Warum gesteht die CIA ihre Beteiligung in der Ukraine?
_*New York Times:
Warum gesteht die CIA ihre Beteiligung in der Ukraine?
*Die New York Times ist für ihre engen Verbindungen zur CIA bekannt.
Aber das Detail, das jüngst über die CIA in der Ukraine veröffentlicht
wurde, ist rätselhaft. Es bestätigt vieles, was zuvor bereits als wahr
angenommen wurde – aber warum gerade jetzt?
Es ist fast eine romantische Erzählung, die die /New York Times/ über
die Entwicklung der Beziehungen zwischen der CIA und den ukrainischen
Geheimdiensten lieferte
<https://www.nytimes.com/2024/02/25/world/europe/cia-ukraine-intelligence-russia-war.html>.
Und es ist trotz des öffentlichen Eingeständnisses, wie tief die
Zusammenarbeit geht, ein typisches /NYT/-Stück, eine dichte Mischung aus
Lüge und Wahrheit.
Beginnen wir mit den Dingen, die höchstwahrscheinlich stimmen. Die CIA
ist an der Finanzierung von Kommandozentralen der ukrainischen Armee
beteiligt. Die Beschreibung dessen klingt selbstverständlich romantisch:
/"Nicht weit entfernt führt ein diskreter Gang zu einem unterirdischen
Bunker, in dem Trupps ukrainischer Soldaten russischen
Spionagesatelliten folgen und Gesprächen zwischen russischen
Kommandeuren lauschen. Auf einem der Bildschirme folgt ein roter Strich
der Flugbahn einer sprengstoffbeladenen Drohne, die sich von einem
Ausgangspunkt in der zentralen Ukraine durch russische Luftverteidigung
schlängelt, um ein Ziel in der russischen Stadt Rostow anzusteuern./
/Der unterirdische Bunker, der gebaut wurde, um den in den Monaten nach
dem russischen Einmarsch zerstörten Kommandoposten zu ersetzen, ist ein
geheimer Nervenknoten des ukrainischen Militärs. Und es gibt ein
weiteres Geheimnis: der Stützpunkt wird von der CIA beinahe vollständig
finanziert und zum Teil ausgestattet."/
Schon dieser Absatz wirft eine Frage auf – an wen richtet sich und was
will dieser Artikel? Die /NYT/ ist geradezu das klassische Sprachrohr,
wenn die CIA irgendetwas mitteilen will. Es erstaunt erst einmal, dass
eine Beteiligung in diesem Ausmaß eingestanden wird, da üblicherweise
doch immer betont wird, man habe mit diesem Krieg nur in Gestalt von
Geldgeschenken und Waffenlieferungen zu tun.
/"Die nachrichtendienstliche Partnerschaft zwischen Washington und Kiew
ist ein Dreh- und Angelpunkt der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit, in
einem Krieg, der hunderttausende Leben gekostet hat und jetzt ins dritte
Jahr geht. Die CIA und andere amerikanische Dienste liefern die
Aufklärung für gezielte Raketenschläge, verfolgen russische
Truppenbewegungen und helfen dabei, Spionagenetzwerke zu unterstützen."/
Mit anderen Worten, die militärischen Handlungen der Armee Kiews wären
ohne diese Daten unmöglich. Das überrascht wirklich nur das Publikum im
Westen. Einige Stunden auf Flightradar24 oder einem anderen
Tracking-Portal genügen, um zu zeigen, wie rege die Überwachung von
westlicher Seite allein aus der Luft ist. Und da Kiew weder über AWACS
noch über Satelliten verfügt und die Sicht von Drohnen begrenzt ist und
daher eben nicht bis Rostow, Sewastopol oder gar Moskau reicht, war die
ganze Zeit über klar, dass die Ukraine letztlich nur ausführendes Organ
westlicher Angriffe ist. Die Zielbestimmung ist aus dem Westen, die
Waffen sind aus dem Westen und sogar das kommandierende Personal dürfte
von dort sein. Ukrainisch sind nur noch die Fußtruppen drum herum. Aber
man hat das im Westen eben bisher nicht eingestanden.
Vor zehn Jahren, behauptet die /NYT/, habe diese Zusammenarbeit
begonnen, also erst nach dem Maidan-Putsch. Eine Teilwahrheit, die damit
begründet wird, der erste Anlauf wäre gescheitert. Unter der Regierung
Juschtschenko, nach der ersten Farbrevolution in Kiew im Jahr 2005, soll
die CIA in der Zentrale des SBU ein ganzes Stockwerk besetzt haben. Aber
natürlich sind die Verbindungen nicht abgerissen, als sie unter
Janukowitsch wieder ausziehen mussten, ganz zu schweigen von den viel
älteren Verbindungen, die über die ukrainische Diaspora gingen und über
Jahrzehnte vor allem über Stellen bei Radio Free Europe aufrechterhalten
wurden.
/"Der Horchposten im ukrainischen Wald ist Teil eines von der CIA
unterstützten Netzwerks von Spionagestützpunkten, das in den letzten
acht Jahren errichtet wurde und zwölf geheime Stellungen entlang der
russischen Grenze einschließt. Vor dem Krieg bewiesen sich die Ukrainer
den Amerikanern, indem sie abgefangene Gespräche sammelten, die halfen,
Russlands Verwicklung in den Abschuss eines Linienflugs, des Flugs
Malaysia Airlines Nummer 17, zu beweisen."/
Ja, es gab damals eine angebliche Aufzeichnung eines Gesprächs, das
prompt als Erfolg des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU verkauft
wurde. In Wirklichkeit war das ein schlampig gemachter Zusammenschnitt,
der gerade einmal einer oberflächlichen Betrachtung standhielt. Aber wir
sind bei der /New York Times/, und entsprechend geht es weiter:
/"Die Ukrainer halfen den Amerikanern auch, den russischen Agenten
nachzugehen, die sich in die US-Präsidentschaftswahlen 2016 einmischten."/
Mit diesem Satz kann man zumindest eine mögliche Hypothese von der Liste
streichen, warum die CIA diese Informationen lanciert hat. Die hätte
nämlich gelautet, dass Teile des Dienstes sich in Erwartung eines
künftigen Präsidenten Donald Trump schon einmal von der Biden-Regierung
absetzen. Dem widerspricht nun, die längst widerlegte Legende der
"russischen Wahleinmischung" aufzuwärmen (interessanterweise spielte
damals eine deutsche staatliche Stiftung, der German Marshall Fund, eine
ganz wichtige Rolle).
Die /NYT/ weiß, zehn Jahre lang sei diese Zusammenarbeit ein streng
gehütetes Geheimnis gewesen.
/"In mehr als 200 Interviews beschrieben ehemalige und aktive
Mitarbeiter in der Ukraine, den Vereinigten Staaten und Europa eine
Partnerschaft, die beinahe am wechselseitigen Misstrauen gescheitert
wäre, ehe sie sich stetig erweiterte und die Ukraine in ein Drehkreuz
der Informationsbeschaffung verwandelte, das mehr von russischer
Kommunikation abfing, als die CIA-Filiale in Kiew anfänglich verarbeiten
konnte … Jetzt sind diese Aufklärungsnetze wichtiger denn je, wenn
Russland in der Offensive ist und die Ukraine abhängiger von Sabotage
und weitreichenden Raketen ist, die Spione weit hinter den feindlichen
Linien voraussetzen. Und sie sind zunehmend gefährdet: Wenn die
Republikaner im Kongress die militärische Finanzierung für Kiew beenden,
könnte die CIA sich verkleinern müssen."/
Hier haben wir die Botschaft an der Oberfläche: Wir brauchen das Geld,
sonst war die Arbeit von zehn Jahren umsonst. Das trifft nebenbei gesagt
für die CIA immer zu, weil sie ihre Agenten in der Regel durch Geld
anwirbt, nicht durch Überzeugung. Wobei dieser Artikel genau an dem Tag
erschienen ist, als Nikki Haley die Vorwahlen bei den Republikanern in
South Carolina, ihrem eigenen Bundesstaat, verloren hatte. Das schlägt
als Argument um Längen einen Artikel in der /NYT/, möge er noch so
geheimnisvoll sein, allerdings für eine Ablehnung dieser Finanzierung.
/"Von Anbeginn an brachte ein gemeinsamer Gegner – der russische
Präsident Wladimir W. Putin – die CIA und ihre ukrainischen Partner
zusammen. Besessen davon, die Ukraine an den Westen zu "verlieren",
hatte sich Herr Putin regelmäßig in das politische System der Ukraine
eingemischt, Regierungschefs handverlesen, von denen er glaubte, sie
würden die Ukraine in Russlands Einflussbereich halten, doch jedes Mal
hatte es die gegenteilige Wirkung und trieb Demonstranten auf die Straße."/
Wie war das mit den fünf Milliarden, von denen Frau Nuland sprach, vor
zehn Jahren? Die CIA war mit ihren Tarnorganisationen wie dem National
Endowment for Democracy ungeheuer aktiv in der Ukraine, und auch lange
vor 2014, sekundiert unter anderem von den deutschen Parteistiftungen.
Es gibt irgendeinen Grund, die Hände in Unschuld waschen zu wollen.
Immer wieder wird betont, es sei die ukrainische Seite gewesen, die
diesen Kontakt wollte, und die ukrainische Seite habe gerne ganze Stapel
russischer Geheimdokumente als Brautgeld geliefert.
Putin habe den "vollen Einmarsch" ausgelöst, weil ihm Ende 2021 einer
der Leiter der russischen Dienste gesagt habe, dass die CIA zusammen mit
dem MI6 die Ukraine zum Brückenkopf für Operationen gegen Moskau machen
wolle. Wirklich? Das soll all die Jahre über nicht aufgefallen sein,
dass die westlichen Dienste bis zur Halskrause in der Ukraine steckten?
Interessanterweise widerlegt der Artikel diese Behauptung sogar selbst.
Der nach dem Maidan-Putsch ernannte neue SBU-Chef Naliwaitschenko habe
ein Hauptquartier mit verbrannten Dokumenten und gelöschten Computern
vorgefunden. Und dann?
/"Er ging in ein Büro und rief den CIA-Residenten und den örtlichen
Leiter des MI6 an. Es war fast Mitternacht, aber er zitierte sie in das
Gebäude und bat sie um Hilfe dabei, den Dienst von Grund auf wieder
aufzubauen, und schlug eine Dreier-Partnerschaft vor."/
Eine interessante Idee. Eine Person, die vermeintlich nie zuvor Kontakt
mit diesen beiden Diensten gehabt hat, befindet sich nicht nur im Besitz
der privaten Telefonnummern zweier hochrangiger Geheimdienstvertreter,
sondern sie wird sogar so dargestellt, als könne sie diese
"herbeizitieren". Dabei ist ganz klar, dass die Wirklichkeit, wer hier
wen "herbeizitieren" kann, genau umgekehrt aussieht. Und schon der
Besitz der Telefonnummern – wenn wir davon ausgehen wollen, dass dieses
Detail zutrifft – setzt langjährige Kontakte voraus.
Die CIA, berichtet die /NYT/, habe spätestens im Jahr 2016 begonnen,
Sondereinheiten auszubilden, insbesondere für Sabotageakte und
Terroranschläge, aber selbstverständlich nie mit der Absicht, dass diese
Kenntnisse etwa direkt in Russland eingesetzt würden … Verantwortlich
dafür war immer irgendein Ukrainer, wie etwa der Generalleutnant Kondratjuk:
/"Er wandte sich an die Einheit 2245, die Kommandotruppe, die von der
paramilitärischen Eliteeinheit der CIA, die als Bodenabteilung bekannt
ist, eine spezialisierte militärische Ausbildung erhalten hatte. Das
Ziel der Ausbildung war es, defensive Techniken zu vermitteln, aber die
CIA-Offiziere verstanden, dass die Ukrainer diese selben Techniken ohne
ihr Wissen in tödlichen Offensivaktionen einsetzten könnten."/
Richtig, die CIA ist stets nur defensiv tätig. Es muss irgendein stetig
wiederholtes Versehen sein, das dazu führt, dass Ergebnisse derartiger
CIA-Ausbildungen so oft Terroristen sind. Nebenbei soll vermutlich, das,
was über diese Einheit noch erzählt wird, den Ruf von Kirill Budanow
aufpolieren, der aber andererseits den Stempel des CIA-Agenten geradezu
eingebrannt bekommt:
/"Er war bekannt für kühne Einsätze hinter feindlichen Linien und hatte
enge Verbindungen zur CIA. Der Dienst bildete ihn aus und hatte sogar
den ungewöhnlichen Schritt unternommen, ihn, nachdem ihm bei den Kämpfen
im Donbass in den rechten Arm geschossen wurde, zur Rehabilitation ins
Nationale Militärmedizinzentrum Walter Reed in Maryland zu schicken."/
Das ist ein weiterer ungewöhnlicher Schritt. Denn das, was die /NYT/
tut, indem sie die ukrainischen Kooperationspartner benennt, ist, sie zu
"verbrennen". Das mag vielleicht den Effekt haben, sie Mitgliedern des
US-Kongresses sympathischer zu machen (ein gehöriges Stück Arbeit bei
einem wie Budanow), aber im Umgang mit Verbündeten ist das dennoch etwas
irritierend. Gibt es Zweifel an ihrer Loyalität, dass man so deutlich
eine Zielscheibe auf ihre Stirn malt?
Die US-Regierung, so wird jedenfalls betont, habe damals versucht, die
Ukrainer zu zügeln, und sogar mit dem Gedanken gespielt, das
CIA-Programm zu beenden. Deshalb hat sie selbstverständlich auch nichts
damit zu tun, dass eben die von der CIA ausgebildeten Einheiten die
Mordanschläge auf Motorola und Givi durchführten … noch ein kleines
Märchen für die Gutgläubigen. In der wirklichen Welt ist die operative
Seite von Geheimdiensten ähnlich rigide wie das Militär, und eine
Einheit, die derart gegen die Vorgaben verstieße, würde im günstigsten
Fall aufgelöst.
Unter der Regierung Trump ging das Geschäft weiter wie zuvor: /"Weil
Herr Trump in Schlüsselpositionen Russlandgegner eingesetzt hatte,
darunter Mike Pompeo als CIA-Direktor und John Bolton als nationalen
Sicherheitsberater … Der Stützpunkt im Wald wuchs und umfasste eine neue
Kommandozentrale und wuchs von 80 auf 800 ukrainische
Geheimdienstoffiziere."/
Ein wenig Kitsch muss auch sein, um diese Heldengeschichte aus dem
Geheimdienst noch zu würzen:
/"Als der russische Einmarsch näher rückte, machten Offiziere der CIA
und des MI6 bei ihren ukrainischen Kollegen Abschiedsbesuche. Einer der
MI6-Offiziere brach vor den Ukrainern in Tränen aus – aus Sorge, die
Russen würden sie töten./
/Auf Drängen von Herrn Burns wurde eine kleine Gruppe von CIA-Offizieren
von der größeren US-Evakuierung ausgenommen und in einen Hotelkomplex in
der Westukraine verlegt. Sie wollten ihre Partner nicht verlassen."/
Rührend, Tränen sind genau das, was einem im Zusammenhang mit dem MI6
zuerst einfällt. Aber tatsächlich stand nichts bereits lange zuvor fest,
denn selbst im Moment der Anerkennung der Donbassrepubliken durch
Russland wäre der Westen noch imstande gewesen, Verhandlungen über die
russischen Forderungen nach einer Neutralität der Ukraine und einem
gesamteuropäischen Sicherheitssystem zu beginnen. Dass die CIA
"Abschiedsbesuche" machte, belegt nur, dass auf Seiten der USA die
Entscheidung längst gefallen war, oder eher, dass keinerlei Bereitschaft
bestand, das 2014 begonnene Spiel um die Ukraine zu beenden.
Insgesamt bleibt der Artikel dennoch rätselhaft. Als Drohung gegen
Russland, im Zusammenhang mit den von Victoria Nuland angekündigten
"Überraschungen", ist er untauglich, weil die entscheidenden Punkte nur
insofern neu sind, dass sie das erste Mal in dieser Ausführlichkeit in
einem westlichen Medium stehen. Als Argument bei den republikanischen
Abgeordneten steht er gegen weit stärkere Realitäten und als Versuch,
die Hände in Unschuld zu waschen, dürfte er nur bei den Gutgläubigsten
funktionieren. Stattdessen werden durch Namensnennung einige Personen
sogar innerhalb des politischen Gerangels in der Ukraine verbrannt.
Das Eingeständnis, dass die Zieldaten von den USA geliefert werden,
könnte darauf zielen, Russland zu reizen. Oder es könnte ein verquerer
Versuch sein, eine Wertung einer zukünftigen Handlung als Beteiligung
durch Russland zu verhindern, indem man darauf verweist, dass diese
Beteiligung doch schon seit Jahren geduldet werde. Es kann sich um einen
Versuch handeln, durch die Verknüpfung mit einem Teil Wahrheit gegenüber
dem eigenen Publikum all die wüsten Propagandamärchen wieder ein wenig
aufzuwerten, die nebenbei zitiert werden, wie dieses:
/"Am 3. März 2022 – dem achten Tag des Krieges – gab das CIA-Team einen
genauen Überblick über die russischen Pläne für die kommenden zwei
Wochen. Die Russen würden noch am selben Tag einen humanitären Korridor
aus der belagerten Stadt Mariupol öffnen, und dann auf die Ukrainer, die
ihn nutzten, das Feuer eröffnen."/
Ja, vielleicht muss man tatsächlich Wirkung und Nebenwirkung
vertauschen, um dieses Rätsel zu lösen. Das ist ein klassisches Rezept,
ein Tröpfchen Wahrheit in die Suppe der Lüge zu rühren, wenn sie dem
Esser nicht mehr schmeckt.
Vielleicht hat die CIA auch ähnliche Rekrutierungsprobleme wie das
US-Militär und braucht ein paar Werbeerzählungen. Aber am Ende kann man
sich nur für die Bestätigung einiger ohnehin sehr starker Vermutungen
bedanken und sich weiter wundern, was die CIA mit diesem Ding wirklich
wollte.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.