16.01.2023

Die Europäische Union: Verliererin im Ukraine-Konflikt – egal wie er ausgeht

meinungsfreiheit.rtde.life, vom 14 Jan. 2023 08:46 Uhr, Von Gert Ewen Ungar

Kein Zweifel, die USA nutzen den Ukraine-Konflikt zur Destabilisierung der Europäischen Union. Diese bindet sich bedingungslos an Washington und Kiew, ohne die Folgen in den Blick zu nehmen. Mit der Intensivierung der Zusammenarbeit mit der NATO wird die EU zudem in den Konflikt mit China eingebunden. Das wird die EU weiter massiv schwächen.



Quelle: AFP © John THYS / POOL / A


Charles Michel (EU-Ratspräsident), Jens Stoltenberg (NATO-Generalsekretär) und Ursula von der Leyen (EU-Kommissionspräsidentin) (von links nacht rechts) am 10. Januar 2023 in Brüssel (Bild)


Zitat: Glaubt man westlichen Medien, dann ist die Ukraine auf dem Weg, einen Krieg gegen Russland zu gewinnen. Nicht nur die jungen Republiken im Donbass seien, auch die Krim sei bald wieder ein Teil der Ukraine. Was man dafür brauche, seien vor allem Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung. Soweit die Mär, die offenbar von den Verantwortlichen in der EU geglaubt wird.


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Meinung

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Hört man dagegen auf Militärexperten, dann sollte sich die Ukraine besser zügig an den Verhandlungstisch bewegen und auch einen "Diktatfrieden" akzeptieren. Bereits im November äußerte sich der Stabschef der US-Armee Mark Milley in diesem Sinne. Der Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen, stellte er fest. Solche Stimmen mehren sich. Russland hat das Potential, militärisch weiter zu eskalieren. Selbst der NATO-Generalsekretär sieht die NATO in einem Dilemma, denn durch die Ausweitungen der Waffenlieferungen droht sie selbst, eindeutig Konfliktpartei zu werden, und mit jeder weiteren Intensivierung droht daher auch, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät. Das wäre für Europa fatal.


Schaut man auf die ökonomischen Indikatoren, dann sieht es noch düsterer aus. Das BIP der Ukraine ist im vergangenen Jahr um über 30 Prozent eingebrochen. Die militärische Antwort Russlands nach dem Terroranschlag auf die Krim-Brücke hinterlässt nun der Ukraine eine zerstörte Infrastruktur im Energiebereich. Aufgrund der umfassenden Waffenlieferungen des Westens, vor allem per Bahn abgewickelt, wurde auch das Schienennetz bereits schwer beschädigt. Hinzu kommt, dass bereits rund 20 Prozent der ukrainischen Bevölkerung das Land verlassen haben. Sie stehen für die Wirtschaft nicht zur Verfügung. Die Ukraine ist ökonomisch am Ende. Sie ist vollständig auf ausländische Geldgeber angewiesen. Die Ukraine sitzt zudem in der Schuldenfalle und wird nicht in der Lage sein, die von der EU zur Verfügung gestellten Gelder zurückzuzahlen.


Für die EU bedeutet das: Die der Ukraine gewährten Kredite werden die Haushalte der EU-Staaten als zusätzliche Schulden belasten, denn die EU-Kommission hat zur Finanzierung des Krieges gemeinsame Anleihen ausgegeben, für die alle EU-Staaten nun gemeinsam haften. Dieses Geld wurde und wird weiterhin der Ukraine zur Verfügung gestellt. Das ist die bittere ökonomische Realität. Die Ukraine ist ruiniert und die EU trägt die Last.


Die Idee, die Ukraine könne einen Sieg über Russland erringen, wenn noch mehr Waffen geliefert würden, ist Träumerei. Waffenlieferungen verlängern lediglich diesen Krieg. Die Ukrainer selbst werden für eine längst verlorene Sache verheizt. Die Beteuerungen deutscher Politiker (und vor allem deutscher Politikerinnen), mit Waffenlieferungen würde Deutschland nicht zur Kriegspartei, denn es gebe dafür klare völkerrechtliche Regeln, ist bestenfalls naiv oder einfach eine absichtsvolle Täuschung. Diese Regeln gibt es nicht.


Wenn Russland für sich zu dem Ergebnis kommt, die NATO sei in den Krieg eingetreten, dann beschreibt genau das der Status Quo: Die NATO liefert Waffen, die NATO liefert Daten, die NATO steuert, was auf dem Gefechtsfeld passiert. Was die NATO, die EU und Deutschland aktuell am stärksten davor schützt, Kriegspartei zu sein, ist vermutlich die russische Sprachregelung, nach der sich Russland mit der Ukraine eben nicht in einem Krieg befindet.


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All diejenigen, die diese Sprachregelung verhöhnen, sollten sich überlegen, ob nicht dies gerade ihren eigenen Schutz vor weiterer Eskalation darstellt, der von Russland allerdings zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurückgenommen werden kann. Russlands Sprachregelung, nicht von einem Krieg zu sprechen, ist damit auch ein Schutz Europas vor sich selbst, vor der Konsequenz der offenbarten Unfähigkeit der EU und der EU-Staaten zur Diplomatie. Die EU ist noch nicht im Krieg – aber nur von Russlands Gnaden. Der Kriegseintritt der EU hängt somit unter anderem an einer ganz schlichten, offiziellen russischen Sprachregelung.


Die EU jedoch interessiert sich für all das nicht, interessiert sich nicht mehr für Diplomatie, interessiert sich nicht für militärische Expertise, interessiert sich auch nicht für wirtschaftliche Konsequenzen, sondern sichert der Ukraine volle und vor allem bedingungslose Unterstützung zu. Es sei die Ukraine, die festlege, ab welchem Zeitpunkt sie Verhandlungen mit Russland aufnehmen wolle. Die EU setzt nicht nur alles auf einen Sieg der Ukraine, sondern begibt sich faktisch freiwillig in eine diplomatische Sackgasse. Sie gibt ohne Not die Möglichkeit der eigenen politischen Mitsprache über den Konflikt und der mäßigenden Einflussnahme auf die Ukraine auf. Dabei ist ein militärischer Sieg der Ukraine mehr als nur unwahrscheinlich, er ist unmöglich. Die EU aber hat dafür keinen Plan B.


Die EU handelt daher fahrlässig – und die Konsequenzen sind absehbar. Fahrlässig handelt sie auch mit der Verabredung zu einer intensivierten Zusammenarbeit mit der NATO, die heute beschlossen wurde. Es ist absehbar, dass die EU damit ihre Souveränität aufgibt und sich militärisch und wirtschaftlich noch stärker in Abhängigkeit von den USA begibt. Das ist gleich in mehrerer Hinsicht fatal, denn neben dem Konflikt in der Ukraine planen die USA die globale Ausweitung ihrer Konfrontation verstärkt gegen China. 

NATO + EU = WEFUrsula von der Leyen verkündet nichts anderes, als die Maßnahmen und Ziele des WEF umzusetzen.Russland und China dienen als Vorwand.Die "neue" Zusammenarbeit zwischen NATO und EU ist nichts anderes als das Feigenblatt für die WEF-Weltregierung! pic.twitter.com/5uul3NwmM8

— Wahrheit kann weh tun! (@TruthReposter) January 10, 2023

In ihrer Verlautbarung zur Intensivierung dieser Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO machte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen deutlich, dass ein Ziel dessen die Einhegung Chinas sei. Die EU eröffnet ohne Not eine zweite Front, die sie absehbar weiter schwächen wird.


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Absehbar ist auch, dass die EU dadurch weiter an Eigenständigkeit verlieren wird. Schon durch den Verzicht auf russisches Gas hat sich die EU in eine umfassende Abhängigkeit von US-amerikanischen Flüssiggas-Lieferungen begeben. Durch den höheren Preis des LNG wird für alle erkennbar bereits die Wettbewerbsfähigkeit der EU geschwächt. Gleichzeitig verfügen die USA damit über ein weiteres politisches Druckmittel, das sie im Gegensatz zu Russland auch skrupellos einsetzen werden – da kann man sich sicher sein. LNG gibt es nur für politisches Wohlverhalten.


Die EU-Granden interessiert all das nicht. Dabei ist Verhältnis zu den USA nicht unbelastet. Mit dem Inflation Reduction Act setzt die Administration Biden den von Trump eingeschlagenen Weg des "America First" unbeirrt fort. Mit ihm hatten die Vereinigten Staaten der EU faktisch schon den Wirtschaftskrieg erklärt, denn er benachteiligt "grüne" Technologie aus der EU zugunsten derjenigen von Produzenten in den USA.


Dass Nord Stream den USA schon immer ein Dorn im Auge war, ist auch kein Geheimnis. Dass die Sprengung der Pipeline im Interesse der USA ist, ebenfalls nicht. Die EU wird dadurch ökonomisch geschwächt und die Abhängigkeit von den USA vertieft. Der Blick auf das transatlantische Bündnis ist daher vonseiten der EU und auch Deutschlands verklärend, um nicht zu sagen: naiv. Die USA haben die transatlantische "Partnerschaft" längst einseitig aufgekündigt und in ein transatlantisches Verhältnis der Abhängigkeit Europas transformiert. Ziel der USA war und ist dabei die Schwächung des Konkurrenten EU als Wirtschaftsbündnis.


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Hinzu kommt, dass es innerhalb Europas bereits ein weiteres, erstarkendes Bündnis mit den USA gibt, das sich gegen die Interessen der EU als Ganzes richtet. Polen, die baltischen Staaten und die Ukraine setzten alles auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit den USA. Insbesondere Polen, aber auch die baltischen Staaten, scheren regelmäßig und keineswegs zufällig aus der von der EU-Kommissionspräsidentin vielbeschworenen Einigkeit der EU aus und preschen vor, insbesondere, was die Eskalation des Ukraine-Konflikts angeht. Aktuell setzt Polen Deutschland im Hinblick auf die Lieferung von Leopard-Panzern unter Druck. Auch von der polnischen Forderung nach Reparationsleistungen Deutschlands profitierten vor allem die USA, weil es den Zusammenhalt innerhalb der EU weiter schwächt.


Hintergrund ist, dass die USA an Einfluss in Osteuropa gewinnen und dafür die EU durch Spaltung schwächen wollen. Die Drei-Meeres-Initiative ist ein Staatenbündnis und umfasst neben Polen und den baltischen Staaten noch die Ukraine, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Österreich. Als Deutschland 2018 Mitglied werden wollte, wurde ihm eine Partnerschaft ohne Stimmrecht angeboten. Die Ukraine wurde 2022 dagegen unmittelbar – in einer Videokonferenz – aufgenommen. Die USA haben zur Finanzierung dieser Initiative beigetragen und sind dort ein wichtiger Partner. Mit der Initiative soll die Zusammenarbeit der Länder im Hinblick auf Politik, Infrastruktur, Sicherheit und im Energiebereich verbessert und gestärkt werden.


Geplant war von dieser Initiative schon während des Betriebs der noch intakten Stränge von Nord Stream 1 die künftige Diversifizierung der Gaslieferungen unter Umgehung von Russland und Deutschland. Zwar beteuern die beteiligten Länder, es handele sich nicht um eine Konkurrenz-Organisation zur EU, was allerdings wenig glaubhaft klingt. Denn warum es eines weiteren europäischen Staatenbündnisses unter Beteiligung der USA für eine intensivere Zusammenarbeit von überwiegend in der EU vereinten Ländern bedarf, ist schlicht nicht schlüssig erklärbar.


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So wird immer deutlicher, dass neben Deutschland die EU die große Verliererin des Ukraine-Konflikts werden wird.


Wirtschaftlich wird die Ukraine die EU vor große Herausforderungen stellen. Die von der EU gegeben Integrations-Versprechen gegenüber der Ukraine werden die EU ökonomisch massiv belasten. Gleichzeitig lässt sich die EU zum eigenen Nachteil immer weiter auch noch in einen völlig unnötigen Konflikt mit China einbinden. Dabei ist China für die EU ein bedeutender Markt, Rohstoff-Lieferant und Technologie-Partner. Gleichzeitig ist klar, dass die USA auch dabei die Absicht haben, die EU zu spalten. Diplomatisch unwillig und bestenfalls ungeschickt und ohne über ein Ausstiegsszenario zu verfügen, eskaliert die EU zudem den Ukraine-Konflikt immer weiter. Die EU-Granden glauben offenbar, sie könnten die Kosten am Ende Russland aufbürden, wobei das Ziel eines militärischen Sieges der Ukraine nicht realistisch ist. Die Kriegskosten werden von der EU und ihren Mitgliedsstaaten zu tragen sein.


Das bedingungslose Festhalten am transatlantischen Bündnis sowie die ebenfalls bedingungslose Unterstützung der Ukraine bei gleichzeitiger Ausblendung des schwelenden Konflikts mit den USA, die versuchen, die EU als Konkurrentin auszuschalten und zu schwächen – all das wird die EU zur großen Verliererin in diesem Konflikt machen. Sie wird geopolitisch marginalisiert, innerlich zerstritten und wirtschaftlich geschwächt aus dem Konflikt hervorgehen.


Mehr zum Thema – Niedergang der Ukraine – Die wahre Jahresbilanz des Wladimir Selenskij


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/159459-europaeische-union-verliererin-im-ukraine


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

15.01.2023

Studie der RAND Corporation entlarvt: Die USA haben keine Strategie zur Deeskalation

,meinungsfreiheit.rtde.life, vom 14 Jan. 2023 12:19 Uhr

In mehreren Szenarien spielt die RAND Corporation die möglichen Reaktionen auf eine militärische Antwort Russlands auf die Provokationen der NATO durch. Dabei wird deutlich: Die USA verfügen über keine Möglichkeit zur Deeskalation. Die Hoffnung auf Deeskalation richtet sich damit auf Russland.


Quelle: www.globallookpress.com © Alexander Welsch



Die Lieferung von Leopard-Panzern stellt eine Eskalation dar.(Bild)


Zitat: Die RAND Corporation ist ein US-amerikanischer Think-Tank, der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde. Seine Aufgabe ist die Beratung des US-Militärs. In einer aktuellen Studie widmet sich der Think-Tank dem Thema einer möglichen Eskalation des Krieges in der Ukraine. 

Die umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen für Kiew, mit denen man Russland für seine Intervention bestrafen will, hätten auch die Besorgnis geweckt, dass Russland Vergeltung üben könnte, stellt die RAND Corporation einleitend ihren Überlegungen voran.


Aus diesem Grund hat sich der Think-Tank der Frage gewidmet, wie die USA im Falle einer russischen Reaktion auf die Provokationen und Eskalationen der NATO reagieren sollten. Für den Fall eines russischen Schlages gegen die NATO werden politische Ziele für eine Reaktion formuliert.


Ex-Brigadegeneral Erich Vad: Deutsche Panzerlieferung ist eine militärische Eskalation





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RAND arbeitet mit vier Szenarien, die sich in ihren Auswirkungen unterscheiden. In den ersten beiden gibt es keine Opfer und die Schäden eines russischen Militärschlages sind begrenzt. In den beiden weiteren sind die Schäden umfassender und Russland macht deutlich, dass weitere Angriffe erfolgen werden, sollte die NATO die Ukraine weiter unterstützen.


Die Ziele, welche die Verfasser der Simulation formulieren, sind naheliegend. Zum einen müsse die Antwort Russland von weiteren Schlägen gegen die NATO abhalten, gleichzeitig müsse eine weitere Eskalation verhindert werden. Russlands Fähigkeit für weitere Angriffe müsse untergraben, dabei gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der USA als Schutzmacht erhalten bleiben. So weit, so gut.


Der letzte Punkt ist jedoch das größte Problem, wird dann im weiteren Verlauf der Studie klar. Zwar haben die Vereinigten Staaten das Ziel, eine Eskalation hin zu einer nuklearen Katastrophe zu vermeiden. Dem steht aber der Anspruch entgegen, die eigene Verlässlichkeit als Schutzmacht zu demonstrieren. Falls Russland seine Schläge gegen die NATO mit der Forderung nach einem Stopp weiterer Unterstützung verbindet, müssten die Verantwortlichen in Washington den Preis dafür gut abwägen, machen die Autoren deutlich. Bestehen die USA auf einer weiteren Unterstützung der Ukraine und einer Beibehaltung des eingeschlagenen Kurses, müsse Russland deutlich gemacht werden: Die USA werden an ihren Plänen zur weiteren Unterstützung der Ukraine auch dann festhalten, wenn Russland weitere militärische Antworten gegen NATO-Länder durchführt. Und das ist der Weg in den Atomkrieg.


CDU-Hardliner Kiesewetter fordert: "Russland muss verlieren lernen"




Meinung

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Wenn die USA jedoch deutlich machen, dass sie ihre Unterstützung für die Ukraine überdenken würden, müsse der Preis für Russland hoch ausfallen. Und zwar so hoch, dass deutlich wird, dass die USA weiterhin Sicherheitsgarant sind. Und gegenüber Russland, China und allen Opponenten der USA müsse deutlich werden, dass ein Erreichen von Zielen durch Waffengewalt mit enormen Kosten verbunden ist. Auch dies birgt letztlich das Potenzial für eine weitere Eskalation.


Das bedeutet, die USA verfügen aktuell über keine Strategie, mit der sie in einer für sie gesichtswahrenden Form im Falle einer russischen Antwort auf die Provokationen des westlichen Bündnisses reagieren könnten. Zentrales Problem dabei ist der Ansehensverlust und der damit verbundenen absehbare Abstieg als Hegemon, den ein Einlenken bedeuten würde.


Alle Hoffnung zur Vermeidung einer weiteren Eskalation muss daher in Russland gesetzt werden. Vermutlich stellt schon die russische Sprachregelung, nicht von einem Krieg, sondern von einer militärischen Sonderoperation zu sprechen, einen Schutz vor weiterer Eskalation dar. Russland befindet sich nicht im Krieg.


Es ist möglich, dass an dieser Sprachregelung die Sicherheit Europas vor einer Eskalation hin zu einem nuklearen Schlagabtausch hängt und sie weitsichtig gewählt wurde. Die Studie der RAND Corporation macht deutlich, dass die USA aktuell über keine Möglichkeit der Vermeidung einer weiteren Eskalation verfügen, sollte Russland die Handlungen der NATO als kriegerisch einstufen und entsprechend darauf antworten. 

Mehr zum Thema – General der US-Marines zur Ukraine: "Wir haben den Schauplatz vorbereitet"

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/159792-studie-rand-corporation-entlarvt-usa


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15.01.2023

Die Bundesregierung entsorgt die deutsche Geschichte, um mehr Krieg führen zu können„Russen raus“ als Staatsdoktrin

unsere-zeit.de, Categories Hintergrund |


Denkmal der Völkerfreundschaft geköpft. Mit großem Medienrummel ließ Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko im letzten Frühjahr Denkmäler abreißen und Straßen umbenennen. (Foto: Rasal Hague / CC BY-SA 3.0)


Zitat: Russenfeindlichkeit wird nur allzu oft in das Reich der Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin verwiesen. Dieser wolle damit den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine mit einem Rassismusvorwurf kontern. Das ist aufgrund der Tatsachenlage aber schlicht unhaltbar. Im Gegenteil. Als Versuch, das Thema generell abzuwehren, muss man von einer weiteren Argumentationsfigur der Russophobie selbst sprechen.


Zunächst fällt auf, dass im Umgang mit Russland keine allgemein anerkannten Maßstäbe mehr gelten. So wenig völkerrechtswidrige Angriffskriege von NATO-Staaten wie den USA oder der Türkei von der Bundesregierung verurteilt wurden, so wenig gab und gibt es etwa Überlegungen oder gar Entschließungen, US-Amerikaner als Reaktion auf die Politik der US-Regierung von internationalen Sportwettbewerben auszuschließen. Im Falle Israels wurden allgemeine Ausschlussmaßnahmen israelischer Künstler und Wissenschaftler als Reaktion auf die israelische Besatzungspolitik im Westjordanland zu Recht als rassistisch kritisiert. Genau dieses Vorgehen aber ist gegenüber russischen Sportlern hochoffizielle deutsche Politik. Das Ziel ist, ganz allgemein russische Sportler von allen internationalen Wettbewerben auszuschließen. In ihrem russenfeindlichen Wahn geht die Bundesregierung sogar dazu über, Sportverbände wie den Deutschen Schachbund (DSB) zu sanktionieren, die weiterhin an Wettbewerben teilnehmen, an denen sich auch russische Spieler beteiligen. Durch eine empfindliche Mittelkürzung für deutsche Schachspieler will man den Verband zwingen, sich nicht mehr an diesen Wettbewerben zu beteiligen, und dies, obwohl der DSB für den Ausschluss russischer Spieler gestimmt hat und sogar andere europäische Verbände zu bewegen versuchte, es ihm gleichzutun. Wie beim Wirtschaftskrieg gegen Russland schießt man sich dabei auch noch ins eigene Knie. Während die Sanktionen gegen russisches Gas und Öl im vergangenen Jahr Mehreinnahmen russischer Staatskonzerne förderten und gleichzeitig die Bevölkerung in Deutschland in ihrer sozialen Existenz bedrohen, so schädigen die Mittelkürzungen mit dem Ziel des „Russen raus“ im internationalen Sport die eigene sowieso nicht rosige Situation im Breiten- und Spitzensport.


Bilderstürmerei im Baltikum Bei Russland ist alles anders. Für Russen gelten andere Maßstäbe. Denn wie hätte die deutsche Öffentlichkeit reagiert, wenn deutsche Sportler etwa wegen der Beteiligung Deutschlands am NATO-Angriff auf Jugoslawien 1999 von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen worden wären? Es hätte einen Aufschrei gegeben. Die Russenfeindlichkeit zielt aber nicht nur auf den Sport. Immer deutlicher tritt hervor, dass man sich in der Europäischen Union explizit dem Kampf gegen die russische Kultur verschreibt. Russische Literatur wird im Baltikum aus den Buchhandlungen genommen, auf der Buchmesse in Vilnius im Februar 2023 werden keine russischsprachigen Bücher mehr vertreten sein. Der russischen Kultur wird der Krieg erklärt. Sie soll verschwinden. Bilderstürmerei gegen russische Dichter wie in der Ukraine, wo man auch die Denkmäler für Alexander Puschkin schleift, ist an der Tagesordnung. Aus dem Kampf gegen die russische Kultur droht der Kampf gegen die Russen in Estland, Lettland und Litauen zu werden und so geraten die russischsprachigen Minderheiten im Baltikum mehr und mehr ins Fadenkreuz der nationalistischen Regierungen.


Allein, es bleibt nicht nur bei der Zerstörung von Denkmälern, die an russische Künstler erinnern. Beschwiegen von der Bundesregierung, kaum kommentiert von Medien hierzulande, findet im Baltikum eine grundlegende Säuberung von Denkmälern statt, die an den Sieg der Roten Armee gegen den deutschen Faschismus erinnern. Mit dem Schleifen der sowjetischen Denkmäler soll die Erinnerung an die Geschichte ausgelöscht werden. Und aus diesem verordneten Schlaf der Vernunft drohen neue Ungeheuer aufzusteigen, die doch den alten so ähnlich sind.


Entsorgung der eigenen Geschichte Berlin ist das Zentrum dieses Versuchs, die Geschichte des antifaschistischen Befreiungskampfs vergessen zu machen – oder wenigstens antirussisch umzudeuten. Zwar wagen sich die Regierungen noch nicht an die sowjetischen Ehrenmäler heran, aber sie möchten genau bestimmen, was an diesen Orten zu tun und zu lassen ist und wie erinnert werden soll. So untersagte der Berliner Senat unmittelbar vor dem Jahrestag des Sieges über den Faschismus im vergangenen Jahr an einschlägigen historischen Orten das Zeigen von Symbolen, „die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen“. Dazu gehöre auch die „Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“. In Niedersachsen wurde die Sowjetfahne verboten, weil sie in aggressiver Weise „die Zugehörigkeit zur russischen Nation zur Schau“ stelle.


Weit wirkungsmächtiger aber ist der Versuch, die deutsche Geschichte zu entsorgen, indem sie antirussisch uminterpretiert wird. Wie zufällig entsteht dadurch dann die Legitimation für die Hetze gegen Russland. Dabei kommt der Angriff nicht, wie man erwarten könnte, von der Rechten. Gegen die Relativierer und Überträger von heute war der Historiker Ernst Nolte, der behauptete, die Vernichtungsmaschinerie des deutschen Faschismus sei nur eine Reaktion auf die Straflager Sowjetunion gewesen, ein Waisenknabe. Jürgen Trittin (Die Grünen) etwa behauptet, die russische Kriegsführung „ähnelt in vielen Orten dem Vernichtungskrieg von SS und Wehrmacht gegen die Sowjetunion“. Sein Parteikollege Ralf Fücks, Gründer des „Zentrum Liberale Moderne“ – besser Zentrum für Neuen Deutschen Militarismus – setzt noch eins drauf und twittert: „Russlands Vernichtungskrieg gegen die Ukraine wirft die ‚Responsibility to Protect‘ auf: die völkerrechtliche Verpflichtung, einen drohenden Genozid zu verhindern.“ Sprich: im Namen der Menschenrechte müsse Krieg gegen Russland geführt werden. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter tönt: „Das ist ein Vernichtungskrieg, wie Hitlerdeutschland ihn von 1941 bis 1944 auf sowjetischem und insbesondere auf ukrainischem Boden geführt hat.“ Russland müsse „verlieren lernen wie Deutschland 1945“.


Man kann es auf die einfache Formel bringen: Putin soll der neue Hitler sein. Damit werden der Faschismus und die Verbrechen des Dritten Reiches relativiert, die bislang schrankenloser Aufrüstung und Kriegsbeteiligung im Weg stehen. Zugleich wird die eigene genozidale Vergangenheit in eine russische Gegenwart transferiert und dabei historische Entlastung mit antirussischer Kriegspropaganda verbunden, die bewusst darauf setzt, auf gesicherte Fakten verzichten zu können.


Geschichtsklitterung im Bundestag Anfang Dezember 2022 übte sich der Deutsche Bundestag dann selbst in der Rolle des Geschichtsklitterers: Auf Antrag von Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU stufte das Parlament die Hungerkatastrophe in der Ukraine der 1930er Jahre als Völkermord ein. Diese Beurteilung teilen die meisten Historiker nicht, auch die deutsch-ukrainische Historikerkommission lehnte sie zuletzt im Herbst 2019 klar ab. Der instrumentelle Charakter der Resolution ist unverkennbar: Vorne wird über Stalin geklagt, hinten über Putin – allesamt Völkermörder eben. Der industrielle Massenmord an den europäischen Juden wird im Antragstext zum Teil einer „Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme“ und damit auf eine Weise relativiert, die in den vergangenen Jahrzehnten auf einer solchen staatlichen Ebene kaum denkbar war.


Wenn es gegen Russland geht, gibt es kaum noch Haltelinien. Es scheint um eine fast verzweifelte Suche zu gehen, um mit dem Völkermordvorwurf eine plausible Begründung für einen Kriegseintritt zu finden, der mit der Lieferung von Haubitzen, gepanzerten Fahrzeugen und der in Aussicht stehenden Bereitstellung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine immer näher rückt. Mit der Änderung des Strafrechtsparagraphen 130 wurde auch die Justiz für eine Praxis der Relativierung eingeschworen. Während auf der einen Seite der Vergleich der Covid-Maßnahmen mit dem Nationalsozialismus als Relativierung des Völkermords strafbewehrt ist, gilt dies selbstverständlich nicht für die zahlreichen Vergleiche und Gleichsetzungen mit Russland. Mehr noch droht allen, die dieses neue Geschichtsbild, das Züge einer antirussischen Staatsdoktrin trägt, die strafrechtliche Verfolgung wegen der öffentlichen Verharmlosung von Kriegsverbrechen und Völkermord.


Dazu passt, dass die Bundesregierung sich im vergangenen Jahr nicht wie sonst bei der von Russland eingebrachten UN-Resolution für die Bekämpfung und Verherrlichung des Nationalsozialismus, des Neonazismus und des Rassismus enthielt, sondern zum ersten Mal mit Nein votierte. Die Resolution, in der die Verherrlichung des deutschen Faschismus, das Schleifen sowjetischer Denkmäler wie die Besorgnis über rassistische Angriffe neonazistischer Gruppen thematisiert wird, wurde mit großer Mehrheit in der UN-Generalversammlung angenommen.


Bandera-Verehrer als Stichwortgeber Einen Säulenheiligen hat die antirussische Staatsdoktrin in Deutschland auch schon. Es ist der ehemalige ukrainische Botschafter und jetzige stellvertretende Außenminister seines Landes Andrij Melnyk. Der war im vergangenen Jahr nicht nur gern gesehener Talkshow-Gast und Stichwortgeber für die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen, sondern ist ein glühender Verehrer des Nazikollaborateurs und Antisemiten Stephan Bandera. Dieser ist mitverantwortlich für die Morde an tausenden Juden und Polen in der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs. Über Bandera schreibt das von Milliardären und teilweise öffentlicher Hand finanzierte Faktencheckerportal „correctiv“: „Die einen sehen ihn als Nationalsozialisten, in manchen Regionen wird er teilweise als Nationalheld gefeiert.“ Und muss dann doch einräumen: „Historiker bezeichnen ihn als Faschisten“ und die Organisation, an deren Spitze er stand, „half Deutschland bei der Ermordung von Jüdinnen und Juden in der Westukraine“. Zugleich musste der amtliche Faktenchecker zähneknirschend die Echtheit eines Selfies des Oberkommandeurs der Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnij, einräumen, der zu Jahresbeginn vor einem Porträt Banderas posierte. Selbst dieser weitere offensichtliche Tabubruch im Umgang mit dem Holocaust war der Bundesregierung kein Anlass auch nur zu leisester Kritik an Kiew. Der offensive Bezug zum Faschismus wird akzeptiert und steht der weiteren Lieferung von Waffen und immensen Finanzhilfen an die Ukraine nicht im Weg. Es bleibt bei der Maßgabe, den Faschismus nach Moskau zu verschieben. Russland soll der neue Hort des Bösen sein, auch um jedes Ansinnen für einen Verhandlungsfrieden diskreditieren zu können.


Wo Russland aber als neuer Hort der Finsternis gilt, sollen seine Bürger nicht ungeschoren davonkommen. Insbesondere die baltischen Staaten und Polen wollen die Einreise russischer „Touristen“ pauschal untersagen, weil von ihnen angeblich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Zudem sei es „unakzeptabel, dass Bürger des Aggressorstaates frei in die EU reisen können, während gleichzeitig in der Ukraine Menschen gefoltert und ermordet werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung dieser Länder. Deutschland beteiligt sich zwar nicht daran, aber auch der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, „touristischen“ Visa keine Priorität mehr einzuräumen. Wohlgemerkt: Auf Touristenvisa sind alle angewiesen, die Verwandte in der EU besuchen wollen, ebenso Akteure zivilgesellschaftlicher Organisationen, die weiterhin einen – offiziell doch gewünschten – persönlichen Austausch pflegen wollen. Damit verpflichtet sich die Bundesregierung in der Praxis dem „Russen raus“-Prinzip. Es ist höchste Zeit, für den Widerstand gegen die deutsche Kriegsbeteiligung in Form von Wirtschafts- und Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu mobilisieren. Widerstand gegen den Krieg bedeutet aber auch Widerstand gegen die antirussische Staatsdoktrin. Sie dient als Kriegsvorbereitung dazu, den Gegner zu dämonisieren, zu entmenschlichen, um in den Krieg ziehen zu können.


Sevim Dağdelen ist Mitglied des Deutschen Bundestages Categories Hintergrund Tags , ,


Info: https://www.unsere-zeit.de/russen-raus-als-staatsdoktrin-4775873


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

15.01.2023

Davos 2023: Fragmentierung der Welt

Global Research, 15. Januar 2023, Von Rick Thomas


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Der jährliche Davos Boys Club (er steht auch Mädchen offen, solange sie ihren Platz kennen) trifft sich vom 16. bis 20. Januar in den Schweizer Alpen. Die überreichen Technokraten werden darüber diskutieren, wie sie die fragmentierte Welt reparieren können, die sie zerstört haben. Die Promo für die Veranstaltung sagt alles, Sie müssen nicht nach einer versteckten Agenda suchen:


Die stellvertretende kanadische Kriminalministerin Chystia Freeland wird dort schnüffeln und zucken, als wäre sie

gerade in East Hastings aus dem Bus gefallen. Die üblichen Verdächtigen werden teilnehmen und sich im Glanz ihrer gegenseitigen Soziopathie sonnen. Hoffentlich werden sie etwas Ski fahren und vielleicht an der Grundschule vorbeifahren, um Zukunftsperspektiven zu finden. Epstein-Sichtungen werden vorhergesagt.

Das Treffen wird 2700 Mitglieder zusammenbringen, darunter 52 Staatsoberhäupter, 600 CEOs, 160 junge Globalisten und 125 Experten der weltweit führenden Universitäten, Forschungseinrichtungen und Denkfabriken. Aus den Vereinigten Staaten: Leute wie der FBI-Direktor Chris Wray, die CEOs von Amazon, BlackRock und Pfizer, Spitzenbeamte der Gates Foundation und des Soros-Netzwerks und der Herausgeber der New York Times, um nur einige zu nennen. Besondere Gäste sind:


  • John F. Kerry , Sondergesandter des Präsidenten für Klima der Vereinigten Staaten von Amerika
  • Avril Haines , US-Direktorin des Nationalen Geheimdienstes
  • Martin J. Walsh , Arbeitsminister der Vereinigten Staaten
  • Katherine Tai , Handelsvertreterin der Vereinigten Staaten
  • Chrystia Freeland , stellvertretende Premierministerin und Finanzministerin von Kanada
  • Christine Lagarde , Präsidentin der Europäischen Zentralbank


Der ukrainische Präsident Wolodomyr Zelensky wird auf der jährlichen Konferenz des Weltwirtschaftsforums im Januar 2023 sprechen und auf einem Podium mit Jens Stoltenberg , dem Generalsekretär der NATO, und Fareed Zakaria von CNN vertreten sein . Das Panel wird den Titel „Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden“ tragen, was orwellianisches Neusprech für „Wie können wir Russland balkanisieren, nachdem wir die Ukraine zerstört haben“ ist.

Auffallend abwesend wird es dieses Jahr keine russische Delegation geben.

In einem kürzlich erschienenen Globe and Mail  - Artikel beschwert sich WEF-Geschäftsführer Adrian Monck darüber, dass Trolle all die schöne Bosheit von Klaus Schwab zunichte machen, indem sie rechtsextreme Desinformationen und so weiter verbreiten. Er rattert über den Versuch zu beweisen, dass das WEF nette Kerle sind und niemals eine Übernahme der Welt planen oder Schmetterlingen die Flügel ausreißen würden: „Eine Pandemie wütete, und das Weltwirtschaftsforum startete  The Great Reset ,  um die Idee zu fördern  , bessere  Volkswirtschaften wieder aufzubauen könnten grüner und gerechter aus der Pandemie hervorgehen“, sagt er ohne zu blinzeln.

Er fährt mit der üblichen geskripteten Propaganda fort, dass Antisemiten, Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker, White-Supremacists, Neonazis und andere Nonkonformisten sich im Internet schlecht benehmen.


Warum können sie nicht einfach das Koolaid trinken und tun, was ihnen gesagt wird, wie alle anderen auch?

Er ist einfach erstaunt, dass eine Website behauptete, der Great Reset sei eine „Reaktion auf die vorgetäuschte Coronavirus-Krise“ und würde den „globalen Kommunismus“ einleiten, um sicherzustellen, dass „niemand in der Lage sein wird, etwas zu besitzen“. Wow, stell dir das vor.


Und doch schlägt das WEF selbst direkt aus dem Maul heraus vor, dass eine globalisierte Welt am besten von einer selbstgewählten Koalition aus multinationalen Unternehmen, Regierungen und Organisationen der Zivilgesellschaft verwaltet wird, was es durch Initiativen wie den  Great Reset  und das  Global Redesign zum Ausdruck bringt .


Zu den  Hauptthemen  für 2023 gehören:

  1. Energie- und Ernährungskrisen im Kontext eines neuen Systems für Energie, Klima und Natur [wie man die Plebs zur Unterwerfung aushungert]
  2. Hohe Inflation, geringes Wachstum, hohe Schuldenwirtschaft im Kontext eines neuen Systems für Investitionen, Handel und Infrastruktur [wie man die Plebs zur Unterwerfung in den Bankrott treibt]
  3. Branchengegenwind im Kontext eines neuen Systems zur Nutzung von Spitzentechnologien für Innovation und Widerstandsfähigkeit des Privatsektors [wie man die Borg gründet]
  4. Soziale Schwachstellen im Kontext eines neuen Systems für Arbeit, Qualifikation und Fürsorge [wie man die von ihnen verursachte Krise ausnutzt]
  5. Geopolitische Risiken im Kontext eines neuen Dialog- und Kooperationssystems in einer multipolaren Welt


Während des jährlichen Treffens explodiert die Einwohnerzahl von Davos auf weit über 100.000, einschließlich Teilnehmer, Medien, Sicherheits- und Hilfspersonal. Etwa 2.500 in dieser Welle sind WEF-Delegierte und der Rest besteht aus ihrem Gefolge und der Sicherheit, die für die Auftritte der Delegierten erforderlich sind, etwa 40 Mitarbeiter pro Delegiertem.


Ein offizielles Mitglied des WEF zu werden, ist gelinde gesagt teuer. Sie müssen entweder in der Menge der Milliardäre sein oder ein Weltführer sein, dessen Steuerzahler die Rechnung bezahlen.


Die Teilnahme kostet 19.000 US-Dollar pro Person.


Leider ist dies nur möglich, wenn Ihre Organisation auch WEF-Mitglied ist. Das kostet zwischen 60.000 und 600.000 US-Dollar pro Jahr, abhängig von Ihrem „Partner“-Status. Wenn man nachrechnet, kostet die Teilnahme mindestens 79.000 US-Dollar pro Delegierten zuzüglich der zusätzlichen Kosten für Flüge, Unterkunft und Verpflegung für ihre privaten Gefolgsleute.


Noch mehr rechnen: Schwab und das WEF kassieren mindestens 213.000.000 US-Dollar, und das wäre die konservativste Schätzung. Zweifellos erhält das WEF Kürzungen von allen Hotels und anderen Dienstleistungen, und daher wäre es nicht unangemessen, Einnahmen von mindestens einer Milliarde Dollar pro Jahr zu veranschlagen.


Glücklicherweise wird die Schweizer Armee mit ihren Schweizer Taschenmessern da sein, um all die fiesen Verschwörungstheoretiker davon abzuhalten, die Party zu ruinieren und den ganzen Spaß zu verderben. Die Schweizer Regierung  gab bekannt :


„Für den Einsatz der Armee in Form von Unterstützungsleistungen anlässlich des WEF vom 10. bis 26. Januar hat der Bundestag eine Obergrenze von 5.000 Militärangehörigen festgelegt … Mit bewaffneten Kampfflugzeugen im Dauereinsatz während der Konferenz , Boden-Luft-Verteidigung, zusätzliche Radargeräte, verstärkte Luftraumüberwachung und 24-Stunden-Luftpolizeidienst (gesamtschweizerisch).»


Obwohl sich das WEF jedes Jahr in Davos trifft, hat es seinen  Hauptsitz  in der winzigen Stadt Cologny außerhalb von Genf, 265 Meilen westlich.


Einer von Colognys Anspruch auf Berühmtheit ist, dass eine Gruppe romantischer Dichter und Schriftsteller 1816 dort den Sommer verbrachte: Lord Byron, John Polidori, Mary Shelley und Percy Bysshe Shelley. Aufgrund des schlechten Wetters verbrachten die Gäste Tage drinnen und erzählten sich gegenseitig Horrorgeschichten. Mary Shelleys  Frankenstein  und John Polidoris  The Vampyre waren das Ergebnis dieser Kaminsessions. Frankenstein ist die Geschichte eines verrückten Wissenschaftlers, der aus gebrauchten Körperteilen ein Monster erschafft, und The Vampyre ist die Geschichte eines blutsaugenden Aristokraten, der Jagd auf die Gesellschaft macht. Süss.


Trotz des Herunterspielens regelmäßiger Teilnehmer wie Bono, der schmunzelt, Davos sei eine Herde „fetter Kühe im Schnee“, ist die Realität, dass das WEF immer mehr zum Zentrum der globalen Entscheidungsfindung wird. Die Vereinten Nationen wurden nicht zu dem Forum, das die Eliten nutzen konnten, um ihr globales Unternehmensimperium aufzubauen, einfach weil es zu viel Bürokratie und Richtlinien innerhalb der Verfassung der Vereinten Nationen gibt, die nicht außer Kraft gesetzt werden können.

Zweitens sind die Vereinten Nationen auf dem Nationalstaatsmodell aufgebaut, was das WEF abschaffen will.


Das WEF  ist  schlicht und einfach die zukünftige Weltregierung. Schwab ist bereits sein erster Präsident und wohl der unbestätigte und inoffizielle CEO der Welt.

Alles, was als nächstes passieren muss, ist, dass die Welt durch ihre geplante Reihe von bevorstehenden Megakrisen die Eroberung aller Nationalstaaten durch das WEF anerkennt und sich seiner obersten Autorität unterwirft.

Die Pandemie war die erste Stufe zum Endspiel des WEF.

Die Weltgesundheitsorganisation hat 194 Nationen erfolgreich in einen globalen Staatsstreich verwickelt, ohne einen Schuss abzugeben.

Es gibt drei Dinge, die das WEF zerstören muss, um seine Macht zu festigen: nationale Souveränität, Bürgerrechte und den Glauben an unseren Schöpfer. Nur der erste kann zerstört werden.


Sie können Nationen auf der Weltbühne die Macht nehmen. Die Souveränität unterliegt seit Jahrzehnten einem allmählichen Abbau. Wie Premierminister Justin Trudeau sagte: „Kanada ist der erste postnationale Staat der Welt“, in Anspielung auf die Tatsache, dass sein Kabinett von WEF-Mitgliedern infiltriert ist.


[Hier ist eine vollständige Liste der gewählten kanadischen Beamten, die  WEF-Mitglieder sind .]

Bürgerrechte und Glaube sind unmöglich zu zerstören, und wie die Geschichte gezeigt hat, führt die Verletzung beider zu einer Zunahme. Bürgerrechte sind der äußere politische Ausdruck des inneren spirituellen Weges. Diejenigen, die sich auf einer spirituellen Reise befinden oder diejenigen, die ihre Freiheit schätzen, sind kühn empört, wenn Ungerechtigkeiten geschehen, insbesondere wenn das Recht der Menschen auf ihre grundlegende menschliche Existenz bedroht ist. Das Universum offenbart, dass das Gute mächtiger ist als das Böse. Für all das Böse, das unter der Sonne getan wird, ist das Gute, das sie hervorbringt, hundertmal größer.


Die Saat der Zerstörung wird in jedem totalitären Regime gesät, weil Tyrannei letztlich für alle Beteiligten selbstmörderisch ist. Wir können also standhaft bleiben und vertrauensvoll sagen: „Mach weiter, Schwab, mach weiter.“

*

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Rick Thomas ist Musiker, Aktivist und Autor von How to Defeat the New World Order . Für sozialen Aktivismus:  VictoryCanada.today und für alle Artikel:  Substack . 


Alle Bilder in diesem Artikel stammen vom Autor


Die ursprüngliche Quelle dieses Artikels ist Global Research

Urheberrecht © Rick Thomas , Global Research, 2023


Info: https://www.globalresearch.ca/davos-2023-fragmenting-world/5804639


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

14.01.2023

Ukraine
Warum Realpolitik im Ukraine-Krieg mich ins Abseits manövriert hat

„Wer sich zu weit vom Mainstream entfernt, der wird kaltgestellt“, schreibt der Politikwissenschaftler Johannes Varwick, der für Realpolitik im Ukraine-Krieg eintritt. Ein Gastbeitrag.


Ukraine: Ein Bürger von Kiew steht in seinem Haus, das bei einem Angriff schwer beschädigt wurde. Der Mann erlitt Verletzungen, seine Tochter wurde getötet.Renata Brito/AP  (Bild)


Die Redaktion der Berliner Zeitung steht für Debatte und Debattenkultur. Dies ist ein Gastbeitrag des Politikwissenschaftlers Johannes Varwick. Die Meinung des Autors muss nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.


Russlands Krieg gegen die Ukraine ist in Zielen und Mitteln ein Zivilisationsbruch, der die internationale Politik auf vielen Ebenen verändert hat und weiter verändern wird. Er ist nicht nur eines der strukturprägendsten Ereignisse der internationalen Sicherheitspolitik der vergangenen 30 Jahre, er ist auch eine Bewährungsprobe für alle, die im Feld der Sicherheitspolitik arbeiten – sei es in der Politik, der Administration, den Streitkräften oder der Wissenschaft.


Wer diese Bewährungsprobe bestanden hat, ist im öffentlichen Diskurs einstweilen entschieden: das Team Krieg, alt wie neu. Krieg und Kriegsgeschrei sind im wahrsten Wortsinne wieder salonfähig, das Maß an Solidarität mit der Ukraine wird vornehmlich in Waffenlieferungen gemessen, politische Lösungen oder Warnungen von unkalkulierbarer Eskalation stehen nicht hoch im Kurs, werden gar als wahlweise naiv oder gar putinesk diffamiert.


Der Friede ist das höchste Gut


Als „Sicherheitspolitiker“ habe ich Politikwissenschaft in den vergangenen 25 Jahren als politiknahe Wissenschaft verstanden, die sich systematische Gedanken zum Thema Krieg und Frieden macht. Zentrale Erkenntnisabsicht ist dabei die Förderung des Friedens. Die Frage, wie Kriege und großflächige bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden sind, gehört zu den zentralen politischen Fragestellungen. Jenseits der konsensfähigen Feststellung, dass Krieg – so die Terminologie der Charta der Vereinten Nationen – eine „Geißel der Menschheit“ ist, an deren Einhegung und Abschaffung mit Priorität gearbeitet werden muss, herrscht über den Erfolg versprechenden Weg dahin allerdings weniger Einvernehmen.


Ein Grad-Mehrfachraketenwerfer der ukrainischen Armee feuert Raketen auf russische Stellungen an der Frontlinie bei Soledar.LibkosAP  (Bild)


„Pax optima rerum“ – der Friede ist der Güter höchstes. Niemand wird wohl der Auffassung sein, Frieden sei kein hohes Gut. Allerdings lässt sich durchaus diskutieren, ob, wenn er zum höchsten aller Güter erklärt wird, der Frieden nicht sogleich gefährdet wird, weil die Natur der Herausforderungen nicht richtig erkannt wird. Aus diesem Grunde hatte ich in den vergangenen Jahrzehnten und lange vor dem Krieg gegen die Ukraine dafür plädiert, Deutschland solle mehr Verantwortung in der Sicherheitspolitik übernehmen, seine Streitkräfte besser ausstatten und es sich nicht ausschließlich bei den angenehmen politischen Themen bequem machen und die Greuel der Welt nur von der Seitenlinie kommentieren. Das war in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht immer populär, im ministeriellen Berlin fand ich damit aber durchaus Gehör. Beiratsmitgliedschaften im Auswärtigen Amt, Beratung des Verteidigungsministeriums, zahllose Vorträge in der Generalstabsausbildung, reger Austausch mit den Sicherheitspolitikern im Bundestag und den Parteien.


Wissenschaft und Politik leben in unterschiedlichen Welten


Seit meiner ersten Anstellung im Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Ende der 1990er-Jahre war dabei Politikberatung für mich Antrieb und Ratio zugleich. Dennoch war ich 2003 froh, nach ein paar Jahren in der dynamischen Berliner Thinktank-Landschaft wieder an eine Universität zu wechseln. Zugleich war mir immer klar: Wissenschaft und Politik leben in unterschiedlichen Welten, mit je eigener Logik und eigenen Erfolgskriterien. Wissenschaftlern wird seitens der praktischen Politik die Neigung zu realitätsfernen Utopien bei Problemstellungen zugeschrieben, in denen die politische Welt umsetzbare Handlungsempfehlungen nachgefragt. Die akademische Welt charakterisiert dagegen häufig Entwürfe und Entscheidungen von Politikern und Beamten als Flickschusterei, geboren aus politischer Kurzzeitopportunität und ohne Rücksicht auf die Langzeitwirkungen.

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Ein Anwohner läuft an einem brennenden Haus in Cherson vorbei, das nach ukrainischen Angaben bei russischem Beschuss getroffen wurde.Libkos/AP  (Bild)


Seit mehr als zehn Jahren erfahre ich dies als Inhaber des Lehrstuhls für internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg. Ein Lehrstuhl gibt die Freiheit, zu denken und auch zu tun, was und wie ich es wollte. Diese Unabhängigkeit habe ich dabei auch stets als Verpflichtung verstanden, nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen oder Mainstream-Positionen zu replizieren, sondern ohne Zwänge und Druck nachzudenken. Im Jahr 2022 habe ich gleichwohl mit diesem Ansatz meinen Zugang zur Politik in weiten Teilen verloren. Wer sich zu weit vom Mainstream entfernt, der wird kaltgestellt.


Soll die Ukraine unwiderruflich ins westliche Lager geholt werden?


Dabei gibt es im Diskurs zu diesem Krieg bei professionellen Beobachtern und hinter den Kulissen auch in der Politik eine ganze Reihe an sehr kontroversen Einschätzungen und niemand hat den Stein der Weisen gefunden oder ein Erklärungsmonopol. Es gibt irrige Argumente und auch Propaganda, natürlich – und die gilt es zu entlarven. Aber in einem demokratischen Diskursraum lassen sich richtige Lösungen eben selten im einförmigen politischen Reagenzglas destillieren. Demokratie braucht Konflikt, Demokratie braucht aber auch eine gemeinsame Basis und ein Mindestmaß an Ausgewogenheit und Respekt.


Bachmut: Ukrainische Soldaten sitzen in einer unterirdischen Kommandozentrale.Libkos/AP

Wenn etwa jenen, die sich erlauben, zu fragen, ob Waffenlieferungen an die Ukraine nicht eher Konfliktbeschleuniger sind, reflexhaft unterstellt wird, damit werde dem russischen Narrativ gefolgt, oder diese gar als „Putinfreunde“ diffamiert werden, dann wird eine rationale strategische Diskussion verunmöglicht. Denn natürlich kann es auch sein, dass mit Waffenlieferungen ein womöglich aussichtsloser Kampf der Ukraine nur verlängert oder blutiger wird. Und es ist ebenso denkbar, dass Russland aufgrund immer mehr westlicher Waffenlieferungen die Staaten, die dies tun, als Kriegspartei betrachtet und wir, ob gewollt oder nicht, am Ende doch in einem Krieg mit Russland landen.


Dass dieser am Ende auch nuklear eskalieren könnte, ist zumindest eine ernst zu nehmende Annahme, die nicht einfach damit vom Tisch gewischt werden kann, dass man sich aus Sorge oder gar Angst davor nicht wie das Kaninchen vor der Schlange verhalten dürfe und damit vollkommen erpressbar sei. Gleiches gilt für die Frage, ob es klug ist, der Ukraine nun eine schnelle Beitrittsperspektive zur Europäischen Union zu verschaffen und sie damit unwiderruflich ins westliche Lager zu holen.


Wer wird den Krieg verlieren?


Man mag mit jeweils guten Argumenten zu dem einen oder dem anderen Ergebnis kommen. Es gibt aber nicht nur ein Richtig oder ein Falsch. Und vor allem betreibt man nicht zwingend das Geschäft Russlands oder verrät die Ukraine, wenn man hier eine Minderheitenposition vertritt. Im Rückblick hat sich meine Erwartung bestätigt, dass die russische Regierung am längeren Hebel sitzt, d.h. über die Eskalationsdominanz verfügt und auch die politische Entschlossenheit (und Ruchlosigkeit) aufbringt, diese auszureizen. Zudem ist die Durchhaltefähigkeit der Russen hoch, vermutlich höher als die der Ukraine.


Angesichts des durchaus auch mich beeindruckenden Standhaltens der Ukraine gegen einen übermächtigen Gegner nehmen im Westen die Stimmen zu, die eine Niederlage Russlands zur Voraussetzung machen und als Ziel einer Verhandlungslösung propagieren. Manche sagen sogar, dass der Westen aufhören müsse, berechenbar zu sein, und er dürfte eine direkte Kriegsbeteiligung nicht länger ausschließen. Aber ist es vorstellbar, dass eine Nuklearmacht einen Krieg, den es aus seiner (irrigen) Sicht für seine vitalen Interessen führt und dafür einen hohen Preis zahlt, am Ende verliert?


Wir brauchen einen verantwortungsethischen Ansatz


Von der Antwort auf diese Frage hängt die weitere Strategie maßgeblich ab. Mit einem gesinnungsethischen Kompass ist eine vorbehaltlose Unterstützung der Ukraine mehr als berechtigt. Ob dies allerdings einer Verhandlungslösung dient, ist fraglich. Was wir vielmehr brauchen, ist ein verantwortungsethischer Ansatz, der weiter den Versuch eines Interessenausgleichs mit Russland wagt und nicht auf einen Sieg gegen Russland setzt. Wer zudem eine komplette Niederlage Russlands zum Ziel bzw. als Voraussetzung für eine Friedenslösung erklärt, der landet letztlich doch im Krieg mit Russland. Ich weigere mich, dies als Option zu durchdenken.


Ukraine: Nach Angriffen steigt Rauch über den Außenbezirken der Stadt Bachmut auf.Libkos/AP

Henry Kissingers kluge Analogie zum Ersten Weltkrieg formulierte den Gedanken, dass kein denkbarer Kompromiss die bereits erbrachten Opfer rechtfertigen konnte und daher die Führer zögerten, einen formellen Friedensprozess einzuleiten. Genau darum geht es: Nüchtern zu überlegen, wie eine Verhandlungslösung aussehen könnte und nicht ein „Kämpfen bis zum letzten Ukrainer“ mit Waffenlieferungen zu befeuern. Als Element einer Verhandlungslösung wird es vermutlich am Ende eine neutrale sowie territorial veränderte Ukraine geben. Das ist gewiss keine Ideallösung, setzt natürlich international ein schlechtes Beispiel und verlangt insbesondere der Ukraine schmerzliche Zugeständnisse ab. Allein: Jede andere durchsetzbare Option ist schlechter, weil sie entweder einen jahrelangen und verlustreichen Abnutzungskrieg oder aber eine militärische Eskalation mit Russland zur Folge hätte.


Die westliche Strategie zerstört die UkraineDie derzeitige westliche Strategie gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge – und sie zerstört (auch wenn permanent anderes behauptet wird) die Ukraine. Es gilt vielmehr, diesen Krieg zu Ende zu denken, nicht in eine unkalkulierbare Dauereskalation mit Russland zu kommen. Solidarität mit der Ukraine ist keine Frage von möglichst vielen und schweren Waffenlieferungen, sondern eine Frage des Grades der diplomatischen Initiativen, mit unpopulären, aber realistischen Gedanken diesen Krieg zu beenden. Ein solch nüchterner Blick ist keine Empathielosigkeit gegenüber dem Opfer einer Aggression. Sie ist vielmehr notwendiges Element strategischen Denkens.


Ein ukrainischer Militärflugplatz in Cherson nahe der Frontlinie. Libkos/AP  (Bild)


Wie kommt es eigentlich, dass denjenigen, die für (mehr) politische Initiativen zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine sind, unterstellt wird, sie seien nicht mit der Ukraine solidarisch? Dass man sich mit solcherlei Überlegungen derzeit ins sicherheitspolitische Abseits begibt, ist in gewisser Weise nachvollziehbar und folgt den Konjunkturen des politischen Geschäfts. Realpolitik ist selten populär. Allerdings ist es nicht die Aufgabe eines Experten, seine Empfehlungen vom Grad des Applauses des Publikums abhängig zu machen, sondern allein von unabhängiger innerer Überzeugung und nüchterner Abwägung aller Argumente.


Wer abhängig von der Politik ist oder wie die Mehrzahl der Berliner Thinktanks am direkten finanziellen Tropf des Auswärtigen Amtes oder des Verteidigungsministeriums hängt, der muss darauf achten, seine Finanziers nicht zu verprellen. Wer diesen Zwängen nicht unterliegt, dem wird freilich auf andere Weise signalisiert, dass Abweichlertum nur bis zu einem bestimmten Grad akzeptiert wird. Im sicherheitspolitischen Abseits darf man nicht mehr mitspielen.


Prof. Dr. Johannes Varwick lehrt internationale Politik an der Universität Halle-Wittenberg.


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Info: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gastbeitrag-politikwissenschaftler-johannes-varwick-warum-realpolitik-im-ukraine-krieg-mich-ins-abseits-manoevriert-hat-li.303282


unser Kommentar: "Und wir sollten bei allem Verständnis vorausgesetzt aufhören, Motive für neue Gewalt aus unseren Emotionen zu schöpfen!"  Thomas Bauer

14.01.2023

Fremde Federn   Stagnation, Klimaproteste, ChatGPT

makronom.de, vom 13. Dezember 2022In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.



Wie kann und soll es im Zeitalter der Stagnation weitergehen?piqer:

Achim Engelberg

Die Spielarten, die wir untersuchen, nennen wir »Wachstumsmodelle«,

sagt Lucio Baccaro, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln und einer der renommiertesten Politökonomen Europas.

Sie sind national unterschiedliche Antworten der Volkswirtschaften und Politik auf den Nachfragemangel. Die tiefere Ursache der Stagnation liegt nach unserer Auffassung im Niedergang des lohngetriebenen Wachstums.

Nichts Geringeres wird in diesem Gespräch verhandelt als die Zukunft des „demokratischen Kapitalismus“. So unterschiedliche Modelle es nach dem Zweiten Weltkrieg gab, verband sie ein Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit. Schon die Krisen in den 1970er schwächten diese Formen erheblich:

Die Löhne wurden von der unveränderlichen zur veränderlichen Größe. Die gesunkene Massennachfrage führt dann in die Stagnation.

Die genaue Ausführung unterschied sich in zentralen Ländern wie Deutschland und denen an den Rändern Europas. Die Variationen deutet Lucio Baccaro so an:

Eine, die sich etwa in Großbritannien und den USA entwickelte, ist eine Art »privatisierter Keynesianismus«. Das Wachstum beruht in den Ländern mit diesem Wachstumsmodell weiterhin auf der inländischen privaten Konsumnachfrage, die aber zunehmend durch Kredite finanziert wird. Der andere Fall sind exportgetriebene Wachstumsmodelle wie in Deutschland, die auf Auslandsnachfrage beruhen. Dann gab es Länder wie Irland oder Spanien vor der Eurokrise, die durch stark expandierende Häusermärkte wuchsen. In der Peripherie gibt es Länder, die ihr Wachstum der Einbindung in Wertschöpfungsketten oder Nischen in der Weltwirtschaft verdanken.

Das ist der ganz große makroökonomische, transnationale Rahmen, in dem das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung sein Gesamtgemälde aufhängt. Allerdings die Akteure, die in diesem Wimmelbild mit-, neben- und gegeneinander agieren, betrachten nicht die Totalität des Gesamtgeschehens.

Die fraglichen Leute orientieren sich an mikroökonomischen Anhaltspunkten. Im Zusammenwirken erzeugen ihre Handlungen aber makroökonomische Effekte, etwa durch Strategien der Kostensenkung.

Wie weiter, Herr Direktor? Was bedeutet das im Zwang zum Aufbau einer grünen, menschenfreundlichen Wirtschaft angesichts der Klimakatastrophe? Erleben wir nicht nur das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, sondern überhaupt das Ende dieser Produktionsweise dieses gesellschaftlichen Verhältnisses?

Ohne Bündnisse wird es nach der Expertise des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung einen ökologischen Umbau nicht geben und dabei zeigt sich,

dass die Bündnisse für grüne Wirtschaftszweige in Ländern mit höherem Industrieanteil, wie Deutschland und China, erfolgreicher waren als in den angelsächsischen Ländern, denen nach langer Deindustrialisierung die soziale Basis für ein solches Bündnis fehlt.

Das Forschungsteam verbindet die grünen Bündnisse mit der sozialen Frage. Denn ohne eine neue Aushandlung, die auch den Abbau der großen Ungleichheit beinhaltet, wird es nicht gehen:

Dazu müsste man den Bereich der privaten Dienstleistungen angehen. Dieser wächst, allerdings gibt es dort im Vergleich zum verarbeitenden Gewerbe und dem öffentlichen Dienst viel weniger Flächentarifverträge und der gewerkschaftlichen Organisationsgrad ist am geringsten. Hier sind Migranten und prekäre Arbeitsverhältnisse stark vertreten.

jacobin„Die Ursache der Stagnation ist der Niedergang des lohn­getriebenen Wachstums“Interview: Alban Werner



Welchen grundlegenden Fehler die „Klimakleber“ machen

piqer:
Ralph Diermann

„Listen to science“, fordern Letzte Generation und Extinction Rebellion allenthalben. Dabei wären sie gut beraten, dieses Prinzip auch für die Sozial- und Kommunikationswissenschaften gelten zu lassen, schreiben Charlotte Bez vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Jan Steckel vom Klimaforschungsinstitut MCC in einem Beitrag für den Blog des MCC (der auch auf der Wissenschaftsseite der SZ erschienen ist, allerdings hinter der Paywall). Der Text spricht einige Aspekte an, die in der Debatte um Sinn und Nutzen von Straßenblockaden und Kartoffelbreiwürfen bislang untergegangen sind.

Bez und Steckel argumentieren: Fridays for Future hat es geschafft, den Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda zu bringen, weil es der Bewegung gelungen ist, Akzeptanz in der Breite zu gewinnen – unter anderem, indem sie die soziale Dimension von Klimaschutz herausgehoben hat. Das war klug, weil die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt: Eine politisch-gesellschaftliche Transformation gelingt nur, wenn sie auch Fragen der ökonomischen Sicherheit und des Arbeitsmarktes adressiert.

Bei den Protestaktionen von Letzte Generation und Extinction Rebellion fehlt diese Dimension, so Bez und Steckel – pauschale Kapitalismuskritik sei da halt kein attraktives Angebot. Gerade die „Arbeiterklasse und ethnische Minderheiten“, so die Autor:innen, würden solche Protestformen ablehnen, weil sie sie als Ausdruck eines elitären Denkens wahrnehmen, wie die Forschung zeige. Zugleich würden Rechtsextremisten versuchen, Klimaschutz als Anliegen der Eliten zu brandmarken – und dabei ausnutzen, dass gerade für diese Gruppen ökonomische Sicherheit eine höhere Bedeutung hat als Klimastabilität. Damit droht der gesellschaftliche Konsens beim Klimaschutz zu erodieren.

Ergänzung vom 9. Dezember 2022: Autor Jan Steckel liefert hier Quellen für seine Ausführungen nach.

MCCKlimaprotest auf AbwegenAutoren: Jan Steckel & Charlotte Bez



Wichtige Stimmen fehlen bei der Klimapolitik-Beratung

piqer:
Daniela Becker

Die Bundesregierung unterhält eine Fülle von Beratungsgremien. Auch wenn ihre Gutachten häufig zunächst folgenlos bleiben und viele Vorschläge und Empfehlungen nur selten direkt in praktische Politik umgesetzt werden – die Analysen der Wissenschaftler:innen prägen durchaus politische Debatten, sowohl inner- wie außerhalb der jeweiligen Ministerien. Oft entscheidet bereits die Art der Fragestellung darüber, welche Probleme den politischen Diskurs bestimmen, welche Themen auf die politische Agenda kommen, und wo überhaupt nach Lösungen gesucht wird.

Deshalb, so Carel Mohn auf klimafakten.de, spiele es eine zentrale Rolle, wie die Beratungsgremien besetzt sind. Dies gilt insbesondere für den fachlichen Hintergrund der einzelnen Wissenschaftler:innen und ihre jeweilige Verankerung in den Denktraditionen und Analyserastern einzelner Disziplinen und Wissenschaftsfamilien.

So dürfte es auf der Hand liegen, dass es für verkehrspolitische Empfehlungen einen Unterschied macht, ob entsprechende Gremien nur mit Fachleuten für Güterverkehrslogistik oder KfZ-Technologie besetzt sind oder ob dort etwa auch Stadtplaner:innen und Experten für Atemwegserkrankungen am Tisch sitzen.

Das ist auch für erfolgreiche Klimapolitik relevant. Zwar herrscht breiter Konsens darüber, dass Kommunikation eine zentrale Rolle spielen muss, um in Politik und Gesellschaft die klaffende Lücke zwischen Wissen und Handeln zu überbrücken.

Doch die in Disziplinen wie Sozial- und Umweltpsychologie, Verhaltensökonomik, Kognitionsforschung oder Kommunikationswissenschaften erarbeiteten Erkenntnisse spielen in der praktischen Klimapolitik so gut wie keine Rolle, finden in der Gesetzgebung oder im staatlichen Handeln so gut wie keinen Niederschlag.

Könnte diese Lücke auch damit zu tun haben, wen die Politik um Rat fragt?

Mohn hat die Zusammensetzungen einiger Gremien analysiert und kommt zu dem Schluss, dass bei der Interdisziplinarität noch sehr viel Luft nach oben ist.

Klimafakten.de54:0 – Wenn manches Fachwissen in der Klimapolitik nicht mit am Tisch sitztAutorin: Carel Mohn



EU-Regelung zu Gig-Workern lässt auf sich warten

piqer:
Ole Wintermann

Wie geht es weiter mit dem Aufstellen europaweit gültiger Spielregeln für die Behandlung von Gig-Workern auf den nationalen Arbeitsmärkten und den sozialen Sicherungssystemen?

Der legislative Prozess auf europäischer Ebene ist derzeit sehr zerfahren, so die Analyse von POLITICO. Es gibt mehrere Konfliktlinien: Erstens gibt es bereits teilweise nationale Regelungen (Belgien) oder aber den expliziten Verzicht auf Regelungen (Frankreich). Zweitens wird über mögliche Ausnahmeregelungen diskutiert (Tschechien ). Drittens und hauptsächlich aber geht es um die Rolle und Bedeutung von 5 Kriterien bei der Festlegung einer Erwerbstätigkeit als „Beschäftigung“ oder „Selbstständigkeit“. Die 5 Kriterien sind: Kann die Person den geforderten Preis selbst bestimmen, Erscheinungsbild, Leistung, Organisation der Arbeit und schließlich die Möglichkeit, für Dritte arbeiten zu können. Der in den Ausschüssen diskutierte Vorschlag ging von mindestens 2 Kriterien aus, die erfüllt sein müssen, damit der Erwerbstätige als Gig-Worker definiert wird. Derzeit befindet sich der Vorschlag in der Debatte und es zeigt sich eine Zweiteilung des Lagers: Das politisch rechte Lager und Unternehmen wollen die damit bedingte Anwendung des Mindestlohns verhindern, das politisch linke Lager und die Gewerkschaften möchten eben das erreichen.

Im besten Fall kann die neue Regelung 2025 europaweit Anwendung finden.

politico How bike couriers became Brussels’ legislative nightmare Autor: Pieter Haeck



Jurassic Park-Moment der KI-Forschung – ChatGPT jetzt öffentlich

piqer:
Jörn Klare

Harald Staun schreibt hinter der Bezahlschranke der FAZ sehr fundiert über die Folgen der viel beachteten Veröffentlichung des Sprachverarbeitungsmodells ChatGPT.

Je origineller die Aufträge sind, die man eingibt, desto kreativer wirken die Ergebnisse: Eine Anleitung in der Sprache der Bibel, wie man ein Erdnussbuttersandwich aus einem Videorekorder entfernt, meisterte der Bot ebenso überzeugend wie eine Beschreibung der Erfahrung, Socken im Wäschetrockner zu verlieren, im Stil der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

So faszinierend solche Ergebnisse scheinen, erkennt nicht nur Staun in ChatGPT „eine gigantische und eloquente Autovervollständigungssoftware, die Wörter ergänzt, die nach seinem statistischen Modell der Sprache als Nächstes folgen“. So werden wie gehabt lediglich Muster reproduziert, womit das Sprachmodell nicht mehr oder weniger als Spiegel unserer Kultur inkl. aller Werturteile und Vorannahmen gesehen werden muss. Steven Piantadosi von der Universität Berkeley entwickelte mit ChatGPT ein Programm, das entscheiden soll, ob eine Person gefoltert werden sollte. Die Antwort: Ja, wenn sie aus Nordkorea, Syrien oder Iran kommt. Dabei verweisen verschiedene Untersuchungen des Bots auf eine politisch eher links-liberal geprägte Haltung.

Der amerikanische Psychologieprofessor und KI-Experte Gary Marcus nennt die Veröffentlichung von ChatGPT den „Jurassic Park“-Moment der KI-Forschung und meint damit die Verantwortungslosigkeit der Wissenschaftler, die so stolz auf ihre spektakulären Leistungen sind, dass sie deren Risiken vergessen.

Nicht zuletzt lassen sich mit der Software leicht und massenhaft Desinformationskampagnen und andere Falschinformationen produzieren. Dazu kommt, dass bereits für den Februar eine noch mal weitaus leistungsstärkere Version angekündigt wurde. Interessant finde ich vor allem die Schlüsse, die Staun aus diesen Umständen zieht.

Wenn ChatGPT demonstriert, mit welch durchschaubaren Schablonen ein Großteil dessen erschaffen wurde, was viele für Kultur halten, wie leicht sich also bald jene Durchschnittsware generieren lässt, die heute noch von Hand gemacht wird, um Fernseh- und Verlagsprogramme zu füllen, dann lässt es sich in Zukunft vielleicht genau daran erkennen: dass es nicht aussieht oder klingt wie aus der Retorte.

Lesenswert.

fazWas kann das Sprachmodell ChatGPT?Autor: Harald Stau



Wie die Vorbereitungen für die Intel-Fabrik in Magdeburg laufenpiqer:

Rico Grimm

Die Nachricht war im Frühjahr eine Sensation: Der US-Chiphersteller Intel baut in der Nähe von Magdeburg eine neue Halbleiterfabrik. 18 Milliarden Investitionsvolumen, großzügig gefördert von der EU-Kommission, mehrere Tausend Arbeitsplätze und Potenzial für eine ganze Zulieferindustrie. Für das an Weltkonzernen nicht gerade reiche Sachsen-Anhalt war das eine sehr wichtige Entscheidung.

Nur: Jetzt müssen auch die Vorbereitungen anlaufen – und da nimmt uns diese Folge des Deutschlandfunk-Hintergrunds mit. Magdeburg hat keine Halbleiter-Tradition, muss aber jetzt in wenigen Jahren die Fachkräfte ausbilden und unterbringen. Der fruchtbare Börde-Boden rund um die Stadt ist tendenziell schon seit Jahren zu trocken, die neue Fabrik braucht aber große Mengen Wasser; kein unlösbares Problem, muss aber eben angegangen werden. Und dann ist da noch die Sache mit der Gastfreundlichkeit: Denn eine große Firma wie Intel wird auch viele Angestellte mit nicht-deutschem Pass haben. Auch das ist eine für Magdeburg tendenziell neue Situation – die Ausländerbehörde ist schon jetzt durch die Geflüchteten aus der Ukraine überfordert.

Die Podcast-Folge ist für alle empfehlenswert, die einmal einen Blick hinter die Kulissen so einer großen Industrieansiedlung werfen wollen.

deutschlandfunkIn Magdeburg beginnt der große UmbruchAutor: Niklas Ottersbach



Politik der Content Moderation, oder: Zukunftsdesigner Elon Musk

piqer:
Magdalena Taube

Wie ein kleiner Junge, der gleich den ganzen Kaugummiautomat kaufen muss, nur um dann jedes einzelne Kaugummi vor den Augen seiner Kumpels genüsslich in den Gulli zu werfen. So beschrieb die Satire-Sendung extra3 das Gebaren Elon Musks seit der Twitter-Übernahme.

Zum Infantilismus-Verdacht (über den ich schon an anderer Stelle schrieb), gesellt sich nun jedoch auch dies: Der Typ, der wie kaum ein anderer superreicher Poser vorgibt, die Zukunft zu repräsentieren, steht im Verdacht, noch nicht einmal auf der Höhe seiner Zeit zu sein: Er twittert über die Moderation von Inhalten, als wäre es 2008, schreiben Adrian Kopps und Christian Katzenbach im HIIG Blog.

Und sie präzisieren: Seine Tweets und sonstigen öffentlichen Äußerungen zeigen, dass Elon Musk die Komplexität und Bedeutung der Inhaltsmoderation weder schätze noch vollständig verstehe.

Worum geht es also bei der Moderation von Inhalten – hierzulande oft auch „Content Moderation“ genannt?

Die Moderation von Inhalten sei ein zentrales Mittel, mit dem Plattformen die Macht über den öffentlichen Diskurs ausüben:

d. h. die Aufstellung und Durchsetzung von Regeln darüber, welche Art von Inhalten auf ihren Seiten erlaubt und verboten ist. Da sich die sozialen Netzwerke zu zentralen Kommunikationskanälen entwickelt haben und andere Formen der Regulierung häufig fehlen, fällt den selbstgeschriebenen Regeln der Plattformen eine entscheidende Bedeutung zu. Dies hat sich unter anderem in den Kontroversen um die Regulierung von Hassrede und Falschinformationen der letzten Jahre gezeigt, die auf die Rolle und Verantwortung von Plattformen für die Regulierung öffentlicher Kommunikationsdynamiken hinweisen.

Doch wie auch die Algorithmen, die die Plattform zusammenhalten, sind Regeln für die Content Moderation, selbst wenn sie nicht wie die Algorithmen in einer Black Box geheimgehalten werden, durch und durch opak.

Die Autoren erklären:

Genau zu definieren, wo die Twitter Regeln beginnen und enden, ist daher an sich schon eine schwierige Aufgabe, zumal Twitter damit begonnen hat, spezifische Richtlinien außerhalb der Twitter Regeln zu schaffen, wie z. B. eine “Richtlinie gegen irreführende Informationen in einer Krise” und eine Richtlinie zu COVID-bezogenen Falschinformationen.

Und:

Mit der Ausdifferenzierung der Twitter Regeln von einem kompakten Regelwerk zu einem verzweigten Netz von Richtlinien, wurde es für die Nutzer:innen daher immer schwieriger, sich in dem Regelwerk zurechtzufinden und zu verstehen, wann es sich geändert hat.

Sich in diesem Gewusel zurechtzufinden, wird angesichts der Übernahme durch Musk, der diese Zusammenhänge nicht versteht, aber alles nach Lust und Laune ändern will, nicht einfach sein.

Insofern ist der Appell der Autoren an „uns“ – kritische User*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen – wachsam zu bleiben, berechtigt.

Auch wenn sich Twitters Inhaltsrichtlinien bisher noch nicht geändert haben, kann dies jederzeit passieren. Es wird daher wichtig sein, zu verfolgen, wie sich Twitters Regelwerk im Zusammenhang mit Musks Übernahme entwickelt. Die Untersuchung dieser Änderungen aus einer historischen Perspektive wird zeigen, ob und falls ja, wie sich Musks Vorstellungen von freier Meinungsäußerung und öffentlichem Austausch sich in dem Regelwerk der Plattform niederschlagen. Jede Änderung wird von uns daher genau überwacht und demnächst in einem aktualisierten Datensatz des Platform Governance Archive veröffentlicht.

Abschließend geben die Autoren noch Folgendes zu denken:

Zwar sind die grundlegenden Richtlinien noch in Kraft, doch die Teams, die bei Twitter für die Verwaltung der Regeln und ihre Durchsetzung zuständig sind, wurden drastisch reduziert, wenn sie überhaupt noch existieren. Denjenigen, die im Unternehmen verbleiben, fehlt der Rückhalt der Führung. Diese Entwicklungen schüren Zweifel an dem Fortbestehen von Twitters ausgefeilten System von Richtlinien und ihrer Durchsetzung und wirft die Frage auf: Was sind all die Regeln wert, wenn es niemanden mehr gibt, der sie durchsetzt.

hiig Rückschlag für die Content Moderation? Wie sich Musks Übernahme auf Twitters Regelwerk auswirktAutor: Adrian Kopps & Christian Katzenbach


Info: https://makronom.de/stagnation-klimaproteste-chatgpt-43151?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=stagnation-klimaproteste-chatgpt

14.01.2023

WirtschaftsgeschichteVier historisch-ideologische Theorien zum Ursprung des Ukraine-Kriegs

makronom.de, vom 9. Januar 2023, Ein Beitrag von Branko Milanovic.Die Wurzeln des Krieges in der Ukraine sind historischer Natur und hängen unter anderem stark mit dem wirtschaftlichen Scheitern des kommunistischen Entwicklungsmodells zusammen. Wenn wir dies nicht erkennen, werden wir weder den gegenwärtigen noch die kommenden Konflikte verstehen können. Ein Beitrag von Branko Milanovic.


Bild: Max Kukurudziak via Unsplash


Die erste und am weitesten verbreitete Theorie sieht den Ukraine-Krieg als einen Krieg zwischen Demokratie und Autokratie. Sie basiert auf der Prämisse, dass Russland von einem Diktator und die Ukraine von einem vom Volk gewählten Präsidenten regiert wird.

Diese Sichtweise lässt jedoch eine Reihe von Fakten außer Acht, darunter die Tatsache, dass der Regierungswechsel in der Ukraine im Jahr 2004 das Ergebnis einer sozialen Revolte gegen unfaire Wahlen war, während der Wechsel 2014 ein Putsch gegen eine rechtmäßig gewählte Regierung war. Außerdem war die Ukraine vor dem Krieg und sogar vor 2014 die erfolgloseste aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Nicht nur war die Korruption extrem hoch, das Parlament weitgehend dysfunktional und waren verschiedene Oligarchen übermächtig, darunter auch derjenige, der Zelensky zur Macht verhalf. Auch ist die ökonomische Performance der Ukraine die wahrscheinlich schlechteste aller ehemaligen Sowjet-Republiken: 1990 lag das Pro-Kopf-BIP Russlands und der Ukraine auf ähnlichem Niveau, doch am Vorabend der russischen Invasion war das russische mehr als doppelt so hoch wie das ukrainische.


Die Behauptung, dass die Ukraine in gewisser Hinsicht für viele Russen eine Alternative zur russischen Autokratie ist oder war, wird durch die Fakten zur Bevölkerungsbewegung widerlegt: Es zogen mehr Ukrainer nach Russland und arbeiteten dort, weil die Löhne in Russland etwa dreimal so hoch waren wie zuhause.


Diese naive Theorie verkennt die Tatsache, dass alle Konflikte im postkommunistischen Raum in jenen ehemaligen Staaten stattfanden, die entlang der ethnisch begründeten Republikgrenzen aufgelöst wurden. Und dass es sich bei 11 von 12 dieser Konflikte um altmodische Territorial-Konflikte handelte – die nichts mit Demokratie oder Autokratie zu tun hatten. Die naive Theorie lässt auch die Tatsache außer Acht, dass die autokratischen Staaten sich nicht auf eine Seite geschlagen haben: Für jedes mit Russland verbündete Weißrussland gibt es ein ebenso autokratisches Aserbaidschan, das zur Ukraine hält.


Die naive Theorie ist in erster Linie wegen ihrer Einfachheit beliebt. Sie erfordert keinerlei Geschichtskenntnisse, weder über Russland noch über die Ukraine, sie erfordert keinerlei Kenntnisse über den Kommunismus, sie erfordert nicht einmal eine Vorstellung (oder gar Kenntnis) von den Gründen für den Zerfall der kommunistischen Föderationen. Es ist eine Theorie, die auf Unwissenheit beruht und von Unwissenheit getragen wird. Zudem liegt eine solche naive Theorie im Interesse der konfliktbereiten liberalen und rechten Kreise im Westen, die den gegenwärtigen Konflikt als Vorläufer eines viel größeren Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und China sehen. Dieser potenzielle Konflikt wird viel akzeptabler, wenn er als Wertekonflikt und nicht als Konflikt um die geopolitische Vormachtstellung gesehen wird.


Die zweite Erklärung des aktuellen Konflikts geht davon aus, dass der Krieg das Ergebnis des russischen Imperialismus ist. Dieser Theorie zufolge ist das Putin-Regime der Erbe des zaristischen Regimes, das versuchte, die Gebiete um Russland herum, von Rumänien (Moldawien) bis Polen, dem Baltikum und Finnland, zu unterwerfen und zu kontrollieren.


Diese Theorie wird weitgehend durch Putins eigene Äußerungen kurz vor dem Krieg gestützt, mit denen er versuchte, ihn zu rechtfertigen. Russland erlebte nach Putins Ansicht ein „Jahrhundert des Verrats“, in dem seine historischen Territorien (einschließlich der von Katharina der Großen eroberten Noworossija, die Putin heute offen verleugnet) von den Kommunisten verhökert wurden. Putin greift also zuerst Lenin an, weil er der Ukraine den Donbas schenkte, Stalin, weil er den östlichen Teil Polens an die Ukraine gab, und Chruschtschow, weil er die Krim von Russland an die Ukraine übertrug.


Die häufig von nationalistischen großrussischen Autoren vertretene These lautet, dass das kommunistische Regime eine antirussische „Verschwörung“ war, die die traditionellen historischen Gebiete Russlands nach links und rechts verteilte und sie anderen Nationalitäten überließ, um deren Gefühl der Kränkung durch den großrussischen Chauvinismus zu lindern.

Diese Theorie vereint auf interessante Weise diejenigen, die behaupten, der russische Imperialismus sei der russischen Psyche irgendwie angeboren, und Putins Propagandisten. Die Theorie hat einen gewissen Bezug zur Realität, aber das Problem ist, dass sie nicht auf den Ursprung der aktuellen Welle des russischen Nationalismus und Imperialismus eingeht. Sie mag den russischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts erklären, nicht aber den russischen Nationalismus von heute, dessen Wurzeln viel plausibler durch die Ereignisse seit 1917 erklärt werden können.


Nationalismus und Demokratie


Die dritte Sichtweise über die Ursprünge des Konflikts befasst sich mit den Wurzeln des gegenwärtigen Nationalismus. Sie geht von den historischen Ereignissen der Jahre 1989-1992 aus, die zum Sturz des Kommunismus führten. Dieser wurde nicht durch demokratische Revolutionen ausgelöst, wie in der populären Darstellung im Westen oft behauptet wird. In Wirklichkeit handelte es sich um Revolutionen der nationalen Befreiung von der indirekten Herrschaft der Sowjetunion.


Sie nahmen eine scheinbar demokratische Form an, weil sich 1989 viele Teile der Bevölkerung auf ein nationales Selbstbestimmungsrecht einigten. So verschmolzen Nationalismus und Demokratie, und waren nur schwer voneinander zu trennen. Dies war vor allem in ethnisch homogenen Ländern wie Polen oder Ungarn der Fall: Nationalismus und Demokratie waren ein und dasselbe, und es ist verständlich, dass sowohl die einheimischen Revolutionäre als auch die westlichen Beobachter es vorzogen, das Letztere zu betonen und das Erstere (den Nationalismus) herunterzuspielen.


Wir können die beiden nur unterscheiden, wenn wir uns ansehen, was in multiethnischen Föderationen geschah. Keine Theorie, die die Demokratie als das Leitmotiv der Revolutionen von 1989 ansieht, kann die Tatsache erklären, dass alle kommunistischen ethnischen Föderationen zerbrachen. Denn wenn die Demokratie das Hauptanliegen der Revolutionäre gewesen wäre, hätte es keinen Grund dafür gegeben, dass diese Föderationen zerfielen, sobald sie demokratisch wurden.


Darüber hinaus ergibt die Auflösung im Rahmen der allgemeinen liberalen Sichtweise, die Multikulturalismus zusätzlich zur Demokratie (oder sogar als Teil der Demokratie) als wünschenswert ansieht, überhaupt keinen Sinn. Wenn Demokratie und Multikulturalismus die treibenden Kräfte der Revolutionen von 1989 gewesen wären, dann hätten die kommunistischen Föderationen der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens überleben müssen. Dass dies nicht der Fall war, zeigt deutlich, dass die führenden Kräfte hinter der Revolution der Nationalismus und die Selbstbestimmung waren.


Wie bereits erwähnt, kann die Theorie des demokratischen Charakters der Revolutionen von 1989 nicht erklären, warum alle Konflikte und Kriege in den aufgelösten kommunistischen Föderationen stattgefunden haben und warum es sich bei 11 von 12, einschließlich des derzeitigen Krieges in der Ukraine, um ethnische Grenzkonflikte handelt. Solche Konflikte haben nichts mit der Art der inneren Ordnung oder der Regierungsform (Demokratie oder Autokratie) zu tun, sondern mit Gebietseroberung, Nationalismus und dem Wunsch von Minderheiten, die sich zufällig in den „falschen“ Staaten befinden, einen eigenen Staat zu haben oder sich einem Nachbarstaat anzuschließen. Diese elementaren Tatsachen werden in den Mainstream-Erzählungen fast nie erwähnt. Dafür gibt es einen guten Grund: Sie widersprechen dem vereinfachenden „demokratischen Narrativ“.


Die vierte Theorie hat ihren Ausgangspunkt bei der dritten, geht aber noch einen Schritt weiter. Sie stellt die entscheidende Frage, die von allen anderen Theorien ignoriert wird: Woher kam der Nationalismus, der zum Auseinanderbrechen der Föderationen führte?


Die Antwort muss in der konstitutionellen Struktur der kommunistischen Föderationen und in der Wirtschaft gesucht werden. Bekanntlich versuchten die Kommunisten nicht nur, die mit dem Kapitalismus verbundenen wirtschaftlichen Probleme zu lösen, sondern auch das ethnische Problem, das Osteuropa seit mehreren Jahrhunderten plagt. Sie folgten im Großen und Ganzen dem österreichisch-marxistischen Ansatz, der sich von der Befürwortung der persönlichen Autonomie zur Befürwortung der nationalen Selbstbestimmung entwickelte. Aus diesem Grund wurde die Sowjetunion als eine Föderation ethnisch begründeter Staaten gegründet. Die Sowjetunion hätte die ethnische Frage überwinden sollen, indem sie jeder Ethnie eine eigene Republik, ein Heimatland gegeben hätte.


Die Sowjetunion lieferte in dieser Hinsicht die Blaupause für einen zukünftigen globalen Bundesstaat, der ebenfalls aus Nationalstaaten bestehen würde, die zwei Funktionen erfüllten: die Gewährleistung der nationalen Sicherheit für ihre Mitglieder und eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung dank der Abschaffung des Kapitalismus. Der gleiche Ansatz wurde von zwei anderen ethnischen Föderationen verfolgt: der Tschechoslowakei und Jugoslawien. Dieser Ansatz machte auf dem Papier viel Sinn und hätte das ethnische Problem wahrscheinlich gelöst, wenn der Kommunismus sein Versprechen eines schnellen Wirtschaftswachstums eingelöst hätte.


Die Folgen des ökonomischen Versagens


Der Grund, warum es den kommunistischen Föderationen nicht gelang, das ethnische Problem zu lösen, wurde in den 1970er Jahren offenkundig. Der Hauptgrund lag in dem ökonomischen Versagen, den Rückstand gegenüber dem entwickelten Westen aufzuholen. Als dieses Versäumnis immer deutlicher wurde, bestand die einzige Legitimation, die die verschiedenen kommunistischen Parteieliten unter der Bedingung eines Einparteiensystems anstreben konnten, darin, sich selbst als Standartenträger der nationalen Interessen ihrer eigenen Republiken darzustellen.


In Abwesenheit von gegenseitigen Marktbeziehungen und bei willkürlicher Preisgestaltung konnte jede Republik behaupten, von den anderen ausgebeutet worden zu sein. Die Eliten machten sich dies zunutze, um zu Hause (in ihren Republiken) populärer zu werden und, da es keine Wahlen gab, eine gewisse Legitimität zu erlangen. Dabei half ihnen die Tatsache, dass die republikanischen politischen Strukturen innerhalb des Einparteienstaates als legitim angesehen wurden. Die republikanischen Eliten mussten also nicht außerhalb des bestehenden politischen Systems agieren (was sie der Repression ausgesetzt hätte), um sich den Mantel der Legitimität und der Unterstützung durch die Bevölkerung zu sichern. Hätte es diese republikanischen Strukturen nicht gegeben, sondern wären die multinationalen Staaten einfache Einheitsstaaten gewesen, dann hätten die lokalen kommunistischen Eliten weder die Mittel noch die politische Basis gehabt, um die anderen Eliten herauszufordern und sich als Verteidiger nationaler Interessen zu präsentieren. Auf diese Weise schufen sie jedoch auch die Grundlage für die Verbreitung und Akzeptanz nationalistischer Ideologien, die schließlich zur Spaltung der Länder führten.


Um den aktuellen Krieg besser zu verstehen, ist es daher wichtig, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Was wir heute beobachten, hat zwei Ursachen: erstens die erfolglose wirtschaftliche Entwicklung der ehemals kommunistischen Länder und zweitens die politische Struktur, die es den republikanischen Eliten ermöglichte, das wirtschaftliche Versagen zu vertuschen, indem sie die nationalistischen Interessen ihrer Wählerschaft verteidigten. Letzteres war sowohl eine einfache Lösung als auch durch die Art und Weise, wie das Regime organisiert war, möglich. Wer für die Rückkehr zum Kapitalismus plädierte, musste damit rechnen, entlassen zu werden oder im Gefängnis zu landen. Wenn man jedoch argumentierte, dass seine Republik ungleich behandelt wurde, konnte man die Leiter der Macht hinaufklettern.


Die Legitimation des nationalen Interesses als solches sorgte dann für die Legitimation nationalistischer Ideologien und letztlich für den Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit und für die Welle des Nationalismus, die die Revolutionen von 1989 motivierte und begleitete. Die treibende Kraft dieser Revolutionen war sowohl in ethnisch homogenen als auch in ethnisch heterogenen Ländern dieselbe: es war der Nationalismus. Doch der Nationalismus in der ersten Gruppe von Ländern ging mit der Demokratie einher, während der Nationalismus in der zweiten Gruppe von Ländern aufgrund ungelöster territorialer Fragen zu Kriegen führte. Russland hat nur langsam eine starke nationalistische Haltung eingenommen, und seine Reaktion kann als verspätet angesehen werden. Aber aufgrund seiner Größe, seiner Bevölkerungszahl und seines enormen Militärapparats stellt es eine viel größere Bedrohung für den Frieden dar, sobald der Nationalismus die Oberhand gewinnt. Denn natürlich ist ein sehr kleiner Staat mit der gleichen nationalistischen Ideologie eine viel geringere Bedrohung für den Weltfrieden als ein Staat mit 6.000 Atomraketen.


Wenn wir nicht sehen, dass die Wurzeln des gegenwärtigen Konflikts historischer Natur sind und in der anfänglichen Gründung der kommunistischen Föderationen und im wirtschaftlichen Scheitern des kommunistischen Entwicklungsmodells liegen, werden wir den gegenwärtigen Konflikt, alle ungelösten und möglicherweise auch die kommenden Konflikte kaum verstehen können.

 

Zum Autor:

Branko Milanovic ist Professor an der City University of New York und gilt als einer der weltweit renommiertesten Forscher auf dem Gebiet der Einkommensverteilung. Milanovic war lange Zeit leitender Ökonom in der Forschungsabteilung der Weltbank. Er ist Autor zahlreicher Bücher und von mehr als 40 Studien zum Thema Ungleichheit und Armut. Außerdem betreibt er den Blog Global Inequality, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.


Info: https://makronom.de/vier-historisch-ideologische-theorien-zum-ursprung-des-ukraine-kriegs-43181?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=vier-historisch-ideologische-theorien-zum-ursprung-des-ukraine-kriegs

14.01.2023

Was die EU in diesem Jahr erwartet

makronom.de, vom 11. Januar 2023, Manuel Müller

2023 könnte für die EU zu einem Neustart werden, der Vertiefung und Erweiterung des europäischen Projekts zugleich in Angriff nimmt – wenn die nationalen Regierungen an verschiedenen Stellen über ihren Schatten springen. Eine Vorschau von Manuel Müller.


Bild: Christian Lue via Unsplash


Erinnern Sie sich noch? Vor etwas mehr als einem Jahr kündigten sowohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch Ratspräsident Charles Michel ein Motto für das Jahr 2022 an. Für die Kommission sollte es das „Europäische Jahr der Jugend“ werden, für den Ratspräsidenten das „Jahr der europäischen Verteidigung“. Rückblickend scheint es, dass Michel dabei die bessere Prognose getroffen hat: Der russische Angriff auf die Ukraine rückte verteidigungspolitische Fragen auf schmerzhafte Weise in den Mittelpunkt der EU-Agenda.


Für 2023 hat die Kommission nun das „Europäische Jahr der Kompetenzen“ ausgerufen (womit vor allem Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gemeint sind), Ratspräsident Michel hat auf ein Jahresmotto verzichtet. Vielleicht ist es ja besser so.


Krieg in der Ukraine


Klar ist, dass der russische Krieg in der Ukraine die EU auch in den nächsten Monaten weiter beschäftigen wird, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Am offensichtlichsten ist dabei die Dimension der Militärhilfe und die Debatte über ein mögliches Ende des Krieges. Nach der anfänglich bemerkenswert geschlossenen Reaktion der EU auf den Kriegsausbruch kam es schon 2022 rasch zu internen Kontroversen: Während die „Falken“ (vor allem im Nordosten der EU) auf eine klare Niederlage Russlands in der Ukraine setzen, um das Putin-Regime von neuen Aggressionen abzuschrecken, sind die (meist westeuropäischen) „Tauben“ eher offen für ein rasches Kriegsende und ein Einfrieren des Konfliktes.


Je länger sich der Krieg hinzieht, desto stärker könnten diese innereuropäischen Gegensätze deutlich werden. Eine transnationale Strategiedebatte zu führen, wird 2023 deshalb wichtiger denn je – auch um zu verhindern, dass die Auseinandersetzung ins Toxische eskaliert. Angesichts des großen öffentlichen Interesses sind dabei nicht nur Expert:innen und Entscheidungsträger:innen gefordert, sondern vor allem auch die Massenmedien.


Energiekrise, Inflation, Rezession


Und natürlich wird die EU auch für die indirekten Folgen des Krieges weiter Antworten finden müssen: In der Energiekrise gelang es den Mitgliedstaaten kurz vor Weihnachten immerhin, sich auf ein gemeinsames Maßnahmenpaket zu einigen, das unter anderem den gemeinsamen Ankauf von Gas und einen Gaspreisdeckel vorsieht.


Doch die enorm gestiegenen Energiepreise lassen die EU schon jetzt auf eine gefährliche Kombination aus Inflation und Rezession zusteuern. Die Europäische Zentralbank steht damit vor dem Dilemma, entweder den Preiserhöhungen freien Lauf zu lassen – oder durch Zinserhöhungen die Inflation einzudämmen, aber auch die Wirtschaft noch weiter abzuwürgen.


Revision des mehrjährigen Finanzrahmens und der Defizitregeln


Vor diesem Hintergrund gewinnt auch die anstehende Halbzeitrevision des mehrjährigen Finanzrahmens der EU besondere Bedeutung. In der ersten Jahreshälfte 2023 will die Kommission dafür einen Vorschlag vorlegen. Schon jetzt hat das Europäische Parlament deutlich gemacht, dass es großen Überarbeitungsbedarf sieht: Weder Größe noch Struktur des jetzigen Finanzrahmens seien geeignet, um den vielen aktuellen Krisen entgegenzutreten. Außerdem will die Kommission im zweiten Halbjahr einen Vorschlag zu neuen Eigenmittelquellen vorlegen. Aber in beiden Fragen gilt im Rat (wie immer, wenn es in der EU um viel Geld geht) das Einstimmigkeitsprinzip. Und so werden wir auch diesmal wieder die Rituale einer Vetokratie mit ihren langen, zähen, unergiebigen Streitigkeiten erleben.


Und nicht nur über den EU-Haushalt, auch über die nationalen Haushalte und ihre Schulden wird die EU in den nächsten Monaten diskutieren. Im November hat die Kommission Vorschläge für eine Reform der Defizitregeln vorgelegt. Auf einen einfachen Nenner gebracht, ist die Idee dieser Reform, dass die Mitgliedstaaten mehr Spielräume zur Kreditaufnahme erhalten sollen – aber nur im Rahmen von individuellen, mit der Kommission abzuschließenden Vereinbarungen. Mehr schuldenpolitische Flexibilität, aber nur zu Zwecken, die auch die EU gutheißt: Statt eines starren Rahmens würden die Defizitregeln damit zu einem Instrument indirekter makroökonomischer Steuerung. Man darf gespannt sein, wieweit sich die Mitgliedstaaten darauf einlassen.


Debatten über Erweiterung …


Eine weitere Folge des Krieges in der Ukraine ist die wuchtige Rückkehr der EU-Erweiterungsdebatte. Nach dem kroatischen Beitritt 2013 hatte in der EU eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit eingesetzt, jahrelang wurden die Staaten des westlichen Balkans mit politischen Spielchen auf Armeslänge gehalten – zum wachsenden Frust der dortigen Bevölkerung.


2022 jedoch brachte die veränderte geopolitische Lage eine neue Dynamik: In der Ukraine hat der Krieg nicht nur zu einer Stärkung der nationalen, sondern auch der europäischen Identität geführt. Nur wenige Tage nach Kriegsausbruch stellte die Selenskyj-Regierung einen EU-Beitrittsantrag, den die EU im Sommer mit der Verleihung des Kandidatenstatus beantwortete. Auch die Republik Moldau, Georgien, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo machten in den letzten Monaten Fortschritte auf ihrem Weg in die Union.


Entsprechend groß sind nun die Erwartungen in den Kandidatenländern, und die EU wird es sich kaum leisten können, diese wieder so zu enttäuschen wie in den letzten Jahren. Wie ernst es ihr mit der erweiterungspolitischen Zeitenwende wirklich ist, werden aber erst die nächsten Monate und Jahre zeigen, wenn aus symbolträchtigen Erklärungen konkrete Verhandlungen werden.


… und Vertiefung


Das vielleicht größte Hindernis für künftige Beitritte liegt dabei allerdings gar nicht bei den Kandidatenländern, sondern der EU selbst. Deren innere Verfahren funktionieren schon mit 27 Mitgliedstaaten oft mehr schlecht als recht, wie die „Permakrise“ der letzten zehn Jahre gezeigt hat.

Ob es um die Eurorettung, um die Migrationskrise, die Corona-Pandemie oder die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten geht: Immer wieder handelte die EU zu spät oder zu schwach, ließ sich von einzelnen Mitgliedstaaten erpressen, musste verfassungsrechtliche Ausnahmeklauseln und Ad-hoc-Konstruktionen nutzen, traf wichtige Schlüsselentscheidungen ohne das gewählte Parlament und ließ es allgemein an klaren Verantwortlichkeiten vermissen.


All das würde sich nur noch weiter verschlimmern, wenn die Zahl der nationalen Vetoplayer von 27 auf 30 oder 35 steigt. Vor der Erweiterung muss also eine institutionelle Reform stehen, bei der es insbesondere um den Übergang von Einstimmigkeits- zu Mehrheitsentscheidungen gehen muss, aber auch um eine Stärkung der supranationalen Institutionen, klarere Kompetenzen und ein neues Wahlrecht.


Von der Zukunftskonferenz zum Konvent?


Und tatsächlich liegt ein solcher Reformkatalog ja bereits seit über einem halben Jahr vor: Am 9. Mai 2022 verabschiedete die EU-Zukunftskonferenz ihren Abschlussbericht, dessen Demokratie-Kapitel etliche weitreichende Vorschläge enthält, die nur durch eine Vertragsreform umzusetzen sein werden. Das Europäische Parlament forderte deshalb gleich nach der Konferenz die Einberufung des dafür notwendigen Konvents. Der Europäische Rat ging darauf jedoch erst einmal überhaupt nicht ein.


Der Grund dafür ist die fehlende Einigkeit unter den Regierungen, von denen mehrere die Idee einer Vertragsänderung sehr skeptisch sehen. Auch Schweden, das im ersten Halbjahr 2023 die Ratspräsidentschaft inne hat, zählt nicht zu den Konventsbefürwortern. In ihrem Präsidentschaftsprogramm hat die Regierung bereits angekündigt, dass sie beim Follow-up zur Zukunftskonferenz einen „breiten Konsens unter den Mitgliedstaaten“ anstrebt – was auf ein langsames Vorgehen hindeutet, das viel Rücksicht auf die Bremser nimmt.


Doch Reformbedarfe verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert, und so wird auch diese Debatte im neuen Jahr weitergehen. Voraussichtlich im Frühjahr will das Parlament einen detaillierten Vorschlag vorlegen, wie ein neuer EU-Vertrag aussehen könnte. Damit wird der Druck auf den Europäischen Rat steigen, sich dazu zu positionieren. Entscheiden die Staats- und Regierungschef:innen sich dann, einen Konvent zu eröffnen, so dürfte das eine Bündelung der Debatten erleichtern. Andernfalls werden der EU wohl weitere Monate oder Jahre zäher Verhandlungen über einzelne Reformdossiers bevorstehen.


Wahlrechtsreform: die nächste Blockade


Zu diesen Reformdossiers gehören auch die Überarbeitung des Europawahlrechts sowie des europäischen Parteienstatuts. Beide machten im vergangenen Jahr große Fortschritte und könnten im besten Fall 2023 zum Abschluss kommen. Im Falle der Wahlrechtsreform wäre das schon deshalb notwendig, weil nach den Empfehlungen des Europarats im letzten Jahr vor einer Wahl keine größeren Änderungen ihres Rechtsrahmens mehr durchgeführt werden sollen – und 2024 ja die nächste Europawahl ansteht.


Tatsächlich aber steht die Wahlrechtsreform derzeit kurz vor dem Scheitern, da mehrere Mitgliedstaaten die darin vorgesehenen gesamteuropäischen Wahllisten ablehnen. Dass das Parlament sich damit einfach abfindet, seinen in jahrelangem Ringen zwischen den Fraktionen erzielten Kompromiss fallen lässt und auf einen der wichtigsten Hebel für mehr europäische Demokratie verzichtet, ist allerdings kaum zu erwarten. Auch hier wird die Blockade im Rat also wohl nur dazu führen, dass sich eine überfällige Reformdebatte immer weiter hinzieht.


Kampf um den Rechtsstaat: Ungarn isoliert


Fortsetzen wird sich 2023 auch die Auseinandersetzung um die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine kam es zu einer Entzweiung zwischen der anti-russischen PiS/EKR-Regierung in Polen und der pro-russischen Fidesz-Regierung in Ungarn. Die Kommission versuchte sich das zunutze zu machen, um die Allianz zwischen den beiden Ländern auch in anderen Fragen aufzubrechen und die ungarische Regierung weiter zu isolieren.

Diese Strategie ging nur zum Teil auf: Im Rechtsstaatskonflikt stehen Polen und Ungarn grundsätzlich weiter Seite an Seite. Immerhin aber bewegte sich Polen zuletzt in einigen Punkten auf die Forderungen der EU zu. Was Ungarn betrifft, beschloss der Rat hingegen vor einigen Tagen, erstmals über den neuen Rechtsstaatsmechanismus Finanzmittel einzufrieren. Das neue Jahr wird zeigen, ob sich diese Maßnahme auch in der Praxis auf die Rechtsstaatslage in Ungarn auswirkt.


Parlamentswahlen in Polen, Spanien und anderen Ländern


Dass die polnische Regierung derzeit eher kein Interesse an einer Eskalation des Konflikts mit der EU hat, hat noch einen weiteren Grund: Im Herbst 2023 findet die nächste polnische Parlamentswahl statt – und den aktuellen Umfragen nach würde die PiS (EKR) dabei zwar erneut stärkste Partei werden, die von ihr geführte Regierung aber ihre Mehrheit verlieren. Es wird also ein spannender Wahlkampf, nach dem im besten Fall eine demokratische Koalition unter Führung der PO (EVP) die Rechtsregierung ablösen und den Rechtsstaat in Polen wiederherstellen könnte.


Polen ist allerdings nicht der einzige große Mitgliedstaat, in dem Ende 2023 gewählt wird: Auch in Spanien steht eine nationale Parlamentswahl an, bei der die aktuellen Umfragen einen sehr knappen Ausgang zwischen der regierenden Koalition aus PSOE (SPE) und UP (EL-nah) einerseits und einem möglichen Bündnis aus PP (EVP) und Vox (EKR) andererseits erwarten lassen. Gegebenenfalls könnte es hier (ähnlich wie 2019) zu einem Patt mit einer langen und schwierigen Regierungsbildung kommen. Für die EU wird das auch deshalb relevant, weil Spanien im zweiten Halbjahr 2023 die Ratspräsidentschaft innehat.


Weitere Parlamentswahlen stehen im Frühling in Estland, Finnland und Griechenland sowie im Herbst in Luxemburg an. Auch in Bulgarien könnte es eine vorgezogene Neuwahl geben – es wäre die fünfte in drei Jahren. Anfang Februar findet außerdem die Präsidentschaftswahl in Zypern statt, dem einzigen EU-Mitgliedstaat mit einem präsidialen Regierungssystem.


Bei den meisten dieser Wahlen haben die derzeitigen Regierungskoalitionen gute Chancen, ihre Mehrheit im Parlament zu halten. Knapp wird es in Finnland, wo Kokoomus (EVP) gute Aussichten hat, die SDP (SPE) als stärkste Partei abzulösen und die Regierungsführung zu übernehmen. Auch in Luxemburg und Bulgarien könnte die derzeit oppositionelle EVP wieder auf dem ersten Platz landen, dürfte sich jedoch bei der Suche nach Koalitionspartnern schwerer tun als in Finnland. Auf Zypern tritt Amtsinhaber Nikos Anastasiadis (DISY/EVP) nicht mehr an; als Favorit für seine Nachfolge gilt Nikos Christodoulidis, der ebenfalls DISY-Mitglied ist, bei der Wahl jedoch als Unabhängiger kandidiert. Läuft es gut für die EVP, könnte sie bis Ende 2023 also drei bis fünf zusätzliche Sitze im Europäischen Rat gewinnen.


Europawahl 2024: das nächste Spitzenkandidatenverfahren


Aber nicht nur in den Mitgliedstaaten stehen Wahlen an – auch die EU selbst beginnt sich allmählich warmzulaufen für die Europawahl im Frühsommer 2024. Neben der schon erwähnten Wahlrechtsreform wird dabei vor allem die nächste Ausgabe des Spitzenkandidatenverfahrens im Vordergrund stehen. Dieses Verfahren, nach dem die europäischen Parteien bereits vor der Wahl Kandidat:innen für die Kommissionspräsidentschaft ernennen, ist bei den Staats- und Regierungschef:innen bis heute wenig beliebt.


Doch da die Parteien für die Nominierung von Kandidat:innen nicht auf die Zustimmung des Rates angewiesen sind, werden sie sich von den Vorbehalten der Mitgliedstaaten nicht abhalten lassen. Folgen sie dem Zeitplan vergangener Wahlen, werden sie bis Ende 2023, spätestens Anfang 2024 ihre Kandidat:innen ernennen. Im besten Fall werden wir im Laufe des Jahres also eine zunehmende transnational-parteipolitische Auseinandersetzung und Personalisierung europapolitischer Debatten erleben. Im schlechteren droht hingegen eine Neuauflage der ewigen Debatte darüber, ob die Spitzenkandidat:innen am Ende für die Wahl der nächsten Kommissionspräsident:in überhaupt relevant sein werden.


Eppur si muove? (Und sie bewegt sich doch!" bzw. "Und sie dreht sich doch!")


Blockade oder Bewegung – das wird für die EU die große Frage im Jahr 2023 sein. Im Jahr 1 nach der Zukunftskonferenz und der viel beschworenen „Zeitenwende“ zeigt sich ein institutioneller Reformstau, in dem die Mitgliedstaaten in vielen Bereichen Fortschritte verhindern, die dringend notwendig wären, um die EU zugleich demokratischer und handlungsfähiger zu machen.


Vieles spricht dafür, dass dies auch in den nächsten Monaten so bleiben wird. Gelingt es den Regierungen jedoch, hier über ihren Schatten zu springen, so könnte 2023 der Anfang einer Relance werden, die Vertiefung und Erweiterung des europäischen Projekts zugleich in Angriff nimmt.

 

Zum Autor:

Manuel Müller ist Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Er betreibt das Blog „Der (europäische) Föderalist“, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist. Auf Twitter: @foederalist

Korrekturhinweis:

In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, dass die EVP bei der nationalen Parlamentswahl in Griechenland eine EL-geführte Regierung ablösen könnte. Tatsächlich regiert die EVP in Griechenland bereits seit 2019.


Info: https://makronom.de/was-die-eu-in-diesem-jahr-erwartet-43199?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=was-die-eu-in-diesem-jahr-erwartet

13.01.2023

Yuval Harari: Regierungen sollen Menschen auf die virtuelle Realität vorbereiten

    Der WEF-Berater Yuval Noah Harari hat erklärt, warum die Menschen in Zukunft für das Leben in der virtuellen Realität umgeschult werden müssten. Für das "Metaverse" brauche der Mensch völlig neue Fähigkeiten. Regierungen und Organisationen müssten dafür sorgen, dass die Menschen die Umschulungen mitmachten, von alleine würde der Mensch nicht lernen.


Quelle: www.globallookpress.com © Cfoto / Keystone Press Agenc


5. internationale Importmesse Chinas in Shanghai, 7. November 2022.


Bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF), das vom 16. – 20. Januar in Davos stattfindet, beraten Hunderte von Politikern, Wirtschaftsexperten und Lobbyisten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen über die weitere weltweite politische und wirtschaftliche Agenda. Erst zuletzt wurde die sonst verborgene Liste der Teilnehmer und Entscheidungsträger bei dem diesjährigen Treffen geleakt und veröffentlicht.


Der Transhumanismus als menschenverachtende neoliberale Religion





Analyse

Der Transhumanismus als menschenverachtende neoliberale Religion





Im Vorfeld des diesjährigen Gipfeltreffens äußerte der WEF-Berater und Wissenschaftler Yuval Noah Harari seine Auffassung bezüglich der Umschulung der Menschen für die virtuelle Realität. In der US-amerikanischen Sendung "Impact Theory" erklärte er Anfang Januar, warum den Menschen "von Organisationen und Regierungen" eine entsprechende Umschulung aufoktroyiert werden sollte.


Einen Ausschnitt des Interviews kommentierte die ehemalige Tagesschausprecherin Eva Herman am Mittwoch auf ihrem Telegramkanal.


In der Sendung spreche der Historiker und Philosoph Harari seine "dystopischen Fantasien" von einer zukünftigen Veränderung der Menschen ganz offen aus, so Herman. Um in der vorgesehenen virtuellen Realität zurechtzukommen, müssten laut Harari "Organisationen und Regierungen" einschreiten und für eine Umschulung der Menschen Verantwortung übernehmen. Das Umlernen könne man nicht den einzelnen Individuen überlassen.


Nach Hararis Vorstellung müssten die Menschen für ein Leben in der virtuellen Realität bisher Gelerntes vergessen und durch neue Fähigkeiten ersetzen. Konkret bedeute das, der Mensch müsse "loslassen", was er im Kindergarten und in der Schule gelernt habe. Sogar elementare Fähigkeiten, die man im Säuglingsalter erwerbe, wie Sehen und Laufen, müssten für das Leben in der virtuellen Realität, im sogenannten "Metaverse" umgeschult werden. Im "Metaverse" würden schließlich ganz andere Gesetze gelten, als in der physikalischen und biologischen Welt, wie wir sie bisher kannten.


EU schmeißt "Party" im Metaversum für fast 400.000 Euro – nicht einmal zehn Leute kommen



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Als Beispiel für die Wichtigkeit einer solchen Umschulung nannte Harari die zukünftige Arbeitswelt. Beispielsweise könne man für einen Job als Modedesigner im "Metaverse" zukünftig nur mit ganz neuen Sehfähigkeiten bestehen. Auf die Frage, ob Erwachsene dies von allein lernen könnten, antwortete Harari:

"Individuen lernen das nicht von alleine. Die Verantwortung für diese Veränderung kann nicht bei den Einzelnen liegen." 

Laut Harari brauche man für die Umschulung Unterstützung seitens der Regierungen und anderer Institutionen:

"Wahrscheinlich werden wir von Organisationen und Regierungen verlangen, dass sie einschreiten, um sicherzustellen, dass kein Mensch zurückgelassen wird."

Mehr zum ThemaDie Zukunft ist virtuell: Wie das US-Militär mit seinem eigenen "Metaverse" verschmilzt


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Info: https://test.rtde.tech/international/159755-yuval-harari-regierungen-sollen-menschen


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13.01.2023

General der US-Marines zur Ukraine: "Wir haben den Schauplatz vorbereitet"

meinungsfreiheit.rtde.life, 13 Jan. 2023 16:16 Uhr, Von Dagmar Henn

Stück für Stück, Bröckchen für Bröckchen wird die Wahrheit ausgesprochen – ganz so, als unterläge der Westen einem Geständniszwang. Jüngster Beitrag zur Klärung der Vorgeschichte des aktuellen Ukraine-Konflikts ist ein Interview mit einem Generalleutnant der US-Marines.


© Günter Rehorst / Bemalung der Figuren: Jochen und Luitpold Wening, CC BY-SA 3.0 , via Wiki


media Common


Sandkastenspiel mit Flachzinnfiguren eines Abschnittes der im Jahre 1757 geschlagenen Schlacht von Kunersdorf, heute Kunowice in der polnischen Woiwodschaft Lebus


Zitat: Die Financial Times selbst nennt es einen "ungewöhnlich offenen Vergleich zwischen dem Krieg in der Ukraine und einem möglichen Konflikt mit China", was der Generalleutnant James Bierman, Kommandeur der III Marine Expeditionary Force sowie der US-Marines in Japan, in seinem Interview sagte. Gleichzeitig ist ein Teil seiner Äußerungen jenes Puzzleteil, das noch fehlte, um die Vorbereitungen des Westens für einen Krieg in der Ukraine zu belegen.

"Wie haben wir den Grad des Erfolgs erreicht, den wir in der Ukraine erreicht haben? Einen großen Teil davon, weil wir nach der russischen Aggression 2014 und 2015 ernsthaft daran gingen, den künftigen Konflikt vorzubereiten: Ausbildung für die Ukrainer, Vorbereitung von Nachschublagern, die Identifizierung der Orte, von denen aus wir Nachschub sichern und Operationen aufrechterhalten könnten. Wir nennen das 'den Schauplatz vorbereiten'. Und wir bereiten den Schauplatz in Japan vor, auf den Philippinen, an anderen Orten."

"Schauplatz", auf Englisch "Theater", ist ein Euphemismus; in Deutsch müsste man ehrlicherweise "Kriegsschauplatz" sagen, das ist gewissermaßen die Großausgabe von Schlachtfeld. Was Bierman beschreibt, ist die unverblümte Kriegsvorbereitung, der nur noch der letzte Schritt fehlt – der Transport der Truppen an den Ort der Handlung.


Merkels Eingeständnis, dass Minsk nur eine Finte war, garantiert einen langwierigen Konflikt




Meinung

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Bezogen auf den möglichen künftigen "Schauplatz Taiwan" schreibt die Financial Times von der Lagerung von Waffen und anderem Nachschub an fünf weiteren Standorten auf den Philippinen; zusätzlich zu den fünf, die die USA dort bereits haben. Ähnliche Schritte werden rund um China unternommen.


Aufschlussreich ist dann seine Äußerung über den imaginierten Ablauf: "Man gewinnt einen Hebelpunkt, eine Operationsbasis, die einem in verschiedensten Einsatzplänen einen enormen Vorsprung verschafft. Während wir die Angriffsposition gegen den chinesischen Gegner einnehmen, dem die Startpistole gehört und der die Fähigkeit hat, möglicherweise die Feindseligkeiten einzuleiten ... können wir die entscheidenden Gebiete identifizieren, die gehalten, gesichert, verteidigt und genutzt werden müssen."


Wonach klingt das? Nach einer vorbereiteten Falle, in die man den Gegner, den man unterlegen glaubt, nur noch locken oder hineindrängen muss. Das ist eine Strategie, die auf der einen Seite militärische Vorbereitungen bis knapp unterhalb des eigenen offenen Angriffs trifft, und auf der anderen Seite die Politik nutzt, um eine Situation zu schaffen, die dem Gegenüber gar keine andere Option mehr lässt, als die gestellte Falle auszulösen.


Bierman setzt diese Arbeiten, mit denen er offenkundig gerade in Ostasien befasst ist, gleich mit dem Verhalten der USA in der Ukraine. Und er gesteht offen ein, dass spätestens seit 2015 die Ukraine auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet wurde.


Henry Kissinger, Merkel und ihre Enthüllungen! Putins Russland vor der Zerschlagung?





Meinung

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Das ist das bisher offenste Eingeständnis der wirklich Verantwortlichen für diesen Konflikt. Denn abgesehen davon, dass 2014/15 ein von der Kiewer Putschregierung – ohne Not übrigens – ausgelöster Bürgerkrieg begann, vor dem sich lediglich die Bevölkerung der Krim gerade noch durch die Wiedervereinigung mit Russland retten konnte, kamen damals auch diese in Kiew und im Westen ungeliebten Minsker Vereinbarungen zustande. Und auch wenn die Vereinigten Staaten, in deren Diensten Bierman steht, im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich auf keine Art und Weise an diesen Vereinbarungen selbst beteiligt waren, so wurden sie doch durch ihre Verabschiedung im UN-Sicherheitsrat zu gültigem Völkerrecht, an das sich auch die USA hätten gebunden fühlen müssen.


Selbstverständlich weiß in Wirklichkeit jeder, dass die USA wie der übrige Westen am Völkerrecht stets nur dann und nur soweit interessiert sind, wenn es ihrer Seite nützt. Aber bei der Betrachtung, wer welche Verantwortung für die ukrainische Entwicklung trägt, ist auch das Völkerrecht hier kein völlig irrelevanter Punkt.


Während also die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Ex-Präsident Francois Hollande offen eingestanden haben, dass sie die Minsker Vereinbarungen nur nützlich fanden, um der Ukraine Zeit für die Aufrüstung zu verschaffen, gesteht dieser US-General nun, dass die Ukraine von den USA als Kriegsschauplatz vorbereitet worden sei, einschließlich der Anlage von Munitions- und Versorgungslagern, der Planung von Nachschubwegen etc. Wohlgemerkt, das alles in einem fremden Land, mit dem noch nicht einmal irgendeine formelle Form eines Bündnisses besteht.


Das Völkerrecht als Buffet für den Westen: Merkel und Baerbock langen kräftig zu





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Der eine oder der andere Teil für sich genommen, also die Geständnisse von Merkel und Hollande auf der einen und die "Vorbereitung des Schauplatzes" auf der anderen Seite, würden noch keinen Akt der Aggression ergeben. Allerdings waren die Minsker Vereinbarungen ein tatsächlich durchführbarer Ablaufplan, um den ukrainischen Bürgerkrieg zu befrieden. Und wollte man eine ideale Friedensversion erdenken, so würde sie in den Kernpunkten wohl bis heute damit übereinstimmen. Denn das wären Maßnahmen, die der sich bedroht fühlenden und auch real bedrohten Gruppe, nämlich den Bewohnern des Donbass, die nötige Sicherheit geben würde, wie etwa eine Autonomieregelung und eine Amnestie im Austausch für ein Ende des bewaffneten Konflikts. Diese Vereinbarungen hätten, wären sie jemals umgesetzt worden, Donezk und Lugansk in der Ukraine gehalten und die Grundlagen dafür geschaffen, dass mit der Zeit ein normales, friedliches Zusammenleben in diesem Land wieder möglich geworden wäre.


Die Regierungen in Kiew bestanden aber all die Jahre auf der absoluten Unterwerfung der Bewohner des Donbass. Diese Forderung war nicht nur schon allein deswegen obsolet, weil sie bereits daran gescheitert waren, sie gewaltsam durchzusetzen; sondern es war zugleich eine Forderung, die jeder friedlichen Lösung im Weg stand und steht. Es wäre die politische Aufgabe gewesen – vorrangig, aber nicht allein nur der Garantiemächte Frankreich und Deutschland –, die Regierenden in Kiew auf eine realistischere und zugleich friedlichere Position zu drängen. Dies geschah von westlicher Seite nicht, und es wurde inzwischen offen eingestanden, dass es nicht einmal versucht wurde.


Bierman erklärt nun rundheraus, die USA hätten die Zeit "genutzt", um die Ukraine als Kriegsschauplatz vorzubereiten. Wäre die politische Haltung eine andere gewesen, hätte es also ein politisches Einwirken im Sinne der Minsker Vereinbarungen gegeben, so hätte auch das noch nicht notwendigerweise einen aggressiven Charakter. Aber wie soll man das Ganze deuten, wenn auf der einen Seite Friedensbereitschaft vorgetäuscht wird, aber die politisch aggressive Haltung der Kiewer Regierungen zugleich bestärkt wird, und auf der anderen Seite und insgeheim aktive Vorbereitungen auf einen Krieg stattfinden?


Minsk II als Finte oder ein Wandel der deutschen Russlandpolitik




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Es ist die Formulierung mit der Startpistole beim Gegner, die das Sahnehäubchen auf der ganzen Geschichte darstellt. Denn das Verhalten der westlichen Staaten bezogen auf Taiwan gleicht tatsächlich einer Wiederholung des Ablaufs in der Ukraine. Angesichts der Größenverhältnisse zwischen der Volksrepublik und der abtrünnigen Inselrepublik ist es noch etwas wahnhafter. Schließlich hat die Insel Taiwan zwei Millionen Einwohner, Festlandchina aber 1,4 Milliarden. Aktuell hat die Volksrepublik China ungefähr so viele Soldaten unter Waffen, wie Taiwan insgesamt Einwohner hat.


Die Rechtfertigung solcher materiell irrwitzigen Schachzüge liegt immer in den vermeintlichen "Werten". Dabei lässt sich schnell erkennen – selbst wenn man die Geschichte glauben will, die Ukraine respektive Taiwan seien Horte der Demokratie –, dass die vernünftige Position auch im Interesse dieser "Werte" darin bestünde, mit den unmittelbaren Nachbarn im Frieden zu leben. Oder mehr noch müsste man fragen: Welchen Sinn besitzt ein Paket von Werten, das anscheinend aus sich heraus zu beständiger Feindseligkeit nötigt und damit zumindest den Wert des Friedens (der für die meisten Weltanschauungen auf diesem Planeten an der Spitze aller Werte steht) nicht umfasst?


Dabei darf man nicht vergessen, dass spätestens seit dem Jahr 2014 nicht nur in der Ukraine, sondern auch im gesamten Westen das Feindbild Russland besonders intensiv gehegt und gepflegt, gegossen und gedüngt wurde, bis zum heutigen Tag, und dass sich halbstaatliche US-Organisationen ernsthaft mit Plänen zur Aufteilung Russlands befassen, die aus dem Aktenschrank im Amt Rosenberg der deutschen Nazis geklaut sein könnten.


Völkerrecht war ihr egal: Merkel wollte Krieg





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In jenen Jahrzehnten, in denen es in Westeuropa noch eine Friedensforschung gab, die diesen Namen verdient, wurde oft die Wichtigkeit des Abbaus von Feindbildern für einen dauerhaften Frieden betont. Jede ernsthaft betriebene Forschung historischer, psychologischer oder soziologischer Art kommt zu der Einsicht, dass die Kategorien, die umgekehrt für die gezielte Erzeugung von Feindbildern aufgebaut werden müssen, keinerlei reale Grundlage haben. Und dennoch ist man im heutigen Deutschland inzwischen wieder so tief gesunken zu behaupten, die Russen seien keine Europäer.


Das letzte Detail, das im Gesamtbild noch fehlt, sind all die Sanktionen im Bereich der Wirtschaft, aber auch politisch, diplomatisch, kulturell und im Sport. Die sind ebenso völkerrechtswidrig wie das Unterlaufen der von den UN legitimierten Minsker Vereinbarungen oder eine "Vorbereitung des Schauplatzes". Gleich drei massive Verstöße gegen das Völkerrecht; schlimmer noch, es sind Verstöße durch jene Parteien, die dieses Völkerrecht mit geschaffen hatten, auf das sie sich ständig berufen wollen.


In der historischen Bewertung wird es nicht die Frage sein, wer die "Startpistole" in der Hand hielt und irgendwann eventuell abfeuerte. Das ist in Bezug auf die Ukraine und Taiwan ebenso wenig entscheidend, wie es aus heutiger Sicht die Schüsse von Sarajewo am Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 waren. Entscheidend ist, wer den Schauplatz vorbereitet hat. Das ist es, woran man den wirklichen Kriegstreiber erkennt. Mit der Äußerung von Bierman ist das nun auch in der Financial Times als einem renommierten westlichen Medium belegt.


Mehr zum Thema - Sacharowa: Merkels Geständnis zu Minsker Abkommen kann Grundlage für Tribunal sein


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/159695-general-us-marines-zur-ukraine


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13.01.2023

Erich Vad: Was sind die Kriegsziele?

emma.de, vom 12. Januar 2023 von Annika Ross

Erich Vad ist Ex-Brigade-General. Von 2006 bis 2013 war er der militärpolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er gehört zu den raren Stimmen, die sich früh öffentlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen haben, ohne politische Strategie und diplomatische Bemühungen. Auch jetzt spricht er eine unbequeme Wahrheit aus.


Bundeskanzlerin Angela Merkel und Brigadegeneral Erich Vad 2010 im Kundus.(Bild)


Herr Vad, was sagen Sie zu der gerade von Kanzler Scholz verkündeten Lieferung der 40 Marder an die Ukraine?
Das ist eine militärische Eskalation, auch in der Wahrnehmung der Russen – auch wenn der über 40 Jahre alte Marder keine Wunderwaffe ist. Wir begeben uns auf eine Rutschbahn. Das könnte eine Eigendynamik entwickeln, die wir nicht mehr steuern können. Natürlich war und ist es richtig, die Ukraine zu unterstützen und natürlich ist Putins Überfall nicht völkerrechtskonform - aber nun müssen doch endlich die Folgen bedacht werden!


Und was könnten die Folgen sein?
Will man mit den Lieferungen der Panzer Verhandlungsbereitschaft erreichen? Will man damit den Donbass oder die Krim zurückerobern? Oder will man Russland gar ganz besiegen? Es gibt keine realistische End-State-Definition. Und ohne ein politisch strategisches Gesamtkonzept sind Waffenlieferungen Militarismus pur.


Was heißt das?
Wir haben eine militärisch operative Patt-Situation, die wir aber militärisch nicht lösen können. Das ist übrigens auch die Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley. Er hat  gesagt, dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien. Alles andere bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben.


General Milley löste mit seiner Aussage in Washington viel Ärger aus und wurde auch öffentlich stark kritisiert.
Er hat eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen. Eine Wahrheit, die in den deutschen Medien übrigens so gut wie gar nicht publiziert wurde. Das Interview mit Milley von CNN tauchte nirgendwo größer auf, dabei ist er der Generalstabschef unserer westlichen Führungsmacht. Was in der Ukraine betrieben wird, ist ein Abnutzungskrieg. Und zwar einer mit mittlerweile annähernd 200.000 gefallenen und verwundeten Soldaten auf beiden Seiten, mit 50.000 zivilen Toten und mit Millionen von Flüchtlingen. Milley hat damit eine Parallele zum Ersten Weltkrieg gezogen, die treffender nicht sein könnte. Im Ersten Weltkrieg hat allein die sogenannte ‚Blutmühle von Verdun‘, die als Abnutzungsschlacht konzipiert war, zum Tod von fast einer Million junger Franzosen und Deutscher geführt. Sie sind damals für nichts gefallen. Das Verweigern der Kriegsparteien von Verhandlungen hat also zu Millionen zusätzlicher Toter geführt. Diese Strategie hat damals militärisch nicht funktioniert – und wird das auch heute nicht tun.


Auch Sie sind für die Forderung nach Verhandlungen angegriffen worden.
Ja, ebenso der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, der wie ich davor gewarnt hat, die regionalbegrenzten Offensiven der Ukrainer in den Sommermonaten zu überschätzen. Militärische Fachleute - die wissen, was unter den Geheimdiensten läuft, wie es vor Ort aussieht und was Krieg wirklich bedeutet - werden weitestgehend aus dem Diskurs ausgeschlossen. Sie passen nicht zur medialen Meinungsbildung. Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung.


Sie werden von den Medien auf breiter Front angegriffen, von BILD bis FAZ und Spiegel, und damit auch die 500.000 Menschen, die den von Alice Schwarzer initiierten Offenen Brief an den Kanzler unterzeichnet haben.
So ist es. Zum Glück hat Alice Schwarzer ihr eigenes unabhängiges Medium, um diesen Diskurs überhaupt eröffnen zu können. In den Leitmedien hätte das wohl nicht funktioniert. Dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung schon länger und auch laut aktueller Umfrage gegen weitere Waffenlieferungen. Das alles wird jedoch nicht berichtet. Es gibt weitestgehend keinen fairen offenen Diskurs mehr zum Ukraine-Krieg, und das finde ich sehr verstörend. Das zeigt mir, wie recht Helmut Schmidt hatte. Er sagte in einem Gespräch mit Kanzlerin Merkel: Deutschland ist und bleibt eine gefährdete Nation.


Außenministerin Annalena Baerbock in Charkiw. - Xander Heinl/IMAGO



Wie beurteilen Sie die Politik der Außenministerin?
Militärische Operationen müssen immer an den Versuch gekoppelt werden, politische Lösungen herbeizuführen. Die Eindimensionalität der aktuellen Außenpolitik ist nur schwer zu ertragen. Sie ist sehr stark fokussiert auf Waffen. Die Hauptaufgabe der Außenpolitik aber ist und bleibt Diplomatie, Interessenausgleich, Verständigung und Konfliktbewältigung. Das fehlt mir hier. Ich bin ja froh, dass wir endlich mal eine Außenministerin in Deutschland haben, aber es reicht nicht, nur Kriegsrhetorik zu betreiben und mit Helm und Splitterschutzweste in Kiew oder im Donbass herumzulaufen. Das ist zu wenig.


Dabei ist Baerbock doch Mitglied der Grünen, der ehemaligen Friedenspartei.
Die Mutation der Grünen von einer pazifistischen zu einer Kriegspartei verstehe ich nicht. Ich selbst kenne keinen Grünen, der überhaupt auch nur den Militärdienst geleistet hätte. Anton Hofreiter ist für mich das beste Beispiel dieser Doppelmoral. Antje Vollmer hingegen, die ich zu den ‚ursprünglichen‘ Grünen zählen würde, nennt die Dinge beim Namen. Und dass eine einzige Partei so viel politischen Einfluss hat, dass sie uns in einen Krieg manövrieren kann, das ist schon sehr bedenklich.


Wenn Kanzler Scholz Sie von seiner Vorgängerin übernommen hätte und Sie noch der militärische Berater des Kanzlers wären, was hätten Sie ihm im Februar 2022 geraten?
Ich hätte ihm geraten, die Ukraine militärisch zu unterstützen, aber dosiert und besonnen, um Rutschbahneffekte in eine Kriegspartei zu vermeiden. Und ich hätte ihm geraten, auf unseren wichtigsten politischen Verbündeten, die USA, einzuwirken. Denn der Schlüssel für eine Lösung des Krieges liegt in Washington und Moskau. Mir hat der Kurs des Kanzlers in den letzten Monaten gefallen. Aber Grüne, FDP und die bürgerliche Opposition machen – flankiert von weitestgehend einstimmiger medialer Begleitmusik - dermaßen Druck, dass der Kanzler das kaum noch auffangen kann.

Und was, wenn auch der Leopard geliefert wird?
Dann stellt sich erneut die Frage, was mit den Lieferungen der Panzer überhaupt passieren soll. Um die Krim oder den Donbass zu übernehmen, reichen die Marder und Leoparden nicht aus. In der Ostkukraine, im Raum Bachmut, sind die Russen eindeutig auf dem Vormarsch. Sie werden wahrscheinlich den Donbass in Kürze vollständig erobert haben. Man muss sich nur allein die numerische Überlegenheit der Russen gegenüber der Ukraine vor Augen führen. Russland kann bis zu zwei Millionen Reservisten mobil machen. Da kann der Westen 100 Marder und 100 Leoparden hinschicken, sie ändern an der militärischen Gesamtlage nichts. Und die alles entscheidende Frage ist doch, wie man einen derartigen Konflikt mit einer kriegerischen Nuklearmacht - wohlbemerkt der stärksten Nuklearmacht der Welt! - durchstehen will, ohne in einen Dritten Weltkrieg zu gehen. Und genau das geht hier in Deutschland in die Köpfe der Politiker und der Journalisten nicht hinein!


Das Argument ist, Putin wolle nicht verhandeln und dass man ihn in seine Schranken weisen müsse, damit er in Europa nicht weiter wütet.
Es stimmt, dass man den Russen signalisieren muss: Bis hierher und nicht weiter! So ein Angriffskrieg darf nicht Schule machen. Deshalb ist es richtig, dass die Nato ihre militärische Präsenz im Osten erhöht und Deutschland hier mitmacht. Aber dass Putin nicht verhandeln will, ist unglaubwürdig. Beide, die Russen und Ukrainer waren am Anfang des Krieges Ende März, Anfang April 2022 zu einer Friedensvereinbarung bereit. Daraus ist dann nichts geworden. Es wurde schließlich auch während des Krieges das Getreideabkommen von den Russen und Ukrainern unter Einbeziehung der Vereinten Nationen fertig verhandelt.


Nun geht das Sterben weiter.
Man kann die Russen weiter abnutzen, was wiederum Hundertausende Tote bedeutet, aber auf beiden Seiten. Und es bedeutet die weitere Zerstörung der Ukraine. Was bleibt denn von diesem Land noch übrig? Es wird dem Erdboden gleichgemacht. Letztendlich ist das für die Ukraine auch keine Option mehr. Der Schlüssel für die Lösung des Konfliktes liegt nicht in Kiew, er liegt auch nicht in Berlin, Brüssel oder Paris, er liegt in Washington und Moskau. Es ist doch lächerlich zu sagen, die Ukraine müsse das entscheiden.


Mit dieser Deutung gilt man in Deutschland schnell als Verschwörungstheoretiker...
Ich bin selber überzeugter Transatlantiker. Ich sage Ihnen ehrlich, ich möchte im Zweifelsfall lieber unter einer amerikanischen Hegemonie als unter einer russischen oder chinesischen leben. Dieser Krieg war anfangs nur eine innenpolitische Auseinandersetzung der Ukraine. Die ging bereits 2014 los, zwischen den russischsprachigen ethnischen Gruppen und den Ukrainern selber. Es ist also ein Bürgerkrieg gewesen. Jetzt, nach dem Überfall Russlands, ist es ein zwischenstaatlicher Krieg zwischen Ukraine und Russland geworden. Es ist auch ein Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine und ihrer territorialen Integrität. Das ist alles richtig. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Es ist eben auch ein Stellvertreter-Krieg zwischen den USA und Russland, und da geht es um ganz konkrete geopolitische Interessen in der Schwarzmeerregion.


Die da wären?
Die Schwarzmeerregion ist für die Russen und ihre Schwarzmeerflotte so wichtig wie die Karibik oder die Region um Panama für die USA. So wichtig wie das südchinesische Meer und Taiwan für China. So wichtig wie die Schutzzone der Türkei, die sie völkerrechtswidrig gegenüber den Kurden etabliert haben. Vor diesem Hintergrund und aus strategischen Gründen können die Russen da auch nicht raus. Mal abgesehen davon, dass sich bei einer Volksabstimmung auf der Krim die Bevölkerung mit Sicherheit für Russland entscheiden würde.


Wie soll das also weitergehen?
Wenn die Russen durch massive westliche Intervention dazu gezwungen würden, sich aus der Schwarzmeerregion zurückzuziehen, dann würden sie, bevor sie von der Weltbühne abtreten, mit Sicherheit zu den Nuklearwaffen greifen. Ich finde den Glauben naiv, ein Atomschlag Russlands würde niemals passieren. Nach dem Motto, ‚Die bluffen doch nur‘.


Aber was könnte die Lösung sein?
Man sollte die Menschen in der Region, also im Donbass und auf der Krim, einfach fragen, zu wem sie gehören wollen. Man müsste die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen, mit bestimmten westlichen Garantien. Und die Russen brauchen so eine Sicherheitsgarantie eben auch. Also keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine. Seit dem Gipfel von Bukarest von 2008 ist klar, dass das die rote Linie der Russen ist.


Und was kann Deutschland Ihrer Meinung nach tun?
Wir müssen unsere militärische Unterstützung so dosieren, dass wir nicht in einen Dritten Weltkrieg gleiten. Keiner von denen, die 1914 mit großer Begeisterung in den Krieg gezogen sind, war hinterher noch der Meinung, dass das richtig war. Wenn das Ziel eine unabhängige Ukraine ist, muss man sich perspektivisch auch die Frage stellen, wie eine europäische Ordnung unter Einbeziehung Russlands aussehen soll. Russland wird ja nicht einfach von der Landkarte verschwinden. Wir müssen vermeiden, die Russen in die Arme der Chinesen zu treiben, und damit die multipolare Ordnung zu unseren Ungunsten zu verschieben. Wir brauchen Russland auch als Führungsmacht eines Vielvölkerstaates, um aufflammende Kämpfe und Kriege zu vermeiden. Und ehrlich gesagt sehe ich nicht, dass die Ukraine Mitglied der EU und erst recht nicht Mitglied der Nato wird. Wir haben in der Ukraine ebenso wie in Russland eine hohe Korruption und die Herrschaft von Oligarchen. Das, was wir in der Türkei – mit Recht – in puncto Rechtsstaatlichkeit anprangern, das Problem haben wir in der Ukraine auch.


Was meinen Sie, Herr Vad, was erwartet uns im Jahr 2023?
Es muss sich in Washington eine breitere Front für Frieden aufbauen. Und dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik, der muss endlich ein Ende finden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mittendrin im Dritten Weltkrieg.


Info: https://www.emma.de/artikel/erich-vad-was-sind-die-kriegsziele-340045

13.01.2023

Snowden benennt den "wahren Skandal" im Zusammenhang mit Biden-Dokumenten

meinungsfreiheit.rtde.life, 12 Jan. 2023 21:09 Uhr

Die Entdeckung geheimer Regierungsdokumente in einem alten Büro von US-Präsident Joe Biden sorgt derzeit in den USA für Furore. Laut dem Whistleblower Edward Snowden ist der wahre Skandal hier, dass die Nachricht darüber Tage vor den US-Zwischenwahlen unterdrückt wurde.


Quelle: AFP © Phillip Faraone



Archivfoto: Edward Snowden spricht zu Teilnehmern der WIRED25-Konferenz am 14. Oktober 2018 in San Francisco, Kalifornien.


Zitat: US-Präsident Joe Biden habe sich wahrscheinlich mit mehr geheimen Dokumenten davongemacht als viele Whistleblower, aber im Gegensatz zu ihnen werde er damit durchkommen, meinte der Whistleblower und ehemalige Mitarbeiter der US-Geheimdienste CIA und NSA Edward Snowden.


Auch Biden: Geheime Dokumente aus der Zeit als Vizepräsident in privatem Büro entdeckt





Auch Biden: Geheime Dokumente aus der Zeit als Vizepräsident in privatem Büro entdeckt





In einer Reihe von Tweets kommentierte der Whistleblower die jüngste Kontroverse um sensible Unterlagen aus der Ära des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, die von Bidens Anwälten in seinem Büro als damaliger Vizepräsident entdeckt wurden. Das Weiße Haus hat den Vorfall eingeräumt, und das US-Justizministerium untersucht derzeit die Angelegenheit. Snowden äußerte sich zum Thema am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: 

"Es ist bemerkenswert, dass sich der Präsident mit mehr geheimen Dokumenten davongemacht zu haben scheint als viele Whistleblower."

Snowden verglich die Situation mit dem Fall von Reality Winner, die "für nur ein Dokument zu fünf Jahren verurteilt wurde". Die ehemalige Übersetzerin beim US-Auslandsgeheimdienst NSA war 2018 verurteilt worden, da sie einen Bericht über eine angebliche russische Einmischung in die US-Wahlen 2016 geleakt hatte. Snowden fügte hinzu: "Währenddessen haben Biden, Trump, Clinton, Petraeus ... diese Leute Dutzende, Hunderte [von Unterlagen]. Kein Gefängnis." Der Whistleblower fuhr fort: 

"Der eigentliche Skandal ist nicht, dass Biden geheime Dokumente aus seinen Socken hervorgeholt hat, denn das haben sie leider alle getan. Der Skandal ist, dass das Justizministerium eine Woche vor den Zwischenwahlen davon erfuhr und sich entschloss, die Geschichte zu unterdrücken, um sich einen parteipolitischen Vorteil zu verschaffen."

Snowden ist weltweit bekannt geworden, weil er geheime Unterlagen veröffentlicht hatte, die die Überwachungsmaßnahmen Washingtons gegen die US-amerikanische Zivilbevölkerung offenlegten.


Joe Biden "trumped again": An einem zweiten Fundort wurden weitere Regierungsdokumente entdeckt





Joe Biden "trumped again": An einem zweiten Fundort wurden weitere Regierungsdokumente entdeckt





Der erste Bericht über Bidens Dokumente war am Montag im US-Sender CBS News gekommen, in dem geschildert worden war, dass die persönlichen Anwälte des Präsidenten geheime Unterlagen aus Bidens Zeit als US-Vize am 2. November in seinen privaten Büroräumen im Penn Biden Center in der Hauptstadt Washington gefunden und den Behörden gemeldet hätten. Das war kurz vor den wichtigen Zwischenwahlen am 8. November gewesen.


Am Mittwoch, nur zwei Tage später, berichtete NBC News dann unter Berufung auf Informanten, dass Biden-Mitarbeiter mindestens einen weiteren Stapel von Dokumenten mit Verschlusssachenmarkierungen an einem anderen Ort entdeckt hätten.


Die Enthüllungen brachten die Republikaner in Rage. Einige zogen Parallelen zu der FBI-Razzia in der Residenz des ehemaligen Präsidenten Donald Trump auf der Suche nach geheimem Material. Die Behörde beschlagnahmte Berichten zufolge rund 300 sensible Unterlagen aus dem Anwesen des Ex-Präsidenten.


Das Weiße Haus betonte jedoch, dass es sich um zwei unterschiedliche Fälle handele. Im Gegensatz zu Trump sei Biden weder darüber informiert gewesen, dass er im Besitz der Dokumente sei, noch sei er aufgefordert worden, sie zurückzugeben. Vielmehr habe er die Entdeckung rasch dem Nationalarchiv mitgeteilt und die Papiere ausgehändigt.


Mehr zum Thema - Trump: FBI-Razzia war ein Komplott zur Instrumentalisierung der Bevölkerung

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/159692-snowden-benennt-wahren-skandal-im


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13.01.2023

„Epochenbruch! Zeitenwende! Was für geniale Formulierungen. Hinterhältige Begriffe.“

nachdenkseiten.de, vom 12. Januar 2023 um 10:30 Ein Artikel von: Albrecht Müller

Mit diesem erneuten Hinweis auf die Bedeutung der Begriffe „Zeitenwende“ und „Epochenbruch“ will ich Sie nicht langweilen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, worin die Genialität dieser Formulierungen des deutschen Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022 liegt. Arno Luik hat das in einem Beitrag, auf den wir in den heutigen Hinweisen Die wahre Humanität heißt: Krieg schon verwiesen haben, erläutert. Ich zitiere aus diesem Text: „Epochenbruch! Zeitenwende! Was für geniale Formulierungen. Hinterhältige Begriffe. Klügste Wortprägungen der Regierenden, denn damit ist jede Verantwortung für den Gang der Dinge, das politische Tun der unergründlichen, nicht hinterfragbaren Macht des Schicksals zugeteilt. Man kann nicht anders.“


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Der Kern: Jede Verantwortung für den Gang der Dinge wird mit der Nutzung dieser Begriffe weggeschoben. Die Macht des Schicksals zwingt uns zum Krieg, zu Waffenlieferungen, zu politischen Entscheidungen und Handlungen, die wir bisher abgelehnt haben. Das Schicksal hat die Partei des Bundeskanzlers gezwungen, ihre bisher wichtigste politische Tat, die Entspannungs- und Verständigungspolitik, auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Dieser Eindruck wird erweckt.


Gestern Abend oder heute früh habe ich im Deutschlandfunk gehört, dass Bundeskanzler Scholz in einer neuen Rede noch einmal auf diese Begriffe zurückkommen will. Das ist verständlich, denn die große Mehrheit der Zeitgenossen merkt nicht, was gespielt wird, und spielt das Spiel des Verschiebens der Verantwortung der handelnden Politiker mit.


Typisch dafür ist eine Äußerung des Historikers Heinrich August Winkler, die hier von der Frankfurter Rundschau wiedergegeben wird:

Kanzler Scholz liefert mit „Zeitenwende“ Wort des Jahres 2022

Erstellt: 09.12.2022Aktualisiert: 09.12.2022, 21:38 Uhr

Von: Michael Hesse

Das Wort des Jahres 2022 steht fest: Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte den Begriff „Zeitenwende“ aus einer Scholz-Rede.

Wiesbaden – Der Historiker Heinrich August Winkler hielt die Bundestagsdebatte vom 27. Februar für die vielleicht bedeutendste, „die ich bis dahin verfolgt habe“. Und er hatte fast alle seit Gründung der Bundesrepublik verfolgt. Olaf Scholz (SPD) trat nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine vor den Bundestag und sprach von einer „Zeitenwende“.

Bundeskanzler Scholz kam beim Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft am 12. Dezember 2002 selbst noch einmal auf das Thema zu sprechen.

Wer den genialen Trick dieser Formulierungen nicht durchschaut, fällt darauf herein. Deshalb der wiederholte Hinweis – verbunden mit dem Dank an Arno Luik für die Anleitung zum Blick hinter die Kulissen.


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13.01.2023

„Ein Trauerspiel“ – Sondersitzung des Energieausschusses offenbart erschreckende Planlosigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums beim Öl-Embargo

nachdenkseiten.de, 13. Januar 2023 um 8:50 Ein Artikel von: Florian Warweg

Anfang dieser Woche kam der Energieausschuss des Bundestages zu einer nicht öffentlichen Sondersitzung zusammen. Thema: „Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zur Versorgung Ostdeutschlands mit Erdöl ab Januar 2023, insbesondere der PCK Schwedt“. Die Ergebnisse dieser Befragung zeichnen ein noch erschreckenderes Bild der Planlosigkeit im Ministerium unter Leitung von Robert Habeck als bisher vermutet. Entgegen früheren Ankündigungen gibt es, obwohl das Embargo gegen russisches Öl seit dem 1. Januar in Kraft ist, bisher keine Vertragsunterzeichnungen mit alternativen Lieferanten wie Kasachstan oder Polen. Die NachDenkSeiten sprachen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses, dem bayerischen Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst (Die Linke), über die Hintergründe und Implikationen.


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Seit dem 1. Januar 2023 fließt über die Erdölleitung „Druschba“ (Russisch für „Freundschaft“) kein Tropfen russisches Öl mehr nach Deutschland. Grund ist die Entscheidung der Bundesregierung, das EU-Ölembargo, welches ausschließlich schiffgebundenes Öl umfasst, zu übertrumpfen und, im Gegensatz zu anderen EU-Ländern wie Ungarn oder Polen, auch kein pipeline-gebundenes russisches Öl mehr zu nutzen. Dies stellt insbesondere Ostdeutschland und die Hauptstadt Berlin vor große und, wie die Anhörung diese Woche im Energieausschuss des Bundestages belegte, bisher nicht gelöste Herausforderungen.


Zuvor kamen nach Angaben der Raffinerie PCK Schwedt rund 25 Prozent des Rohölbedarfs Deutschlands von der Druschba-Leitung. Dieses Öl wurde vor allem im brandenburgischen Schwedt verarbeitet, daneben waren noch die Raffinerien im sächsischen Böhlen sowie im sachsen-anhaltinischen Leuna Abnehmer. Die Bedeutung der Schwedter Raffinerie ist enorm: 95 Prozent der in Ostdeutschland und Berlin verbrauchten Kraftstoffe wie etwa Heizöl oder Benzin sowie der ölbasierten Nebenprodukte für den Medizin- und Bausektor stammten bisher aus Schwedt. Neun von zehn Fahrzeugen in Berlin und Brandenburg tankten Kraftstoffe dieser Raffinerie. Ähnlich hoch sind die Zahlen für die Versorgung der Flughäfen der Region mit Flugbenzin. Die PCK-Raffinerie, rund 120 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen, verarbeitete bis Ende letzten Jahres noch rund 220.000 Barrel russisches Rohöl pro Tag.


Für die Schwedter Großraffinerie mit ihren tausenden Mitarbeitern hatten Habeck sowie der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Michael Kellner, in mehreren Verlautbarungen Ersatzlieferungen in Aussicht gestellt sowie eine Auslastung der PCK Schwedt von 70 Prozent und den vollen Arbeitsplatzerhalt zugesichert. Explizit wurde dabei auf Lieferungen über das polnische Danzig, Rostock und Kasachstan verwiesen. Doch im Verlauf der Anhörung wurde, wie der Ausschussvorsitzende Ernst gegenüber den NachDenkSeiten darlegte, klar, dass die Bundesregierung auch nach Embargobeginn noch immer nicht in der Lage ist, konkrete Angaben über alternative Lieferungen, Kosten und Mengen zu machen. Es lägen, entgegen früheren Ankündigungen, auch noch immer keine Verträge vor, weder mit Kasachstan noch mit Polen.


Im Gespräch mit den NachDenkSeiten führte Klaus Ernst zunächst aus, wie es überhaupt zu der Einberufung der Sondersitzung kam. Allein diese Episode spricht für sich:

„Die Sondersitzung kam zustande, weil der Abgeordnete Christian Görke (ebenfalls Die Linke) in Kasachstan war und dort mit Gesprächspartnern erkundet hat, wie sieht es denn aus mit Öl-Lieferungen nach Deutschland. Bemerkenswert war, dass, im Gegensatz zu den Aussagen der Bundesregierung, insbesondere vom zuständigen Staatssekretär Michael Kellner, der Abgeordnete dann feststellen musste, dass noch gar keine Verträge oder schriftliche Vereinbarungen vorliegen, dass die Kasachen Öl an uns liefern. Das war der Ausgangspunkt.“

Weiter erklärte er:

„Ergebnis der Sitzung war, dass die Ölversorgung von Schwedt keinesfalls sicher ist, sondern lediglich 50 Prozent der Leistung geliefert wird, und zwar bisher ausschließlich über den Seehafen Rostock. Zudem wurde deutlich, dass auch mit den Polen noch keine Verträge abgeschlossen werden konnten. Da wurde dann nur davon gesprochen, dass möglicherweise Verträge von privaten Betreibern geschlossen wurden. Aber selbst da konnte die Bundesregierung nicht sagen, ob diese Verträge überhaupt existent sind.“

Doch selbst im Falle von Rostock müssten erst noch Baggerarbeiten vorgenommen werden, damit auch größere Tankerschiffe anlegen könnten. Dem Bundestagsabgeordneten zufolge konnte oder wollte die Bundesregierung auch hier keinerlei konkrete Angaben machen, wie viele Tanker bisher wann und in welchen Mengen Öl nach Rostock gebracht haben.


Es sei zudem laut Darlegungen der Bundesregierung ebenso noch völlig offen, wann Polen, selbst wenn die Verträge unterzeichnet werden würden, überhaupt liefern könnte. Dasselbe gelte auch für Kasachstan. Staatssekretär Kellner hätte sich bei der Ausschusssitzung nach Darstellung von Ernst „gewunden wie ein Aal“ und im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, als er immer explizit von „Verträgen“ gesprochen habe, hätte er diesmal nur auf Privatunternehmen verwiesen, die Verträge „abschließen könnten“.


Abschließend resümiert der Vorsitzende des Energieausschusses des Bundestages gegenüber den NachDenkSeiten, dass sein Eindruck sei, dass bisher nur maximal zwischen 50 bis 55 Prozent Auslastung für Schwedt gesichert sei. Persönlich gehe er davon aus, dass mit Polen „schon irgendwie“ halbwegs zeitnah eine Einigung diesbezüglich erreicht werde. Viel problematischer erscheine ihm aber die Situation um das eingeplante kasachische Öl:

„Bei dem kasachischen Öl ist ja das Problem, dass dies nur über die Druschba-Pipeline kommen kann, eine andere Möglichkeit gibt‘s ja nicht. Und bei der Anhörung sagte jetzt ausgerechnet die Bundesregierung, dass man sich auf die Lieferung aus Kasachstan ja nicht verlassen könne, denn die Russen könnten die Leitung ja jederzeit wieder dicht machen. Also das, was zuvor von ihnen selbst ins Spiel gebracht wurde, stellt die Bundesregierung jetzt wieder selbst in Frage. Zusammengefasst, das Ergebnis der Sitzung war wie das Hornberger Schießen.“

Aussagen des früheren brandenburgischen Finanzministers und ebenfalls Mitglied der Energieausschusses des Bundestages, Christian Görke, bestätigen die Aussagen von Ernst. Görke nannte in diesem Zusammenhang das Agieren der Bundesregierung ein „Trauerspiel“:

„Dass die Bundesregierung seit ihrem Verzichtsbeschluss (auf russisches Öl) im Mai keine konkrete Vereinbarung bis zum Jahresende hinbekommen hat, ist ein Trauerspiel.“

Ein Trauerspiel, welches bereits konkrete Auswirkungen auf die Mitarbeiter in der PCK Schwedt haben soll. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung befänden sich in Schwedt bereits viele Mitarbeiter der Raffinerie in Kurzarbeit. Die PCK ist in der strukturschwachen Region der einzige große Arbeitgeber, der zudem technisch hochqualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze anbietet. Ein Schließen der Raffinerie gilt als wirtschaftliches Todesurteil für die gesamte Region und hätte auch unkalkulierbare Auswirkungen auf das Funktionieren der deutschen Hauptstadt in allen erdenklichen Lebensbereichen. Ist sich die Bundesregierung wirklich nicht bewusst, wie ihre offensichtliche Planlosigkeit beim Umsetzen des selbst verhängten Öl-Embargos mit dem Schicksal von Millionen Bundesbürgern spielt?


Liebe Leser und Leserinnen, wie bewerten Sie das Agieren der Bundesregierung in diesem konkreten Fall? Schreiben Sie uns gerne: leserbriefe@nachdenkseiten.de


Mehr zum Thema: Wie EU- und NATO-Partner Polen die Raffinerie PCK Schwedt als Spielball für eigene ökonomische und politische Interessen nutzt

„Nicht zu verantworten“ – Anhörung in Berlin zu Auswirkungen eines Öl- und Gas-Embargos auf Wirtschaft und Bevölkerung


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13.01.2023

Wie werden wir Kriege los?

ardmediathek.de, vom 08.01.2023 ∙ Doku & Reportage ∙ NDR

Doku und Reportage

Menschen auf der ganzen Welt wollen in Frieden leben. Aber so einfach ist das nicht. In Europa wurde schon gedacht, man hätte es raus mit dem Frieden. Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gibt es auch in Europa wieder Krieg. Ist dauerhafter Frieden eine Illusion? Was kann getan werden, um Kriege zu beenden oder gar nicht erst entstehen zu lassen?


Video https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/wie-werden-wir-kriege-los/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9kZDEzOGU5OS1iYTEzLTQ0MDktOWFiOS02ODkzZDU1ZjcyMDQ 29:40 Min.


Info: https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/wie-werden-wir-kriege-los/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9kZDEzOGU5OS1iYTEzLTQ0MDktOWFiOS02ODkzZDU1ZjcyMDQ

13.01.2023

Während Pekings „Gürtel und Straße“-Initiative (Neue Seidenstrasse - Belt and Road) in ihr 10. Jahr geht, hat eine starke chinesisch-russische geostrategische Partnerschaft die BRI im globalen Süden wiederbelebt.

seniora.org, vom 12. Januar 2023, Von Pepe Escobar 06. Januar 2023  – mit Dank übernommen von thecradle.co

Das Jahr 2022 endete mit einem Zoom-Call, um alle Zoom-Calls zu beenden: Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping besprachen in einem exklusiven Videoanruf alle Aspekte der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China.


Bildnachweis: Die Wiege


Putin sagte Xi, wie „Russland und China es geschafft haben, rekordhohe Wachstumsraten des gegenseitigen Handels zu gewährleisten“, was bedeutet, dass „wir in der Lage sein werden, unser Ziel von 200 Milliarden US-Dollar bis 2024 vorzeitig zu erreichen“.

Zu ihrer Koordinierung zur „Bildung einer gerechten Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts“ betonte Putin, dass „wir die gleichen Ansichten über die Ursachen, den Verlauf und die Logik der laufenden Transformation der globalen geopolitischen Landschaft teilen“.

Angesichts „beispiellosen Drucks und Provokationen aus dem Westen“ bemerkte Putin, dass Russland und China nicht nur ihre eigenen Interessen verteidigen, „sondern auch all diejenigen, die für eine wahrhaft demokratische Weltordnung und das Recht der Länder einstehen, ihr eigenes Schicksal frei zu bestimmen“.

Zuvor hatte Xi angekündigt, dass Peking im Jahr 2023 das 3. „Gürtel und Straße“-Forum abhalten wird . Dies wurde inoffiziell von diplomatischen Quellen bestätigt. Das Forum war ursprünglich als halbjährliches Forum konzipiert, das zuerst 2017 und dann 2019 stattfand. 2021 fand wegen Covid-19 nicht statt.

Die Rückkehr des Forums signalisiert nicht nur einen erneuten Antrieb, sondern einen äußerst bedeutenden Meilenstein, da die Belt and Road Initiative (BRI), die 2013 in Astana und dann in Jakarta gestartet wurde, ihr 10-jähriges Bestehen feiert.


BRI-Version 2.0

Das gab im gesamten geopolitischen und geoökonomischen Spektrum den Ton für 2023 an. Parallel zu ihrer geoökonomischen Breite und Reichweite wurde die BRI bis Mitte des Jahrhunderts als Chinas übergreifendes außenpolitisches Konzept konzipiert. Jetzt ist es Zeit, die Dinge zu optimieren. BRI 2.0-Projekte entlang ihrer verschiedenen Konnektivitätskorridore müssen zwangsläufig neu dimensioniert werden, um sich an das Post-Covid-Umfeld, die Nachwirkungen des Krieges in der Ukraine und eine zutiefst verschuldete Welt anzupassen.


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Karte von BRI (Bildnachweis: The Cradle)


Und dann ist da noch die Verzahnung des Connectivity Drive über BRI mit dem Connectivity Drive über den International North South Transportation Corridor (INTSC), dessen Hauptakteure Russland, Iran und Indien sind.

Die Tatsache, dass Russland, China, Iran und Indien ineinandergreifende Handelspartnerschaften entwickeln, sollte den geoökonomischen Antrieb der russisch-chinesischen Partnerschaft, wie von Putin und Xi diskutiert, ausweiten und feststellen, dass die BRICS-Mitglieder Russland, Indien und China sowie der Iran als einer der BRICS-Mitglieder gelten kommende Mitglieder der erweiterten BRICS+, sind die „Quads“, die in ganz Eurasien wirklich wichtig sind.

Der neue Ständige Ausschuss des Politbüros in Peking, der vollständig auf die Prioritäten von Xi ausgerichtet ist, wird sich stark darauf konzentrieren, konzentrische geoökonomische Einflusssphären im globalen Süden zu festigen.


Wie China „strategische Ambiguität“ spielt

Das hat nichts mit Machtverhältnissen zu tun, was ein westliches Konzept ist, das zudem nicht mit Chinas fünftausendjähriger Geschichte in Verbindung steht. Dies ist auch keine weitere Flexion der „Einheit der Mitte“   – der geopolitischen Repräsentation, wonach keine Nation in der Lage ist, die Mitte, China, zu bedrohen, solange sie in der Lage ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Diese kulturellen Faktoren, die China in der Vergangenheit möglicherweise daran gehindert haben, ein Bündnis unter dem Konzept der Parität zu akzeptieren, sind jetzt verschwunden, wenn es um die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China geht.

Bereits im Februar 2022, Tage vor den Ereignissen, die zu Russlands Special Military Operation (SMO) in der Ukraine führten, hatten Putin und Xi persönlich angekündigt, dass ihre Partnerschaft „keine Grenzen“ habe   – auch wenn sie unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie Moskau sollte Umgang mit einem Kiew, das vom Westen tödlich instrumentalisiert wird, um Russland zu bedrohen.

Kurz gesagt: Peking wird Moskau wegen der Ukraine nicht „im Stich lassen“   – so sehr es auch nicht offen seine Unterstützung zeigen wird. Die Chinesen spielen ihre ganz eigene subtile Interpretation dessen, was die Russen als „strategische Ambiguität“ definieren.


Konnektivität in Westasien

In Westasien werden BRI-Projekte im Iran besonders schnell vorankommen, als Teil des zwischen Peking und Teheran unterzeichneten 25-Jahres-Abkommens und des endgültigen Endes des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA)   – oder Atomabkommens mit dem Iran   –, das sich in keine europäischen Investitionen in die iranische Wirtschaft.

Der Iran ist nicht nur ein BRI-Partner, sondern auch ein vollwertiges Mitglied der Shanghai Cooperation Organization (SCO). Es hat ein Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) abgeschlossen, die aus den postsowjetischen Staaten Russland, Armenien, Weißrussland, Kasachstan und Kirgisistan besteht.

Und der Iran ist heute wohl der wichtigste Interkonnektor des INSTC, der den Indischen Ozean und darüber hinaus erschließt und nicht nur mit Russland und Indien, sondern auch mit China, Südostasien und möglicherweise sogar mit Europa verbunden ist   – vorausgesetzt, die EU-Führung wird dies eines Tages tun sehen, woher der Wind weht.


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Karte von INSTC (Bildnachweis: The Cradle)


Hier haben wir also den stark von den USA sanktionierten Iran, der gleichzeitig von BRI, INSTC und dem EAWU-Freihandelsabkommen profitiert. Die drei kritischen BRICS-Mitglieder   – Indien, China, Russland   – werden besonders an der Entwicklung des transiranischen Transitkorridors interessiert sein   – der zufällig die kürzeste Route zwischen dem größten Teil der EU und Süd- und Südostasien ist und schneller, günstiger Transport.

Hinzu kommt der bahnbrechend geplante Stromkorridor Russland-Transkaukasien-Iran, der zur endgültigen Konnektivitätsverbindung werden könnte, die den Antagonismus zwischen Aserbaidschan und Armenien zerschlagen könnte.

In der arabischen Welt hat Xi das Schachbrett bereits neu geordnet. Xis Reise nach Saudi-Arabien im Dezember  sollte die diplomatische Blaupause dafür sein, wie schnell ein postmodernes Quid pro quo zwischen zwei alten, stolzen Zivilisationen hergestellt werden kann, um eine Wiederbelebung der Neuen Seidenstraße zu ermöglichen.


Aufstieg des Petro-Yuan

Peking hat möglicherweise riesige Exportmärkte innerhalb des kollektiven Westens verloren   – also musste ein Ersatz her. Die arabischen Führer, die sich in Riad aufstellten, um Xi zu treffen, sahen plötzlich zehntausend geschärfte (westliche) Messer näherkommen und dachten, es sei an der Zeit, ein neues Gleichgewicht zu finden.

Das bedeutet unter anderem, dass der saudische Kronprinz Mohammad bin Salman (MbS) eine multipolarere Agenda angenommen hat: keine weitere Bewaffnung des Salafi-Dschihadismus in ganz Eurasien und eine Tür weit offen für die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China. Hybris trifft das Herz des Hegemons hart.

Der Stratege der Credit Suisse, Zoltan Pozsar*, wies in zwei aufeinanderfolgenden Newslettern mit den Titeln War and Commodity Encumbrance (27. Dezember) und War and Currency Statecraft (29. Dezember) auf die Schrift an der Wand hin.

Pozsar verstand voll und ganz, was Xi meinte, als er sagte, China sei „bereit, mit dem GCC zusammenzuarbeiten“, um innerhalb eines Zeitrahmens von „drei bis fünf Jahren“ ein „neues Paradigma der alldimensionalen Energiekooperation“ aufzubauen.

China wird langfristig weiterhin viel Rohöl aus den GCC-Staaten und noch viel mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) importieren. Peking wird „unsere Zusammenarbeit im Upstream-Sektor, bei Ingenieurdienstleistungen sowie bei [Downstream-]Lagerung, Transport und Raffinerie stärken. Die Plattform der Shanghai Petroleum and Natural Gas Exchange wird vollständig für die RMB-Abwicklung im Öl- und Gashandel genutzt … und wir könnten eine Währungsswap-Kooperation beginnen.“

Pozsar fasste alles folgendermaßen zusammen: „GCC-Öl fließt nach Osten + Renminbi-Rechnungsstellung = die Morgendämmerung des Petroyuan.“

Und nicht nur das. Parallel dazu bekommt die BRI neuen Antrieb, denn das bisherige Modell   – Öl für Waffen   – wird durch Öl für nachhaltige Entwicklung (Bau von Fabriken, neue Beschäftigungsmöglichkeiten) ersetzt.

Und so erfüllt BRI die Vision 2030 von MbS.

Abgesehen von Michael Hudson ist Poszar vielleicht der einzige westliche Wirtschaftsanalyst, der die globale Machtverschiebung versteht: „Die multipolare Weltordnung“, sagt er, wird nicht von den Staatsoberhäuptern der G7 aufgebaut, sondern von der „G7 des Ostens“. (die BRICS-Staatsoberhäupter), das ist wirklich ein G5.“ Aufgrund der Entwicklung hin zu einem erweiterten BRICS+ erlaubte er sich, die Zahl aufzurunden.

Und auch die aufstrebenden Weltmächte wissen, wie sie ihre Beziehungen ausbalancieren können. In Westasien spielt China leicht unterschiedliche Stränge derselben BRI-Handels-/Konnektivitätsstrategie, einen für den Iran und einen anderen für die Monarchien am Persischen Golf.

Chinas umfassende strategische Partnerschaft mit dem Iran ist ein 25-Jahres-Abkommen, bei dem China 400 Milliarden US-Dollar in die iranische Wirtschaft investiert, im Austausch für eine stetige Versorgung mit iranischem Öl zu einem hohen Preisnachlass. Auf seinem Gipfeltreffen mit dem GCC betonte Xi „Investitionen in nachgelagerte petrochemische Projekte, Fertigung und Infrastruktur“ im Austausch für die Bezahlung der Energie in Yuan.


Wie man das neue große Spiel spielt

BRI 2.0 war auch bereits während einer Reihe von Gipfeltreffen in Südostasien im November im Gange. Als sich Xi mit dem thailändischen Premierminister Prayut Chan o-cha auf dem APEC-Gipfel (Asia-Pacific Economic Cooperation) in Bangkok traf, versprachen sie, die in Betrieb befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke China-Laos endlich an das thailändische Eisenbahnsystem anzuschließen . Dies ist ein 600 km langes Projekt, das Bangkok mit Nong Khai an der Grenze zu Laos verbindet und bis 2028 fertiggestellt werden soll.

Und in einem zusätzlichen BRI-Vorstoß vereinbarten Peking und Bangkok, die Entwicklung von Chinas Greater Bay Area Shenzhen-Zhuhai-Hongkong und des Jangtse-Deltas mit Thailands Eastern Economic Corridor (EEC) zu koordinieren.

Langfristig zielt China im Wesentlichen darauf ab, seine Strategie in ganz Südostasien in Westasien zu wiederholen. Peking handelt mehr mit der ASEAN als mit Europa oder den USA. Der anhaltende, schmerzhafte Zusammenbruch des kollektiven Westens in Zeitlupe mag ein paar Federn in einer Zivilisation zerzausen, die aus der Ferne den Aufstieg und Fall von Griechen, Römern, Parthern, Arabern, Osmanen, Spaniern, Holländern und Briten gesehen hat. Der Hegemon ist schließlich nur der letzte in einer langen Liste.

In praktischer Hinsicht werden BRI 2.0-Projekte nun genauer unter die Lupe genommen: Dies wird das Ende unpraktischer Vorschläge und versunkener Kosten sein, mit Rettungsleinen, die sich auf eine Reihe von verschuldeten Nationen erstrecken. BRI wird in den Mittelpunkt der BRICS+-Erweiterung gestellt   – aufbauend auf einem Konsultationsgremium im Mai 2022, an dem Außenminister und Vertreter aus Südamerika,  Afrika  und  Asien teilnahmen , das in der Praxis die globale Bandbreite möglicher Kandidatenländer aufzeigte.


Implikationen für den globalen Süden

Xis neues Mandat vom 20.  Kongress der Kommunistischen Partei hat die unumkehrbare Institutionalisierung der BRI signalisiert, die zufällig seine Unterschriftenpolitik ist. Der globale Süden zieht schnell ernsthafte Konsequenzen, insbesondere im Gegensatz zu der eklatanten Politisierung der  G20  , die auf ihrem November-Gipfel in Bali sichtbar wurde.

Poszar ist also ein seltenes Juwel: ein westlicher Analyst, der versteht, dass die BRICS die neuen G5 sind, auf die es ankommt, und dass sie den Weg zu BRICS+ anführen. Er versteht auch, dass das Quad, auf das es wirklich ankommt, die drei wichtigsten BRICS-plus-Iran sind.

Die akute Entkopplung der Lieferkette, das Crescendo westlicher Hysterie über Pekings Position zum Krieg in der Ukraine und schwere Rückschläge bei chinesischen Investitionen im Westen spielen alle eine Rolle bei der Entwicklung von BRI 2.0. Peking wird sich gleichzeitig auf mehrere Knotenpunkte des globalen Südens konzentrieren, insbesondere auf die Nachbarn in ASEAN und in ganz Eurasien.

Denken Sie zum Beispiel an die von Peking finanzierte Hochgeschwindigkeitsstrecke Jakarta-Bandung, Südostasiens erste: ein BRI-Projekt, das dieses Jahr eröffnet wird, da Indonesien den rotierenden ASEAN-Vorsitz ausrichtet. China baut auch den East Coast Rail Link in  Malaysia  und hat die Verhandlungen mit den  Philippinen über drei Eisenbahnprojekte wieder aufgenommen.

Dann gibt es die überlagerten Verbindungen. Die EAWU wird ein Freihandelszonenabkommen mit Thailand abschließen. Am Rande der epischen Rückkehr von Luiz Inácio Lula da Silva an die Macht in Brasilien trafen sich am vergangenen Sonntag Beamte des Iran und Saudi-Arabiens unter einem Lächeln, um zu diskutieren   – was sonst noch   – BRICS+. Ausgezeichnete Wahl des Austragungsortes: Brasilien wird von praktisch allen geopolitischen Akteuren als erstklassiges neutrales Territorium angesehen.

Aus Pekings Sicht könnte der Einsatz nicht höher sein, da der Antrieb hinter BRI 2.0 im globalen Süden darin besteht, China nicht von westlichen Märkten abhängig zu machen. Beweis dafür ist ihr kombinierter Ansatz gegenüber dem Iran und der arabischen Welt.

China, das gleichzeitig sowohl die US- als auch die EU-Marktnachfrage verliert, könnte am Ende nur eine Bodenwelle auf dem (multipolaren) Weg sein, selbst wenn der Zusammenbruch des kollektiven Westens verdächtig zeitlich erscheinen mag, um China zu Fall zu bringen.

Das Jahr 2023 wird damit fortfahren, dass China tief im Inneren das Neue Große Spiel spielt und eine Globalisierung 2.0 gestaltet, die institutionell von einem Netzwerk unterstützt wird, das BRI, BRICS+, die SCO und mit Hilfe seines russischen strategischen Partners, der EAWU und der OPEC+, umfasst. Kein Wunder, dass die üblichen Verdächtigen benommen und verwirrt sind.


Pepe Escobar For theCradle.co

Pepe Escobar

Pepe Escobar ist Kolumnist bei The Cradle, leitender Redakteur bei Asia Times und unabhängiger geopolitischer Analyst mit Schwerpunkt Eurasien. Seit Mitte der 1980er Jahre hat er als Auslandskorrespondent in London, Paris, Mailand, Los Angeles, Singapur und Bangkok gelebt und gearbeitet. Er ist der Autor zahlreicher Bücher; sein neuestes ist Raging Twenties.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.

Quelle: https://thecradle.co/Article/columns/20037
Mit freundlicher Genehmigung von thecradle.co

*Lesen Sie auch die Analyse von Zoltan Pozsar und hier


Info: https://seniora.org/politik-wirtschaft/geld-dollarkrise/warum-bri-2023-mit-einem-paukenschlag-zurueckkommt


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13.01.2023

Nachrichten von Pressenza: SIPRI-Studie: Weltweiter Waffenhandel wächst

Nachrichten von Pressenza - 13.01.2023



SIPRI-Studie: Weltweiter Waffenhandel wächst


Weltweit werden immer mehr Waffen verkauft. Das zeigen die veröffentlichten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2021. Laut SIPRI haben die 100 weltweit größten Waffenhersteller im Jahr 2021 trotz pandemiebedingter Lieferkettenprobleme Rüstungsgüter im Wert…

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/01/sipri-studie-weltweiter-waffenhandel-waechst/


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Tatort Ostsee


Nord Stream-Anschläge: Druck auf die Bundesregierung, Ermittlungsresultate vorzulegen, steigt. US-Medien und Regierungsbeamte aus Europa bezweifeln russische Täterschaft. Der Druck auf die Bundesregierung steigt, erste Ergebnisse der Ermittlungen zu den Nord Stream-Anschlägen bekanntzugeben. Hintergrund ist, dass die angebliche russische Täterschaft, die…

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/01/tatort-ostsee/


Bereits hier vorhanden, s. auch 5. Januar 2023

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9122


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OVKS – Russlands problematisches Militärbündnis (Teil 2)


Die „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS) gilt nicht zuletzt seit der Friedensmission in Kasachstan vor knapp einem Jahr als eines der wichtigsten Instrumente Russlands bei der Sicherheitspolitik. Allerdings ist die Kooperation mit Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan…

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/01/ovks-russlands-problematisches-militaerbuendnis-teil-2/


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Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


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Näheres:



SIPRI-Studie: Weltweiter Waffenhandel wächst

pressenza.com, 12.01.23 - Pressenza Wien


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Kampfpanzer Leopard 2 A5 bei einer Lehr- und Gefechtsvorführung. .... (Bild von cc Wikimedia)


Weltweit werden immer mehr Waffen verkauft. Das zeigen die veröffentlichten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2021.


Laut SIPRI haben die 100 weltweit größten Waffenhersteller im Jahr 2021 trotz pandemiebedingter Lieferkettenprobleme Rüstungsgüter im Wert von 592 Milliarden US-Dollar verkauft. Das sei ein Zuwachs von 1,9 Prozent im Vergleich zu 2020. Damit nehmen die weltweiten Waffenverkäufe laut SIPRI das siebte Jahr in Folge zu.


Pressemitteilung von SIPRI: https://www.sipri.org/media/press-release/2022/arms-sales-sipri-top-100-arms-companies-grow-despite-supply-chain-challenges

 

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Info: http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/01/sipri-studie-weltweiter-waffenhandel-waechst/


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Näheres:



OVKS – Russlands problematisches Militärbündnis (Teil 2)


eurobrics.de, Von Alexander Maenner


Titelbild: OVKS-Gipfel in Eriwan, 23. November 2022 © Vladimir Smirnov/TASS


Wie im ersten Teil des Artikel  dargelegt, resultierte die Gründung der "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" (OVKS) in der Auflösung der einstigen Supermacht UdSSR. Für Russland gerieten mit dem Ende des Sowjetstaates zahlreiche sicherheitspolitische Aufgaben in Gefahr. Vor allem wurden die Russen der Möglichkeit beraubt, in mehreren für sie wichtigen Regionen Zentralasiens ihre Militärpräsenz auszuüben. Dank der OVKS ist Russland jedoch in der Lage, fernab von seinem Territorium militärisch agieren zu können.


Die aus russischer Sicht erfolgreiche Partnerschaft mit Weißrussland im Rahmen ihres Union Staates soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Ex-Sowjetrepubliken im Rahmen der OVKS mit deutlich mehr Problemen verbunden ist.


Ungleiche Militärstärke der Partner

Ein wichtiger Aspekt, der für die OVKS-Partnerschaft grundlegend charakteristisch ist und eine sorgfältige Herangehensweise erfordert, ist die Ungleichheit zwischen Russland und den anderen Verbündeten bei der Militärstärke. Denn Russland ist seinen Partnern nicht nur ökonomisch weit überlegen, sondern auch gemessen an dem Militärpotential. Wie Experten des russischen Magazins "Russia in global affairs" darauf hinweisen, bestimme die Kluft bei den militärischen Fähigkeiten zwischen großen Militärmächten und anderen Ländern maßgeblich die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit innerhalb einer Allianz.


In Bezug auf die OVKS betonen sie, dass bestimmte Herausforderungen von den Partnern sehr unterschiedlich wahrgenommen und der Grad einer Bedrohung von ihnen unterschiedlich festgelegt werden könnten. Möglich sei auch, dass den OVKS-Mitgliedern Zweifel bezüglich der russischen Bündnisverpflichtungen aufkommen könnten, denn die russische Armee wäre selbst bei einem möglichen Konflikt mit einem gleichwertigen Gegner auf die direkte militärische Hilfe durch die Verbündeten höchstwahrscheinlich nicht angewiesen.


Dieser Skepsis kann man mit dem 4. Artikel der OVKS-Charta entgegnen, der auch eine militärische Beistandspflicht der Partner vorsieht. Allerdings wird diese offenbar nur je nach geopolitischer Sachlage und der Intressenslage der Bündnispartner als Option in Betracht gezogen, wie einige Konflikte gezeigt haben.

Bei den Grenzkonflikten zwischen Armenien und Aserbaidschan 2021 und 2022 etwa hat die OVKS auf Friedenstruppen und Verhandlungen gesetzt, trotz des bestätigten Eindringens aserbaidschanischer Streitkräfte auf armenisches Territorium. 2021 hatte Russland Soldaten im Rahmen einer Friedensmission in das Grenzgebiet von Aserbaidschan entsandt. Im vergangenen Jahr hat man es geschafft, die Konfliktparteien recht schnell an den Verhandlungstisch zu bringen und die Kampfhandlungen dadurch zu beenden.


Geopolitik als entscheidender Faktor

Einer der Gründe für diese Zurückhaltung der OVKS liegt offensichtlich in den geopolitischen Interessen Russlands. Moskau versucht, sich alle Optionen in dieser Region offenzuhalten, und vermeidet es deshalb, sich für eine Seite zu entscheiden. Zumal seine Beziehungen zu Aserbaidschan, in denen die gegenseitige Achtung von Interessen großgeschrieben wird, den Charakter von strategischer Partnerschaft tragen, wie im Kreml mehrfach betont wurde. Es ist daher verständlich, dass die Russen diese Beziehungen nicht zerstören wollen.


Dieser Umstand stellt für Moskau jedoch ein weiteres Dilemma dar, denn es besteht keine klare Trennung zwischen den Interessen Russlands und denen der anderen Partner in der geopolitischen Lage, in der sich die OVKS befindet.


Für Russland ist die Präsenz in Zentralasien zwar wichtig, weil sich die Möglichkeiten des Landes im Hinblick auf die Kontrolle der dortigen regionalen Prozesse und die Sicherheitslage entlang der russischen Landesgrenze verbessert werden, allerdings sind die beiden genannten Aspekte für Russland als Atommacht und flächenmäßig größtes Land der Erde nicht von entscheidender militärischer Bedeutung.


Dabei gilt zu betonen, dass Russland aufgrund seiner Ausdehnung auf Europa und Asien über einen einzigartigen geopolitischen Vorteil verfügt – es hat den Zugang zu vier Schlüsselregionen in Eurasien: dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten sowie Osteuropa. In Anbetracht dessen kann die OVKS in Zukunft eine große geopolitische Bedeutung erlangen, da der Verantwortungsbereich der Allianz bereits einen Großteil Asiens umfasst.


Gegenwärtig jedoch versucht die OVKS das System der kollektiven Sicherheit in Zentralasien zu stärken, nicht zuletzt wegen der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan, die Tadschikistan und Kirgisistan direkt betrifft. Weiteres Konfliktpotenzial bringt die Expansion der NATO mit sich, die sich in unmittelbarer Nähe des Verantwortungsbereichs der OVKS befindet.


Denn die jeweiligen Regionen im Südkaukasus und in Zentralasien sind für die nationale Sicherheit Russlands einerseits zwar wichtig, andererseits ist der Kreml offensichtlich nicht dazu bereit, etwa bei dem ersten Schusswechsel in einem Grenzkonflikt, der zwischen den postsowjetischen Staaten relativ oft vorkommt, gleich die schnelle Eingreiftruppe zu entsenden.


In diesem Zusammenhang weisen Militärexperten grundsätzlich darauf hin, dass es Großmächten misslingen könnte, die strategischen Bedürfnisse ihrer Bündnispartner mit ihren eigenen nationalen Interessen zu verknüpfen, falls der Charakter einer Allianz in hohem Maße durch die Geopolitik bestimmt wird. Vor allem dann, wenn die geopolitischen Aspekte zu einem dominierenden Faktor innerhalb dieser Beziehungen werden.


So gesehen steht Russland heute mehr denn je vor der Herausforderung, Verantwortung für seine Bündnispartner zu tragen und für Sicherheit in den genannten Regionen zu sorgen. Zugleich sollte es die Kooperation mit anderen Ländern, die nicht Teil der OVKS sind, verstärken und versuchen, sie in sein Sicherheitssystem einzubeziehen.


Der Beitrag muss nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Titelbild: OVKS-Gipfel in Eriwan, 23. November 2022 © Vladimir Smirnov/TASS

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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

13.01.2023

JG-Interview in jw: "'Deutschland ist längst Kriegspartei'. Pazifistischer Verband kritisiert Waffenlieferungen an Kiew..."

aus e-mail von Jürgen Grässlin, 13. Januar 2023, 08:14 Uhr


Liebe Freund*innen,


noch eine Nachbemerkung zum Schlusspassus meines Interviews. Dort müsste

es eher heißen: Die DFG-VK diskutiert den Aufruf...


Herzlichst Jürgen Grässlin


--



/junge welt/vom 13.01.2023, Seite 2 / Inland


*Krieg in der Ukraine*


*»Deutschland ist längst Kriegspartei«*


*Pazifistischer Verband kritisiert Waffenlieferungen an Kiew und fordert

Friedensverhandlungen. Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin*


/Interview: Henning von Stoltzenberg // /[Foto] Sven Eckelkamp/IMAGO.

Bundeswehr-Soldaten zwischen »Leopard«-Kampfpanzer und dazugehöriger

Munition


Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft –

Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e. V. (DFG-VK)


*Sie kritisieren die Waffenlieferungen in die Ukraine. Was wird von

seiten der Bundesregierung alles geliefert? *Mit einem Volumen von 2,2

Milliarden Euro war die Ukraine 2022 das Hauptempfängerland deutscher

Kriegswaffen. Das seit Beginn des völkerrechtswidrigen russischen

Angriffs gelieferte Waffenarsenal reicht von Handgranaten, Panzerfäusten

und Maschinengewehren über Granatwerfer, »Stinger«-Flugabwehrraketen und

MARS-Raketenwerfer bis hin zu »Panzerhaubitzen 2000«,

»Gepard«-Flakpanzern und jüngst »Marder«-Schützenpanzern. Hinzu kommt

Munition in unglaublicher Menge. Zudem drängen Waffenexportbefürworter

unermüdlich auf die Lieferung von »Leopard 2«-Kampfpanzern. Deutschland

ist längst Kriegspartei geworden.


*Welche militärischen Maßnahmen bezüglich der Ukraine gibt es zudem?

*Wenn Slowenien im Ringtausch mit Deutschland seine T-72-Kampfpanzer in

die Ukraine liefert, dann wissen die dortigen Streitkräfte diese

Waffensysteme sowjetischer Bauart einzusetzen. Wenn aber jetzt schwere

Waffen westlicher Bauart exportiert werden, dann müssen ukrainische

Soldaten daran ausgebildet werden. Genau das passiert seitens der USA,

Großbritanniens und Deutschlands.


*Sie fordern die Ausweitung ziviler Hilfe. Was verstehen Sie darunter?

*Die Logik der Kriegs muss endlich durchbrochen und dazu müssen

sämtliche zivile Hilfsmaßnahmen genutzt werden. Aktuell zählen dazu die

Lieferung von Kranken- oder Feuerwehrfahrzeugen, zudem Transporter und

Material für den Wiederaufbau.


*Friedensverhandlungen sollen nach Ihrer Vorstellung unter UN-Ägide

stattfinden. Oft wird behauptet, es gäbe keinen Verhandlungswillen der

Konfliktparteien. Wie ist Ihre Einschätzung? *Solange das Regime Putin

die Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion weiter Teile des

Ostens und Südens der Ukraine zur Voraussetzung für

Friedensverhandlungen macht, kann es diese nicht geben. Solange die

Regierung Selenskij die Rückeroberung eines jeden Quadratmeters

besetzten bzw. annektierten Landes als Voraussetzung benennt, kann es

ebenfalls keine geben. Die Lösung läge in Friedensverhandlungen auf

neutralem Boden ohne Vorbedingungen unter Leitung von UN-Generalsekretär

António Guterres. Ziel müsste sein, Lösungen zu finden, wie etwa die

Neutralität bestimmter Regionen der Ukraine unter UN-Schutz, mit

Sicherheitsgarantien der USA und Russlands.


*Die deutsche Außenministerin hat sich derweil in dieser Woche in

Charkiw mit den Menschen vor Ort solidarisiert, aber auch weitere

Waffenlieferungen gefordert. *Im ersten Moment dachte ich: Was für eine

bewundernswerte Aktion. So wird der Blick der Weltgemeinschaft auf die

dramatische Lage der ukrainischen Zivilbevölkerung gelenkt.


*Und im zweiten Moment? *Da frage ich mich, warum Frau Baerbock im

vergangenen Frühjahr nicht schon nach Nordsyrien und in den Nordirak

geflogen ist, um vor Ort auf die dramatische Lage der kurdischen

Zivilbevölkerung aufmerksam zu machen. Bei der alljährlich

stattfindenden sogenannten Frühjahrsoffensive bombardiert die türkische

Luftwaffe völkerrechtswidrig zivile und militärische Ziele. Bei der

Besetzung der kurdischen Stadt Afrin wurden deutsche »Leopard 2«-Panzer

eingesetzt.


*Wie reagiert der Westen auf diese Kriege? *Alle westlichen Regierungen,

auch die Bundesregierung, schauen trotz schwerster

Menschenrechtsverletzungen beschämt weg. Denn die Türkei ist

NATO-Mitglied. Wenn das Regime Erdogan im kommenden Frühjahr erneut

todbringende Angriffe fliegt, dann sollte Frau Baerbock sich mit einem

Vor-Ort-Besuch mit der kurdischen Zivilbevölkerung solidarisieren – das

wäre glaubwürdige Friedenspolitik.


*Zum Jahrestag des Kriegsbeginns gegen die Ukraine im Februar bereiten

Sie Friedensaktionen vor. Was ist geplant? *Die DFG-VK unterstützt den

Aufruf »Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und

Verhandlungen!«. Darin benennen wir Russland als völkerrechtswidrigen

Aggressor. Wir bekennen uns zu diplomatischen Initiativen, einem

Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Am Aktionswochenende vom 24.

bis 26. Februar werden bundesweit gewaltfreie Proteste stattfinden.


_https://www.jungewelt.de/artikel/442681.deutschland-ist-l%C3%A4ngst-kriegspartei.html_


--


www.juergengraesslin.com <http://www.juergengraesslin.com>


www.aufschrei-waffenhandel.de <http://www.aufschrei-waffenhandel.de>

www.dfg-vk.de <http://www.dfg-vk.de> (Mitglied werden

<https://dfg-vk.de/mitglied-werden/>)


www.gn-stat.org <http://www.gn-stat.org>

www.rib-ev.de <http://www.rib-ev.de> (Mitglied werden

<https://www.rib-ev.de/mitgliedschaft/>)


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13.01.2023

Lunte ist gelegt Hochrüstung in Japan

jungewelt.de, Aus: Ausgabe vom 13.01.2023, Kommentar, Von Jörg Kronauer


 

IMAGO/piemags

Japans Kriegsminister Yasukazu Hamada im Pentagon (September 2022)


Zitat: Einen »historischen Bündnisbeschluss zur Optimierung unserer Militärpräsenz in Japan«: So hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die gemeinsame Erklärung genannt, die er, sein japanischer Amtskollege und die Außenminister beider Länder soeben in Washington unterzeichnet haben. Die ganze Welt hat zuletzt, was die Hochrüstung in Ostasien anbelangt, vor allem auf Japan selbst geblickt: Tokio verdoppelt seine Militärausgaben, wird schon in wenigen Jahren den drittgrößten Militäretat weltweit aufweisen, beschafft mit dem Geld US-Kampfjets vom Typ »F-35« und »Tomahawk«-Raketen, pumpt die eigene Rüstungsindustrie auf und kündigt den Aufbau einer Raketenstreitmacht an, die unter anderem China mit einem Raketenhagel überziehen kann. Selbstverständlich nur zur Abwehr, heißt es. Offiziell nennt Tokio das japanische Militär immer noch »Selbstverteidigungsstreitkräfte« – ein dünner Witz.


Fast schon im Windschatten der beispiellosen Militarisierung Japans bauen nun aber, Lloyd Austin hat es betont, auch die Vereinigten Staaten die Präsenz ihrer Truppen in dem Land aus. Es lohnt, in die Details zu schauen. So werden die US-Streitkräfte eine kleine, mit Schiffen ausgerüstete Einheit auf Okinawa stationieren, deren Aufgabe allein darin besteht, im Ernstfall US-amerikanische und japanische Soldaten auf kleine, weit vorgelagerte Inseln zu bringen. Das sind einerseits Inseln wie Yonaguni, die weit südwestlich von Okinawa liegen: ziemlich nahe bei Taiwan, mit dem – nebenbei – auch Japan in Zukunft militärisch eng kooperieren will. Die erste Inselkette vor der chinesischen Küste wird allmählich militärisch geschlossen. Andererseits werden die US-Schiffe auch Soldaten auf die strategisch wichtigen Senkaku-Inseln bringen können, die Japan kontrolliert, die aber auch von China beansprucht werden. Japan nahm sie 1895, gleichzeitig mit Taiwan, dem Reich der Mitte weg, musste sie 1945 wieder abgeben. Allerdings behielten die USA sie für sich ein, um sie 1972 freihändig Japan zuzuschlagen. Chinesische Schiffe kreuzen oft in ihren Gewässern, um Beijings Ansprüche zu markieren. Washington hat nun bekräftigt, auch für die Senkaku-Inseln gelte seine militärische Beistandsgarantie. Die Lunte ist gelegt.


Dass die krasse Militarisierung nicht bloß Japan selbst erfasst, sondern weit hinein in andere Regionen zu wuchern droht, zeigt eine Überlegung, die vergangene Woche die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei öffentlich machte. Demnach erwägt Tokio, in Zukunft seine Entwicklungshilfe auch in Rüstung und Militär zu stecken: in den Bau militärisch nutzbarer Häfen und Flughäfen in Entwicklungsländern, in deren Aufrüstung mit Radaranlagen und gepanzerten Fahrzeugen. In Frage kämen wohl vor allem einige Länder Südostasiens, vielleicht auch Inselstaaten im Pazifik. Startbahnen für Kampfjets statt Maßnahmen zur Wasserbewirtschaftung und zum Hochwasserschutz: Da werden nicht mehr Länder, sondern Schlachtfelder entwickelt.


Info: https://www.jungewelt.de/artikel/442711.lunte-ist-gelegt.html


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13.01.2023

Der autoritäre Liberalismus bedroht die Demokratie in Deutschland

meinungsfreiheit.rtde.life, vom 10 Jan. 2023 20:57 Uhr, Von Gert Ewen Ungar

Deutschland befindet sich als liberale Demokratie in Systemkonkurrenz zu autoritären Staaten, ist die offizielle Leitlinie deutscher Politik. Ein Blick auf die deutsche Realität zeigt jedoch: Deutschlands politische und mediale Eliten sind demokratiefeindlich und verachten die Wähler.


Quelle: www.globallookpress.com



Der westliche Liberalismus ist in seinem Gegenteil angekommen.


Die große aktuelle politische Erzählung ist die vom Systemkonflikt. Den liberalen Demokratien, in denen die Bürger umfassende Freiheiten genießen, stehen autoritäre Systeme gegenüber, die darauf abzielen, diese mühsam errungenen Freiheiten zu zerstören. Auf der einen Seite der freie Westen, auf der anderen Seite autoritäre Systeme wie Russland und China, lautet die vorgetragene Behauptung. Autoritäre Systeme unterscheiden sich von liberalen Demokratien dadurch, dass es ihnen nur um den eigenen, inneren Machterhalt und die Bereicherung einer kleinen, korrupten Elite geht.


Das, was sich für viele spätestens seit der umfassenden medialen sowie politischen Diskriminierung von Maßnahmenkritikern während der COVID-19-Pandemie wie ein schlechter Witz anhört, ist die offizielle außen- und innenpolitische Leitlinie in Deutschland und der EU. Dass es sich schräg und wenig stimmig anhört, hat seinen Grund in einer antidemokratischen Fehlentwicklung, die dem Liberalismus innewohnt. Gerade in den westlichen Demokratien stehen demokratische und freiheitliche Prozesse zunehmend unter Druck, werden immer weiter ausgehöhlt und zurückgedrängt. Der Liberalismus tritt in Deutschland in seine letzte, autokratische Phase ein. 

Verantwortlich dafür sind zwei Prozesse. Zum einen die Ersetzung des Universalismus der Aufklärung durch die im Kern reaktionäre und gegen Demokratie sowie die damit verbundene Kompromissfindung gerichtete Identitätspolitik. Ausdruck der eigenen Befindlichkeit, Emotion und Emotionalisierung ersetzen Dialog und Rationalität. Im öffentlichen Raum findet der Einzelne mit seiner Besonderheit nicht mehr seinen Platz, sondern der öffentliche Raum hat sich den Besonderheiten des Einzelnen unterzuordnen und sich seinen Befindlichkeiten anzupassen. Mit der Identitätspolitik als Leitfaden politischen Handelns kehrt sich der Liberalismus in sein repressives Gegenteil.


Das Propaganda-Märchen vom "linken Mainstream" – oder: Wenn Kapitalismus-Fans mit Marx ankommen




Meinung

Das Propaganda-Märchen vom "linken Mainstream" – oder: Wenn Kapitalismus-Fans mit Marx ankommen





Zum anderen war der Liberalismus immer ein Elitenprojekt und kein Projekt für die breite Masse. Heute äußert sich das darin, dass Nichtregierungsorganisationen, Thinktanks und eine mediale Elite die Themen des öffentlichen Diskurses bestimmen und die zugelassene Diskussionsbreite festlegen. Die Idee der offenen Gesellschaft ist in Deutschland keine Realität.


Dass sich Journalisten als Elite verstehen, die ihren Lesern und Zuschauern Regierungshandeln vermitteln, stellt eine umfassende Repräsentationskrise dar, durch die die ohnehin schon vorhandene politische Repräsentationskrise noch verstärkt wird. Immer größere Teile der deutschen Gesellschaft finden sich in Medien und Politik nicht wieder. Der große Teil der bürgerlichen Gesellschaft bleibt ausgeschlossen und wird zum Objekt journalistischen Tuns. Es gilt, ihn zu belehren, zu erziehen und zu domestizieren. Der Aspekt, Journalismus als Kommunikation von Bürgerwillen an die politische Macht zu verstehen, ist in Deutschland nicht mehr präsent. Der deutsche Journalismus hat die Seiten gewechselt und ist Teil eines immer repressiver agierenden Machtapparats geworden, den er in einer funktionierenden Demokratie kritisch begleiten würde.


Als der frühere deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble während der Finanzkrise den widerspenstigen Griechen klarmachte: "Wahlen ändern nichts", produzierte das noch einen kleinen Aufreger. Die griechischen Wähler hatten sich erlaubt, mit SYRIZA ein Linksbündnis in die Regierung zu wählen, das versprochen hatte, die von der EU und allen voran Deutschland oktroyierte Austeritätspolitik zu korrigieren und neu zu verhandeln.


Dr. Karin Kneissl: Die Freiheit, die ich meine





Meinung

Dr. Karin Kneissl: Die Freiheit, die ich meine






"Wir wollen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, aber die Wahlen ändern nichts an den Regeln und Bedingungen", dozierte Schäuble und verschärfte den aufgezwungenen Sparkurs gegen Griechenland nochmals deutlich. Als Beobachter konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, Schäuble handele aus persönlichen Motiven und trachte nach nichts weniger als einer Bestrafung des griechischen Volkes wegen einer in seinen Augen falsch getroffenen Wahl. 

Was Schäuble hier in einer Art Tabubruch in seiner Wählerverachtung zum ersten Mal öffentlich artikulierte, war jedoch lediglich das Selbstverständnis einer wirtschaftsliberalen Elite, die in demokratischen Prozessen eine Gefahr für das ihrem eigenen Wohlstand und Status dienliche Wirtschaftsmodell sieht.


Inzwischen ist Schäubles antidemokratische Haltung Grundprinzip der EU und Deutschlands. Wählerwille wird diskriminiert, wenn das Ergebnis nicht den Vorstellungen einer kleinen, gut vernetzten politisch-medialen Elite entspricht. Trump, AfD, Lukaschenko, Putin – die Wähler sind dumm und wählen zu häufig die falsche Seite, ist die in dieser Gruppe vorherrschende Annahme.


Die liberale Elite glaubt sich daher im Recht, diese Ergebnisse in ihrem Sinne korrigieren zu dürfen. Die Einmischung westlicher Länder in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, mit dem Ziel dort Änderungen im Wählerverhalten bis zu Umstürzen im Interesse westlicher, vermeintlicher liberaler Werte auszulösen, macht dies nur zu deutlich. Wahlen und demokratische Prozesse sind nur dann zu unterstützen, wenn sie ein dem westlichen Liberalismus genehmes Ergebnis produzieren.


"Keine verfassungsrechtlichen Bedenken" – Bundesregierung verteidigt Gleichschaltung





Meinung

"Keine verfassungsrechtlichen Bedenken" – Bundesregierung verteidigt Gleichschaltung





Auch die in Deutschland offen vorgetragene Verachtung von Wählern der AfD passt in dieses Bild. Sie werden kollektiv verunglimpft. Es gelingt nicht, den sich darin ausdrückenden Wählerwillen zu respektieren und politisches Handeln darauf auszurichten. Diskussionen werden verweigert. Die Motivation der Wähler und ihre Entscheidung werden undifferenziert verallgemeinert und verschlagwortet.


In einer paradoxen Umkehr wird die Einschränkung von Demokratie und Grundrechten gefordert und immer häufiger durchgesetzt, mit der Begründung, dadurch den Liberalismus, die Demokratie und ihre freiheitlichen Werte zu schützen. Die Unfähigkeit einer kleinen gesellschaftlichen Gruppe zum demokratischen Kompromiss wird mit moralischer Hybris getarnt und gibt sich als Sorge um Demokratie und Freiheit aus. Sie ist aber offenkundig das genaue Gegenteil. Der Liberalismus in seiner aktuellen Form verachtet demokratische Prozesse, denn er sieht darin eine Gefahr für sich selbst.


In Deutschland wird das besonders auffällig. Die NGOisierung der Politik dient ausschließlich dem Erhalt des Status quo – dem Transatlantizismus, dem Erhalt von Einfluss und Macht. Durch Nichtregierungsorganisationen, vielfach unterstützt von finanzstarken Geldgebern oder aus Steuermitteln finanziert, wird ein Elitendiskurs gefördert, der sich von den tatsächlichen Bedürfnissen und Belangen des eigentlichen Souveräns immer weiter abkoppelt und sich gegen die Interessen der Mehrheit richtet. Es ist ein Diskurs, der sich gegen jegliche Aufklärung richtet und der über Emotionalisierung und unter Ausklammerung von Fakten den Status quo zementiert.


Die EU hat zu dem gegriffen, was sie sonst als "totalitäre Zensur" anprangert





Meinung

Die EU hat zu dem gegriffen, was sie sonst als "totalitäre Zensur" anprangert





Spätestens die Verunglimpfung von Kritikern der Corona-Maßnahmen durch Politik und Medien brachte es an den Tag. Es geht längst nicht mehr um einen breit geführten öffentlichen Diskurs, um das Ausloten und Finden von Kompromissen, in denen sich möglichst viele wiederfinden können. Vielmehr geht es um ein autoritäres Aufdrücken von vorgefertigten Wahrheiten durch einen eng gehaltenen Korridor zugelassener Meinungen. Alles außerhalb davon wird verunglimpft. Der Liberalismus verteidigt nicht die Demokratie. Deutschland ist auf dem Weg in die Repression.


In der Ukraine-Krise nimmt das noch einmal verstärkte Form an. Andere Sichtweisen werden diskriminiert und ausgegrenzt. Journalisten wie der renommierte Investigativ-Journalist Patrik Baab verlieren ihre Existenzgrundlage, wenn sie nicht das offizielle Narrativ bedienen. Eine Diskussion über die Vorgeschichte des Konflikts und Forderungen nach diplomatischen Konfliktlösungen sowie die mutmaßlichen Kriegsverbrechen der Ukraine werden systematisch unterdrückt. Die veröffentlichte Meinung weist den Weg in Richtung Eskalation des Konflikts als vermeintlich alternativlos. Hier zeigt sich kein freiheitlicher Liberalismus, hier zeigt sich ein autoritäres System.


Während "autoritäre Regime" wie Russland in einem deutlich engeren Dialog mit Bürgern und Bürgerinnen stehen und zur Kurskorrektur bereit sind, ist es die liberale Demokratie schon längst nicht mehr. Der eingeschlagene Kurs muss dem Bürger vermittelt werden. Er wird auf jeden Fall und gegen alle Widerstände gehalten.


Die liberale Demokratie in Deutschland in ihrer aktuellen Ausprägung hat inzwischen in vielen gesellschaftlichen Bereichen deutlich autoritärere Züge angenommen als die vermeintlich autoritären Systeme, zu denen sich Deutschland in Konkurrenz sieht. Eine Korrektur des eingeschlagenen Kurses ist dabei nicht in Sicht.


Mehr zum Thema – Alexander Dugin im Gespräch mit RT: Der Westen muss sich mit seiner Reprovinzialisierung abfinden


RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/159367-autoritaere-liberalismus-bedroht-demokratie-in


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