"Russische Geisterschiffe"
aus e-mail von Doris Pumphrey, 14. April 2024, 12:32 Uhr
_RT DE 13.4.2024
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*"Russische Geisterschiffe" oder: wie man eine Bedrohung bastelt
*/Von Dagmar Henn
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Man stößt schon auf herzige Einfälle in der deutschen Propaganda. Jetzt
wird über Tanker, die russisches Öl transportieren, berichtet, als
würden sie von einer Horde Zombies gesteuert, die unbedingt Europa mit
einer Ölpest beglücken wollten.
/T-Online/, das Portal im Besitz des Werbekonzerns Stroer, das sich
schon oft mit antirussischer Propaganda hervorgetan hat und gerne die
aktuellsten Attacken des V-Manns Lars Wienand publiziert, hat ein neues
Objekt für Gruselgeschichten gefunden
"Russische Geisterschiffe".
Man denkt natürlich bei "Geisterschiff" sofort an den Fliegenden
Holländer oder das Bermuda-Dreieck, aber so ist das nicht gemeint. Die
Schiffe haben eine Besatzung aus lebenden Menschen und werden ganz
normal durch die Fahrrinnen gesteuert. Das, was an diesen Schiffen
stört, ist schlicht ihre Fracht – sie transportieren russisches Öl, und
weil die EU das ja nicht haben will, fahren sie es an ihr vorbei.
Das ist natürlich noch keine Geschichte, die ka lte Schauer über den
Rücken jagt, also muss da nachgewürzt werden. Dafür wird dann der
finnische Grenzschutz zum Zeugen gemacht, der natürlich angesichts der
frischen NATO-Mitgliedschaft des Landes auch folgsam liefert: /"Dem
Grenzschutz zufolge fahren die Tanker etwa unter den Flaggen von
Kamerun, Gabun, Dschibuti, Palau oder Belize. Diese seien in der
nördlichen Ostsee 'noch nie zuvor' gesehen worden."/
Na sowas. Die übrigen Schiffe fahren ganz brav unter EU-Flaggen, oder?
Und nicht unter den Flaggen der Marschall-Inseln, von Panama oder
Mauritius? Schön ist auch dieser Satz: /"Die tatsächlichen
Eigentumsverhältnisse sind meist undurchsichtig."/
Ja, Menschen, die sich noch nie näher mit dem Schiffsverkehr befasst
haben, kann man sowas als Neuigkeit verkaufen. Journalisten sollten sich
allerdings ein wenig mehr Mühe geben, und erst einmal herausfinden, wie
"durchsichtig" die Eigentumsverhältnisse bei Schiffen im Allgemeinen zu
sein pflegen. Schließlich fährt eine ganze Menge großer Kähne auf den
Weltmeeren.
Das erste Problem ist schon einmal, dass die Flagge, unter der ein
Schiff fährt, gar nichts sagt, außer es handelt sich um ein
Kriegsschiff. So gut wie alle Schiffe fahren unter einer Flagge, die
weder etwas mit dem Ort zu tun hat, an dem das Schiff gebaut wurde, noch
mit dem Sitz der Reederei, die dieses Schiff vermietet, noch mit der
Herkunft der Besatzung und schon gar nichts mit dem Sitz des Eigentümers
oder der Eigentümer. Die Frage, unter welcher Flagge ein Schiff fährt,
sagt auch nichts über seinen Wartungszustand. Die Nennung von Kamerun
und Gabun dient schlicht dazu, ordinären Rassismus bei all jenen zu
aktivieren, die diese komplizierte Struktur nicht kennen und daher
denken: So ein armes Land kann ja gar keine vernünftigen Schiffe haben.
Die Frachter stammten weder aus G7- noch aus EU-Ländern, heißt es. Das
müsste man an den konkreten Beispielen überprüfen. Heutzutage sind es
vor allem zwei Länder, die den Schiffsbaumarkt dominieren: Südkorea und
China. Aber mit "stammen" ist vermutlich gar nicht der Bauort gemeint,
sondern die Besitzverhältnisse.
Nun, die Besitzverhältnisse von Schiffen sind in der Regel deshalb
verwickelt, weil sie Kapitalanlagen sind, die meist dadurch
funktionieren, dass möglichst überhaupt keine Steuern gezahlt werden.
Außer es handelt sich um Schiffsfonds zur Erzeugung von
Verlustzuweisungen, wie sie gerne deutschen Anwälten und Zahnärzten
angeboten wurden (was tatsächlich dazu geführt hat, dass in der größten
Containerschiffklasse die Hälfte in deutschem Besitz ist, aber das ist
eine andere Geschichte). Also eine Schachtelkonstruktion mit einer
Holding auf, sagen wir mal, den Bahamas, die wiederum einer Gesellschaft
auf den Jungferninseln gehört, gekoppelt mit einer Charterfirma, die
dann gut sichtbar, sagen wir mal, in Houston, Texas, registriert ist,
ist in diesem Gewerbe absolut üblich. Es ist eher äußerst ungewöhnlich,
wenn man die wirklichen Eigentümer schnell findet.
Aber für /T-Online/ ist das natürlich etwas, was nur bei "russischen
Geisterschiffen" der Fall ist, und dafür wird nun eine Studie einer
privaten ukrainischen Universität angeführt (aber selbstverständlich
nicht verlinkt), die selbst wiederum durchaus interessant ist. Sie heißt
"Kyiv School of Economics"(KSE) und wurde 1996 von einem "Economics
Education and Research Consortium"(EERC) gegründet. Schon bei der KSE
finden sich gute Bekannte wie USAID; bei EERC aber gibt
<https://en.wikipedia.org/wiki/Economics_Education_and_Research_Consortium>
es die volle Palette: die Open Society Foundation, die Carnegie
Corporation, Coca-Cola, die Konrad-Adenauer-Stiftung und, last but not
least, die US-Botschaft in der Ukraine. Geradezu eine Garantie für
neutrale, wissenschaftliche Ergebnisse.
Vor einigen Wochen, als /T-Online/ die Geschichte der "Geisterschiffe"
das erste Mal spielte
hieß es noch: "Demnach läuft der Transport hauptsächlich über Reedereien
mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wobei die Schiffe
zumeist unter den Flaggen Panamas, Liberias und Gabuns fahren." Das hat
wohl nicht ganz funktioniert, weil Panama und Liberia auch sonst
ziemlich beliebt sind und auch Reedereien in den Emiraten nicht so
richtig gruselig klingen.
Aber es gibt eine Behauptung, die wirklich kühn ist. Die Schiffe sollen
nämlich ohne Versicherung fahren, was das Ganze höchst gefährlich mache.
Beweis? "Mindestens 90 Prozent dieses Versicherungsmarktes wird von
Anbietern aus der EU oder Großbritannien abgedeckt – Staaten, die
aufgrund der Sanktionen keine russischen Schiffe mehr versichern
dürfen." Überhaupt seien die Schiffe älter als 15 Jahre.
Das mit dem Alter ist wirklich albern, der Verband Deutscher Reeder
nennt
für das Jahr 2022 ein Durchschnittsalter der Öltanker auf den Weltmeeren
von 19,7 Jahren. Die erwähnten 15 Jahre sind wieder einmal dafür da, um
Ahnungslose zu erschrecken. Stückgutfrachter haben sogar ein
Durchschnittsalter von 27,1 Jahren, und wer meint, das sei
ungefährlicher als Öltanker, weiß nicht, was sonst noch so alles auf den
Weltmeeren herumschippert.
Und das mit der Versicherung? Wäre dann glaubwürdig, wenn es einige
konkrete Namen gäbe; man kann solche Informationen nämlich auf
Schiffstrackern einsehen. Oder wenn keine Namen, dann die IMO-Nummern,
damit findet man sie auch. Aber die einzige Begründung, die für die
Behauptung geliefert wird, diese Schiffe seien nicht versichert, ist,
dass die europäischen Versicherer "aufgrund der Sanktionen keine
russischen Schiffe mehr versichern dürfen".
Das Problem bei dieser Formulierung ist schon "russische Schiffe". Ein
Schiff ist kein "russisches Schiff", weil es russisches Öl
transportiert. Ohnehin ist es ein offenes Geheimnis, wem die meisten
Tanker gehören, die russisches Öl transportieren: griechischen
Reedereien. Wie gesagt, die Verhältnisse sind kompliziert. Aber nur,
weil Lloyds in London eine Fracht von russischem Öl nicht versichern
will, heißt das noch lange nicht, dass es keine Versicherung gibt. Auch
andere Mütter haben schöne Töchter, und das Konzept Versicherung ist
wirklich nicht nur in Europa bekannt. Wie wäre es mit Indonesien oder
China? Der Grund für die Dominanz europäischer Versicherungen ist, dass
ein Schadensfall so teuer werden kann, dass nur
Versicherungsgesellschaften mit viel Kapital an diesem Spiel teilnehmen
können. Aber die Zeiten, in denen in China das Geld dafür nicht reichte,
sind lange vorbei, auch wenn das bei/T-Online/ noch nicht angekommen ist.
Ob diese Panikmache mit den USA abgestimmt ist, ist übrigens auch
fraglich. Die wollen, gerade was das Öl angeht, momentan zwar gerne ganz
laut so tun, als störten sie sich am Handel mit russischem Öl; würde
Russland diesen Handel aber tatsächlich einstellen, würden sie ganz
schnell um Wiederaufnahme betteln – der Benzinpreis in den USA darf vor
den Wahlen auf keinen, auf gar keinen Fall steigen. Weshalb ja auch
russisches Öl für die USA zu indischem Benzin wird, wenn es dort eine
Raffinerie durchlaufen hat.
In Wirklichkeit fahren also ganz normal alte Tanker unter im
Schiffsverkehr ganz normalen Flaggen ganz normales russisches Öl durch
die Ostsee, aus denen man sich eine Flotte Fliegender Holländer basteln
muss (Peter der Große hat den Schiffsbau ja auch in Holland gelernt),
damit die braven Deutschen jetzt nicht nur Angst vor russischen Panzern,
sondern auch vor russischen Ölhavarien haben. Irgendwie muss man eben
kompensieren, dass die Sanktionsnummer so gar nicht funktioniert.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.