08.10.2022

Pipeline-Terror: Das 9/11 der wilden 20iger Jahre

aus e-mail von Doris Pumphrey, 8. Okt 2022


https://test.rtde.tech/meinung/150890-pipeline-terror-911-wilden-zwanziger/

7.10.2022

*Pipeline-Terror: Das 9/11 der wilden Zwanziger Jahre

*/von Pepe Escobar

/

Es steht außer Frage, dass künftige unvoreingenommene Historiker die

Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Rückkehr der

Bärenjungen zu Mutter Bär – Donezk, Lugansk, Cherson und Saporoschje –

als Wendepunkt der wütenden 2020er Jahre einstufen werden.


Die zugrundeliegende Ehrlichkeit und Klarheit der Rede von Wladimir

Putin

<https://de.rt.com/international/150407-russland-bleibt-fur-immer-russland/

vom 30. September war ein Spiegelbild seiner Rede an der Münchner

Sicherheitskonferenz von 2007. Doch diesmal ging sie weit über das

Drumherum des geopolitischen großen Spiels hinaus.


Diese Rede war eine Ansprache an den kollektiven globalen Süden. In

einer Schlüsselpassage bemerkte Putin, dass "die Welt in eine Periode

revolutionärer Veränderungen eingetreten ist, die von grundlegender

Natur sind. Es bilden sich neue Zentren der Entwicklung, in denen die

Mehrheit der Weltbevölkerung lebt".


Indem er eine direkte Verbindung zwischen Multipolarität und der

Stärkung der Souveränität herstellte, spannte er den Bogen hin zur

Entstehung einer neuen antikolonialen Bewegung, einer turbogeladenen

Version der Bewegung der Blockfreien Staaten in den 1960er Jahren:


/"Wir haben viele Gleichgesinnte in der ganzen Welt, auch in Europa und

den Vereinigten Staaten, und wir spüren und sehen ihre Unterstützung.

Eine befreiende, antikoloniale Bewegung gegen die unipolare Hegemonie

entwickelt sich bereits in verschiedenen Ländern und Gesellschaften.

Ihre Verinnerlichung wird noch zunehmen. Diese Kraft wird die zukünftige

geopolitische Realität bestimmen." Am Ende der Rede ging es um

Transzendenz – in einem spirituellen Sinne. Der letzte vollständige

Absatz beginnt mit "Hinter diesen Worten steht eine glorreiche

spirituelle Entscheidung"./


Die Moderne nach der Postmoderne begann mit dieser Rede vom 30.

September. Sie muss mit äußerster Sorgfalt gelesen werden, damit ihre

unzähligen Implikationen erfasst werden können. Und das ist genau das,

was schäbiges westliches Geschwafel und ein Korb voller abwertender

Adjektive niemals zulassen werden.


Diese Rede war ein präziser Reisebericht darüber, wie wir an diesen

strahlend historischen Scheideweg angekommen sind – an dem, um über die

Gedanken von Antonio Gramsci hinauszugehen, die alte Ordnung sich

weigert, ihren Untergang anzuerkennen, während eine neue Ordnung

unaufhaltsam errichtet wird. Es gibt kein Zurück mehr. Die wichtigste

Konsequenz aus der weitgehend dokumentierten Tatsache, dass gegen

Russland ein hybrider Krieg geführt wird, weil es der neokolonialen

Weltordnung im Wege steht, ist, dass sich Russland, zusammen mit den

eurasischen Großmächten China und Iran, auf einen totalen Zusammenstoß

mit dem Imperium der Lügen vorbereitet hat. Imperiale Vasallen sind in

diesem Fall bestenfalls als Kollateralschaden zu verbuchen.


Außerdem ist es bezeichnend, dass Putins Rede auf die Rede des indischen

Außenministers Dr. S. Jaishankar folgte, der in der

UN-Generalversammlung die "Ausplünderung Indiens durch die

Kolonialmacht" in Erinnerung rief. Putins Rede und Russlands

Entschlossenheit, den hybriden Krieg und andere Kriege gegen den

kollektiven Westen zu führen, bilden das Makrobild.


Das Mikrobild beinhaltet dagegen das Hin und Her auf den Schlachtfeldern

in der Ukraine und sogar die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines, ein

verzweifelter Schachzug, ausgeführt wenige Tage vor dem Ergebnis der

Referenden in der Ostukraine und ihrer offiziellen Anerkennung am 30.

September. Wo ist Osama bin Laden, wenn man ihn braucht?


Während sich die Hypothesen darüber, wie der Anschlag gegen die

Pipelines begangen wurde, überschlagen, sind einige Dinge ziemlich klar.

Russland hatte absolut kein Motiv, die milliardenschwere

Energieinfrastruktur von Gazprom zu zerstören. Man hätte sie jederzeit

als Druckmittel einsetzen können oder einfach das Gas abdrehen und es an

asiatische Kunden weiterleiten – was aufgrund des Sanktionswahns auch

getan wurde.


Das Weiße Haus, das von einem senilen Ableser von Telepromptern

"geführt" wird und in einer dunklen politisch-wirtschaftlichen Leere

versinkt, war mit Sicherheit ahnungslos. Der Hauptverdächtige im Fall

der Pipelines ist eine abtrünnige Fraktion im Apparat des Nationalen

Sicherheitsrats und des Außenministeriums, jener Teil, der in den Hallen

der Macht in Washington als "The Blob" – der Klumpen – bekannt ist. Das

sind die Akteure, die eine "US-Außenpolitik" betreiben, deren zentrale

Prämisse die Zerstörung Russlands ist, mit den europäischen

"Verbündeten" als Kollateralschaden.


Eine unvermeidliche – und sicherlich unvorhergesehene – Konsequenz ist,

dass bei dieser neuen Wendung im Krieg der Wirtschaftskorridore jetzt

alles auf dem Spiel steht. Keine Pipeline und kein Unterseekabel, egal

wo auf der Welt, ist jetzt mehr sicher und kann bei Vergeltungsmaßnahmen

zum legitimen Angriffsziel werden. Die Sprengung der Pipelines Nord

Stream 1 und Nord Stream 2 ist somit eine Neuauflage des 11. Septembers

in der Gestalt von Pipeline-Terror, ohne einen Islamisten mit

Kalaschnikow im Anschlag, der sich in einer afghanischen Höhle

verstecken und die Schuld auf sich nehmen muss.


Die finanziellen Verluste aus der Zerstörung der Pipelines werden einige

wichtige Akteure treffen. Die Aktionäre der Nord Stream AG sind die

russische Gazprom (51 Prozent), die deutsche Wintershall Dea AG (15,5

Prozent), die schweizerische PEG Infrastruktur AG, eine

Tochtergesellschaft der deutschen E.ON (15,5 Prozent), die

niederländische N.V. Nederlandse Gasunie (9 Prozent) und die

französische Engie (9 Prozent). Es handelt sich also nicht nur um einen

Angriff auf Russland und Deutschland, sondern auch auf große europäische

Energieunternehmen.


Nord Stream 2 ist ein technisches Wunderwerk. Über 200.000 Rohrsegmente,

die mit rund 15 Zentimeter Beton ummantelt sind und jeweils 22 Tonnen

wiegen, wurden auf den Grund der Ostsee verlegt. Und auch wenn es erst

so aussah, als sei alles verloren, blieben die Rohre stabil, sie brachen

nicht auseinander, sondern sind lediglich durchstochen worden. Gazprom

teilte mit, dass es einen intakten Strang von Nord Stream 2 gibt, der

"potenziell" verwendet werden könnte. Zudem ist eine Reparatur möglich,

wie der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak

betonte: "Es gibt technische Möglichkeiten, die Infrastruktur

wiederherzustellen, aber das erfordert Zeit und entsprechende Mittel.

Ich bin sicher, dass entsprechende Möglichkeiten gefunden werden."

Doch zunächst will Russland die Täter eindeutig ermitteln.


*Henry Kissinger, der schlechte Verlierer*

Henry Kissinger, das Orakel des US-Establishments und notorischer

Kriegsverbrecher, zelebrierte erneut sein Markenzeichen: die Rückkehr

des lebenden Toten. Russland habe "den Krieg bereits verloren", weil

seine Fähigkeit, Europa mit konventionellen Angriffen zu bedrohen, für

das es jahrzehntelang gefürchtet wurde, "nun nachweislich widerlegt

ist". Moskau hat Europa weder mit konventionellen noch mit anderen

Mitteln "bedroht" – man hat versucht, Geschäfte zu machen, und die

Amerikaner haben das mit aller Macht zu verhindern versucht und dabei

sogar auf den Pipeline-Terror zurückgegriffen.


Dieser taktische Sieg der Amerikaner wurde in nur sieben Monaten

erzielt, kostete so gut wie nichts und die Ergebnisse mögen

beeindruckend erscheinen. Die Hegemonie der USA über das gesamte

EU-Spektrum ist nun unangefochten, da Russland seinen wirtschaftlichen

Einfluss verloren hat. Aber das wird Moskaus Entschlossenheit – wie in

Putins Rede betont –, den Kampf gegen das Imperium und seine Vasallen

bis zum Äußersten zu führen, nur noch verstärken.


Auf den Schlachtfeldern der Ukraine bedeutet das, Kiew und seine

Unterstützer zu Russlands Bedingungen an den Verhandlungstisch zu

zwingen und sie dann zu zwingen, einer neuen europäischen Vereinbarung

über die "Unteilbarkeit der Sicherheitsgarantien" zuzustimmen. Man

bedenke, dass all dies mit einem einfachen Telefonanruf Ende 2021 hätte

erledigt werden können, nachdem Moskau Briefe an Washington und Brüssel

geschickt hatte, in denen ernsthafte Gespräche vorgeschlagen wurden.


Tatsächlich sind es die USA, die "den Krieg bereits verloren" haben.

Mindestens 87 Prozent der Weltbevölkerung – einschließlich des praktisch

gesamten globalen Südens – sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich

bei den USA und dem kollektiven Westen um ein skrupelloses, außer Rand

und Band geratenes Imperium handelt.


Laut Henry Kissinger bedeutet "verlieren" auch, dass Russland in nur

sieben Monaten 110.000 Quadratkilometer – oder 15 Prozent des

ukrainischen Territoriums – eingenommen hat, das fast 80 Prozent des

Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet und über acht Millionen Einwohner

hat. Auf dem Weg dorthin zerstörten die alliierten Streitkräfte große

Teile der ukrainischen Armee, was sie weiterhin rund um die Uhr tun.

Milliarden von US-Dollar an verlorener NATO-Ausrüstung beschleunigten

den Niedergang der meisten westlichen Volkswirtschaften und ließen die

Idee einer amerikanischen Hegemonie verblassen.


Was das ausgeflippte Idiotistan betrifft, so geht der Oscar an seinen

Außenminister Antony Blinken, der den Spielplan verriet, indem er sagte,

die Sprengung der Pipelines sei eine "enorme strategische Chance".

Genauso wie 9/11 eine "enorme strategische Chance" für wahllose

Invasionen, Bombardierungen, Tötungen und Plünderungen in den Ländern

des Islam war.


*Das Schocken und Einschüchtern ist zurück*

Die EU ist auf dem Weg in ein todsicheres wirtschaftliches Debakel. Von

nun an müsste jede Möglichkeit eines Handels mit Russland die Folge des

Zusammenbruchs sowohl der NATO als auch der EU sein. Das könnte

stattfinden, aber es wird Zeit brauchen. Wie also geht es jetzt weiter?


Die EU kann sich nicht auf Asien verlassen. Das liegt zu weit weg und in

Bezug auf die Kosten für die Verflüssigung und Wiederverdampfung von

Flüssiggas (LNG) unerschwinglich. Jede Pipeline – zum Beispiel aus

Kasachstan – würde durch Russland verlaufen oder von China über Russland

kommen. Turkmenistan kann man vergessen, das Land liefert sein Gas

bereits nach China.


Die EU kann sich nicht auf Westasien verlassen. Die Pipeline Turk Stream

ist vollständig ausgebucht. Die gesamte Produktion des Persischen Golfs

ist bereits aufgekauft. Wenn – und das ist ein großes Wenn – mehr Gas

zur Verfügung stünde, wäre es eine kleine Menge aus Aserbaidschan – und

Russland könnte diese Verbindung problemlos stören. Iran wird weiterhin

vom Imperium sanktioniert, was ein fabelhaftes Eigentor darstellt,

während der Irak und Syrien weiterhin von den USA ausgeplündert werden.


Bleibt nur noch Afrika, wo Frankreich derzeit aus einer Nation nach der

anderen kurzerhand rausgeschmissen wird. Italien wird möglicherweise Gas

aus Algerien, Libyen und den zypriotisch-israelischen Feldern in das

deutsche Gasnetz leiten können. Um die Gasfelder in der Sahara und in

Zentralafrika – von Uganda bis zum Südsudan – wird es ein wahnsinniges

Gerangel geben.


Die Ostsee mag ein NATO-See sein, aber Russland könnte sich leicht dazu

entschließen, darin Wellen zu schlagen, indem es unter anderem

Flüssiggas in Tankern über Kaliningrad – das im Winter eisfrei ist – an

deutsche Seehäfen transportiert. Sollte Litauen versuchen, dies zu

blockieren, könnte Herr Kinschal

<https://de.wikipedia.org/wiki/Ch-47M2_Kinschal> die Angelegenheit durch

Vorlegen seiner Visitenkarte regeln. Russland könnte auch den Finnischen

Meerbusen nutzen, was für die riesigen russischen Eisbrecher kein

Problem darstellt. Das bedeutet, dass Russland mit Leichtigkeit die

Konkurrenz ausschalten könnte – wie zum Beispiel das absurd teure LNG

aus den USA. Schließlich sind es von St. Petersburg nach Hamburg nur

etwa 800 Seemeilen und von Kaliningrad gerade mal 400.


Das gesamte Schachbrett wird sich noch vor der Ankunft von General

Winter radikal verändern. 9/11 führte zur Bombardierung, Invasion und

Besetzung Afghanistans. "Pipeline 9/11" führt zu Schock und

Einschüchterung für die NATO, das in der Ukraine stattfinden wird.

"Stirb langsam" ist zurück – diesmal mit Rache.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.10.2022

Kulturindustrie „Die Russen verstehen keine andere Sprache“

hintergrund.de, 8. 10. 2o22, 20 Uhrh, Feuilleton

Pop im nationalistischen Rausch und totalen Krieg: Seit dem Euromaidan und der Eskalation des Krieges mit Russland sind ukrainische Künstler hierzulande besonders willkommen. Dass nicht wenige von ihnen – darunter auch der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2022 – rechte Positionen vertreten, faschistische Militärs unterstützen und Spendengelder für äußerst dubiose Zwecke sammeln, wird geflissentlich ignoriert. Die deutsche Öffentlichkeit braucht einfach massenwirksame Propagandisten für den knallharten NATO-Konfrontationskurs gegen Moskau.



 Ustym, Sohn von Oleg Skrypka, in dem Musikvideo „Wir werden erwachsen“

 

In fröhlicher Straßenfestatmosphäre spielte vor einigen Wochen die ukrainische Rap-Funkband TNMK in Leipzig. Dass es sich aber nicht um ein gewöhnliches Pop-Konzert handelte, wurde recht schnell deutlich. Die ersten Rufe „Slawa Ukrajini!“ (Ruhm der Ukraine) – die seit dem Maidan 2014 übliche Grußformel, die von der 1929 gegründeten Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) stammt und gewöhnlich mit den Worten „Herojam slawa!“ (Ruhm den Helden) beantwortet werden muss – ließen nicht lange auf sich warten. Auch die rot-schwarze Fahne der faschistischen Banderisten wurde gezeigt.[1]


Sänger Oleg „Fagot“ Mikhaylyuta macht keinen Hehl aus seiner Gesinnung: Er betrachtet die Russen als „Müll, der vernichtet werden“ muss, gab er auf dem Nachrichtenportal des rechtsgerichteten Oligarchen und Medienmoguls Igor Kolomoisky UNIAN zum Besten, was er in Deutschland zumindest nicht laut sagt, und fügte hinzu: „Sie sollen einfach von dieser Welt verschwinden, in erster Linie aus der Ukraine und im Allgemeinen. Das ist Müll, das ist Weltmüll.“[2] TNMK sind Unterstützer des Nazi-Regiments Asow, das für unzählige Kriegsverbrechen verantwortlich ist.[3]


Gesteigerte Russophobie 

Was einst Bands mit manifest nazistischer Ideologie wie Sokyra Peruna am rechten Rand der Gesellschaft vorbehalten war, ist längst kommerziell erfolgreicher Pop. So schrieb Swjatoslaw Wakartschuk, Sänger von Okean Elzy aus Lwiw, die in der Ukraine als Kultrockband gilt, sogar ein Lied für das Asow-Regiment. „Er steht seit dem ersten Tag des Krieges zwischen Russland und der Ukraine an vorderster Frontlinie“, wird in einem Reklametext für sein Konzert im Berliner Tempodrom behauptet, das im November stattfinden wird.[4] Mit Schützengraben-Lyrik lässt sich der Ticket-Verkauf für die „Help for Ukraine Tour 2022“ ankurbeln und die riesige Fangemeinde darüber hinwegtäuschen, dass Wakartschuk, Sohn des Ministers für Bildung und Wissenschaft im zweiten Kabinett von Julija Tymoschenko 2007 bis 2010, Privilegien genießt: Er wurde zum Leutnant der Territorialverteidigung ernannt, muss aber nicht im Feld durch den Schlamm robben, erst recht nicht in einem Gefecht sein Leben riskieren – er ist ausschließlich für „die Stärkung der Moral der Truppe zuständig“, so die Sprachregelung in der Ukraine für die Schonung der Wehrpflichtigen, die gleicher sind als andere.


Entsprechend gibt Wakartschuk gegenüber den Medien bevorzugt den heroischen Poeten: „Es sind nicht Waffen und Hände, die kämpfen, es ist das Herz, das kämpft, und der Rest ist untergeordnet“, erklärte er der Redaktion der ukrainischen Ausgabe des Forbes-Magazins. Wenn Wakartschuk sich allerdings den Todfeind Russland vornimmt, dann zeigt er sich weniger sensibel – sondern offenbart sich als lupenreiner Rassist: „Ich wurde besonders vor dem Krieg im Westen oft gefragt, wie sich Ukrainer von Russen unterscheiden. Ich sagte, dass der grundlegende Unterschied ist, dass die Ukrainer ein Gen der Freiheit und Würde haben.“[5]


„Hate sells“ lautet seit der Eskalation des Ukraine-Krieges auch die Devise deutscher Unterhaltungskulturveranstalter. So wurde der Auftritt der ukrainischen Stand-up-Comedian Nastja Zuhwalaja in dem legendären Musikclub Indra in der Großen Freiheit in Hamburg-St. Pauli, wo die Beatles 1960 ihren ersten Auftritt außerhalb ihrer Heimatstadt Liverpool hatten, als „gnadenlose Zerstörung der abscheulichsten Feinde in der Galaxie“ angekündigt. Wo einst Liebeslieder wie „Love Me Do“ erklangen, sollte dem Publikum nun eine „Steigerung der Russophobie“ geboten werden. Auf dem Veranstaltungsplakat durfte das mittlerweile schon obligatorische Banderisten-Banner und der Hinweis, dass ein Teil der Einnahmen an die ukrainische Armee geht, nicht fehlen.[6]



Oleg Skrypka, Frontmann der in seinem Heimatland sehr beliebten Band Vopli Vidopliassova, strotzt nicht nur vor Nationalchauvinismus, er möchte auch die ukrainische Gesellschaft von allen russischen Einflüssen säubern. „Menschen, die nicht in der Lage sind Ukrainisch zu lernen, haben einen niedrigen IQ, ihnen wird die Diagnose ,Debilität’, geistige Zurückgebliebenheit‘ gestellt“, sagte er den Ukraine-Nachrichten. „Sie sollten ausgesondert werden, denn sie sind sozial gefährlich. Es muss ein Ghetto für sie geschaffen werden.“


„Bandera ist unser Vater“

Skrypkas radikal rassistisches Menschenbild spiegelt sich in der Wahl seines Idols. Wie nicht wenigen seiner ukrainischen Musikerkollegen – darunter der Popsänger Verka Serduchka, der Platz zwei des Eurovision Song Contests 2007 belegte – ist es ihm offenbar ein Anliegen, dem 2010 vom damaligen Präsidenten Wiktor Juschtschenko posthum als „Held der Ukraine“ geehrten Stepan Bandera in Westeuropa Popularität zu verschaffen. Ob auf der Bühne oder Backstage umringt von Fans – bei jeder Gelegenheit stimmt Skrypka mit Inbrunst die Hymne der ukrainischen Nationalisten „Bat’ko nash Bandera“ (Unser Vater ist Bandera) an, die mit dem OUN-Gruß endet.[7]


Stepan Bandera war von 1933 bis zu seinem Tod 1959 Führer des radikalen Flügels der OUN. Seine Bewegung orientierte sich politisch und ideologisch am Hitler-Faschismus und strebte nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1941, an dessen Vorbereitung sie aktiv mitgewirkt hatte, die Errichtung eines Kollaborationsstaates in den besetzten Gebieten an. Für den polnischen Historiker und Bandera-Biografen Grzegorz Rossoliński-Liebe besteht kein Zweifel, dass der OUN-Führer ein „überzeugter Faschist“ war. Angehörige der OUN waren in Einheiten der Deutschen Wehrmacht, der SS, als Hilfspolizisten oder als Kämpfer der Ukrainischen Aufständische Armee (UPA), des bewaffneten Arms ihrer Organisation, im großen Stil am Holocaust und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vor allem an der polnischen Bevölkerung, beteiligt.[8] „Volk! Das musst Du wissen, Moskowiten, Polen, Ungaren und Juden – sie sind deine Feinde. Vernichte Sie!“, hatte Bandera die Ukrainer kurz nach dem deutschen Einmarsch zum Völkermord aufgerufen.[9]


Während sich die meisten ukrainischen Popkünstler gegenüber diesen erschütternden historischen Tatsachen völlig immun zeigen, zieht Oleg Skrypka es vor, sie mit HJ-Lagerfeuerromantik ideologisch zu verschleiern. 2021 nahm er mit seiner Band ein militaristisches Musikvideo mit dem Titel „Mi rostem“ (Wir werden erwachsen) auf, das dem nationalistischen Pfadfinderbund Plast gewidmet ist. Skrypkas Sohn Ustym wirkt als Sänger und Protagonist mit. (Foto oben) In dem Video ist er in Uniform und mit Hitler-Scheitel, andere Kinder und Jugendliche bei der Wehrertüchtigung wie in Marschformation zu sehen – und die Banderisten-Fahne flattert ihnen voran.[10] Am Ende des Promo-Textes durfte die ukrainische Variante von „Sieg Heil!“ nicht fehlen, der Skrypka mit „Herojam slawa!“ sogar einen eigenen Song gewidmet hat.[11]


Entsprechend groß ist Skrypkas Sehnsucht nach der Vergangenheit: „Vielleicht geht es am Ende nicht nur um die Wiedergeburt der ukrainischen Nation, sondern um die Geburt einer neuen Gesellschaftsordnung weltweit“, vertraute er dem Sprachrohr der Neuen Rechten, der Wochenzeitung Junge Freiheit an. Der Krieg gegen Russland kommt ihm nicht nur ungelegen: „Es fällt mir zwar schwer, das zu sagen, aber in gewisser Weise – so bitter das klingt – haben wir diesen Krieg gebraucht. Es ist, als ob Gott uns diese Katastrophe geschenkt hat, damit wir Ukrainer endlich Ukrainer werden.“[12] Im September war er auf Deutschland-Tournee, und selbstverständlich geht ein Teil der Einnahmen ans ukrainische Militär.


Pink Floyd mit Boombox-Sänger Andrij Chlywnjuk















Pink Floyd mit Boombox-Sänger Andrij Chlywnjuk in dem Video „Hey,Hey, Rise Up!“


Im Military-Look für profitable Spendenkampagnen

Nicht anders läuft das bei der Band Boombox, die kommenden Monat in diversen deutschen Großstädten gastieren wird. Bislang in Westeuropa weitgehend unbekannt, sind sie zu Stars avanciert, nachdem David Gilmour und Nick Mason von Pink Floyd im April mit dem Frontmann Andrij Chlywnjuk den mit nationalistischem Pathos aufgeladenen Benefit-Kriegssong „Hey, Hey, Rise Up!“ einspielt hatten. Chlywnjuk ist glühender Militarist und Waffennarr. Er dient, auch in sicherer Entfernung zur Front, als Kampfdrohnenpilot, posiert bevorzugt modisch gestylt und in edelster Kampfmontur vor den Kameras[13] – und kündigte bei einem Konzert in Prag in einer Coverversion des Hits „Chuty himn“ (Höre die Hymne) des Rappers Skofka unter Tränen Vergeltung für die Niederlage von Asow an.[14]


Selbst die Mainstreambands, die mit ihrem Repertoire keine offene Kriegspropaganda betreiben und keine rechtsextreme Weltanschauung ventilieren – Auftritte ohne Nationalfahnenkult, schwülstige Bekenntnisse zu Heimat, Volk und Vaterland sind auch für sie nicht mehr, erst recht nicht ohne Spendenkampagne für Militäreinheiten, denkbar. So hat Anton Pushkar, Gitarrist von Love’n’Joy aus Kiew, die einen Mix aus 60er-Jahre-Psychedelic- und seichtem Brit-Pop spielen, zusammen mit anderen Künstlern und dem Manager einer Kulturagentur die Stiftung Musicians Defend Ukraine ins Leben gerufen. „Das Wichtigste ist, dass wir unsere Armee unterstützen, denn Russland versteht keine andere Sprache“, meint er.[15] „Mit Beginn des Krieges verwandelten viele Musiker ihre Musikinstrumente in Waffen, und die Kulturmanager zogen von der kulturellen an die reale Front“, ist auf ihrer Promo-Website zu lesen. „In der ersten Woche hatten wir Probleme mit der Beschaffung von Mitteln aus dem Ausland“, beklagen die Initiatoren von Musicians Defend Ukraine. „Die Europäer haben Angst, den Krieg zu finanzieren.“ Sie seien leider nur bereit, Geld für humanitäre Hilfe zu geben. „Wir mussten die Website ,entmilitarisieren‘, um weiterhin Spenden zu sammeln.“ Seitdem fließe regelmäßig Geld aus dem Ausland, und man wünscht sich, dass das auch in einer friedlicheren Zukunft so bleibt: „Wir wollen, dass unsere Stiftung nicht nur während des Krieges, sondern auch nach dem Sieg funktioniert.“[16]


Die Ukraine-Hilfe habe sich bis auf wenige Ausnahmen, wie Fonds von Hospitälern für Medikamente, längst zu einem lukrativen Geschäft entwickelt, sagt der Soziologe Iwan Michailenko, der an einer Universität in Charkiw zu Rechtsextremismus forscht, im Gespräch mit Hintergrund.[17] „Es wird nahezu vollständig von Faschisten und anderen radikalen Rechten kontrolliert. Wer Spenden sammelt, muss immer irgendwelche den Militärs oder Paramilitärs nahestehenden Gruppen berücksichtigen. Andernfalls läuft er Gefahr, einfach umgebracht zu werden. Dennoch ist es sehr profitabel, weil man nur einen Teil für ,die Sicherheit‘ abgeben muss.“ Und Michailenko weiter: „Dieser Geschäftszweig ist schon 2014 entstanden, er hat also inzwischen eine solide Basis. Für den ganzen Bereich Wohltätigkeit, Stiftungen und so weiter im Zusammenhang mit der Ukraine kann man sich zu 99 Prozent sicher sein, dass riesige Summen von Spendengeldern über Umwege irgendwann bei Pro-Nazi-Organisationen landen.“


Friedenspreis für einen ultrarechen NATO-Poeten

Einige Künstler akquirieren Gelder, die direkt an faschistische Einheiten gehen. So etwa Serhij Schadan, der hierzulande seit einigen Jahren als „linker Intellektueller“, Schriftsteller und Musiker gefeiert wird und es durch unzählige Einladungen zu Lesungen und Konzerten zu einer stattlichen Karriere gebracht hat. Im April beteiligte Schadan sich mit diversen anderen ukrainischen Musikern an einem „Kunstevent für unser Militär“, dessen Erträge der Aufklärungs- und Sabotagetruppe Kraken in Charkiw zugutekamen[18] – einer Asow-Sondereinheit. Im März, erst einen Monat nach ihrer Gründung, geriet Kraken in die Schlagzeilen, nachdem einige ihrer Kämpfer gefesselten russischen Kriegsgefangenen in die Beine geschossen hatten. Ihr Kommandeur ist ein führendes Mitglied in der Nazi-Partei Nationales Korps.[19]


Schadan verbreitet schon seit dem Euromaidan nationalistische Positionen und Hass gegen Russen und die russische Kultur: „Ist Puschkin schuldig, in Russland geboren zu sein? Schuldig. Schuldig natürlich. Sie sind alle schuldig“, meint er.[20] Zu seinen Kooperationspartnern gehören militante Faschisten wie Serhij Sternenko, ehemaliger Anführer des Rechten Sektors in Odessa, der 2021 wegen Entführung, Raub und illegalen Waffenbesitzes verurteilt wurde und bis heute unter Verdacht steht, einen politischen Gegner ermordet zu haben.[21],[22] Schadan promotet die banderistische Privatarmee Khartia des ukrainischen Oligarchen Vsevolod Kozhemiako (die auch von Swjatoslaw Wakartschuk unterstützt wird[23]) – und ist sogar Namensgeber der Einheit.[24],[25] In der Vergangenheit ist er immer wieder als Frontunterhalter für rechtsextreme Bataillone wie Aidar aufgetreten, 2016 und 2021 sogar beim Banderstadt-Festival in Luzk, dem jährlichen Stelldichein von Banderisten und anderen Rechtsradikalen.[26],[27]


„Schadan spielt für die ukrainische extreme Rechte und Nazis eine wichtige Rolle als Kulturbotschafter in der EU“, so Iwan Michailenko. Das ficht die deutsche Kulturszene und das Feuilleton nicht an – dafür wird Schadan als NATO-Poet und Chefankläger der „Barbaren“, wie Russen heute im Täterland wieder bevorzugt genannt werden, viel zu sehr geschätzt: Am 23. Oktober 2022 soll Schadan für „seine humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet und ihnen unter Einsatz seines Lebens hilft“, in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen werden.[28]


Derzeit ist Schadan auf Tournee, unter anderem zu Gast bei der Körber-Stiftung in Hamburg: „Seine Musik handelt von Krieg und Liebe und zeigt, wie Menschen in der Ukraine trotz aller Gewalt versuchen, ein unabhängiges, von Frieden und Freiheit bestimmtes Leben zu führen“, so die blumige Ankündigung.[29] Am 9. Oktober wird er im Jüdischen Museum in Berlin gemeinsam mit dem DJ und Musikproduzenten Yuriy Gurzhy auftreten; die beiden arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen.


Gurzhy bürstet die Geschichte der ukrainischen Kollaboration mit Nazi-Deutschland noch rechts über den Schlussstrich hinaus, den der derzeit grassierende Revisionismus zu ziehen trachtet. 2016 hatte er einen Maidan-Sampler mit dem Titel „Borsh Division“ veröffentlicht.[30] Darauf finden sich nicht nur reche Rockmusiker wie Kozak System, die den faschistischen Einheiten ein Lied widmeten („Asow ist in meinem Blut“) und Propagandisten der sogenannten Anti-Terror-Operation der ukrainischen Armee und Freiwilligeneinheiten sind, welche 2014 begann und sich vorwiegend gegen die Zivilbevölkerung im Donbass richtet.[31],[32] Dabei ist auch Taras Chubay, der, etwa zu Ehren von Roman Schuchewytsch, Kommandeur des Wehrmachts-Bataillons „Nachtigall“ und Massenmörder, mit UPA-Liedern auftritt.[33] 2017 brachte Gurzhy im Maxim-Gorki-Theater ein Bandera-Musical auf die Bühne (gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin, der Klaus Lederer von der Linkspartei als Senator vorsteht).[34]


Gruppenbild mit Nazis

Er war lange umstritten, in Westeuropa wurden Konzerte wegen seiner Verbindungen zu Nazis abgesagt – mittlerweile ist Sergej Michalok ein gern gesehener Gast in Deutschland. Der Sänger und Gitarrist, der sich früher politisch im anarchistischen Lager verortete, schrieb den Song „Voiny Sveta“ (Krieger des Lichts), die inoffizielle Hymne des Euromaidan. Michalok stammt aus Minsk in Belarus, ist aber seit 2015 ukrainischer Staatsbürger. Er unterhält verschiedene Bandprojekte, darunter die Punkrock-Formation Brutto – „nicht nur eine Gruppe, sondern auch eine massive paramilitärische Einheit“, wie Michalok 2014 nach der Gründung erklärte.[35] Laut dem russischen Online-Magazin Rabkor haben sich vorher schon Mitglieder seiner bereits seit 1990 existierenden Rockband Ljapis Trubezkoi als Anhänger der faschistischen Marionettenregierung in Weißrussland entpuppt, die in den 1940er-Jahren kurzzeitig unter der Besatzung Hitler-Deutschlands existiert hatte.

 



Seit dem Maidan positioniert Sergej Michalok sich deutlicher rechts und offen antibolschewistisch: „Zehn Jahre kämpfe ich nun mit meinen Liedern, in meinen Videos gegen die Wiederbelebung der Sowjetunion“, sagte er in einem Interview und behauptete, der russische Präsident Putin habe „Ambitionen, diesen Golem“ wieder auferstehen zu lassen. Für einen Skandal in der Subkulturszene sorgte ein gemeinsames Foto von Michalok und seiner Band mit Angehörigen des 2013 in der Ukraine entstandenen Neonazi-Netzwerks Misanthropic Division („Töten für Wotan!“), das mit Asow kooperiert, in der Tradition der Waffen-SS steht und für diverse Morde und andere Gewaltverbrechen verantwortlich gemacht wird.[36] Das Bild soll im März 2015 nach einem Brutto-Konzert für Asow-Kämpfer aufgenommen worden sein.[37] Damals unterstützte die Band auch den Wahlkampf von Igor Kolomoisky, dem Hauptfinanzier der faschistischen Bataillone in der Ukraine. Bruttos Bühnenprogramm richtet sich an ein rechtsradikales Publikum. Sie fetischisierten ebenso die Prügelexzesse nationalistischer Hooligans wie die Ästhetik von Leni Riefenstahl. Jüngst war Michalok mit der Band Ljapis Trubezkoi auf Tournee durch Deutschland und Europa, den USA und Kanada und sammelte mit nationalistischen Parolen wie „Gemeinsam bis zum Sieg!“ und „Freiheit, Stolz und Ehre“ beispielsweise für die Kampagne „Help Heroes of Ukraine“ Gelder, die unter anderem für Asow-Kämpfer bestimmt sind.[38]


Enthüllungen in Spiegelschrift

Was Parteien und politische Organisationen aus der Ukraine bisher nur mit mäßigem Erfolg betrieben haben – der Kulturindustrie des Landes ist es in nur wenigen Jahren gelungen, nationalistische, rassistische, bellizistische und sogar offen nazistische Weltanschauungen in die bürgerliche Mitte der westlichen Demokratien zu tragen. „Musik spielt als Instrument zur Verbreitung und Legitimierung der rechtsextremen Ideologie und Mobilisierung der Anhängerschaft eine zentrale Rolle“ und „rechtsradikale Rhetorik“ wie „Slawa Ukrajini!“ haben „den politischen Mainstream erreicht“ – was die Bundeszentrale für politische Bildung noch 2020 als großes Problem in der Ukraine (an)erkannt hatte,[39] gilt längst auch für Deutschland. Spätestens jedoch seit Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. Juni 2022 in Kiew das Ungeheuerliche tat und selbst den Faschisten-Gruß ausstieß,[40] ist jede Warnung ad absurdum geführt und jeder Einspruch tabu.


Nicht zuletzt auch dank der Gewerkschaften, Stiftungen und anderen NGOs, vor allem jener fortschrittlichen Kräfte, die sich die Bekämpfung des Rechtsextremismus verschrieben haben, es aber vorziehen, sich der neuen-alten Staatsräson des NATO-Patriotismus und der Russlandfeindschaft endgültig zu beugen und diese gefährliche Entwicklung unisono zu beschweigen. Die wenigen Kritiker, die noch wagen, das, was nicht nur in einem Land mit finsterster Vergangenheit nicht sein darf, zu skandalisieren – wie etwa eine Antifa-Gruppe aus Hamburg, die sorgfältig recherchierte harte Fakten präsentierte und gegen einen Auftritt des Banderisten Oleg Skrypka in einem Bürgerhaus protestierte (das Konzert wurde abgesagt, konnte aber schließlich noch ungestört in einer anderen Location stattfinden)[41] –, werden isoliert oder gar als Agenten des Kremls verleumdet.


Besonders problematisch das Verhalten der weitgehend gleich ausgerichteten Medien – nahezu ein Totalausfall als „Vierte Gewalt“: Berichterstattung über Importe rechtsradikaler Kulturindustrie aus der Ukraine, die mittlerweile Millionenprofite einfährt, sucht man meist vergeblich. Im Gegenteil: Nicht selten werden die Biografien und mehr als fragwürdigen Initiativen rechter Musiker ideologisch weißgewaschen. So ist Oleg Skrypka für den Weser Kurier nichts anderes als der „Vater des ukrainischen Rock“.[42] Und in der Hommage an Michaloks Band mit dem Titel „Ljapis Trubezkoi, der Euromaidan und wann Musik hilft“ der linksliberalen Wochenzeitung der Freitag findet sich kein Wort über die Verbindungen ihres Chefs zur Nazi-Szene – sehr wohl aber eine Erklärung dafür, warum Ljapis Trubezkoi beworben wird: „Sie unterstützt die Bestrebungen der Ukrainer, sich dem Westen anzunähern.“[43]


Bemerkenswert herzlich willkommen sind die nationalistischen Kulturbotschafter aus der Ukraine, wenn sie Antifaschisten als „Faschisten“ beschimpfen und der deutschen Gesellschaft eine „Faschismusphobie“ bescheinigen, wie es Oleg Skrypka tut.[44] Erst recht wenn sie die Friedensbewegung angreifen. Großen Medienzuspruch bekam Serhij Schadan im Juli, als er eine Moralinsäure-Attacke gegen das deutsche Friedenslager und die prominenten Unterzeichner des Appells „Waffenstillstand jetzt!“ startete,[45] ihnen „falsch verstandenen Pazifismus“, der „nach zynischer Gleichgültigkeit stinkt“ vorwarf und ihnen zu allem Übel eine Mitschuld am Leid der Ukrainer gab: „Das Blut dieser Toten haben jene auf dem Gewissen, die immer noch unbeirrt mit dem Bösen spielen und dabei allen Wohlergehen und Frieden wünschen.“[46] Ein besonderes Presse-Echo erfuhr Schadans Behauptung „Die Russen wollen nicht mit uns verhandeln, sie wollten und wollen uns vernichten“ (obwohl Moskau wiederholt seine Bereitschaft für diplomatische Lösungen geäußert hat)[47] – in einem Land, das vor 81 Jahren tatsächlich einen Vernichtungskrieg gegen die russische Bevölkerung in der Sowjetunion mit rund 27 Millionen Toten geführt hatte. Der Soziologe Siegfried Kracauer bemerkte in den 1930er-Jahren, angesichts des deutschen Faschismus an der Macht, dass die Politik nicht-demokratischer Gesellschaften voller „Enthüllungen in Spiegelschrift“ sei. „Man legt die Wahrheit nicht aus, sondern verdreht sie vielmehr dadurch total, dass man den Gegner genau der Handlungen und Machinationen bezichtigt, die auf der eigenen Linie liegen.“[48]

 

Quellenangaben

[1] www.youtube.com/watch?v=KcxOOL33hhk

[2] www.unian.net/lite/stars/fagot-o-rossiyanah-i-ih-yadernyh-ugrozah-eto-mirovoy-musor-kotoryy-nuzhno-unichtozhit-video-11989524.html

[3] elle.ua/ludi/novosty/za-uchasti-sergiya-zhadana-ta-tnmk-u-kievi-provedut-fotovistavku-prisvyachenu-zahisnikam-mariupolya/

[4] www.tempodrom.de/event/okean_elzy_2022-11-20_20/

[5] forbes.ua/ru/lifestyle/voyuyut-ne-zbroya-i-ruki-voyue-sertse-svyatoslav-vakarchuk-pro-vistupi-na-fronti-ta-tvorchist-pid-chas-viyni-13092022-8001

[6] stayhappening.com/e/%D0%9D%D0%B0%D1%81%D1%82%D1%8F-%D0%97%D1%83%D1%85%D0%B2%D0%B0%D0%BB%D0%B0-%C2%AB%D0%A0%D0%B0%D1%84%D1%96%D0%BD%D0%BE%D0%B2%D0%B0%D0%BD%D0%B0-%D0%BB%D1%8E%D1%82%D1%8C%C2%BB-%D0%93%D0%B0%D0%BC%D0%B1%D1%83%D1%80%D0%B3-E3LUVW5S5YIW

[7] www.youtube.com/watch?v=0-XZIyiqsJY

[8] www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/257664/verflochtene-geschichten/?p=al

[9] www.jg-berlin.org/beitraege/details/nazikollaborateur-als-neuer-held-der-ukraine-i276d-2010-04-01.html

[10] www.youtube.com/watch?v=IP0C9kcaih8

[11] www.youtube.com/watch?v=0NMcXa6ztz0

[12] jungefreiheit.de/debatte/interview/2022/oleg-skrypka-ukraine-nation/

[13] www.instagram.com/p/CfmiohvtI7k/

[14] elle.ua/ru/ludi/novosty/andrey-hlivnyuk-ne-smog-sderzhat-slez-na-blagotvoritelnom-koncerte-v-prage/

[15] taz.de/Ukrainische-Rockband-in-Berlin/!5876231/

[16] slukh.media/texts/musicians-defend-ukraine-fund/

[17] Der Name wurde aus Sicherheitsgründen geändert

[18] www.facebook.com/seloiludy/videos/690871892227604/?extid=CL-UNK-UNK-UNK-AN_GK0T-GK1C&mibextid=OzUgd7&ref=sharing

[19] www.blick.ch/ausland/die-kleinen-brueder-der-asow-kaempfer-das-kraken-regime-nimmt-den-kampf-gegen-die-russen-auf-id17552132.html

[20] www.facebook.com/100044170792676/posts/pfbid0FpQA5d883bKroHMCXqFebi3yuCYW4EnGzV5gFnUK35kPTqf5RSFhCAy4zpNM6xvKl/

[21] www.facebook.com/100007990746919/posts/pfbid02Cfufwk4ZJoh2zjzyJ6uAKSU4Xx9fsMNWMxG22XogaVgyTXKji3cFLZSrwfL2NsY7l/

[22] www.kyivpost.com/ukraine-politics/rfe-rl-ukrainian-court-frees-activist-sternenko-from-prison.html

[23] www.facebook.com/watch/?v=767172504504519

[24] www.facebook.com/serhiy.zhadan

[25] english.nv.ua/nation/kharkiv-millionaire-funded-military-unit-helping-defend-ukraine-s-second-biggest-city-50249302.html

[26] https://www.youtube.com/watch?v=pBGB4ydEFk0

[27] www.facebook.com/bandershtat/posts/1985192554985141/

[28] www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/aktuelles-themen/detailseite/serhij-zhadan-erhaelt-den-friedenspreis-des-deutschen-buchhandels-2022

[29] koerber-stiftung.de/veranstaltungen/ukraine-beyond-ohr-zur-welt-ukrainischer-rap-mit-serhij-zhadan/

[30] trikont.de/shop/themen/europa-nord-west-sued-ost/borsh-division-future-sound-of-ukraine/?tab=tracks

[31] www.youtube.com/watch?v=xmRQJJB9PcM

[32] www.youtube.com/watch?v=OSXS9n6VbzU

[33] www.youtube.com/watch?v=H2283UsRgng

[34] www.gorki.de/de/bandera

[35] bruttoband.ru/interview_3.html

[36] rabkor.ru/columns/debates/2015/03/11/michaloks-goof/

[37] de.indymedia.org/node/3789

[38] www.facebook.com/helpheroesofukraine

[39] www.bpb.de/themen/europa/ukraine/317989/analyse-rechtsradikale-musik-in-der-ukraine/

[40] www.youtube.com/watch?v=PtGp8z2zauY

[41] www.waterkant-antifa.de/2022/09/23/mit-ukrainischen-faschisten-spielt-man-nicht/

[42] www.weser-kurier.de/bremen/kultur/hilfe-fuer-die-ukraine-konzert-von-oleg-skrypka-in-der-markthalle-acht-doc7mn9ih0auht11w5w1ahk

[43] www.freitag.de/autoren/konstantin-nowotny/ukraine-lyapis-trubetskoy-der-euromaidan-und-wann-musik-hilft

[44] www.youtube.com/watch?v=zMYyqZStOHU

[45] www.zeit.de/2022/27/ukraine-krieg-frieden-waffenstillstand?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

[46] www.br.de/nachrichten/kultur/kuenftiger-friedenspreistraeger-zhadan-ukraine-droht-vernichtung,TAneQ4I

[47] www.zeit.de/kultur/2022-07/offener-brief-ukraine-krieg-waffenstillstand-antwort

[48] Siegfried Kracauer – Totalitäre Propaganda, Berlin 2013, S. 59f., S. 61


Info: https://www.hintergrund.de/feuilleton/die-russen-verstehen-keine-andere-sprache/#_ftn1


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.10.2022

Die Welt bleibt einer nuklearen Erpressung ausgesetzt – durch die Ukraine

test.rtde.tech, 8 Okt. 2022 10:28 Uh, Von Scott Ritter

Offenbar plante die Ukraine, die vom UN-Sicherheitsrat ernannten Inspektoren als Instrumente der Erpressung einzusetzen. Das scheiterte. Der Bericht der Internationalen Organisation für Atomenergie nannte nicht die "Täter" der Angriffe auf Europas größtes Kernkraftwerk. Kiew ist frustriert.


Die Welt bleibt einer nuklearen Erpressung ausgesetzt – durch die UkraineQuelle: AFP



Zitat: Wenn etwas zunächst nicht gelingt, dann versucht man es einfach erneut. Dies scheint derzeit das Mantra der ukrainischen Regierung zu sein, die versucht, die internationale Gemeinschaft zu erpressen, ihr dabei behilflich zu sein, die russische Armee aus jenem Gebiet zu vertreiben, in dem Europas größtes Kernkraftwerk steht.


"Die Welt steht wieder einmal am Rande einer nuklearen Katastrophe", erklärte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko in einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme. "Die letzte verbliebene Stromleitung, die das Kraftwerk mit dem Energiesystem der Ukraine verbindet, wurde aufgrund eines Feuers, das infolge von Beschuss entstand, gekappt. Eine Reparatur der Leitungen ist derzeit unmöglich – es gibt Kampfhandlungen rund um das Kraftwerk."


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Die Warnung von Galuschtschenko kam just, als die Mission der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) dabei war, die Sicherheit der Anlage in Saporischschja zu inspizieren, die vom Generaldirektor der Behörde, Rafael Mariano Grossi, persönlich angeführt wurde. Kiew besteht darauf, dass die internationale Gemeinschaft die "Entmilitarisierung" der Anlage in Saporischschja und der Umgebung überwacht. Der Rückzug der russischen Streitkräfte und ihre Ersetzung durch internationale "Friedenstruppen" sei der einzige Weg, um die nukleare Sicherheit im Werk zu gewährleisten, so die Argumentation der Ukraine.


Was dabei unausgesprochen bleibt, ist die Tatsache, dass alle Schäden, die dem Kernkraftwerk bisher zugefügt wurden, das Ergebnis ukrainischer Kampfhandlungen sind, einschließlich des gezielten Beschusses der Kernreaktoren und ihrer Nebengebäude durch ukrainische Artillerie.

Die Ironie des ukrainischen Vorgehens besteht darin, dass IAEO-Generaldirektor Grossi nun am eigenen Leib erfahren konnte, dass die Bedrohung für das Werk nicht von Russland ausgeht, wie Kiew es dargestellt haben will, sondern von der Ukraine selbst.


Noch vernichtender ist, dass Grossi sich ebenfalls der Tatsache bewusst wurde, dass die Ukraine die IAEO nicht als Garant für die nukleare Sicherheit, sondern als Vermittler für die ukrainischen Absichten missbrauchen wollte, einschließlich für militärische Aktionen, bei der die Anwesenheit der IAEO-Inspektoren in Saporischschja als Deckmantel benutzt werden sollte.


Allem Anschein nach hat Grossi seine Mission zum Kernkraftwerk Saporischschja in gutem Glauben durchgeführt. Seit Beginn der Angriffe auf die Anlage Anfang August äußert er seine Besorgnis und fordert die Kräfte beide Seiten auf, "äußerste Zurückhaltung" zu üben und die Sicherheit der Anlage "um jeden Preis" nicht zu gefährden. Diese Aufrufe wurden vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, wiederholt.


Mitte August forderte Grossi bei einer von Russland geforderten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates Moskau und Kiew auf, internationalen Experten den Besuch des Kraftwerks zu gestatten, und kündete an, dass er die Mission persönlich leiten werde. Die Vereinigten Staaten unterstützten zwar seine Forderung, forderten aber auch gleichzeitig die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone in Verbindung mit einer solchen Inspektion und warnten, dass jede Weigerung Russlands, dies zuzulassen, gleichbedeutend mit nuklearer Erpressung sei.


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Russland weigerte sich erwartungsgemäß, Anträge auf "Entmilitarisierung" der Einrichtung auch nur zu prüfen. Es unterstützte jedoch die Entsendung eines Teams der IAEO, allerdings unter einer Bedingung, nämlich jener, dass Spezialisten für Ballistik mit dabei sind, die in der Lage wären, den entstandenen Schaden, der bisher der Anlage zugefügt wurde, zu bewerten und die Quelle der Angriffe zu ermitteln. Diese Fachleute wurden schließlich in das Team der Mission mit aufgenommen.


Am 29. August reisten Grossi und sein Team nach Kiew, wo sie sich am nächsten Tag mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij trafen. Selenskij sagte Grossi, die Ukraine halte es für entscheidend, dass die IAEO die ukrainischen Forderungen nach einer entmilitarisierten Zone unterstütze, was der Ukraine ermöglichen würde, die Kontrolle über das Werk zu übernehmen.


Am 1. September machten sich Grossi und sein Team auf den Weg zur Anlage in Saporischschja. Vor ihrer Ankunft wurden sie von ukrainischen Soldaten aufgehalten, die Grossi davor warnten, dass die militärischen Aktivitäten in und um die nukleare Einrichtung an diesem Morgen zugenommen haben. Laut russischen Militärquellen hatte die ukrainische Armee an diesem Tag versucht, das Kraftwerk in einem Angriff durch Spezialkommandos einzunehmen, was von russischen Streitkräften vereitelt wurde.


Als das 14-köpfige Team von Grossi im Kraftwerk ankam, waren der Lärm der anhaltenden Kämpfe, die in der Nähe im Gange waren, für alle gut hörbar. Die sich dadurch verschlechternde Sicherheitslage veranlasste Grossi dazu, im Laufe des Tages den Großteil seines Teams abzuziehen. Ein sechsköpfiges Rumpf-Team wurde damit beauftragt, einige Tage vor Ort zu bleiben. Anschließend sollten weitere vier Inspektoren abreisen und ein zweiköpfiges Team zurückgelassen werden, das dauerhaft bei und in der Einrichtung präsent wäre.


Anschließend erklärte Grossi, dass die Mission fruchtbar gewesen sei. "Vieles wussten wir zwar schon im Voraus, aber natürlich werden jetzt alle Fakten begutachtet. Wir versuchen, eine gründliche Bewertung der aktuellen Situation vorzunehmen." In Bezug auf die Sicherheit der Anlage stellte Grossi fest, dass "die physische Integrität der Anlage nicht nur einmal, sondern mehrfach verletzt wurde. Das ist in keinem Fall akzeptabel".


Zusätzlich zu den vor Ort gemachten Beobachtungen wurde dem Team eine von 20.000 Einwohnern aus den von Russland kontrollierten Gebieten der Region Saporischschja unterzeichnete Petition vorgelegt, in der die IAEO aufgefordert wird, die Angriffe auf das Kernkraftwerk zu verurteilen, die laut den Unterzeichnern der Petition ausschließlich von der ukrainischen Seite durchgeführt wurden. Dies war nicht das Ergebnis, das sich die ukrainische Regierung oder ihre westlichen Unterstützer vorgestellt hatten, als sie auf die Entsendung von Inspektoren drängten.


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Der Mission der IAEO war sich anscheinend nicht bewusst, dass eine ukrainische Militäroperation stattfinden sollte, während die Inspektoren auf dem Gelände unterwegs sein würden. Es besteht jedoch kein Zweifel darüber, dass die ukrainische Regierung sich dessen bewusst war, als Selenskij Tage zuvor mit Grossi und seinem Team zusammentraf. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die Unterstützer der Regierung von Selenskij, insbesondere die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, sich der bevorstehenden Militäroperation bewusst waren.


Es versteht sich von selbst, dass ein internationales Team von Inspektoren als Deckmantel für eine Militäroperation zu missbrauchen gegen alles verstößt, wofür die Charta der Vereinten Nationen steht. Das Ziel der Militäroperation, nämlich das Gelände zu erobern und dann die Inspektoren der IAEO einzuladen, sich dort dauerhaft einzurichten, was wiederum die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe erforderlich gemacht hätte, wurde nicht erreicht.


Schlimmer noch für die Ukraine und ihre westlichen Partner ist, dass das Team der IAEO sich nun der Doppelzüngigkeit der ukrainischen Regierung und damit auch ihrer westlichen Unterstützer in den Vereinten Nationen bewusst wurde, sowie der Realität ausgesetzt war, dass Russland die ganze Zeit über die Wahrheit über die Sicherheitslage der Anlage gesagt hatte. Es besteht kein Zweifel, dass die ballistischen Experten, die das Team von Grossi begleiteten, mehr als genug forensische Daten sammeln konnten, um schlüssig zu beweisen, wer für die anhaltenden Artillerieangriffe auf das Kernkraftwerk von Saporischschja verantwortlich ist.


Am 6. September legte Generaldirektor Grossi die Ergebnisse seiner Mission in der Ukraine vor. Der Bericht ist weitgehend technischer Natur und fokussiert sich auf die Sicherheitslage in und um das Kernkraftwerk Saporischschja. Dies ist die Brot-und-Butter-Arbeit der IAEO und gibt im Detail wieder, was das Team vor Ort in Saporischschja beobachtet hat.


Ein zweiter, unausgesprochener und letztlich sensiblerer Aspekt des Berichts sind die politischen Auswirkungen des Einsatzes. Während Grossi die Häufigkeit und den Schaden, der durch wiederholte Artillerieangriffe auf dem Werksgelände verursacht wurde, korrekt berichtete, lieferte er keine Schlussfolgerungen über den Ursprung des Beschusses, obwohl er dies anhand der von seinem Team gesammelten Daten hätte tun können.


Die Organisationen der UN liefern selten Zuordnungen, wenn es darum geht, wer wem was angetan hat, es sei denn, sie werden ausdrücklich damit beauftragt. Stattdessen kam der Bericht zum Schluss, dass die Sicherheit des Kernkraftwerks und seiner Betreiber aufgrund der anhaltenden militärischen Aktivitäten gefährdet sei, und forderte alle Beteiligten auf, diese Aktivitäten einzustellen.


Der Bericht vermeidet auch jeden Hinweis auf die Bemühungen des russischen Militärs, das Team vor Angriffen geschützt zu haben, während sie das Werk inspizierten und vermeidete damit jede indirekte Anerkennung, dass die Bedrohung für Saporischschja von der Ukraine und nicht von Russland ausgeht.


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Analyse

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Grossi hätte einen Bericht vorlegen können, der eine Verurteilung der Täter durch den UN-Sicherheitsrat fordern würde, für die von seinem Team beobachteten ungeheuerlichen Aktionen, und Beweise vorlegen, für anhaltende ukrainische Artillerieangriffe und den Missbrauch des Teams der IAEO als operative Deckung, für einen Angriff auf die Anlage während die Inspektion im Gange war. Aber Grossi ist Teil des Systems der UN, während der Sicherheitsrat sich sowieso nicht selbst überwachen kann. Wenn drei der fünf ständigen Mitglieder daran beteiligt sind, ein ukrainisches Fehlverhalten zu ermöglichen, dann wird der Rat durch seine eigene moralische Korruption ausgebremst.


Ungeachtet dessen war die Inspektionsreise von Grossi eine politische Niederlage für die Ukraine und ihre Unterstützer, die so viel Hoffnung und Mühe – einschließlich des Lebens von Soldaten, die beim erfolglosen Angriff auf Saporischschja gefallen sind –  in die Entsendung einer internationaler Friedenstruppe zur Bewachung des Werks und seiner unmittelbaren Umgebung gesetzt hatten.


In einer krassen Zurschaustellung von überheblicher Kühnheit hat die Ukraine eine zweite Inspektionsmission der IAEO gefordert, die von einer UN-Friedenstruppe begleitet werden soll. "Wir müssen Schlussfolgerungen aus der Mission von Grossi ziehen", erklärte Peter Kotin, der Leiter der ukrainischen Atomenergiebehörde bereits am 5. September – lange vor der Veröffentlichung des Berichts von Grossi. "Diese Schlussfolgerungen sollten die gesamte Situation lösen, indem die russische Kontrolle über die Einrichtung beendet wird."


Kotin schlug vor, die Zahl der Inspektoren in der Anlage selbst zu erhöhen, und fügte hinzu, dass "die Anwesenheit anderer internationaler Organisationen, wie die Friedenstruppen der Vereinten Nationen oder einer internationalen Mission der Europäischen Union, dazu beitragen wird, eine unabhängige Sicht auf das zu bieten, was dort vor sich geht und schließlich die Russen von der Anlage zu entfernen."


Die Chancen, dass das geschehen wird, gehen gegen Null. Aber die Tatsache, dass die Ukraine weiterhin auf ein ihr passendes Ergebnis drängt, garantiert praktisch, dass der unerbittliche Beschuss des Kernkraftwerks Saporischschja so lange fortgesetzt wird, bis entweder das ukrainische Militär zurückgedrängt wird und die Anlage außerhalb der Reichweite ihrer Artillerie zu liegen kommt oder die Ukraine kapituliert. Auf jeden Fall wird bis dahin die Welt weiterhin täglich einer nuklearen Erpressung ausgesetzt sein.


Der Täter in diesem Verbrechen von globalem Maßstab ist jedoch nicht Russland, sondern die Ukraine, zusammen mit ihren westlichen Unterstützern in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.


Aus dem Englischen

Scott Ritterist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des US Marine Corps. Er diente in der Sowjetunion als Inspektor bei der Umsetzung des INF-Vertrags, im Stab von General Schwarzkopf während des Golfkriegs und von 1991-1998 als UN-Waffeninspektor. Man kann ihm auf Telegram folgen.


Mehr zum Thema - Scott Ritter: Nach Beitritt der Volksrepubliken zu Russland befindet sich die NATO in einem Dilemma


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08.10.2022

"Anthropologische Katastrophe": Moskau reagiert mit Sarkasmus auf unfähiges Polit-Personal im Westen

Angesichts der irrationalen und selbstzerstörerischen Tendenzen der westlichen Politik fragt man sich in Moskau, mit welchem Gegenüber man es zu tun hat. Bisher begegnete man der euroatlantischen Selbstüberschätzung mit Ironie und Nachsicht. Doch inzwischen fällt die Diagnose illusionslos aus.




"Anthropologische Katastrophe": Moskau reagiert mit Sarkasmus auf unfähiges Polit-Personal im WestenQuelle: Gettyimages.ru © Marcus Brandt/dpa/picture alliance


Der in Russland bekannte liberal-konservative Moskauer Journalist Maxim Sokolow hat Anfang Oktober für die Nachrichtenagentur RIA Nowosti einen Kommentar zur internationalen Lage verfasst. Darin kommt er zu dem Schluss, dass eine Verständigung mit dem westlichen politischen Personal so gut wie ausgeschlossen sei. Denn die westlichen "Partner" hätten ganz allgemein keine Vorstellung mehr davon, worum es eigentlich geht. Die Postmoderne, so scheint es, habe ihnen die Begriffe genommen, die Sinne betäubt und den Verstand, soweit vorhanden, vernebelt.


Sokolow beginnt seine Analyse mit dem Verweis auf ein Statement der italienischen Botschaft in Moskau, die, wie er nicht ohne Ironie bemerkt, "elegant" formuliert habe, dass "angesichts der Entwicklung des internationalen Kontextes" – faktisch also der "Kriege und Kriegsgerüchte" – die Bedeutung der politischen Führung "in jedem Land, das direkt oder indirekt in einen Konflikt verwickelt" ist, zunehme. Eine einleuchtende Feststellung. Sokolow begründet dies so:

"Wenn eine Nation mit der Aussicht auf Katastrophen und Not konfrontiert ist, ganz zu schweigen von der unmittelbaren Notwendigkeit, dass ihre Bürger für ihr Land sterben, müssen diejenigen, die an der Spitze der Macht stehen, über ein Mindestmaß an Autorität verfügen, damit ihre Stimme die richtige Wirkung auf ihre Untertanen haben kann."

Scholz lobt deutsche Waffen in der Ukraine: "Sie waren bei der Gegenoffensive besonders effektiv"




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Spiegel der Geschichte

Offensichtlich sieht der Kommentator diese Forderung nicht als erfüllt an. Und so illustriert Sokolow die Dramatik des Umbruchs mit einem Zitat aus dem bekannten Gedicht "Der Dompfaff" des klassischen russischen Dichters und Staatsmanns Gawriil Derschawin, der nach dem Tod des berühmten russischen Generals Alexander Suworow im Jahr 1800 gefragt hatte:

"Mit wem sollen wir gegen die Hyäne in den Krieg ziehen?

Wer ist jetzt unser Anführer? Wer ist nun der Held?"

Allerdings ergebe eine Begutachtung der führenden Politiker des Westens ein "weit weniger befriedigendes Bild". Und zwar gerade dann, wenn man die Perspektive und die Interessen der westlichen Länder anlegt: Man könne nur von "totaler Inkonsequenz im Dienst" sprechen. Schließlich sei es nicht jedermanns Sache, Härten und Entbehrungen auf sich zu nehmen, die die politische Führung einem Land auferlegt. Handele es sich doch um eine Führung, die aus Figuren besteht, die "nicht nur über kein Charisma" verfügten, sondern bei denen "man sich nur noch fragen kann: 'Was sind das für Leute?'"


Dabei müsse man gar nicht erst von US-Präsident Joe Biden sprechen: "Beim Anblick dieses 80-jährigen Führers der freien Welt (was sowohl sein Amt als auch seine Eigenbezeichnung ist)" würden "die gemeinsten Witze über Leonid Iljitsch" (Breschnew) und über den greisen Spaziergänger von Prag (ein unübersetzbares tschechisch-russisches Wortspiel über Kaiser Franz Joseph I., das 1901 anlässlich der Eröffnung einer Brücke über die Moldau durch den Kaiser in Gebrauch kam) verblassen".


Einen selbstkritischen Blick in die russische Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts wirft Sokolow auch mit Bemerkungen über die Partei der Konstitutionellen Demokraten ("Kadetten"), die wie auch andere, politisch weiter rechts stehende Politiker keine besondere Wertschätzung für "Europa" gepflegt hätten. Zudem habe sich das Zarenreich mitten im Ersten Weltkrieg einen alten Mann – Iwan LogginowitschGoremykin – als Premierminister geleistet, während in England, Frankreich und Deutschland "die Blüte der Nation" in die Regierungen berufen worden seien. Ob dem tatsächlich so gewesen ist, mag dahingestellt bleiben, doch zeigt Sokolow mit diesen Reminiszenzen an, dass die russische Seite auch vor der eigenen Haustür zu kehren bereit ist und nichts idealisiert.


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Meinung

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Im Westen

Nicht besser sieht es Sokolow zufolge "auf der anderen Seite des Ozeans" aus. Dort warteten Kamala Harris, Nancy Pelosi und "verschiedene LGBTQ-Personen". Wer von ihnen eine Rolle als "Anführer" oder "Held" – im Sinne von Derschawins Gedicht – spielen könnte, sei schwer zu sagen. Die US-Amerikaner selbst seien mit einer solchen Frage überfordert, mutmaßt der russische Kommentator. Doch auch in der Alten Welt stelle sich die Lage nicht besser dar. Die "britische Panzerfahrerin Lisaweta Truss" verblüffe nicht die Russen, sondern die Engländer "mit der Kraft ihres Intellekts".


Wo von der britischen Premierministerin die Rede ist, kann Annalena Baerbock, vorgestellt als "Leiterin der deutschen Diplomatie", nicht weit sein. Sokolow greift die jüngste ministerielle Perle an Logik sowie Landes- und Sachkenntnis auf. So hatte sich die deutsche Außenministerin über die "Not der Ukrainer" folgendermaßen ausgelassen: Bei diesen Referenden würden die Ukrainer erschossen und vergewaltigt – sie müssten "dann drei Tage lang Kreuze machen", während "ein Soldat mit einer Kalaschnikow in der Hand" neben ihnen stehe. Dazu meint Sokolow:

"Man kann sich solche Reden nicht aus dem Munde des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop vorstellen, auch Dr. Goebbels selbst drückte sich bisweilen treffender aus. Die Kunstturnerin Annalena hat sie alle geschlagen."

Auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner sorgt bei Sokolow für Verwunderung und zieht dessen Spott auf sich. Nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Röhren hatte der Minister erklärt, man befinde sich in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit. Ziel dieses Krieges sei es, das zu zerstören, was Menschen in Jahrzehnten aufgebaut haben. Dies könne nicht akzeptiert werden, und man werde sich wehren. Daher sei es an der Zeit, erneuerbare Energien als Freiheitsenergie auf den Weg zu bringen.


Sokolow kann sich über diese ministerielle "Logik" nur wundern. Vor dem Hintergrund der "Sabotage in der Ostsee, durch die Deutschland um sein Gas gebracht" wurde, wirkten Lindners Äußerungen, "als wäre er im Delirium":

"Sowohl in der UdSSR als auch in Russland gab es verschiedene Finanzminister mit unterschiedlichen Ansprüchen, aber keiner von ihnen hielt große Reden über die 'Energie der Freiheit'."

Josep Borrell, der Hohe Repräsentant der EU, habe sich – Achtung: Ironie! – zur drängendsten aller aktuellen Fragen geäußert, als er "alle Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft" aufgerufen hatte, Russland für immer zu verlassen. Nochmals Sokolow:

"Hier könnte man nicht von einer politischen, sondern von einer anthropologischen Katastrophe sprechen. Es gibt alle Arten von Politikern – solche, die den Anforderungen des Augenblicks gerecht werden, solche, die den Anforderungen des Augenblicks nicht ganz gerecht werden, und solche, die überhaupt nicht zurechtkommen. Aber Annalena, Borrell und Lisaweta sind gar keine Politiker (selbst wenn sie unbedeutend sind), sie stellen bereits das anthropologische Bild einer verhängnisvollen Degeneration dar."

Der Westen versteht nicht, dass Russlands Atomarsenal die Grundlage für seinen Großmacht-Status ist




Analyse

Der Westen versteht nicht, dass Russlands Atomarsenal die Grundlage für seinen Großmacht-Status ist





Besonderheit der heutigen Lage

Dabei geht es Sokolow nicht darum, wie westliche Politiker zur Sowjetunion standen oder zum heutigen Russland stehen. Schließlich seien Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß "auch keine Bewunderer der UdSSR" gewesen. Das Gleiche gelte für die US-Präsidenten Harry Truman und Lyndon Johnson:

"Aber sie waren keine ausgesprochenen Feinde der einfachsten Logik und des einfachsten gesunden Menschenverstands. Deshalb galten sie in Moskau als schwierige und unangenehme, ja geradezu feindselige Partner, aber ihre Vernunft wurde nicht in Frage gestellt. Denn weder Strauß noch McNamara waren Spinner, die mit der Leitung des Staates betraut wurden. Anders als …"

Darin bestehe heutzutage "die allgemeine Traurigkeit der aktuellen internationalen Politik". Die Widersprüche könnten sich bis zum Äußersten steigern: bis zur Drohung mit der Vernichtung. In dieser gefährlichen Lage gebe es eine Grundvoraussetzung:

"Wenn die Feinde zumindest einigermaßen zurechnungsfähig sind, wie es in früheren Zeiten der Fall war, kann man mit einigen mühsamen Anstrengungen eine Einigung erzielen und irgendwie ein Friedensabkommen erreichen."

Doch im Gegensatz zu früheren Zeiten des Kalten Krieges sei es heute angesichts der von Sokolow diagnostizierten "anthropologischen Katastrophe" völlig unklar, wie man zu einer Einigung gelangen könnte: Denn auf der Gegenseite habe

"er (oder sie) […] keine Ahnung, worüber wir reden. Das ist die Besonderheit der Periode der Weltgeschichte, in der wir leben."

Zugegeben, das ist für den Westen keine schmeichelhafte Diagnose aus Moskau. In ihrer bitteren Nüchternheit dürfte sie jedoch der Wahrheit beängstigend nahekommen.


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08.10.2022

Im Auge des Taifuns – oder geht es noch um die Ukraine?

kai-ehlers.de,  5. Oktober , Kai Ehlers, Artikel zur Lage

Nach der Eingliederung von vier „Subjekten“ aus dem bisherigen ukrainischen Staatsverband in die Russische Föderation, nach der Rede Wladimir Putins anlässlich dieses Vorgangs, mit der Russland sich vom Westen verabschiedet und nach den Erklärungen der Ukraine und ihrer Unterstützer, diesen Vorgang niemals anerkennen zu wollen, steht die Frage: Wie geht es weiter?

Geht es noch um die Ukraine? Ging es je um die Ukraine? Wer soll „zerstört“ werden? Mit welchen Konsequenzen? Oder gibt es vielleicht etwas zu besprechen?


Fassen wir es so: Wenn es denn überhaupt um die Ukraine ginge, und sie nicht nur stellvertretend benutzt würde, um die globale Machtordnung neu zu „regeln“, dann wäre primär von der Tatsache auszugehen, dass es keine entweder Ost- oder Westzugehörigkeit des Gebietes geben kann, das sich bisher als Ukraine verstanden hat, sondern nur um eine wie auch immer geartete Übergangssituation auf dem Weg der Herausbildung einer Staatlichkeit, die der kaleidoskopartigen Geschichte und Realität dieses Raumes entspricht.


Das würde bedeuten, einzuhalten mit den Versuchen, Teile des Gebietes oder auch das ganze Gebiet in Staatsformen zwingen zu wollen, die seiner sozialen, kulturellen und strukturellen Verfasstheit nicht entsprechen. Was die Bevölkerung dieses Raumes stattdessen braucht, ist die Möglichkeit, die Staatsform, in der sie zwischen den Blöcken EU und Russland leben kann und will, selbst zu entwickeln. 


Betrachtet man die Geschichte, dann ist dies, wenn von dem ukrainischen Land als Ganzem die Rede sein soll, weder in der Rückführung in die russische Föderation noch in einem Übergang in die Europäische Union ohne schwere innere und auch weitere äußere Konflikte möglich. Möglich und im Interesse einer friedlichen und langfristig stabilen Entwicklung sinnvoll wäre allein die Einleitung von Beratungen zur Entwicklung einer föderal verbundenen Gemeinschaft unterschiedlicher selbstverwalteter autonomer Regionen, die ihre Beziehungen zu ihren Nachbarn nach ihren je eigenen Interessen in kooperativer Freiheit selbst gestalten.

 

Klingt wie Utopie…

Das klingt wie Utopie – wird auch Utopie bleiben, wenn nicht unverzüglich die Kämpfe eingestellt werden und zu Verhandlungen übergegangen wird, die es erlauben solche Gliederungen des Landes zu entwickeln, die den realen Gewordenheiten entsprechen. 


Andernfalls wird sich der jetzige Krieg in einem Konflikt fortsetzen, der nicht nur die Ukraine als Ganzes und ihre Teile vernichtet, sondern auch die Europäische Union und Russland in einen zerstörerischen Dauerkonflikt, wenn nicht gar in kriegerische Konfrontationen führt, die Europas wie auch Russlands Kräfte in Feindschaft zueinander neutralisieren und verbrauchen, statt dass die beiden Teile Eurasiens sich in prosperierender Kooperation verbinden könnten.


Von einer solchen Entwicklung kann sich nach Lage der Dinge niemand einen Nutzen versprechen – außer vielleicht die USA für ihren Aufmarsch gegen China. Vielleicht nicht etwa, weil es von den kriegstreiberischen Kräften der USA nicht gewollt würde – sondern weil auch dies sich als trügerisch erweisen könnte, da ein solcher Niedergang des eurasischen Raumes nur in eine globale Katastrophe führen kann, und weil auch weder die USA noch China in der Lage wären, die Fliehkräfte zu binden, die von einer solchen Entwicklung unvermeidlich freigesetzt würden.  

 

Umgekehrter Brzezinski

Erinnerungen kommen hier hoch an den vor wenigen Jahren verstorbenen US-Strategen Zbigniew Brzezinski, der als gelehriger Schüler des angelsächsischen Commonwealth erklärte, wer die Welt beherrschen wolle, müsse Eurasien beherrschen. Wer Eurasien beherrschen wolle, müsse das Herzland, also Russland, beherrschen. Wer Russland beherrschen wolle, müsse die Ukraine aus dessen Einflussbereich herauslösen. Dann könne Russland kein Imperium mehr sein.


Entlang dieser Strategie haben die USA spätestens seit 1991 ihre Politik gegenüber Russland entwickelt. Das soll hier nicht zum wiederholten Male aufgerollt werden, Die Stationen sind hinlänglich bekannt: NATO- und EU-Osterweiterung, Befeuerung bunter Revolutionen im nachsowjetischen Raum.


Genauer betrachtet werden soll hier jedoch die spiegelbildliche Verkehrung, die hinter dieser Strategie zurzeit in Umrissen wie ein Nightmare auftaucht, nämlich: Wer die gewachsenen Zusammenhänge der Ukraine zum Herzland Eurasiens zerstört, zerstört das Herzland. Wer das Herzland zerstört, also Russland, führt die Welt ins Chaos – es sei denn, er oder sie wäre nicht nur willens, sondern auch in der Lage die Rolle zu übernehmen, die das Herzland für die Stabilisierung Eurasiens seit gut 1000 Jahren inne hatte und jetzt immer noch hat, auch wenn sich an den Rändern Russlands Ermüdungserscheinungen gegenüber dem Krieg zeigen, den Moskau in der Ukraine gegenwärtig führt.   


Sind sich die Unterstützer Kiews darüber im Klaren, wenn sie wie Joe Biden oder in seiner Spur die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock die „Zerstörung“ Russlands als strategisches Ziel ausrufen, was sie an dessen Stelle, also an die Stelle einer zentralisierten Vielvölkerstruktur setzen wollen? Sind sie in der Lage das Nightmare dieses verkehrten Brzezinski als Warnung zu begreifen nicht in dieses Schwarze Loch zu taumeln? Das ist schon fast keine Frage mehr, denn dafür müsste genauer auf die Realitäten geschaut werden, als nur Ideologie von „Werten“ abzusondern, die es gegen Russland als Verkörperung des Bösen zu verteidigen gelte.

 

Moskau zerstören – und dann?

Die Verwaltungsstruktur Russlands gleicht einem Speichenrad, das Völker und Regionen mit der Nabe Moskau verbindet. Was wollen diejenigen, die ‚Moskau‘ zerstören wollen, an die Stelle dieser Struktur setzen, um eine politische Explosion des Raumes zu verhindern? Was wollen sie an die Stelle der gewachsenen Verbindungen zwischen Völkern Russlands und Europa setzen? Erwarten sie etwa einen neuen politischen Partner nach dem Zuschnitt von Boris Jelzin oder gar eines Alexei Nawalny, der einen gestürzten Wladimir Putin ersetzen könnte? Hofft man wieder einmal auf einen „Regime Change“? Ist man sich über die Rolle, die Putin für die Stabilisierung des Raumes ausgefüllt hat, im Klaren?


Putin war und ist, man mag ihn mögen oder nicht, nicht nur im nachsowjetischen Russland ein Stabilisator, sondern auch ein Krisenmanager in zurückliegenden globalen Konflikten. Er war die aktivste Kraft im Umkreis der UNO, die sich der US- Dominanz bisher für die Schaffung einer multipolaren Welt entgegengesetzt hat. Ganz prononciert gesprochen, er wäre der ideale Partner für einen Bundeskanzler Scholz auf dem von diesem neuerdings laut propagierten Weg in eine multipolare Zukunft – wenn Scholz nicht imental und politisch im US-dominierten Globalismus verstrickt wäre.


Dies alles spricht dafür, dass solche Fragen, also die Gefahr eines auseinanderbrechenden Eurasiens, einschließlich eines Auseinanderdriftens seiner europäischen Teile, gegenwärtig in den Vordergrund rücken,  anders betrachtet, in den Vordergrund gerückt werden müssten.


Die Realität entwickelt sich allerdings anders: Wolodymyr Selenski hat, wie nicht anders zu erwarten, die Lage ungeachtet aller damit verbundenen Konsequenzen sofort zu eskalieren versucht: Antrag auf beschleunigte Aufnahme der Ukraine in die NATO, was den § 5 der NATO-Beistandsverpflichtung gegen Russland aktivieren und Europa, nicht zuletzt Deutschland zum Schauplatz erweiterter Kriegshandlungen machen würde. Die NATO hat diesen Antrag auf die lange Bank geschoben. Das empfindet Selenski offenbar als Verrat. Er hat jedenfalls umgehend einen Erlass herausgegeben, der jedwede Aufnahme von Verhandlungen mit Vertretern Russlands ab sofort unter massive Strafandrohung stellt. Putin hat demgegenüber, auf Basis der durch die Eingliederung der von Russland jetzt geschaffenen Fakten, neue Verhandlungen angeboten, allerdings mit dem Zusatz, dass die Ergebnisse der Referenden nicht zur Debatte stünden. Darauf könnte man eingehen, aber will man das?


Bisher wurden die Schrauben immer nur in Richtung Eskalation gedreht. Jetzt ist die Welt ist im Auge des Taifuns angekommen. Unsere entschiedene Ablehnung dieses Krieges ist gefragt, auch, nein gerade weil uns keiner der Beteiligten Volksvertreter nach unserer Meinung fragt.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de


Info:  https://kai-ehlers.de/2022/10/im-auge-des-taifuns-oder-geht-es-noch-um-die-ukrain


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

08.10.2022

Indonesiens Völkermord von 1965: Deutschlands unbekannter Krieg gegen den Kommunismus

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redfish.media, September 30, 2002 kota jakarta selatan, Read article in English

Die indonesische Militärjunta unter Muhammad Suharto tötete ab Mitte der 1960er Jahre Hunderttausende Kommunisten. Die Bundesrepublik hatte davon genauestens Kenntnis


Am 1. Oktober 1965 putschte sich in Indonesien eine von General Haji Muhammad Suharto (1921–2008) geführte Militärjunta an die Macht. Der bis dahin amtierende Präsident Ahmed Sukarno (1901–1970), der sich 1963 zum Präsidenten auf Lebenszeit hatte wählen lassen und einer Einheitsregierung bestehend aus Nationalisten, Islamisten und Kommunisten vorstand, wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Er blieb zwar offiziell im Amt, musste aber die Militärs gewähren lassen, die ihn im März 1967 schließlich ganz absetzten. Die Putschisten verboten umgehend die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI), damals die drittgrößte Kommunistische Partei der Welt. Die repressiven Maßnahmen betrafen ebenso alle direkt oder indirekt mit der PKI verbundenen Organisationen.


Zwischen Oktober 1965 und den frühen 1970er Jahren ließ die Junta Anführer der Partei, Mitglieder und Sympathisanten in Konzentrationslager sperren und ermorden. Nach Angaben von Sarwo Edhie (1925–1989), Offizier des Army Frontier Regiment of the Indonesian Armed Forces’ Special Forces Unit, belief sich die Zahl der Hingerichteten auf »zwei oder drei Millionen« Menschen.[1] Obwohl dieses Verbrechen gewissermaßen einen Genozid an Kommunisten darstellt, ist es der Welt weitgehend unbekannt geblieben.


»Vollständig vernichten«

Recherchen im politischen Archiv des Auswärtigen Amts haben ergeben, dass die Bundesrepublik Deutschland von Anfang an vollständige Kenntnis von dem mit den USA koordinierten Massaker in Indonesien besaß.[2] So war dem Bonner Außenministerium bekannt, dass »die indonesischen Streitkräfte die kommunistische Partei vollständig vernichten«, wie Legationsrat Hilmar Bassler am 3. Dezember 1965 berichtete.[3] Die Dokumente belegen zudem, dass die westdeutsche Regierung die Militärdiktatur in Jakarta vorbehaltlos unterstützt hat – politisch, ökonomisch und militärisch.


[3]AA PA B 37 REF. IB5 173  
[3]AA PA B 37 REF. IB5 173  

Ein Dokument vom 17. August 1965 weist aus, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits 1965 insgesamt 22 Industrie-, 18 Handels- und zwei Transportkonzessionen in Indonesien besaß – Kapitalexport für billige Rohstoffe und Arbeitskräfte. Dokumente vom 19. Januar 1965 zeigen, dass die Bundesregierung beschlossen hat, Indonesien ein » Sondernplafonds« in Höhe von 100 Millionen DM zu gewähren[5], aus Dokumenten vom 17. Mai 1968 wiederum geht hervor, dass ein »Kapitalhilfevertrag« abgeschlossen wurde.[6] Die Behauptung, Bonn habe damit der Dritten Welt geholfen, wäre hier gänzlich fehl am Platz. Es ging vielmehr um neokoloniale Abhängigkeitsverhältnisse.


[5]AA PA B 37 REF. IB5 173
[6]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 104

Interessant ist es, die Botschafter der Bundesrepublik in Jakarta genauer in den Blick zu nehmen. Die Bonner Beamten, die dort zwischen 1952 und 1970 ihren Dienst taten – Werner Otto von Hentig (1886–1984), Helmut Allardt (1907–1987), Dietrich von Mirbach (1907–1977), Gerhart Weiz (1906–1983), Luitpold Werz (1907–1973) und Hilmar Bassler (1907–1971) – hatten allesamt bereits im Auswärtigen Dienst zwischen 1933 und 1945 Karriere gemacht, standen also auch während des Faschismus im aktiven Dienst unter Reichsaußenminister Joachim Ribbentrop. Ihre Nazivergangenheit war für sie in Bonn, man möchte fast sagen: selbstverständnlich, nie zu einem Problem geworden. Werner Otto von Henting, der erste Botschafter der Bundesrepublik in Indonesien im Jahr 1952, verhalf als Beamter des Auswärtigen Amtes dem ehemaligen Mufti von Jerusalem und NS-Kollaborateur, Mohammed Amin al-Husseini, am 6. April 1945 erfolgreich zur Flucht aus dem besiegten Nazideutschland. Hilmar Bassler, zwischen 1968 und 1970 Botschafter, war im Zweiten Weltkrieg für die Nazipropaganda in Ostasien verantwortlich gewesen. Bonn schickte also Diplomaten mit Vorkenntnissen und Verbindungen in das asiatische Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit.


Die Botschafter und das ihnen unterstehende Personal erhielten teilweise detaillierte Kenntnis von den Verbrechen des Suharto-Regimes. So berichtete der Militärattaché der Botschaft in Jakarta, Meyer, an das Verteidigungsministerium in Bonn mit Datum vom 8. Januar 1965, nonchalant, sein indonesischer Ansprechpartner, der Generalmajor Ibrahim Adjie, habe ihm erzählt, dessen Einheiten hätten 1.400 kommunistische Plantagenarbeiter »vorsorglich und probeweise festnehmen lassen«, um die Reaktion der kommunistischen Partei zu testen. Später habe man 400 von ihnen freigelassen, »die übrigen wurden beerdigt«.[7]  


[7]AA PA: B 37 REF. IB5 169 A
[7]AA PA: B 37 REF. IB5 169 A
[7]AA PA: B 37 REF. IB5 169 A


Geheimdienstlicher Austausch

In einem Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jakarta an das Auswärtige Amt in Bonn vom 12 Oktober 1967, versehen mit dem Vermerk »Geheim«, wird die antikommunistische Kooperation auf höherer Ebene deutlich

»betr. Nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit indonesischen heeresstellen

Militärattaché hat mit schreiben an bmvtg (Bundesverteidigungsministerium; jW) (…) Ausbildung indonesischer Nachrichtenoffiziere beim bnd und Zusammenarbeit bzw. nachrichtenaustausch über Kommunismus befürwortet«.[8]


[8]AA PA: B 130 VS-REG 903
[8]AA PA: B 130 VS-REG 903
[8]AA PA: B 130 VS-REG 903

Natürlich beschränkte sich die Zusammenarbeit nicht nur auf den Austausch von Informationen. So rechtfertigten beispielsweise Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in Bonn am 26. Oktober 1965, während das Massaker auf Hochtouren lief, die »Ausfuhr von Pistolengriffen«: »Es wäre nicht zu vertreten, wenn wir der indonesischen Armee, die zur Zeit gegen die kommunistische Partei mit Waffengewalt vorgeht, diese indirekte Hilfe verweigern würden.« Es solle lediglich darauf geachtet werden, »dass die Pistolengriffe kein Kennzeichen als deutsches Produkt erhalten«.[9]


[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[9]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122

Das Aktenmaterial gibt gleichwohl viel mehr preis als nur den Verkauf von Pistolengriffen. Das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes beheimatet zahlreiche Dokumente, die den Export von Waffen und Munition »Made in Germany« nach Indonesien belegen.

Am 28. Januar 1966 wird in einem Bericht der Abteilung III des Auswärtigen Amtes die Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung von »15 kompletten Anlagen zur Herstellung von Sprengstoffen« im Wert von 40 Millionen DM an die indonesische Armee beantragt. Die »Gesamtanlage« der Firma Ferrostaal belaufe sich, so das Dokument, auf eine »Monatskapazität von fast 2.000 Tonnen Sprengstoffen, Pulver und Zwischenprodukten, 1.100 km Zündschnur und 1,1 Millionen Sprengkapseln«. Zur Begründung heißt es unter anderem: »Es liegt ferner in unserem Interesse, die Armee bei ihren Bemühungen um eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung zu unterstützen. Eine Ablehnung von Aufträgen der indonesischen Armee hätte zur Folge, dass wir die Kräfte, die wir stützen wollen, schwächen und damit den noch vorhandenen kommunistischen Elementen indirekt in die Hände arbeiten.«[10]


[10]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[10]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[10]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122


»Keine Einwände«

Am 1. Februar 1966 stellte die Firma Rheinstahl Hanomag beim Bundesverteidigungsministerium einen Antrag auf »Genehmigung für die Aufnahme der Werbetätigkeit« für Schützenpanzer, »in erster Linie Jagdpanzer KANONE«[11], den das  Auswärtige Amt am 8. Juli 1966 in einem Schreiben an das Verteidigungsministerium mit »keine Bedenken« beantwortete.[12]


Am 30. Juni 1966 leitete das Bundeswirtschaftsministerium einen Antrag an das Auswärtige Amt weiter, wonach die Firma Fritz Werner um die Genehmigung des Kaufs von 255.800 Kilogramm Nitroglycerin von der Firma Dynamit Nobel zum Versand nach Indonesien bat[13], worauf das Auswärtige Amt am 4. Juli antwortete: »keine Bedenken«.[14]


[11]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[12]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[13]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[14]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122

In einem »Schnellbrief« vom 24. Juni 1968 bat das Bundeswirtschaftsministeriums das Auswärtige Amt sowie das Verteidigungsministerium um Genehmigung für die Lieferung von 10.000 Heckler & Koch-G3-Gewehren an die indonesische Armee. Am 27. Juni 1968 kamen die Genehmigungsunterlagen des Auswärtigen Amtes. Erneut hieß es: »keine Bedenken«.[15]


In einem Schreiben vom 12. November 1968 bat das Bundeswirtschaftsministerium das Auswärtige Amt für die Firma Industriewerke Karlsruhe AG um eine Genehmigung für die Ausfuhr von »20.000.000 Patronen 7.62 mm, ohne NATO-Markierung« nach Indonesien. Die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 19. November 1968 lautete: »Keine Bedenken«.[16]


Ohne Frage stand hinter den Krediten und Waffenverkäufen an Indonesien zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine politische Absicht. Das Argument, das im »Aktionsplan«-Protokoll der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland am 22. Dezember 1964 in Jakarta festgehalten wurde, lautete: »Indonesien gelte als Barriere oder Sprungbrett des Kommunismus nach Australien. Unser nationales Interesse, unser Präsenz in Indonesien zu wahren, erfordere Opfer finanzieller Natur, denen allerdings Grenzen seien. Indonesien sei ein entscheidender Testfall «.[17]


[15]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4
[16]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[16]AA PA: B 57 REF. 405/IIIA4 122
[17] AA PA: B 37 REF. IB5 171 B

Dies war die Grundlage der westdeutschen Indonesienpolitik. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges gestalteten sich die Beziehung Bonns zur Regierung Sukarno, der einen blockfreien dritten Weg verfolgte, recht holprig. Doch seit dem 1. Oktober 1965, nach dem blutigen Putsch, hatte Indonesien bewiesen, dass es eine »Barriere« gegen den Kommunismus war.


Das war von solchem Gewicht, eingedenk der wirtschaftlichen und politischen, aber auch militärischen Interessen, dass es sogar im Protokoll des Treffens zwischen US-Präsident Lyndon B. Johnson und Bundeskanzler Ludwig Erhard am 27. September 1966 festgehalten wurde:


»Andererseits meine er (Lyndon B. Johnson; jW), während des Herrn Bundeskanzlers und seiner eigenen Regierungszeit habe der Kommunismus einen großen Verlust eingesteckt, der nicht genügend ausgenutzt worden sei: Indonesien. Hier sei ein Volk von hundert Millionen für den Kommunismus verlorengegangen. Wenn die übrige Welt sehen würde, dass der Kommunismus nicht auf dem Vormarsch, sondern auf dem Rückzug sei, dann werde es auch weniger Druck in Berlin geben. Ob es nun gelinge, die Kommunisten aus Indonesien herauszuhalten, sei abhängig davon, wie schnell die freie Welt handle. Er habe am Vormittag ein Gespräch mit dem indonesischen Außenminister gehabt, der ihm gesagt habe, die Kommunisten seien verjagt, aber die wirtschaftlichen Probleme seien ungeheuer. Indonesien erarbeite fieberhaft einen Wirtschaftsplan. Amerika gebe sehr viel wirtschaftliche Unterstützung, technische Hilfe, und liefere Nahrungsmittel. Er selbst habe den indonesischen Außenminister gefragt, wer denn sonst noch seinem Lande helfe, und dieser habe geantwortet: Deutschland, das vor allem durch Lieferung von Maschinen sehr viel tue. Er hoffe, daß der Herr Bundeskanzler mit deutschen Industriellen und mit Regierungshilfe die derzeitigen Führer in Indonesien unterstützen könne.


Der Herr Bundeskanzler bemerkte, selbstverständlich habe sich auch die deutsche Haltung verändert, seitdem Sukarno in Indonesien nicht mehr der Allmächtige sei, der dieses Land nicht nur dem Kommunismus zugeführt, sondern es auch in wirtschaftliche Unordnung gebracht habe. Er glaube jedoch, daß jetzt der Boden für größere Aktivität bereitet sei.


Der Präsident sagte, vielleicht könnte der Herr Bundeskanzler sich mit den deutschen Exportfirmen zusammentun, die in Indonesien Interessen hätten, und auch dafür sorgen, daß Regierungskredite zur Verfügung gestellt würden. Dies wäre höchst hilfreich. Gleichzeitig würde dadurch der Druck auf Amerika verringert, wenn Deutschland mit Amerika stehe. Es würde auch für Amerika dann leichter sein, in Deutschland präsent zu sein, denn eine solche Zusammenarbeit zeige, daß die Deutschen Schulter an Schulter mit den Amerikanern stünden in der Hilfe für die Dritte Welt.«[18]


Die praktische Konsequenz dieser Worte war der brutale Vernichtungsfeldzug gegen die Kommunisten und ihre Verbündeten in Südostasien, der 1965 in Indonesien begann und bis in die frühen 1970er Jahre andauerte.


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Umfängliche Kooperation

Nach Recherchen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes wissen wir heute, dass Bonn vor und während des Völkermordes und in der Zeit danach die Reisen indonesischer Armeeoffiziere nach Deutschland finanzierte[19], die Minister bestach, die die deutschen Interessen in Jakarta vertraten (indem sie deren Söhne mit Stipendien ausstatteten und in Deutschland studieren ließen)[20], und dem indonesischen Geheimdienst erlaubte, Dissidenten in Deutschland zu überwachen.[21]


Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Von Beginn des Völkermordes an wurde Bonn fast täglich über alle Entwicklungen informiert, auch darüber, wie viele Menschen wo und wann getötet wurden. Im folgenden einige Beispiele.


[19]AA PA: B 37 REF. IB5 176
[20]AA PA: B 130 VS-REG 2586 A
[20]AA PA: B 130 VS-REG 2586 A
[20]AA PA: B 130 VS-REG 2586 A
[21]AA PA: B 130 VS-REG 2586
[21]AA PA: B 130 VS-REG 2586
[21]AA PA: B 130 VS-REG 2586
[21]AA PA: B 130 VS-REG 2586

Da ist zunächst Meyer, der Militärattaché der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jakarta, der am 25. Oktober 1965 in seinem Bericht mit dem Titel »Die Entwicklung der militärischen und politischen Lage bis zum 25. Oktober 1965« feststellt, dass die indonesische Armee eine »Salamitaktik« gegen die kommunistische Partei eingeleitet habe.[22] Am 29. November 1965 gibt Botschafter Werz in einem dreiseitigen Bericht mit dem Titel »Innenpolitische Lage« unter anderem folgende Information an Bonn weiter: »nach zuverlässigen Informationen der Armee wurde PKI-Führer Aidit am 21. November in Solo, in Zentraljava, von der Armee gefasst und am folgenden Tag erschossen worden.«[23]


Seinen Bericht vom 14. Dezember 1965 mit dem Titel »Verluste der indonesischen Bevölkerung seit dem 1. Oktober diesen Jahres«[24] beginnt Botschafter Werz mit den Worten: »Der Kampf der Armee und der Moslems gegen die Kommunisten wird außerhalb Jakartas mit verbissener Härte und zum Teil unmenschlicher Grausamkeit, geführt.« Weiter heißt es: » Die staatliche Nachrichtenagentur Antara veröffentlich zwar täglich Meldungen über die Gefangennahmen und Tötungen Wiederstandleistenden leistender Kommunisten, doch stehen sie dabei genannten Ziffern nach den bisherigen hier vorliegenden Informationen weit hinter der Wirklichkeit zurück Die wahren Verlustzahlen übertreffen die offiziellen Angaben um ein Vielfaches«. Werz bietet anschließend eine erste Bilanz des Völkermordes in den verschiedenen Teilen des Landes:


[22]AA PA: B 37 REF. IB5 170
/*#contentNachrichtenLink_249707{ display:none; } #SIMtxtBoxtext_249707:hover


> #contentNachrichtenLink_249707{


Info: https://redfish.media/blog/indonesiens-volkermord-von-1965-deutschlands-unbekannter-krieg-gegen-den-kommunismus

 
08.10.2022

Lebenshaus-Newsletter

Lebenshaus-Newsletter, vom 7. Oktober 2022


**         Jetzt anmelden 10. Tagung "We shall overcome!"

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Lebenshaus Schwäbische Alb lädt herzlich zur

Teilnahme an der 10. Tagung "We shall overcome! -

Gewaltfrei aktiv für die Vision einer Welt ohne Gewalt

und Unrecht“ am 15. Oktober 2022 in Gammertingen

(Landkreis Sigmaringen) ein. Unter anderem mit

Emran Feroz (Innsbruck/Stuttgart), Barbara und

Eberhard Bürger (Magdeburg) sowie Marion Küpker

(Hamburg).

Zusätzlich zu den bereits 40 Teilnehmenden nehmen

wir gerne noch weitere Anmeldungen entgegen. Wir haben

den Anmeldeschluss bis zum Montag, 10. Okt. verlängert.

Auf unserer Website gibt es ausführliche Infos zur

Tagung und zum Gesamtprogramm unter:

https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=e9ccef2275&e=51d2a34ef5


Liebe Freundinnen und Freunde,


heute Morgen habe ich gelesen, dass die NATO nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes verhindern müsse - notfalls mit Präventivschlägen. Bei einem Auftritt vor dem Lowy Institut im australischen Sydney betonte Selenskyj gestern die Bedeutung von Präventivmaßnahmen. Die NATO "muss die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen. Wichtig ist aber - ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft -, dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden." Er betonte: "Nicht umgekehrt: Auf Schläge von Russland warten, um dann zu sagen: 'Ach du kommst mir so, dann bekommst du jetzt von uns'." (zit. nach ORF, 07.10.2022)


Irre, wie da mit dem Feuer gespielt wird! Und Selenskyj ist leider nicht der einzige Hasadeur. Unter anderem hat Putin mehrfach mit Atomwaffen gedroht. Der Krieg in der Ukraine droht zu einem atomaren Showdown zu werden. Es ist höchste Zeit, dass sowohl Russland als auch die USA zur Besinnung kommen und Zurückhaltung üben, bevor es zur absoluten Katastrophe kommt!


Wie wohltuend klingen da ein paar andere Stimmen aus der Ukraine, die völlig konträr sind zur - auch hierzulande - weitverbreiteten Kriegshysterie und zum Starren auf die Macht der Waffen und dem Einsatz von immer mehr und schwereren Waffen. Die Rede ist von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, die nachfolgend mit einem kurzen Auszug aus ihrer Erklärung vom 21.09.2022 zu Wort kommen. Auf die vollständige Erklärung habe ich bereits im letzten Newsletter hingewiesen, finde diese aber für wichtig genug, um nochmals einige Gedanken daraus aufzugreifen.


"Es ist ein Fehler, sich auf die Seite einer der

kriegführenden Armeen zu stellen.

Es ist notwendig, sich auf die Seite des Friedens

und der Gerechtigkeit zu schlagen.

Selbstverteidigung kann und sollte mit

gewaltfreien und unbewaffneten Methoden erfolgen.

Jede brutale Regierung ist illegitim, und nichts

rechtfertigt die Unterdrückung

von Menschen und das Blutvergießen für die

illusorischen Ziele der totalen Kontrolle oder

der Eroberung von Territorien.

Niemand kann sich der Verantwortung für sein

eigenes Fehlverhalten entziehen, indem er sich

darauf beruft, Opfer des Fehlverhaltens anderer zu sein.

Falsches und sogar kriminelles Verhalten einer

Partei kann nicht die Konstruktion eines Mythos

über einen Feind rechtfertigen, mit dem es angeblich

unmöglich ist zu verhandeln und der um jeden Preis

vernichtet werden muss, einschließlich der Selbstzerstörung.

Der Wunsch nach Frieden ist ein natürliches Bedürfnis

eines jeden Menschen. Er darf aber keine negative

Beziehung zu einem mysteriösen Feind rechtfertigen."


(aus: Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung,

21. September 2022. Vollständig übersetzte Erklärung hier

>> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=c4351181fa&e=51d2a34ef5)

Herzliche Grüße

Ihr / Euer

Michael Schmid


PS: Die Texte und Informationen in unserem Newsletter und auf unseren Websites dienen der Information und sollen zum Nachdenken und zur Diskussion anregen. Sie entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors und geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.


Wir freuen uns, wenn unsere Newsletter an andere Menschen weitergeleitet werden.

Artikel



** Keine Waffen in Kriegsgebiete!

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"Wie barbarisch und menschenverachtend, dass die Bundesregierung Rüstungsexporte für die im Jemen kriegführenden Länder Saudi-Arabien, VAE und Ägypten genehmigt hat. Saudi-Arabien erhält Zulieferungen für Ausrüstung und Bewaffnung sowie Munition für seine Eurofighter und Tornado. Und das obwohl bekannt ist, dass mit genau diesen Kampfflugzeugen seit Jahren nachweislich sogar zivile Ziele im Jemen aus der Luft bombardiert werden. Damit kann das Morden auch mit deutschen Waffen und Munition ungehemmt fortgesetzt werden!", beklagt Jürgen Grässlin, Sprecher der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" und Bundessprecher der DFG-VK die gestern bekannt gewordenen weiteren Rüstungsexportgenehmigungen des Bundessicherheitsrats. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=4ab3268090&e=51d2a34ef5



** Sie wollen nicht töten

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Immer mehr Männer verlassen Russland, um nicht im Ukraine-Krieg kämpfen zu müssen. Die Bundesregierung hat ihnen Schutz zugesagt, doch für die Mehrheit ist es unmöglich, das in Anspruch zu nehmen, weil sie gar nicht erst an die deutschen Grenzen gelangt. Ein Überblick zur Situation russischer Kriegsdienstverweigerer und Militärdienstentzieher. Von Rudi Friedrich, Connection e.V. und Elisa Rheinheimer, PRO ASYL. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=31997cbd4f&e=51d2a34ef5



** Im Zweifel für den Frieden, Teil 1 + 2

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Konsequenter Pazifismus versucht zwar, die Motive des Gegners zu verstehen, verharmlost aber niemals das Grauen des Krieges. "Es gibt Regeln für das Töten im Krieg", sagte die Konfliktforscherin Belkis Wille von "Human Rights Watch" über die Kampfhandlungen in der Ukraine. Dahinter steht die Vorstellung, es gebe "Kriegsverbrechen" auf der einen Seite - also zum Beispiel die Tötung von Zivilisten oder die Misshandlung von Kriegsgefangenen - und "normale", also legitime Kriegshandlungen. Diese Annahme ist eine Beschönigung des Grauens. Der Krieg selbst ist ein Verbrechen - immer. Dies wird für Menschen umso mehr zu einer Wahrheit, je näher sie der Realität des Krieges gekommen sind. Konsequente Pazifisten haben deshalb schon immer alle wohlfeilen Rechtfertigungen für Kriegshandlungen ("Ich musste es tun, weil...", "Ich musste es tun, damit...") zurückgewiesen. Von Roland Rottenfußer.

>> Im Zweifel für den Frieden, Teil 1 >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=7a82a7664c&e=51d2a34ef5

>> Im Zweifel für den Frieden, Teil 2 >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=808552d60b&e=51d2a34ef5



** Aserbaidschanische Armee filmt tödliche Folter einer Armenierin

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Aserbaidschan führt gegen Armenien einen Krieg mit allen Mitteln: Etwa mit Bildern von grausigen Gewalttaten. Wie sinnvoll eine Politik ist, die den einen Herrscher - Putin - als moralisch verwerflichen Diktator anprangert und den zweiten Herrscher - Aserbaidschans Alijew - als "vertrauenswürdigen Partner" reinwäscht, bleibt das Geheimnis von Frau von der Leyen. Von Amalia van Gent. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=fd8aa67c56&e=51d2a34ef5



** IPPNW verurteilt Drohung mit Atomwaffen

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Die IPPNW verurteilt die wiederholte Drohung des russischen Präsidenten mit Atomwaffen. Die Friedensnobelpreisträgerorganisation fordert Russland und die NATO erneut dazu auf, in einer verbindlichen Erklärung auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen (No-First-Use) zu verzichten. Mehrere Friedensnobelpreisträger*innenund mehr als 1 Millionen Menschen weltweit unterstützen diese Forderung. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=95353ef852&e=51d2a34ef5



** 26. September 2022: UN - Tag zur Abschaffung von Atomwaffen

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ICAN fordert anlässlich des UN-Tags zur Abschaffung von Atomwaffen von der Bundesregierung ernsthafte Schritte für nukleare Abrüstung - Deutschland darf nicht Teil des internationalen nuklearen Wettrüstens sein. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=63e5377aa6&e=51d2a34ef5



** Netzsicherheit kein Grund für AKW-Streckbetrieb

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Zur Aussage von Bundeswirtschaftsminister Habeck (spiegel.de), ein Streckbetrieb von AKW sei nötig, um die Netzsicherheit zu gewährleisten, erklärt Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt: "Bundeswirtschaftsminister Habeck hat recht, wenn er feststellt, dass ‚nicht die Strommenge, sondern das Verteilen des Stroms im Netz‘ das Problem ist. Er irrt aber, wenn er glaubt, dass AKW dieses Problem lösen könnten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Habeck den Stresstest falsch verstanden hat oder ihn absichtlich missinterpretiert, um einen Weiterbetrieb der AKW durchzusetzen." >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=7d69f9a598&e=51d2a34ef5



** Endlich aufwachen!

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Das fossil-atomare Zeitalter ist ein Auslaufmodell. Das ist seit über 30 Jahren Allgemeinwissen, aber der Umstieg auf die Alternative dauert noch immer und er wird viel zu langsam vollzogen. Von Franz Alt. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=c9a7d8dcaa&e=51d2a34ef5



** Hilfe? Reparationen!

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Eigentlich wäre die Meldung eine Meldung wert gewesen. Pakistan, unter den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt auf Platz fünf, steht unter Wasser. Im Vergleich der letzten dreißig Jahre hat der Süden des Landes in den letzten Wochen das Fünffache der üblichen Regenmenge schlucken müssen. Die Welt reagiert mit Ignoranz. Von Thomas Rudhof-Seibert. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=ecb1b7ebc6&e=51d2a34ef5



** Jaivik Kranti - Eine Revolution für das Leben als Antwort auf den Wassernotstand in Indien

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Indien ist ein Land der Vielfalt - des Klimas, der Pflanzen, der Nahrungs- und Landwirtschaftssysteme, der Sprachen und der Kleidung. Wir haben jedes Klima der Welt - die Wüste in Rajasthan, die halbtrockenen Gebiete des Dekkan, die reichen Küstenökosysteme, die Regenwälder der Westghats, die gemäßigte Zone und den dritten Pol im Himalaya. Von Vandana Shiva. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=3eb3724d9d&e=51d2a34ef5



** Leonardo Boff: Die Erde in den Geburtswehen: Kommt der große rettende Sprung?

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Es fehlt nur noch wenig und die Grundlagen, die das Leben auf dem Planeten ökologisch erhalten, könnten zusammenbrechen. Wer von den Staatsoberhäuptern und Großmanagern (CEOs) der Megakonzerne denkt nach und trifft Entscheidungen angesichts einer solchen Grenzsituation unserer gemeinsamen Heimat? Vielleicht sind sie sich der realen Situation bewusst, aber sie räumen ihr keine Bedeutung ein, denn dann müssten sie die Produktionsweise komplett ändern, auf die fabelhaften wirtschaftlichen Gewinne verzichten, ihr Verhältnis zur Natur ändern und sich an einen sparsameren Konsum und mehr Solidarität gewöhnen. Von Leonardo Boff. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=0e6eadcde8&e=51d2a34ef5

Hinweise



** Clemens Ronnefeldt: Zur Zukunft der Friedensbewegung nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien

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Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, hat im November 2000, vor ziemlich genau 22 Jahren, 17 Thesen zur Zukunft der Friedensbewegung formuliert. Sie entstanden etwas mehr als ein Jahr nach Ende des Kosovo-/Jugoslawienkrieges und knapp ein Jahr vor den Terroranschlägen des 11. September 2001. Da er in den vergangenen Monaten immer wieder um Impulse gebeten wurde, wie auf die aktuellen Krisen - Ukraine-Krieg, Klimakatastrophe, … - reagiert werden kann, hat er jetzt nochmals an seine damaligen Überlegungen und Impulse erinnert. Die meisten seiner damaligen Überlegungen und Impulse halte er nach wie vor für aktuell. Wichtig ist ihm allerdings folgende Anmerkung: "In der ersten These hatte ich damals u.a. auf ein Buch von J. Elsässer hingewiesen, der damals m.W. noch keine rechten bzw. rechtsextremen Positionen vertreten hatte. Ich lege die 17 Thesen unverändert und unkorrigiert bei - möchte sie allerdings heute mit dem

Hinweis versehen, dass ich schon bald nach dem Jahr 2000 nicht mehr auf dieses Buch verwiesen hätte."


Die empfehlenswerten Thesen von Clemens Ronnefeldt, die übrigens zu den ganz früh veröffentlichten Artikeln auf der damals neugeschaffenen Lebenshaus-Website gehörten, können über folgenden Link aufgerufen werden >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=f69c8ed985&e=51d2a34ef5


Als PDF können die Thesen hier heruntergeladen werden >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=c3a5829efa&e=51d2a34ef5



** Petition: COP27: Schluss mit dem Ausschluss militärischer Umweltverschmutzung aus Klimaabkommen

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Regierungen hören unsere Forderung! Diese Petition von World BEYOND War ist unverändert gegenüber der Petition, die 26 bei der COP2021 in Glasgow, Schottland, eingereicht wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie noch keine Wirkung gezeigt hat. Wir haben außerhalb der COP26-Treffen protestiert. Auf der COP27 sind innerhalb der Konferenz drei offizielle Veranstaltungen zum Thema Militarismus und Klima geplant. Das ist das Ergebnis Ihrer Bemühungen! Jetzt ist es an der Zeit, den Handlungsbedarf weiter aufzubauen. HIER UNTERZEICHNEN >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=6fb98e6d58&e=51d2a34ef5



** Tagungsdokumentation: FRIEDEN IST MÖGLICH – ABER SICHER!

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Im November 2021 fand die Tagung des Internationalen Versöhnungsbunds, österreichischer Zweig "Frieden ist möglich – aber sicher! Impulse für eine gewaltfreie Gestaltung von Gesellschaft uns Staat" statt. Jetzt wurden die Kernelemente der besprochenen Themen in einer 152 seitigen Broschüre veröffentlicht. Sie kann auf dieser Seite heruntergeladen oder bestellt werden >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=e4df394ac6&e=51d2a34ef5



** Die Zerstörung des Planeten sollte strafbar sein

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1972 erschütterte ein Buch die Fortschrittsgläubigkeit der Welt: Die Grenzen des Wachstums machte Millionen Menschen mit aufrüttelnden Zukunftsszenarien auf die Überlastung unseres Planeten aufmerksam.

50 Jahre nach seinem Erscheinen blicken renommierte Wissenschaftler*innen des Club of Rome abermals in die Zukunft – und legen ein Genesungsprogramm für unsere krisengeschüttelte Welt vor. Mehr >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=b58cd4973c&e=51d2a34ef5



** 30 Tage im November - Vom Wert der MenschenRechte

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Der Blick zurück in die deutsche Geschichte zeigt, wohin, Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit führen können. In einer von Kriegen, sozialen Verwerfungen und der Klimakrise geprägten Gegenwart gilt es mehr denn je, Wissen und Werte zu vermitteln, die uns befähigen, Frieden, Demokratie und Freiheit immer wieder neu zu fordern, zu bewahren und die Allgemeinen Menschenrechte zu verteidigen!

Deshalb haben sich bisher über 230 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen und laden zwischen dem 27. Oktober und dem 4. Dezember 2022 zu mehr als 140 Veranstaltungen in Stuttgart, Ludwigsburg, Tübingen, Köln und an vielen anderen Orten ein.

Die Reihe "Vom Wert der Menschenrechte" will gemeinsam mit dem Publikum mit Bild, Text und Ton, Theater, Musik und Film der Frage nachgehen, wie, was und ob wir aus der Vergangenheit gelernt haben und welche Schlüsse sich daraus für die Zukunft ziehen lassen. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=26a98ddaed&e=51d2a34ef5

Termine



** ::  15.10.2022 - 10:00-18:45 Uhr im evang. Gemeindehaus Gammertingen: 10. Tagung 2022: "We shall overcome!" Gewaltfrei aktiv für die Vision einer Welt ohne Gewalt und Unrecht. Vier biografische Zugänge

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Viele Organisationen, Netzwerke und soziale Bewegungen in Deutschland und weltweit wollen mit ihrem Engagement zu mehr Frieden und Gerechtigkeit beitragen und die Vision einer anderen Welt lebendig halten. Sie werden oft genug von Menschen ins Leben gerufen und am Leben erhalten, die bereit sind, gegen den Strom zu schwimmen. Das ist nicht immer einfach. Wir wollen bei unserer Tagung wieder solche Menschen ausführlich zu Wort kommen lassen, die uns mit ihrem Engagement Hoffnung und Mut zum eigenen Handeln machen. Bei der 10. Tagung "We shall overcome!" am 15. Oktober 2022 werden u.a. Emran Feroz, Barbara und Eberhard Bürger sowie Marion Küpker über ihr langjähriges Engagement berichten. In Kombination dazu besteht die Möglichkeit zur Teilnahme an einer geührten Wanderung innerhalb des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen und heutigen Biosphärenreservats am 16. Oktober. Mehr >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=1e34d329b6&e=51d2a34ef5



** ::  15.11.2022 - im evang. Gemeindehaus Gammertingen: Trotz Ukrainekrieg: Für eine ökologische, militärarme(freie), sozial und global gerechte Zeitenwende

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Vortrag und Diskussion mit Andreas Zumach (Journalist und Autor). Kostspielige Hochrüstung, eine auf lange Dauer angelegte Konfrontation mit Russland sowie  die Vernachlässigung von Klimawandel, Hunger und anderen globalen Herausforderungen - diese "Zeitenwende" bieten Politik und Medien fast unisono an als angeblich alternativlose Antwort auf Putin-Russlands völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Was wären die  Chancen und notwendigen Schritte für eine militärfreie, ökologische sowie sozial und global gerechte Zeitenwende und für eine europäische Friedensordnung, die es nur mit Russland geben kann? Andreas Zumach wird in dieser Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zu diesen und weiteren Fragen Stellung nehmen. VA: Lebenshaus Schwäbische Alb; Evang. Verbundkirchengemeinde Gammertingen-Trochtelfingen; Weltladen Gammertingen. >> https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=5fe25221ba&e=51d2a34ef5

Veranstaltungstermine finden sich u.a.:


* Netzwerk Friedenskooperative (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=c0ee40c65d&e=51d2a34ef5)

* Die AnStifter (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=a615d65d63&e=51d2a34ef5)

* Bessere Welt Links. Norbert's Bookmarks für engagierte Leute (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=935257d88b&e=51d2a34ef5)

* Plattform Zivile Konfliktbearbeitung (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=6f196d2a2b&e=51d2a34ef5)

* .ausgestrahlt Termine (https://lebenshaus-alb.us2.list-manage.com/track/click?u=38051d55d1f126d064e4cd1f4&id=94f90044a4&e=51d2a34ef5)


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Lebenshaus Schwäbische Alb e.V.

Bubenhofenstr. 3

D-72501 Gammertingen

Germany

08.10.2022

Geht es in der internationalen Politik nur um „die Interessen von Staaten“?

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nachdenkseiten.de, 07. Oktober 2022 um 13:00 Ein Artikel von: Albrecht Müller

Vermutlich wird der frühere deutsche Politiker Egon Bahr und Zuarbeiter Willy Brandts bei der Umsetzung der Entspannungspolitik mit keiner Äußerung so oft zitiert wie mit dieser: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Jetzt berief sich auch Michael Lüders hier auf diese Bemerkung von Bahr. Das Video mit dem Titel „Wir sind die Guten! Über Macht und Moral am Beispiel der Grünen“ ist interessant, aber die Berufung auf Bahr ist typisch für fortschrittliche Menschen, die sich als realpolitisch orientiert geben wollen. Die von Bahr als Mitarbeiter von Brandt vertretene Verständigungspolitik ist das Musterbeispiel dafür, dass internationale Politik besonders erfolgreich ist, wenn man die eigenen Interessen hintanstellt.


Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

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„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“– dieser Kernsatz der Entspannungspolitik aus der Regierungserklärung des damaligen Bundeskanzlers vom 28. Oktober 1969 ist eben gerade nicht die Parole der nackten Interessenvertretung. Es ist ein Angebot an die Partner in der Welt, es ist ein Angebot an die Nachbarn und es ist ein Signal dafür, zum Zwecke guter Nachbarschaft auch Zugeständnisse zu machen und eigene Interessen zurückzustellen oder ganz zu streichen.


Ganz konkret ging es damals zum Beispiel darum, die gute Nachbarschaft zu Polen und den Völkern in Osteuropa dadurch möglich zu machen, dass Deutschland die Oder-Neiße-Grenze anerkannte und damit auf einen Teil im Osten des früheren Deutschen Reiches verzichtete. Damals, 1972, ist zum Beispiel der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Herbert Hupka, aus der SPD ausgetreten – wegen der neuen Ostpolitik und wegen des Verzichts auf Schlesien und damit wegen des Mangels, deutsche Interessen zu vertreten, so jedenfalls Hupka und viele mit ihm.


Die zitierte Äußerung von Egon Bahr hinterlässt den Eindruck, als würde es in der internationalen Politik eigentlich nur eine Version des Umgangs unter den Völkern geben: die Vertretung von eigenen Interessen. In der Realität ist das nicht so und die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg war auch nicht von dieser einen Sicht der internationalen Beziehungen geprägt. Auf zwei Versionen des Umgangs mit anderen Völkern soll hier hingewiesen werden:


  1. Die eine Version ist wie oben schon beschrieben am besten gekennzeichnet durch die Äußerung in der Regierungserklärung von 1969: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Die Politik war damals geprägt durch eine Reihe anderer, dazu passender Formulierungen: Verständigungspolitik, sich vertragen, Vertrauen bilden, Entspannungspolitik, Friedenspolitik, Gemeinsame Sicherheit, Nie wieder Krieg.

  2. Die andere Version spielte dann schon in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts die größere und politikentscheidende Rolle: Wiederbewaffnung, Politik der Stärke, Abschrecken, Kriege sind notfalls die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Dazu gehörte damals schon ein deutlich erkennbarer Rassismus, eine Konfrontation und Verachtung gegenüber den Slawen und speziell den Russen.


Beide Versionen kann man mit einem Plakat und einem Foto visuell darstellen.

Hier die Illustration der Konfrontation in den fünfziger Jahren, damals die gängige Interessenvertretung:

Und hier die Illustration der anderen Version des Umgangs miteinander, zugegeben einer extrem anderen:

Nun kann man natürlich behaupten, dass auch mit dem Kniefall von Warschau deutsche Interessen vertreten worden sind. Letztlich ist das richtig. Aber so gemeint ist es nicht, wenn Michael Lüders auf die Äußerung von Egon Bahr hinweist. Egon Bahrs Äußerung mobilisiert einen ganz anderen Geist und auch andere Unterstützer, als es die Politik der Verständigung jemals vermocht hat. Aber die Politik der Verständigung ist aus meiner Sicht um vieles zielführender als die lautstarke, nackte Interessenvertretung.


Weltweit keimte damals – übrigens nicht nur verbunden mit dem Namen des deutschen Bundeskanzlers, sondern zum Beispiel auch mit dem des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme – die Hoffnung auf, die Völker der Welt könnten in einem anderen Geist als dem Geist der Interessenvertretung zusammenleben und sich ohne Konflikte bis hin zum Krieg verständigen.


Wie sehr der von unserem Land und auch von Olof Palme ausgehende Geist und die Praxis der Politik die Atmosphäre prägten, erfuhr ich im Frühjahr 1970 bei einem Besuch von Tansania. Ich war zu Besuch bei einem Freund und seiner Familie, die in den Usambara-Bergen ein Entwicklungsprojekt zur besseren Ernährung betreuten. Der damalige Präsident des Landes, Julius Nyerere hatte über irgendwelche Kanäle erfahren, dass ein Mitarbeiter von Willy Brandt Tansania besuchte. Er lud daraufhin mich und meinen Freund zu einem Gespräch ein. Bei ihm war angekommen, dass in Europa und speziell in Westdeutschland ein anderer Geist des Umgangs der Völker untereinander eingezogen sei. Das Gespräch war ausgesprochen freundlich und interessant. Der Präsident von Tansania ließ eine große Sympathie für unser Land erkennen, nicht weil damals die deutschen Interessen vertreten wurden, sondern weil erkennbar wurde, dass die politische Führung in Deutschland auch die Interessen anderer Völker achten wollte und achtete.


Nyerere hatte Sympathie für die erste Version des Umgangs miteinander, weil diese auch aus seiner Sicht Verständigung und Frieden möglich machte, und übrigens auch die Förderung und Entwicklung seines Landes und der anderen in der sogenannten Dritten Welt.

Titelbild: Markus Wissmann / Shutterstock


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Außen- und Sicherheitspolitik Audio-Podcast Friedenspolitik


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Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=88940

08.10.2022

Kein Platzverweis für Versammlungs­teilnehmer ohne Maske - Platzverweis mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig

kostenlose-urteile.de, Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 26.08.2022 - 6 K 989/22.TR -

Kein Platzverweis für Versammlungs­teilnehmer ohne Maske
Platzverweis mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Trier hat der Klage eines Versammlungs­teilnehmers, mit der dieser sich gegen einen Platzverweis während einer Kundgebung wendet, teilweise stattgegeben.

Der Kläger nahm im Februar 2022 an der Versammlung "Team Freiheit" auf dem Domfreihof in der Trierer Innenstadt teil. Im Rahmen der vom Ordnungsamt der Beklagten durchgeführten Kontrolle zur Überprüfung der Einhaltung der Maskenpflicht wurde der Kläger ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Kundgebungsgelände angetroffen. Vollzugsbeamte der beklagten Stadt forderten ihn daraufhin auf, eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen oder das Veranstaltungsgelände zu verlassen.


Beamte erteilen Platzverweis

Da der Kläger der Aufforderung wiederholt nicht nachkam, erteilten die Beamten gegenüber ihm mündlich einen Platzverweis für den Domfreihof bis zum Ende der Veranstaltung. Daraufhin verließ der Kläger zunächst das Kundgebungsgelände und kehrte später mit angelegter Mund-Nasen-Bedeckung zum Veranstaltungsort zurück. Dort wurde er von Beamten der Polizei angetroffen, die den erteilten Platzverweis durchsetzten. Wegen eines Verstoßes gegen den Platzverweis erließ die Polizei gegenüber dem Kläger einen Bußgeldbescheid. Im April 2022 hat der Kläger die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, mit der er die Feststellung begehrt hat, dass der Platzverweis rechtswidrig war und keine Wirkung mehr entfaltete, als er mit einer FFP2-Maske erneut an der Versammlung teilnehmen wollte.


VG: Platzverweis mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig

Das VG hat dem Klagebegehren teilweise entsprochen und die Rechtswidrigkeit

des Platzverweises festgestellt. Zur Begründung heißt es im Urteil, die für den Platzverweis einzig in Betracht kommende Vorschrift des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz sei im konkreten Fall aufgrund der sogenannten "Sperrwirkung des Versammlungsrechts" nicht anwendbar. Die Versammlung sei zuvor nämlich weder aufgelöst worden, noch sei der Kläger vor der Platzverweisung auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen worden. Der von den Vollzugsbeamten ausgesprochene Platzverweis beinhalte im konkreten Fall auch nicht einen gleichzeitigen stillschweigenden Ausschluss aus der Versammlung auf versammlungsrechtlicher Grundlage.


Kläger fehlt berechtigtes Interesse an begehrter verwaltungsgerichtlicher Feststellung

Die Feststellung, dass der erteilte Platzverweis zu dem Zeitpunkt, als er mit angelegter FFP2-Maske erneut an der Versammlung teilnehmen wollte, keine Wirkung mehr entfalte, könne der Kläger jedoch nicht begehren, da er kein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung durch das Verwaltungsgericht habe. Weder bestehe angesichts der geänderten rechtlichen

und tatsächlichen Verhältnisse eine konkrete Wiederholungsgefahr, noch begründe das gegen ihn gerichtete Bußgeldverfahren ein solches Interesse. Die Überprüfung von Bußgeldbescheiden obliege nämlich den ordentlichen Gerichten, die deren Rechtmäßigkeit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen hätten, also im vorliegenden Fall einschließlich der Frage, ob der von den städtischen Vollzugsbeamten ausgesprochene Platzverweis rechtliche Wirkung entfaltete. Da der Kläger die vorliegende Klage erst nach dem Erlass des Bußgeldbescheides erhoben habe, fehle ihm das berechtigte Interesse an der begehrten verwaltungsgerichtlichen Feststellung.


Platzverweis nach Anlegen der Maske nicht erledigt

Im Übrigen hätte der Feststellungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg, da der Platzverweis nicht von Anfang an unwirksam gewesen sei und sich auch nicht vor der Beendigung der Versammlung dadurch erledigt habe, dass der Kläger eine FFP2-Maske angelegt habe. Gegen die Entscheidung können die Beteiligten innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.


Info: https://www.kostenlose-urteile.de/VG-Trier_6-K-98922TR_Kein-Platzverweis-fuer-Versammlungsteilnehmer-ohne-Maske.news32242.htm

07.10.2022

Selenskyj irritiert mit «Präventivschlag» – Biden warnt vor «Armageddon»

upday.com, 7. Oktober 2022, 06:01 MESZ, Von Team upday

Auf diesem vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten veröffentlichten Foto leitet Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, eine Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates in Kiew. Foto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/A/dpa


Zitat: Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und von US-Präsident Joe Biden haben die Sorge vor einer nuklearen Eskalation erhöht. Selenskyj sorgte mit seiner Forderung nach «Präventivschlägen» für Aufsehen. Biden sieht die Welt so nah am nuklearen Abgrund wie seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht mehr.


Was meinte Selenskyj mit seinen Äußerungen?

Russlands Präsident Wladimir Putin droht immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Seit seine Invasionsarmee in der Ukraine Niederlagen einstecken muss, wächst die Angst, dass der Kremlchef mit Nuklearwaffen so eine Wende auf dem Schlachtfeld herbeiführen will. Selenskyj reagierte nun in einer Rede auf die Drohung Putins – und sorgt damit für Aufregung.

Die Nato müsse, so Selenskyj, die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes verhindern – notfalls mit Präventivschlägen. Selenskyj betonte bei einem Auftritt vor dem Lowy Institut am Donnerstag die Bedeutung von Präventivmaßnahmen.

«Wichtig ist aber – ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft – dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden.»

Kiew: Äußerungen wurden falsch verstanden

Die Nato «muss die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen. Wichtig ist aber – ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft – dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden.»

Selenskyjs Sprecher Serhij Nykyforow betonte umgehend, dessen Forderung sei falsch verstanden worden. Der ukrainische Präsident habe lediglich gesagt, vor dem 24. Februar – dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – seien Präventivmaßnahmen nötig gewesen, um den Krieg zu verhindern.


Hintergrund:


In seiner Rede lehnte der ukrainische Präsident Gebietsabtretungen an Russland ab, um Kremlchef Wladimir Putin zu beschwichtigen und einen Frieden zu erzielen. Der Aggressor dürfe für das Losschlagen des Kriegs nicht belohnt, sondern müsse besiegt werden. Einen Atomschlag gegen die Ukraine werde Putin nicht überleben, so der 44-Jährige.


Kreml: Selenskyj fordert Beginn des Dritten Weltkriegs

Der Kreml hat die Äußerungen Selenskyjs in Richtung Nato zu möglichen Präventivschlägen gegen Russland scharf verurteilt. «Die Erklärungen Selenskyjs sind nichts anderes als ein Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs mit unvorhersehbaren schrecklichen Folgen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Auch das russische Außenministerium kritisierte Selenskyjs Äußerungen heftig.


Laut Peskow lenken die USA und Großbritannien die Handlungen Kiews. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa behauptete, der Westen zettele einen Atomkrieg an. «Jeder Mensch auf dem Planeten muss erkennen, dass die mit Waffen vollgepumpte und unstabile Marionette Selenskyj sich in ein Monster verwandelt hat, mit dessen Händen man den ganzen Planeten vernichten kann», sagte sie.


Biden: Nahe am «Armageddon»

US-Präsident Biden sieht die Gefahr einer atomaren Konfrontation mit katastrophalen Folgen nach Drohungen aus dem Kreml so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr. Die Welt habe seit der Kuba-Krise 1962 nicht vor der Aussicht auf ein «Armageddon» gestanden, sagte Biden bei einem Auftritt in New York.


Hintergrund:

Kurz vor dem Atomkrieg: Wie die Kuba-Krise eskalierte (NZZ)

Er kenne Putin ziemlich gut, so Biden demnach. Der Kremlchef scherze nicht, wenn er über den potenziellen Einsatz taktischer Atomwaffen sowie Chemie- und Biowaffen spreche, da das russische Militär in den Kampfhandlungen in der Ukraine schwächele.


Selenskyj fordert AKW-Rückgabe

In seiner abendlichen Videoansprache ging Selenskyj nicht auf seine Irritationen hervorrufenden Worte ein. Stattdessen betonte er einmal mehr die von Russland ausgehende atomare Gefahr.

Er forderte den Westen dazu auf, den Druck auf Moskau hochzuhalten - auch um die Rückgabe des annektierten AKW Saporischschja zu erzwingen. «Ich danke allen für ihre Unterstützung, die für die Rückgabe der vollen ukrainischen Kontrolle über das Kraftwerk und dessen vollständige Entmilitarisierung kämpfen», sagte Selenskyj. Die 500 russischen Soldaten in der Nuklearanlage bezeichnete er als Katastrophenrisiko.


«Wertlos und dumm»

Kremlchef Putin hatte am Mittwoch im Zuge der Annexion das AKW für Russland in Besitz genommen. Selenskyj nannte den Schritt «wertlos und dumm». Ein Kernkraftwerk sei kein Palast, den man stehlen könne, spielte er auf Enthüllungen zu Putins Luxuspalast am Schwarzen Meer an.


Hintergrund:

Zugleich bedankte sich Selenskyj beim Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. Dieser habe ihm versichert, dass die IAEA allein die Ukraine als Besitzer des AKW betrachte. dpa/upday


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Info:  https://www.upday.com/de/selenskyj-irritiert-mit-praeventivschlag-biden-warnt-vor-armageddon?utm_source=upday&utm_medium=referral

unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

07.10.2022

Ja, auf diesem Foto trägt ein ukrainischer Soldat einen Totenkopf-Aufnäher mit SS-Motiven

correctiv.org, 30. September 2022, von Kimberly Nicolaus, correctiv.org, Faktencheck

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Foto von Präsident Selenskyjs Besuch in Isjum. Dazu heißt es, ein ukrainischer Soldat hinter ihm trage einen Aufnäher mit den Symbolen der SS-Division „Totenkopf“. Ein Faktencheck.


Behauptung

Präsident Wolodymyr Selenskyj habe ein Foto mit einem ukrainischen Soldaten veröffentlicht, der einen Aufnäher mit den Symbolen der SS-Division „Totenkopf“ trage. Das Foto sei in Isjum entstanden. Es sei nicht das erste Mal, dass Selenskyj Fotos veröffentlichte, auf denen NS-Symbole zu sehen seien.


Aufgestellt von: viraler Telegram-Beitrag

Datum: 14.09.2022


Bewertung


Größtenteils richtig
Über diese Bewertung 

Größtenteils richtig. Das Foto ist echt und in Isjum entstanden. Der Aufnäher zeigt aber nicht denselben Totenkopf, der von der SS-Division „Totenkopf“ getragen wurde, sondern ist laut Produktbeschreibung eine „moderne Interpretation des Totenkopfs, wie er von der NS-Armee verwendet wurde“. Ein Foto eines ukrainischen Soldaten mit demselben Aufnäher veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium schon einmal am 9. Mai 2022.

Auf Telegram und Twitter kursiert ein Foto, das mehrere Soldaten und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in der Stadt Isjum zeigt. Einer der Soldaten trägt auf dem Rücken seiner Uniform einen Aufnäher in Form eines Totenkopfs. Auf Twitter und Telegram heißt es, der Aufnäher sei während der Nazizeit ein Symbol der SS-Division „Totenkopf“ gewesen. Die Schutzstaffel (SS)-Division „Totenkopf“ war während dem 2. Weltkrieg unter anderem dafür zuständig, Konzentrationslager zu bewachen.


In Sozialen Netzwerken zweifeln manche Menschen an der Echtheit des Fotos. Ein Nutzer fragt auf Twitter: „Ist das nicht weithergeholt? […] Der Nazibezug ist nicht eindeutig.“ Eine andere Nutzerin schreibt auf Englisch: „Hier ist ein Beispiel dafür, wie ausländische pro-russische Journalisten und politische Parteien, Nazi-Symbole auf die Uniformen von ukrainischen Soldaten photoshopen, um der Ukraine Nazismus vorzuwerfen.“


Die Ukraine als faschistischen Staat darzustellen, gehört seit Beginn des Angriffskrieges zur Propaganda Russlands, wie wir in einem Hintergrundbericht schilderten. Auch in mehreren Faktenchecks (hier, hier und hier) widmeten wir uns Behauptungen, die dieses Narrativ untermauern sollten, die jedoch falsch oder irreführend waren.


Trifft das auch auf das aktuelle Foto zu? Nein, das Foto wurde nicht manipuliert. Der Aufnäher zeigt Symbole, die in der SS üblich waren. Zudem legt der Markenname „R3ICH“ – eine Mischung aus dem deutschen Wort „Reich“ und der Zahl „3“ – eine Anlehnung an das Dritte Reich nahe.

Dieser Telegram-Beitrag zeigt Präsident Selenskyj in Isjum. Im Hintergrund steht ein ukrainischer Soldat mit einem Totenkopf-Aufnäher auf dem Rücken.






Dieser Telegram-Beitrag zeigt Präsident Selenskyj in Isjum. Im Hintergrund steht ein ukrainischer Soldat mit einem Totenkopf-Aufnäher auf dem Rücken. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Das Foto von Selenskyj aus Isjum ist nicht manipuliert

Monatelang stand Isjum, eine Stadt im Osten der Ukraine, unter russischer Besatzung. Am 10. September eroberte die ukrainische Armee die Stadt zurück und wenige Tage später folgte ein Besuch von Präsident Selenskyj.


Sein Besuch wurde mit Fotos festgehalten, die Selenskyi am 14. September auf seinem Telegram-Kanal und auf Facebook veröffentlichte. Die Fotos sind mittlerweile nicht mehr abrufbar. Die archivierten Versionen (hier und hier) zeigen jedoch, dass auch auf diesen Fotos der Totenkopf-Aufnäher auf der Rückseite der Uniform des ukrainischen Soldaten zu sehen ist. Dieselbe Szene zeigt ein Foto der US-amerikanischen Bildagentur Getty Images und ein Foto aus der Bilderdatenbank der Nachrichtenagentur AFP. In einem Video der BBC ist der Totenkopf-Aufnäher ebenfalls zu sehen (Minute 0:50). Demnach gibt es an der Echtheit des Fotos keine Zweifel. Die Bilder wurden nicht nachträglich manipuliert. 

Das Foto, das auf Telegram kursiert (links) wurde nicht nachträglich manipuliert, sondern zeigt dieselbe Szene (rechts), aus einem anderen Blickwinkel

Totenkopf-Aufnäher enthält Motive, die in der SS üblich waren

Ein Twitter-Beitrag zeigt eine Nahaufnahme des Totenkopf-Aufnähers. Der Totenkopf trägt einen Militärhelm mit Mikrofon und Ohrenschutz. Darauf steht der Schriftzug „R3ICH“. Außerdem ist auf dem Helm ein Wappen mit Schlüssel erkennbar.


Eine Google-Suche mit dem Stichwort „R3ICH“ führt zu mehreren Onlineshops, unter anderem mit ukrainischen Internetadressen. In einem der Onlineshops lautet die Produktbeschreibung des Aufnähers wie folgt: „Bei diesem Produkt handelt es sich um die sogenannten „Moral-Patches“, eine moderne Interpretation des „Totenkopf“-Patches, wie er von der NS-Armee verwendet wurde. Während des Zweiten Weltkriegs dienten sie den SS-Soldaten zur Einschüchterung des Feindes. Aber dieses alte Symbol hat seine Wurzeln in der vorchristlichen Zeit. Sein ursprünglicher Name ‘Adams Kopf’ und die Bedeutung des Schädels sind Mut, Furchtlosigkeit vor dem Tod, Glaube an den unmittelbaren Sieg, Glaube an die Wiedergeburt.“


Die SS-Division Totenkopf, die als Truppenzeichen einen weißen Totenkopf auf schwarzem Grund hatte, galt im Dritten Reich als „Elitetruppe“ des SS und war unter anderem dafür zuständig, Konzentrationslager zu betreiben und bewachen. „Die Division galt als ‚Elitetruppe‘ der SS, die mit besonderer Rücksichtslosigkeit und Fanatismus vorging“, schrieb uns Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. Bereits im Frankreichfeldzug 1940 habe die Division schwerste Kriegsverbrechen begangen. Das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin ist eine Forschungseinrichtung, die 1949 gegründet wurde, um die nationalsozialistische Diktatur wissenschaftlich zu erforschen.


Wir baten das Institut zudem um eine Einschätzung zu den aktuell kursierenden Fotos und den darauf zu sehenden Symbolen. „Das gezeigte Symbol [arbeitet] ganz offenkundig mit Motiven, die auch in der SS üblich waren“, schrieb uns eine Pressesprecherin. Die Anlehnung an das Dritte Reich durch den Markennamen „R3ICH“ sei vermutlich kein Zufall. 

Das Truppenkennzeichen der SS-Division „Totenkopf“ (links) und der Aufnäher mit dem Schlüssel-Symbol (rechts) von der Marke „R3ICH“, der auf dem Rücken des ukrainischen Soldaten zu sehen ist

Auf dem Aufnäher ist zudem ein schwarzes Wappen mit Schlüssel abgebildet. Dies sieht dem Truppenkennzeichen der „1. SS-Panzer-Division Leibstandarte SS Adolf Hitler“ sehr ähnlich. Nach Beurteilung von Alex Kay, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, sei es allerdings allein über das Foto, das in Sozialen Netzwerken kursiert, sehr schwer zu erkennen, ob es sich um dasselbe Motiv handele.


Es ist nicht das erste Mal, dass ein Foto von einem ukrainischen Soldaten mit Totenkopf-Aufnäher veröffentlicht wird. Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlichte am 9. Mai 2022 ein Foto auf Twitter, das einen ukrainischen Soldaten zeigt, der denselben Totenkopf-Aufnäher auf seiner Brust trägt. Auch dieses Foto ist mittlerweile nicht mehr abrufbar. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas


Update, 5. Oktober 2022: Wir haben im Text ergänzt, dass die SS-Division „Totenkopf“ als „Elitetruppe“ der SS galt und mit besonderer Rücksichtslosigkeit und Fanatismus handelte.


Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Videoaufnahme der BBC, die den Totenkopf-Aufnäher zeigt, 14. September: Link
  • Onlineshop mit Produktbeschreibung des Aufnähers: Link

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Hintergrund Diese Falschinformationen und Gerüchte kursieren zum Russland-Ukraine-Krieg International verbreiten sich in Sozialen Netzwerken Gerüchte und fragwürdige Informationen zum Krieg in der Ukraine. Was dahinter steckt, und welche Behauptungen auch in Deutschland kursieren, dokumentieren…


Ukrainische Soldaten stehen Wache, während Menschen am 24. Februar versuchen, den Kiewer Bahnhof zu verlassen (Quelle: Picture Alliance / Associated Press / Emilio Morenatti)

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Bewertung: Falscher Kontext Dieses Foto zeigt nicht den ehemaligen Kiewer Polizeichef Wadim Trojan, sondern einen russischen Neonazi Aktuell wird ein Foto eines Mannes mit Hitlerporträt-, Hakenkreuz- und SS-Tattoos in Sozialen Netzwerken geteilt und behauptet, es zeige den Ukrainer Wadim Trojan. Das ist falsch:…

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Bewertung: Falscher Kontext Gefangener mit Hakenkreuz-Tattoos: Foto stammt nicht aus der Ukraine, sondern von 2005 aus Belarus In Sozialen Netzwerken verbreitet sich aktuell ein Foto eines Häftlings mit Hakenkreuz-Tätowierungen bei einer ärztlichen Untersuchung – Ort der Aufnahme sei Donezk, so die Behauptung. Doch…

Gefängnis

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07.10.2022

Geoökonomie     Krieg als Folge des Konkurrenzprinzips?

makronom.de, vom 6. Oktober 2022, Christoph Scherrer

Das dem Kapitalismus eingeschriebene Konkurrenzprinzip kann die heutigen geoökonomischen und geopolitischen Auseinandersetzungen zwar nicht umfassend erklären. Doch die Dynamik zwischen Gewinnern und Verlierern im Marktgeschehen entzieht der Behauptung vom friedlichen Handel die Grundlage. Ein Beitrag von Christoph Scherrer.


Apologeten des Kapitalismus verbreiten das Argument, dass nicht nur Handel alle besser stellt (Ricardo), sondern auch eher Kompromisse ermöglicht. Denn Geld sei anders als die im Feudalismus vorherrschende Ehre teilbar (Hirschman). Sie übersehen dabei, dass das dem Kapitalismus eingeschriebene Konkurrenzprinzip Verlierer mit sich bringt, die nicht immer das für sie ungünstige Marktergebnis friedlich akzeptieren. Zudem sind sich auch manche der Gewinner ihres Gewinns nicht gewiss und versuchen, ihn mit nicht marktförmigen Methoden abzusichern.


Im Wohlfahrtsstaat sind diesen Auseinandersetzungen Grenzen gesetzt, sei es, weil Verlierer teils kompensiert werden, sei es, weil eine funktionierende Justiz das Eigentum schützt und die Polizei Protest nur in bestimmten Formen erlaubt. Fehlt Wohlfahrt und Rechtsstaatlichkeit, wird die Konkurrenz im Marktgeschehen nicht selten gewaltförmlich ausgetragen. Für den zwischenstaatlichen Bereich gilt dies erst recht.


Konkurrenz erzwingt Expansion und Protektion

Der Konkurrenzmechanismus im Kapitalismus drängt einerseits zum grenzüberschreitenden Wirtschaften. Andererseits besteht gerade deshalb für die weniger wettbewerbsstarken Länder ein starker Anreiz, sich gegenüber der erfolgreicheren ausländischen Konkurrenz abzuschotten.

Allgemein tendiert die kapitalistische Wirtschaftsordnung, die auf Privateigentum und freier Lohnarbeit basiert, zur Internationalisierung. Für Kaufentscheidungen ist (im Prinzip) nicht die Herkunft oder die Hautfarbe der jeweiligen Warenbesitzer:in ausschlaggebend, sondern das Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Waren im Vergleich zur Konkurrenz. Die Aussicht auf Profit und der Konkurrenzdruck schaffen Anreize, Unterschiede zwischen einzelnen Wirtschaftsräumen auszunutzen, sei es durch das Angebot von Waren oder durch die Nachfrage von Waren bzw. Arbeitskräften, die im eigenen Wirtschaftsraum nicht oder nur zu höheren Preisen angeboten werden.


Warum steckt in der Konkurrenz ein Zwang zur Expansion, zur grenzüberschreitenden Suche nach Absatzmärkten und Produktionsstätten? Die Konkurrenz bewirkt, dass die in eine Unternehmung investierten finanziellen Mittel rasch an Wert verlieren, wenn diese am Markt nicht mehr mithalten kann. Verliert ein Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit, dann kann es seine Produkte nicht zu einem Preis verkaufen, der für die Rückzahlung der investierten Mittel ausreicht. Schon allein zur Vermögenssicherung muss es bestrebt sein, mit der Konkurrenz mitzuhalten.


Dazu bedarf es der Einführung neuer Produktionstechniken, neuer Produkte, neuer Organisationsformen etc. Die Senkung der Produktionskosten pro Stück wird zumeist mittels vermehrten Maschineneinsatzes erreicht. Skalenerträge bedeuten: Je mehr Produkte abgesetzt werden können, desto stärker können die Preise pro Maßeinheit gesenkt werden. Somit besteht ein Anreiz, Absatzmärkte auch jenseits der Grenzen zu finden.


Die Wettbewerbsfähigkeit kann auch gesichert werden, indem billigere Zulieferer oder Arbeitskräfte gefunden, beziehungsweise diese zu Preis-/Lohnsenkungen gezwungen werden. Diese finden sich meist jenseits der Grenzen, und zwar weil entweder dort das Lohnniveau niedriger ist oder/und weil die dortigen Zulieferer dank ihrer Spezialisierung Größenvorteile und damit Kostenvorteile aufweisen, wie im Falle der V.R. China.


Der Konkurrenzmechanismus ist jedoch zugleich auch Ursache von Grenzziehungen. Denn diejenigen, die im Wettbewerb nicht mithalten können, werden versucht sein, die Konkurrenz von ihrem angestammten Markt fernzuhalten, und zwar durch Einfuhrverbote, Zölle und nationaler technischer Standards. So hat keines der führenden Industrieländer auf protektionistische Instrumente verzichtet (Chang 2002). Zugleich werden die bereits erfolgreichen Unternehmen mithilfe ihrer jeweiligen Staaten versuchen, die nachholende Konkurrenz kleinzuhalten, heutzutage vor allem mittels des Schutzes von geistigem Eigentum und Investitionen in ihre jeweiligen Marken (Klein 2000).


Von der Konkurrenz zum Krieg

Die Konflikte, die die internationale Arbeitsteilung gefährden, sieht Kees van der Pijl (2006) seit Beginn des Kapitalismus in England als Folge des Gegensatzes zwischen einem expandierenden Lockeschen Kerngebiet und einer wechselnden Gruppe von Hobbesschen Randstaaten bzw. Herausforderstaaten. Im Kern seien die Lockeschen Vorstellungen einer Trennung von privater und staatlicher Sphäre realisiert. Als reiche Staaten mit Technologieführerschaft setzen sich diese für eine liberale Weltwirtschaftsordnung ein, und zwar durchaus mit militärischer Gewalt. Der Rand hingegen versuche mittels eines starken, interventionsfreudigen Staates die Industrialisierung nachzuholen. Das Hobbessche Modell ist durch eine umfassende staatliche Kontrolle von Ökonomie und Gesellschaft, eine Top-down-Mobilisierung sozialer Klassen und relativ starke repressive Staatsapparate gekennzeichnet.


Auf die heutige Zeit angewandt, können Russland und die V.R. China als Herausforderstaaten bezeichnet werden. Ihre Haltung zur Globalisierung ist ambivalent: Sie beruht auf der Tradition von Friedrich List (1841), die besagt, dass die eigenen Grenzen für die fortgeschrittene ausländische Konkurrenz erst dann geöffnet werden sollten, wenn der eigene kapitalistische Modernisierungsprozess konkurrenzfähige Unternehmen hervorgebracht hat.


Diese Einsicht verbietet allerdings nicht die Nutzung des Weltmarktes für die eigene Exportwirtschaft – im Gegenteil, sie ermuntert sogar dazu. Als Mitglieder der WTO, der China 2001 und Russland 2012 beigetreten sind, profitieren die Herausforderstaaten von den unter US-Führung liberalisierten Märkten. Entsprechend unterstützen sie den Globalisierungsprozess, versuchen aber ihre Industrien möglichst vor der etablierten ausländischen Konkurrenz zu schützen und zugleich ihre eigenen Binnenmärkte zu liberalisieren sowie durch Investitionen in die Infrastruktur und das Bildungswesen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Inwieweit Letzteres erfolgt, ist von den jeweiligen politischen Konstellationen abhängig, wie die Unterschiede zwischen beiden Ländern zeigen. Für ein rohstoffreiches Land wie Russland ist industrielle Wettbewerbsfähigkeit schwieriger zu erreichen, da die Rohstoffausfuhr zu einem für Industrieausfuhren ungünstigen Wechselkurs führt und insgesamt das Lohnniveau anhebt.


Da die nachholende wirtschaftliche Entwicklung kollektiver Anstrengungen bedarf, die im nationalen Rahmen nur erfolgreich sein können, wenn die Bevölkerung sich mehrheitlich als eine Nation in Abgrenzung zu anderen versteht, neigen die Hobbesschen Herausforderer zu einem übersteigerten Nationalismus. Dieser ist meist mit einer hohen Wertschätzung des Militärs bis hin zum Militarismus gepaart. Im rohstoffreichen Land braucht es das Militär zur Absicherung des Zugangs zu seinen Rohstoffen. Während es für die Lockeschen Herzlanden vornehmlich wichtig ist, dass die Rohstoffe allen zur Verfügung stehen, die über die entsprechende Kaufkraft verfügen, herrscht beim rohstoffreichen Herausforderstaat die territoriale Logik vor.


Entsprechend erhält die US-amerikanische globale Militärpräsenz weniger Zustimmung. Sowohl die russischen als auch die chinesischen Streitkräfte überlebten den Systemwandel ihrer Länder weitgehend intakt, mithin hat sich das Feindbild wenig geändert. Und die Ausdehnung der NATO auf die östlichen EU-Staaten und die Unterstützung ukrainischer Nationalstaatlichkeit haben das Feindbild aufgefrischt.


Der wirtschaftliche Aufstieg und die Zunahme an militärischer Stärke bleibt in den Herzlanden nicht unbemerkt. Besonders deutlich tritt dies im Verhältnis der USA zur V.R. China hervor. Solange China vor allem als verlängerte Werkbank und Absatzmarkt für Unternehmen aus den USA und anderen „Herzlanden“ diente, waren seine Exporte willkommen. Dies änderte sich jedoch, seit sich abzeichnete, dass die chinesische Regierung eine Führungsrolle im Hochtechnologiebereich anstrebt.


Zunächst versuchte Präsident Obama mit der Transpazifischen Partnerschaft die V.R. China durch Umzingelung zu einer weiteren Öffnung seiner Märkte und vor allem zur Beendigung der massiven industriepolitischen Subventionen zu bewegen. Dieses Projekt scheiterte jedoch an der US-amerikanischen Wählerschaft. Stattdessen versuchte es Präsident Trump durch eine direkte Konfrontationsstrategie mittels Strafzöllen. Sein Scheitern führt nun unter Präsident Biden zu einer Mischung der beiden vorangegangenen Strategien kombiniert mit verstärkter staatlicher Förderung der Hochtechnologie (Scherrer 2021).


Zugleich wird auf hohem Niveau mit Blick auf den indo-pazifischen Raum weiter aufgerüstet, und zusammen mit den europäischen Partnern nun in Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Der Ausgang dieser erneuten militärischen Auseinandersetzung zwischen Herzlanden und Herausforderstaaten wird die internationale Arbeitsteilung und ihre verbundenen Handels- und Finanzströme ändern. Wie die militärische Auseinandersetzung endet, ist für mich allerdings ungewiss.


Sicherlich kann das dem Kapitalismus eingeschriebene Konkurrenzprinzip die heutigen geoökonomischen und geopolitischen Auseinandersetzungen nicht umfassend erklären. Doch der Hinweis auf die Dynamik zwischen Gewinnern und Verlierern im Marktgeschehen entzieht der Behauptung vom friedlichen Handel, dem „Wandel durch Handel“, die Grundlage. Dazu bedarf es nicht einmal des schon von Marx erbrachten Nachweises, dass Marktbeziehungen zumeist gewalttätig durchgesetzt wurden.

 

Zum Autor:

Christoph Scherrer ist Professor Emeritus an der Universität Kassel. Zuvor leitete er das Fachgebiet Globalisierung und Politik


Info: https://makronom.de/geooekonomie-krieg-als-folge-des-konkurrenzprinzips-42723?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=geooekonomie-krieg-als-folge-des-konkurrenzprinzips


unser Kommentar: Auch in diesem Sinne lässt sich S. Wagenknechts Auspruch, wobei sie "diese (Bundes-) Regierung für die Dümmste versteht", begreifen.

07.10.2022

„Heizung, Brot & Frieden” die Bewegung wächst!

„Heizung, Brot & Frieden” die Bewegung wächst!

pressenza.com, vom 06.10.22 - Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin

Am 3. Oktober in Berlin fand die Demonstration und Kundgebung „Heizung, Brot und Frieden“ statt. Die Bewegung wächst. Nach dem Warmlaufen vor den Parteizentralen FDP und Grünen wurde der Protest nochmals eine Spur breiter, heißer und klarer!


Zitat: Sozial, antikapitalistisch, gegen Krieg, Aufrüstung, Sanktionen und weltweite Konfrontation. Gegen die Zerstörung der Umwelt und des Gesundheitssystems. Gegen Bildungsnotstand. Antirassistisch und Antifaschistisch. Wer gegen das Andere nicht mitkämpft, kann bei dem Einen nicht gewinnen! Eine linke Demonstration. Und basisdemokratisch. Ein Redner merkte an.“Ich sehe viele Rote Fahnen, aber nur wenige von der Partei Die Linke. Wir wünschen uns, dass wir mehr von Ihnen hier sehen“. Einem Häuflein Querdenkern und Rechten wurde dagegen unzweideutig klar gemacht, dass sie auf dieser Veranstaltung nichts zu suchen haben.


Zeitenwende – es kommt knüppeldick

„Zeitenwende“ seitens Kapital und ihrer Regierenden bedeutet: es kommt knüppeldick. Wir sollen für ihre Krisen zahlen. Ihre Entlastungsmaßnahmen lindern die Not im Besten Fall vorübergehend. „Für 3 Monate jeweils ein 9 Euro Ticket. Danach alte oder sogar noch höhere Fahrpreise. Was wir brauchen, ist ein 9 Euro Ticket für immer!“ Es ist wie bei einem Fallschirm, man fällt langsamer, kommt aber mit Sicherheit unten in der „Armut“ tiefer an.


Obgleich Schuldenfinanziert fließt ein Großteil der Hilfsgelder in die Taschen der Konzerne und Superreichen. Schuldenfinanziert heisst Anheizen der Inflation, die die Hilfsgelder wieder auffrisst. Schuldenfinanziert ist alles von der Allgemeinheit mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen.

Stattdessen, wird in etlichen Reden gefordert, brauchen wir eine Finanzierung über Reiche und große Vermögen. Aufhebung der Sanktionen, die Energie- und Lebensmittelknappheit in die Höhe treiben und weltweit vorrangig die Armen trifft. Schluss mit den exorbitanten Kosten für Militarisierung und Krieg. Keine Fehlleitung von Milliarden in neue fossile Infrastrukturen für Fracking und LNG-Gas. Verstaatlichung und ökologischer Umbau der Energiewirtschaft unter öffentlicher Kontrolle.


Statt kurzfristiger Almosen – langfristig höhere Löhne, Renten und soziale Leistungen!

Statt kurzfristiger Almosen benötigen wir langfristige Lösungen durch Beseitigung der Ursachen und einen nachhaltigen Umbau zulasten von Kapital, Krisenverursachern und -profiteuren. „Warum nur an die Vermögen russischer Oligarchen ran, warum nicht ran an die Vermögen aller Oligarchen?“ Statt kurzfristig wirkender Almosen brauchen wir insbesondere ausreichend hohe und sockelwirksame Lohn- und Gehaltssteigerungen -mit einer Öffnungsklausel für regelmäßigen Inflationsausgleich. Im Schlepptau der Löhne erhöhen sich auch Renten und andere soziale Leistungen. Hinter der Fassade der Konzertierten Aktion steht als harte Realität das Nulllohnangebot der Metallarbeitgeber. Das zeigt, es wird nichts geschenkt. Ohne entschlossenen Kampf der Belegschaften und Gewerkschaften in den anstehenden Tarifrunden wird der Weg in die Armut nicht zu bremsen sein. Die Beschäftigten haben es in der Hand, ihre Streikkraft in den Betrieben zu entfalten!


Solidarisch kämpfen statt kapitalistischer Gier und Jeder gegen Jeden

Weder konzertierte Aktionen noch Expertenkommissionen helfen uns weiter! Wir Menschen müssen kämpfen, um Armut, Krieg, Umwelt- und Gesundheitskatastrophen abzuwenden. Das kann nur gelingen, wenn wir solidarisch sind und gegen die kapitalistischen Ursachen angehen. Und es gilt das Gegenmodell der rechten Rattenfänger zu verhindern: kapitalistische Gier bis zur Barbarei, in der jeder sein eigenes Heil gegen den anderen sucht, Nationalität gegen Nationalität, Herkunft gegen Herkunft, Identität gegen Identität bis zu gegenseitiger Abschlachtung.


Bauen wir an unserer eigenen Zeitenwende

Hatte sich schon das letzte Mal die Teilnehmerzahl fast verdreifacht, so waren es diesmal nochmal gut 50 Prozent mehr, obwohl viele Aktivisten feiertagsbedingt in Kurzurlaub waren. Fast das gesamte Spektrum linker und Basisdemokratischer Bewegungen Berlins war vertreten, artikulierte und stellte sich gegen die Krisen des Kapitals. Die Teilnehmer und Redner kamen aus der Wohlfahrts-, Gewerkschafts-, Mieter-, Krankenhaus-, Friedens- und Umweltbewegung, aus migrantischen antirassistischen Initiativen sowie aus einer Vielzahl sozialistischer Organisationen. Besonders freut uns, dass „Hände weg vom Wedding“ die ausgestreckte Hand von „Heizung, Brot und Frieden“ ergriffen und zu einer gemeinsamen Aktion am nächsten Samstag, 8.10. 13 Uhr Leopolplatz aufgerufen hat. Anschliessend beteiligen sich beide Bündnisse an den Gegenprotesten gegen den Aufmarsch der AFD!

Alles, was sich nicht mit dem Kapital und der politischen Zeitenwende gemein macht, schickt sich an, sich in Berlin zusammenzuschließen. „Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin“ und der Arbeitskreis Internationalismus IG Metall Berlin sowie weitere mit uns verbundene Gewerkschafter werden diesen Weg des Zusammenschlusses aller Initiativen weiter nach Kräften unterstützen! Das Potenzial ist da!


Redebeiträge

Redausschnitte: MONTAG, 3. OKTOBER 2022 UM 13:00, Potsdamer Platz, Berlin Protestieren statt Frieren Potsdamer Platz Berlin
00:00:00 Grußworte von DIDF Jugend Berlin
00:02:35 Uwe Krug – GDL Mitglied – S-Bahn Berlin
00:04:51 Harri Grünberg Vorstand Aufstehen Trägerverein*
00:11:49 Ines Schwerdtner von @wirsagengenug übermittelt Grußworte von Christian Baron –
00:16:34 Ines Schwerdtner von @wirsagengenug
00:21:11 Paul von REVOLUTION
00:25:01 Bafta Sarbo Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund e.V.)
00:27:48 Grußworte SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend)
00:30:27 Anika, Berliner Krankenhausbewegung

Redeausschnitte Abschlusskundgebung Bebelplatz ab 15:00 Uhr [2]

Rede FRIKO Berlin
Rede und Aufruf Hände Weg vom Wedding [3]
Rede Tom Sozialistische Organisation Solidrität


[1], [2] wegen technischer Probleme können wir hier leider nur einige Beiträge als Höraufnahme dokumentieren, einige wichtige Beiträge (Von DKP, VKG , Faboa di Masi ) leider gar nicht . Sollten Leser über Videoaufnahmen zu hier fehlenden Beiträgen verfügen und uns diese zur Verfügung stellen, werden wir diese gern publizieren

[3] zur Demo am 8.10. 13 Uhr Leopoldplatz

Der Originalartikel kann hier besucht werden


Info: http://www.pressenza.net/?l=de&track=2022/10/heizung-brot-frieden-die-bewegung-waechst

07.10.2022

Eröffnung des 3. Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltlosigkeit in Costa Rica

pressenza.com, vom 06.10.22 - Rafael De La Rubia

Dieser Artikel ist auch auf Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch verfügbar


Wie wir in Madrid am Ende des 2. Weltmarsches erklärt hatten, würden wir heute, am 10.2.2022, den Ort für den Beginn/Ende des 3. Weltmarsches bekannt geben. Mehrere Länder wie Nepal, Kanada und Costa Rica hatten inoffiziell ihr Interesse bekundet.


Letztendlich wird es Costa Rica sein, da es seine Bewerbung bestätigt hat. Ich gebe hier einen Teil des Kommuniqués wieder, das „Welt ohne Kriege und Gewalt“ Costa Rica geschickt hat: „Wir schlagen vor, dass der 3. Weltmarsch von der zentralamerikanischen Region ausgeht und am 2. Oktober 2024 von Costa Rica über Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala nach New York in den USA führt. Die nächste Weltroute wird unter Berücksichtigung der Erfahrungen der beiden vorangegangenen Weltmärsche festgelegt… Wir fügen hinzu, dass wir nach der Durchquerung Argentiniens und der Durchquerung Südamerikas bis Panama in Costa Rica das Ende des dritten Weltmarsches erreichen werden.


Darüber hinaus haben wir in jüngsten Gesprächen mit dem Rektor der Universität für den Frieden, Francisco Rojas Aravena, vereinbart, dass der dritte Weltmarsch am 10.02.2024 auf dem Campus der Universität der Vereinten Nationen für den Frieden beginnen wird. Danach werden wir nach San José de Costa Rica wandern und auf dem „Platz der Demokratie und der Abschaffung der Armee“ enden, wo es einen Empfang und eine Zeremonie mit den Teilnehmenden geben wird, zu der wir alle auch aus anderen Teilen der Welt einladen.


Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass wir bei einem kürzlichen Treffen mit dem Vizeminister für Frieden von Costa Rica gebeten wurden, einen Brief an den Präsidenten Rodrigo Chaves Robles zu schicken, in dem wir den 3. Weltmarsch, die mögliche Durchführung des Friedensnobelgipfels in Costa Rica und das lateinamerikanische Mega-Marathon-Projekt von mehr als 11.000 km erläutern. Dies sind Themen, die als neue Variante des Friedensnobelgipfels durch die Präsidentschaft des Zentralamerikanischen Hochschulrates (CSUCA), in dem alle öffentlichen Universitäten Zentralamerikas zusammengeschlossen sind, bestätigt werden sollen.


Sobald die Abreise/Ankunft in Costa Rica festgelegt ist, arbeiten wir daran, diesem dritten Weltmarsch für Frieden und Gewaltlosigkeit mehr Inhalt und Substanz zu verleihen.


Wozu machen wir diesen Marsch?

Hauptsächlich für zwei große Themblöcke:

Erstens, um einen Ausweg aus der gefährlichen Weltlage zu finden, in der über den Einsatz von Atomwaffen gesprochen wird. Wir werden weiterhin den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen (AVV) unterstützen, der bereits von 68 Ländern ratifiziert und von 91 Ländern unterzeichnet wurde. Um die Rüstungsausgaben einzuschränken. Ressourcen für die unter Wasserknappheit und Hungersnot leidende Bevölkerung umzuleiten. Das Bewusstsein zu schaffen, dass nur „Frieden“ und „Gewaltlosigkeit“ die Zukunft öffnet. Zur Sichtbarmachung der positiven Aktionen, die Menschen und Kollektive durch die Anwendung von Menschenrechten, Nicht Diskriminierung, Zusammenarbeit, friedlicher Koexistenz und Nicht-Aggression leisten. Die Zukunft für neue Generationen zu öffnen, indem die Kultur der Gewaltlosigkeit eingeführt wird.


Zweitens soll ein Bewusstsein für Frieden und Gewaltlosigkeit geschaffen werden. Am wichtigsten sind neben all den oben erwähnten materiellen Dingen die immateriellen Dinge. Sie sind etwas diffuser, aber sehr wichtig.


Das Erste, was wir bei dem 1. Weltmarsch versucht haben, war, den Begriff Frieden und den Begriff Gewaltfreiheit zu etablieren. Heute glauben wir, dass wir in dieser Frage einige Fortschritte gemacht haben. Bewusstseinsbildung. Bewusstsein über Frieden schaffen. Bewusstsein für Gewaltlosigkeit schaffen. Das wird jedoch nicht ausreichen, damit der WM erfolgreich sein wird. Natürlich wollen wir, dass der Weltmarasch die größtmögliche Unterstützung erfährt und die größtmögliche Beteiligung, die größtmögliche Anzahl von Menschen und die größtmögliche Verbreitung erreicht. Aber das wird nicht ausreichen. Wir müssen auch das Bewusstsein für Frieden und Gewaltlosigkeit schärfen. Wir versuchen daher, die Sensibilität, die Beschäftigung mit dem, was in verschiedenen Bereichen mit Gewalt geschieht, zu erweitern. Wir wollen, dass Gewalt im Allgemeinen aufgedeckt wird: Neben der physischen Gewalt wollen wir auch Gewalt in der Wirtschaft, rassistische Gewalt, religiöse Gewalt und geschlechtsspezifische Gewalt aufdecken. Es geht um Werte, es geht um immaterielle Dinge, manche nennen es spirituelle Fragen, egal wie man es nennt. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, so wie junge Menschen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sie sich um die Natur kümmern müssen.


Was wäre, wenn wir Wert auf beispielhaftes Handeln legen würden?

Wenn die Weltlage komplizierter wird, kann das viele Probleme mit sich bringen, aber es kann auch viele Möglichkeiten für Fortschritte eröffnen. Diese historische Phase kann die Gelegenheit sein, auf breitere Phänomene hinzuarbeiten. Wir glauben, dass dies die Zeit für beispielhafte Aktionen ist, denn sinnvolle Aktionen sind ansteckend. Es geht darum, kohärent zu sein und das zu tun, was man denkt, mit dem übereinzustimmen, was man fühlt, und es darüber hinaus auszuführen. Wir wollen uns auf Handlungen konzentrieren, die Kohärenz vermitteln. Vorbildliche Handlungen schlagen Wurzeln in den Menschen. Danach können sie ausgeweitet werden. Im sozialen Bewusstsein spielen Zahlen eine Rolle, sowohl für positive als auch für negative Dinge. Die Daten werden anders gewichtet, wenn es sich um etwas handelt, das eine Person tut, als wenn es von Hunderten oder Millionen getan wird. Es ist zu hoffen, dass beispielhafte Handlungen auf viele Menschen übergreifen.


Wir haben hier nicht die Zeit, um Themen zu entwickeln wie: Der Dreh- und Angelpunkt ist beispielhaftes Handeln. Die Intelligenz im beispielhaften Handeln. Wie jeder sein eigenes beispielhaftes Handeln beitragen kann. Worauf man achten muss, damit andere mitmachen. Bedingungen für die Ausbreitung des Phänomens, für innovative Aktionen.


Auf jeden Fall glauben wir, dass die Zeit für jeden von uns gekommen ist, mindestens eine beispielhafte Aktion durchzuführen.


Ich denke, es lohnt sich, an Gandhis Worte zu erinnern: „Mich beunruhigen nicht die Taten der Gewalttätigen, die sehr wenige sind, sondern die Untätigkeit der Friedlichen, die die große Mehrheit sind“. Wenn wir die große Mehrheit dazu bringen können, zu demonstrieren, können wir die Situation wenden …


Nun übergeben wir den Staffelstab an die Protagonisten aus Costa Rica, Geovanni und andere Freunde, die von anderen Orten gekommen sind, und an diejenigen, die wir virtuell auch von anderen Kontinenten angeschlossen haben.


Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank.


Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!





Info: http://www.pressenza.net/?l=de&track=2022/10/eroeffnung-des-3-weltweiten-marsches-fuer-frieden-und-gewaltlosigkeit-in-costa-rica

07.10.2022

“Goodbye, Nord Stream” (II)

pressenza.com, vom 06.10.22 - GERMAN-FOREIGN-POLICY.com


Konflikt um die „Nord Stream“-Anschläge spitzt sich weiter zu. Russische Gaslieferungen über die Ukraine ebenfalls gefährdet. Russische Flüssiggaslieferungen in die EU nehmen zu.

Der Konflikt um die Anschläge auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 spitzt sich weiter zu. Nach der EU hat nun auch die NATO gedroht, auf einen „vorsätzlichen Angriff“ auf die kritische Infrastruktur ihrer Mitgliedstaaten mit einer „entschlossenen Reaktion“ zu antworten. Obwohl nach wie vor unklar ist, wer die Anschläge begangen hat, legen sich die westlichen Staaten damit faktisch auf eine russische Täterschaft fest: Eine „entschlossene Reaktion“ gegen einen Verbündeten ist vom Westen schließlich nicht zu erwarten. Unklar ist, ob die Erdgasleitungen zumindest theoretisch wieder repariert werden könnten. Parallel eskaliert auch der Streit zwischen Kiew und Moskau um die Transitgebühren, die Gazprom für die Lieferung von Erdgas durch ukrainische Leitungen nach Europa zahlt. Lenkt Kiew nicht ein, könnten auch diese Lieferungen schon bald enden. Russisches Pipelinegas würde dann nur noch über TurkStream nach Europa gelangen. Allerdings beziehen mehrere EU-Staaten weiterhin russisches Flüssiggas – sogar in deutlich größeren Mengen als vor dem Ukraine-Krieg.


„Entschlossene Reaktion“

Der Konflikt um die Anschläge auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 spitzt sich weiter zu. Bereits am Dienstagabend hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gedroht, „jede vorsätzliche Störung der aktiven europäischen Energieinfrastruktur“ sei für Brüssel völlig „inakzeptabel“ und werde „zu der schärfsten möglichen Antwort führen“.[1] Auch der Außenbeauftragte Josep Borrell hatte erklärt, jeder Eingriff in die EU-Energieversorgung werde zuverlässig „mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet werden“. Am gestrigen Donnerstag hat sich die NATO im selben Sinne geäußert und angekündigt, „jeder vorsätzliche Angriff auf die kritische Infrastruktur der Verbündeten“ werde „mit einer geeinten und entschlossenen Reaktion beantwortet“ werden.[2] Zwar sind die Anschläge noch nicht im Geringsten aufgeklärt; sogar in Berlin wird laut gut informierten Quellen mit Blick auf die Täterschaft noch „gewarnt, zu rasche Schlüsse zu ziehen“.[3] Dennoch haben sich EU und NATO, da kaum davon ausgegangen werden kann, dass sie sich gegen ihre eigenen Mitglieder wenden, mit ihren Stellungnahmen faktisch auf eine russische Verantwortung für die Anschläge festgelegt.


„Das Undenkbare mitdenken“

Unabhängig davon wurde gestern bekannt, dass die beiden Pipelines nicht nur an drei, sondern an mindestens vier Stellen beschädigt sind. Der schwedischen Küstenwache zufolge ist ein viertes Leck in schwedischen Gewässern aufgefunden worden; es betrifft die Pipeline Nord Stream 2. Unklar ist noch, welcher Strang das Leck aufweist. Möglich ist jetzt aber, dass nicht nur beide Stränge von Nord Stream 1, sondern auch beide Stränge von Nord Stream 2 von den Anschlägen getroffen wurden. Trifft dies zu, dann wäre der Schaden maximal. Unklar ist auch, ob die Pipelines prinzipiell repariert werden können. Sie sind von außen, aber nicht von innen gegen Korrosion geschützt; sobald Salzwasser eindringe, könne es „zu ernsthaften Beschädigungen kommen“, heißt es.[4] Bei längerem Ausbleiben einer Reparatur könnten sie gänzlich unbrauchbar werden. Die Frage scheint unter gegenwärtigen Bedingungen nachrangig, da zuletzt ohnehin kein Erdgas mehr durch die Nord Stream-Leitungen geliefert wurde. Langfristig könnte sie aber wichtig sein. Ex-Kanzlerin Angela Merkel äußerte am Dienstag, man solle „immer auch das im Moment so Undenkbare … mitdenken – nämlich wie so etwas wie Beziehungen zu und mit Russland wieder entwickelt werden können“.[5] In diesem Fall wäre der Zustand der Nord Stream-Pipelines wieder relevant.


Streit um die Transitgebühren

Unterdessen droht der Erdgasversorgung der EU ein nächster Schlag – wegen eines Streits zwischen Russland und der Ukraine um Gaslieferungen über ukrainisches Territorium. Trotz des Krieges hat Gazprom seit dem 24. Februar gut 13,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch ukrainische Pipelines nach Europa geliefert, den größten Teil in die EU, eine im Vergleich geringe Menge nach Moldawien. Im Mai hat Kiew allerdings einen wichtigen Pipelinestrang gesperrt – mit der Begründung, es könne dessen Sicherheit kriegsbedingt nicht zuverlässig gewährleisten. Moskau hat dem widersprochen. Der jüngste Streit dreht sich darum, dass Gazprom Transitgebühren nur noch für das restliche, wirklich transportierte Erdgasvolumen zahlt. In dem noch gültigen Vertrag aus dem Jahr 2019 hatte Gazprom sich auf Druck des Westens verpflichten müssen, Gebühren für die gesamte geplante Liefermenge von 40 Milliarden Kubikmetern jährlich zu zahlen, auch dann, wenn es diese Menge nicht komplett liefert. Allerdings war dabei nicht eingeplant, dass Gazprom nicht im vollen Umfang liefern kann, weil Naftogaz den Transit beschränkt. Genau dies ist nun der Fall.[6]


Kiews Staatshaushalt in Gefahr

Der Streit eskaliert nun, weil Naftogaz – weiter nicht bereit, den gesperrten Pipelinestrang freizugeben – ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz eingeschaltet hat. Ursprünglich galt die Schweiz – ein offiziell neutraler Staat – als ein für solche Fälle bestens geeigneter Gerichtsstandort. Nun aber erkennt Moskau sie nicht mehr als einen solchen an, weil sie sich mit Sanktionen aktiv am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland beteiligt und keinen Anspruch auf Neutralität mehr erheben kann. Für den Fall, dass Naftogaz sein Schweizer Schiedsverfahren fortsetzt, kündigt Moskau jetzt Sanktionen gegen die ukrainische Firma an. Dann dürfte Gazprom überhaupt kein Geld mehr an Naftogaz überweisen.[7] Mit ernsten Folgen wäre in doppelter Hinsicht zu rechnen. Zum einen würden die letzten Gaslieferungen aus Russland versiegen; der Gasmangel in Europa nähme weiter zu. Zum anderen fehlten Kiew dann dringend benötigte Einnahmen. Bis 2024 stehen ihm bei Vertragserfüllung sieben Milliarden US-Dollar zu.[8] Der ukrainische Etat steht bereits heute vor dem Kollaps – auch, weil die EU wegen bürokratischer Hürden zugesagte Hilfsgelder mit spürbarer Verspätung auszahlt.[9]


TurkStream

Gibt Kiew im Streit mit Moskau um die Transitgebühren nicht nach, dann wären die letzten verbliebenen Lieferungen russischen Pipelinegases nach Europa diejenigen, die über die Pipeline TurkStream abgewickelt werden. Sie gehen vor allem an Staaten, die noch eine gewisse Kooperation mit Russland bewahren – Serbien und Ungarn. Moskau gibt an, in der vergangenen Woche einen Anschlag auf TurkStream verhindert zu haben.[10]


Russisches Flüssiggas für Europa

Während die Lieferungen russischen Pipelinegases damit endgültig zu Ende gehen könnten, nehmen die Lieferungen russischen Flüssiggases in die EU deutlich zu. Bis August 2022 sind sie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Prozent auf rund 13 Milliarden Kubikmeter gestiegen; Spanien, Belgien und die Niederlande, vor allem aber Frankreich haben die Einfuhr russischen Flüssiggases spürbar gesteigert. Ob auch Deutschland etwa von russischen Flüssiggaslieferungen an Belgien oder die Niederlande profitiert, ist nicht bekannt. Nur zwei europäische Staaten haben die Einfuhr russischen Gases tatsächlich gestoppt: Litauen und Großbritannien.[11] Die anderen gleichen mit Flüssiggasimporten direkt oder indirekt ausbleibende Pipelinelieferungen in andere EU-Staaten aus.

 

[1] EU hält Pipeline-Sabotage für wahrscheinlich – und droht den Tätern mit Sanktionen. rnd.de 28.09.2022.

[2] Statement by the North Atlantic Council on the damage to gas pipelines. nato.int 29.09.2022.

[3] Peter Carstens, Thomas Gutschker, Friedrich Schmidt, Matthias Wyssuwa: Zum Zerbersten. Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.09.2022.

[4] Martin Murphy, Mareike Müller, Dietmar Neuerer, Helmut Steuer, Kathrin Witsch: Sind die Nord-Stream-Pipelines trotz Gaslecks noch zu retten? handelsblatt.com 29.09.2022.

[5] Merkel: Putins „Worte ernst nehmen“. zdf.de 28.09.2022.

[6] Ukrainischer Gaskonzern Naftogaz wehrt sich nach Zahlungsausfällen gegen Gazprom. spiegel.de 09.09.2022.

[7] Gazprom droht mit Lieferstopp durch die Ukraine. spiegel.de 28.09.2022.

[8] America Hernandez: Russian gas flows across Ukraine jeopardized in transit fee spat. politico.eu 28.09.2022.

[9] Michael Maier: USA fordern EU auf, der Ukraine endlich Geld zu überweisen. berliner-zeitung.de 28.09.2022. S. auch „Im Krieg gedeihen“.

[10] S. dazu „Goodbye, Nord Stream“.

[11] Anne-Sophie Corbeau, Diego Rivera Rivota: Why Under-the-Radar Russian LNG Exports Matter. energypolicy.columbia.edu 27.09.2022.

Der Originalartikel kann hier besucht werden


Info: http://www.pressenza.net/?l=de&track=2022/10/goodbye-nord-stream-ii

07.10.2022

Justizmord ohne Folgen     Berlin hat den antikolonialen Widerstandskämpfer Manga Bell, Opfer eines deutschen Justizmordes, bis heute nicht rehabilitiert. In Ulm wird jetzt ein Platz nach ihm benannt.

german-foreign-policy.com, 7. Oktober 2022

ULM/DOUALA (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung soll den antikolonialen Widerstandskämpfer Rudolf Duala Manga Bell aus Kamerun endlich rehabilitieren: Diese Forderung wird anlässlich der Einweihung des Rudolf Duala Manga Bell-Platzes heute in Ulm zum wiederholten Male laut. Manga Bell, König der Duala in der deutschen Kolonie Kamerun, war 1914 von den Kolonialbehörden in einem Scheinprozess zum Tod verurteilt und umgehend hingerichtet worden. Zuvor hatte er den Widerstand gegen die rassistisch motivierte Zwangsenteignung und -umsiedlung der Duala, die Wohnvierteln nur für Weiße weichen sollten, mit dem Widerstand anderer Bevölkerungsgruppen in der Kolonie zu verbinden versucht. Die deutsche Kolonialherrschaft sei wegen ihrer besonderen Brutalität „an der ganzen Westküste“ Afrikas „verschrien“ gewesen, berichtete der linksliberale Publizist Hellmut von Gerlach nach einer ausgedehnten Westafrika-Reise 1912. Während Manga Bell in Ulm geehrt wird, hat die Bundesregierung ihn bis heute nicht rehabilitiert. Eine finanzielle Entschädigung für den Justizmord an ihm, die den Nachkommen Manga Bells zustünde, ist in Deutschland nicht in Sicht.


Zitat: Rudolf Duala Manga Bell

Rudolf Duala Manga Bell wurde 1873 in der Region Douala im Mündungsbereich des Flusses Wouri geboren – dort, wo sich heute Kameruns gleichnamige Wirtschaftsmetropole befindet. Manga Bells Großvater Ndumbe Lobe Bell war damals König der noch freien Douala-Bevölkerung. Als Manga Bell elf Jahre alt war, unterzeichnete sein Großvater am 12. Juli 1884 einen sogenannten Schutzvertrag, der dem Deutschen Reich als Grundlage für die Errichtung seiner Kolonialherrschaft über Kamerun diente. 1891 ging Manga Bell nach Deutschland, um die deutsche Sprache zu erlernen und um deutsche Schulen zu besuchen – erst in Aalen, dann in Ulm, wo er 1896/97 beinahe ein Jahr am Gymnasium verbrachte. Kurz nach seiner Rückkehr in die Kolonie Anfang 1997 starb sein Großvater; König der Duala wurde daraufhin sein Vater Manga Ndumbe Bell. Nach dessen Tod im September 1908 wiederum übernahm Manga Bell, der mittlerweile zusätzlich den Vornamen Rudolf angenommen hatte, die traditionelle Douala-Königswürde. Historiker beurteilen seine Herrschaft als spürbar vom Bemühen um eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Deutschland inspiriert und auch sonst an einem europäischen Regierungsstil orientiert.[1]


Das „Fünfundzwanzig-Land“

Das war alles andere als selbstverständlich. Nicht nur plünderten deutsche Unternehmen damals die Kolonie hemmungslos aus. Darüber hinaus war das Deutsche Reich in Westafrika längst als besonders brutal operierende Kolonialmacht berüchtigt. Dies lag nicht zuletzt an der exzessiv angewandten Prügelstrafe, über die sich die Duala im Juni 1905 in einer Petition an den Reichstag ausdrücklich beschwert hatten – neben anderen Maßnahmen wie dem willkürlichen Niederreißen von Häusern und dem unrechtmäßigen Vorenthalten von Lohn.[2] Als der linksliberale Publizist und ehemalige Reichstagsabgeordnete Hellmut von Gerlach 1912 eine Reise nach Kamerun unternahm, war er entsetzt über das äußerst brutale Vorgehen der Kolonialbehörden. Diese hätten nicht nur „die Schwarzen“ als „minderwertige Rasse“ behandelt, die „mit hartem Zwang“ beherrscht werden müsse; sie hätten dabei auch exzessive Strafen angewandt wie die „Kettenstrafe“, bei der Gefangene aneinandergekettet wurden, oder auch die Prügelstrafe. „An der ganzen Westküste“ Afrikas sei die deutsche Kolonie „als das Fünfundzwanzig-Land verschrien“ gewesen, berichtete Gerlach später: 25 war die Zahl der harten, die Haut aufplatzen lassenden Schläge, aus denen die deutsche Prügelstrafe bestand.[3]


Rassistische Zwangsumsiedlungen

Als Gerlach Kamerun bereiste, hatten die Kolonialbehörden es geschafft, den verbreiteten Unmut über ihre Willkür und ihre exzessiven Strafen zu einer allgemeinen Aufruhrstimmung zu steigern. Um 1910, so schildert es Gerlach, waren „deutsche Rassefanatiker auf den Gedanken“ gekommen, „daß das Zusammenwohnen von Weißen und Schwarzen der weißen Rasse unwürdig sei“.[4] Die Kolonialbehörden planten nun, die Gebiete am Ufer des Wouri-Flusses in Wohngebiete ausschließlich für Weiße zu verwandeln und sämtliche schwarzen Bewohner zwangsweise in abgelegene, stärker von Malaria befallene Regionen umzusiedeln. Die „Zwangsenteignung des gesamten schwarzen Besitzes ... wurde eingeleitet“, berichtet Gerlach; „das gesamte Volk geriet in furchtbare Erregung“, da man sie „mit Gewalt von dem Sitz ihrer Vorfahren vertreiben wollte“. Die Wut war umso größer, als der „Schutzvertrag“ von 1884 die Wahrung von Duala-Grundbesitz ausdrücklich zugesagt hatte. „Die ersten Enteignungen fanden statt“, erinnerte sich Gerlach an seinen Kamerun-Aufenthalt des Jahres 1912: „Sie waren nicht nur rechtswidrig; es wurden auch Entschädigungen gezahlt, die geradezu als Hohn empfunden werden mußten.“ Sie lagen nicht selten bei einem Hundertstel des Bauwerts.


Im antikolonialen Widerstand

Manga Bell nahm sich der Sache an. Mit Appellen an den Reichstag in Berlin suchte er die Zwangsenteignungen und -umsiedlungen zu stoppen – ohne Erfolg. Seinem nach Berlin entsandten Mitarbeiter Ngoso Din gelang es mit Gerlachs Hilfe, Diskussionen zu entfachen, die die Haushaltskommission des Reichstags im März 1914 veranlassten, die Mittel für die Zwangsenteignungen in Kamerun vorläufig einzufrieren. Schon im Mai 1914 jedoch erfolgte in Berlin eine Kehrtwende: Unter dem Druck kolonialer Kreise brach der Widerstand gegen die Finanzierung der rassistischen Umsiedlungsmaßnahmen zusammen. Manga Bell ging daraufhin dazu über, den Widerstand der Duala mit anderen Bevölkerungsgruppen innerhalb der deutschen Kolonie zu koordinieren. Als die Kolonialbehörden davon erfuhren, nahmen sie ihn und Ngoso Din fest; am 7. August 1914 wurden beide in einem Prozess, der selbst kolonialen Standards nicht genügte, zum Tod verurteilt und schon am Tag darauf, am 8. August 1914, hingerichtet.[5] Der Justizmord an ihnen war eines der letzten Verbrechen der Deutschen in ihrer Kolonie; diese wurde kurz darauf von französischen und britischen Truppen eingenommen. „Als die Engländer 1914 in Kamerun erschienen“, schreibt Gerlach, „wurden sie von der Küstenbevölkerung als Befreier begrüßt.“[6]


Immer noch nicht rehabilitiert

Am heutigen Freitag wird eine hochrangige Delegation aus Kamerun in Ulm erwartet, um dort an der Einweihung des Rudolf Duala Manga Bell-Platzes teilzunehmen. Damit wird der kamerunische Widerstandskämpfer geehrt, der in Ulm zur Schule ging. Bereits vor fast acht Jahren hatte der kürzlich verstorbene Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) die Bundesregierung offiziell gefragt, weshalb Manga Bell nicht offiziell rehabilitiert sei. Der damalige Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth erklärte damals: „Eine Forderung der Verteter der Douala aus Kamerun zur Rehabilitierung von Rudolf Manga Bell wurde gegenüber der Bundesregierung bislang nicht erhoben.“[7] Die Forderung liegt jetzt vor – in Form einer Petition, die im März 2022 unater anderem von Manga Bells Urenkelin Princess Marilyn Duala Manga Bell initiiert wurde. Mehr als ein halbes Jahr später ist die Rehabilitation immer noch nicht erfolgt – ganz zu schweigen von einer Entschädigung für das Kolonialverbrechen, die den Nachfahren zustünde und von manchen auch eingefordert wird.[8] Allerdings ist die Bundesregierung nicht einmal bereit, für den Genozid an den Herero und Nama Entschädigung zu zahlen – mit der Begründung, den offiziellen Straftatbestand habe es damals noch nicht gegeben; alles andere aber sei verjährt.[9]

 

[1] Ralph A. Austen, Jonathan Derrick: Middlemen of the Cameroons River. The Duala and their Hinterland, c. 1600 – ca. 1960. Cambridge 1999.

[2] Horst Gründer: Geschichte der deutschen Kolonien. Paderborn 2012.

[3], [4] Hellmut von Gerlach: Von Rechts nach Links. Frankfurt am Main 1987. S. 200ff.

[5] Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914. Berlin 2020.

[6] Hellmut von Gerlach: Von Rechts nach Links. Frankfurt am Main 1987. S. 200ff.

[7] Christian Bommarius: Der König, der Recht wollte. zeit.de 31.08.2021.

[8] Gerold Schmidt: Auf den Spuren des Urgroßvaters. inkota.de 13.09.2022.

[9] S. dazu Schweigegeld statt Entschädigung und Die Berliner Reparationsverweigerung (II).


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9045

06.10.2022

Selenskij ruft NATO zu atomaren Präventivschlägen gegen Russland auf – Kreml: Aufruf zu 3. Weltkrieg

test.rtde.tech, 6 Okt. 2022 19:42 Uhr

Die NATO muss den Einsatz russischer Atomwaffen durch eigene Präventivschläge verhindern. Diese Meinung äußerte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij während einer Online-Konferenz. Kreml reagierte umgehend.


Selenskij ruft NATO zu atomaren Präventivschlägen gegen Russland auf – Kreml: Aufruf zu 3. WeltkriegQuelle: www.globallook



press.com


Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij ist der Ansicht, dass die NATO einen "Präventivschlag" gegen Russland ausführen muss, sollte dieses mit einem möglichen Einsatz von Atomwaffen drohen. Dies sagte er in einem Videointerview mit dem Lowy Institute in Australien am Donnerstag. Die ukrainischen Medien haben den Ausschitt aus seinem Auftritt mit folgendem Zitat veröffentlicht

"Was sollte die NATO tun? Verhindern, dass Russland Atomwaffen einsetzt. Vor allem aber appelliere ich noch einmal an die internationale Gemeinschaft (...): Präventivschläge, damit sie (die Russen) wissen, was mit ihnen geschieht, wenn sie sie einsetzen. Nicht umgekehrt auf Russlands Nuklearschläge warten, um dann sagen zu können: 'Ah, so seid ihr also, na dann kriegt ihr jetzt zurück.'"

Er betonte, dass die NATO "die Art und Weise, wie sie Druck ausübt", überdenken sollte.

Selenskij glaubt auch, dass Putin den Einsatz von Atomwaffen nicht überleben wird.
"Dennoch glaube ich, dass der russische Staatschef sein eigenes Leben sehr liebt. Und ich denke, er weiß, dass er nach dem Einsatz von Atomwaffen nicht mehr in der Lage sein wird, es zu bewahren", so Selenskij.


Inzwischen liegt die Reaktion aus dem Kreml auf diese Äußerungen vor. 

"Dies ist die Erklärung von Präsident Selenskij, der alle Länder der Welt ihre Aufmerksamkeit schenken sollten. Vor allem die USA, das Vereinigte Königreich und die Länder der Europäischen Union sollten dieser Erklärung von Selenskij Beachtung schenken. Zunächst einmal die ersten beiden", sagte der Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Er erklärte außerdem, die Worte des ukrainischen Führers seien nichts anderes als ein Aufruf zum Ausbruch eines Weltkriegs.


Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://test.rtde.tech/international/150866-selenskij-ruft-nato-zu-atomaren


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

06.10.2022

Scott Ritter: Die NATO wird eine große Niederlage erleben

Scott Ritter, ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und UN-Waffeninspekteur, geht in seinem jüngsten Interview auf den Antrag der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft ein und sagt dem westlichen Militärbündnis eine Niederlage voraus. Er glaubt nicht, dass die NATO wirklich bereit ist, alles aufs Spiel zu setzen, um Russland zu besiegen, während Russland tatsächlich um seine Existenz kämpft.


Zitat: Die NATO, so Ritter, wird aus der Sache nicht unbeschadet herauskommen und auf die ein oder andere Weise eine Niederlage einstecken müssen. Was die westliche Behauptung angeht, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet habe, widerspricht er dieser. Denn Russland habe jahrelang versucht, einen Krieg zu verhindern, und hatte nie die Intention, die ostukrainischen Gebiete an Russland anzuschließen.


Wie er ausführt, waren es tatsächlich die NATO und die Ukraine, die diesen Konflikt provoziert und herbeigeführt haben und sämtliche Chancen auf einen friedlichen Ausgang ausschlugen.


Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Info: https://test.rtde.tech/kurzclips/video/150806-scott-ritter-nato-wird-grosse


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

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