Sonneborn würdigt Schäuble: "DDR billig übernommen, kolonisiert" – "erpresserische EU-Spardiktate"
Der fraktionslose EU-Abgeordnete Martin Sonneborn hat die Aussage der "Welt" über den verstorbenen Wolfgang Schäuble – "Politiker mit Humor" – einmal, wie das so seine Art ist, wörtlich genommen und einen eigenen Clip als Nachruf veröffentlicht.
Quelle: RT © Screenshot Twitter/X von Martin Sonneborn
Unerschrocken – der EU-Parlamentarier Martin Sonneborn (fraktionslos)
Dies war nun der zweite Nachruf, den der EU-Parlamentarier und frühere Titanic-Satiriker Martin Sonneborn in diesem Monat per YouTube veröffentlichen konnte. Nachdem der Abgeordnete erst Mitte Dezember mit einem Nachruf auf "Nachruf auf rund 4.000.001 Tote" den verstorbenen Henry Kissinger gewürdigt hatte, ließ Sonneborn nun einige Höhepunkte aus Schäubles politischem Leben Revue passieren.
Seinen X-Post hatte Sonneborn gewohnt spöttisch mit einer Zitatensammlung eingeleitet, quasi die Welt beim Wort genommen:
"'Glücksfall für die deutsche Geschichte' (Frank Alter Steinmeier), 'Gigant des Parlamentarismus' (Die Zeit), 'Griechenland feiert' (Titanic) – die Äußerungen zum Tode von W. #Schäuble scheinen ein bisschen einseitig. Ich habe ihn viermal nicht getroffen, dreimal vor Gericht und einmal im EU-Parlament. Und das war seine Schuld (…)"
Der Anlass für Sonneborn, diesen Clip zu drehen, war offenkundig eine Feierstunde zu 30 Jahren "deutscher Einheit", die im EU-Parlament veranstaltet wurde. Die Aufzeichnung hat Sonneborn nun wieder hervorgeholt, um Schäuble zu "würdigen". Eingangs bemerkte Sonneborn gegenüber den "lieben Zuschauern draußen an den Geräten", dass er nicht direkt zu Wolfgang Schäuble, "der vor wenigen Minuten in den Plenarsaal des Europäischen Parlaments gerollt wurde", habe sprechen dürfen. Der Grund: Das Rederecht sei "kurzfristig" einem kroatischen Abgeordneten übertragen worden – eine Anspielung auf Schäubles Rolle im Kabinett Helmut Kohl (CDU/CSU, FDP) bei der Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien und die übereilte Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens. Was die Kohl-Jahre betrifft, erinnerte Sonneborn an Schäubles ebenso zentrale wie dubiose Rolle in der CDU-Spendenaffäre:
"Ob die Entscheidungsfindung anders ausgefallen wäre, wenn ich Schäuble einen schwarzen Koffer mit Hunderttausend in gebrauchten Scheinen mitgebracht hätte wie der vorbestrafte Waffenhändler Schreiber seinerzeit, wer weiß …"
Dabei bestehen durchaus Verbindungslinien zur aktuellen, SPD-geführten Bundesregierung unter Olaf Scholz, wie Sonneborn nahelegte:
Von Lobpreisung bis Verdammung – Reaktionen auf den Tod von Wolfgang Schäuble
Denn er habe weder "Schäubles Rolle in der Affäre um Cum-Ex-Geschäfte" ansprechen noch "seinen Kampf für Steuerhinterzieher und Geldwäscher, für den finalen Rettungsschuss, für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren: Stichwort Abschuss von Zivilflugzeugen" ansprechen wollen.
Ebenso wenig habe Sonneborn vor dem EU-Parlament Schäubles "Anregung" erwähnen wollen, "bei Terrorermittlungen Foltergeständnisse zu nutzen oder alle weiteren Frontalangriffe des christdemokratischen Dogmatikers auf das deutsche Grundgesetz".
Der verstorbene Schäuble habe selbst Fraktionskollegen aus Bayern in den Schatten gestellt:
"Auf gar keinen Fall erwähnen wollte ich auch seine verfassungswidrige Brennelementesteuer, die die Bürger letztlich sieben Milliarden Euro kosten wird. Dann kann selbst der dämliche Andy B Punkt Scheuert nur staunen! Smiley."
Als deutscher Finanzminister im Kabinett Angela Merkel war Schäuble einer der Antreiber und Scharfmacher in der Banken- und Eurokrise gegenüber Griechenland und den südlichen EU-Ländern:
"In höfliches Schweigen zu hüllen gedachte ich sogar Schäubles autistisches Beharren auf eine Austeritätsdoktrin, deren erpresserische Spardiktate ganze europäische Sozialstaatswesen in die Knie gezwungen haben."
Sonneborn kam schließlich noch einmal auf Schäubles Funktion bei der Übernahme der DDR durch die Alt-BRD zurück:
"Nein, ich wollte uns anlässlich der Feierstunde zu 30 Jahren Mauerfall eigentlich nur gratulieren. Gratulieren dazu, dass wir die DDR 1990 billig übernommen, kolonisiert, filetiert und nach allen Regeln der kapitalistischen Kunst ausgeschlachtet haben. Aber Geben ist dennoch seliger denn Nehmen. Und deswegen fordere ich hier und heute, den Anteil von Ostdeutschen in Führungspositionen in den kommenden Jahren schrittweise von 1,7 Prozent auf 1,75 Prozent zu erhöhen. Zwinker-Smiley."
Mehr zum Thema - Der demokratische Antidemokrat – Zum Tod von Wolfgang Schäuble
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Weiteres:
Von Lobpreisung bis Verdammung – Reaktionen auf den Tod von Wolfgang Schäuble
freeassange.rtde.life, vom 27. Dez. 2023 16:10 Uhr
Vom "großen Kämpfer für die Demokratie" und "leidenschaftlichen Europäer" bis hin zu "die Geschichte wird ihn nicht günstig beurteilen" – die Sicht auf Wolfgang Schäuble fällt sehr unterschiedlich aus. Vor allem außerhalb Deutschlands ist sie eher kritisch.
Quelle: www.globallookpress.com © Jörg Carstensen
Konrad-Adenauer-Haus, 27. Dezember 2023
Die Äußerungen deutscher Politiker, die wiedergegeben werden, überschlagen sich vor Lob für den verstorbenen Wolfgang Schäuble.
Das Finanzministerium, das er zwei Legislaturperioden lang geleitet hatte, twitterte: "ein leidenschaftlicher Europäer, ein kluger Finanzminister und ein großer Kämpfer für die Demokratie." Ins selbe Horn stieß auch Außenministerin Annalena Baerbock:
"Kaum ein Politiker hat die jüngste deutsche Geschichte und unsere demokratische Kultur so geprägt wie Wolfgang Schäuble. Und sich derart verdient gemacht um die deutsche & europäische Einigung."
Der gleiche Tonfall findet sich bei Politikern verschiedener Bundesländer. Der sächsische Innenminister Armin Schuster schrieb: "Seitdem ich Politik mache, war Wolfgang Schäuble immer die Instanz für mich, wie ein guter Europäer bestmöglich seinem Land dient." Die sächsischen Grünen: "Er war leidenschaftlicher Demokrat, ein großer und stets fairer Geist und einer der Architekten der Deutschen Einheit und Europas."
Griechenland-Krise 2015: Bundesverfassungsgericht rügt Bundesregierung
Der SPD-Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Jochen Ott: "Er war so lange in der Politik, wie ich denken kann. Immer streitbar. Immer aufrecht. Immer Demokrat." Ex-Kanzlerin Angela Merkel hatte ihn schon zu seinem 70. Geburtstag "einen Architekten der deutschen Einheit, einen Architekten des Regierungsumzugs und derzeit einen Architekten einer stabilen Eurozone" genannt.
Einzig der Nachruf auf RTL erwähnt auch Kritisches über Schäuble, aus dem Munde eines langjährigen Parlamentsreporters:
"Er wusste viel und ließ das auch alle wissen. Und er konnte extrem ungeduldig sein, wenn Dinge, auch organisatorisch, nicht so liefen, wie er es wollte.Ein Lied davon singen konnte sein ehemaliger Sprecher Michael Offer, den er wegen ein paar nicht verteilter Tabellen für die Journalisten vor der versammelten Hauptstadtpresse gedemütigt hatte."
Der österreichische Standard erwähnt die Familienzusammenhänge Schäubles:
"Schon Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles jüngerer Bruder Thomas war ebenfalls Politiker, 13 Jahre lang war er Landesminister in Baden-Württemberg. 2013 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts. Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau."
Die spanische Zeitung El Mundo nennt ihn den "Schattenkanzler" der Wiedervereinigung; Schäuble sei als Innenminister federführend bei der Gestaltung des Einigungsvertrages gewesen.
In der europäischen Presse ist Austerität der Begriff, der am engsten mit Schäuble verbunden wird, und es finden sich weit mehr kritische Töne als in den deutschen Medien. So schreibt der französische Figaro, Schäuble habe seine Austeritätspolitik in Deutschland betrieben, "ohne sich je um öffentliche Investitionen zu kümmern, unter der Gefahr, die Infrastruktur von Telekommunikation und Transport in einem bedauernswerten Zustand zu lassen." Der italienische Corriere della Sera zieht dieses Fazit seiner Rolle in der Eurokrise:
"Und es lag eher an Angela Merkels Vermittlungsfähigkeiten und ihrem Wunsch, Europa vereint zu halten – und auch an der Achse mit der EZB, die damals von Mario Draghi geleitet wurde – dass Griechenland an den Zug des Euro angekoppelt blieb. Wegen seiner Rigorisität – die jedoch immer von enormem technischem Wissen und großen politischen Fähigkeiten begleitet wurde – wurde er in vielen südeuropäischen Ländern als Gegner gesehen, und im zunehmenden kontinentalen Populismus beinahe als 'Feind'. Titel, mit denen er vermutlich kein Problem hatte."
Die spanische El País charakterisiert ihn wie folgt:
"Jenseits der deutschen Grenzen verkörperte der langjährige CDU-Politiker im Gefolge der Wirtschaftskrise, die in Europa 2008 begann, vollkommen die Härte der strikten deutschen Austeritätspolitik innerhalb der Europäischen Union, die zu harschen Programmen der Einschnitte bei öffentlichen Ausgaben führte, und zu Griechenlands Bailout."
Die Zeitung erinnert aber auch an seine persönlichen Rückschläge:
"In seiner Karriere erlebte Schäuble zwei politische Niederlagen, die sein Leben zeichneten: nach dem Ende der Amtszeit Helmut Kohls nicht Kanzler zu werden, und unter der Kanzlerschaft Merkels nicht Bundespräsident, eine doppelte Tragödie in seiner Karriere."
Es erstaunt nicht, dass die schärfsten Kommentare aus Griechenland zu vernehmen sind, dem Land, das am stärksten unter den von Schäuble erdachten Sparmaßnahmen leiden musste. Die Reaktion des damaligen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis beschreibt der österreichische Standard:
"Schäuble 'verkörperte den explosiven Widerspruch, der sowohl zur Euro-Krise als auch zu den Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung führte – Maßnahmen, die einerseits zur Verarmung Griechenlands und andererseits zur aktuellen Deindustrialisierung Deutschlands sowie Europas Abgleiten in die geopolitische Bedeutungslosigkeit führten', hieß es in einem Statement."
Noch deutlicher wurde sein Amtsnachfolger und jetziger Europaabgeordnete Efklidis Tsakalotos in der griechischen Kathimerini:
"Wir müssen gerecht und streng sein. Die Geschichte wird ihn nicht günstig beurteilen. Er war ein Staatsmann, der die Eurogruppe über zu viele Jahre dominierte. [Schäuble] wollte eine politische Union Europas, aber nur für gewisse Länder. Sein Traum war eine politische Union für die Wenigen. Es gibt keine Zweifel, dass er auch zu seinem eigenen Volk grausam war und als Finanzminister große Ungleichheiten schuf. Aber er war auch gerissen."
Mehr zum Thema - Wolfgang Schäuble gestorben
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
Info:https://freeassange.rtde.life/inland/191044-von-lobpreisung-bis-verdammnis-reaktionen
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