Beschwerde zum Drohnenteil der Tagesthemen vom 5.2.2021
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich reiche hiermit eine Beschwerde gegen die Verletzung der Informationspflicht der Tagesthemen ein: Basis der Informationsarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist vor allem der § 11 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages: "Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen." Ihr minutenlanger Bericht zur Drohnenbewaffnung verletzte das Kontroversitäts- und Überwältigungsverbot nach den Anforderungen der sachlichen und neutralen Informationspflicht: Sie interviewten die sozialdemokratische Sicherheitsexpertin Siemtje Möller, die in der Frage am neutralsten auftrat - Zitat zu jenen in ihrer Fraktion, die Bedenken haben: "ich respektiere das" > das heißt, sie ist anderer Meinung. Aber das war noch der ausgewogenste Teil dieses Tagesthemen-Themenblocks. Das Interview mit Ulrike Franke und das mit Andreas Steinmetz transportiert explizit die Position der Befürworter*innen der Drohnenbewaffnung. Die Bedenken der Kritiker sei, so der Tagesthemen , dass Drohnen der Einstieg in einen Krieg per Joystick und vielleicht in
einen automatisierten Krieg sein. Das ist alles zur Gegenposition. Frau Rau transportiert sogar noch eine Position, die die Kritiker*innen ins Lächerliche zieht: "Typisch Deutsch eine Drohne ohne Bewaffnung - für die Franzosen ist das ein Unding." Dieser Verweis auf eine Position in
Frankreich ohne Pro-Contra-Argumente ist nicht minder tendenziös, zumal im Zusammenwirken der vielen Elemente dieses Themenschwerpunktes 'Drohnenbewaffnung'. Die Bewaffnungsbefürworterin Frau Franke wurde gefragt, warum die Drohne so viel Streit auslöst? Ihre spekulative Antwort ist reicht an Unterstellungen gegenüber den Kritiker*innen: Die Drohne löse wohl eine gewisse Faszination aus, zum Teil wie Science Fiction-Literatur, so als gehe es mit Killerrobotern um unbewaffnete Systeme, die über Leben und Tod entscheiden, was die aktuell in der Planung befindlichen Systeme nicht tun. Hier werden die Kritiker*innen nicht nur als Menschen dargestellt, die mit ihren Vorbehalten Soldatenleben gefährden, sondern mehr noch als weltfremde Freund*innen der fiktionalen Literatur, die blindlings Romaninhalte auf das reale Leben übertragen. Eine kluge Antwort auf die Frage nach den Motiven der Kritiker*innen wäre der Hinweis gewesen, dazu müssten die Tagesthemen die Kritiker*innen selbst befragen. Auch das blieb aus. Aber Frau Franke ging ja noch weiter, indem sie wiederholt aussagte, man könne Krieg auch ohne bewaffnete Drohnen führen. Die Tatsache, wie schnell der Funke eines Krieges in einen Flächenbrand übergehen kann, der eine Eigendynamik entwickeln kann, die am Ende unsägliches Leid und schließlich eine Phase der Unkontrollierbarkeit mit sich bringt, nimmt sie gar nicht in Erwägung. Und das geschieht in einem äußerlich freundlich-sympathisch erscheinenden Nach- richten-Block im 21. Jahrhundert! In seiner Gesamtheit war dieser mehr als 10-minütige Themenblock eine einzige Propaganda für die Drohnenbewaffnung und die Nato-/EU Rüstungsstrategie. Hier exemplarisch nur zwei Punkte aus der Kritik der Friedensbewegung: Drohnen schützen die eigenen Soldaten am Ende des Tages gesehen überhaupt nicht, wenn man die posttraumatischen Belastungssyndrome der Drohnenpilot*innen am Joy-Stick mit in Betracht zieht. Zu diesem Thema hat die 'Zeit' am 6. Dezember einen Bericht unter dem Titel 'Schreibtischtöter' veröffentlicht. Das 'ärzteblatt' berichtete am 8.7.2020 in diesem Zusammenhang über eine Zunahme an Suicidversuchen unter den betroffenen Soldat*innen. Die US-Armee verlor im Zusammenhang mit dem Afghanistan- und Irak-Krieg mehr Soldat*innen durch Selbstmord als im
Verlauf des Kampfgeschehens selbst. (s. z.B Tagesspiegel 13.12.2014!) Die Suicidopfer waren nicht alle Drohnenpilot*innen; aber es zeigt sich, dass der beste Schutz für Soldat*innen eine konsequente kriegsvermeidende Friedenspolitik ist. Alles andere bewegt sich in der Fiktion von
Propaganda. Schlimmer noch: Es vertuscht die Tatsache, dass die meisten durch Drohnen getöteten Menschen zivile sogenannte Kollateral-Schäden sind. - Dazu exemplarisch die TAZ vom 19.12.2012: "Die militärische Effizienz von Drohnen ist allerdings alles andere als erwiesen, und die Kollateralschäden sind immens. Allein in Pakistan sind bei Angriffen durch Drohnen 2.000 bis
3.000 Menschen umgekommen, darunter sehr viele Zivilisten." Hier wird auch deutlich, dass Drohnen die Schwelle zu kriegerischer Gewalt senken, dass sie die Grenzen zwischen Frieden und Krieg verwischen, und natürlich sind sie eine Wegmarke hin zur immer weiteren Digitalisierung der Kriegsführung von der Fernsteuerung über die Automatisierung bis hin zur Autonomisierung, in deren Rahmen Programme, Algorhythmen und Systeme Entscheidungen über Leben und Tod einen immer größeren Einfluss auf Tötungshandlugen und damit auf die Entwicklung von Kriegen nehmen. In den Punkten, mit denen die Tagesthemen vom 05.02.2021 für die Drohnenbewaffnung plädierten und die Position der Friedensbewegung andeutend einbezogen, haben sie gegen den friedens- und demokratiefördernden Auftrag von §11 Absatz 1 Rundfunkstaatvertrag verstoßen; demzufolge haben die Tagesthemenfolgendermaßen vorzugehen: "Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen um-fassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern." Ich fordere Sie dem entsprechend dazu auf, Ihrem Auftrag entsprechend Manipulation durch Information zu ersetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Trautvetter
Weitere:
Regierungskoalition wird die Eurodrohne bewilligen, jedoch angeblich vorerst ohne Bewaffnung
Liebe Mitstreitende,
die offizielle Abstimmung im Bundestag zur Finanzierung der nächsten Phase der Eurodrohne wird am 24. März stattfinden.
Jedoch wurde der Beschluss eigentlich schon gestern Abend bei einem Koalitionsausschuss-Treffen gefasst. (Siehe Links unten.)
In dieser Legislaturperiode wird keine Finanzierung für eine Bewaffnung der Eurodrohne zugesagt, jedoch wird die weitere Entwicklung einer bewaffnungsfähigen Eurodrohne bewilligt.
Die SPD muss sich noch entscheiden, wie sie zum Future Combat Air System (FCAS) verhalten werden, weil bewaffnete Drohnen eine wichtige Rolle im System spielen sollen. Voraussichtlich wird die Bundestag-Abstimmung zum FCAS im Juni 2021 stattfinden.
Mal sehen, ob die Grünen bei etwaigen Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU die Eurodrohne bewaffnen würden. Es wäre gut, wenn die Grünen sich schon vor der Wahl festlegen würden.
Viele Grüße
Elsa
Info: https://augengeradeaus.net/2021/02/regierungskoalition-macht-weg-frei-fuer-entwicklung-der-eurodrohne/ / https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-02/koalitionsausschuss-union-spd-schuldenbremse-corona-soforthilfe-kinderbonus-regierungspolitik?utm_referrer=https%3A%2F%2Fnews.google.com
Auszug: Bei dem vor allem auf Initiative der SPD angesetzten Treffen soll auch über die Anschaffung der Euro-Drohne für die Bundeswehr gesprochen werden. SPD-Chef Norbert Walter- Borjans betonte, dass die SPD nicht grundsätzlich gegen die Entwicklung und Beschaffung der Drohnen sei. Doch: "Es wird scheitern, wenn es um die Frage geht, jetzt festzulegen, dass diese Drohnen bewaffnet werden sollen."
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Kommentar: Die SPD-Genossen haben keinen Grund die Interessen von friedensbewegten Menschen zu täuschen. Thomas Bauer
Weitere:
Die „Tagesthemen“ verletzen mit Propaganda für Kampfdrohnen ihren Auftrag
nachdenkseiten.de, 09. Februar 2021 um 16:13, Ein Artikel von Bernhard Trautvetter | Verantwortlicher: Redaktion
Wegen tendenziöser Berichterstattung hat Bernhard Trautvetter eine Beschwerde beim Rundfunkrat eingereicht. Wir geben sie hier wieder.
Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,
Ich reiche hiermit eine Beschwerde gegen die Verletzung der Informationspflicht durch die „Tagesthemen“ (in der Sendung vom 5. Februar) ein: Basis der Informationsarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist vor allem der § 11 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages:
“Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Ihr Bericht zur Drohnenbewaffnung verletzte das Kontroversitätsgebot und das Überwältigungsverbot nach den Anforderungen der sachlichen und neutralen Informationspflicht: Sie interviewten die sozialdemokratische Sicherheitsexpertin Siemtje Möller, die in der Frage noch am neutralsten auftrat. Möllers Zitat zu jenen Abgeordneten in ihrer Fraktion, die Bedenken haben: “Ich respektiere das“. Das heißt, sie ist anderer Meinung. Aber das war noch der ausgewogenste Teil dieses „Tagesthemen“-Themenblocks. Das Interview mit Ulrike Franke vom “European Council On Foreign Affairs“ und das mit Andreas Steinmetz von der Bundeswehr transportierten explizit die Position der Befürworter und Befürworterinnen der Drohnenbewaffnung.
Die Bedenken der Kritiker seien, so die „Tagesthemen“ , dass Drohnen der Einstieg in einen Krieg per Joystick und vielleicht in einen automatisierten Krieg seien. Das ist alles zur Gegenposition. WDR-Kommentatorin Sabine Rau transportiert sogar noch eine Position, die die Kritiker und Kritikerinnen ins Lächerliche zieht:
“Typisch Deutsch eine Drohne ohne Bewaffnung – für die Franzosen ist das ein Unding.”
Dieser Verweis auf eine Position in Frankreich ohne Pro-Contra-Argumente ist nicht minder tendenziös, zumal im Zusammenwirken der vielen Elemente dieses Themenschwerpunktes ‘Drohnenbewaffnung’. Die Bewaffnungsbefürworterin Frau Franke wurde gefragt, warum die Drohne so viel Streit auslöst? Ihre spekulative Antwort reicht an Unterstellungen gegenüber den Kritikern und Kritikerinnen heran: Die Drohne löse wohl eine gewisse Faszination aus, zum Teil wie Science Fiction-Literatur, so als gehe es mit Killerrobotern um unbewaffnete Systeme, die über Leben und Tod entscheiden, was die aktuell in der Planung befindlichen Systeme nicht tun. Hier werden die Kritiker und Kritikerinnen nicht nur als Menschen dargestellt, die mit ihren Vorbehalten Soldatenleben gefährden, sondern mehr noch als weltfremde Freunde der fiktionalen Literatur, die blindlings Romaninhalte auf das reale Leben übertragen. Eine kluge Antwort auf die Frage nach den Motiven der Kritiker wäre der Hinweis gewesen, dass die „Tagesthemen“ die Kritiker dazu selbst befragen müssten. Auch das blieb aus.
Aber Frau Franke ging noch weiter, indem sie wiederholt aussagte, man könne Krieg auch ohne bewaffnete Drohnen führen. Die Tatsache, dass der Funke eines Krieges schnell in einen Flächenbrand übergehen kann, der eine Eigendynamik entwickeln kann, die am Ende unsägliches Leid und schließlich eine Phase der Unkontrollierbarkeit mit sich bringt, nimmt sie gar nicht in den Blick. Und das geschieht in einem äußerlich freundlich-sympathisch erscheinenden Nachrichten-Block im 21. Jahrhundert.
In seiner Gesamtheit war dieser mehr als 10-minütige Themenblock eine einzige Propaganda für die Drohnenbewaffnung und die Nato-/EU-Rüstungsstrategie. Hier exemplarisch nur zwei Punkte aus der Kritik der Friedensbewegung: Drohnen schützen die eigenen Soldaten am Ende des Tages gesehen überhaupt nicht, wenn man die posttraumatischen Belastungssyndrome der Drohnenpiloten und Pilotinnen am Joy-Stick mit in Betracht zieht. Zu diesem Thema hat die ‘Zeit’ am 6.Dezember einen Bericht unter dem Titel ‘Schreibtischtöter’ veröffentlicht. Das ‘Ärzteblatt’ berichtete am 8.7.2020 in diesem Zusammenhang über eine Zunahme an Suizidversuchen unter den betroffenen Soldaten und Soldatinnen. Die US-Armee verlor im Zusammenhang mit dem Afghanistan- und dem Irak-Krieg mehr Soldaten durch Suizide als im Verlauf des Kampfgeschehens selbst. (s. z.B. Tagesspiegel 13.12.2014) Die Suizid-Opfer waren nicht alle Drohnenpiloten oder Pilotinnen; aber es zeigt sich, dass der beste Schutz für Soldaten eine konsequente kriegsvermeidende Friedenspolitik ist. Alles andere bewegt sich in der Fiktion von Propaganda. Schlimmer noch: Es vertuscht die Tatsache, dass die meisten durch Drohnen getöteten Menschen zivile sogenannte Kollateral-Schäden sind. – Dazu exemplarisch die TAZ vom 19.12.2012:
“Die militärische Effizienz von Drohnen ist allerdings alles andere als erwiesen, und die Kollateralschäden sind immens. Allein in Pakistan sind bei Angriffen durch Drohnen 2.000 bis 3.000 Menschen umgekommen, darunter sehr viele Zivilisten.”
Hier wird auch deutlich, dass Drohnen die Schwelle zu kriegerischer Gewalt senken, dass sie die Grenzen zwischen Frieden und Krieg verwischen. Und natürlich sind sie eine Wegmarke hin zur immer weiteren Digitalisierung der Kriegsführung – von der Fernsteuerung über die Automatisierung bis hin zur Autonomisierung, in deren Rahmen von Programmen, Algorhythmen und Systemen gefällte Entscheidungen über Leben und Tod einen immer größeren Einfluss auf die Entwicklung von Kriegen nehmen. Durch die Art und Weise, in der die „Tagesthemen“ vom 05.02.2021 für die Drohnenbewaffnung plädierten und die Position der Friedensbewegung nur andeutend einbezogen, haben sie gegen den friedens- und demokratiefördernden Auftrag von §11 Absatz 1 verstoßen. Demzufolge haben die „Tagesthemen“ folgendermaßen vorzugehen:
“Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern.”
Ich fordere Sie auf, Ihrem Auftrag entsprechend Manipulation durch Information zu ersetzen.
Bernhard Trautvetter, Jahrgang 1954, ist ehemaliger Berufsschullehrer, Friedensaktivist, Lyriker und Bildgestalter. Zudem schreibt er Artikel unter anderem für die junge Welt, das Neue Deutschland und KenFM.