aus e-mail von Clenens Ronnefeldt, 18. September 2024, 10:58 Uhr
Liebe Friedensinteressierte,
nachfolgend einige Informationen zu den
Kriegen in der Ukraine und in Westasien -
sowie zur Militarisierung in Deutschland.
1. FAZ: Russischer Botschafter ist mit Blick auf Friedensverhandlung skeptisch
2. ISW: Interaktive Karte: Hunderte von bekannten russischen Militärobjekten befinden sich im Bereich des ATACMS
3. Foreign Policy: Bidens „Eskalationsmanagement“ in der Ukraine macht den Westen weniger sicher
4. Der Spiegel: Krieg in der Ukraine - Wir müssen verhandeln
5. BZ: G. Verheugen und P. Erler: Russland und Europa: Rückkehr zu der gemeinsamen Sicherheit
6. FR: K. Moegling und J. Funke: Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg: Wie können sie gelingen?
7. YouTube: Was würde Hannah Arendt heute dazu sagen? | Gert Scobel
8. Die Zeit: Aufruf: Deutsche Medien fordern ungehinderten Zugang zum Gazastreifen
9. LMD: Die Gewalt in Gaza verschärft sich, da die Angst vor regionalen Konflikten wächst
10. NATO: Verbündete unternehmen weitere Schritte zur Einrichtung des NATO-Innovationsfonds
11. BZ: Geld in die Rüstung: Berlin und Brüssel fördern Waffen-Start-ups, auch in der Hauptstadt
12. SWP: Europa und das Ende der Pax Americana
13. Die Zeit: Personalmangel bei der Bundeswehr: Operation Verzwergung
14. Unter 18 nie: Jetzt unterschreiben: Petition Unter 18 nie!
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1. FAZ: Russischer Botschafter ist mit Blick auf Friedensverhandlung skeptisch
17.9.2024
https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine/ukraine-liveticker-100-millionen-euro-zusaetzliche-winterhilfe-fuer-ukraine-19030454.html
Susanne Kusicke
Zuerst müsse es einen Friedensplan geben, sagte Netschajew am Dienstag
im Deutschlandfunk. Erst wenn ein Text vorliege, könne Russland sehen,
inwieweit dieser Plan den eigenen Vorstellungen entspreche.
Netschajew bezog sich auf Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD), der sich vor gut einer Woche im ZDF-Sommerinterview dafür
ausgesprochen hatte, die Bemühungen um einen Friedensschluss zu
beschleunigen. Scholz hatte gesagt:
„Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben." Einen
Zeitpunkt nannte der Kanzler nicht. Er sei sich mit dem ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aber darüber „einig, dass es auch eine
sein muss mit Russland dabei“.
Netschajew bezeichnete jetzt die aktuelle Situation als „viel
ernsthafter" als zu Zeiten des Kalten Kriegs und warf den westlichen
Staaten vor, sich nicht an Regeln zu halten.
Der russische Botschafter verwies im Deutschlandfunk auch auf die
derzeitige Diskussion über die von der Ukraine angestrebte Erlaubnis,
westliche Raketen mit großer Reichweite auch für Angriffe auf
russisches Staatsgebiet zu nutzen, um sich damit besser gegen
russische Angriffe verteidigen zu können. Dies würde die Nato-Länder
in Konflikt mit Russland bringen, sagte Netschajew.
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siehe auch:
https://www.n-tv.de/politik/10-27-Video-zeigt-Angriff-auf-russisches-Munitionslager--article23143824.html
17.9.2024 23:38
UN-Botschafterin der USA: Haben Selenskyjs Plan schon gesehen
Die UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, sagt, die
amerikanische Seite habe den neuen "Friedensplan" des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits gesehen.
Das berichtet die "European Prawda" mit Verweis auf eine
Pressekonferenz im UN-Hauptquartier. "Wir haben den Friedensplan von
Präsident Selenskyj gesehen.
Wir glauben, dass er eine Strategie vorlegt, die funktionieren kann.
Und wir müssen verstehen, wie wir dazu beitragen können", fügt sie
hinzu. Die US-Botschafterin betont, dass sie in der Friedensfrage
"Hoffnung auf Fortschritte" habe, ohne jedoch näher zu erläutern, was
sie damit meinte.
Mit dem Wort "Friedensplan" bezieht sich Thomas-Greenfield mutmaßlich
auf die Strategie, die auf ukrainischer Seite als "Siegesplan"
bezeichnet wird und die Selenskyj letzten Monat ankündigte.
————
2. ISW: Interaktive Karte: Hunderte von bekannten russischen Militärobjekten befinden sich im Bereich des ATACMS
https://www.understandingwar.org/backgrounder/interactive-map-hundreds-known-russian-military-objects-are-range-atacms
Interaktive Karte: Hunderte von bekannten russischen Militärobjekten befinden sich im Bereich des ATACMS
27. August 2024 - ISW Press
(…)
ISW präsentiert die folgende Liste und interaktive Karte bekannter
militärischer und paramilitärischer Objekte, um zu veranschaulichen,
inwieweit die US-Beschränkungen für die Nutzung des ATACMS der Ukraine
die Fähigkeit der Ukraine einschränken, wichtige militärische
Infrastrukturen in Russland zu treffen.
——
3. Foreign Policy: Bidens „Eskalationsmanagement“ in der Ukraine macht den Westen weniger sicher
https://foreignpolicy.com/2024/09/11/ukraine-russia-war-biden-us-escalation-management-military-aid/?tpcc=editors_picks&utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=Editors Picks 09122024&utm_term=editors_picks <https://foreignpolicy.com/2024/09/11/ukraine-russia-war-biden-us-escalation-management-military-aid/?tpcc=editors_picks&utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=Editors%20Picks%2009122024&utm_term=editors_picks>
Bidens „Eskalationsmanagement“ in der Ukraine macht den Westen weniger sicher
Washington sollte einen gescheiterten Ansatz gegenüber Moskau aufgeben,
der nicht lernt oder sich selbst anpasst.
Von Edward Hunter Christie, Senior Research Fellow
am Finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten.
(…)
September 11, 2024, 6:38 AM
(…)
——
4. Der Spiegel: Krieg in der Ukraine - Wir müssen verhandeln
https://www.spiegel.de/ausland/russland-und-der-ukraine-krieg-warum-wir-mit-wladimir-putin-verhandeln-sollten-kommentar-a-0dc8b827-47ad-444f-8d64-92e77a43b29a
Krieg in der Ukraine - Wir müssen verhandeln
Von Ralf Geilhufe
Wer Gespräche über ein Ende des Kriegs in der Ukraine fordert, wird als Putin-Freund geschmäht.
Dabei wäre ein offener Diskurs nötig, um einen Ausweg aus dieser unheimlichen Situation zu finden.
14.09.2024, 15.28 Uhr
(…)
——
5. BZ: G. Verheugen und P. Erler: Russland und Europa: Rückkehr zu der gemeinsamen Sicherheit
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/russland-und-europa-rueckkehr-zu-der-gemeinsamen-sicherheit-li.2244639
Russland und Europa: Rückkehr zu der gemeinsamen Sicherheit
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat eine Vorgeschichte.
Günter Verheugen und Petra Erler zeigen fulminant, wie es so weit kommen konnte.
Hellmut Hoffmann
17.08.2024 05:39 Uhr
Welt am Abgrund
Vor geraumer Zeit verortete der UN-Generalsekretär António Guterres
„die Welt am Abgrund“. Die wichtigsten Gründe sind bekannt:
Klimawandel, Umweltzerstörung, internationale Spannungen, Kriege,
Hochrüstung, Unterernährung, Armut und soziale Spaltung, Rassismus,
Flucht und Migration, Wirtschaftskrise, Populismus.
Der im dritten Jahr stehende Angriffskrieg Russlands gegen die
Ukraine, der bereits hunderttausende Opfer gekostet und riesige
Schäden nicht nur bei den beiden Antipoden, sondern weltweit
verursacht hat, ist daher das Letzte, was die Menschheit brauchen
kann. Für Deutschland gilt dies besonders, da es – von den
kriegführenden Parteien abgesehen – mit Abstand die größte Last zu
tragen hat.
Wie konnte es zu diesem Debakel kommen und wie ist aus der
Konfrontation herauszufinden?
Der lange Weg zum Krieg
Wer Antworten sucht, sollte zu dem überaus lesenswerten Buch von
Günter Verheugen und Petra Erler „Der lange Weg zum Krieg. Russland,
die Ukraine und der Westen: Eskalation statt Entspannung“ greifen. Der
Titel enthält die Botschaft: Dieser Krieg ist nicht über Nacht über
die Ukraine gekommen, sondern hat eine lange Vorgeschichte, für die
viele Verantwortung tragen. Und: Verständigung über gemeinsame
Sicherheit ist zielführender als Konfrontation, Aufrüstung und
gewaltsame Konfliktlösung.
Die Verfasser bringen Zeitzeugenschaft aus unterschiedlichen
Erfahrungszusammenhängen mit: Hier der Westdeutsche Günter Verheugen,
in den 70er-Jahren in der FDP bei der Ausgestaltung der Bonner
Entspannungspolitik enger Weggefährte Genschers und nach seinem
Wechsel zur SPD 1982 ab 1998 in der rot-grünen Regierung
Staatsminister im Auswärtigen Amt, anschließend mehr als zehn Jahre
EU-Kommissar; da die Ostdeutsche Petra Erler, Staatssekretärin beim
letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, später
Kabinettschefin in der EU-Kommission.
Gestützt auf beeindruckend umfangreiches Quellenmaterial arbeiten die
Autoren die Themenstellung historisch weit ausholend und thematisch
breit ansetzend in neun Kapiteln durch. Aus der Fülle der
abgehandelten Fragen können hier nur wenige Kernpunkte aufgegriffen
werden.
Mit ihrer fulminanten Analyse treten Verheugen und Erler gegen eine,
wie sie selbst konstatieren, „beängstigende Einheitsfront von
Meinungsführern“ an, die jede kritische Infragestellung des
herrschenden Narrativs zum Ukrainekrieg verunglimpfe oder den Diskurs
verweigere, gar sabotiere. Nie zuvor hätten sie erlebt, wie Menschen,
die sich für Waffenstillstand und verhandelten Friedensschluss
einsetzten, derart verunglimpft würden.
Dabei teilen die Autoren entschieden die Auffassung, dass es sich bei
dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 um einen
völkerrechtswidrigen Krieg handelt. Putins Entscheidung habe sie „tief
betroffen“ gemacht.
Verheugen und Erler bleiben hier aber nicht stehen, wie dies im
herrschenden Diskurs regelmäßig der Fall ist, sondern untersuchen,
wann welche Weichenstellungen dazu beigetragen haben, den Zug auf
einen Prellbock auffahren zu lassen.
In diesem Sinn treten sie der verbreiteten Vorstellung entgegen,
wonach es sich bei dem Angriff um einen „anlasslosen Überfall“ eines
von „imperialen Gelüsten und Vernichtungswut“ getriebenen und auf
„Zurückgewinnung einer imperialen Vormachtstellung zielenden
aggressiven Russlands“ gehandelt habe. Ebenso wenig sind sie von der
Behauptung überzeugt, wonach Russland bei erstbester Gelegenheit auch
gegen Nato-Staaten militärisch losschlagen werde.
Zur Begründung ordnen Verheugen und Erler den russisch-ukrainischen
Konflikt in eine lange Reihe von Entwicklungen seit 1945 ein, an
dieser Stelle nur stichwortartig aufzurufen: Auseinandersetzungen um
die Zukunft Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, Ursprünge des
Kalten Kriegs, Aufbau der Nato, KSZE-Prozess, Fall der Mauer, Ende der
Ost-West-Konfrontation, Auflösung des Warschauer Pakts, Zerfall der
Sowjetunion, Osterweiterung von Nato und EU, Zerfall Jugoslawiens,
„Farbenrevolutionen“.
Diese Geschichtsstunde macht deutlich, wie sich nach dem überaus
hoffnungsvollen Umbruch in den Ost-West-Beziehungen von 1989/90 seit
Mitte der 90er-Jahre durch fragwürdige Entscheidungen und
Weichenstellungen auf allen Seiten Enttäuschung, Irritation und
Entfremdung aufgeschaukelt haben.
Putins 2007 bei der Münchner Sicherheitskonferenz unternommener
Versuch, durch freimütige Ansprache zentraler Streitfragen –
Aufkündigung von Abrüstungsverträgen, Missile Defence, Kriegführung
ohne UN-Mandat (Kosovo, Irak), Nato-Osterweiterung, Unilateralismus –
vor einer verhängnisvollen Abwärtsspirale zu warnen, wurde in
westlichen Leitmedien nicht als aufrüttelnder Appell zu gemeinsamer
Umkehr verstanden, sondern als Erklärung eines neuen Kalten Krieges
ausgegeben.
Seit der Verdrängung einer auf ausgewogene Beziehungen mit Russland
und dem Westen bedachten Führung in Kiew durch eine dezidiert westlich
orientierte Mannschaft – Verheugen und Erler sehen darin einen von
amerikanischer Seite geförderten Staatsstreich – und die darauf
folgende russische Annexion der Krim und Unterstützung
russisch-ostukrainischer Separatisten 2014, und angesichts des
permanenten Streits um die (Nicht-)Implementierung der Minsker
Vereinbarungen musste allen klar sein, welch hochbrisanter Sprengstoff
sich hier anhäufte.
Angesichts Russlands kategorischer Ablehnung einer ukrainischen
Nato-Mitgliedschaft musste ebenso klar sein, dass der unterhalb dieser
Schwelle vorangetriebene Aufbau des Landes zu einem Vorposten des
Westens große Risiken barg.
Diese vielschichtigen Zusammenhänge in Erinnerung rufend und von der
Schlussfolgerung ausgehend, dass legitime russische Interessen
übergangen worden seien, monieren Verheugen und Erler die moralische
Selbstüberhöhung, mit der der Westen auf Russlands Aggression reagiert
hat. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Haltung nach dem Irakkrieg
von 2003 a priori deplatziert sei, hätten die Autoren ein nüchtern auf
Schadensbegrenzung zielendes Bemühen um eine baldige Kriegsbeendigung
für weit sinnvoller gehalten.
Systemkonflikt oder Stellvertreterkrieg
Der verbreiteten Deutung des Krieges als einen Systemkonflikt zwischen
Demokratie und Autokratie können Verheugen und Erler nichts
abgewinnen. Vielmehr sehen sie in ihm einen auf dem Rücken der Ukraine
ausgetragenen Stellvertreterkrieg zur Sicherung der weltpolitischen
Vormachtstellung der Vereinigten Staaten, die in Erwartung ihrer
Auseinandersetzung mit dem Hegemonialrivalen China darauf aus seien,
Russland als relevanten Faktor auszuschalten.
Die Rolle der USA wird sehr kritisch gezeichnet: Ihr unipolarer
Machtanspruch habe der Welt Kriege, Zerstörungen und millionenfachen
Tod gebracht, ihrem globalen Dominanzstreben werde alles
untergeordnet.
Vorwiegend kritisch wird auch das Verhalten der EU beschrieben, wie
zum Beispiel ihr ostentatives Desinteresse an der Erfüllung des
Minsk-Abkommens durch die Ukraine.
Auffallend streng gehen Verheugen und Erler mit der Bundesregierung
ins Gericht: Unter keinem Bundeskanzler von Brandt bis Merkel habe es
„in Deutschland eine derart abhängige und kurzsichtige Außenpolitik
gegeben“, die „Zeitenwende“ habe mit all ihren hergebrachten
Prinzipien gebrochen.
Statt „wie ein deutscher Elefant im Porzellanladen herumzutrampeln“
und sich der amerikanischen Hegemonialstrategie als „Vasall“
anzudienen, sollte Berlin alles tun, um den Krieg zu beenden, wie das
Grundgesetz dies fordere, nämlich „dem Frieden der Welt zu dienen“.
Entspannung und gemeinsame Sicherheit
Verheugens und Erlers Schlussfolgerung und Empfehlung sind klar: Der
einzig sinnvolle Weg aus Krieg und Konfrontation besteht in der
Rückkehr zu dem fälschlicherweise verworfenen Konzept gemeinsamer
Sicherheit. Der in Politik und Medien vollzogenen Wendung zum
Bellizismus halten sie mit Nachdruck entgegen: „Die Entspannung ist
kein gescheitertes Konzept! Gescheitert ist vielmehr eine Politik, die
glaubt, auf Entspannung verzichten zu können und es notfalls auch auf
einen Krieg ankommen zu lassen.“
Einige Anmerkungen
Das Bestreben, einen Krieg in seinen objektiven historischen
Zusammenhang einzuordnen, ist Praxis jeder seriösen Analyse. Dass dies
im Fall des russisch-ukrainischen Kriegs als Versuch einer Entlastung
Russlands diskreditiert werden wird, ist freilich absehbar, ist doch
Diskreditierung unerwünschter Sichtweisen inzwischen bei allen
möglichen Streitfragen zur gängigen Münze geworden.
Pointierte Kritik an der Politik der USA ist selbstredend
„antiamerikanisch“, und wer die Klugheit des Übergehens legitimer
Sicherheitsinteressen Russlands bezweifelt, ist „russlandnah“, ein
„Putin-Propaganda“ verbreitender „nützlicher Idiot“ oder gar im Sold
Moskaus.
Es mag ausgeprägtem Verdruss über solche Reflexe und einer mitunter
überspannten Putin-Dämonisierung geschuldet sein, wenn Verheugen und
Erler sich zu den Zuständen im heutigen Russland lediglich unter
Zuhilfenahme der Allerweltsformel äußern, wonach das Land „weit davon
entfernt“ sei, „eine lupenreine Demokratie“ zu sein.
Eine probate Alternative zur Diskreditierung ist Totschweigen. Noch
ist offen, welche Variante im Fall dieser engagierten Schrift, die es
auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat, die Oberhand gewinnen
wird. Man darf daher gespannt sein, ob die 30 Juroren das Buch auf die
vom ZDF monatlich veröffentlichte Liste von 10 „herausragenden
Sachbüchern“ setzen, auf die es schon wegen der Wichtigkeit des Themas
gehört.
Auch wenn viele es partout nicht wahrhaben wollen: Die
Nato-Osterweiterung war aus Moskaus Sicht ein gegen Russlands vitale
Sicherheitsinteressen gerichteter und obendrein als Verrat an der
Ost-West-Verständigung von 1990/91 wahrgenommener Akt. Anders als es
der ein „Gemeinsames Haus Europa“ anstrebende
wankelmütig-kompromissbereite Gorbatschow im Falle Deutschlands
gehalten hatte, hat der Machtpolitiker Putin nach dem Scheitern dieser
Vision keinen Zweifel daran gelassen, im besonders kritischen Fall der
Ukraine eine Nato-Mitgliedschaft um jeden Preis zu verhindern.
Möglicherweise durch den Präzedenzfall der von der Sowjetunion im
„Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“
(2+4-Vertrag) für das wiedervereinigte Deutschland 1990 durchgesetzten
Sonderregelungen inspiriert (Begrenzung der Personalstärke der
deutschen Streitkräfte auf 370.000 Mann und Verbot der Stationierung
ausländischer Streitkräfte und Atomwaffen und deren Träger auf dem
Gebiet der ehemaligen DDR), mag Putin geglaubt haben, vergleichbare
sicherheitspolitische Regelungen für die Ukraine durchsetzen zu können.
Nachdem Kiews westliche Unterstützer Russlands Aufforderung zu
entsprechenden Verhandlungen als eine aus der (Siegermachts-)Zeit
gefallene Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts ins Leere hatten
laufen lassen, kam Putin zu dem verhängnisvollen Schluss, das Problem
mit Gewalt zu lösen.
In der Rückschau zeigte sich der 100-jährige Realpolitiker Kissinger
überzeugt, dass der Westen gut daran getan hätte, Russland in einen
langen Verhandlungsprozess zu involvieren.
Auch wenn die Enttäuschung Verheugens und Erlers über das niedrige
Profil Berlins bei der Suche nach einer Verhandlungslösung im
russisch-ukrainischen Krieg nachvollziehbar ist, schießt ihre überaus
scharfe Kritik an der Bundesregierung über das Ziel hinaus.
Da auf der Hand liegt, wie leicht ernsthafte und damit
notwendigerweise auf Kompromiss ausgerichtete Vermittlungsinitiativen
Dritter als Dolchstoß in den Rücken einer tapfer um Existenz und
territoriale Integrität kämpfenden Ukraine diskreditiert werden
können, wird jeder politische Praktiker ein solches Risiko meiden und
lieber abwarten, bis Konfliktparteien von sich aus Signale belastbarer
Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft senden.
Hinzu kommt, dass Berlin auf den für eine Vermittlungsinitiative
unverzichtbaren Partner Frankreich kaum zählen kann, seit sich Macron,
aus welchen Motiven auch immer, mit Gedankenspielen über französische
beziehungsweise westliche Truppenentsendungen in die Ukraine als deren
besonders engagierter Unterstützer inszeniert.
Botschafter a.D. Hellmut Hoffmann war im Auswärtigen Amt viele Jahre
im Bereich Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung tätig.
2009 bis 2013 leitete er die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland
bei der Genfer Abrüstungskonferenz.
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6. FR: K. Moegling und J. Funke: Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg: Wie können sie gelingen?
https://www.fr.de/politik/wie-koennen-friedensverhandlungen-gelingen-93285926.html
Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg: Wie können sie gelingen?
Stand: 07.09.2024, 13:21 Uhr
Die Autoren: Klaus Moegling ist Politikwissenschaftler und lehrte an
der Universität Kassel. Hajo Funke ist Politikwissenschaftler und
lehrte an der FU Berlin. Beide Autoren sind Erstunterzeichner des
Aufrufs zu Abrüstungsverhandlungen.
Der Rahmen muss stimmen, damit die Ergebnisse ernst genommen werden,
fordern die Politikwissenschaftler Moegling und Funke.
Frankfurt – Der Angriff ukrainischer Truppen auf russisches Gebiet in
Kursk ist ein überraschendes Manöver, dessen Kalkül weitgehend unklar
bleibt, das ohne Abstimmung mit den amerikanischen Unterstützern
erfolgt ist, sich im schlimmsten Fall als Pyrrhussieg erweist, zu
einer schnellen weiteren Eskalation treibt und zu weiteren
verheerenden Opfern durch russische Angriffswellen wie jüngst in
Poltawa führt.
Offenkundig betreibt die ukrainische Führung um Präsident Wolodymyr
Selenskyj nun ihr eigenes gefährliches Eskalations-„Spiel“ und setzt
damit das ohnehin durch die Aufdeckung des Pipeline-Attentats
erschütterte Vertrauen aufs Spiel.
Im besseren Fall bietet diese ukrainische Eskalation einen taktischen
Anlass, angesichts der nun kaum noch kontrollierbaren Risiken
schnellstens beide Seiten auf Verhandlungen zu verpflichten. Denn
gleichzeitig gehen immer mehr Staaten gegenüber der ukrainischen
Radikal-Taktik auf Distanz.
Die Hinweise mehren sich, dass sich der Druck auf Verhandlungen
erhöht: durch die US-Amerikaner, auch wegen der unklaren
Wahlsituation; durch die russische Seite, weil sie durch China und aus
den Brics-Staaten stärker unter Druck gesetzt wird. In der deutschen
Bevölkerung sprechen sich mehr als zwei Drittel für
Friedensverhandlungen aus, wie eine repräsentative Insa-Umfrage für
„Emma“ ergab.
Sowohl für die russische Föderation als auch für die Ukraine lassen
sich die positiven Chancen eines Verhandlungsfriedens ausmachen. Sie
liegen vor allem darin, dass es nach dem ungeheuren Leid aufgrund des
Angriffskriegs nicht zu weiteren Hunderttausenden Toten und Verletzten
kommt.
Ein neuer Verhandlungsansatz: Wie eine internationale Kommission den
Ukraine-Konflikt lösen könnte
Der Verhandlungsrahmen muss stimmen, damit die Ergebnisse ernst
genommen werden. Es bietet sich daher die Einrichtung einer
hochrangigen, ausgewogenen und wirkmächtigen Verhandlungskommission
unter Leitung des UN-Generalsekretärs mit Vertretern einflussreicher
Brics-Staaten (besonders China mit seiner Friedensinitiative sowie
Indien und Brasilien) sowie der USA, der EU und der OSZE an.
Sie sollte direkte Verhandlungen mit den Regierungen der Ukraine und
Russland mit dem Ziel führen, den Konflikt einzufrieren und einen
Waffenstillstand auszuhandeln. Er wäre die Voraussetzung für
Friedensverhandlungen, die sich an das Völkerrecht halten und keinen
„schmutzigen Deal“ vornehmen.
Die Vorteile für die Russische Föderation und Belarus wären unter
einer ökonomischen Perspektive offenkundig: Aufhebung der westlichen
Sanktionen, verstärkte Wirtschaftsbeziehungen, Wiedereingliederung in
westlich orientierte transnationale Wirtschaftsinstitutionen.
Die Ukraine hätte den ökonomischen Vorteil einer internationalen
Unterstützung beim Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft, des
möglichen mittelfristigen Beitritts zur EU und dem damit verbundenen
Sicherheitsversprechen sowie den Milliarden-Subventionen insbesondere
für ihre Landwirtschaft.
Hiermit verbunden wären international abgestimmte Abrüstungsmaßnahmen,
um über die hier entstehende Friedensdividende umfassende Ressourcen
für sozialstaatliche und ökologische Maßnahmen frei werden zu lassen.
Friedensfragen: Warum kein Wechsel zur Verhandlungsoffensive?
Die Autoren stellen sich die Frage, warum nicht endlich von einer
Eskalationsstrategie zu einer Verhandlungsoffensive mit detaillierten
Perspektiven für eine gegenseitige Win-win-Situation übergegangen
wurde. Steckt dahinter geostrategisches Kalkül westlichen
Dominanzstrebens oder immer noch die Annahme, dass die Russische
Föderation erst verhandelt, wenn sie militärisch geschwächt ist?
Im zweiten Fall würde vollkommen verdrängt, dass es sich bei der
Russischen Föderation um eine Nuklearmacht mit globalem
Vernichtungspotenzial handelt. Doch ein Nicht-Ernstnehmen
beziehungsweise Verdrängen des nuklearen Destruktionspotenzials
Russlands von Seiten der herrschenden Politik wäre im höchsten Maße
verantwortungslos gegenüber der Bevölkerung.
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7. YouTube: Was würde Hannah Arendt heute dazu sagen? | Gert Scobel
https://www.youtube.com/watch?v=aU1NHwjp_Nw
Was würde Hannah Arendt heute dazu sagen? | Gert Scobel
15.08.2024
#Palästina #Arendt
Was kaum jemand mitbekommen hat: Im Juni 2024 sind zwei bisher
unveröffentlichte Texte von Hannah #Arendterschienen - eine Sensation.
Dabei werfen gerade diese Texte ein ganz neues Licht auf das Wirken
und Denken der Philosophin:
Sie befassen sich mit Ihrem Engagement für Jüdinnen und Juden nach dem
zweiten Weltkrieg und der Haltung Arendts zu Israel und #Palästina.
Gert Scobel nimmt dieses neue Puzzlestück der Philosophiegeschichte
unter die Lupe und stellt fest:
Gerade für die aktuelle Situation im Gazastreifen können noch wir viel
daraus lernen. Quellen: Thomas Meyer: Hannah Arendt: Die Biografie,
2023. Hannah Arendt: Über Palästina. Zwei bisher unbekannte Texte, 2024.
Die Sendung beginnt mit diesem Zitat von Hannah Arendt:
„Unmittelbar vor den Grenzen des Staates Israel gibt es eine Million
Menschen, die aus ihren Häusern (...) vertrieben wurden.
Sie leben hauptsächlich von den Almosen einer provisorischen und
unzureichend finanzierten UN-Organisation in erzwungener Untätigkeit,
Frustration und Verbitterung, mehr als ein Drittel davon in
Flüchtlingslagern. (…)
Nicht nur der Frieden im Nahen Osten ist gefährdet. Die ganze Welt
lebt im Schatten einer nuklearen Katastrophe. Eine Lösung dieses
Problems ist unter anderem für die Sicherheit der ganzen Welt
notwendig.“
Hannah Arendt, 1958 aus: Hannah Arendt: Über Palästina. Zwei bisher
unbekannte Texte, 2024.
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8. LMD: Die Gewalt in Gaza verschärft sich, da die Angst vor regionalen Konflikten wächst
https://mondediplo.com/2024/09/05gaza
Die Gewalt in Gaza verschärft sich, da die Angst vor regionalen Konflikten wächst
Israels längster Krieg und der tödlichste
Der Gaza-Krieg ist bereits einer der blutigsten der letzten Zeit.
Und es gibt wenig Anzeichen dafür, dass die israelische Führung die Kämpfe
einstellen will: "totaler Sieg" für Netanjahu bedeutet, den Konflikt zu regionalisieren.
von Alain Gresh
Seit Wochen wartet die Welt darauf, ob die Verhandlungen den Krieg in
Gaza beenden werden. Es gab optimistische Ankündigungen, dass ein
Abkommen noch nie so nah gewesen sei, aber die Ergebnisse haben sich
wiederholt als enttäuschend erwiesen, da die Einigung endlos
aufgeschoben wurde.
Unterdessen hat sich hinter der Nebelwand der Gespräche, die die
Beobachter in Atem gehalten haben, die Zerstörung des Gazastreifens
durch Israel verschärft, zusammen mit der Gewalt der Siedler im
Westjordanland.
Ende Juli, als die Gefahr eines regionalen Krieges zunahm, wuchs in
Washington das Gefühl der Dringlichkeit. Die Ermordung eines
hochrangigen Hisbollah-Kommandeurs, Fuad Shukr, in Beirut und von
Ismail Haniyeh, dem Chef des Politbüros der Hamas, in Teheran durch
Israel hat jede rote Linie überschritten.
Sowohl der Iran als auch der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan
Nasrallah, kündigten Vergeltung an, was Präsident Joe Biden dazu
veranlasste, aus Angst, in einem Wahljahr in einen außer Kontrolle
geratenen Konflikt hineingezogen zu werden, zu versuchen, den
Stillstand zu überwinden und gleichzeitig die Interessen Tel Avivs zu
wahren.
Das ist die Motivation, die Bidens Drei-Stufen-Plan untermauert. Die
erste Phase umfasst einen sechswöchigen Waffenstillstand, den Rückzug
Israels aus allen besiedelten Gebieten des Gazastreifens, die
Freilassung einiger Geiseln und die Rückgabe der Leichen der im Kampf
Getöteten im Austausch gegen mehrere hundert palästinensische
Gefangene.
Palästinensische Zivilisten dürften in ihre Heimat zurückkehren, auch
in den nördlichen Teil der Enklave, und die humanitäre Hilfe werde
erheblich aufgestockt. In dieser Phase würden Israel und die Hamas
über die Bedingungen für ein endgültiges Ende der Kämpfe verhandeln.
Die zweite Phase umfasst die Freilassung aller verbliebenen Geiseln,
einschließlich der Soldaten, und den vollständigen Rückzug der
israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen, was zu einer
dauerhaften Einstellung der Feindseligkeiten führt.
In der letzten Phase wird ein massiver Wiederaufbauplan für das Gebiet
erstellt. Zwei Schlüsselaspekte hatten der Hamas die Unterstützung für
diesen Plan gesichert – das endgültige Ende des Krieges und der
vollständige Rückzug der IDF aus Gaza –, aber dann stellte Israel mit
Zustimmung der USA neue Bedingungen. (…)
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9. Die Zeit: Aufruf: Deutsche Medien fordern ungehinderten Zugang zum Gazastreifen
https://www.zeit.de/politik/2024-09/gazastreifen-krieg-israel-aegypten-journalismus-medien
Aufruf: Deutsche Medien fordern ungehinderten Zugang zum Gazastreifen
In einem offenen Brief appellieren die Redaktionen an die Regierungen
von Israel und Ägypten, endlich ohne Einschränkungen aus Gaza
berichten zu dürfen. 17. September 2024, 8:00 Uhr
In einem offenen Brief haben überregionale deutsche Medien die
Regierungen von Israel und Ägypten dazu aufgefordert, Journalistinnen
und Journalisten ungehinderten Zugang zum Gazastreifen zu gewähren.
"Der fast absolute Ausschluss internationaler Medien bei einer Krise
dieser enormen weltweiten Tragweite ist in der jüngeren Geschichte
beispiellos", heißt es in dem Appell von Chefredakteuren, Intendanten
und dem ARD-Vorsitzenden.
"Wer unabhängige Berichterstattung über diesen Krieg unmöglich macht,
beschädigt die eigene Glaubwürdigkeit. Wer uns verbietet, im
Gazastreifen zu arbeiten, schafft die Voraussetzungen, dass
Menschenrechte verletzt werden.“
Die Medien hätten "in der Bewertung und Analyse unterschiedlicher
internationaler Krisen jahrzehntelange Erfahrungen" und seien keine
Konfliktpartei. Die Redaktionen wüssten um das Risiko einer
Berichterstattung vor Ort, seien aber bereit, es zu tragen.
Der Appell richtet sich an den israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu und den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah
as-Sisi. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern zählen unter
anderem die Chefredaktionen von DIE ZEIT, des Spiegel, der
Süddeutschen Zeitung, von taz, Bild, Welt, Stern, der
Nachrichtenagentur dpa sowie die Spitzen der Fernsehanstalten ARD,
ZDF, RTL, NTV, Arte und der Deutschen Welle.
Hinzu kommen berufsständische Organisationen wie Reporter ohne Grenzen
und der Deutsche Journalistenverband. Der Brief wurde den Regierungen
am gestrigen Montag, dem 16. September, zugestellt.
Den vollen Wortlaut des Appells sowie die Liste der unterzeichnenden
Medien finden Sie hier: (…)
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10. NATO: Verbündete unternehmen weitere Schritte zur Einrichtung des NATO-Innovationsfonds
https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_213002.htm
Verbündete unternehmen weitere Schritte zur Einrichtung des NATO-Innovationsfonds
20 Mär. 2023
Letztes Update: 30 März. 2023 15:31
Auf dem Madrider Gipfel 2022 starteten 22 Alliierte den
NATO-Innovationsfonds, den weltweit ersten
Multi-Staats-Venture-Capital-Fonds.
Seitdem wurden wichtige Schritte unternommen, um den Fonds
vollständig durch den NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 zu etablieren. (…)
Der NATO-Innovationsfonds selbst ist eine finanzielle Partnerschaft
zwischen den teilnehmenden NATO-Verbündeten als Limited Partners und
einem speziell für diesen Fonds gebauten Investment-Management-Arm.
Die teilnehmenden Alliierte haben sich zuvor bereit erklärt, die
Partnerschaft in Luxemburg zu domizilieren.
Der Fonds wird 1 Mrd. EUR in Start-ups in der Frühphase investieren,
die neue und disruptive Technologien und andere Risikokapitalfonds
entwickeln, die aufkommende und disruptive Technologien mit doppeltem
Einsatz (Deep Tech) entwickeln.
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