Die Kita im Bunker Bildungsministerin Stark-Watzinger will Schulen in die Vorbereitung auf den Kriegsfall („Zivilschutz“) einbeziehen und dringt auf enge Kooperation von Hochschulen, Bundeswehr und Rüstungsindustrie.
german-foreign-policy.com, 18. März 2024
BERLIN (Eigener Bericht) – Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger fordert die Einbeziehung von Schulen in die Vorbereitung der deutschen Gesellschaft auf einen etwaigen großen Krieg. „Zivilschutz“ sei „immens wichtig“ und gehöre „auch in die Schulen“, sagte Stark-Watzinger am Wochenende. Gemeint sind Maßnahmen, die die Überlebenschancen der Zivilbevölkerung im Kriegsfall erhöhen sollen. Zudem müssten Schulen ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ entwickeln, verlangte die Ministerin; „Vorbehalte“ etwa gegen Auftritte von Jugendoffizieren könne sie nicht nachvollziehen. Schon zuvor hatten führende Vertreter etwa des Deutschen Lehrerverbandes oder des Städte- und Gemeindebundes verlangt, schulische Lehrpläne im Hinblick auf „Verteidigungsbereitschaft“ nachzuschärfen und auch Kindertagesstätten in die „Zivilschutz“-Maßnahmen einzubeziehen; dies sei „kindgerecht“ möglich. Stark-Watzinger will darüber hinaus Hochschulen stärker als bisher für die Rüstungsforschung nutzen. Die bayrische Landesregierung hat inzwischen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das eine angebliche „Einengung der Forschung“ durch Zivilklauseln untersagt und ein „Gebot“ zur Kooperation von Hochschulen und Bundeswehr umfasst.
Zitat: Sirenen bauen, Kerzen einlagern
Stark-Watzingers Vorstoß verstärkt bereits zuvor vorgetragene Forderungen, Schulen und sogar Kindertagesstätten in die Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg einzubeziehen. In diesem Sinne hatte sich etwa der ehemalige (2013 bis 2023) CDU-Bundestagsabgeordnete André Berghegger geäußert, der seit Anfang dieses Jahres als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes tätig ist. Berghegger verlangte in einem am 9. März publizierten Interview zunächst allgemein, Maßnahmen des sogenannten Zivilschutzes auszubauen, die im Kriegsfall die Opferzahl in der Zivilbevölkerung senken sollen. So sei es „dringend notwendig, stillgelegte Bunker wieder in Betrieb zu nehmen“; von den mehr als 2.000 öffentlichen Bunkeranlagen aus der Zeit des Kalten Krieges gebe es bloß noch 600.[1] Zudem müssten „Anzeigetafeln“ errichtet sowie „das Sirenenschutzprogramm“ ausgebaut werden, um schnell und umfassend zum Beispiel vor Luftangriffen warnen zu können. Dazu reiche die staatliche Warn-App NINA nicht aus. Nicht zuletzt müssten Privatpersonen stets „Wasser, Lebensmittel, Medikamente“ und weitere Gegenstände wie Kerzen vorrätig halten; das sei erforderlich, um im Kriegsfall „möglicherweise einige Tage aus eigener Kraft [zu] überstehen“.
„Kindgerecht“ auf den Krieg vorbereiten
All dem will der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, der dafür „in jedem der nächsten zehn Jahre mindestens eine Milliarde Euro“ aus dem Bundeshaushalt für dringend erforderlich hält – als „Anschub“ –, auch Jugendliche und sogar Kinder aussetzen. „Das Bewusstsein dafür sollten wir schon in Kitas und Schulen wecken“, fordert Berghegger: „Dort lassen sich auch Zivilschutzübungen abhalten.“[2] Ein „eigenes Schulfach für Verteidigung oder Resilienz“ sei dafür nicht erforderlich; es gebe „genügend Pflichtfächer“, die man nutzen könne. „Man kann auch an Projekttagen oder in Arbeitsgruppen für die neue Gefahrenlage sensibilisieren – und wie man sich im Verteidigungsfall verhält“. „Man kann in Kitas und Schulen durchaus mal üben, was zu tun ist, wenn es brennt“, fuhr Berghegger fort. Einwände vorwegnehmend, eine unmittelbare Konfrontation mit Krieg und dem möglichen Verlust des eigenen Lebens könne die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen, gab sich der Städte- und Gemeindebund-Funktionär gewiss: „Das kann man auch kindgerecht ansprechen.“
Lernziel „Verteidigungsbereitschaft“
Nachdem Stark-Watzinger am Wochenende die Forderung, Schulen in die Maßnahmen des sogenannten Zivilschutzes einzubeziehen, aufgegriffen und verstärkt hatte, stimmte ihr unter anderem der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, zu. Er „erwarte“ von ihr, erklärte Düll nachdrücklich, „dass sie jetzt das Gespräch mit den Bildungsministern in den Bundesländern sucht“: „Eine Absichtserklärung reicht nicht, jetzt muss im Politik-Unterricht zum Ukraine-Krieg und zur gesamteuropäischen, ja globalen Bedrohungslage gelehrt werden.“[3] Der Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr [4] sei eine „sinnvolle Unterstützung“ bei dem Vorhaben. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes monierte, viel zu lange habe in Deutschland eine „Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung“ geherrscht. Jetzt gelte es „ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung“ zu entwickeln; dieses müsse künftig „auch an Schulen vermittelt werden“. Düll hatte sich zuletzt unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen dafür stark gemacht, Auftritte von Jugendoffizieren an Schulen zu fördern. Auch sei zu prüfen, ob man Lehrpläne „im Hinblick auf Bedrohung, Geostrategie und Verteidigungsbereitschaft nachschärfen muss“.[5]
Vorbild DARPA
Bei der Indienststellung des Bildungswesens für Kriegsvorbereitungen sowie für weitere indirekte oder direkte militärische Interessen greift Stark-Watzinger längst über die Schulen hinaus und bezieht die Hochschulen ein. Vergangene Woche wurde die Ministerin mit der Äußerung zitiert, es gelte, die Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung in der Bundesrepublik „neu zu bewerten“.[6] Ihr Ministerium will laut einem internen Papier ganz gezielt die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Forschungseinrichtungen intensivieren. Als Vorbild wird in diesem Zusammenhang die US-Regierungsstelle DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) genannt, die die US-Rüstungsforschung gezielt unterstützt; von „Förderanreizen“ für zivil-militärische Forschungskooperationen ist in Berlin die Rede.[7] Um für letztere den Weg freizumachen, will die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern und der Hochschulrektorenkonferenz erörtern, wie man mit den Zivilklauseln um geht, die in den Bundesländern Bremen und Thüringen und an diversen einzelnen Hochschulen fortbestehen und die militärische Forschung einschränken. Es gelte zu eruieren, ob sie „unter den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen“ noch „angemessen“ seien.
Vom Trennungs- zum Kooperationsgebot
Einen gesetzlichen Vorstoß in diese Richtung hat Ende Januar die Landesregierung Bayerns unternommen, indem sie einen Entwurf für ein „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ in dem Bundesland abgesegnet hat.[8] Darin sei ein eindeutiges „Verbot einer sogenannten Zivilklausel“ enthalten, teilte der Chef der bayrischen Staatskanzlei, Florian Herrmann, mit: Eine „Einengung der Forschung“ durch eine Ablehnung ihrer militärischen Nutzung sei „nicht sinnvoll“ und eigentlich auch „nicht möglich“. Dem in den Zivilklauseln intendierten Trennungs- setzt die bayrische Regierung ein „Kooperationsgebot“ entgegen, laut dem die Hochschulen mit der Bundeswehr zusammenarbeiten sollen. Aus dem „Gebot“ könne sogar eine „Pflicht“ werden, wenn dies „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ erforderlich sei, heißt es. Mit der Maßnahme solle das Bundesland Bayern als Standort der Bundeswehr und vor allem auch der Rüstungsindustrie attraktiver werden.[9] Nicht zuletzt sieht das Gesetz vor, dass staatliche Schulen im Rahmen der „politischen Bildung“ mit Jugendoffizieren kooperieren sollen; die Truppe wird außerdem das Recht haben, sich bei Veranstaltungen zu beruflichen Perspektiven von Schulabgängern werbewirksam zu präsentieren.
[1], [2] Jan Dörner, Jochen Gaugele: Gemeindebund: „Stillgelegte Bunker wieder in Betrieb nehmen“. morgenpost.de 09.03.2024.
[3] Josef Forster, Elias Sedlmayr, Luisa Volkhausen: Lehrer-Chef für Unterricht über Krieg an Schulen. bild.de 16.03.2024.
[4] S. dazu Pädagogen im Visier.
[5] Luca-Marie Gmorczynski, Florian Kain, Julian Röpcke, Peter Tiede, Burkhard Uhlenbroich: So muss Deutschland aufrüsten. bild.de 23.12.2023.
[6], [7] Heike Schmoll: Forschung im Lichte neuer Zeiten. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.03.2024.
[8], [9] Bayern will Hochschulen Zusammenarbeit mit Militär vorschreiben. sueddeutsche.de 23.01.2024.a
Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9515
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.