei uns hat mittlerweile ein unterirdisches Niveau erreicht. Jeder, der nicht die offizielle Linie vertritt, muss mit Repressalien rechnen. Das geht bis zum Jobverlust. Siehe Ulrike Guerot, Gabriele Krone-Schmalz, Sahra Wagenknecht uvm. Cancelculture, ueberwiegend uebrigens seitens der Linken, wohin das Auge reicht. Was ich persoenlich besonders entsetzlich finde.
@ Hekla: „den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat letztes Jahr Serhij Zhadan erhalten, der die Russen in seinen Texten gern als Tiere, Ungeziefer oder Unrat bezeichnet.“
Ja, das ist schon seltsam: Als ich den Artikel in der ZEIT online über den Preis und das gewürdigte Buch las, habe ich mich gefragt, ob das nicht sogar den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,… 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ [§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB]
Statt einer Anklage bekommen Autor und Verlag einen Preis, während ein Friedensaktivist wegen der Forderung, Friedensverhandlungen zu führen, einen Strafbefehl bekommt. Das kann man sich nicht ausdenken, das ist real gelebte „Wertegemeinschaft“ im 21. Jahrhundert!
Da ist der Schritt zu „Konzentrationslagern“, wo dann die „Säuberungen“ und „Entgiftungen“ praktiziert werden, doch eigentlich schon vorprogrammiert… das passt zur Verehrung des Nazi-Kollaborateurs und ukrainischen Nationalheiligen Stepan Bandera.
Ich verstehe unsere Politiker nicht, die solche Töne, kämen sie aus Reihen unserer eigenen Rechten, aufs Schärfste verurteilen würden… aus der Ukraine stören solche Töne offenbar nicht!
Das gilt nicht nur für die Krim. Die Ukraine hat vor kurzem ein “Gehirnwäschegesetz” verabschiedet, wonach die Bevölkerungen aus den jetzt russischen Gebieten einer mentalen Säuberung unterzogen werden sollen, sobald die Ukraine wieder ihre alten Grenzen zurückerobert hat.
Stimmt, es gibt noch andere krasse Aussaagen. Mikhail Podolyak, Berater von Selenskyj, erklärte, dass das umstrittene (und mittlerweile wohl geräumte) orthodoxe Kiewer Kloster “physisch gereinigt” werden sollte. Vor einem Jahr seien die Bedingungen besser gewesen, aber man könne es auch jetzt noch machen…
Inzwischen wundere ich mich kaum noch über die menschenverachtende, rassistische und an Nazi-Propaganda erinnernde Sprache ukrainischer Politiker. Auch bei Künstlern scheint dieser Sprauchgebrauch absolut in Ordnung, sogar belohnungswürdig zu sein: den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat letztes Jahr Serhij Zhadan erhalten, der die Russen in seinen Texten gern als Tiere, Ungeziefer oder Unrat bezeichnet. Merkwürdig, dass gerade in Deutschland kaum Alarmglocken schrillen, während gerade diese von entgrenztem Rassismus durchsetzte Sprache der Ukrainer in einigen europäischen Länder kritisch rezipiert wird.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
EU-Kommission will Annäherung an die USA in Bezug auf China
lostineu.eu, 3. April 2023
American experts and European transatlanticists have hailed EU Commission chief von der Leyen’s speech on China policy in the highest terms. No wonder – because it fits in well with the U.S. policy of containment.
Amerikanische Experten und europäische Transatlantiker haben die Rede von EU-Kommissionschefin von der Leyen zur China-Politik in den höchsten Tönen gelobt. Kein Wunder, denn sie passt gut zur Containment-Politik der USA.
The U.S. has long pursued the goal of containing and isolating China. So far with little success – the Middle Kingdom maintains close relations with Europe, Africa and, above all, Russia. But now the EU is swinging to the hard U.S. line.
The whole EU? No. Germany, France and Spain are still hesitating – and rightly so.
But Commission President von der Leyen has initiated a change of course with a keynote speech on China policy. She does not yet want the “decoupling” that the U.S. is propagating.
But with her “de-risking,” she is preparing Europe for the increasingly confrontational U.S. policy against China, which could lead us directly into an economic war 2.0.
If Biden tightens the thumbscrews and imposes sanctions against China, von der Leyen is likely to follow without a murmur – just as she did with the sanctions against Russia.
It is not only in China policy that the EU and its German leader follow American wishes. In Ukraine, too, it is practicing anticipatory obedience.
European military aid is being systematically increased; recently, the former peace union has even mutated into a weapons union with its own production for Kiev.
Brussels has also declared its willingness to support Ukraine in the war against Russia until “victory” is achieved. And it also wants to finance the reconstruction! Keeping the USA’s back free
Thus the EUropäer hold the USA the back freely, so that itself strengthened around China “to care for” and – in time for the presidential election in the autumn 2024 – from Ukraine to withdraw can.
The fact that elections will also be held in EUropa – even as early as spring 2024 – apparently does not matter. Because the leading EU politicians do not wear European, but transatlantic glasses.
If they practiced “Europe first”, they would have to oppose anti-Chinese policies – because China is an important trading partner for EUropa, and even the most important one for Germany!
Die USA verfolgen seit langem das Ziel, China einzudämmen und zu isolieren. Bislang mit wenig Erfolg - das Reich der Mitte pflegt enge Beziehungen zu Europa, Afrika und vor allem Russland. Doch nun schwenkt die EU auf die harte Linie der USA ein.
Die ganze EU? Nein. Deutschland, Frankreich und Spanien zögern noch - und das zu Recht.
Aber Kommissionspräsidentin von der Leyen hat mit einer Grundsatzrede zur China-Politik einen Kurswechsel eingeleitet. Noch will sie nicht die von den USA propagierte "Abkopplung".
Aber mit ihrem "De-Risking" bereitet sie Europa auf die zunehmend konfrontative US-Politik gegenüber China vor, die uns direkt in einen Wirtschaftskrieg 2.0 führen könnte.
Wenn Biden die Daumenschrauben anzieht und Sanktionen gegen China verhängt, dürfte von der Leyen ohne Murren folgen - so wie sie es bei den Sanktionen gegen Russland getan hat.
Nicht nur in der China-Politik folgen die EU und ihr deutscher Chef den amerikanischen Wünschen. Auch in der Ukraine übt sie sich in vorauseilendem Gehorsam.
Die europäische Militärhilfe wird systematisch aufgestockt, neuerdings ist die ehemalige Friedensunion sogar zu einer Waffenunion mit eigener Produktion für Kiew mutiert.
Brüssel hat sich auch bereit erklärt, die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen, bis der "Sieg" erreicht ist. Und es will auch den Wiederaufbau finanzieren!
Den USA den Rücken frei halten Damit halten die EUropäer den USA den Rücken frei, damit sie sich verstärkt um China "kümmern" und - rechtzeitig zur Präsidentschaftswahl im Herbst 2024 - aus der Ukraine zurückziehen können.
Dass auch in EUropa Wahlen stattfinden werden - sogar schon im Frühjahr 2024 - spielt dabei offenbar keine Rolle. Denn die führenden EU-Politiker tragen keine europäische, sondern eine transatlantische Brille.
Würden sie "Europe first" praktizieren, müssten sie sich gegen eine antichinesische Politik aussprechen - denn China ist ein wichtiger Handelspartner für EUropa, und sogar der wichtigste für Deutschland!
Not in Europe’s interest
It would also be in Europe’s interest to end the Ukraine war before the 2024 European elections. How do you want to run an election campaign with war and misery, how do you want to pay the horrendous costs?
But this is not an issue in Brussels. Even the fact that two mega-conflicts – Ukraine/Russia and China – could finally overwhelm Germany and the EU is not discussed – but accepted as if it were a given.
Von der Leyen and the transatlanticists follow the Americans’ “Grand Strategy”; they have no strategy of their own. Yet the EU wanted to gain “strategic autonomy” – also from the United States. Instead, it allows itself to be harnessed.
In geopolitical jargon, this is called alignment – or Western shoulder-to-shoulder. Meanwhile, China and Russia are propagating a new, “multipolar” world order – without the USA and the EU…
Es läge auch im Interesse Europas, den Ukraine-Krieg vor den Europawahlen 2024 zu beenden. Wie will man einen Wahlkampf mit Krieg und Elend führen, wie will man die horrenden Kosten bezahlen?
Aber das ist in Brüssel kein Thema. Selbst die Tatsache, dass zwei Megakonflikte - Ukraine/Russland und China - Deutschland und die EU endgültig überfordern könnten, wird nicht diskutiert, sondern als gegeben hingenommen.
Von der Leyen und die Transatlantiker folgen der "Grand Strategy" der Amerikaner, eine eigene Strategie haben sie nicht. Dabei wollte die EU doch "strategische Autonomie" erlangen - auch von den Vereinigten Staaten. Stattdessen lässt sie sich vor den Karren spannen.
Im geopolitischen Fachjargon nennt man das Alignment - oder westlicher Schulterschluss. Währenddessen propagieren China und Russland eine neue, "multipolare" Weltordnung - ohne die USA und die EU...
Den Originalbeitrag finden Sie hier. Siehe auch Von der Leyen auf Anti-China-Kurs (auf Deutsch)
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
03.04.2023
Meinungsspektren in der Diskussion
Auszug: 3. April 2023, 10:27 Uhr
bei RWE knallen die Sektkorken! Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke ist
für die nächsten Jahrzehnte gesichert!
mit E-Wärmepumpen muss/wird aufgrund des erhöhten Strombedarfs
Kondensationsstrombedarf ansteigen. Damit fällt zwangsläufig auch mehr
Abwärme an. Diese Abwärme wird zusätzlich in unsere Flüsse eingeleitet
bzw. das gedickte Kühlwasser der Kühltürme (=> der Eintrag der
Salzfracht steigt in die Flüsse steigt ggf. droht im Sommer ein
Fischsterben)! und das auch bei 80% (und auch bei 100% erneuerbarem
Strom über die Jahresbilanz berechnet), da der zeitgleiche Residuallast
Strombedarf im Winter extrem ansteigen wird, weil die erneuerbaren
naturgegeben den Strom eben gerade nicht zeitgleich zum Bedarf erzeugen
können.
Wird die Beheizung der Häuser auf Wärmepumpen umgestellt, müssen
zusätzliche, ineffiziente Kondensationskräfte in erheblichen Umfang
zusätzlich gebaut werden. Von einer Abschaltung der Kohlekraftwerke nach
2030 kann gar keine Rede sein.
Die Abwärme, welche zwangsweise bei der Stromerzeugung (Residuallast =
die Stromleistung welche zusätzlich zu erneuerbaren Stromerzeugung
benötigt wird um den Lastbedarf zeitgleich zu decken) übersteigt heute
den Wärmebedarf aller Gebäude um den Faktor 1,8 und zukünftig bei 100%
erneuerbar erzeugter Strommenge über die Jahresbilanz immer noch um 14%.
Mit der Abwärmenutzung könnte der Energiebedarf von Deutschland um ca.
40% gesenkt werden. Die CO2 und die Feinstaubemissionen würden drastisch
gesenkt werden, (Abschaltung der Kohlekraftwerke) dies ist mit der
Umstellung auf Wärmepumpen aufgrund des erhöhten Strombedarfs überhaupt
nicht möglich!
Mit der Umstellung auf Wärmepumpen ist der Kohlekraftwerksbetrieb auch
über die nächsten 50 Jahre und darüber hinaus gesichert. Bei RWE knallen
die Sektkorken, da deren Strom- und Wärmemarkt Kampagne begleitet durch
eine Vielzahl von entsprechend erstellter Studien vollständig
erfolgreich war.
Auf die einfachen, aber geschickt platzierten Argumente sind alle Laien
hereingefallen. Man konzentriert sich beim Klimaschutz auf den 15% CO2
Anteil, welcher durch das Heizen der Gebäude verursacht wird.
Gleichzeitig werden durch den erhöhten Strombedarf zu Zeiten geringer
erneuerbarer Stromerzeugung die Sachzwänge geschaffen, welche
insbesondere die Abschaltung der Braunkohlestromerzeugung unmöglich macht.
Gute Nacht, Klima, denn die Residuallast-Stromerzeugung verursacht rd.
45% der CO2 Emissionen obwohl der Anteil am gesamten Energieeinsatz von
Deutschland nur bei ca. 10% liegt. Die
Zu retten wäre das nur noch, wenn im Gebäudeenergiegesetzt der
Abwärmenutzung (insbesondere aus der Stromerzeugung) der Vorrang
eingeräumt würde.
Dies könnte noch repariert werden, wenn
die Abwärme Nutzung aus der Stromerzeugung mit 0g CO2 deklariert würde
(denn diese Wärmemenge wird zwangsweise aufgrund des benötigten Strom
sowieso erzeugt) und die Stromerzeugung der CO2 Emissionen vollständig
zugerechnet würden.
Über das KWK-G die vorrangige (Residuallasterzeugung) über KWK-Anlagen
erfolgt. Heute haben geniesen über das Strommarktdesign und das
Redispatch 2.0 die ineffizienten Kohlekraftwerke-Kondensationskraftwerke
den Vorrang. Diese verursachen zudem die höchsten CO2 Emissionen.Die
Heizwärme macht zwar einen von ca. 45% verursacht jedoch nur ca. 15% der
CO2 Emissionen (vergl. die Daten des Umweltbundesamtes / Folie 14)
Für den in der Realität wirksamen Klimaschutz retten was noch zu retten ist.
Konkrete Forderung:
1.Wärmenutzungsgebot ins EnWG einbauen, Vorrang vor jeglicher weiterer
Hallo, ihr alle, ich befürworte die Beantragung einer außerordentlichen BDK. Aber sollten wir nicht auf dieser alle Probleme zur Sprache bringen? Die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, die im Widerspruch zum Grundsatzprogramm stehen, müssten dort auch offen diskutiert werden. Nur im Frieden sind unsere Umweltprobleme zu lösen. Auch deshalb würde ich unsere Anliegen nicht trennen. Im Appell für den Frieden wird das ja auch deutlich.
03.04.2023
Öffentliche Denunzierung des Friedensanliegens - Zum gesellschaftlichen Umgang mit Friedensappellen zum Krieg in der Ukraine
Es war schon eine Unverschämtheit, wie ein Teil der Medien und der Regierungspolitik auf die Friedensbewegung und insbesondere auf das ‚Manifest für Frieden‘, zu dessen Erstunterzeichnern ich u.a. gehöre, mit falschen Zitaten und Denunzierungen reagiert hat. Auch die neue – maßgeblich von sozialdemokratischen Politikern getragene Initiative ‚Frieden schaffen!“ wird bereits von Herrn Melnyk auf rüdeste Art angegriffen.
Ihr könnt den Beitrag und den Link gern weiterreichen. Es haben ja sehr viele Friedensfreunde_innen das ‚Manifest für Frieden‘ sowie den ‚Appell für den Frieden‘ unterschrieben, deren Unterzeichnungslisten immer noch offen sind.
Ostermärsche und internationale Friedenstagung im Juni
Jetzt stehen ja erst einmal die Ostermärsche an, für die angesichts der verschiedenen weltweit stattfindenden Kriege und militärischen Konflikte eine große Beteiligung zu erwarten ist.
Einladende Organisationen: International Peace Bureau, CODEPINK, Assembly of the World Social Forum, Transform Europe, Europe for Peace,WILPF International (tbc), International Fellowship of Reconciliation ( IFOR), Peace in Ukraine, Campaign for Peace Disarmament and Common Security (CPDCS)
Lokale Organisatoren und Unterstützer: AbFaNG (Action Alliance for Peace, active Neutrality and Non-violence), Institute for Intercultural Research and Cooperation (IIRC), Austrian Center for Peace (ACP) in Stadtschlaining, Herbert C. Kelman Institute for Interactive Conflict Transformation, ÖGB – Österreichischer Gewerkschaftsbund, WILPF Austria (tbc), ATTAC Austria, IFOR Austria.
We are calling for an international civil society gathering in Vienna, Austria on June 10/11.
Ansonsten: Gerade jetzt ist es – angesichts der weiteren Eskalation im Krieg in der Ukraine und dem Versuch der gesellschaftlichen Einschüchterung der Friedensbewegung – notwendig, dass möglichst viele Persönlichkeiten den ‚Appell für den Frieden‘ auf Change.org unterzeichnen. Zurzeit sind es etwa 7050 Unterzeichner_innen. Bei 10.000 Unterzeichnungen werden wir nochmals an die Bundesregierung und das UN-Generalsekretariat schreiben. Der Link zum Appell:
Vielleicht könnt ihr noch eine Idee zur Weiterverbreitung des Links umsetzen: Pressemeldung mit Change.org-Link, Leserbrief, Post bei Facebook, Flugblattaktion bei den Ostermärschen (ein Flyer hierfür ist beigefügt).
Frieden schaffen!
Am 1.4.23 wurde in zwei Zeitungen eine friedenspolitische Anzeige zum Thema „Frieden schaffen! Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt!“ mit einer Liste von 200 Unterzeichner_innen veröffentlicht. Dieser Aufruf ist u.a. vom ältesten Sohn von Willy und Ruth Brandt, dem Historiker Prof. Dr. Peter Brandt, auf den Weg gebracht worden. Der dringend diplomatische Initiativen fordernde Text der Anzeige und die Unterzeichner_innenliste finden sich auch unter
Viele verschiedene Initiativen werden hoffentlich einen Einfluss auf die Verantwortlichen haben, so dass auf allen Seiten die Notwendigkeit diplomatischer Konfliktlösungen zunehmend anerkannt wird.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
03.04.2023
Meinungsspektren in der Diskussion
Auszug: 2. April 2023, 19:55 Uhr
.. ein sehr treffendes Titelbild im aktuellen Spiegel dazu in der Anlage: „Grün war die Hoffnung“. Es heißt ja auch „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“
Mit diesem Koa-Ausschuss ist die Hoffnung auf eine sozial-ökologische Transformation endgültig gestorben. Dies sollten auch die grünen Mitglieder endlich kapieren bzw. wir sollten sie darauf hinweisen.
Nach meiner Einschätzung geht es den grünen Funktionär*innen v. a. um ihre Pöstchen - einschl. und v. a. auch den Grün.links.denkenden, die den Kotau in der Ampel ohne Widerspruch mitmachen. Von Annalena Baerbock und Robert Habeck habe ich letztlich nichts anderes erwartet, weil sie sich in ihrer Rolle wohlfühlen und sie v. a. in den Talkshows und Medienauftritten darauf achten, wer von ihnen die/der nächste Kanzlerkandidat*in wird, was wir bereits vor dem letzten Wahlkampf kritisiert haben. Die GLD-Funktionär*innen sind mittels Pöstchen ruhig gestellt worden und klatschen opportunistisch Beifall zum diesem miesen Schauspiel, was politisch aufgeführt wird. In dem Ampelgehampel wären grüne Forderungen nur durchsetzbar, wenn eine Bereitschaft unser Funktionär*innen bestünde, die Ampel in den Verhandlungen im Koa-Ausschuss notfalls zu beenden, um grüne Kerninhalte angemessen durchzusetzen. Dazu kleben unsere Funktionär*innen viel zu sehr an ihren Pöstchen! Shakespeare hätte seine wahre Freude an diesem Drama gehabt, wenn es nicht so traurig wäre!
Kurzzusammenfassung: die sozial-ökologische Transformation wurde mit den Ergebnissen des Koa-Ausschusses beerdigt - Ökologie wird zur Fußnote (z. B. ein paar Solarpanele an den neuen 144 FDP-Autobahnen). Kindergrundsicherung und Klimageld wurden als unabdingbare soziale Maßnahmen ad acta gelegt von der FDP! Die Grünen sind zum Fußabtreter für die FDP und zum Bettvorleger für die Ampel geworden. Das Ampelgehampel wird demnächst in vielen Varianten auf der politischen Bühne fortgesetzt werden. Unsere verantwortlichen Funktionär*innen werden zu diesem Schauspiel Beifall klatschen, wie wir es bereits nach dem Koa-Ausschuss vom Buvo und in den Talkshows gesehen haben. Robert Habeck wird dem Fernsehpublikum und den von neuen geneigten grünen Basismitgliedern weiter philosophisch Honig um den Bart schmieren und Annalena Bearbock ihr diplomatisches Versagen wertebasiert begründen
Uns bleibt nur den grünen Mitgliedern die Augen zu öffnen, damit sie erkennen, wie ihnen von unseren Funktionär*innen Sand in die Augen gestreut wird, damit ihnen keine weitere Akte dieses Dramas dargeboten werden können.
03.04.2023
Meinungsspektren in der Diskussion
Auszug vom 2. April 2023, 17:51 Uhr
Ich möchte hier niemandem persönlich angreifen und bin überzeugt davon, dass sich alle hier auf dieser Liste sehnlichst wünschen, dass dieser furchtbare und sinnlose Krieg so schnell wie möglich beendet wird. Über das „wie“ gibt es verschiedene Ansichten, auch über die Vorgeschichte und die Fehler, die gemacht worden sind - auf beiden Seiten. Das müssen wir aushalten. Und konstruktiver Streit um den richtigen Weg ist sinnvoll und notwendig.
Ich wurde nach meinen Ideen gefragt. Dazu hatte ich vor ein paar Wochen hier schon einiges skizziert. Die Zauberformel, den Königsweg habe ich auch nicht. Ich denke, es braucht jetzt viel Kraft und Kreativität, um zu einem Waffenstillstand und zu ernsthaften Verhandlungen zu kommen. Das wird nicht ohne Moderation von außen gehen, von einem Land oder einer Ländergruppe, die von beiden Seiten akzeptiert werden kann. Und am Ende werden beide Seiten Kompromisse machen müssen.
Das Völkerrecht ist auf der Seite der Ukraine und verlangt den Rückzug der russischen Truppen aus allen völkerrechtswidrig besetzten bzw. einverleibten Gebieten - einschließlich der Krim. Mit dem Versuch, selbst die Krim zurückzuerobern, wird die Ukraine aber aller Wahrscheinlichkeit nach scheitern - in jedem Fall würde das aber eine ungeheure Zahl von Todesopfern fordern (es sei denn, Putin wird vorher gestürzt und eine ganz andere Regierung kommt in Russland an die Macht - eher unwahrscheinlich). Also wird ein Kompromiss gesucht werden müssen, der zum Beispiel für die Krim ein Referendum unter Regie der Vereinten Nationen beinhalten könnte. Im Donbass ist die Situation sehr viel komplizierter. Referenden kämen meines Erachtens nur für die Gebiete in Betracht, die schon vor dem 24.2. letzten Jahres unter russischem Einfluss stand. Aus den nach dem 24.2. eroberten Gebieten müssten sich die russischen Truppen zurückziehen. Als Gegenleistung wären der Verzicht einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine denkbar, die dann aber wiederum belastbare Sicherheitsgarantien bräuchte.
So lange aber die russische Armee und die Söldner-Gruppe Wagner versucht, weitere Gebiete der Ukraine zu erobern und so lange sie mit Raketen und Drohnen auch Kiew, Lwiw und andere Ziele überall in der Ukraine beschiesst, braucht die Ukraine militärische Unterstützung, um sich verteidigen zu können - besonders Luftabwehrsysteme.
Dies wird nicht allen hier auf der Liste gefallen.
Und ich bin auch keineswegs sicher, ob ich mit dem, was ich hier skizziert habe, richtig liege. Dazu fehlen mir mehr und belastbare Informationen. Und ich stelle - wie gesagt - meine momentane Positionierung auch immer wieder auf den Prüfstand und bin bereit, sie zu revidieren, wenn ich neue Erkenntnisse gewinne.
Richtschnur sollte für uns Grüne dabei immer sein, Wege zum Frieden zu suchen - Wege, die das Töten beenden. Aber auch mittel- und langfristige Folgen sind zu bedenken. Welche Auswirkungen hätte es gehabt, wenn die Ukraine kapituliert hätte - für die Menschen in der Ukraine selbst, für Moldau, für Taiwan?
Die Verschleppung zig-Tausender Kinder aus den von Russland besetzten Gebieten, schwere Repressionen, Verhaftungen, Folterungen … Nicht immer folgt auf einen Waffenstillstand auch Frieden.
Was meines Erachtens nicht weiterhilft ist das sture Beharren auf „Prinzipien“ (sei es die Gewaltlosigkeit, die immer richtig sei oder „ein Angriffskrieg darf niemals belohnt werden“) ohne wahrzunehmen und anzuerkennen, dass man in Dilemmata kommen kann, aus die es keine guten bzw. „sauberen“ Auswege mehr gibt - in denen abgewogen und um den weniger schlechten Weg gerungen werden muss.
Und ja, Doppelmoral ist schlecht und ist zu kritisieren. Aber der Hinweis auf Missetaten, die von Anderen zu einer anderen Zeit begangen worden sind, machen ein Verbrechen nicht weniger abscheulich uBy können es auch nicht relativieren.
In aktuellen Pressemitteilungen zu konkreten Anlässen ist es völlig okay, zum Beispiel zu kritisieren, dass ausgerechnet ein Außenminister, der einen verbrecherischen Angriffskrieg rechtfertigt und die Charta der Vereinten Nationen mit Füßen tritt, den Weltsicherheitsrat leitet -
ohne auch immer gleich erwähnen zu müssen, dass einst auch ein US-Außenminister den Weltsicherheitsrat hinters Licht geführt und einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gerechtfertigt hat.
Ich selber habe damals auch Demonstrationen gegen den US-Angriff auf den Irak organisiert. Trittin hat diesen Krieg auch klar verurteilt. Aber jetzt erleben wir gerade, wie Putin, Lawrow und Co zunächst die internationale Gemeinschaft belogen und dann den Überfall auf ein Nachbarland - mit allen Kriegsverbrechen - zu verantworten haben.
Und mich wundert und irritiert, dass sich manche, die sich der Friedensbewegung zugehörig fühlen, anscheinend mehr über Waffenlieferungen an die Ukraine oder Äußerungen von Selenskij empören als über die Bombardierung von ukrainischen Schulen und Krankenhäusern und Massakern an der ukrainischen Zivilbevölkerung wie in Butscha.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
03.04.2023
Ergebnis der Ampel-Koalitionsklausur
Kommentar von Albrecht von Lucke im Deutschlandfunk Kultur vom 29.03.23, 12.09 Uhr (20:34 min):
Kultur und Medien — Antwort — hib 173/2023
Honorare an Journalisten in Höhe von 1,47 Millionen
bundestag.de, 07.03.2023
Berlin: (hib/AW) Die Bundesregierung und nachgeordnete Bundesbehörden haben seit 2018 Honorare im Wert von 1.471.828,47 Euro an Journalisten für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen gezahlt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (20/5822)
(https://dserver.bundestag.de/btd/20/054/2005437.pdf) hervor. Dabei entfielen Honorare in Höhe von 875.231.92 Euro an Journalisten des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und des Auslandssenders Deutsche Welle, 596.596,55 Euro an Journalisten privater Medien. Nicht enthalten in der Aufstellung sind nach Angaben der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls Honorare, die der Bundesnachrichtendienst (BND) an Journalisten gezahlt hat, weil die Kooperationen des BND „besonders schützenswert“ seien.
zlv.lu, vom 01. April 2023, Ausland, von Ralf HohmannNicht nur BRICS machen Schritte weg von den USA
Ein gewisser Gregor Gysi macht sich Sorgen um die Zukunft von USA und EU: »Es ist das, wovor ich immer gewarnt habe, BRICS – Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika – kann jetzt zu einem neuen Block werden«, beklagt er im »Phoenix Tagesgespräch« vom 21. März. Das Flaggschiff der Springer-Journaille, »Die Welt«, hatte die dräuende Gefahr für die globalen Einflußsphären des Wirtschaftswestens schon am 26. Juni letzten Jahres geortet: »Ein antiwestlicher Block entsteht, so mächtig wie noch nie.«
2015 war die unipolare Welt noch in Ordnung, sagt uns jedenfalls eine Tischvorlage der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) aus jenem Jahr. Denn »auch wenn eine multipolare Welt gerechter erscheint, ist sie nicht unbedingt friedlicher und sicherer. Integrierende Hegemonie, die Einbeziehung vieler Akteure unter der Vorherrschaft einer wohlwollenden Führungsmacht, hat in der Vergangenheit langfristig für sicherheitspolitische Stabilität gesorgt.«
Um die Vorherrschaft unserer »wohlwollenden Führungsmacht« ist es aktuell nicht gerade gut bestellt. Im Zuge des Ukraine-Krieges und der wild um sich schlagenden Sanktionspolitik von USA-Regierung und EU-Kommission haben sich die internationalen Verhältnisse beschleunigt neu sortiert. Die auf dem Globus herumreisenden Emissäre der NATO-Staaten und der EU können einer Gefolgschaft der Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens nicht mehr sicher sein.
Bundeskanzler Olaf Scholz holte sich Ende Januar eine Abfuhr beim brasilianischen Präsidenten Lula da Silva – der sprach lieber über die Notwendigkeit zügiger Friedensverhandlungen als über Munitionslieferungen für deutsche Panzer auf ukrainischem Boden. In Chile und Argentinien lief es für Scholz nicht anders. Außenministerin Annalena Baerbock scheiterte kurz darauf beim G20-Gipfel in Indien: Der indische Staatssekretär Vinay Kwatra verbat sich Gespräche über Waffenlieferungen und Rußlandsanktionen. 1,4 Milliarden Inder verabscheuten Krieg und setzten stattdessen auf »Diplomatie und Dialog«, sagte Kwatra.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa quittierte im Mai 2022 den Wunsch des Kanzlers nach einem Eintritt Südafrikas in die antirussische Sanktionskoalition mit dem Hinweis, daß es doch gerade die westlichen Sanktionen seien, die die Länder des Globalen Südens in eine Hunger- und Energiekrise gestürzt hätten.
Die Einhaltung strikter Neutralität und das Streben nach einer Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt entsprechen der Beschlußlage des BRICS-Gipfels vom 23. Juni 2022 in Peking. Seit dessen Gründung 2001 sahen sich die im BRICS-Bündnis zusammengeschlossenen Schwellenländer entsprechend ihrer politischen Leitidee des Multilateralismus als globaler Gegenpol zur Wirtschaftsmacht des US-Dollar- und Eurosystems.
Heute zählt der BRICS-Staatenbund zu den wirtschaftlich und politisch wirkungsmächtigsten internationalen Akteuren. 2021 betrug sein Anteil am kaufkraftbereinigten globalen Bruttoinlandsprodukt 32 Prozent – bei einem Anteil an der Weltbevölkerung von 40 Prozent. Die Bemühungen der G7-Staaten, mit der Einrichtung des G20-Formats eine größere Anbindung der 19 beteiligten außereuropäischen Länder zu erreichen, sind – wie zuletzt der G20-Gipfel in Bali gezeigt hat – wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten auf informeller Ebene steckengeblieben.
Ganz anders die BRICS-Staaten, die inzwischen das Format »BRICS+« ausgerufen haben. Die Liste der Bewerber um eine Mitgliedschaft ist lang: Dazu zählen Algerien, Türkei, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien, Argentinien und Indonesien. Ein BRICS-Beitritt des NATO-Mitglieds Türkei wäre für die Strategen im Pentagon ein veritables Desaster, ähnlich verhält es sich mit dem alten Waffenbruder der USA, Saudi-Arabien. Die Mission von USA-Präsident Joseph Biden im vergangenen Juli in Riad mit dem Ziel, Saudi-Arabien wieder auf Kurs zu bringen, war grandios gescheitert.
Die zunehmende wirtschaftliche und damit auch politische Isolation des Wirtschaftswestens geht nicht zuletzt auch auf die sich seit Jahren verstärkende Kooperation zwischen BRICS und den Ländern des südostasiatischen Wirtschaftsbündnisses ASEAN und dessen südamerikanischem Pendant MERCOSUR (Mercado Común del Sur) zurück. In allen drei Bündnissen werden derzeit konkrete Pläne zur Einführung eigener Handelswährungen geschmiedet. Gemeinsames Ziel ist die Ablösung des US-Dollars als Leitwährung und der Aufbau eines neuen internationalen Geldtransfermechanismus, der unabhängig vom westlichen SWIFT-System funktioniert.
Dies hätte zur Folge, daß der beherrschende Einfluß der US-amerikanischen Zentralbank Fed, deren Zinspolitik den Lauf der gesamten Weltwirtschaft bestimmt, global ins Hintertreffen geriete. Bislang fällt jede Transaktion, die international in US-Dollar abgewickelt wird, unter US-amerikanisches Recht. Dieser völkerrechtlich höchst fragwürdigen Praxis wäre durch den Einsatz anderer Handelswährungen ebenfalls ein Ende gesetzt. Eine Entwicklung, die wahrlich keinen Anlaß gibt, die Stirn sorgenvoll in Falten zu legen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
gewerkschaftliche-linke-berlin.de, vom April 1, 2023, Jochen Gester
Wir dokumentieren hier einen Aufruf, der heute veröffentlicht wurde und vor allem dadurch auffällt, dass er von vielen Gewerkschafter:innen, darunter auch eine ganzen Reihe früherer und heutiger Vorstandsmitglieder, unterschrieben wurde. Um den Aussagewert des Aufrufs besser verstehen zu können, erscheint es mir sinnvoll, einen kleinen Rückblick in die Geschichte zu werfen.
Die Stellung der Gewerkschaften in Deutschland – und nicht nur hier – zum Umgang mit Kriegen war immer schon alles andere als einvernehmlich. In der Zeit vor dem 1. Weltkrieg waren sie politisch eingebunden in Politik und Weltanschauung der europäischen sozialdemokratischen Parteien, und dies hieß auch, kriegskritisch zu sein. Doch gab es innerhalb der deutschen Arbeiterklasse duchaus auch Unterstützer der kolonialistischen Ambitionen des Kaiserreiches. Dieser Widerspruch platzte dann nach Ausbruch des 1. Weltkrieges offen auf. Auf der einen Seite standen die Befürworter einer Burgfriedenspolitik, die “in der Stunde der Not das Vaterland nicht im Stich lassen” wollten. Doch als Gewerkschafter folgten sie auch dem Kalkül, für ihre Befriedungsdienste den Herrschenden eine Gegenleistung abzupressen: ihre legale Anerkennung als Interessenorganisation der Lohnabhängigen und die Durchsetzung elementarer Rechte, die das monarchistische Deutschland der Arbeiterklasse bis dato verweigert hatte. Für die andere Seite standen exemplarisch die Revolutionären Obleute, die durch die aktive Organisierung von Massenstreiks und die Vorbereitung auf den Sturz der Monarchie nicht nur praktisch dem Krieg ein Ende gesetzt haben sondern auch als Geburtshelfer der Demokratie in Deutschland in die Geschichte eingegangen sind.
Die Nazibarbarei beendete dann Friedensperiode und Demokratie gleichermaßen, so dass 1945 die von den Nazis verbotenen und aufgelösten Gewerkschaften neu aufgebaut werden mussten. In die ersten Grundsatzerklärungen fanden die traumatischen Kriegserfahrungen Eingang, die der Schwur der Buchenwaldhäftlinge “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg” Ausdruck verlieh. Diese Stimmung hielt in den Kernbereichen der Mitgliedschaft an bis zur “Ohne mich”-Bewegung, die gegen die Remilitarisierung und diskutierte Atombewaffnung der Bundeswehr entstand. Doch die erzwungene Durchsetzung der Wiederbewaffnung und die Dominanz der Kalten Kriegs-Logik beendete auch diese militärkritische Ausrichtung innerhalb der Gewerkschaften. An ihre Stelle trat die uneingeschränkte NATO-Loyalität aller verantwortlichen Funktionsträger.
Erst durch die Friedensbewegung der 80er Jahre bekam diese Loyalität erneut deutliche Risse. Innerhalb der Gewerkschaften folgte ein Teil der Mitglieder Kanzler Helmut Schmidt, der die Stationierung atomarer US-Mittelstrecklenraketen auf deutschem Boden durchzusetzen versuchte. Der andere suchte Anschluss an die Friedensbewegung und leistete hier wichtige Beiträge für die Aufklärung und Mobilisierung. Doch wie prekär diese Parteinahme der Linken innerhalb der Organisation war, lässt sich am folgenden Beispiel illustrieren: Georg Benz – er gehörte zu den Linken im IG Metall-Vorstand – redete bei der großen Demonstration der Friedensbewegung 1981 auf dem Bonner Münsterplatz. Doch er musste dies als Privatperson tun und nicht in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der IG Metall. Das Ende des Kalten Krieges, für das die Sowjetunion eine entscheidende Rolle spielte und einen unerwarteten Entspannungs- und Abrüstungsprozess ermöglichte, sorgte dann auch für Ruhe in der gewerkschaftlichen Debatte. Diese ist nun mit der sog. “Zeitenwende” wie mit einem Paukenschlag beendet worden.
Doch seit Kriegsbeginn werden diese klaren Positionsbestimmungen erkennbar zurückgenommen zugunsten einer graduellen Anpassung an die Politik der “Zeitenwende-Koalition”. Der offizielle Aufruf ist keinesfalls eine Übernahme des die Kriegseskalation fördernden Regierungskurses und versucht Haltelinien für diese Politik zu formulieren. Doch er arrangiert sich auch mit dieser Politik, statt ihre Legitimation grundsätztlich zu bestreiten. Dies liest sich dann so:
“Die militärische Friedenssicherung darf weder zulasten des sozialen Friedens noch zulasten der dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen in die sozial-ökologische Transformation und in die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats gehen. Weit dringlicher als die Festlegung auf das Ausgabenziel der NATO ist zudem die Frage, wie in Deutschland die erheblichen zusätzlichen Mittel mobilisiert werden können, die nötig sind, um rasch Unterbringungs- und Teilhabemöglichkeiten für die Geflüchteten zu schaffen und die wirtschaftlichen Folgen des Krieges abzufedern.” Hier findet man den gesamten Text des Aufrufs https://www.dgb.de/themen/++co++6cc45846-b4b0-11ec-8de2-001a4a160123
Der Aufruf “FRIEDEN SCHAFFEN! – Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt!” ist der Versuch, den politischen Raum für die Kräfte innerhalb der Gesellschaft zu erweitern, die nicht bereit sind, weiter einer Politik des “Siegfriedens” zu folgen. Er widersetzt sich damit auch den dominanten Kräften innerhalb der SPD, deren Politik auch von Teilen der eigenen Mitgliedschaft als Bruch mit Grundaussagen gewerkschaftlicher Friedenspolitik und dem politiischen Erbe der Ära Brand und Bahr begriffen wird. Wie eng dieser im Aufruf verfolgte Denkansatz auch immer sein mag – er ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. (Jochen Gester)
FRIEDEN SCHAFFEN! Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt!
Mehr als ein Jahr dauert bereits der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Jeder weitere Tag Krieg bedeutet für die betroffenen Menschen mehr Leid und Zerstörung, mehr Verwundete und Tote. Mit jedem Tag wächst die Gefahr der Ausweitung der Kampfhandlungen. Der Schatten eines Atomkrieges liegt über Europa. Aber die Welt darf nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern. Die Welt braucht Frieden. Das Wichtigste ist, alles für einen schnellen Waffenstillstand zu tun, den russischen Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden.
Aus dem Krieg ist ein blutiger Stellungskrieg geworden, bei dem es nur Verlierer gibt. Ein großer Teil unserer Bürger und Bürgerinnen will nicht, dass es zu einer immer weiteren Gewaltspirale ohne Ende kommt. Statt der Dominanz des Militärs brauchen wir die Sprache der Diplomatie und des Friedens.
Die Friedens- und Entspannungspolitik, der wir die deutsche Einheit und die Überwindung der europäischen Spaltung verdanken, ist nicht überholt. Wir haben uns in der Vergangenheit für ihre Ziele eingesetzt und tun das auch heute. Um es mit Willy Brandt zu sagen: „Es gilt sich gegen den Strom zu stellen, wenn dieser wieder einmal ein falsches Bett zu graben versucht.“
Die Vereinten Nationen haben mit dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit den Weg in eine friedliche Welt aufgezeigt. Es hat seine Wurzeln in der deutschen Friedens- und Entspannungspolitik. In diesem Geist kam es zur Schlussakte von Helsinki und zur Charta von Paris für ein neues Europa. Daran knüpfen wir an. Frieden kann nur auf der Grundlage des Völkerrechts und auch nur mit Russland geschaffen werden.
Unsere Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen, nur so sind die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Entscheidend ist es, die Eskalation des Krieges zu stoppen. Wir ermutigen den Bundeskanzler, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen. Das wäre ein notwendiger Schritt, um das Töten zu beenden und Friedensmöglichkeiten auszuloten. Nur dann kann der Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitsordnung in Europa geebnet werden.
Initiatoren: Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker; Reiner Braun, Internationales Friedensbüro; Reiner Hoffmann, ehem. DGB-Vorsitzender; Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde, Parl. Staatssekretär a. D.
Unterzeichner: Garnet Alps, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Braunschweig; Dr. Franz Alt, Journalist, Schriftsteller und Solaraktivist; Erich Bach, Diplom Volkswirt, Jörg Barczynski, ehem. Pressesprecher IG Metall; Angelika Beck, Heilpraktikerin; Angelika Beier, ehem. Gewerkschaftssekretärin; Anke Beins, ehem. GPR-Vorsitzende, Ver.di; Rüdiger Beins, ehem. KBR-Vorsitzender, Ver.di; Prof. Dr. Ulrike Beisiegel, Vorsitzende Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Klaus Uwe Benneter, Rechtsanwalt und ehem. Bundesgeschäftsführer der SPD; Flavio Benites, 1. Bevollmächtiger der IG Metall Wolfsburg; Dr. Karin Benz-Overhage, ehem. geschäftsführender Vorstand IG Metall; Jochen Berendsohn, ehem. Gesamtpersonalratsvorsitzender ver.di; Josef Bergmann, Dipl. Ing. und Soziologe; Friedhelm Julius Beucher, Präsident Deutscher Behindertensportverband; Prof. Dr. Heinz Bierbaum, Wirtschaftswissenschaftler; Dr. Wolfgang Biermann, Neue Entspannungspolitik jetzt!; Dr. Detlef Bimboes, Dipl. Biologe; Prof. Dr. Hanne-Margret Birkenbach, Friedensforscherin; Jutta Blankau, Senatorin a.D.; ehem. Bezirksleiterin IG Metall; Rainer Bliesner, ehem. DGB-Landesvorsitzender Baden-Württemberg; Dr. Susanna Böhme-Kuby, Germanistin; Christina Böttcher, Erzieherin; Manfred Böttcher, ehem. Gewerkschaftssekretär ver.di; Norbert-Walter Borjans, ehem. SPD-Vorsitzender; Prof. Dr. Ulrich Brand, Politikwissenschaftler; Dr. Arno Brandt, Öko- nom; Dr. Klaus Brülls, ehem. Geschäftsführer DGB-Bildungswerk NRW; Annelie Buntenbach, ehem. Mitglied im geschäftsführender Bundesvorstand DGB; Uwe Christensen, ehem. 1. Bevollmächtigter der IG Metall Nienburg- Stadthagen; Benedikt Christensen, Berufsschullehrer i. R.; Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende der Ärztevereinigung IPPNW; Peter Martin Cox, ehem. stellv. Landesbezirksvorsitzender NGG Südwest; Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin a.D.; Daniela Dahn, Schriftstellerin; Dr. Viola Denecke, ehem. stellvertretende Landesbezirks-Leiterin IGBCE; Bärbel Diekmann, früher Stellv. Vorsitzende SPD-Bundesvorsitzende und Präsi- dentin Welthungerhilfe; Prof. Jochen Diekmann, Finanzminister NRW a. D.; Martina Dierßen, Gewerkschaftssekretärin Ver.di; Prof. Dr. Klaus Dörre, Sozialwissenschaftler; Werner Dreibus, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall; Hasso Düvel, ehem. Bezirksleiter IG Metall Berlin, Brandenburg, Sachsen; Michael Dunst, Bildungsreferent Bildungswerk ver.di; Katja Ebstein, Sängerin; Hans Eichel, Bundesminister a. D.; Michael Erhardt, 1. Bevollmächtigter der IG Metall; Dr. Petra Erler, Staatssekretärin in der Regierung de Mazière; Hinnerk Feddersen, ehem. Bundesvorstand ver.di; Harald Fiedler, ehem. DGB-Vorsitzender Frankfurt/Main; Dr. Ute Finckh-Krämer, ehem. MdB; Justus Franz, Musiker, Pianist; Ulrich Frey, Vorstand Martin Niemöller Stiftung, Prof. Dr. Hajo Funke, Politikwissenschaftler; Markus Fuß, Gewerkschaftssekretär Berlin; Wilfried Gaum, Ministerialrat a. D.; Andreas Gehrke, ehem. Geschäftsführendes Vorstandmitglied GEW; Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär Ver.di; Stephan Gorol, Kulturmanager; Arno Gottschalk, MdBü Bremen; Jürgen Grässlin, Pädagoge, Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft; Bernd Grimpe, Kommunalbeamter a. D.; Ulrich Grober, Schriftsteller und Nachhaltigkeitsforscher; Jürgen Groß, Journalist; Edith Großpietsch, ehem. pädagogische Referentin IG Metall; Christoph Habermann, ehem. Staatssekretär im Bundespräsidialamt; Andreas Hamm, ehem. Gewerkschaftssekretär; Ingo Harms, Gewerkschaftssekretär; Gottfried Heil, ehem. 2. Bevollmächtigter der IG Metall; Prof. Dr. Peter Hennicke, Energieforscher, ehem. Präsident des Wuppertal-Instituts; Dr. Detlef Hensche, ehem. Vorsitzender der IG Medien; Dietmar Hexel, ehem. Mitglied im geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand und im SPD-Parteivorstand; Dr. Dierk Hirschel; Gewerkschaftssekretär Hauptvorstand ver.di; Uwe Hiksch, Bundesvorstand der Naturfreunde, ehem. MdB; Hans Jürgen Hinzer, ehem. Bundesstreikbeauftragter der NGG; Dr. Gunter Hofmann, Journalist; Dr. Martin Hoffmann, Ostexperte; Alfred Huber, Friedensaktivist; Prof. Dr. Hans Joas, Soziologe und Sozialphilosoph; Wolfgang Jüttner, Minister a.D.; Marion Jüttner—Hötker, Gesamtschuldirektorin a. D.; Dr. Hans-Peter Kaballo, Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsrats-Mitglied Linde Engineering; Janine Kaiser, Bildungsreferentin; Herbert Karch, ehem. Gewerkschaftssekretär IG Metall; Susanne Karch, Dr. Margot Käßmann, Theologin und ehem. Ratsvorsitzende der EKD; Jutta Kausch-Henken, Berliner Friedenskoordination; Yannick Kiesel, Friedensbeauftragter der Naturfreunde; Dr. Karl-Heinz Klär, ehem. Büroleiter von Willy Brandt und Staatssekretär; Roland Klapprodt, ehem. Mitarbeiter SPD-PV; Prof. Dr. Dieter Klein, Gesellschaftswissenschaftler; Karoline Kleinschmidt, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim. Dr. Heidrun Kletzin, Vor- stand Organisationsberatung Gruppe 7 eG; Reinhard Klimmt, Ministerpräsident und Bundesminister a.D.; Dr. Bernhard Klinghammer, Arzt; Dr. Norbert Kluge, Gründungsdirektor I.M.U. / Hans Böckler Stiftung; Dr. Matthias Kollatz, ehem. Finanzsenator Berlin; Ralf Krämer, Gewerkschaftssekretär ver.di; Jutta Krellmann, ehem. MdB; Prof. Dr. Rolf Kreibich, Zukunftsforscher; Werner Kubitza, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Salzgitter; Willi Kuhn, Betriebsräte-Berater, Kommunalpolitiker; Detlef Kunkel, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Braunschweig; Ina Kunzmann, Journalistin; Martin Kunzmann, ehem. DGB-Landesvorsitzender; Peter Kurbjuweit, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Hameln; Dr. Rainer Land, Umweltökonom; Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall; Nico Lopopolo, DGB-Vorsitzender Stadtverband Hannover; Dr. Hans-Jochen Luhmann, Vorstand der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Frank Mannheim, Gewerkschaftssekretär; Claus Matecki, ehem. DGB-Bundesvorstand; Hartmut Meine, ehem. Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen/Sachsen-Anhalt; Doris Meißner; Heidi Merk, Landesjustizministerin a.D., Prof. Dr. Reinhard Merkel, Rechtsphilosoph; Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler und Demokratieforscher; Prof. Dr. Thomas Meyer, Journalist und Philosoph; Dr. Hans Misselwitz, Leiter der DDR-Delegation bei den 2-plus-4 Verhandlungen; Prof. Dr. Klaus Moegling, Politikdidaktiker und Sportwissenschaftler; Franz-Josef Möllenberg, ehem. Vorsitzender der NGG; Jochen Nagel, ehem. Landesvorsitzender der GEW Hessen; Julia Neigel, Sängerin; Mathias Neumann, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim; Franz Neundorf, Diplom Psychologe, ehem. Gewerk- schaftssekretär der IG Metall; Lars Niggemeyer, Gewerkschaftssekretär Hannover; Jürgen Offermann, gewerkschaftlicher Bildungsreferent NRW; Hans-Joachim Olczyk, Friedensforum Delmenhorst; Dr. Beenhard Oldigs, historische Kommission der SPD; Dennis Olsen, Gewerkschaftssekretär IG Metall Hannover; Willi van Ooyen, Sprecher Friedensratschlag, ehem. Gewerkschaftssekretär der IG Metall; Heidi Pape, ehem. Betriebsrätin, jetzt Senioren-Vorstand IG Metall Hannover; Klaus Pape, ehem. Leiter Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften; Jürgen Peters, ehem. 1. Vorsitzender der IG Metall; Bernhard Pfitzner, ehem. Präsidium ver.di-Bundesfachverband TK/IT; Klaus Pickshaus, Gewerkschaftssekretär IG Metall; Alfons Pieper, Journalist; Michael Pöllath, ehrenamtlicher DGB-Vorsitzender Ortsverband Barsinghausen; Dr. Lars Pohlmeier, Vorsitzender der Internationalen Ärztevereinigung IPPNW; Frank Raabe-Lindemann, Gewerkschaftssekretär IG Metall; Prof. Dr. Joachim Radkau, Historiker; Wolfgang Räschke, 1. Bevollmächtigter IG Metall Salzgitter-Peine; Charima Reinhardt, Journa- listin; Wiltrud Rösch-Metzler, Journalistin, Pax Christi; Jenspeter Rosenfeldt, ehem. MdBü Hamburg; Witich Roß- mann, DGB-Vorsitzender Köln; Prof. Dr. Werner Ruf, Friedensforscher; Christine Salzwedel, March/Breigau; Martin Salzwedel, March/Breisgau, Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt a. D.; Jens Schäfer, Betriebsratsvorsitzender ZF WABCO; Dr. Klaus Jürgen Scherer, Politikwissenschaftler, Redakteur; Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Leiter Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit; Dr. Carsten Sieling, Präsident des Senats und Bürgermeister a. D. Bremen; Michaela Schiessl, ehem. SPIEGEL-Reporterin; Dr. h.c. Herbert Schmalstieg, Ober- bürgermeister a. D. der Landeshauptstadt Hannover; Regina Schmidt-Kühner, Bundesvorstand der Naturfreunde, ehem. MdL; Horst Schmitthenner, ehem. geschäftsführender Vorstand IG Metall; Hannelore Schmitthenner-Bopp, technische Angestellte; Hubertus Schmoldt, ehem. Vorsitzender IG BCE; Stephan Soldanski, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück; Dieter Scholz, ehem. DGB-Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg; Dr. Michael von der Schulenburg, Diplomat bei der OSZE, Elke Schulte-Meine, Gewerkschaftssekretärin IG Metall; Wolfgang Schulz, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Wolfsburg, Tilmann Schwenke, Bundesvorstand der Naturfreunde, Petra Schwermann, Pfarrerin; Ursula Schwippert, Betriebsratsvorsitzende, Mitglied IG BCE; Helga Schwitzer, ehem. geschäftsführendes Vorstandsmitglied IG Metall; Reinhard Schwitzer, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Hannover; Prof. Dr. Franz Segbers, Theologe und Sozialwissenschaftler; Prof. Dr. Udo Simonis, Umweltwissenschaftler; Ewald Slink, Unternehmer; Michael Sommer, ehem. DGB-Bundesvorsitzender; Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung; Dr. Joachim Spangenberg, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats BUND; Dr. Hans-Christoph von Sponeck, UN-Diplomat; Malte Stahlhut, 2. Bevollmächtigter IG Metall Braunschweig; Eva Stassek, ehem. 1. Bevollmächtigte IG Metall Braunschweig; Dr. Uwe Stehr, ehem. Abrüstungsreferent von Egon Bahr; Franz Steinkühler, ehem. 1. Vorsitzender der IG Metall; Dr. Gabriele Sterkel, Gewerkschaftssekretärin ver.di; Prof. Dr. Johano Strasser, Politologe, ehem. Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland; Maritta Strasser, Bundesgeschäftsführerin der Naturfreunde; Prof. Dr. Wolfgang Streeck, Politikwissenschaftler und Soziologe; Marlis Tepe, ehem. Vorsitzende der GEW; Dr. Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a. D.; Dr. Hans Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall; Günter Verheugen, ehem. Vizepräsident der EU-Kommission; Jürgen Voges, Journalist; Walter Vogt, ehem. Vorstandsmitglied IG Metall; Dr. Antje Vollmer†, Theologin, ehem. Vizepräsidentin Deutscher Bundestag; Dr. Fritz Vorholz, Journalist; Marita Vornbäumen, Gesellschafterin J&W Vornbäumen; Dr. Hilde Wagner, Soziologin, ehem. Gewerkschaftssekretärin IG Metall; Hugo Waschkeit, Gewerkschaftssekretär Ver.di; Herbert Weber, Gewerkschaftssekretär; Konstantin Wecker, Liedermacher; Edgar Weick; Prof. Dr. Hubert Weiger, Ehrenpräsident des BUND; Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Umweltwissenschaftler, ehem. Präsident des Wuppertal-Instituts; Detlef Wetzel, ehem. 1. Vorsitzender der IG Metall; Matthias Wilhelm, 1. Bevollmächtigter Salzgitter-Peine; Heinz-H. Witte, ehem. DGB-Landesvorsitzender Niedersachsen/ Bremen; Wolfgang Wiemer, ehem. Referent für Grundsatzfragen; Klaus Wiesehügel, ehem. Vorsitzender IG BAU; Matthias Woisin, Präsidium AWO-Hamburg; Prof. Dr. Rolf Wortmann, Politikwissenschaftler; Andrea Ypsilanti, Soziologin, ehem. Vorsitzende der SPD-Hessen; Burkhard Zimmermann, Pädagoge; Dirk Zöllner, Sänger; Dr. Christoph Zöpel, ehem. Landesminister NRW und Staatsminister im Auswärtigen Amt; Klaus Zwickel, ehem. 1. Vorsitzender IG Metall
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
02.04.2023
Bodo Ramelow im Interview : „Putin hat vollzogen, was Hitler nicht geschafft hat“
faz.net, Aktualisiert am 02.04.2023-18:02
Ramelow im Interview über Wladimir Putin und Sahra Wagenknecht
Stefan Locke Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Bodo Ramelow in seinem Büro in der Erfurter Staatskanzlei Bild: Frank Röth
Es tue ihm weh, sagt Thüringens Ministerpräsident, dass manche in seiner Partei Russlands Imperialismus nicht erkennen wollten. Er ist froh über die NATO – und hat einen Rat für Sahra Wagenknecht.
Herr Ministerpräsident, wie läuft das Parteiausschlussverfahren gegen Sie?
So wie ein VW Käfer, es läuft und läuft und läuft. Ich habe mich aber redlich bemüht, meine Argumente in die Partei zu tragen. Ich habe vom ersten Tag des Krieges gegen die Ukraine an klar geäußert, dass ein überfallener Staat in einem völkerrechtswidrigen Krieg auch das Recht hat, sich zur Wehr zu setzen und sich dafür auch mit dem notwendigen Material zu versorgen.
Deshalb wird Ihnen vorgeworfen, gegen die Parteilinie zu verstoßen, die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete ausschließt.
Südafrikanische Regierungspartei will in Moskau Bündnis mit Putin-Partei stärken
berliner-zeitung.de, 02.04.2023 | 07:30 U AFP hr
Während der Westen Russland isolieren will, haben viele Länder des sogenannten globalen Südens andere Interessen. Darunter auch Südafrika.
ANC-Präsident Cyril Ramaphosadpa (Bild)
Zitat: Hochrangige Vertreter der südafrikanischen Regierungspartei ANC wollen nach deren Angaben bei einem Besuch in Russland die Freundschaft mit der Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin festigen.
Bei den Gesprächen in Moskau gehe es unter anderem um die „Neuausrichtung der globalen Ordnung“, die das Ziel habe, „die Folgen des Neokolonialismus und der zuvor vorherrschenden unipolaren Welt umzukehren“, erklärte der ANC am Samstag. Südafrika zählt zu den Staaten im globalen Süden, die Russland am nächsten stehen.
Der bereits am Donnerstag begonnene Besuch erfolge auf Einladung der Partei Einiges Russland, die „ein langjähriger Verbündeter und Freund des ANC“ sei. Die Delegation der Partei wird von Obed Bapela angeführt, dem Leiter der ANC-Kommission für internationale Beziehungen. Die Reise sollte am Sonntag zu Ende gehen.
Moskau versucht seit Jahren, seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu afrikanischen Staaten zu stärken. Am Freitag unterzeichnete Präsident Putin eine neue außenpolitische Strategie, in der die „Beseitigung der Dominanz“ des Westens als Schwerpunkt genannt wird.
Südafrika hat sich seinerseits bisher stets geweigert, den Überfall Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Die Regierung in Pretoria erklärte, sie wolle neutral bleiben und ziehe Verhandlungen zur Beendigung des Krieges vor.
Südafrika ist im August Gastgeber eines Gipfels der sogenannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Im Februar hatte Südafrika eine umstrittene gemeinsame Militärübung mit Russland und China abgehalten, im Januar stattete der russische Außenminister Sergej Lawrow Pretoria einen offiziellen Besuch ab.
Die Beziehungen Südafrikas zum Kreml reichen Jahrzehnte zurück. Während des Kalten Kriegs unterstützte der Kreml den ANC in seinem Kampf gegen die Apartheid.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
02.04.2023
Lawrow im Gespräch mit "Prensa Latina" aus Kuba zur Ukraine: "Wir hatten keine Wahl"
gegenzensur.rtde.life, 2 Apr. 2023 15:42 Uhr
Russlands Außenminister Sergei Lawrow erklärte im Interview mit der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina hinsichtlich der Militäroperation in der Ukraine, dass Russland keine Wahl gehabt habe. Lawrow äußerte sich auch zu den Folgen der westlichen Sanktionen und den Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten.
Archivbild: Russlands Außenminister Sergei Lawrow
Im Exklusivinterview mit der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina erklärte Russlands Außenminister Sergei Lawrow hinsichtlich der Militäroperation in der Ukraine, dass es für Russland keine Alternative gegeben habe, nachdem alle Versuche zurückgewiesen wurden, eine politische Lösung, zum Beispiel durch die Umsetzung der Minsker Abkommen, zu erreichen. Neben dem Ukraine-Konflikt erörterte der Minister auch Themen wie die Konfrontation mit westlichen Sanktionen, die Beziehungen zu den afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten und insbesondere die Verbindungen mit Kuba.
Prensa Latina: Herr Minister, welches waren die Leitlinien der Arbeit der russischen Diplomatie seit Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine?
Sergei Lawrow: Die Vorgaben und Ziele der militärischen Sonderoperation wurden vom russischen Präsidenten Wladimir Putin in seiner Rede im Februar vergangenen Jahres klar definiert und sie bleiben unverändert bestehen.
Wir konnten die Linie des Westens nicht länger hinnehmen, der wieder einmal entschieden hat, die Nazi-Theorie und -Praxis zu wählen, um den Krieg zu erklären, diesmal einen hybriden Krieg gegen die Russische Föderation.
Der Krieg wird vom ukrainischen Militär auf Befehl des Kiewer Regimes geführt. Aber wie die ukrainischen Führer selbst sagen: Wenn es keine kontinuierliche Lieferung von mehr und mehr Angriffswaffen gibt, wird die Ukraine verlieren.
Dies ist ein sehr bezeichnendes Eingeständnis, das bedeutet, dass der Westen direkt an diesem Konflikt beteiligt ist.
Ohne den Westen wäre er seit Langem beendet. Der Krieg hätte längst beendet werden können, die Bedrohungen, unter denen die gesamte russischsprachige russische Bevölkerung des Landes, das sich Ukraine nennt, seit Beginn des Staatsstreichs 2014 lebt, hätten beseitigt werden können. In dem Land, in dem der Unterricht in russischer Sprache seither verboten ist, ebenso wie die Verwendung der Sprache im Alltag, gar nicht zu reden von der Schließung der Kommunikationsmedien.
Und natürlich wurde dieses Regime vom Westen nicht nur benutzt, um alles Russische zu zerstören, das in der ganzen Geschichte dieser Gebiete und in der modernen Ukraine immer existiert hat. Sondern auch, um direkte Bedrohungen der Sicherheit der Russischen Föderation mit der Einrichtung von Militärbasen und anderen Infrastrukturen der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) in der Ukraine zu schaffen.
Wir hatten keine andere Wahl, nachdem alle unsere Versuche zurückgewiesen wurden, eine politische Lösung zu erreichen, zunächst durch die Umsetzung der Minsker Abkommen und dann im Dezember 2021 durch die Aushandlung eines Abkommens mit den USA und der NATO über gegenseitige Garantien, die gleichbedeutend mit der unteilbaren Sicherheit beider Parteien waren.
Ich denke daher, dass alle, die sich mehr oder weniger für das interessieren, was geschieht und die mehr oder weniger objektiv sind, sehr gut verstehen, was auf dem Spiel steht. Und was uns angeht – wir haben nichts zu verbergen.
Wir kämpfen für die Sicherheitsbedingungen für unser Land, die in den vergangenen 30 Jahren vom Westen fortlaufend zerstört wurden, vor allem von den USA, die alle Verträge im Bereich der strategischen Stabilität ignoriert haben.
Und wir kämpfen im Rahmen der speziellen Militäroperation für das Schicksal dieser Menschen, denen das Kiewer Regime öffentlich gedroht hat, sie zu vernichten. Es hat sie zu Terroristen erklärt. Und wir schützen das Schicksal dieser Menschen; wir schützen ihre Rechte in voller Übereinstimmung mit der UN-Charta, mit den internationalen Konventionen.
Wir verteidigen ihr Recht, selbst zu bestimmen, wie sie weiterhin in den Gebieten leben wollen, die seit Jahrhunderten ihren Vorfahren gehörten.
Diese Ausübung des Selbstbestimmungsrechts hat es bekanntermaßen bereits 2014 auf der Krim und im vergangenen Jahr in der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Lugansk, in den Regionen Saporoschje und Cherson gegeben. Dies ist also eine Realität, die niemand ignorieren kann.
Prensa Latina: Russland ist mit einem umfangreichen Wirtschaftskrieg konfrontiert, aber selbst im Westen scheint man das Scheitern dieser Strangulierungspolitik zu begreifen. Vielleicht versuchen sie deshalb, andere Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien unter Druck zu setzen, sich dieser Politik anzuschließen. Was können Sie uns dazu sagen?
Sergei Lawrow: Diese Politik ist gescheitert, genauso wie der Plan des Westens gescheitert ist, Russland drastisch zu schwächen und ihm eine strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zuzufügen.
Nun, dazu kommt noch, dass eine immer größere Zahl westlicher Söldner auf den Schlachtfeldern der Ukraine ihr Ende findet.
Sie haben Recht, drei Viertel aller Staaten der Welt, vor allem in Asien, Lateinamerika, Afrika, haben sich den Sanktionen nicht angeschlossen. Ständig erpressen sie diese Länder, drohen ihnen, die Finanzierung einzustellen, bereiten ihnen Probleme, Kredite vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zu bekommen.
Sie fordern, dass die Länder in der UNO und anderen internationalen Organisationen für die Resolution zur Verurteilung der Russischen Föderation stimmen. Und das geschieht auch. Aber wir wissen, mit welch skrupellosen, buchstäblichen Gangstermethoden diese Stimmen sehr oft zustande kommen. Wir wissen das sehr gut. Sie erpressen alle mit dem Vorhandensein von Bankkonten in den USA und der Tatsache, dass die Kinder der Botschafter bestimmter Persönlichkeiten im Westen studieren.
Das kann man nicht Diplomatie nennen. Das ist reine Erpressung unter der Gürtellinie. An so etwas kann ich mich nicht einmal aus Zeiten des Kalten Krieges erinnern.
Aber drei Viertel des Planeten, eine Gruppe von Ländern, die wir als Weltmehrheit bezeichnen, die diese Schritte oft nicht befürworten, wenn sie abstimmen, schließen sich den Sanktionen nicht an und werden dies auch nicht tun.
Immer mehr Nationen beginnen zu begreifen, dass es in einem bestimmten Moment gefährlich sein kann, das Spiel des Westens mitzuspielen und ihm blindlings zu folgen.
Niemand weiß, wer im nächsten oder übernächsten Jahr von den US-Amerikanern als Bedrohung, als Objekt des Angriffs, der Isolierung eingestuft wird, und wessen Bestrafung bei den Präsidentschaftswahlen oder den Zwischenwahlen zum Kongress eine positive Rolle spielen könnte.
Bei den US-Amerikanern ist alles an ihre eigenen egoistischen Interessen geknüpft. Jüngst fand ein weiterer Demokratie-Gipfel statt, der von Präsident Joe Biden ausgerichtet wurde. Aber der Kreis der Gäste ist sehr, sehr bezeichnend. Es gibt keine klaren Kriterien.
Dort ist das einzige Kriterium die Loyalität, nicht so sehr zur US-amerikanischen Demokratie, als zur derzeitigen Demokratischen Partei der USA.
Was die Sanktionen betrifft, ja, selbstverständlich haben wir gewisse Schwierigkeiten, aber wir überwinden sie, zum Erstaunen derjenigen, die den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft und den Zusammenbruch des Landes prophezeit haben.
Aber Präsident Putin hat mehr als einmal eine detaillierte Bewertung der von der Regierung unternommenen Anstrengungen und der Ergebnisse abgegeben, die zur Überraschung vieler im Westen und sogar einiger Experten in Russland erreicht wurden. Darüber hinaus schafft unsere Diplomatie aktiv die Voraussetzungen dafür, dass diese Bemühungen so wirksam wie möglich sein können.
Wir beteiligen uns insbesondere an den Verhandlungen zwischen unseren Institutionen und ihren ausländischen Partnern über den Aufbau von Mechanismen, die vom Westen unabhängig sind, sowie über die Lieferung von Produkten und deren finanzielle Absicherung.
Ich kann sagen, und ich muss es sagen, dass wir uns bei dieser Arbeit vom Beispiel Kubas inspirieren lassen, das seit vielen Jahrzehnten unter den absolut illegalen US-Sanktionen lebt, die gegen den klaren politischen Willen der überwältigenden Mehrheit der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen aufrechterhalten werden, mit Ausnahme von drei oder vier, die nicht unabhängig sind.
Und von Jahr zu Jahr wird diese Position bestätigt – unter völliger Missachtung seitens der USA.
Prensa Latina: Sie sprachen kürzlich auf dem Ministertreffen der G20-Gruppe in Neu-Delhi über die Stärkung des Integrationsmechanismus der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC). Könnten Sie uns diese Idee näher erläutern und uns auch etwas über die Perspektive der Zusammenarbeit Russlands mit Lateinamerika sagen?
Sergei Lawrow: Was die Entwicklung der CELAC und die Stärkung der Integrationsprozesse betrifft, so kommentieren wir einfach das, was wir beobachten, was die lateinamerikanischen und karibischen Länder selbst tun.
Wir begrüßen die Wiederbelebung des Geistes der regionalen Solidarität in der CELAC nach einer Periode der Ruhe, um es so zu nennen, und des Desinteresses einiger lateinamerikanischer Länder an ihrer Arbeit.
CELAC wird wieder zur vorrangigen Vereinigung, die nun von allen lateinamerikanischen und karibischen Ländern als entscheidendes Instrument zur Förderung ihrer kollektiven Interessen bei der Schaffung einer multipolaren Welt betrachtet wird.
Seit 2013 gibt es im Rahmen von CELAC einen Mechanismus für Treffen zwischen russischen Ministern und dem CELAC-Quartett, aber aufgrund der Einschränkungen durch die Pandemie wurde er in den letzten Jahren nicht umgesetzt.
Nun hoffen wir, diese Praxis wieder aufzunehmen und wir spüren ein gegenseitiges Interesse, auch seitens der Regierung von St. Vincent und den Grenadinen, die jetzt das regionale Gremium leitet.
Ich bin sicher, dass dies eine sehr vielversprechende Kooperation ist, vor allem jetzt, da Führungspersönlichkeiten aufgetaucht sind, die sich sehr für die Stärkung der Gemeinschaft einsetzen.
Unter dem Gesichtspunkt der Interessen Lateinamerikas und der einzelnen Länder der Region haben Sie mich daran erinnert, dass das Thema CELAC bei einem Treffen mit Journalisten am Rande des G20-Gipfels angesprochen wurde.
Ich glaube, dass die CELAC als Organisation, wenn es Konsens gibt, durchaus für eine ständige unabhängige Teilnahme an der G20-Gruppe in Frage kommen könnte, unter den gleichen Bedingungen, wie wir jetzt die Afrikanische Union dazu eingeladen haben.
Mir scheint, dass dies die Prozesse der Multipolarität in den Diskussionen widerspiegeln wird, die unter der Schirmherrschaft der G20 stattfinden.
Prensa Latina: Kuba und Russland, beide einseitigen Strafmaßnahmen seitens der USA unterworfen, arbeiten in mehreren Bereichen eng zusammen. Wie sehen Sie die Perspektive der Entwicklung dieser Verbindungen und der strategischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern?
Sergei Lawrow: Ja, die Art unserer Beziehungen wird als strategische Partnerschaft bezeichnet. Aber das ist eine sehr trockene Charakterisierung. Sie gehen selbstverständlich viel tiefer, sie sind in den menschlichen Beziehungen, in der Sympathie zwischen unseren Völkern verwurzelt. Und natürlich werden sie sich weiterentwickeln.
Schließlich kooperieren wir seit vielen Jahrzehnten, unter denselben Sanktionen, unter Bedingungen, wo auf jede mögliche Art und Weise versucht wurde, sich in unsere Beziehungen einzumischen und Schwierigkeiten zu machen.
Wir haben also bereits Mechanismen und Fähigkeiten entwickelt, um Ergebnisse zu erzielen, trotz der restriktiven Maßnahmen des Westens.
Und jetzt entwickeln wir, wie ich bereits sagte, mit all unseren Freunden, mit allen Partnern, neue Ansätze zur Schaffung von Lieferketten, neue Ansätze zur Finanzierung, zu Banktransaktionen, die in keiner Weise von den Launen der USA abhängig sein werden.
Im Übrigen wollen sich nicht nur die meisten Länder des Globalen Südens von diesen Launen befreien, sondern auch einige europäische. Sie begreifen, dass sie benutzt werden, auch im Rahmen des SWIFT-Systems.
Die europäischen Länder sehen, was ihren Ökonomien in einer Situation geschieht, in der sie gezwungen sind, nicht nur den Krieg, sondern auch den Alltag in der Ukraine zu finanzieren.
Und dies wegen der Unfähigkeit des Regimes in Kiew, das selbst zu tun und irgendetwas in dieser Richtung zu unternehmen.
Wir sehen, wie Europa seine Wettbewerbsvorteile verliert und gezwungen war, auf preisgünstiges russisches Gas zu verzichten. Allgemein nähert sich Europa der Deindustrialisierung und die Unternehmen wandern in die USA ab.
All dies wird sozusagen nicht vergebens sein und eine Neubewertung dessen, was geschieht, hat bereits begonnen, selbst in den Köpfen europäischer Politiker.
Falls es Politiker gibt, die immer noch nichts im Kopf haben, dann bin ich überzeugt, dass die Bevölkerungen in Europa sie daran erinnern und versuchen werden, ihnen einen Sinn für die Realität zu verschaffen.
Das Gespräch führte der Prensa Latina-Chefkorrespondent in Moskau, Germán Ferrás Álvarez.
Übersetzt von Olga Espín.
Die lateinamerikanische Nachrichtenagentur Prensa Latina (PL) wurde am 16. Juni 1959 in Havanna, Kuba, gegründet ‒ knapp sechs Monate nach dem Sieg der Revolution. Zu den ersten Mitarbeitern gehörten unter anderem Gabriel García Márquez (Kolumbien) und Rodolfo Walsh (Argentinien). PL war das erste lateinamerikanische Kommunikationsprojekt von internationaler Reichweite mit einer alternativen Vision der regionalen Realität.
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02.04.2023
Stimmen aus Lateinamerika: Das Wiederaufleben der blockfreien „Dritten Welt“
nachdenkseiten.de, 02. April 2023 um 11:45
Ein Artikel von amerika21, Von Juan José Paz y Miño Cepeda.
Seit der Geburt der „Dritten Welt“ auf der Konferenz von Bandung (Indonesien 1955), die die Bewegung der Blockfreien Staaten ins Leben rief, entwickelte sich ein langwieriger Prozess der Akkumulation von Kräften, Willen, Bewusstsein und Politiken, der die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas dazu veranlasste, die Achtung ihrer Souveränität, Unabhängigkeit und Autonomie stärker einzufordern. Unter den neuen Bedingungen der globalen Entwicklung werden die USA und die alten europäischen Kolonialmächte nun herausgefordert wie fast nie zuvor.
Zitat: Vom europäischen Kolonialismus in Amerika profitierte Spanien im größten Teil des Kontinents, Portugal im Gebiet des heutigen Brasiliens, während die Karibik ein zwischen den Kolonialmächten umstrittenes Gebiet war. Auf jeden Fall markierten die Unabhängigkeitsprozesse in Lateinamerika und der Karibik zwischen 1804 und 1824, nach der Unabhängigkeit der USA (1776), das historische Ende des europäischen Kolonialismus auf dem Kontinent, auch wenn einige Gebiete (wie die Guyanas und die Malwinen) offen blieben ebenso wie Kuba und Puerto Rico, die 1898 unabhängig wurden.
Obwohl die europäische Kolonisierung Afrikas eine lange Vorgeschichte hat, war es die Berliner Konferenz von 1884, die die Aufteilung des Kontinents unter den damaligen europäischen Imperialismen regelte, um Konflikte zwischen ihnen zu vermeiden. Die Begünstigten waren, in der Reihenfolge: Frankreich, das Vereinigte Königreich, Portugal, Deutschland, Belgien, Italien und Spanien. Folglich fanden die Unabhängigkeitsprozesse fast aller Länder, die besser als Dekolonisierung Afrikas bezeichnet werden, erst ab den 1950er Jahren statt und dauerten bis in die 1990er Jahre. Mehrere dieser Prozesse waren blutig.
Die Befreiung der lateinamerikanischen Länder hat es trotz der im 19. (England) und 20. (USA) Jahrhundert entstandenen Abhängigkeit von außen ermöglicht, Nationalstaaten aufzubauen, zu verschiedenen Zeiten souveräne Politiken zu betreiben und die Wirtschaften in relativer Autonomie zu modernisieren. Für Afrika als Ganzes galt dies nicht, da seine späte Befreiung den allgemeinen Fortschritt beeinträchtigte. Auf beiden Kontinenten schuf die europäische Kolonialisierung die Bedingungen für die Unterentwicklung, die Abhängigkeit und die tiefen inneren sozialen Spaltungen in fast allen Ländern.
Aber zugleich hat sich seit der Geburt der „Dritten Welt“ auf der Konferenz von Bandung (Indonesien 1955), die die Bewegung der Blockfreien Staaten ins Leben rief, ein langer Prozess der Akkumulation von Kräften, Willen, Bewusstsein und Politiken entwickelt, der die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas dazu veranlasste, die Achtung ihrer Souveränität, Unabhängigkeit und Autonomie einzufordern, mit dem Ziel, ihre eigenen ökonomischen und politischen Systeme aufzubauen.
Auch der „Kalte Krieg“, der die Welt manichäisch in die unterteilte, die „Freiheit“ und „Demokratie“ haben und jene, die in „kommunistischer Sklaverei“ leben, war lange Zeit ein Hindernis. Eine Dualität, die von den USA mit Unterstützung der kapitalistischen Mächte Westeuropas konstruiert wurde, die jahrzehntelang direkte oder indirekte Interventionen in „unterentwickelten“ Ländern rechtfertigen, um ihre Interessen durchzusetzen.
Das Ende des Kalten Krieges und der scheinbare Siegeszug der Globalisierung
Die durch den Kalten Krieg geschaffene Dualität der Welt brach mit dem Fall des sowjetischen und osteuropäischen Sozialismus zusammen. Die transnationale Globalisierung schien für immer gesiegt zu haben. Doch der Aufstieg Chinas, Russlands, der Brics-Staaten und der Länder der „Dritten Welt“, der sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts wie nie zuvor behauptet hat, hat die Weltkarte erneut verändert. Heute können die traditionellen westlichen Mächte ihre Vorstellungen und Interessen nicht mehr wie in der unmittelbaren Vergangenheit durchsetzen. Diese Situation ist das Ergebnis einer Reihe von gegenwärtigen historischen Prozessen, darunter die folgenden:
Die Erfahrungen des Interventionismus haben bei den Völkern wachsende Ablehnung und Widerstand ausgelöst; die Förderung der Bildung und der technologische Fortschritt in der Kommunikation verbreiten bürgerschaftliches Bewusstsein, Informationen und Wissen sind für alle zugänglich, was Täuschungen unmöglich oder schwierig macht; die wirtschaftliche Modernisierung und der materielle Fortschritt begünstigen die autonomen Entscheidungen, haben die Beziehungen zwischen den Ländern ausgeweitet und die „Abhängigkeiten“ diversifiziert; die Märkte organisieren neue Beziehungen; es entstehen soziale Bewegungen und progressive und demokratische Kräfte (die normalerweise mit der Linken identifiziert werden), die auf eine andere Gesellschaft setzen; es bilden sich auch Regierungen mit Projekten, die auf die Stärkung der Souveränität ausgerichtet sind; und in Lateinamerika wächst die regionale Identität.
Die Völker rebellieren
Unter diesen neuen Bedingungen der globalen Entwicklung werden die alten Kolonialmächte herausgefordert. Gerade in den letzten Wochen haben sich beispiellose Ereignisse gehäuft: Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte auf einer Reise durch vier afrikanische Länder (ehemalige Kolonien), dass er die Militärpräsenz reduzieren werde, und stellte die Annäherung an Russland und China in Frage; aber in der Demokratischen Republik Kongo bot Präsident Felix Tshisekedi ihm die Stirn und forderte, dass er respektvoll sein soll und dass „die Art und Weise, wie Europa uns behandelt, sich ändern muss“; gleichzeitig nahmen die Straßenproteste in West- und Nordafrika gegen Frankreich zu; und in Namibia konterte Präsident Hage Gaeingob den deutschen Botschafter, als der sich beschwerte, in dem Land seien mehr Chinesen als Deutsche präsent.
Mit einzigartiger Dreistigkeit warnte die republikanische US-Kongressabgeordnete María Elvira Salazar kürzlich die argentinische Regierung, dass, wenn sie chinesische Kampfflugzeuge baut, die USA diesem „Pakt mit dem Teufel“ nicht tatenlos zusehen würden und dass „es zwei Welten gibt, die freie Welt und die Welt der Sklaven. Ich hoffe, die Argentinier bleiben in der freien Welt“, drohte sie, was Sprecher der argentinischen Regierung entsprechend beantworten mussten.
Noch waghalsiger haben die Republikaner Lindsey Graham (South Carolina) und John Kennedy (Louisiana) vorgeschlagen, dass die US-Regierung den Einsatz von Waffengewalt autorisieren könnte, um in Mexiko gegen den Drogenhandel zu intervenieren, worauf Präsident Andrés Manuel López Obrador mit Worten reagierte, die die breite Stimmung der lateinamerikanischen Völker widerspiegeln, indem er die „Manie“ und „schlechte Angewohnheit“ der USA kritisierte, „sich für die Regierung der Welt zu halten“ und er fügte hinzu:
„Aber noch schlimmer ist, dass sie militärische Gewalt einsetzen wollen, um in das öffentliche Leben eines anderen Landes einzugreifen. Das heißt, sie marschieren unter dem Vorwand in ein anderes Land ein, dass sie gegen terroristische Drogenhändler vorgehen. Das ist natürlich reine Propaganda. Wir müssen jedoch alle diese Anmaßungen von Interventionismus zurückweisen“, und er schloss mit der Feststellung: „Mexiko ist weder ein Protektorat noch eine Kolonie der Vereinigten Staaten. Mexiko ist ein freies, unabhängiges und souveränes Land. Wir nehmen von niemandem Befehle entgegen.“
Der Druck, dass Lateinamerika Stellung im Ukraine-Krieg bezieht, soll die Region ebenso zugunsten der Interessen der westlichen Welt bestimmen, während es in diesen Ländern darum geht, ihren Status als Friedenszone zu bewahren, ohne von einer der Mächte bestimmt zu werden, die in einen Konflikt verwickelt sind, der fern der souveränen Interessen Lateinamerikas ist, auch wenn der Krieg bereits regional verurteilt wurde.
Ohne Eile, aber ohne Pause
Es ist klar, dass es einen noch langsamen, aber historisch unaufhaltsamen Aufschwung der abhängigen Länder gibt und dass er durch den Zusammenbruch der westlichen Hegemonie und die Bildung einer multipolaren Welt möglich ist. In dieser entstehenden Mundus Novus des 21. Jahrhunderts gewinnen die Ideale von Bandung an Kraft und verdienen es, erneuert zu werden. Das schafft die Voraussetzungen für eine Annäherung Lateinamerikas an die anderen Nationen der Dritten Welt, mit dem Ziel, eine geopolitische Front aufzubauen, die auch auf der internationalen Ebene Einfluss nimmt. Und dies auf der Basis neuer Formen der politischen Integration zur Verteidigung der Souveränitäten, gegen die Absichten der westlichen Mächte, die Welt erneut in den angeblichen Block der „Demokratie“ und die teuflische Sphäre der Regionen des „Autoritarismus“ zu teilen.
Zum Autor: Juan José Paz y Miño Cepeda aus Ecuador ist Historiker und Analyst.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Das Fanal von Bandung
nachdenkseiten.de, vom 24. April 2020 um 9:05 Ein Artikel von Rainer Werning
Heute vor 65 Jahren, am 24. April 1955, endete in der indonesischen Stadt Bandung die erste große Afro-Asiatische Konferenz im Geiste des Antikolonialismus, Antiimperialismus und Antirassismus. Während des Kalten Krieges wurden in Bandung auch die künftigen politischen Grundlinien der „Dritten Welt“ und von „Blockfreiheit“ entworfen. Von Rainer Werning.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Südost- und Ostasien sowie im Pazifik hinterließ Trümmerlandschaften gigantischen Ausmaßes. Der Hauptaggressor in diesem Teil der Erde war das militaristische Japan, das sich in Allianz mit dem faschistischen Italien unter Mussolini und Nazideutschland unter Hitler angeschickt hatte, eine neue hegemoniale Weltordnung zu schaffen, die mit Blick auf die genannten Regionen eine „Größere Ostasiatische Gemeinsame Wohlstandsphäre“ begründen sollte. Dieser vom Generalstab und Außenministerium in Tokio entworfene Plan schrieb Japan die Rolle der Führungsmacht zu im Kampf der asiatischen Völker gegen den verhassten „weißen Imperialismus“ und „westlichen Kolonialismus“. Wenngleich dieser Plan schließlich durch die Alliierten zunichte gemacht wurde, ward bei Kriegsende unter zahlreichen asiatischen Völkern der Nimbus der Unbesiegbarkeit „des Westens“ erschüttert. Vor allem für das britische Empire bedeutete es eine herbe Schlappe, dass seine für uneinnehmbar gehaltene Festung Singapur sowie seine Kolonien Malaya (heute: Malaysia), Birma/Burma (heute: Myanmar) und Hongkong handstreichartig von japanischen Truppen eingenommen und okkupiert worden waren.
Post-koloniale Weichenstellungen
Binnen eines Jahrzehnts nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte vor allem in Südost- und Südasien die erste Welle erfolgreicher Unabhängigkeitsbestrebungen ein. Den Anfang machte Niederländisch-Indien beziehungsweise Indonesien, das seine Unabhängigkeit als Republik am 17. August 1945 proklamierte, wenngleich Den Haag diese erst im Dezember 1949 endgültig anerkannte. Zwischenzeitlich fand ein erbitterter Guerillakrieg statt, den die niederländischen Truppen mit euphemistisch sogenannten politionele acties („Polizeiaktionen“) zu beenden trachteten. Es folgte Vietnam, wo Ho Chi Minh am 2. September 1945 die unabhängige Demokratische Republik Vietnam (DRV) im Norden des Landes ausrief. Am 4. Juli 1946 wurde in der philippinischen Metropole Manila das Sternenbanner eingeholt; damit endete die 48-jährige US-Kolonialzeit. Indien und Pakistan proklamierten ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich am 15. beziehungsweise 14. August 1947, ein Schritt, dem Birma/Burma am 4. Januar sowie Ceylon (heute: Sri Lanka) am 4. Februar 1948 folgten. 1953 erhielten Laos und Kambodscha unter königlichen Regierungen die Unabhängigkeit, wenngleich sie Teil der Französischen Union blieben. Im selben Jahr endete der dreijährige Koreakrieg, der erste „heiße“ Konflikt in der Ära des Kalten Krieges. Als Bürgerkrieg begonnen, war er zu einem internationalen Konflikt eskaliert, der die Welt bedrohlich nahe am Abgrund eines 3. Weltkriegs sah und die West-Ost-Blockkonfrontation zementierte.
Als die Kolonialmacht Frankreich im Jahre 1954 eine vernichtende Niederlage im vietnamesischen Dien Bien Phu erlitt, führte die im selben Jahr organisierte Genfer Konferenz zur Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrads mit der DRV im Norden und dem von Washington protegierten Regime eines Ngo Dinh Diem im Süden. Die Genfer Abkommen zur Beilegung des ersten Indochinakriegs, die schließlich dazu führen sollten, dass sich eine „westliche“ Kolonialmacht, die USA, anschickten, eine andere, nämlich Frankreich, zu beerben und in deren Fußstapfen zu treten, stießen seitens zahlreicher asiatischer Regierungen, vor allem seitens des indischen Premierministers Jawaharlal Nehru, auf scharfe Kritik.
Es waren die ehemaligen südasiatischen Kolonien des britischen Empire Indien, Pakistan, Ceylon und Burma, die gemeinsam mit Indonesien eigene Vorstellungen einer neuen Weltordnung entwickelten und zu diesem Zweck zwei Vorbereitungstreffen mit Blick auf die Bandung-Konferenz ausrichteten. Dem ersten Treffen in Ceylons Hauptstadt Colombo im Sommer 1954 folgte Ende Dezember desselben Jahres ein weiteres in der indonesischen Stadt Bogor. Dort wurde vereinbart, die Pancha Sila, die fünf Prinzipien der Koexistenz – gegenseitiger Respekt für die territoriale Integrität und Souveränität des jeweils anderen; gegenseitige Nicht-Aggression; gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen; Gleichheit und gegenseitiger Nutzen und friedliche Koexistenz – als Grundlage für die künftige bilaterale Zusammenarbeit anzuerkennen und als Austragungsort der avisierten ersten großen internationalen Konferenz Bandung vorzusehen. Dies verstärkte einerseits die indo-chinesische Kooperation und erleichterte es andererseits Delegationen, nicht unbedingt Stellung zu kontroversen Fragen (beispielsweise zum Ausgang des Koreakriegs) beziehen zu müssen.
Noch im selben Jahr (1954) hatte der „Westen“ unter Federführung der USA versucht, einen Keil zwischen die späteren Konferenzteilnehmer in Bandung zu treiben, indem sie versuchten, sowohl Indonesien als auch Indien als SEATO-Mitglieder zu gewinnen. Diese Südostasiatische Paktorganisation – alternierend auch Manila-Pakt genannt – war am 8. September 1954 in der philippinischen Hauptstadt aus der Taufe gehoben worden. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählten neben den USA die Philippinen, Australien, Neuseeland, Frankreich, Großbritannien und Thailand. Explizit verstand sich die SEATO als ostasiatisch-pazifisches Pendant zur NATO sowie als Cordon sanitaire gegen das „Bollwerk des Kommunismus“ (die Sowjetunion und die seit dem 1. Oktober 1949 bestehende Volksrepublik China). Gleichzeitig sollte diese stramm antikommunistisch ausgerichtete Allianz den USA in ihrem Aggressionskrieg gegen die Völker Vietnams, Kambodschas und Laos‘ logistisch, politisch und ideologisch Rückendeckung bieten. Kein Wunder, dass dieses überflüssige, zutiefst unpopuläre und unrühmliche Bündnis ebenso unrühmlich im Sommer 1977, zwei Jahre nach dem Debakel der „westlichen Führungsmacht“ in Vietnam, zu existieren aufhörte.
29 Konferenzteilnehmer
Am 18. April 1955 eröffnete der indonesische Präsident Sukarno schließlich die asiatisch-afrikanische Konferenz in Bandung – ausgerechnet im früheren niederländischen Club Concordia, der zuvor in Gedung Merdeka (Haus der Freiheit) umbenannt ward. Die insgesamt 29 Teilnehmer der Konferenz kamen – in alphabetischer Reihenfolge – aus:
Daneben waren auch Beobachter mehrerer nationaler Befreiungsbewegungen zugegen. Nebst Gastgeber Sukarno weilten in Bandung auch solche damaligen Politgrößen wie Premier- und Außenminister Zhou Enlai (VR China), Indiens Premierminister Jawaharlal Nehru, Premierminister Mohammed Ali von Pakistan, Burmas Premierminister U Nu sowie Sir John Lionel Kotelawala aus Ceylon, dem dritten Premierminister seines Landes.
Das alles überragende Thema dieser einwöchigen Konferenz war die Neubestimmung internationaler Beziehungen auf der Basis von Selbstbestimmung, nationaler Unabhängigkeit und die angemessene Repräsentanz der vertretenen Länder in den Vereinten Nationen. Diese waren in jener Zeit ein hauptsächlich von den USA und ihren westlichen Verbündeten kontrolliertes Gremium, in dem sich zahlreiche andere Länder im Geiste des Antikommunismus diesen verpflichtet fühlten und sich entsprechend loyal bei (vor allem kontroversen) Abstimmungen verhielten.
„Koloniales Erbe“, „kollektive Erfahrung kolonialer Unterdrückung“, Imperialismus und Rassismus, Süd-Süd-Dialog, „Blockfreiheit” sowie „Dritte Welt“ lieferten Stichworte, über die intensiv und auch kontrovers diskutiert wurde. Vor allem mit dem Begriff „Dritte Welt“, den erstmalig der französische Demograph Alfred Sauvy in seinem Artikel „Trois mondes, une planète“ im L’Observateur vom 14. August 1952 benutzt hatte, wurden fortan all jene Länder bezeichnet, die zwar die Mehrheit der Weltbevölkerung bildeten, aber in der Weltpolitik rechtlos waren, und die gleichzeitig keinem der beiden Machtblöcke des Kalten Krieges angehörten.
Während der gesamten Konferenz galt es, die divergierenden Interessen großer und kleiner Länder mit jeweils unterschiedlichen Regierungsformen unter einen Hut zu bringen und dissensträchtige Themen tunlichst außen vor zu lassen. Japan beispielsweise hatte es besonders schwer, eine überzeugende und glaubwürdige Position im Kontext der neu avisierten internationalen und regionalen Beziehungen zu beziehen. Tokio war stark auf die Politik der USA fixiert und avancierte nach 1952 zum engsten Regionalverbündeten der Vereinigten Staaten. Zhou Enlai vertrat einen von der Sowjetunion, ebenfalls einem Nicht-Teilnehmer der Konferenz, unabhängigen Sozialismus, während Nehru für Liberalismus, Nationalismus und Gewaltlosigkeit plädierte und die aufstrebenden Führer in zahlreichen afrikanischen Ländern auf eine politische Agenda der Entkolonialisierung mit unterschiedlichen Strategien insistierten, unter denen später der Nationalismus und Panafrikanismus am stärksten hervortreten sollten. Die generelle Opposition gegen Kolonialismus, Neokolonialismus oder jede andere imperialistische Politik war die bedeutsamste einvernehmliche Position, die über Widersprüche hinweg konsensual das Engagement für ein neues, besseres Weltsystem mobilisierte.
Einheit in Vielfalt
Am letzten Tag der Konferenz, am 24. April 1955, veröffentlichten die 29 Teilnehmer das von ihnen unterzeichnete Final Communiqué of the Asian-African Conference und skizzierten anschließend ihre gemeinsame Position zu Fragen wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit, zu Menschenrechten und Selbstbestimmung, zu Problemen abhängiger Völker, zu anderen Themen sowie schließlich zur Förderung des Weltfriedens und der Zusammenarbeit. Letztere wurde sodann trotz kultureller, ideologischer, historischer und politischer Differenzen zwischen den Delegierten noch eigens in folgender zehn Punkte umfassenden „Erklärung zur Förderung des Weltfriedens und der Zusammenarbeit“ verabschiedet:
Achtung der grundlegenden Menschenrechte und der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen;
Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität aller Nationen;
Anerkennung der Gleichheit aller Rassen und der Gleichheit aller großen und kleinen Nationen;
Verzicht auf jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes;
Achtung des Rechts jeder Nation, sich allein oder gemeinsam zu verteidigen, in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen;
(a) Verzicht auf den Einsatz von Vorkehrungen zur kollektiven Verteidigung, um bestimmten Interessen einer Großmacht zu dienen; (b) Verzicht eines Landes auf die Ausübung von Druck auf andere Länder;
Verzicht auf Handlungen oder Androhung von Aggressionen oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Landes;
Beilegung aller internationalen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln wie Verhandlungen, Schlichtung, Schieds- oder Gerichtsverfahren sowie mit anderen friedlichen Mitteln nach eigener Wahl der Parteien im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen;
Förderung der gegenseitigen Interessen und der Zusammenarbeit;
Achtung von Gerechtigkeit und internationalen Verpflichtungen.
„Die Konferenz“, resümiert der Leipziger Historiker Jürgen Dinkel (2019), „war ein Produkt und Kristallisationspunkt globaler Transformationen der vierziger und fünfziger Jahre und zugleich ein kraftvoller Impuls zur Beseitigung der alten kolonialen Ordnung und für das postkoloniale state-building. Innerhalb der postkolonialen Welt trug das Treffen zur Herrschaftsstabilisierung der neuen Regierungen und zu deren Legitimierung bei. Die Konferenzteilnehmer gewannen an Profil, was zugleich dazu führte, dass es trotz des großen Erfolges der Konferenz und trotz mehrerer Versuche, diese zu wiederholen, zu keiner zweiten Bandung-Konferenz kam. Denn in dem Maße, in dem die Teilnehmer sich ihrer Anerkennung als souveräne Regierungen sicher sein konnten und in dem sich die europäischen Kolonialreiche auflösten, schwand auf internationaler Ebene ihre Kompromissbereitschaft. Unterschiedliche nationalstaatliche Interessen, regionale Divergenzen und unterschiedliche Positionierungen der Bandung-Staaten im Ost-West-Konflikt verhinderten eine weitere Asiatisch-Afrikanische Konferenz, weshalb diese auf institutioneller Ebene einmalig blieb.“
Immerhin konnten andere Formen und Fora entwickelt werden – wie beispielsweise die Ende Dezember 1957 in Ägyptens Hauptstadt Kairo gegründete Afro-Asian Peoples’ Solidarity Organization –, während ab 1960 die zweite Welle erfolgreicher Unabhängigkeitsbestrebungen (diesmal vor allem auf dem afrikanischen Kontinent) erfolgte. Nach der offiziellen Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten 1961 in Belgrad, als deren Gastgeber Jugoslawiens Ministerpräsident Josip Broz Tito fungierte und die ebenfalls ein Resultat der Bandunger Konferenz war, war die „Dritte Welt“ aufs Engste mit eben dieser Bewegung verknüpft.
Postscript 1: Die USA mieden auf Drängen von Außenminister John Foster Dulles die Konferenz und waren auch nicht offiziell vertreten. Den exponierten Aktivisten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, W. E. B. Du Bois und seinem Schüler Paul Robeson, verweigerten die US-Behörden die Reise nach Indonesien. Der afroamerikanische Schriftsteller Richard Wright hingegen vermochte mit finanzieller Unterstützung des Congress for Cultural Freedom an der Konferenz in Bandung teilzunehmen. Wright verbrachte etwa drei Wochen in Indonesien, widmete sich eine Woche der Konferenzteilnahme und den Rest seiner Zeit der Interaktion mit indonesischen Künstlern und Intellektuellen. Ihm ist das überaus lesenswerte Buch The Color Curtain zu verdanken, das bereits ein Jahr nach der Konferenz in New York erschien.
Postscript 2: Just eine Dekade nach seiner Gastgeberschaft der Konferenz von Bandung endete die politische Karriere von Sukarno Ende September 1965. Sein „Makel“ bestand u.a. darin, dass er sich außenpolitisch zu sehr der VR China angenähert hatte, was so gar nicht nach dem Gusto der vornehmlich im Westen ausgebildeten Generalität (darunter zahlreiche in Hamburg-Blankenese und Hangelar bei Bonn) war. Im Herbst 1965 putschten sich in wohl orchestrierten Schritten Suharto und gleichgesinnte Kumpane an die Macht, enthoben Sukarno all seiner Machtbefugnisse und entfesselten eine beispiellose Hatz gegen alle, die aus ihrer Sicht mit der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) liebäugelten – der seinerzeit immerhin weltweit drittgrößten KP.
Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen dieses Massakers im Namen von „freedom & democracy“ werden auf diesen Seiten im Herbst en detail nachzulesen sein (RW).
Jürgen Dinkel (2019): Das Abschluss-Communiqué der Asiatisch-Afrikanischen Konferenz in Bandung (1955), in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, hg. v. Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, März 2019, URL: geschichte-menschenrechte.de/bandung-konferenz
Luis Eslava, Michael Fakhri, Vasuki Nesiah (Eds. – 2017): Bandung, Global History, and International Law. Critical Pasts and Pending Futures. Cambridge
Marc Frey (2006): Dekolonisierung in Südostasien. Die Vereinigten Staaten und die Auflösung der europäischen Kolonialreiche. München
Christopher James Lee (Ed. – 2010): Making a World after Empire. The Bandung Moment and its Political Afterlives. Athens/Ohio
James A. C. Mackie (2005): Bandung 1955. Non-Alignment and Afro-Asian Solidarity. Singapur
Richard Wright (1956): The Color Curtain: A Report on the Bandung Conference. New York
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
02.04.2023
»Kaum vorstellbare« Herausforderungen Pistorius warnt vor »Worst Case« für Europa nach US-Wahl
spiegel.de, vom 01.04.2023, 10.35 Uhr
2024 finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt. Die Auswirkungen für Deutschland und die Nato könnten weitreichend sein, sagt Verteidigungsminister Pistorius – und die Probleme der Bundeswehr sind bis dahin nicht gelöst.
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Viele US-Republikaner sehen die Unterstützung der Ukraine kritisch. Auch der mögliche Präsidentschaftskandidat Donald Trump hält von Joe Bidens Ukrainekurs ebenso wenig wie von der Nato. Gut möglich also, dass nach der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 die Amerikaner ihr Engagement in Europa deutlich zurückfahren. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat nun in einem Interview über diesen aus seiner Sicht »Worst Case« gesprochen. »Sollte ein amerikanischer Präsident ins Weiße Haus einziehen, der sich von Europa und der Nato distanzierte, dann hätten wir Herausforderungen, die derzeit kaum vorstellbar wären«, sagte Pistorius der »Welt am Sonntag« .
Europa müsse geringeres US-Engagement ausgleichen. »Dann muss dieses Weniger der Verantwortung für die Bündnisverteidigung von den Europäern innerhalb der Nato ausgeglichen werden«, sagte der SPD-Politiker. »On top zu dem, was wir heute schon tun.«
Selbst ein europafreundlicher US-Präsident wird sich nach Ansicht von Pistorius aber mehr um den Indopazifik kümmern müssen. Auch Deutschland müsse sich dort engagieren. »Deswegen planen wir für das kommende Jahr eine weitere Präsenzfahrt unserer Marine in die Region«, sagte der Verteidigungsminister.
Lücken der Bundeswehr bis 2030 nicht geschlossen
Bei den Ausrüstungsproblemen der Bundeswehr setzt Pistorius auf eine Priorisierung der Vorhaben. »Wir wissen alle, dass die vorhandenen Lücken bis 2030 nicht vollends geschlossen werden können«, sagte der SPD-Mann der Zeitung. »Eine dieser Prioritäten ist der Schutz der Ostflanke der Nato.« Schon im Gespräch mit dem SPIEGEL im März hatte Pistorius klargemacht, dass die Verpflichtungen der Bundeswehr weitere Waffenlieferungen an die Ukrainer erschwerten. Deutschland habe noch ein Patriot-Flugabwehrsystem, sagte Pistorius damals. »Wenn ich das jetzt auch noch rausgebe, kann ich nicht mal mehr üben.«
Der Minister lehnte eine »Kriegswirtschaft« aber ab, wie sie etwa der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, gefordert hatte. »Kriegswirtschaft hieße, dass wir die gesamte Ökonomie so umstellen, als wäre Deutschland Kriegspartei«, sagte Pistorius der »Welt am Sonntag«. »Das sind wir nicht und deswegen steht dies nicht zur Debatte.« Bei der Rüstungsindustrie würden seinem Eindruck nach aber derzeit alle Hebel in Bewegung gesetzt.
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02.04.2023
"Putin, ein Tankstellenwart mit einem Haufen Atomwaffen" – Trump zerpflückt Kriegsrhetorik
gegenzensur.rtde.life, vom 30 Mär. 2023 21:43 Uhr
"Wer Russland als Tankstelle mit einem Haufen Atomwaffen bezeichnet, oder Putin als, Zitat: "einen autoritären Tankwart mit einem Haufen Atomwaffen aus der alten Sowjetunion", demonstriert genau die Art von einfältigem Denken, das jahrzehntelang zu gescheiterter Diplomatie und schließlich zu Krieg geführt hat. Und wohin soll dieser Krieg noch führen?", fragte der ehemalige US-Präsident und erneute Präsidentschaftskandidat Donald Trump und forderte "einen Friedensstifter im Weißen Haus".
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02.04.2023
Irak und die Pathologie der US-Vorherrschaft
Die Zwei-Monats-US-Fachzeitschrift «Foreign Affairs» erscheint seit 1922 (Cover)
(Red.) Die US-amerikanische Zwei-Monats-Zeitschrift «Foreign Affairs» ist in Sachen US-Außenpolitik die maßgebende Fachzeitschrift. Wenn US-Außenminister Antony Blinken oder sein Busenfreund Robert Kagan, der politische Vordenker der Neokonservativen, aus welchem Grund auch immer in die Tasten greifen, zum Beispiel um der Welt zu erklären, warum eine friedliche Welt nur unter der Vorherrschaft der USA möglich ist, dann erscheint das in den «Foreign Affairs». Kurz: «Foreign Affairs» ist nicht nur sehr prominent, sondern auch ziemlich US-regierungsfreundlich. So ist es fast eine kleine Sensation, dass in der neusten Ausgabe eine ausführliche Analyse publiziert ist, in der detailreich aufgezeigt wird, wie die USA mit ihrem – mit nichts zu rechtfertigenden – Anspruch auf die Weltvorherrschaft immer tiefer in militärische Konflikte hineinrutscht. Globalbridge.ch hat sich – gegen einen nicht ganz kleinen Betrag – das exklusive Recht erworben, diese hochinteressante Analyse in die deutsche Sprache zu übersetzen und hier zu publizieren. (cm)
Vor zwanzig Jahren marschierten die USA in den Irak ein. Sie haben ein Jahrzehnt damit verbracht, das Land zu zerstören und dann zu versuchen, es wieder aufzurichten. Ein weiteres Jahrzehnt verbrachten sie mit dem Versuch, das Ganze zu vergessen. „Wir sind unserer Verantwortung gerecht geworden“, sagte US-Präsident Barack Obama 2010 der Nation, als er das kurzzeitige Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak verkündete. „Jetzt ist es an der Zeit, das Blatt zu wenden.“
Für Obama bedeutete dies, den Kampf gegen Al-Qaida und die Taliban in Afghanistan durch eine Aufstockung der US-Truppen fortzusetzen. Obamas Kritiker fanden ihrerseits bald einen weiteren Grund, den Amerikanern zu sagen, sie sollten den Irak hinter sich lassen: Das Debakel habe den Präsidenten und die Öffentlichkeit zusehr zurückhaltend gemacht, um militärische Gewalt anzuwenden, diesmal zur Beilegung des 2011 ausgebrochenen syrischen Bürgerkriegs. Obama sah davon ab, Damaskus anzugreifen, entsandte aber 2014 Truppen in den Irak und nach Syrien, um den Islamischen Staat (auch bekannt als ISIS) zu bekämpfen, der aus den Wirren der ursprünglichen Invasion der USA hervorgegangen war.
Im Jahr 2021 war Präsident Joe Biden an der Reihe, sein Land aufzufordern, die Debakel nach 9/11 hinter sich zu lassen. „Ich stehe heute zum ersten Mal seit 20 Jahren hier, und die Vereinigten Staaten befinden sich nicht im Krieg“, erklärte er im September 2021. Biden hatte gerade die US-Truppen aus Afghanistan abgezogen. Die USA führten jedoch weiterhin Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen in mehreren Ländern durch, darunter auch im Irak, wo 2 500 Bodentruppen verblieben sind. „Wir haben das Blatt gewendet“, sagte Biden.
Haben wir das? Zwei Jahrzehnte lang haben sich die Amerikaner hartnäckig geweigert, den Irak hinter sich zu lassen. Das liegt zum Teil daran, dass das US-Militär dort und an vielen anderen Orten immer noch kämpft. Vor allem aber kann das Land die Seite nicht umblättern, ohne sie zu lesen und zu verstehen – ohne sich wirklich mit den Ursachen des Krieges auseinander zu setzen. Es mag schmerzhaft sein, sich noch einmal vor Augen zu führen, was die amerikanische Führung dazu veranlasst hat, auf parteiübergreifender Basis in ein Land einzumarschieren, das die USA nicht angegriffen hatte und auch nicht vorhatte, dies zu tun – eine Tatsache, die damals allgemein anerkannt wurde. Doch ohne einen Blick zurück werden die USA nicht mit Zuversicht und Einigkeit voranschreiten können.
Sicherlich hat Washington einige hart erarbeitete Lehren aus dem Konflikt gezogen. Amerikanische Entscheidungsträger, Politiker und Experten lehnen heute Kriege zwecks Regimewechsel oder zum Wiederaufbau von Nationen generell ab. Beim Abwägen des Einsatzes von Gewalt haben sie die Tugend der Besonnenheit wiederentdeckt. Und sie wissen jetzt, dass Demokratie nur selten mit Waffengewalt durchgesetzt werden kann und harte Arbeit erfordert, um sie zu etablieren und zu erhalten – selbst in tief verwurzelten Demokratien wie den Vereinigten Staaten selbst.
Dies sind notwendige Lektionen, aber sie reichen nicht aus. Sie reduzieren den Irak-Krieg auf einen politischen Fehler, der korrigiert werden könnte, während die USA weiterhin die hegemoniale Rolle in der Welt ausüben, die sie sich nach dem Ende des Kalten Krieges selbst zugewiesen haben. Tatsächlich war die Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, auf das Streben nach globaler Vormachtstellung zurückzuführen. Die eigene Vormachtstellung veranlasst die Vereinigten Staaten, ein massives Militär zu finanzieren und es über den ganzen Globus zu verstreuen, und zwar zu einem im Wesentlichen präventiven Zweck: andere Länder davon abzuhalten, aufzusteigen und die amerikanische Vorherrschaft herauszufordern. Mit dem Versprechen, die Kosten niedrig zu halten, ging die Regierung davon aus, die Hegemonie der USA werde keinen Widerstand hervorrufen – und sie schlägt hart zu, um jeden aufkommenden Widerstand auszulöschen. Sie sieht die globale Vorherrschaft fast als Selbstzweck an und lässt die zahlreichen strategischen Alternativen außer Acht, die weite Ozeane, befreundete Nachbarn und nukleare Abschreckung den USA bieten.
Der Einmarsch in den Irak ist aus dieser Logik heraus entstanden. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wollten die Architekten der Invasion die militärische Vormachtstellung der USA im Nahen Osten und darüber hinaus festigen. Indem sie mutig handelten und einen ärgerlichen Gegner ins Visier nahmen, der nicht an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt war, wollten die USA die Sinnlosigkeit des Widerstands gegen die amerikanische Macht demonstrieren.
Als „Shock and Awe“ – Schrecken und Furcht – dem Chaos, den Aufständen, der Zerstörung und dem Tod wich, hätte der Krieg das Projekt der Vormachtstellung, das ihn hervorgebracht hatte, eigentlich diskreditieren müssen. Stattdessen hält das US-Streben nach Vorherrschaft an. Die Macht der USA stößt überall auf der Welt auf zunehmenden Widerstand, aber Washington möchte fast allen Widerständen begegnen, überall, wobei es immer noch die Machtprojektion der USA mit amerikanischen Interessen verwechselt und immer noch versucht, seine Rivalen zu übertrumpfen und die Ambitionen der USA ja nicht zu bremsen. Die Ergebnisse waren während des unipolaren Moments der USA verheerend genug. Gegen atomar bewaffnete Großmächte könnten sie allerdings viel schlimmer werden.
DER TYRANN IM BLOCK / The bully on the block
Die ideologischen Grundlagen für den Irak-Krieg entstanden, lange bevor die amerikanischen Panzer 2003 in Bagdad einrollten. Etwas mehr als ein Jahrzehnt zuvor arbeiteten drei der Männer, die zu den einflussreichsten Beamten in der Regierung von George W. Bush werden sollten – Dick Cheney, Colin Powell und Paul Wolfowitz – im Pentagon an einem neuen Konzept für die US-Strategie in der Welt nach dem Kalten Krieg. Obwohl die Sowjetunion zusammengebrochen war, wollten sie, dass die USA weiterhin eine überlegene militärische Macht in der ganzen Welt ausüben. Im Jahr 1992 formulierte Powell, damals Vorsitzender der Generalstabschefs, das Ziel klar und deutlich. Die Vereinigten Staaten müssten über „genügend Macht“ verfügen, um „jeden Herausforderer davon abzuhalten, jemals auch nur davon zu träumen, uns auf der Weltbühne herauszufordern“, sagte er dem Kongress. „Ich will der Tyrann im Block sein.“
Das tat auch Cheney, der zu dieser Zeit als Verteidigungsminister von Präsident George H. W. Bush amtierte. Er beauftragte seinen Stellvertreter Wolfowitz mit der Überwachung des Entwurfs der Verteidigungsplanungsrichtlinien, eines umfassenden Rahmens für die amerikanische Sicherheitspolitik, der 1992 verfasst wurde. Auf 46 Seiten erläuterten Wolfowitz und seine Kollegen, wie die globale Vorherrschaft der USA in Ermangelung ernstzunehmender Rivalen aufrechterhalten werden könne. Der Schlüssel, so argumentierten sie, liege darin, präventiv zu denken und zu handeln. In Ermangelung von Herausforderern, die gegen die USA ein Gleichgewicht herzustellen versuchen könnten, sollten die Vereinigten Staaten neue Herausforderer schon vom Entstehen abhalten. Die USA müssten darauf hinarbeiten, „potenzielle Konkurrenten davon abzuhalten, eine größere regionale oder gar globale Rolle anzustreben“. Zu diesem Zweck würden die USA ein massives Militär aufrechterhalten, dessen Größe alle anderen in den Schatten stelle und das in der Lage sei, zwei große Kriege gleichzeitig zu führen. Zu diesem Zweck würden die USA Allianzen und Garnisonstruppen in allen Regionen der Welt unterhalten, die von Washington als strategisch wichtig erachtet werden. Kurz gesagt, so sollte das Gleichgewicht der Kräfte durch ein amerikanisches Übergewicht der Kräfte ersetzt werden.
In dieser Vorstellung von US-amerikanischer Hegemonie könnten die USA durchaus wohlwollend sein. Sie würden die Kerninteressen ihrer Verbündeten verinnerlichen und zum Wohle eines Großteils der Welt beitragen. Bei der Formulierung ihrer eigenen Außenpolitik, so empfahlen die Pentagon-Planer, sollten die Vereinigten Staaten „die Interessen der fortgeschrittenen Industrienationen ausreichend berücksichtigen, um sie davon abzuhalten, unsere Führungsrolle in Frage zu stellen oder zu versuchen, die etablierte politische und wirtschaftliche Ordnung umzustürzen“. Die Vorrangstellung der USA würde somit die Sicherheitsrolle von Verbündeten und Gegnern der USA unterdrücken. Jede Nation, bis auf eine, hätte nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren, wenn sie eine eigene Militärmacht aufbauen sollte. Auf diese Weise könnten die USA für immer an der Spitze bleiben und globale Sicherheit zu vernünftigen Kosten gewährleisten.
Es gab zwei Hauptprobleme mit dieser Theorie, und sie traten zutage, als Wolfowitz‘ Entwurf im März an Reporter durchsickerte. Die erste Schwachstelle bestand darin, dass das Streben der USA nach Hegemonie andere dazu veranlassen könnte, zurückzuschlagen. Anstatt sich einem ewigen Frieden zu Washingtons Bedingungen zu unterwerfen, könnten andere Länder Fähigkeiten entwickeln, um der US-Macht etwas entgegensetzen zu können. Da Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch immer schwächelte und China immer noch arm war, würden die USA in den kommenden Jahren nicht mit einer entschlossenen Opposition rechnen müssen. Doch je mehr die einzige Supermacht ihr Verteidigungsengagement und ihre militärische Reichweite ausweitete, desto mehr könnte sie auf Widerstand stoßen oder diesen sogar noch anregen. Mit der Zeit könnten sich die USA überfordert fühlen und Kriege riskieren, die nichts mit den Interessen der USA zu tun hätten, mit Ausnahme jener Interessen, die durch das Streben nach weltumspannender Vorherrschaft überhaupt erst entstehen. Cheneys Pentagon wollte, dass die amerikanische Vormachtstellung jeglichen Widerstand sinnlos machen würde. Was aber, wenn umgekehrt der Widerstand die amerikanische Vormachtstellung sinnlos machen würde?
Es war auch unklar, ob das amerikanische Volk bereit war, die Kosten der globalen Vorherrschaft zu tragen, insbesondere wenn diese Kosten ansteigen würden. Das Dokument des Pentagons löste sofort Reaktionen aus. Der konservative Kommentator Pat Buchanan prangerte den Plan inmitten seiner aufrührerischen Präsidentschaftskampagne als eine „Formel für endlose amerikanische Interventionen“ an. Das unverblümte Streben nach Vorherrschaft stieß auch führende Demokraten ab, die eine Friedensdividende für die Amerikaner und kollektive Sicherheit für die Welt befürworteten. Der damalige US-Senator Biden spottete: „Die Vision des Pentagons kehrt zu der alten Vorstellung der USA als Weltpolizist zurück – eine Vorstellung, die nicht zufällig ein großes Verteidigungsbudget erfordert.“ Der Konsens des Kalten Krieges zugunsten der Eindämmung des sowjetischen Kommunismus war als Reaktion auf eine bestehende Großmachtbedrohung entstanden. Die Überwachung der Welt nach dem Kalten Krieg, in der es zwar verschiedene Herausforderungen, aber keinen großen Feind gab, war ein neues und unerprobtes Vorhaben, das nicht wenige Amerikaner für zweifelhaft hielten.
Der Rest der 1990er Jahre war die Blütezeit der amerikanischen Unipolarität, doch gab es immer wieder Anzeichen für internationalen Widerstand und innenpolitische Apathie. China und Russland bemühten sich um die Beilegung ihrer bilateralen Streitigkeiten und begannen, die spätere Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit zusammenzustellen. Gemeinsam warben sie für die „Multipolarisierung der Welt“. In einem Schreiben an den UN-Sicherheitsrat erklärten Peking und Moskau 1997: „Kein Land sollte nach Hegemonie streben, Machtpolitik betreiben oder internationale Angelegenheiten monopolisieren.“ Selbst einige amerikanische Verbündete äußerten ähnliche Bedenken. Zwei Jahre später bezeichnete der französische Außenminister Hubert Vedrine die USA als „Hypermacht“ und forderte „echten Multilateralismus gegen Unilateralismus, für einen ausgewogenen Multipolarismus gegen Unipolarismus“.
Am ärgerlichsten waren damals die so genannten Schurkenstaaten Iran, Libyen, Nordkorea und vor allem der Irak. Nachdem das US-Militär 1991 die irakischen Streitkräfte aus Kuwait vertrieben hatte, versuchte es nicht, den irakischen Diktator Saddam Hussein abzusetzen, aber die US-Beamten hofften, dass Saddam stürzen würde, und ermutigten die schiitische Mehrheit im Süden und die kurdische Minderheit im Norden des Landes zu Volksaufständen. Auch als Saddam diese Aufstände unterdrückte und dabei Tausende von Irakern umbrachte, ließen die USA nicht locker. Für den Rest des Jahrzehnts hielten sie den Irak durch Flugverbotszonen, Routinebombardements, Waffeninspektionen und Wirtschaftssanktionen in Schach. Unter anderem zu diesem Zweck stationierten die USA zum ersten Mal in der Geschichte Zehntausende von Truppen auf unbestimmte Zeit im Persischen Golf, darunter auch in Saudi-Arabien.
Der Irakkrieg war nicht nur ein politischer Fehler
Präsident Bill Clinton machte sich das Hegemonieziel seines Vorgängers im Nahen Osten zu eigen und verfolgte die „doppelte Eindämmung“ von Iran und Irak. Dies reichte jedoch nicht aus, um die politisch rechtslastigen Vorherrschaftspolitiker zufrieden zu stellen. Im Jahr 1997 gründeten die Intellektuellen William Kristol und Robert Kagan das „Project for the New American Century“, eine Denkfabrik, die sich einer Außenpolitik der „militärischen Stärke und moralischen Klarheit“ verschrieben hat. Für sie war Saddams Irak eine unvollendete Angelegenheit. Der Diktator sei sich „fast sicher“, in den Besitz von lieferbaren Massenvernichtungswaffen zu gelangen und diese auch zu nutzen, um die US-Streitkräfte und Partner in der Region herauszufordern, so der offene Brief der Gruppe von 1998, der von Donald Rumsfeld, Wolfowitz und einer Handvoll anderer angehender Beamter der Regierung George W. Bush unterzeichnet war. Die USA, so argumentierten sie, müssten einen Regimewechsel im Irak anstreben – ein Ziel, das etwas später im selben Jahr mit dem „Iraq Liberation Act“ als US-Politik verankert wurde. Die Resolution wurde vom Repräsentantenhaus mit einer überwältigenden Mehrheit von 360 zu 38 Stimmen und vom Senat einstimmig angenommen. Die Entstehung dieses „Regimewechsel-Konsenses“, wie der Historiker Joseph Stieb schreibt, machte eine umfassende Invasion – notabene noch vor dem 11. September – nicht zu einer ernsthaften Möglichkeit. Aber er delegitimierte die alternative Politik, Saddam an der Macht zu lassen und ihn einfach unter Kontrolle zu halten. Washington hatte sein gewünschtes Ziel festgelegt: Saddam musste gestürzt werden.
Die Mittel dazu waren eine andere Sache. Nachdem er den Golfkrieg gewonnen und zur Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb der NATO beigetragen hatte, war Präsident George H. W. Bush 1992 aus dem Amt gejagt worden. Die Wähler bevorzugten einen Vietnamkriegsverweigerer, der versprach, sich „wie ein Laserstrahl auf die Wirtschaft zu konzentrieren“. Clinton hatte sich seinerseits bemüht, die Zahl der US-Opfer so gering wie möglich zu halten, auch wenn er häufig militärische Gewalt einsetzte und die amerikanischen Bündnisse ausbaute. Der Tod von 18 US-Rangern in Mogadischu im Jahr 1993 veranlasste ihn, sich vollständig aus Somalia zurückzuziehen, und dies brachte den Begriff „mission creep“ (die unbemerkte Ausweitung der Mission, Red.) in das amerikanische Lexikon. Clintons gewagteste Intervention, mit der er die ethnische Säuberung im Kosovo stoppen wollte, stützte sich allein auf die Luftwaffe. Die NATO-Flugzeuge flogen hoch genug, um jedes Risiko für die Piloten auszuschalten, auch wenn dadurch die Zielgenauigkeit abnahm.
Madeleine Albright, Clintons Außenministerin, ist dafür bekannt, dass sie die Vereinigten Staaten als „die unverzichtbare Nation“ bezeichnete. Oft wird vergessen, dass sie dies 1998 bei einer im Fernsehen übertragenen Bürgerversammlung in Columbus, Ohio, tat, bei der ihre Verteidigung der amerikanischen Irak-Politik auf kritisch-feindselige Fragen stieß und gelegentlich von Zwischenrufern übertönt wurde. Das erste Jahrzehnt nach dem Kalten Krieg hatte aber gezeigt, dass eine solche Opposition nicht zu einer entschlossenen politischen Kraft anschwellen würde, solange die USA ihre globale Hegemonie auf billige Weise hochhalten konnten. Aber was, wenn die Kosten steigen würden, wer konnte das schon sagen? Wie könnte ein „gleichgültiges Amerika“, wie Kristol und Kagan beklagten, dazu gebracht werden, „die Option nationaler Größe zu umarmen und einen Sinn für das Heroische wiederherzustellen“?
Selbst innerhalb des Beltway – der schützenden Ringstrasse um das Zentrum, Red. – war die Unterstützung für eine muskulöse US-Außenpolitik fraglich. Als sich die Clinton-Regierung dem Ende zuneigte, prahlte Wolfowitz zu Recht damit, dass die Ideen in seinen Verteidigungsplanungsrichtlinien, die bei ihrer Einführung Jahre zuvor stark kritisiert worden waren, in beiden politischen Parteien zur konventionellen Weisheit geworden waren. In einem Artikel in „The National Interest“ im Jahr 2000 räumte er allerdings ein: „In Wirklichkeit ist der heutige Konsens oberflächlich und selbstgefällig“. Wolfowitz beklagte, das Land zeige einen „Mangel an Besorgnis über die Möglichkeit eines weiteren großen Krieges, ganz zu schweigen vom Mangel eines Konsenses in der Frage, wie man einen solchen großen Krieg verhindern kann“. Der größte Teil Washingtons sang nun aus demselben Gesangbuch, aber in Wolfowitz‘ Augen gab es erschreckend wenige wahre Gläubige.
DOMINANZ DEMONSTRIEREN
Das begann sich am 11. September 2001 zu ändern. Die Anschläge vom 11. September 2001 vermittelten ein Gefühl der existenziellen Bedrohung, das der amerikanischen Macht nach jahrzehntelanger Suche jetzt einen Sinn gab. Doch die Anschläge hätten auch ganz anders interpretiert werden können: als schrecklicher Fall von Rückschlag und als Vorzeichen des Widerstands gegen die amerikanische Hegemonie. In den Tagen und Wochen nach dem 11. September zogen nicht wenige Amerikaner diese Möglichkeit in Erwägung, als sie zu verstehen versuchten, warum 19 Terroristen ihr Leben herzugeben bereit waren, um Menschen am anderen Ende der Welt zu töten. Die Schriftstellerin Susan Sontag meinte, die Anschläge seien „eine Folge bestimmter amerikanischer Allianzen und Aktionen“. Schließlich hatte Osama bin Laden den Vereinigten Staaten schon Jahre zuvor den Krieg erklärt und dabei drei Hauptkritikpunkte angeführt: die US-Truppenpräsenz in Saudi-Arabien, die amerikanische Nötigung des Irak und die US-Unterstützung von Israel. In der „New York Times“ wies der Journalist Mark Danner damals darauf hin: „Die amerikanischen Truppen und Kriegsschiffe am Golf, die Unpopularität unserer Präsenz dort, die Fragilität der Regime, die wir unterstützen – diese Fakten sind keine Geheimnisse, aber unter Amerikanern sind sie nicht allgemein bekannt.“
Nach dem 11. September 2001 wären diese Fakten vielleicht besser bekannt geworden, vor allem, wenn sich die USA auf den konkreten Feind konzentriert hätten, der sie angegriffen hatte: Al-Qaida. Die Amerikaner wären vielleicht zu dem Schluss gekommen, dass der Weg, sich vor Terroristen im Nahen Osten zu schützen, letztlich darin bestand, die Region nicht länger zu besetzen und dort keine Menschen mehr umzubringen. Als die USA Vergeltung für den 11. September 2001 übten, hätten sie sich fragen sollen, ob das Streben nach globaler Vorherrschaft nicht sogar ihre eigene Sicherheit beeinträchtigte.
Für Präsident George W. Bush und seine außenpolitischen Vordenker war es entscheidend, dass das Land zu einem anderen Schluss kam: Das Problem war nicht zu viel amerikanische Macht, sondern zu wenig. Die Angreifer, so versicherten sie der amerikanischen Bevölkerung, seien durch das reine Böse motiviert und keineswegs durch irgendetwas, was die USA getan haben könnten. „Die Amerikaner fragen sich: Warum hassen sie uns?“ sagte Bush in einer Ansprache an die Nation neun Tage nach 9/11. Seine Antwort: „Sie hassen unsere Freiheiten.“
Ebenso wichtig ist, dass es sich bei „ihnen“ nicht nur um die Dschihadisten von Al-Qaida handelte. Sich nur auf die Gruppe zu konzentrieren, die New York und Washington angegriffen hatte, würde den größeren Einsatz verfehlen, nämlich den Kampf um die Aufrechterhaltung der globalen Hegemonie der USA gegen alle Arten von Widerstand. Wie Wolfowitz, inzwischen stellvertretender Verteidigungsminister, am 4. Oktober 2001 vor dem Kongress erklärte, „wollen Osama bin Laden, Saddam Hussein, Kim Jong Il und andere Tyrannen Amerika aus wichtigen Regionen der Welt heraushalten.“ Die Anschläge vom 11. September seien nur ein Beispiel für den Widerstand gegen die USA, dem man als Ganzes entgegentreten müsse. „Deshalb ist unsere Herausforderung heute größer als der Sieg im Krieg gegen den Terrorismus“, so Wolfowitz weiter. „Die heutige terroristische Bedrohung ist ein Vorbote noch größerer Bedrohungen, die kommen werden.“
So gesehen boten die Anschläge vom 11. September 2001 der Bush-Regierung eine Chance. Durch eine spektakuläre Reaktion konnten die USA den aufkommenden internationalen Widerstand schon im Keim ersticken. Sie konnten eine Vielzahl potenzieller Gegner davon abhalten, eine größere Rolle anzustreben, wie es in den Verteidigungsplanungsrichtlinien von 1992 gefordert wurde. Diesmal konnten die Staats- und Regierungschefs auch die Unterstützung der Öffentlichkeit gewinnen. Endlich würde das amerikanische Volk die einst abstrakte Forderung nach Vorherrschaft positiv annehmen und nicht nur passiv akzeptieren.
Für solche Zwecke würde nicht einmal ein „globaler Krieg gegen den Terror“ ausreichen. Die USA müssten „massiv vorgehen“, sagte Rumsfeld vier Stunden nach dem Fall der Zwillingstürme zu einem Berater. Den Gesprächsnotizen des Adjutanten zufolge sagte Rumsfeld: „Fegt alles zusammen. Zusammenhängende und nicht zusammenhängende Dinge.“ Das bedeutete, „S.H.“ zu treffen, zur gleichen Zeit, nicht nur OBL“ (gemeint waren Saddam Hussein und Osama bin Laden). Die US-Geheimdienste identifizierten Al-Qaida umgehend als Urheber der Flugzeugentführungen, doch Rumsfeld begann zusammen mit Wolfowitz und anderen Beamten, einen Angriff auf den Irak zu befürworten. Der Koordinator für Terrorismusbekämpfung des Nationalen Sicherheitsrats, Richard Clarke, hielt diese Idee für unsinnig. „Nachdem wir von Al-Qaida angegriffen worden sind, wäre eine Bombardierung des Irak als Antwort darauf so, als würden wir in Mexiko einmarschieren, nachdem die Japaner uns in Pearl Harbor angegriffen haben“, sagte Clarke später am 12. September. Während sich das Land in Afghanistan in einen unsicheren Krieg gegen einen schattenhaften Feind stürzte, der durchaus wieder zuschlagen konnte, war es bemerkenswert, dass hochrangige Beamte auch eine Invasion des Irak in Erwägung zogen, ganz zu schweigen davon, innerhalb von 18 Monaten 130.000 Soldaten für diese Aufgabe bereitzustellen.
Die Bush-Administration führte mehrere Gründe für einen Angriff auf den Irak an, aber im Mittelpunkt standen die Behauptungen (von denen einige, aber nicht alle, durch US-Geheimdienstinformationen gestützt wurden), dass Saddam chemische und biologische Waffen horte und versuche, Atomwaffen zu entwickeln. Die USA wären vielleicht nicht einmarschiert, wenn die Behörden gewusst hätten, dass Saddams Waffenprogramm eine Fata Morgana war, ein Bluff, um die Macht des Diktators zu stärken und Feinde wie den Iran abzuwehren. Es ist jedoch schwer zu sagen, wie viel Gewicht der Befürchtung beizumessen war, dass Saddam eines Tages Massenvernichtungswaffen an Terroristen weitergeben könnte, die sie dann gegen die USA einsetzen könnten – ein Alptraumszenario, das von vielen Befürwortern des Krieges heraufbeschworen wurde. Diese Aussicht war immer rein spekulativ, obwohl die politischen Entscheidungsträger nicht ein weiteres „Versagen der Vorstellungskraft“ erleiden wollten, nachdem sie nicht vorausgesehen hatten, wie Verkehrsflugzeuge entführt und in Raketen verwandelt werden konnten.
Aber während Saddam vielleicht niemals Massenvernichtungswaffen gegen die USA selbst eingesetzt hätte, war es sicherer, dass seine vermuteten Waffen ein Hindernis für die amerikanischen Pläne im Nahen Osten darstellen konnten. „Ein wahrscheinlicheres Problem war, dass sie unsere Bereitschaft, die Interessen der USA zu verteidigen, beeinträchtigen konnten“, schrieb Douglas Feith, der im Vorfeld des Krieges als Unterstaatssekretär für Verteidigung fungierte, später. Bezeichnenderweise tat Feith die Möglichkeit, dass Saddam nicht die Absicht hatte, die USA anzugreifen, als „nebensächlich“ ab. „Saddam würde es vielleicht sogar vorziehen, uns in Ruhe zu lassen“, räumte er ein. „Die Frage ist, ob die irakischen Massenvernichtungswaffen uns dazu zwingen könnten, ihn in Ruhe zu lassen – und damit frei zu sein, die Amerikaner und unsere Freunde und Interessen anzugreifen.“ Das heißt, ein gut bewaffneter Saddam würde die Hegemonie der USA im Nahen Osten behindern. Ihn auszuschalten dagegen würde die amerikanische Vorherrschaft sicherer machen, unabhängig davon, ob es der beste Weg war, die USA selbst zu schützen oder nicht.
Manchmal scheint der Irak-Krieg ganz aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden zu sein.
Rückblickende Darstellungen, darunter ein kürzlich erschienenes Buch des Historikers Melvyn Leffler, konzentrieren sich zu sehr auf die Frage der Massenvernichtungswaffen, die als Grund für die Invasion bei weitem nicht ausreicht. Selbst wenn Beamte der Bush-Administration einige der Geheimdienstinformationen über die irakischen Programme nicht falsch dargestellt hätten, wäre der Wunsch, Saddam zu entwaffnen, kein Grund für den Kriegseintritt gewesen. Die Angst vor Saddams Waffenarsenal ist eine unzureichende Erklärung dafür, warum die Bush-Administration nach dem 11. September 2001 so schnell zum Angriff auf den Irak überging, von dem man nicht annahm, dass er kurz davor stand, einen wichtigen neuen Waffentyp zu erwerben. Die Angst vor Saddams Waffenarsenal kann auch nicht erklären, warum die Bush-Regierung die UN-Waffeninspektoren im März 2003 aus dem Irak abzog, obwohl das UN-Team zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 550 Inspektionen ohne Vorankündigung durchgeführt hatte und überzeugt war, weitere Fortschritte zu machen und die Inspektionen deshalb auch fortsetzen wollte. Wäre die Entwaffnung Saddams das vorrangige Motiv gewesen, hätte die Bush-Regierung die Inspektionen fortsetzen und möglicherweise einen Krieg vermeiden können. Aber im Gegenteil, einige Befürworter einer Invasion, wie z. B. Cheney, wollten den Waffeninspektionen gar nie eine Chance geben.
Der überstürzte Kriegseintritt lässt sich besser mit dem Wunsch erklären, die Vormachtstellung der USA zu festigen, kurz nachdem die USA von einem verheerenden Angriff heimgesucht worden waren. „Der Demonstrationseffekt“, so charakterisierte Cheneys damaliger stellvertretender nationaler Sicherheitsberater, Aaron Friedberg, später die Überlegungen. Die Regierung wollte „nicht nur ein harter Kerl sein, sondern die Abschreckung wiederherstellen“, sagte er dem Journalisten Barton Gellman. „Wir wurden sehr hart getroffen, und wir mussten denjenigen, die diejenigen, die diese Taten in Erwägung zogen, möglicherweise unterstützten oder ihnen Unterschlupf gewährten, die Kosten deutlich machen.“ Es war unbedingt notwendig, etwas Großes zu tun, um ein allgemeines Gefühl der Angst wiederherzustellen, ohne das die globale Hegemonie der USA einen endlosen Antagonismus hervorrufen könnte. „Wenn der Krieg die politische Landkarte der Welt nicht wesentlich verändert, werden die USA ihr Ziel nicht erreichen“, schrieb Rumsfeld am 30. September an Bush. Die USA sollten unter anderem „neue Regime in Afghanistan und einen weiteren Schlüsselstaat (oder zwei)“ anstreben.
Von diesem Standpunkt aus gesehen spielte es kaum eine Rolle, ob der Irak mit den Anschlägen vom 11. September in Verbindung stand, wie der genaue Stand seines Waffenprogramms war oder ob die US-Regierung sich auf einen Plan einigen konnte, um den Irak zu regieren, bevor sie sein Regime auflöste. Was zählte, war die „Größenordnung des notwendigen Wandels“, wie es Rumsfeld formulierte. Wie der Politikwissenschaftler Ahsan Butt argumentiert, ging es darum, dass die USA einen Gegner vernichten und eine Botschaft aussenden würden: Unterschätzt nicht unsere Macht oder unsere Bereitschaft, sie einzusetzen!
Die Architekten des Krieges glaubten zweifellos, dass sie die nationale Sicherheit der USA schützen würden. Doch was sie unmittelbar zu erreichen versuchten, war etwas anderes: die Festigung der herausragenden Machtposition der Vereinigten Staaten durch einen Präventivkrieg. Obwohl sie davon ausgingen, dass eine solche Vormachtstellung für die amerikanische Sicherheit notwendig sei, hätte das Argument für den Irak-Krieg eigentlich etwas anderes nahelegen müssen. Um Saddam zu stürzen, mussten die USA im Vorfeld Kosten in Form von Menschenleben und Schätzen zahlen, um im Gegenzug einen höchst spekulativen Nutzen zu erzielen. (Wenn die Kosten anfangs minimal erschienen, dann nur, weil die Befürworter des Krieges die Möglichkeit ausschlossen, dass die US-Streitkräfte als Invasoren und Besatzer behandelt werden würden. „Wir werden in der Tat als Befreier begrüßt werden“, versprach Cheney im März 2003). Die potenziellen Vorteile einer Beseitigung Saddams würden Israel, Saudi-Arabien und anderen Sicherheitspartnern der USA in der Region zugute kommen. Die Vereinigten Staaten würden nur insoweit profitieren, als sich die Aufrechterhaltung der US-Hegemonie im Nahen Osten lohnen würde. Aber konnten die USA durch eine Verringerung ihres Engagements in der Region mehr Sicherheit für sich selbst erreichen? Diese Frage blieb ungeprüft, da das Streben nach Vormachtstellung ironischerweise von den tödlichen Kosten ablenkte, indem es neue und tödlichere Missionen hervorrief.
RÜCKSCHLAG IM INLAND
In den nächsten zehn Jahren sollten die Amerikaner immer wieder hören, warum der Krieg im Irak schief gelaufen ist: Die Bush-Regierung hat es versäumt, den Wiederaufbau nach dem Krieg zu planen. Sie ließ den irakischen Staat im Bürgerkrieg versinken. Demokratie lässt sich nur selten mit einer Waffe durchsetzen. Nationenbildung funktioniert nicht.
All diese Einsichten sind richtig und sinnvoll. Sie sind aber gleichzeitig auch unzureichend. Eine Parade kleinerer Lektionen ließ die größeren unbeachtet – und ermöglichte es den Befürwortern des Krieges, die Überprüfung ihrer wichtigsten Fehlannahmen zu vermeiden. Ein Jahr nach Beginn des Krieges räumten Kristol und Kagan ein, dass Bush beim Wiederaufbau des Irak „nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen“ habe, während sie gleichzeitig darauf drängten, dass die US-Streitkräfte „so lange wie nötig“ bleiben sollten. In einem einflussreichen Buch über den Krieg aus dem Jahr 2005 warf der Schriftsteller George Packer dem Bush-Team „kriminelle Nachlässigkeit“ vor. Seiner Ansicht nach lag das Problem der Invasion weniger in ihrer Konzeption als in ihrer Durchführung. „Der Irak-Krieg war immer zu gewinnen; er ist es immer noch“, schloss er. „Gerade deshalb ist die Rücksichtslosigkeit seiner Urheber umso schwerer zu verzeihen.“
Kein Wunder, dass die Adressaten von Packers Kritik eine ähnliche Haltung einnahmen, um die Entscheidung für den Krieg zu retten und die laufende Kampagne zur Bekämpfung von Aufständischen und Terroristen und zur Errichtung eines lebensfähigen irakischen Staates zu retten. Im Jahr 2006 räumten Bush und Außenministerin Condoleezza Rice „taktische Fehler“ ein – „Tausende davon, da bin ich mir sicher“, fügte Rice wenig hilfreich hinzu. Nichtsdestotrotz bezeichneten sie die Invasion als strategisch sinnvoll.
Zu diesem Zeitpunkt wandte sich die amerikanische Öffentlichkeit bereits gegen den Krieg und Washingtons Ausreden. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts erlebten die Wähler drei Wahlüberraschungen, die das Ausmaß ihrer Unzufriedenheit offenbarten. Der Einmarsch in den Irak sollte die amerikanische Macht und den Willen Washingtons demonstrieren, die Welt zu gestalten, ohne sich von internen Zweifeln oder externen Normen einschränken zu lassen. Als die politischen Eliten dazu übergingen, den Krieg als taktischen Fehler abzutun, der auf fehlerhafte Geheimdienstinformationen oder unzureichende Planung zurückzuführen war, beseitigten sie nicht das Gefühl des existenziellen Zwecks, mit dem sie die Invasion ursprünglich versehen hatten. Stattdessen versuchten sie, den tieferen Sinn des Krieges zu überspielen, nur um dann im In- und Ausland von Rückschlägen getroffen zu werden.
Die erste Überraschung gab es bei den Kongresswahlen im Jahr 2006. Bushs Weißes Haus erwartete, den Krieg zum Vorteil der Republikanischen Partei nutzen zu können, und warf den Demokraten „Rückzug und Defätismus“ vor, wie Cheney es ausdrückte. Am Wahltag war es die GOP (die Grand Old Party, die Republikanische Partei, Red.), die sich aus der Debatte zurückgezogen hatte. Angeführt von Nancy Pelosi, die die Invasion als „grotesken Fehler“ bezeichnete, gewannen die Demokraten nach zwölf Jahren republikanischer Herrschaft das Repräsentantenhaus. Eine Mehrheit der Wähler betrachtete den Irak-Krieg als das wichtigste Thema der Wahl und erwartete, dass die Demokraten das militärische Engagement der USA in dem Land reduzieren oder beenden würden.
Bush ordnete jedoch eine Truppenverstärkung im Irak an, um das Land in letzter Minute zu stabilisieren. Die nächste Wahl im Jahr 2008 brachte eine noch größere Überraschung: den Sieg des jungen, schwarzen und liberalen Obama über die älteren Senatoren Hillary Clinton und John McCain. Sowohl Clinton als auch McCain hatten für die Genehmigung des Irakkriegs gestimmt. Obama zeichnete sich dadurch aus, dass er ihn im Oktober 2002 als „dumm“ und „unüberlegt“ ablehnte. Seine Haltung zum Irak war vielleicht sein größter Vorteil im Vorwahlkampf. „Ich will nicht nur den Krieg beenden“, erklärte er. „Ich will die Mentalität beenden, die uns überhaupt erst in den Krieg geführt hat“. Obama schien nicht nur einen sauberen Bruch mit der Bush-Regierung anzubieten, sondern auch mit einer „außenpolitischen Elite, die größtenteils auf den Zug des Krieges aufgesprungen ist“, wie er es auf der Wahlkampftour ausdrückte.
Der saubere Bruch erwies sich als falsch. Im Amt behandelte Obama die „Denkweise“, die hinter dem Krieg stand, hauptsächlich als psychologisches Manko. Während Bush impulsiv gehandelt hatte, schien Obama sorgfältig nachzudenken. Er schien die Konsequenzen abzuwägen, bevor er das Feuer eröffnete. Obama zog 2011 die US-Streitkräfte aus dem Irak ab, hielt aber den Krieg in Afghanistan aufrecht und schickte schließlich 2014 erneut Truppen in den Irak. In der Zwischenzeit hielt er die Sicherheitspartnerschaften aufrecht, die er geerbt hatte, und erweiterte und routinierte ein Programm zur Tötung von Terroristen durch Drohnen und Spezialkräfte (bei deren Einsätzen auch unzählige Unschuldige zu Tode kamen. Red.). Obama verstrickte sich im Nahen Osten, vielleicht wider besseres Wissen, aus demselben Grund, aus dem sein Vorgänger den Krieg im Irak begonnen hatte: Die USA wollten die dominierende Macht in der Region sein und, wie Obama es wiederholte, die „unverzichtbare Nation“ weltweit bleiben.
Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen ging man in Washington davon aus, dass der jüngere Bruder von George W. Bush, Jeb, der Spitzenkandidat der Republikaner sein würde. Der ehemalige Gouverneur von Florida wurde ein politisches Opfer des Krieges seines Bruders. Auf die Frage, ob er in den Irak einmarschiert wäre, auch „wenn er gewusst hätte, was wir jetzt wissen“, antwortete er zunächst mit Ja. Dann versuchte er, Folgefragen auszuweichen. Schließlich entschied er, dass er doch nicht einmarschiert wäre. Es war nun an Donald Trump, aus der unkontrollierten Empörung der Öffentlichkeit Kapital zu schlagen. Der Demagoge versetzte dem politischen Establishment den dritten Schock, als er 2016 den Krieg als die möglicherweise „schlechteste Entscheidung“ in der amerikanischen Geschichte bezeichnete. Trump hat gelogen, als er behauptete, die ganze Zeit gegen die Invasion gewesen zu sein, aber zumindest hat er im Nachhinein erkannt, dass der Krieg eine Katastrophe war. Das war für einige Wähler Beweis genug, ihm als Oberbefehlshaber zu vertrauen und den Chor der Eliten zu ignorieren, die ihn für ungeeignet hielten, die Führung zu übernehmen.
UNVOLLENDETE AUFGABEN
Heute versuchen die politischen Führer erneut, das Blatt zu wenden. Vielleicht können sie durch den Anschein, dass es sich um unliebsame Gegner handelt, Erfolg haben, wo frühere Bemühungen gescheitert sind. Angesichts des Aufstiegs Chinas und der Aggression Russlands haben die USA ein neues Ziel für ihre globale Macht gefunden. Dabei spielt es keine Rolle, dass das ausgleichende Verhalten der Großmächte genau das war, was die globale Vormachtstellung der USA verhindern sollte: Jetzt, da die Theorie der notwendigen Vorherrschaft nicht aufgegangen ist, will Washington nach vorne und nicht zurück schauen. Manchmal scheint der Irakkrieg ganz aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden zu sein. Biden bezeichnete kürzlich den Krieg Russlands gegen die Ukraine als die einzige groß angelegte Invasion, die die Welt in acht Jahrzehnten erlebt habe. „Die Vorstellung, dass über 100.000 Soldaten in ein anderes Land einmarschieren – so etwas hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben“, erklärte Biden im Februar. Er sprach diese Worte einen Monat vor dem 20. Jahrestag der US-Invasion im Irak, einem Krieg, den der damalige Senator Biden mit seiner Stimme genehmigt hatte.
Der Versuch zu vergessen ist der einzige Weg, der garantiert, nichts zu lernen. Wenn die USA auf gleichwertige Konkurrenten denselben Willen zur Dominanz anwenden, der sie in den Irak, ein weitaus schwächeres Land, geführt hat, werden die Folgen schwerwiegend sein. Der „nächste Irak“ könnte durchaus die Form eines Großmächtekrieges annehmen. Nur wenige Amerikaner würden einen solchen Konflikt anstreben, aber es gab auch damals nicht viele, die vor dem 11. September 2001 für eine direkte Invasion des Irak plädierten oder das Ausmaß und die Dauer der „Operation Iraqi Freedom“ vorhersahen, bevor sie begann. Die Pathologien der US-Vorherrschaft ließen den Krieg als notwendig und lohnenswert erscheinen, und diese Pathologien bringen die USA weiterhin auf Kollisionskurs mit anderen Ländern. Erstens vermengt Washington die Interessen der USA mit ihren weit verstreuten militärischen Positionen und Bündnisverpflichtungen und schließt dabei die Möglichkeit, dass die Abgabe einiger Verantwortlichkeiten die amerikanische Sicherheit sogar erhöhen und die amerikanische Strategie verbessern könnte, fast von vornherein aus. Zweitens lässt Washington systematisch außer Acht, wie seine Macht andere bedroht, die dann auch entsprechend handeln. Zusammengenommen zwingen diese Fehler die US-Außenpolitik dazu, gegen jene Macht-Tendenz anzutreten, die ein Gleichgewicht der Kräfte herstellen möchte, und das gerade dann, wenn die überforderten USA diese Tendenz nutzen müssten.
Seit Februar 2022 haben die USA der Ukraine zu Recht geholfen, sich gegen die brutale Invasion Russlands zu verteidigen. Dennoch haben sie sich einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Fehlern der US-Politik entzogen, die den Boden für diesen Konflikt und möglicherweise weitere Konflikte geschaffen haben. Durch die Erweiterung der NATO im Rahmen eines ergebnisoffenen Prozesses mit offenen Türen bauten die USA ihre Vorherrschaft in europäischen Sicherheitsfragen aus und hofften gleichzeitig, dass Russland sich nicht feindselig verhalten würde. Diese Hoffnung war von Anfang an naiv. Die Schaffung einer Trennlinie innerhalb Europas, die immer näher an Moskau heranrückt, macht die Länder, die (noch) nicht in der NATO sind, besonders verwundbar.
Der „nächste Irak“ könnte durchaus die Form eines Großmächtekrieges annehmen
Die Erweiterung der NATO ging also auf Kosten der Ukraine – und der USA. Indem sie ihre Vormachtstellung in der europäischen Verteidigung festigten, gaben die USA ihren Verbündeten reichlich Grund, ihre eigene Sicherheit nach Washington auszulagern. Genau deshalb obliegt es nun in erster Linie den USA, internationale Hilfe für die Ukraine zu organisieren und ihre Soldaten und Städte in die Schusslinie zu nehmen, falls Russland in Zukunft NATO-Staaten angreifen sollte. Der einzige Ausweg aus dieser selbst gestellten Falle besteht darin, mit der Logik der Vorherrschaft zu brechen und die Führung der europäischen Verteidigung schrittweise, aber entschlossen den Europäern zu übertragen, die reichlich Ressourcen zur Abschreckung Russlands und zur Verteidigung ihres Territoriums mobilisieren können.
Während Washington in Europa größere Risiken eingeht, steuert es zusätzlich auf eine Konfrontation mit Peking zu. Es zeichnet sich ein parteiübergreifender Konsens ab, der darauf abzielt, gegenüber der zweitgrößten Weltmacht immer härter durchzugreifen. Doch wie die USA ihre Beziehungen zu China in den kommenden Jahrzehnten gestalten wollen, bleibt unklar und nur oberflächlich überlegt. Eine feindselige Haltung, ohne ein gewünschtes Ziel, ist eine unkluge Politik. Auch wenn die Emotionen nicht mehr so heftig sind und die Öffentlichkeit sich nicht mehr so stark engagiert, ähnelt das Umfeld in Washington jetzt immer mehr der Zeit vor dem März 2003, als Politiker und Beamte, die es unbedingt mit einem Gegner aufnehmen wollten, es versäumten, die möglichen Entwicklungen in einem Irak nach Saddam zu bewerten und damit die Rolle anderer bei der Festlegung des Ergebnisses unterschätzt haben.
Wenn es den USA und China ernst damit ist, einen kalten Krieg oder einen weltumspannenden Krieg mit Waffen zu vermeiden, müssen beide Seiten daran arbeiten, Bedingungen für die Koexistenz zu schaffen. Doch diese Bedingungen werden von Tag zu Tag schwieriger. Inmitten einer Flut von Einwänden gegen die chinesischen Praktiken hat es oft den Anschein, dass die USA Chinas Aufstieg gänzlich ablehnen. Nachdem die Trump-Administration China als Bedrohung eingestuft hat, hat Biden potenziell verhängnisvolle Maßnahmen ergriffen: Er hat die „Ein-China-Politik“ ausgehöhlt, die es Washington und Peking ermöglicht hat, sich in der Taiwan-Frage zu einigen und weitreichende Beschränkungen für Chinas Zugang zu Technologie, einschließlich fortschrittlicher Halbleiter, einzuführen. Wie China reagieren wird, ist noch nicht bekannt, aber seine Möglichkeiten, den USA zu schaden, sind beträchtlich. Bei der Verteidigung ihrer herausragenden Machtposition – die ein Mittel zum Zweck sein sollte – gehen die USA enorme Risiken ein, ohne zu bedenken, wie eine verschärfte Rivalität die Amerikaner ärmer und unsicherer machen könnte.
Es gibt bessere Optionen: Die Vereinigten Staaten sollten sich aus dem Nahen Osten zurückziehen, die Verteidigungslasten auf europäische Verbündete verlagern und eine wettbewerbsfähige Koexistenz mit China anstreben. Auch wenn es manchmal so klingt, als würden die politischen Entscheidungsträger genau das tun, sprechen die Fakten dagegen. Trotz des ganzen Geredes über strategische Disziplin sind heute etwa 50.000 US-Truppen im Nahen Osten stationiert, genauso viele wie am Ende der Obama-Regierung. Washington ist immer noch dem Primat der Macht verfallen und in einer Endlosschleife gefangen, in der es von selbstverschuldeten Problemen zu noch größeren selbstverschuldeten Problemen taumelt, wobei es diese neuen und noch größeren Probleme aufrechterhält, während es die alten selbstverschuldeten Probleme vertuscht. In diesem Sinne bleibt der Irak-Krieg für die USA tatsächlich ein unerledigtes Geschäft.
Zum Autor: Stephen Wertheim is a Senior Fellow in the American Statecraft Program at the «Carnegie Endowment for International Peace» and Visiting Lecturer at Yale Law School and Catholic University. He is the author of Tomorrow, the World: The Birth of U.S. Global Supremacy
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
(Red.) Robert Kagan, 64, Ehemann von Victoria «Fuck EU» Nuland und persönlicher Freund des jetzigen US-Außenministers Antony Blinken, ist einer der profiliertesten US-amerikanischen Polit-Berater und Polit-Autoren und vielleicht der prominenteste Vertreter der sogenannten US-amerikanischen Neocons, der Neokonservativen. Seine Spezialität ist, seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu erklären, dass die USA aus historischen Gründen verpflichtet sind, die ganze Welt zu beherrschen.«Nur die amerikanische Macht kann die Naturgewalten der Geschichte in Schach halten», so Kagan wörtlich. (cm)
«Es ist an der Zeit, den Amerikanerinnen und Amerikanern zu sagen, dass sie ihrer globalen Verantwortung nicht entkommen können und dass sie deshalb über den Schutz des eigenen Landes hinausdenken müssen. Sie müssen begreifen, dass der Zweck der Nato und anderer Bündnisse nicht in der Abwehr unmittelbarer Gefahren für US-Interessen besteht, sondern darin, den Zusammenbruch jener Ordnung zu verhindern, die diesen (US-amerikanischen) Interessen am dienlichsten ist. Man muss den Amerikanern offen und ehrlich sagen, dass die Aufgabe, eine (von den USA gesteuerte, Red.) Weltordnung aufrechtzuerhalten, niemals endet und zwar kostspielig, aber jeder Alternative unbedingt vorzuziehen ist.»
(Diese Aussage Robert Kagans hat Christian Müller schon in einem Artikel über Robert Kagan zitiert, den er am 18. April 2021 auf der Plattform Infosperber.ch publiziert hatte. Sein damaliger Artikel kann hier nachgelesen werden.)
Jetzt hat Robert Kagan in der ersten 2023er Ausgabe der renommierten US-amerikanischen Zeitschrift «Foreign Affairs» erneut einen längeren Beitrag zur US-Außenpolitik veröffentlicht. Darin bestätigt er, dass praktisch alle US-Interventionen sogenannte «Wahl-Kriege» waren, also Kriege, die nicht notwendig gewesen wären, die von den USA aber gewollt waren. Aber er erklärt, dass es einen Weltfrieden nur geben kann, wenn die USA die ganze Welt beherrschen. Seine Argumentation basiert auf der Geschichte der USA seit 200 Jahren, mit etlichen Verweisen auf einzelne Ereignisse. Dabei unterstellt Kagan Russland und China, die ganze Welt beherrschen zu wollen, gerade auch in diesem Punkt allerdings auch mit falschen Informationen. So etwa behauptet auch er, wie die meisten US-Poltiker, im Jahr 2008 habe Russland den Kaukasus-Krieg eröffnet, obwohl eine von der EU in Auftrag gegebene Untersuchung unter der Leitung der Schweizer Spitzendiplomatin Heidi Tagliavini zum klaren Schluss kam, dass es der damalige georgische Staatspräsident Micheil Saakaschwili war, der den ersten Schießbefehl gab.
Hier einige Zitate aus dem neusten Artikel von Robert Kagan in «Foreign Affairs»
«Damals wie heute handelten die Amerikaner nicht, weil ihre Sicherheit unmittelbar bedroht war, sondern um die liberale Welt jenseits der eigenen Küsten zu verteidigen.»
«Die Amerikaner sind auf die vermeintliche moralische Unterscheidung zwischen „Kriegen der Notwendigkeit“ und „Kriegen der Wahl“ fixiert. [ ] Aber alle Kriege der USA waren Wahlkriege, die „guten“ und die „schlechten“ Kriege, die gewonnenen und die verlorenen Kriege. Kein einziger war notwendig, um die unmittelbare Sicherheit der USA zu verteidigen; in allen ging es auf die eine oder andere Weise um die Gestaltung des internationalen Umfelds.»
«Wenn unzufriedene Großmächte wie Russland und China sich so lange an diese Regeln hielten, dann nicht, weil sie sich zum Liberalismus bekehrt hatten oder weil sie mit der Welt, wie sie war, zufrieden waren oder die Regeln von Natur aus respektierten. Es lag daran, dass die USA und ihre Verbündeten im Namen ihrer Vision einer wünschenswerten Weltordnung eine überlegene Macht ausübten und die unzufriedenen Mächte keine andere Wahl hatten, als sich zu fügen.»
«Auch Putins wiederholte Invasionen in Nachbarstaaten waren nicht von dem Wunsch geleitet, Russlands Sicherheit zu maximieren. Russland war an seiner Westgrenze nie so sicher wie in den drei Jahrzehnten nach dem Ende des Kalten Krieges. Russland wurde im 19. und 20. Jahrhundert dreimal von Westen her angegriffen, einmal von Frankreich und zweimal von Deutschland, und musste sich während des gesamten Kalten Krieges auf die Möglichkeit einer westlichen Invasion vorbereiten. Doch seit dem Fall der Berliner Mauer hatte niemand in Moskau Grund zu der Annahme, dass Russland die Möglichkeit eines Angriffs durch den Westen drohte.»
«Trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen bestehen die Umstände fort, die die USA vor einem Jahrhundert zum bestimmenden Faktor des Weltgeschehens machten. So wie zwei Weltkriege und der Kalte Krieg bestätigt haben, dass Möchtegern-Autokraten ihre Ambitionen nicht verwirklichen können, solange die USA eine Rolle spielen, so hat Putin die Schwierigkeit entdeckt, seine Ziele zu erreichen, solange seine schwächeren Nachbarn praktisch unbegrenzte Unterstützung von den USA und ihren Verbündeten erwarten können.»
«Die Amerikaner sollten eine freimütige und offene Debatte darüber führen, welche Rolle sie den USA in der Welt zuweisen wollen. Der erste Schritt besteht jedoch darin, zu erkennen, was auf dem Spiel steht. Der natürliche Verlauf der Geschichte in Abwesenheit amerikanischer Führung ist ganz offensichtlich: Er führt nicht zu einem liberalen Frieden, einem stabilen Gleichgewicht der Kräfte oder zur Entwicklung internationaler Gesetze und Institutionen. Stattdessen führt er zur Ausbreitung von Diktaturen und ständigen Konflikten zwischen Großmächten. Darauf hat sich die Welt in den Jahren 1917 und 1941 zubewegt. Sollten die USA heute ihr Engagement in der Welt verringern, sind die Folgen für Europa und Asien unschwer vorauszusehen. Großmächtekonflikte und Diktaturen waren in der Geschichte der Menschheit die Regel, der liberale Frieden eine kurze Verirrung. Nur die amerikanische Macht kann die Naturgewalten der Geschichte in Schach halten.»
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.