Das Jordantal: De-facto Annexion in der Kornkammer Palästinas
Das Jordantal ganz im Osten des Westjordanlands könnte eine der bedeutendsten Regionen für die Landwirtschaft in den palästinensischen Gebieten sein. Fruchtbar und grün trägt das Jordantal zur Versorgung der Menschen über seine Grenzen hinaus bei und ist wirtschaftliche Lebensgrundlage für viele Palästinenser:innen. Die Region hat das Potential für eine reiche landwirtschaftliche Produktion insbesondere von Tomaten, Gurken, Paprika, Melonen und Datteln. Doch hinter der üppigen Landschaft verbirgt sich eine harte Realität: Palästinensische Bauern und Bäuerinnen sind strengen Beschränkungen durch die israelische Besatzung und häufiger Gewalt ausgesetzt. Dieser anhaltende Druck auf die palästinensische Landwirtschaft bedroht nicht nur das wirtschaftliche Überleben der Menschen, sondern auch ihre Verbindung zu dem Land, das sie seit Generationen bewirtschaften.

Grüne Weiden im Jordantal; © WCC-EAPPI/Bre
Wenn wir von Jericho aus ganz bis in den Norden des Jordantals fahren, wird der Kontrast zwischen dem fruchtbaren Land und der Diskriminierung und de-facto Annexion, der die palästinensischen Bauern und Bäuerinnen ausgesetzt sind, schmerzhaft deutlich. Grüne Felder und scheinbar endlose Dattelplantagen erstrecken sich vor mir, aber der überwiegende Teil dieser landwirtschaftlichen Flächen wird von völkerrechtlich illegalen israelischen Siedlungen bewirtschaftet. Palästinenser:innen hingegen ist die Nutzung von etwa 87% des Landes im Jordantal als C-Gebiet unter israelischer Kontrolle nahezu vollständig untersagt – sei es für Landwirtschaft, Bautätigkeit oder anderweitige Entwicklung[1].
Die Gemeinde Ein al-Beida, ein Dorf im nördlichen Teil des Jordantals, ist stark von der Landwirtschaft abhängig. Siedlergewalt, Landenteignung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch das israelische Militär haben die Dorfgemeinschaft schwer getroffen. Die Folgen sind für die vielen Familien hier verheerend.
Wir treffen uns mit Ahmed*, einem örtlichen Bauern, der die schlimme Situation veranschaulicht, mit der viele Menschen im Jordantal konfrontiert sind. Als Gemüsebauer baut er Tomaten, Gurken, Paprika und Kräuter in seinen Gewächshäusern an. Er darf nur zu bestimmten Zeiten Wasser verwenden und die ihm zugeteilte Wasserversorgung reicht oft nicht aus, um den Bedarf seiner Pflanzen zu decken. Laut UNOCHA waren 2021 etwa 60% der Menschen im C-Gebiet des Jordantals ganz oder teilweise auf die Zulieferung von Wasser per LKW angewiesen, das heißt sie hatten gar keinen oder keinen ausreichenden Anschluss an das Wassernetz.[2] Aufgrund der Hindernisse bei der Wasserversorgung zahlen Palästinenser:innen im Jordantal sehr viel mehr für Wasser als in anderen Teilen des Westjordanlands und als israelische Siedler:innen in den benachbarten Siedlungen, die keine Einschränkungen in der Wasserversorgung befürchten müssen. Als direkte Folge liegt der Wasserverbrauch in palästinensischen Gemeinden im C-Gebiet des Jordantals dramatisch unter der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation von 100 Litern pro Kopf pro Tag bei nur 30-50 Litern.

Wasserversorgung Palästinenser:innen und Siedler:innen im Jordantal; © https://www.ochaopt.org/content/palestinians-strive-access-water-jordan-valley
Die Bauern und Bäuerinnen in diesen Regionen sind daher in hohem Maße auf Bewässerungs- und Landwirtschaftstechniken wie Wasserbecken und Gewächshäuser angewiesen, um Getreide anzubauen und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Ahmeds landwirtschaftlicher Wasserspeicher wurde erst vor wenigen Wochen zerstört, sodass er eine ganze Woche lang ohne Wasser war. 2024 war das Jahr der meisten Zerstörungen von Häusern und Infrastruktur durch israelische Behörden im Westjordanland seit Beginn der systematischen Erfassung durch UNOCHA 2009. Allein im Jordantal wurden 272 Objekte zerstört, darunter 93 mit landwirtschaftlichem Nutzen, 175 Menschen verloren ihr Zuhause.[3]

Ahmeds Wasserspeicher liegt in Trümmern; © WCC-EAPPI/Bre
Das israelische Militär hat außerdem vor kurzem Ahmeds Gewächshäuser durchsucht und Ausweise überprüft. Und er berichtet uns, dass israelische Siedler seine Wasserleitungen regelmäßig beschädigen, was seinen Kampf um Wasserversorgung noch verschärft. Täglich kreisen zudem von Siedlern gesteuerte Drohnen zur Überwachung über seinem Land.
Für palästinensische Landwirte wie Ahmed sind die Herausforderungen enorm, da Siedler zunehmend palästinensische landwirtschaftliche Flächen ins Visier nehmen, Ernten niederbrennen, Neuanpflanzungen zerstören und Landwirte gewaltsam angreifen[4]. Im Oktober 2024 wurde ein nahe gelegener, familiengeführter Gemüsestand von israelischen Siedlern niedergebrannt. Immer wieder hören wir, dass das israelische Militär solche Übergriffe nicht selten geschehen lässt oder gar unterstützt[5].

Tomaten, Frühlingszwiebeln und Kräuter in Ahmeds Gewächshaus; © WCC-EAPPI/Bre
Vom Druck der Siedler berichtet uns auch Yusuf* aus Furush Beit Dajan. Yusufs Familie wird ständig von Siedlern überwacht, die Drohnen über ihrem Haus fliegen lassen und direkt neben ihrem Haus einen illegalen Außenposten errichtet haben, mitsamt israelischer Flagge zur Untermauerung ihres Anspruchs. Die Siedler haben Yusuf offen gesagt: „Das ist unser Land, und wir werden es nehmen.“ Doch trotz der ständigen Drohungen sagt Yusuf: „Ich werde unser Land nie verlassen.“
Yusuf baut hauptsächlich Melonen auf seinen drei Dunam Land an, es ist ein kleines Feld vor dem Haus der Familie. Doch wie viele palästinensische Landwirte kann auch er mittlerweile aufgrund der Besatzungssituation und der Ausweitung der Siedlungen seinen Lebensunterhalt nicht mehr nur aus den eigenen Erträgen bestreiten. Da die Entwicklungsmöglichkeiten im Jordantal auch in anderen Bereichen gegen Null gehen, blieb Yusuf keine andere Wahl, als Arbeit in einer nahegelegenen, illegalen israelischen Siedlung anzunehmen. Seine Frau Safa* arbeitet auf dem Land der Familie, während Yusuf für die Siedler arbeitet. Sein Gehalt beträgt 10 Schekel (2,70 €) pro Stunde. Uns sagt er: „Sie haben unser Land genommen, und ich bringe ihnen bei, wie man es bewirtschaftet“.

In vielen Gemeinden im Jordantal leben die Menschen hauptsächlich von dem, was sie selbst anbauen; © WCC-EAPPI/Bre
Die Notlage von Bauern wie Yusuf wirft ein Schlaglicht auf das umfassendere Problem palästinensischer Arbeiter:innen in israelischen Siedlungen. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse dieser Siedlungen, von denen ein Großteil international exportiert wird, tragen direkt zum Erhalt der Besatzung und zum Ausbau der Siedlungen und ihrer landwirtschaftlichen Produktion bei. Die Folge ist der Entzug der Lebensgrundlage für palästinensische Bauern und Bäuerinnen, die sich schlussendlich nicht selten gezwungen sehen, die Landwirtschaft oder gar ihr Land aufzugeben und andere Einkommensquellen zu suchen oder fortzuziehen. Der Internationale Gerichtshof hat in seinem Gutachten zur Besatzung im Juli 2024 betont, dass Siedlungen und die Besatzung als Ganzes gegen internationales Recht verstoßen. Das Gericht stellte u.a. die Verpflichtung von Drittstaaten heraus, in den Beziehungen zu Israel zwischen dem Territorium des Staates Israel und den Siedlungen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten zu unterscheiden, und weder Hilfe noch Unterstützung für die Aufrechterhaltung der völkerrechtswidrigen Besatzungssituation zu leisten.[6]
Derweil geht die de-facto Annexion vor Ort Schritt für Schritt weiter. 2024 wurden mehr als 24.000 Dunum (2.400 Hektar) Fläche im Westjordanland seitens Israel zu Staatsland erklärt, davon mehr als 20.000 Dunum im Jordantal.[7] Staatsland wird nahezu ausschließlich für israelischen Nutzen zur Verfügung gestellt, z.B. zum Ausbau von Siedlungen.[8] Die Staatslanddeklarationen stellten einen neuen Höchstwert der Aneignung von Land seit den Osloer Verträgen dar.

Der Obst- und Gemüsemarkt in der Stadt Jericho im Jordantal; © WCC-EAPPI/Bre
Darüber hinaus machen Bewegungsbeschränkungen es Landwirt:innen wie Ahmed und Yusuf unglaublich schwer, ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Die Checkpoints Tayasir und Hamra bilden Nadelöhre aus dem Jordantal hin zu den Absatzmärkten in den großen Städten wie Nablus im zentralen nördlichen Westjordanland. Tayasir ist immer wieder für längere Zeiträume komplett geschlossen, und es gibt zahlreiche Berichte über Schikanen und lange Warteschlangen am Checkpoint Hamra, was ein ohnehin schon schwieriges Leben noch schwieriger macht.
Die Situation im Jordantal ist ein Sinnbild für die zunehmend unhaltbare Situation, mit der die Palästinenser:innen unter der israelischen Besatzung konfrontiert sind. Das Tal ist zu einer Krisenregion geworden, in der die Bauern und Bäuer:innen nicht nur um ihren Lebensunterhalt, sondern um ihre Existenz kämpfen.[9]
Trotz der enormen Herausforderungen zeigen viele der palästinensischen Bauern und Bäuerinnen, denen wir hier im Jordantal begegnen, weiterhin Resilienz und Entschlossenheit. Die Verbundenheit mit dem Land sitzt tief, und selbst angesichts überwältigender Ungerechtigkeit treten sie durch ihre Arbeit und ihr Bleiben für ihr (kulturelles) Erbe und ihre Zukunft ein und versuchen zudem, sich so gut es geht gegenseitig zu unterstützen.

Wassermelonensprößling im Jordantal – Trotz aller Schwierigkeiten kämpfen viele Menschen hier weiter um den Erhalt ihres Landes und ihrer Landwirtschaft; © WCC-EAPPI/Bre
Für die Palästinenser:innen im Jordantal ist die Hoffnung auf einen gerechten und dauerhaften Frieden an ihr Recht auf Selbstbestimmung, den Schutz ihres Landes und die Bewahrung ihrer landwirtschaftlichen Traditionen geknüpft. Solange diese Rechte nicht gewahrt bzw. erfüllt werden, wird die Notlage der palästinensischen Bevölkerung im Jordantal ein zentrales und dringendes Thema bleiben, im anhaltenden Ringen um Gerechtigkeit und Frieden.
Bre, im März 2025
* Alle Namen geändert
Ich nehme für das Berliner Missionswerk am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Dieser Bericht gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des Berliner Missionswerkes oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.
[1] https://www.ochaopt.org/sites/default/files/ocha_opt_jordan_valley_factSheet_february_2012_english.pdf
[2] https://www.ochaopt.org/content/palestinians-strive-access-water-jordan-valley
[3] https://www.ochaopt.org/data/demolition, unter more breakdowns Auswahl „Jordan Valley – yes“
[4] https://www.btselem.org/settler_violence_updates_list
[5] https://foreignpolicy.com/2023/11/09/west-bank-palestinians-israeli-settlers-attacks-idf/
[6] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-sum-01-00-en.pdf, Seite 18
[7] https://peacenow.org.il/en/state-land-declaration-12000-dunams, https://peacenow.org.il/en/the-israeli-government-declares-8000-dunams-in-the-jordan-valley-as-state-lands
[8] https://peacenow.org.il/en/state-land-allocation-west-bank-israelis
[9] https://peacenow.org.il/en/data-on-netanyahus-jordan-valley-annexation-map
Info: https://www.eappi-netzwerk.de/das-jordantal-de-facto-annexion-in-der-kornkammer-palaestinas
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Syrien / Katz threatens Gaza with genocide....
aus e-mail von Doris Pumphrey, 19. März 2025, 20:01 Uhr
*Baerbock: 300 Millionen Euro zusätzliche Hilfen für Syrien
*In Brüssel fand die neunte Geberkonferenz unter dem Titel "Standing
with Syria" statt. Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung,
Asaad al-Shaibani, war ebenfalls zu dem Treffen eingeladen. Nach Ansicht
der Teilnehmer stellt die derzeitige Situation im Land einen Moment
"zerbrechlicher Hoffnung" dar.
Deutschland zählt dabei zu den wichtigsten Unterstützern der neuen
syrischen Machthaber. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte
300 Millionen Euro für den sogenannten "Friedensprozess" in Syrien an.
Die Journalistin und Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld ordnete im
Gespräch mit RT DE die aktuelle Haltung der EU zu Syrien ein.
/Siehe
hier:/https://rumble.com/v6qvhho-baerbock-300-millionen-euro-zustzliche-hilfen-fr-syrien.html
<https://rumble.com/v6qvhho-baerbock-300-millionen-euro-zustzliche-hilfen-fr-syrien.html>
19.3.2025
*Katz explicitly threatens Gaza with genocide, ethnic cleansing
*Israeli Foreign Minister Israel Katz threatens Gaza with total
destruction and signaled the resumption of forced displacement of the
enclave's civilians.
Israeli Foreign Minister Israel Katz on Wednesday threatened the
Palestinians in Gaza with the complete destruction of the besieged
enclave and signaled the imminent resumption of the forced displacement
of its people.
“For Gazans, this is the latest warning ... The air force attacks on
Hamas were only the first step. What comes next will be much harder, and
you will have to pay the price in full. The evacuation of the population
from the war zones will soon begin again. If all kidnapped Israelis are
not released and Hamas is not forced out of the Gaza Strip, Israel will
act with a force you have never seen before,” Katz said in a direct
address to the people of Gaza.
The statement signals a further escalation in the Israeli occupation’s
brutal onslaught
the Gaza Strip, which has already killed tens of thousands of
Palestinians and displaced the overwhelming majority of the enclave’s
residents.
Katz also urged Gazans to follow the advice of former US President
Donald Trump, claiming that compliance with Israeli demands could lead
to alternative “options” for them, including the forced displacement
from Gaza permanently.
“Return the kidnapped and get rid of Hamas, then other options will open
up for you, including passage to other parts of the world. The
alternative is total destruction and devastation,” he added.
His remarks reinforce growing concerns over "Israel’s" plans to
depopulate Gaza
systematic forced displacement, a policy widely condemned as a violation
of international law.
Palestinian and international human rights groups have repeatedly warned
that "Israel’s" actions amount to ethnic cleansing and a deliberate
effort to make Gaza uninhabitable.
*'Negotiations with Hamas will be under fire': Netanyahu
*The Israeli occupation reignited the war in Gaza on Tuesday, killing
hundreds of Palestinians, including women and children, in a matter of
hours. So far, more than 400 Palestinians have been killed and over 600
injured in the aggression.
Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu
on Tuesday that "negotiations with Hamas will be under fire" from now
on, claiming that the return to fighting comes after Hamas rejected all
offers made by "Israel" for the release of Israeli captives.
In a video statement released by the prime minister following the
resumption of the Israeli war on Gaza, he claimed that "Israel" had
extended the ceasefire for weeks, sent delegations, and accepted the
proposal from US envoy Steve Witkoff, but received no response from Hamas.
However, it is worth noting that Hamas has consistently shown
flexibility
negotiations. During the last round of talks, Hamas demanded guarantees
to move to the second phase when US envoy Steve Witkoff proposed a
"bridge" solution to the prisoner exchange, calling for the release of
10 living captives and have of the deceased ones.
Netanyahu noted that the Israeli occupation forces recommended
increasing military pressure on Hamas as a strategy to achieve the war's
so-called objectives, including the return of captives. He also claimed
"Israel" would resume military escalation "to ensure that the Gaza Strip
does not pose a threat to Israel."
He also announced the approval of the "army’s recommendation to resume
intensive fighting against Hamas" in a joint decision with his security
minister, Israel Katz.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
die-linke.de, vom 19. Oktober 2024
Deeskalation und Abrüstung in Nahost – für Frieden, Völkerrecht – gegen jeden Rassismus und AntisemitismusBeschluss des Bundesparteitages am 18.10.2024Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand in Israel und Palästina. Die Logik der Gewalt und der Eskalation muss durchbrochen, die Suche nach politischen Lösungen wieder aufgenommen werden. Wir fordern alle Beteiligten auf, keine neuen Kampfhandlungen aufzunehmen und den Konflikt einzudämmen statt auszuweiten.
Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres in Israel eskaliert im Gazastreifen und im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon der jahrzehntelange Konflikt erneut zu einem brutalen Krieg. Israel hat den schlimmsten Terrorangriff seit seiner Gründung erlebt. Auch im Westjordanland und in Israel kommt es immer wieder zu militärischer Gewalt und Terror-Anschlägen. Die Bilanz ist verheerend: Mehr als 1.700 Israelis wurden getötet, im Gazastreifen über 42.000 Palästinenser*innen, im besetzten Westjordanland über 700 und im Libanon über 1.350 (seit September 2024). Viele Tausende wurden schwer verletzt. Alle Seiten sind für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich. Die humanitären Bedingungen im Gazastreifen sind katastrophal, da viele Häuser und auch die zivile Infrastruktur durch die israelischen Bombardierungen weitgehend zerstört wurden.
In Gaza wie in Süd- und Nordisrael und im Südlibanon wurden Millionen Menschen in die Flucht getrieben und traumatisiert. Zugleich werden immer noch israelische Geiseln von der Hamas in Tunneln festgehalten. Zwischen Israel und den Palästinenser*innen ist es bis heute ein asymmetrischer Krieg ungleicher Beteiligter, was sich auch an den hohen ungleichen Opferzahlen zeigt.
Der Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef und Verteidigungsminister sowie gegen drei Hamas-Anführer beantragt. Alle drei Hamas-Führer wurden mittlerweile von israelischen Militärkommandos außergerichtlich hingerichtet, mit vielen unbeteiligten Opfern. Der Internationale Gerichtshof hat in seinen Eilentscheidungen zur Klage Südafrikas im Rahmen der Völkermordkonvention deutlich gemacht, dass er die Gefahr genozidaler Handlungen in Gaza sieht. So schrieb der IGH "dass zumindest einige der Handlungen und Unterlassungen, die Südafrika Israel in Gaza vorwirft, unter die Konvention fallen könnten“. Wir begrüßen das Bemühen des IGH, mit ihren Eilentscheidungen einen Genozid zu verhindern.
Der Konflikt zwischen Israel und Palästina beginnt nicht mit dem 7.Oktober 2023. Die Jahrzehnte der Besatzung in der Westbank, der fortgesetzte Siedlungsbau, die Blockade des Gazastreifens, die Entrechtung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit bilden den Nährboden für radikale und islamistische Gruppen. Die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu hat diese Entwicklung befördert. Sie förderte den Bau von Siedlungen und hatte eine vollständige Annexion des Westjordanlandes in Aussicht gestellt, und protegierte die Hamas als Gegner der palästinensischen Autonomiebehörde. Wir betonen: Nichts rechtfertigt die abscheulichen Taten der Hamas. Die Basis für einen nachhaltigen Frieden kann nur ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit aller Menschen in den palästinensischen Gebieten und Israel sein.
Für uns gilt auch: Niemals darf ein Menschenrechtsverbrechen als Rechtfertigung für ein anderes Menschenrechtsverbrechen herangezogen werden. Das Unrecht der Besatzung der palästinensischen Gebiete ist niemals eine Rechtfertigung für den menschenverachtenden Terror der Hamas – und genauso rechtfertigt der 7. Oktober nicht die Völkerrechtsverbrechen der israelischen Armee in Gaza oder im Libanon.
Auch in Europa hat die Eskalation im Nahen Osten zu einem starken Anstieg von Rassismus und Antisemitismus geführt. Es gibt zahlreiche Angriffe auf jüdische wie muslimische Menschen. Anlässlich Palästina-solidarischer Demonstrationen ist es vielfach zu Polizeigewalt und der massiven Einschränkung von demokratischen Grundrechten gekommen.
Das Massaker vom 7.Oktober und die zunehmende Ausweitung des Krieges durch Israel stehen für die Art von Gewalt, mit der seit Jahrzehnten immer wieder der Friedensprozess in der Region zerstört wird. Eine militärische Lösung des komplexen Nahost-Konfliktes wird es nicht geben.
Eine Lösung kann es nur geben, wenn die berechtigten Interessen von Israelis und Palästinensern endlich anerkannt und Völker- wie Menschenrechte für alle und ohne doppelte Standards garantiert werden. Israel und Palästina haben ein Recht auf Selbstbestimmung in einem eigenen Staat und auf Selbstverteidigung. Das rechtfertigt aber niemals Terror und Kriegsverbrechen. Nur durch gegenseitige Anerkennung und Gerechtigkeit kann ein dauerhafter Frieden erreicht werden.
Für eine friedliche Lösung ist es notwendig, den Scharfmachern auf beiden Seiten konsequent entgegen zu treten. Denn weder die rechte israelische Regierung noch die Fundamentalisten von Hisbollah und Hamas haben ein Interesse an einem gerechten Frieden. Im Gegenteil: Mitglieder der israelischen Regierung äußern offen rassistische Vertreibungspläne und treiben unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die völkerrechtswidrige Besatzung des Westjordanlandes sowie die Vertreibung von Palästinenser*innen voran. Die Islamisten von Hisbollah und Hamas feiern die Vernichtung jüdischen Lebens als Akt der Befreiung und verbreiten offenen Antisemitismus. Niemals werden wir als Linke die Rolle des Antisemitismus ignorieren, der den mörderischen Terror von Hamas oder Hisbollah antreibt. Wer in Nahost oder hierzulande antisemitische Ressentiments befeuert, wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, wer gegen jüdische Menschen hetzt oder den Terror der Hamas relativiert, kann für uns ebenso wenig Bündnispartner*in sein wie diejenigen, die rassistische, anti-muslimische oder anti- palästinensische Angriffe und Propaganda gutheißen oder betreiben. Für Antisemitismus und Rassismus ist kein Platz in der Linken.
Die Bundesregierung muss die wirtschaftliche Kooperation mit den Staaten der Region konsequenter unter die Bedingung stellen, aktiv zum Friedensprozess beizutragen und Eskalationsschritte zu unterlassen bzw. zu verhindern. Das gilt vor allem für die Türkei, Katar und Iran, die zu den Hauptsponsoren der Hamas gehören.
Wir sagen: Wir müssen raus aus der Sackgasse von Nationalismus, Eskalation und Militarismus! Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den israelischen, palästinensischen und libanesischen Opfern. Als Linke stehen wir gemeinsam und entschieden gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus – unabhängig davon, von welcher politischen und weltanschaulichen Richtung er ausgeht. Wir stehen für eine Politik, die jüdische Menschen konsequent schützt. Wir verurteilen unmissverständlich alle Kriegsverbrechen und alle Verstöße gegen das Völkerrecht. Es braucht dringend eine politische Lösung. Wir stehen dabei an der Seite all jener, die sich sowohl in Israel als auch in Palästina für einen gerechten Frieden einsetzen, insbesondere der linken Kräfte und der Friedensbewegungen, die trotz schwieriger Bedingungen unermüdlich für eine friedliche Zukunft kämpfen.
Aus der Geschichte des Holocaust und des Antisemitismus ist der Staat Israel eine historische Notwendigkeit. Die historische Verantwortung Deutschlands kann aber keine bedingungslose Unterstützung der Kriegsführung der ultrarechten Netanyahu-Regierung bedeuten. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung einen konsequenten Einsatz für einen sofortigen Waffenstillstand. Menschen- und Völkerrecht müssen für alle gelten. Das bleibt unsere Verantwortung, gerade in diesen Zeiten. Die Linke steht für eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas, ein souveränes, sicheres Israel an der Seite eines souveränen, sicheren Palästinas, einschließlich der Möglichkeit einvernehmlichen Gebietsaustauschs auf Grundlage der UN-Resolutionen. Im gemeinsamen Prozess um die Zukunft der Region müssen Israelis und Palästinenser*innen gleichberechtigt beteiligt sein.
Wir fordern:
- Einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und unrechtmäßig Festgehaltenen und einen Stopp der wechselseitigen Angriffe, im Gaza-Streifen, im Libanon, Nordisrael und im Westjordanland und zwischen Israel und dem Iran!
- Hilfe leisten! Die ausreichende humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, den Wiederaufbau der Zivileinrichtungen und Infrastruktur, insbesondere Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und religiösen Stätten.
- Die völkerrechtswidrige Kriegsführung in Gaza und Libanon muss sofort eingestellt werden. Deutschland und die NATO dürfen das nicht mit Waffenlieferungen unterstützen.
- Die Bundesregierung soll Palästina als eigenen Staat in den Grenzen von 1967 anerkennen, um so die Möglichkeiten einer Zweistaatenlösung zu stärken und einen dauerhaften Friedensprozess in Israel/Palästina zu befördern.
- Deutschland und die EU müssen auch den Druck auf die Staaten der Region erhöhen, Israel als Staat anzuerkennen und der Forderung nach einer Vernichtung der staatlichen Existenz Israels entgegenzutreten.
- Schluss mit Besatzung, Vertreibung und Siedlungsbau! Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Rechtsgutachten vom 19. Juli 2024 festgestellt, dass die israelische Besatzung der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems gegen das Völkerrecht verstößt und dass Israel verpflichtet ist, die Besatzung „so schnell wie möglich“ zu beenden. Die vollständige Gleichberechtigung zwischen Israelis und Palästinenser*innen ist für uns Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden. Alle UN-Mitgliedsstaaten – auch Deutschland – sind aufgefordert, alles zu unterlassen, was die Besatzung unterstützt. Die Linke wird mit parlamentarischen Initiativen im Bundestag versuchen, den Forderungen des IGH-Gutachtens Geltung zu verschaffen.
- Die Hisbollah muss sich entsprechend der UN-Resolution aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen.
- Schluss mit Angriffen auf die israelische Zivilbevölkerung, mit Überfällen und Attentaten auf israelischem Gebiet!
- In einer zukünftigen Zweistaatenlösung müssen beide Staaten bereit und in der Lage sein, Frieden und Sicherheit auch für die Menschen im jeweils anderen Staat umzusetzen.
- Geflüchtete schützen! Wir fordern, dass Geflüchtete aus Gaza und dem Westjordanland umgehend den Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten und vor Abschiebung geschützt werden. Es braucht die Einrichtung eines Aufnahmeprogramms mit zusätzlichen Plätzen, das den betroffenen Menschen einen gesicherten Status und damit eine sichere Zukunft in Deutschland ermöglicht. Wir fordern die Bundesregierung auf, die aktuelle Praxis des BAMF zu beenden, wonach Anträge nicht behandelt werden, weil die Lage in Gaza zu unübersichtlich sei.
In diesem Sinne beteiligen wir uns als Die Linke an Demonstrationen für den Frieden, gegen Antisemitismus und Rassismus und für eine gerechte Zweistaatenlösung. Wir organisieren Veranstaltungen zur Aufklärung über den Krieg und über die Situation in Israel und Palästina und erarbeiten entsprechende Materialien.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.