nachdenkseiten.de, vom 07. Januar 2019 um 10:08 Ein Artikel von: Jens Berger
Die geleakten Dokumente zur „Integrity Initiative“ zeigen auf erschreckende Art und Weise, mit welchem Selbstverständnis Meinungsmacher aus dem Umfeld der NATO heute ihre PR-Netzwerke bis tief hinein in die Redaktionen deutscher Medien aufbauen. Mindestens ebenso erschreckend ist es jedoch, dass – fast – kein deutsches Medium diesen Skandal aufgreift. Die NachDenkSeiten hatten die Gelegenheit, einen ausführlichen Blick in den Zwischenbericht der deutschen Zelle von Integrity Initiative zu werfen.
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Zitat: Groß war die Aufregung, als der SPIEGEL vermeldete , einem „Betrugsfall im eigenen Hause“ zum Opfer gefallen zu sein – nahezu alle großen Medien berichteten und waren sich dann aber auch schnell darin einig, dass dies ein bedauernswerter Einzelfall gewesen sein muss. Diese Zuversicht ist erstaunlich, da sich zeitgleich dank der Veröffentlichung geleakter interner Dokumente eines britischen Think Tanks ein ungleich größerer Fall von Meinungsmache und Propaganda in den westlichen Medien umreißen lässt – die Rede ist von der „Integrity Initiative“, einem Programm des dubiosen britischen „Institute for Statecraft“; maßgeblich finanziert vom britischen Außenministerium und der NATO, geleitet von Personen aus dem engeren Umfeld der NATO, des britischen Militärs und der britischen Geheimdienste. Offiziell soll es darum gehen, „russische Desinformationen“ zu kontern. Eigentlich – das legen die internen Papiere nahe – geht es jedoch eher darum, die Lufthoheit in der Propagandaschlacht zu behalten und die NATO-Sichtweise zur vorherrschenden Meinung zu machen, um – in den Worten von Piers Robinson – die „antirussische außenpolitische Agenda westlicher Regierungen zu promoten“. Man könnte auch von einem Infokrieg sprechen, dessen Krieger in Denkfabriken, Universitätsinstituten und Redaktionsbüros sitzen.
In unserem letzten Hintergrundartikel wiesen wir bereits darauf hin, dass die Integrity Initiative in Großbritannien selbst und in Ländern wie Spanien oder Serbien bereits aktiv ist. Eine deutsche Zelle der Initiative ist jedoch ebenfalls im Aufbau und ein von Anonymous geleakter Zwischenbericht, der den NachDenkSeiten vorliegt, gibt einen recht präzisen Einblick in deren geplanten Aufbau.
Kopf der deutschen Zelle der Integrity Initiative soll den Dokumenten zufolge Hannes Adomeit sein, ein Politikwissenschaftler mit einschlägiger Vergangenheit. Bereits kurz nach seiner Promotion an der Columbia University im Jahre 1972 verbrachte er den Rest des kalten Krieges als Experte für „Sowjetstudien“ an britischen, kanadischen und deutschen Instituten im näheren Umfeld des militärischen Sektors, wie beispielsweise der RAND Corporation in Santa Monica. Nach 1989 unterrichtete Adomeit unter anderem an der Tufts University, die zu jener Zeit auch als Rekrutierungspool der CIA bekannt war, in Harvard und zuletzt in Warschau an der europäischen Eliteschmiede „College of Europe“. Seit letztem Jahr ist der nunmehr 77-jährige Adomeit auf dem Papier „Non-Resident Fellow“ des Instituts für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK). Das ISPK gehört zwar zur Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wird jedoch in einem nicht unwesentlichen Umfang vom Bundesverteidigungsministerium „querfinanziert“ und hat sich in letzter Zeit auch verstärkt als Ansprechpartner für die Medien positioniert. Die Linie des ISPK ist dabei klar – pro Militär, pro Rüstung, pro NATO, pro USA und Großbritannien.
Mitte Juni wurde Adomeit den geleakten Papieren zufolge auf einem Treffen in London in die Arbeit des Institute for Statecraft und der Integrity Initiative eingewiesen und wird seitdem in internen Dokumenten als Kopf der deutschen Zelle (German Cluster) geführt. Dass die Wahl der Briten auf Hannes Adomeit fiel, war sicherlich kein Zufall. Bereits 1984 agitierte Adomeit für seine Auftraggeber in den US-Denkfabriken gegen die damalige Friedensbewegung der BRD, die politische Linke und das, was Adomeit in Gänsefüßchen damals wie heute als „progressive“ Politik bezeichnet. An diesem Kurs hat sich in den letzten 35 Jahren nicht viel geändert, wie er bereits im Vorwort zu seinem „German Cluster Interim Report“ klar unterstreicht. Dort stellt der Falke aus dem kalten Krieg auch eine vermeintliche „Querfront-Konstellation“ aus AfD und Linkspartei als deutsche Besonderheit beim Kampf im Infokrieg der NATO heraus, die offenbar ein „Hindernis“ für die NATO-PR darstellt.
Laut Adomeit sei zudem bemerkenswert, dass das „russische Narrativ“ in Deutschland besonders populär sei, das besagt, dass die USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den alten Feind ganz einfach durch den neuen Feind Russland ersetzt hätten und mithilfe der NATO in russische Interessengebiete vorgedrungen seien. Warum soll dies eigentlich ein „russisches Narrativ“ sein? Dies ist schlicht Fakt, aber diese kleine Note wirft einen sehr bezeichnenden Blick auf die Geisteswelt der alten neuen kalten Krieger, in der jede Form von Entspannungspolitik Verrat und Konfrontation alternativlos ist.
Als eine Art „Führungsoffizier“ der deutschen Zelle fungiert den geleakten Papieren zufolge der Brite Harold Elletson, der laut der britischen Zeitung „Observer“ früher als Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 in Osteuropa und auf dem Balkan tätig war. Nach einem Mandat für die britischen Konservativen im Unterhaus war Elletson mehrere Jahre Direktor des „NATO-Forums für Wirtschaft und Sicherheit“, einer beim Militärbündnis angesiedelten Schnittstelle zwischen Politik und Rüstungsindustrie. Heute ist Elletson offiziell „PR-Berater“, Rüstungslobbyist (AFPS) und Berater für westliche Unternehmen, die im Wirtschaftsraum der ehemaligen Sowjetunion tätig sind – u.a. Alstom in Sibirien und BP in Aserbaidschan. Zur Funktion Elletsons für die deutsche Zelle schreibt Adomeit nur kurz und knapp, dass „alle Aktivitäten mit ihm koordiniert wurden und werden“. Ein anderes Dokument aus dem Leak bezeichnet ihn als Verbindungsmann zwischen dem Institute for Statecraft und der deutschen Zelle der Integrity Initiative.
Als engen Freund und Weggefährten bezeichnet Hannes Adomeit den Direktor des Kieler ISPK Joachim Krause, der ebenfalls als Mitglied der deutschen Zelle geführt wird. Anwerbungsgespräche mit ihm seien – so Adomeit – nicht nötig, da er mit Krause ohnehin nahezu täglich in Kontakt stehe. Krause gilt als Transatlantiker, überzeugter Anhänger einer massiven Ausweitung des deutschen und europäischen Rüstungsbudgets und sieht in Russland vor allem einen „strategischen Konkurrenten“. Die NachDenkSeiten hatten sich 2013 schon einmal recht ausführlich mit Krause und seinem Kampf gegen die „Zivilklausel“ beschäftigt, die es Universitäten erschweren soll, Gelder für militärische Forschung vom Militär und der Rüstungsindustrie zu akquirieren. Gerade das ISPK der Uni Kiel mit seinen „Forschungsgeldern“ aus dem militärischen Sektor wäre von einer solchen Zivilklausel natürlich besonders betroffen.
Auch das dritte Mitglied der deutschen Zelle sollte aufmerksamen Lesern der NachDenkSeiten durchaus bekannt sein – schließlich gilt die ehemalige Grünen-Politikerin Marieluise Beck im liberalen bürgerlichen Lager seit vielen Jahren als Speerspitze der Vorwärtsverteidigung deutscher Werte gen Osten. Wann immer taz und Co. ein „knackiges“ antirussisches Zitat benötigen, werden sie bei Beck fündig. Seit einem Jahr betreibt die ehemalige Abgeordnete zusammen mit ihrem Ehemann Ralf Fücks, der lange Zeit der Heinrich-Böll-Stiftung vorstand, den transatlantischen ThinkTank „Zentrum Liberale Moderne“ (Libmod). Von Adomeit wurde sie – dem Zwischenbericht zufolge – am 20. September 2018 über ihre mögliche Rolle in der deutschen Zelle der Integrity Initiative gebrieft. Auch weitere avisierte Mitglieder der deutschen Zelle gehören dem „Zentrum Liberale Moderne“ an oder stehen in engem Kontakt mit dieser Denkfabrik, die neben dem Kieler ISPK offenbar den Kern der britischen NATO-PR im deutschen Raum bildet.
Dazu zählt auch der ehemalige Focus-Journalist Boris Reitschuster, der von Adomeit dem Bericht zufolge wenige Tage später über seine Funktion bei der Integrity Initiative informiert wurde. Reitschuster machte sich mit Büchern wie „Putins Demokratur“ und „Putins verdeckter Krieg“ in der transatlantischen Community einen Namen; beruflich genutzt hat ihm seine offene antirussische Propaganda jedoch nichts – seit 2015 ist unklar, womit er nach seinem Rauswurf beim Focus eigentlich sein Geld verdient. Großartige Überzeugungsarbeit musste Adomeit bei Reitschuster sicherlich nicht aufbringen, zählt dieser im publizistischen Bereich doch zu den berüchtigtsten „Russenfressern“ der Branche, der mit der konfrontativen NATO-Linie sicher keine Probleme hat.
In der Öffentlichkeit weniger bekannt ist die Tagesspiegel-Korrespondentin Claudia von Salzen, die in ihren zahlreichen Artikeln ebenfalls eine „klare Kante“ gegen Russland zeigt. Mit ihren Mitstreitern von der Integrity Initiative eint von Salzen, dass sie die Deutschen als „Opfer russischer Propaganda“ sieht und die Existenz westlicher Propaganda glatt bestreitet. Ins gleiche Horn stößt auch Susanne Spahn, die als Osteuropa-Historikerin und freie Journalistin dieser Linie offenbar eine „akademische Note“ verleihen soll. Zwei weitere Journalisten, die im Zwischenbericht genannt sind, konnten den NachDenkSeiten gegenüber glaubhaft versichern, dass sie zwar von Adomeit angesprochen wurden, aber sein Angebot – auch aus inhaltlichen Gründen – abgelehnt hatten. Beck, von Salzen und Spahn wurden von Adomeit zum Zeitpunkt seines Zwischenberichts bereits kontaktiert und über ihre Rolle informiert.
Weitere Treffen sollten den Dokumenten zufolge mit verschiedenen Journalisten und Mitarbeitern unterschiedlicher Stiftungen und Denkfabriken mit Osteuropa- und Russlandbezug stattfinden, die Hannes Adomeit für eine Mitarbeit bei der Integrity Initiative gewinnen wollte. Ob es zu diesen Treffen kam und ob die vorgesehenen Kandidaten zusagten oder ablehnten, ist jedoch aus den geleakten Dokumenten nicht ersichtlich.
Nachträgliche Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version hatten wir die Personen, mit denen Adomeit Gespräche bereits geführt oder geplant hat, namentlich genannt. Da einige dieser Personen uns gegenüber versicherten, das Angebot Adomeits abgelehnt zu haben oder gar nicht von ihm kontaktiert worden zu sein, haben wir uns entschlossen, auf eine namentliche Nennung zu verzichten.
Wie die künftige Arbeit der deutschen Zelle konkret aussehen soll, ist durch die bislang veröffentlichten Dokumente nicht ersichtlich. Klar ist jedoch, dass es um Propaganda geht, mit deren Hilfe man den „Infokrieg“ um die öffentliche Meinung für sich entscheiden will. Russland soll demnach dämonisiert werden und man ist bemüht, die Zustimmung für eine Konfrontationspolitik gegenüber Russland zu stärken. Dabei geht es nicht „nur“ um Außenpolitik, sondern auch um sehr viel Geld, hängt das milliardenschwere Rüstungsbudget Deutschlands doch auch ganz wesentlich davon ab, ob die PR-Initiativen der transatlantischen NATO-nahen Denkfabriken es schaffen, eine Bedrohungslage zu zeichnen, die es der Politik erlaubt, Gelder in die Rüstung und nicht etwa in Bildung, Infrastruktur oder Soziales zu stecken.
Um es klar zu sagen: Solche PR-Arbeit ist im Kern natürlich legitim. Unternehmen, Unternehmensverbände und auch öffentliche Stellen betreiben stets eine mehr oder weniger ausgereifte PR-Arbeit. Nicht legitim ist es jedoch, diese PR-Arbeit verdeckt und mithilfe von mit Steuergeldern finanzierten Universitäten und den Medien zu betreiben. Wissenschaftler, deren Existenz von den Forschungsgeldern der Rüstungswirtschaft und dem Verteidigungsbudget abhängen, können nie neutral und objektiv sein, da sie sich ja dann unter Umständen selbst überflüssig machen würden. Wie viele Wissenschaftler sind eigentlich in den NATO-Ländern für die unzähligen Denkfabriken und Stiftungen tätig? Eine Recherche der NachDenkSeiten aus 2017 ergab, dass alleine die 100 größten Think Tanks der USA auf ein jährliches Budget von mehr als 5,4 Milliarden US-Dollar bei einem Stiftungsvermögen von mehr als 40 Milliarden US-Dollar zurückgreifen können. In bestimmten Fachrichtungen (z.B. Orientalistik, Osteuropawissenschaften, Sinologie) sind solche Denkfabriken aus dem unmittelbaren Umfeld des militärisch-industriellen Sektors sicherlich der mit großem Abstand wichtigste Arbeitgeber für Akademiker. Problematisch ist hier natürlich, dass die Geldgeber bestimmen, in welche Richtung die Forschung geht. Falken wie Hannes Adomeit kommt dies sicher auch ideologisch sehr zupass. Für die Tauben fallen bestenfalls Krümel ab. Eine neutrale Wissenschaft ist bei einer derartigen Schieflage der Finanzkraft jedenfalls nicht denkbar. Es ist zudem nicht hinnehmbar, dass der Steuerzahler derartige Propagandaarbeit direkt und indirekt querfinanziert. Auch wenn die Arbeit von Instituten, wie dem Kieler ISPK, zu einem Teil über sogenannte Drittmittel aus dem Verteidigungsministerium und der Rüstungsindustrie finanziert wird, so bezahlt letzten Endes doch immer noch der Steuerzahler die Gehälter der dort tätigen Mitarbeiter und die ansonsten anfallenden Kosten. Dies ist nicht hinnehmbar. Entweder ein Institut wird aus öffentlichen Mitteln finanziert und ist dann aber auch transparent und darf keine Drittmittel von interessierter Seite annehmen, oder es lässt sich über Drittmittel finanzieren, darf dann aber direkt und auch indirekt keine öffentlichen Gelder mehr beziehen.
Und auch im Journalismus stellen Propaganda-Netzwerke wie die Integrity Initiative ein großes Problem dar. Für viele Leser, Zuschauer oder Zuhörer stellen die Medien ja immer noch eine neutrale Instanz dar, die Pro und Contra abwiegt und sich dann ein eigenes, neutrales Bild macht. Dass Journalisten selbst Einflussagenten von Lobbys und PR-Agenturen aus dem näheren Umfeld des militärisch-industriellen Sektors sind, ist mit dem Berufsethos von Journalisten schlicht nicht vereinbar. Leser des Tagesspiegel sollten beispielsweise wissen, für wen Frau von Salzen schreibt und wessen Interessen sie publizistisch vertritt; die formelle oder informelle Mitgliedschaft in einer „Initiative“, die von fremden Regierungen finanziert wird, gehört ganz sicher nicht zu den Dingen, die man dem Leser vorenthalten sollte. Die Grenzen zwischen bewusster Täuschung der Leser – wie im Fall Claas Relotius – und bewusster Manipulation der Leser – wie es die Integrity Initiative offenbar plant – sind fließend.
Es ist klar, dass die britische Integrity Initiative sicherlich kein Einzelfall ist. Die Nähe zahlreicher Journalisten zu transatlantischen Netzwerken ist hinlänglich bekannt, wird von Seiten der großen Medien aber fast nie kritisch durchleuchtet. Hier passt der Fall Integrity Initiative voll ins Schema. Verbindungen von Wissenschaft und Medien zu NATO, Militär und transatlantischen Netzwerken wurden und werden lieber verschwiegen – daran wird sich leider auch durch die Leaks zur Integrity Initiative nichts ändern, so lange die Öffentlichkeit zu diesem Thema schweigt.
Titelbild: Victor Moussa/shutterstock.com
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unser weiterer Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Der Zweck und die Absicht von Integrity Initiative ist eine Propagandaoperation
nachdenkseiten.de, vom 07. Januar 2019 um 8:35 Ein Artikel von Marcus Klöckner
Der russische Auslandssender RT kürte die Integrity Initiative zur „größten Story des Jahres 2018“. Die NachDenkSeiten und Telepolis berichteten bereits, während die großen Medien das Thema ignorieren, obgleich es gerade sie eigentlich angeht. Marcus Klöckner hat für die NachDenkSeiten mit dem britischen Journalistik-Professor Piers Robinson gesprochen, der an der Auswertung der Dokumente über die Organisation beteiligt ist.
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Prof. Dr. Robinson, Sie und Mitglieder der „Arbeitsgruppe zu Syrien, Medien und Propaganda“ haben gerade ein Papier veröffentlicht, das sich mit einem scheinbar großangelegten Propagandaprojekt gegen Russland auseinandersetzt. Das Projekt kommt aus Großbritannien, aber es hat Verbindungen zu einer Reihe von europäischen Ländern. Eines der Dokumente, mit denen Sie sich auseinandersetzen, spricht von einer „deutschen Gruppe“ (cluster team) und deutschen Journalisten. Bitte, sagen Sie uns mehr darüber. Was ist da los?
Ja, das ist richtig. Die durchgesickerten Unterlagen führen 14 Personen einer deutschen Gruppe als Teil des Netzwerkes auf.
Schritt für Schritt: Woher kommen die Unterlagen denn?
Zwei Bündel Unterlagen wurden von Anonymous geleakt. Die Veröffentlichung erfolgte im November. Vor kurzem, am 13. Dezember, wurden weitere Unterlagen veröffentlicht. Seit dieser Zeit gibt es auch ein Interesse an den Unterlagen. Einmal vonseiten der akademischen Welt (der Working Group on Syria, Media and Propaganda), aber auch vonseiten der Medien. So hat beispielsweise der Daily Record über sie berichtet. Des Weiteren haben die Politiker Chris Williamson (Labour Party) und Emily Thornberry, Großbritanniens Schattenaußenminister, im Parlament Fragen gestellt.
Woher wissen Sie, dass die Dokumente echt, also kein Fake sind?
Die Integrity Initiative hat bereits bestätigt, dass viele der Unterlagen echt sind. Und bis jetzt, trotz einer beträchtlichen Öffentlichkeit, haben die Projektverantwortlichen die Dokumente nicht als Fake erklärt. Bis jetzt gibt es keinerlei Hinweise, dass die Unterlagen falsch oder manipuliert worden sind.
Gegenüber wem hat die Initiative das bestätigt?
Die offizielle Stellungnahme der Integrity Initiative bestätigt, „dass Integrity-Initiative-Dokumente gestohlen und online gepostet worden sind“ und dass die Integrity Initiative „bislang keine Gelegenheit hatte, alle diese Dokumente zu prüfen und daher nicht mit Sicherheit sagen kann, ob alle Dokumente echt sind oder ob sie manipuliertes oder gefaktes Material beinhalten. Jedoch ist klar, dass ein Großteil des Materials in der Tat vom Integrity-Initiative- bzw. Institute-of-Statecraft-System stammt.“ Soweit ich das überblicken kann, gibt es bisher keinerlei Beweise dafür, dass das Material auch nur in Teilen gefakt oder manipuliert worden ist. Zudem, wie vorhin schon gesagt, waren die Dokumente Thema in Medienberichten der britischen Presse und die Grundlage für parlamentarische Anfragen.
Sagen Sie uns bitte mehr über die Unterlagen, die einen Bezug zu Deutschland haben.
In dem Dokument werden [mehrere deutsche Journalisten namentlich genannt][*]. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Journalisten auch zugestimmt haben, Teil von Integrity Initiative (II) zu werden.
Integrity Initiative? Das ist der Name des Projekts, oder?
Genau. Es ist zwingend notwendig, dass investigative Journalisten aus Deutschland der Sache auf den Grund gehen. Es sieht jedenfalls so aus, das wird aus dem Dokument ersichtlich, dass von Salzen sich auf das Projekt eingelassen hat. In dem Dokument heißt es, dass von Salzen sich mit dem Fall Andrey Kovalchuk auseinandersetzen werde [Anmerkung der Redaktion: In dem Dokument wird über Kovalchuk gesprochen, der in Deutschland verhaftet wurde – angeblich wegen des Schmuggelns von 400 Kilogramm Kokain].
In dem Übergangsbericht der deutschen Gruppe heißt es, dass Treffen mit Journalisten und anderen Personen bereits stattgefunden haben bzw. terminiert sind. Was sagt Ihnen das?
Das sagt uns, dass die Integrity Initiative aktiv versucht, ihre Aktivität in Deutschland auszudehnen. Die Integrity Initiative behauptet, gegen ‚Russlands Desinformation’ angehen zu wollen. Aber: Aus den Dokumenten, die bisher an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist klar ersichtlich, dass die Initiative und ihre Mutterorganisation, das Institute for Statecraft, auch versuchen, sowohl Pro-Nato-Sichtweisen als auch eine anti-russische Agenda und die außenpolitische Agenda vieler westlicher Regierungen zu promoten. Dies geschieht durch die Kooptation von Journalisten und Akademikern. Sie haben beträchtliche Summen zu ihrer Verfügung. Ihre Aktivität, unter der Voraussetzung, dass sie erfolgreich sein werden, wird eine freie und offene Debatte in ganz Europa, aber auch in Deutschland, hemmen.
Die Integrity Initiative ist Teil eines Instituts, oder?
Ja. Hinter der Integrity Initiative steht das Institute for Statecraft, das von dem Außenministerium finanziert wird. Jedes Jahr fließen ihm so rund 2,9 Millionen Euro zu.
Welchen Zweck erfüllt das Institut denn?
Das Institute for Statecraft wurde 2006 von Chris Donnelly und Dan Lafayeedney als ein Non-Profit-Unternehmen gegründet. Es wurde 2009 als eine schottische Wohltätigkeitsorganisation registriert. Donnelly wurde 2015 zum Ehren-Oberst in der Specialist Group Military Intelligence Army Reserve benannt. Der größte Teil des Geldes kommt mittlerweile vom britischen Außenministerium.
Nochmal: Was ist die Aufgabe des Instituts?
Auf seiner Webseite ist zu lesen, dass es eine unabhängige Organisation ist, die „zur Belebung der Praxis der Staatskunst (Statecraft) dient, um die Regierungsführung zu verbessern und die nationale Sicherheit zu erhöhen“. Allerdings scheint es sich – durch die Integrity Initiative – nun auf die Abwendung dessen zu fokussieren, was es als die russische Bedrohung wahrnimmt.
Und was ist die Aufgabe von Integrity Initiative?
Diese wurde innerhalb des Institutes eingerichtet, um, ich zitiere, „Russlands Desinformation und bösartigem Einfluss in Europa entgegenzuwirken“ und „ein Netzwerk von Experten, Meinungsmachern und politischen Entscheidungsträgern zu schaffen, um die nationale Öffentlichkeit über die Bedrohung zu informieren und dabei zu helfen, nationale Kapazitäten aufzubauen, dieser Bedrohung entgegenzuwirken“. (Integrity Initiative funding application to FCO, 2017/18). Was wichtig ist, dass einige der Aktivitäten unter mangelnder Transparenz zu leiden scheinen: zum Beispiel verweist das Integrity-Initiative-Handbuch auf sog. “Vertraulichkeitsvereinbarungen! “ (non-disclosure agreements), welche die Gruppen (cluster teams) unterschreiben sollen. Allgemein gesprochen heißt das: Das Programm scheint darauf ausgelegt zu sein, auf das zu zielen, was die Initiative als russische Desinformation bezeichnet, und die außenpolitische Agenda der NATO und der führenden westlichen Regierungen zu unterstützen. Anders gesagt: Der Zweck und die Absicht von Integrity Initiative ist eine Propagandaoperation.
[«*] Die NachDenkSeiten hatten in einer vorherigen Version die Namen der Journalisten genannt, die von der Integrity Initiative angesprochen werden sollten. Auf Wunsch zweier namentlich genannter Journalisten haben wir die Namen herausgenommen.
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unser weiterer Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
nachdenkseiten.de, vom 20. Dezember 2018 um 13:54 Ein Artikel von: Jens Berger
Ein Leak der Hackergruppe Anonymous belegt die Existenz einer momentan im Aufbau befindlichen britischen Organisation, die, vom britischen Staat und der NATO finanziert, einen offenen Informationskrieg führt. Offiziell geht es um die Abwehr russischer Desinformationskampagnen. Aktiv wurden die Infokrieger bis jetzt jedoch in Italien, Spanien und im eigenen Land, wo sie einen Schmierenkampagne gegen Jeremy Corbyn starteten. Und auch im engsten Umfeld der Kanzlerin sitzt ein Mann, den die Briten zu ihren Helfern zählen.
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Stellen Sie sich vor, es gäbe eine geheime, größtenteils staatlich finanzierte Organisation, die offiziell „Desinformationskampagnen des Kremls“ abwehren soll. Stellen Sie sich nun vor, dass diese Organisation sich auch und vor allem gegen progressive Kräfte im eigenen Land richtet und selbst Schmierenkampagnen gegen den Oppositionsführer fährt. Was noch vor wenigen Wochen von Vertretern der Qualitätsmedien als Verschwörungstheorie bezeichnet worden wäre, wurde nun durch ein Leak der Hacker von Anonymous belegt. Das Programm, von dem wir reden, heißt „Integrity Initiative“ und wird von einer Organisation namens „Institute for Statecraft“ betrieben.
Alles nur Kulisse?
Sucht man das Institute for Statecraft in der realen Welt, stößt man auf eine Industrieruine im kleinen schottischen Dorf Gateside. Dies ist zumindest die offizielle Adresse des Instituts, das in Schottland als gemeinnützig anerkannt ist. Kaum zu glauben, dass dort ein strategisches Think Tank mit zahllosen Experten residieren soll, die sich vor allem aus ehemaligen Mitgliedern des militärischen Geheimdienstes ihrer Majestät rekrutieren und vom ehemaligen NATO-Chefberater für Zentral- und Osteuropa Christopher Donnelly geleitet wird. Recherchiert man ein wenig, stößt man jedoch schon schnell auf eine andere – wesentlich eindrucksvollere – Adresse – Two Temple House, der ehemalige Londoner Wohnsitz des US-Milliardärs William Waldorf Astor; eine der wohl teuersten Büroflächen der Welt. Wie eine vorgeblich gemeinnützige schottische Denkfabrik ohne festen Stab dazu kommt, im Herzen Londons ein repräsentatives Büro zu unterhalten, ist – wie so ziemlich alles am Institute for Statecraft – ein Geheimnis.
Nach außen hin gibt sich das Institut als unabhängige, überparteiliche Organisation, deren Interesse vor allem darin besteht, die freien britischen Werte gegen feindliche Einflussnahme zu beschützen. Und der Feind Britanniens sitzt nach Ansicht der Fellows natürlich in Moskau und führt – so die internen Papiere des Instituts – einen Informationskrieg gegen das Empire und den freien Westen. Man müsse selbst eine schlagkräftige Organisation aufbauen, die gegen die „Desinformationskampagnen“ des Kremls vorgeht. All dies ist in den Dokumenten nachzulesen, die von der Hackergruppe Anonymous zur Zeit stückchenweise veröffentlicht werden[*]. Und diese Dokumente haben es in sich.
Mit Clustern gegen russische „Desinformation“
Kern der von Anonymous geleakten Dokumente ist ein Programm mit dem schönen Namen „Integrity Initiative“ (II), das in verschiedenen Phasen zu einem „Bollwerk gegen die russische Desinformation“ ausgebaut werden soll. Dazu hat man offenbar in neun Staaten (Spanien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Niederlande, Litauen, Norwegen, Serbien und Italien) bereits sogenannte „Cluster“ aufgebaut – 18 weitere Staaten sollen folgen. Interessant ist, dass all diese Cluster nicht vom Institut selbst, sondern von Mitarbeitern der jeweiligen britischen Botschaften betreut werden. Die Grenze zwischen dem „unabhängigen“ und „gemeinnützigen“ Institut und der Welt des Militärs und der Geheimdienste verschwimmt vollends, wenn man sich die Finanzierung des II-Programms anschaut. Das wird nämlich zum größten Teil direkt vom britischen Außenministerium getragen. Co-Träger sind die NATO, das litauische Verteidigungsministerium, das US-Außenministerium, eine amerikanische Stiftung, eine leider nicht näher aufgeschlüsselte deutsche Unternehmens-Vereinigung und – man höre und staune – das US-Unternehmen Facebook, das das II-Programm in seiner zweiten Phase mit 100.000 Pfund unterstützt hat. Ziel dieser zweiten Phase ist es, über die Cluster ein Netzwerk von „Experten“ zu bilden, die über die sozialen Netzwerke und als Medienkontakte die „britische Sicht der Dinge“ vermitteln und so die angeblich „pro-russische Desinformation“ kontern können.
Einsatz im Namen britischer Interessen in Italien und Spanien
Was haben wir unter „russischer oder pro-russischer Desinformation“ zu verstehen? Auch darüber geben die geleakten Dokumente Auskunft. So hat der italienische Cluster beispielsweise Alarm geschlagen, dass die italienischen Medien bei der „Skripal-Affäre“ eine „kritische“ Perspektive eingenommen hätten, die der britischen Sichtweise zuwiderläuft. Die Empfehlung des „Führungsoffiziers“ der britischen Botschaft, der den Cluster betreut, lautete, man solle in Einzelgesprächen mit hochrangigen Vertretern der italienischen Politik und der Medien die britische Sichtweise stärker propagieren und so die öffentliche Meinung drehen. Dieser Fall macht auch klar, was die Briten unter Information und Desinformation verstehen. Gerade beim Fall Skripal wird schließlich klar, dass es die Briten sind, die sehr aktiv mit Desinformationen arbeiten. Das II-Programm soll also vermeintliche Desinformationen von russischer Seite durch echte Desinformationen aus dem eigenen Hause ersetzen.
Ein weiteres Fallbeispiel, wie das II-Programm – obgleich erst wenige Monate aktiv – bereits in Kraft getreten ist, findet sich in Spanien. Dort sickerte im Juni dieses Jahres durch, dass ein gewisser Oberst Pedro Baños den Posten des Geheimdienstkoordinators übernehmen sollte. Das ist insofern überraschend, da Baños zwar vor allem auf dem Gebiet des islamistischen Terrorismus als absoluter Experte gilt, jedoch auch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, wenn es darum ging, die US- und NATO-Politik für den Terrorismus mitverantwortlich zu machen. Für den spanischen Cluster des II-Programms reichte dies, um Baños als „pro-russisch“ abzustempeln und zusammen mit den Briten eine koordinierte Schmierenkampagne gegen ihn über Twitter zu starten. Der Erfolg blieb nicht aus. Wenige Tage später sah sich Staatspräsident Sanchez ob des Presserummels genötigt, Baños gleich wieder zu entlassen und General Miguel Ángel Ballesteros zum neuen Geheimdienstchef zu ernennen; der war zuvor Leiter des spanischen Instituts für Strategische Studien (IEEE) und gilt als Freund der NATO-Politik.
Corbyn im Visier
Ärger droht den schottischen Infokriegern nun jedoch aus einer ganz anderen Ecke. Das II-Programm nimmt bei seiner Mission, vermeintlich russische Desinformation zu bekämpfen, nämlich auch britische Politiker ins Visier. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Tweet, in dem dem Oppositionsführer Jeremy Corbyn über den offiziellen II-Account wortwörtlich zunächst vorgeworfen wurde, ein „Verschwörungstheoretiker“ und dann auch noch ein „nützlicher Idiot des Kremls“ zu sein.
Das brachte die Labour Party in Rage und führte zu einer offiziellen Anfrage der „Labour-Schattenministerin für Äußeres“, Emily Thornberry, zu den Hintergründen des „Institute for Statecraft“. Zerknirscht musste der zuständige Staatsminister bereits eingestehen, dass das Institut in diesem Jahr bereits mehr als zwei Millionen Pfund aus öffentlichen Kassen (ohne die Schattenhaushalte) dafür bekommen hat, im Ausland Desinformationskampagnen zu bekämpfen. Propagandistische Tätigkeiten im Inland gehören freilich nicht dazu und schon gar nicht, wenn sie sich direkt gegen den Oppositionsführer richten.
Ein britischer Helfer im Umfeld der Kanzlerin
Weitestgehend offen ist noch, welche Ergebnisse die Leaks noch zum deutschen Cluster hervorbringen. Hier sind bis dato nur wenige Namen veröffentlicht worden, die – bis auf eine Ausnahme – eher aus der zweiten Reihe stammen. Zu den bekanntesten Mitgliedern des deutschen Clusters zählen demnach die ehemaligen NATO-Generäle Klaus Naumann und Klaus Wittmann, der ehemalige Diplomat Gebhardt von Moltke, Publizisten wie Hubertus Hoffmann und Beate Wedekind sowie Politikberater wie Roland Freudenstein und Autoren wie Norris von Schirach.
Das wohl einflussreichste Mitglied des deutschen Clusters ist Bertil Wenger, der im Konrad-Adenauer-Haus das Büro für Auswärtige Beziehungen leitet und dabei ein enger Berater von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer ist. Da muss natürlich die Frage gestattet sein, wie es sein kann, dass ein hochrangiger Berater der Kanzlerin zu einem „Cluster“ einer dubiosen Organisation aus dem direkten Umfeld der britischen Geheimdienste gehört. Hier besteht doch zumindest der Anfangsverdacht, dass es sich um einen zweiten Fall „Metzner“ handeln könnte – Helmut Metzner war nicht nur in der Parteizentrale der FDP als Büroleiter Guido Westerwelles, sondern auch als Mitarbeiter der CIA tätig.
Unklar ist zur Zeit auch noch, in welcher „Phase“ das II-Programm sich in Deutschland befindet. Die Unterlagen aus den Leaks legen nämlich den Verdacht nahe, dass auch hierzulande zu dem offenbar bereits bestehenden „Experten-Cluster“ ein „Medien-Cluster“ aufgebaut werden soll, der die britische Sicht der Dinge auch den deutschen Medienkonsumenten näherbringen soll. Welche Namen zu diesem Cluster gehören, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen, wenn weitere Dokumente aus den Leaks veröffentlicht und ausgewertet wurden.
Und die Medien schweigen
Man muss sich dies alles erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Eine geheimdienstnahe dubiose Organisation, die aus staatlichen Kassen finanziert wird, manipuliert in anderen Ländern die Meinung, stürzt missliebige Geheimdienstchefs in befreundeten Staaten, führt Cluster, die bis in das nähere Umfeld befreundeter Regierungschefs reichen und führt dazu noch im eigenen Lande über die sozialen Netzwerke einen Infokrieg gegen den Oppositionsführer. Und wir reden hier nicht über die USA, die für derartige Kampagnen bekannt sind und über die transatlantischen Netzwerke ohnehin schon tief in den deutschen politischen und journalistischen Eliten verankert sind, sondern über Großbritannien – ein Land, das noch zur EU gehört und allem Geplänkel zum Trotz als enger Freund gilt. Ein Skandal erster Ordnung, der jedoch erstaunlicherweise in Großbritannien selbst kaum und in Deutschland überhaupt nicht von den Medien aufgegriffen wurde. Die wenigen internationalen westlichen Quellen, die überhaupt über die Affäre berichten, rücken das Ganze – kaum überraschend – in die Nähe russischer Desinformation. Demnach hätten russische Hacker die Dokumente gefälscht; was bis dato jedoch wenig wahrscheinlich ist, zumal zahlreiche Dokumente aus dem Leak bereits von offiziellen Stellen bestätigt werden mussten.
Bis heute hat mit der rühmlichen Ausnahme der zum Heise Verlag gehörenden alternativen Plattform Telepolis und den russischen Auslandsmedien noch kein einziges deutschsprachiges Medium überhaupt etwas zu diesem Fall geschrieben oder gesendet. Das Leak findet in den deutschen Medien schlicht nicht statt. Es passt wohl nicht in unser mediales Bild, dass nicht die Russen, sondern die Briten Öffentlichkeit, Medien und Politik über dubiose Organisationen aus dem Umfeld der Geheimdienste manipulieren.
Titelbild: oneinchpunch/shutterstock, Montage: NachDenkSeiten
[«*] Den NachDenkSeiten liegen die Dokumente vor, wir verzichten jedoch auf eine Verlinkung oder gar Veröffentlichung, da die Briten offenbar juristisch gegen westliche Seiten vorgehen, auf denen die Dokumente direkt verlinkt sind.
Rubriken: Audio-Podcast Länderberichte Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft Strategien der Meinungsmache
Schlagwörter: Corbyn, JeremyGeheimdiensteGroßbritannienIntegrity InitiativeItalienLückenpresseRusslandSkripal, SergejSpanienThink Tanks
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unser weiterer Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.