20.06.2023

Das Decoupling beginnt   Berlin und Brüssel starten neue Vorstöße zum Verbot von Huawei-Technologie und von EU-Investitionen in China. Mit Sequoia spaltet sich ein erster US-Konzern zwischen dem Westen und China auf. Deutsche könnten folgen.

german-foreign-policy.com, 20. Juni 2023

BERLIN/BEIJING (Eigener Bericht) – Neue politisch-ökonomische Maßnahmen Deutschlands und der EU gegen China überschatten die heutigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Während zahlreiche Minister der Bundes- und der Volksrepublik in Berlin zusammentreffen, um die bilaterale Kooperation zu stärken, arbeitet die Bundesregierung an einer Chinastrategie, die eine deutliche Verschärfung des Kurses gegen Beijing erwarten lässt. Wie gestern früh bekannt wurde, will das Bundesinnenministerium „Anhaltspunkte“ gefunden haben, nach denen die Nutzung von Huawei-Technologie in den deutschen 5G-Netzen „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“ gefährde; die Einstufung läuft auf ein Huawei-Verbot hinaus. Zudem wird berichtet, die EU-Kommission bereite eine neue Strategie zur „Wirtschaftssicherheit“ vor; diese orientiere sich an einschlägigen US-Maßnahmen und sehe etwa Export- und Investitionsverbote vor. Das Decoupling beginnt: Zu Monatsbeginn hat sich mit dem US-Venture Capital-Riesen Sequoia ein erster Konzern in ein westliches und ein chinesisches Unternehmen aufgeteilt. Weitere Konzerne denken darüber nach, ihr Chinageschäft abzuspalten, darunter deutsche. Genannt werden VW und BASF.


Zitat: Schärfer gegen China

Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die heute in Berlin stattfinden, werden von mehreren Faktoren überschattet. Zum einen enthält die Nationale Sicherheitsstrategie, die die Bundesregierung in der vergangenen Woche offiziell vorgestellt hat, Passagen, die eine weitere Verschärfung des politischen, ökonomischen und militärischen Kurses gegen China erwarten lassen. So wird in dem Papier zwar die schon seit Jahren gängige Formel verwendet, die Volksrepublik sei für Deutschland „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ zugleich. Doch heißt es weiter, die „Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs“ nähmen inzwischen zu.[1] Um dies verständlich zu präzisieren, ist die Bundesregierung eigens mit der Erstellung einer Chinastrategie befasst. Diese zögert sich immer länger hinaus. Ursache sind Differenzen besonders zwischen Kanzler- und Auswärtigem Amt: Ist Kanzler Olaf Scholz nach wie vor bestrebt, die Schäden für die deutsche Industrie bei einer weiteren Verschärfung des antichinesischen Kurses möglichst gering zu halten, so hat für Außenministerin Annalena Baerbock die Durchsetzung eines aggressiveren Kurses gegen Beijing eindeutige Priorität (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Wann die Chinastrategie fertig wird, ist ungewiss.


Beweise vorlegen? „Abwegig!“

Pünktlich zum Eintreffen des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang am gestrigen Montag in Berlin sind zudem mehrere Berichte lanciert worden, die neue Maßnahmen gegen einzelne chinesische Unternehmen bzw. gegen die chinesische Wirtschaft in Aussicht stellen. So wurde gestern früh eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mit der Äußerung zitiert, es lägen „Anhaltspunkte“ vor, denen zufolge die Nutzung von Huawei-Technologie in den deutschen 5G-Netzen „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik ... beeinträchtigen könnte“.[3] Sofort wurden Forderungen laut, die Verwendung von Huawei-Teilen in den deutschen Netzen zu verbieten sowie die Entfernung schon verbauter Elemente vorzuschreiben. Auf den Einwand, es gebe nach wie vor keinen Beweis dafür, dass Huawei seine Technologie für Spionage- oder Sabotagezwecke missbrauche, heißt es inzwischen, die Vorstellung, man müsse einen solchen Beweis finden, sei „abwegig“ [4]; vielmehr sei ganz prinzipiell und ohne näheren Beleg davon auszugehen, dass Huawei-Technologie nicht kontrollierbar sei. Gegen ein beweisloses Verbot spricht sich offenbar nur noch das Digitalministerium aus – wie berichtet wird, aufgrund „der drohenden Milliardenkosten und möglicher Schadenersatzforderungen der Telekommunikationskonzerne“.


Das Konzept der „Wirtschaftssicherheit“

Ebenfalls gestern wurde berichtet – explizit unter Bezug auf die unmittelbar bevorstehenden deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen –, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der kommenden Woche eine Strategie zur „Wirtschaftssicherheit“ präsentieren wird. Demnach will Brüssel die EU-Staaten veranlassen, bestimmte High-Tech-Produkte nicht mehr nach China zu liefern; genannt werden beispielsweise Maschinen zur Chipherstellung, Quantencomputer sowie Know-how für Künstliche Intelligenz (KI).[5] Die EU würde damit faktisch US-Sanktionen übernehmen, die darauf abzielen, Chinas technologische Entwicklung abzuwürgen. Zudem sollen chinesische Investitionen in der EU noch energischer unterbunden und Investitionen europäischer Unternehmen in China hart kontrolliert werden; für den EU-weiten Oktroy des sogenannten Outbound Investment Screening will die EU-Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen. Dabei ist „das gesamte Konzept zur Wirtschaftssicherheit“, so heißt es, „an die amerikanische Außenwirtschaftspolitik angelehnt.“[6] Wie der ehemalige Berliner Botschafter in den USA, Peter Wittig, warnt, wird so der Sanktionswillkür Tür und Tor geöffnet: „Für Ex-Präsident Donald Trump waren auch deutsche Autos eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.“


Die erste Konzernspaltung

Zwar behauptet die Bundesregierung stets, sie ziele nicht auf Entkopplung („Decoupling“) von China ab, sondern lediglich auf die Verringerung von Risiken („Derisking“). Doch zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Finanzbranche, dass ein Decoupling sehr wohl droht bzw. – in diesem Fall – bereits begonnen hat. Das Beispiel betrifft den US-Venture Capital-Riesen Sequoia, der sich mit frühen Investitionen in Technologiefirmen wie Google oder Instagram bzw. Alibaba und TikTok einen Namen gemacht hat. Schon in den vergangenen Jahren ist es immer schwieriger geworden, US-Kapital in vielversprechende Start-Ups in China zu investieren, ohne mit den US-Behörden in Konflikt zu geraten. Zusätzliche Probleme dürfte künftig das Outbound Investment Screening schaffen, das auch Washington einführen will. Sequoia hat nun – nach rund dreijährigen Diskussionen – die Reißleine gezogen und Anfang Juni offiziell angekündigt, sein globales Geschäft aufzuspalten in eine nordamerikanisch-europäische, eine chinesische und eine indisch-südostasiatische Firma.[7] Experten bringen den Schritt – trotz aller Besonderheiten, die Sequoia aufweist – mit den eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China in Verbindung.[8] Die Sequoia-Dreiteilung wird im März kommenden Jahres in aller Form vollzogen.


VW minus ein Drittel

Der einschneidende Schritt ist auch insofern von erheblichem Interesse, als Überlegungen, im Fall der Fälle das eigene Chinageschäft abzuspalten bzw. es in ein eigenständiges Unternehmen zu überführen, auch bei anderen Konzernen angestellt werden. Erst am Sonntag wurde bekannt, dass der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca einen solchen Schritt ebenfalls in Betracht zieht. Erwogen wird, das Chinageschäft formal abzuspalten, aber die unternehmerische Kontrolle über das daraus entstehende neue chinesische Unternehmen zu behalten.[9] Ob das in der Praxis auf Dauer funktionieren kann, ist ungewiss. Dabei stellen auch andere Konzerne ähnliche Überlegungen an. Die Financial Times zitierte einen hochrangigen in Asien tätigen Banker mit der Äußerung, „jeder multinationale Konzern mit einem starken Chinageschäft“ denke wohl über einen solchen Schritt nach.[10] Dies ist schon seit Jahren auch bei einigen deutschen Konzernen der Fall (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Öffentlich spekuliert wurde unter anderem, Volkswagen oder BASF könnten ihr Chinageschäft in die formale Eigenständigkeit überführen. Im Fall von Volkswagen ginge dem deutschen Konzern in diesem Fall auf einen Schlag über ein Drittel seines gesamten globalen Absatzes verloren – eine Folge des westlichen Wirtschaftskriegs gegen die Volksrepublik.

 

[1] Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland. Nationale Sicherheitsstrategie. Berlin, Juni 2023. S. dazu „Die Grundlage unserer Wehrhaftigkeit“.

[2] S. dazu Die Strategie für das entscheidende Jahrzehnt (II) und Die Strategie für das entscheidende Jahrzehnt (III).

[3], [4] Moritz Koch, Dietmar Neuerer: Huawei-Technologie – Innenministerium hat Anhaltspunkte für Sicherheitsprobleme. handelsblatt.com 19.06.2023. S. auch Entkoppeln und aufrüsten.

[5], [6] Moritz Koch: Von der Leyen rückt vom Freihandel ab. handelsblatt.com 19.06.2023. S. auch Mit Investitionsverboten gegen China.

[7] Kaye Wiggins, Ryan McMorrow, Arash Massoudi: US venture capital giant Sequoia to split off China business. ft.com 07.06.2023.

[8] George Hammond, Ryan McMorrow, Kaye Wiggins, Eleanor Olcott: How US-China tensions shattered Sequoia’s venture capital empire. ft.com 07.06.2023.

[9], [10] Kaye Wiggins, Leo Lewis, Eleanor Olcott, Hannah Kuchler: AstraZeneca drafts plan to spin off China business amid tensions. ft.com 18.06.2023.

[11] S. dazu Die Geschäftsgrundlage der deutschen Industrie (I) und Die Geschäftsgrundlage der deutschen Industrie (II).


Info:  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9272


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

17.06.2023

Der Präsident hat sich mit Kriegsberichterstattern im Kreml getroffen.       (I von III)

seniora.org, 17. Juni 2023, Der Kreml, Moskau, 13. Juni 2023 - übernommen von en.kremlin.ru

Der Präsident hat sich mit Kriegsberichterstattern im Kreml getroffen. Offizielles Transkript von dem Büro des Präsidenten der Russischen Föderation  – deutsche Übersetzung vom englischen Originaltext


Der Kreml, Moskau, 13. Juni 2023 - übernommen von en.kremlin.ru

17. Juni 2023

Putin: "Und wissen Sie, ich habe bereits gesagt, dass wir unseren westlichen Partnern, wie ich sie zu nennen pflegte, jede Option angeboten haben, wir dachten, wir gehörten dazu, wir wollten in die Familie der so genannten zivilisierten Nationen aufgenommen werden. Ich wandte mich an die NATO und schlug vor, diese Möglichkeit zu prüfen, aber wir wurden schnell abgewiesen; man machte sich nicht einmal die Mühe, dies in Erwägung zu ziehen. Ich habe auch vorgeschlagen, ein gemeinsames Raketenabwehrsystem zu schaffen".


Treffen mit Kriegsberichterstattern. Von links: Jekaterina Agranowitsch (Telegrammsender Katruschja), Wladimir Putin, Andrej Filatow (Russia Today), Ilja Ushenin (Fernsehsender NTV), Dmitri Steschin (Komsomolskaja Prawda), Alexander Sladkow (VGTRK).

Yevgeny Poddubny:

Guten Tag, Herr Präsident.

Vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich mit uns zu treffen.

Russischer Präsident Vladimir Putin:

Ich freue mich sehr, Sie alle zu sehen.

Yevgeny Poddubny:

Unsere bisherigen Treffen haben alle in einer vertrauensvollen Atmosphäre stattgefunden. Unsere Gespräche waren immer scharf und offen, und dafür sind wir Ihnen sehr dankbar.

Vladimir Putin:

Ich glaube, dass man das nicht kann, wenn die Kameras laufen; jeder will das Publikum anheizen, wenn die Fernsehkameras laufen.

Yevgeny Poddubny:

Nein, wir werden die Dinge in der Hand behalten.

Wir hoffen, dass auch dieses Gespräch ehrlich und offen sein wird, und wir alle zählen darauf.

Vladimir Putin:

Von meiner Seite wird das so sein   – versprochen.

Yevgeny Poddubny:

Von unserer Seite her auch.

Vladimir Putin:

Ausgezeichnet, so wird es sein.

Yevgeny Poddubny:

Sie haben mehr als einmal gesagt, dass alle Ziele, die Sie sich persönlich für die militärische Sonderaktion gesetzt haben, erreicht werden. Die besondere Militäroperation dauert schon ziemlich lange an. Die Situation ändert sich, die Lage ändert sich, und wahrscheinlich ändern sich auch die Ziele und Aufgaben der militärischen Sonderaktion. Können Sie uns sagen, wie sich diese verändert haben, wenn überhaupt?

Vladimir Putin:

Nein, sie ändern sich entsprechend der aktuellen Situation, aber insgesamt ändern wir natürlich nichts. Unsere Ziele sind für uns von grundlegender Bedeutung.

Sie alle hier sind sehr erfahrene Fachleute, insbesondere Leute wie Sie, die seit mehr als einem Jahr unter Beschuss stehen. Ihre Mentalität ändert sich. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, auch wenn ich nicht wie Sie unter fliegenden Kugeln hindurchgekrochen bin, aber ich weiß es seit der Zeit, als ich in einem Hubschrauber mit Leuchtspurfeuer um uns herum geflogen bin. Wissen Sie, all das verändert Ihre Mentalität. Was ist also der Sinn unseres Handelns? Wir müssen uns zwei Schritte von der Mitte des Feldes entfernen. Schließlich wollten und wollen wir nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die bestmöglichen Beziehungen zu allen unseren Nachbarn haben. Genau das tun wir. Wir haben akzeptiert, dass das, was passiert ist, passiert ist, und jetzt müssen wir damit leben.

Und wissen Sie, ich habe bereits gesagt, dass wir unseren westlichen Partnern, wie ich sie zu nennen pflegte, jede Option angeboten haben, wir dachten, wir gehörten dazu, wir wollten in die Familie der so genannten zivilisierten Nationen aufgenommen werden. Ich wandte mich an die NATO und schlug vor, diese Möglichkeit zu prüfen, aber wir wurden schnell abgewiesen; man machte sich nicht einmal die Mühe, dies in Erwägung zu ziehen. Ich habe auch vorgeschlagen, ein gemeinsames Raketenabwehrsystem zu schaffen.

Wir sind uns bewusst, dass die Ereignisse der 1990er und frühen 2000er Jahre auf ein bitteres historisches Erbe zurückgehen, zum Beispiel im Kaukasus. Wen haben wir dort bekämpft? Hauptsächlich Al-Qaida. Und was haben unsere "Partner" getan? Sie haben sie finanziell, durch Informationen, politisch und sogar militärisch unterstützt. Die Tatsache, dass sie Al-Qaida geholfen haben, war ihnen völlig egal, solange sie uns nur in Schwierigkeiten bringen konnten. Alles, was sie taten, passte in das Paradigma, Russland zu erschüttern. Wir ließen in unseren Bemühungen nichts unversucht und einigten uns schließlich darauf, die NATO nicht zu erweitern. Wir haben alle möglichen Optionen in Betracht gezogen. Trotzdem nein. Und warum? Ganz einfach, weil das Land zu groß ist: Niemand braucht ein so großes Land mit einem so großen Potenzial in Europa. Jeder versucht, Russland allmählich zu zerstückeln.

Die Ukraine ist Teil der Bemühungen, Russland zu destabilisieren. Im Großen und Ganzen hätte man dies bei den Entscheidungen über die Auflösung der Sowjetunion bedenken müssen. Aber damals ging man offenbar davon aus, dass unsere tiefgreifenden Beziehungen entscheidend sein würden. Doch aufgrund einer Reihe historischer, wirtschaftlicher und politischer Umstände nahm die Situation einen anderen Weg. Auch auf diesem Weg haben wir alles versucht. In der Tat haben wir jahrzehntelang ihre Wirtschaft   – Sie wissen das, denn ich habe darüber geschrieben und gesprochen   – mit billiger Energie, anderen Dingen, Krediten und so weiter unterstützt, wenn auch nicht genährt, so doch gestützt. Vergeblich. Wie hat es schließlich geendet? Sie fingen an, unsere Unterstützer auf der Straße zu töten und inszenierten schließlich einen Staatsstreich.

Dies ist nicht der erste Staatsstreich. Wie ist Juschtschenko in der Ukraine an die Macht gekommen? War es das Ergebnis eines legitimen Verfahrens? Wollen Sie, dass ich Ihnen zeige, wie er an die Macht gekommen ist? Wir sind uns dessen bewusst. Sie haben eine dritte Runde von Wahlen angesetzt. Was hatte das zu bedeuten? Das war nicht in der Verfassung verankert. Es war ein Putsch, aber zumindest ein relativ friedlicher. Und wir haben mit ihnen kommuniziert. Ich ging hin und sie kamen zu uns, kein Problem. Aber schließlich haben sie es zu einem blutigen Putsch getrieben. Das heißt, es wurde offensichtlich, dass uns keine Chance gegeben wurde, normale Beziehungen zu unseren Nachbarn und dem brüderlichen ukrainischen Volk aufzubauen. Nicht eine einzige Chance.

Dann haben sie sich zusammengerissen, und sofort begannen sich die Ereignisse im Südosten, im Donbass, zu entfalten   – nach dem Staatsstreich wurde ihnen klar, dass wir die Krim nicht einfach verlassen konnten   – wir konnten sie einfach nicht verlassen, das war unmöglich, es wäre ein Verrat unsererseits gewesen. Aber wir haben den Donbass nicht angerührt. Ja, unsere Freiwilligen waren dort, aber der russische Staat hatte damit überhaupt nichts zu tun   – das versichere ich Ihnen   – überhaupt nichts. Ich bin ganz offen und ehrlich   – wir hatten nichts damit zu tun, unsere Beteiligung war gleich null. Ja, es waren Leute aus Russland dort. Sie versuchten, die lokale Bevölkerung zu unterstützen und so weiter.

Schließlich sahen wir uns gezwungen, zum Schutz dieser Menschen zu handeln. Wir waren einfach gezwungen, das zu tun. Neun Jahre lang! Wir haben wirklich versucht, uns   – so schwierig es auch war   – darauf zu einigen, den Südosten der Ukraine irgendwie als Teil des Landes zu erhalten, wir haben uns aufrichtig dafür eingesetzt. Jetzt wissen wir, dass unsere so genannten Partner uns einfach betrogen haben   – sie haben uns betrogen, wie die Leute sagen. Wie sich herausstellte, hatten sie nie vor, eine der Vereinbarungen zu erfüllen, und so kam es zu der jetzigen Situation.

Außerdem stellen sie Bastarde wie Bandera auf ein Podest. Sie wollen keinen Kommunismus. Gut, wer will den schon heute? Sie stoßen den Gründer der Ukraine   – Lenin   – von seinem Sockel herunter. Gut, das ist ihre Sache, aber sie stellen stattdessen Bandera darauf, und der ist ein Faschist. Ich bin völlig überrascht, wie eine Person mit jüdischem Blut, das Staatsoberhaupt der Ukraine, Neonazis unterstützen kann. Das ist mir einfach unbegreiflich. Nachdem sie die jüdische Zivilbevölkerung praktisch ausgelöscht haben, wurden Bandera und seine Anhänger in den Rang von Nationalhelden erhoben. Jetzt marschieren sie mit diesen Plakaten. Wir werden also niemals akzeptieren, was dort historisch gesehen geschieht.

Wir haben dieses Thema während unserer Verhandlungen immer wieder angesprochen, auch in Istanbul. Und daraufhin wurden wir gefragt: "Wir haben nichts mit Neonazis zu tun, was wollt ihr von uns?" Wir wollen zumindest, dass gewisse Einschränkungen in das Gesetz aufgenommen werden. Darauf haben wir uns übrigens auch in dieser Gesprächsrunde geeinigt   – bevor unsere Truppen aus Kiew abgezogen sind, denn danach haben sie alle unsere Vereinbarungen über den Haufen geworfen.

Entmilitarisierung. Wir gehen das schrittweise und methodisch an. Womit kämpfen die Streitkräfte der Ukraine? Produzieren sie Leopards oder Bradleys oder die F-16, die sie noch nicht erhalten haben? Sie produzieren gar nichts. Die ukrainische Rüstungsindustrie wird bald ganz aufhören zu existieren. Was stellen sie her? Munition wird geliefert, Ausrüstung wird geliefert, Waffen werden geliefert   – alles wird geliefert. So werden Sie nicht lange leben, Sie werden nicht überleben. Die Frage der Entmilitarisierung stellt sich also ganz praktisch.

Das Gleiche gilt für den Schutz der Menschen im Donbass. Ja, leider geht der Beschuss weiter, und alles andere auch. Aber insgesamt werden wir methodisch darauf hinarbeiten, und wir werden das Problem lösen. Ich bin sicher, dass wir es lösen werden.

Im Großen und Ganzen haben sich also unsere Grundsätze und damit auch unsere Ziele seit Beginn der Operation nicht geändert. Es hat keine Änderung gegeben.

Dmitry Kulko:

Guten Tag, Herr Präsident. Dmitry Kulko, Kanal Eins.

Die Gegenoffensive der Ukraine ist im Gang. Sie haben Ihren Kommentar zur Lage fünf Tage nach Beginn der Gegenoffensive abgegeben. Seitdem ist einige Zeit vergangen. Sie erhalten täglich operative Informationen, und zwar nicht nur vom militärischen Sondereinsatzkommando, sondern Sie telefonieren auch direkt mit der Frontlinie.

Vladimir Putin:

Ja.

Dmitry Kulko:

Gibt es etwas, was Sie Ihren bisherigen Einschätzungen hinzufügen können?

Vladimir Putin:

Ja, es handelt sich um eine groß angelegte Gegenoffensive, bei der, wie ich kürzlich öffentlich gesagt habe, Reserven genutzt werden, die zu diesem Zweck gehortet wurden. Sie begann am 4. Juni. Sie dauert bis heute an, und zwar genau in diesem Moment, während wir hier sprechen.

Ich habe mir den jüngsten Bericht über die jüngsten Entwicklungen angehört. Heute Morgen gab es einen Angriff in Richtung Shakhtersky. Bis zu 100 Soldaten, vier Panzer und zwei gepanzerte Fahrzeuge [von ukrainischer Seite]. In Richtung Wremsewski sind ebenfalls mehrere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz. Der Angriff geht in mehrere Richtungen weiter. Mehrere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sind zerstört worden, und die Ukraine hat Verluste an militärischem Personal erlitten. Sie konnten die Frontlinie nicht erreichen.

Insgesamt handelt es sich jedoch um eine groß angelegte Offensive: Sie begann bei Wremewski, in Richtung Schachterski und Saporoschje. Sie begann mit dem Einsatz strategischer Reserven und geht in diesem Augenblick weiter: In diesem Augenblick, in dem wir hier versammelt sind und darüber sprechen, findet in mehreren Kampfgebieten ein Kampf statt.

Was soll ich sagen? Der Feind war in keinem Sektor erfolgreich. Er hat große Verluste erlitten. Das ist gut für uns. Ich werde die Zahl der personellen Verluste nicht nennen. Das überlasse ich dem Verteidigungsministerium, nachdem es die Zahlen überprüft hat, aber die Struktur der Verluste ist auch für sie ungünstig. Was ich damit sagen will, ist, dass von allen Personalverlusten   – und sie nähern sich einer Zahl, die man als katastrophal bezeichnen kann   – die Struktur dieser Verluste für sie ungünstig ist. Denn wie wir wissen, können die Verluste reparabel oder unwiederbringlich sein. Normalerweise   – ich fürchte, ich liege ein wenig daneben   – liegen die unwiederbringlichen Verluste bei etwa 25 %, maximal 30 %, während ihre Verluste fast 50/50 betragen. Das ist mein erster Punkt.

Zweitens, wenn wir die unwiederbringlichen Verluste betrachten, erleidet die verteidigende Seite natürlich weniger Verluste, aber dieses Verhältnis von 1 zu 10 ist zu unseren Gunsten. Unsere Verluste betragen ein Zehntel der Verluste der ukrainischen Streitkräfte.

Bei den Panzern ist die Lage noch ernster. In diesem Zeitraum haben sie über 160 Panzer und mehr als 360 gepanzerte Fahrzeuge verschiedener Typen verloren. Das ist nur das, was wir sehen. Es gibt auch Verluste, die wir nicht sehen. Sie werden durch Präzisionswaffen mit großer Reichweite auf Massen von Personal und Ausrüstung verursacht. In Wirklichkeit hat die Ukraine also schwerere Verluste erlitten. Nach meinen Berechnungen belaufen sich diese Verluste auf etwa 25 oder vielleicht 30 Prozent der aus dem Ausland gelieferten Ausrüstung. Es scheint mir, dass sie dem zustimmen würden, wenn sie objektiv zählen würden. Aber soweit ich aus offenen westlichen Quellen weiß, scheint es so zu sein, was sie sagen.

Die Offensive geht also weiter, und ich habe die jüngsten Ergebnisse beschrieben.

Was unsere Verluste angeht   – lassen Sie das Verteidigungsministerium über andere Indikatoren und Personal sprechen   – habe ich gesagt, dass sie über 160 Panzer verloren haben und wir 54 Panzer, von denen einige wiederhergestellt und repariert werden können.

Dmitry Kulko:

Danke.

Yekaterina Agranovich:

Guten Tag, Agranovich Yekaterina, Blogger.

Ich habe eine Frage zum Wasserkraftwerk Kakhovka. Es hat sich eine Tragödie ereignet, und wir müssen die ökologischen und sozialen Folgen noch bewerten. Aber hier ist meine Frage: Wer trägt Ihrer Meinung nach die Schuld daran? Werden sie bestraft werden? Und eine dritte Frage: Welche Hilfe können die Menschen in den betroffenen Gebieten erwarten?

Vladimir Putin:

Es ist klar, wer die Schuld trägt   – die Ukraine war daran beteiligt.

Wissen Sie, ich werde keine Dinge sagen, bei denen ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, aber im Großen und Ganzen haben wir keine große Explosion kurz vor der Zerstörung registriert. Das ist jedenfalls das, was mir berichtet wurde. Aber sie hatten das Kakhovka Wasserkraftwerk mehrmals mit HIMARS beschossen. Das ist der springende Punkt. Vielleicht haben sie dort Munition platziert   – ich weiß es im Moment nicht, oder vielleicht haben sie die Struktur mit irgendetwas Geringfügigem untergraben, und das hat den Bruch ausgelöst.

Aber was uns betrifft, so sind wir daran jetzt nicht interessiert, weil es schwerwiegende Folgen für die Gebiete hat, die wir kontrollieren und die zu Russland gehören. Dies ist der erste Punkt.

Nun zum zweiten Punkt. Leider, ich werde jetzt etwas Seltsames sagen, aber trotzdem, das hat leider ihre Gegenoffensive in diese Richtung ruiniert. Warum leider? Weil es für uns besser gewesen wäre, wenn sie ihre Offensive dort gestartet hätten   – besser für uns, weil es eine schlechte Angriffsposition für sie gewesen wäre. Aber das ist wegen der Überschwemmungen nicht passiert.

Das Katastrophenschutzministerium arbeitet dort sehr aktiv, das Militär arbeitet aktiv, und die lokalen Behörden arbeiten. Ich habe vor kurzem mit dem amtierenden Leiter der Region Cherson [Wladimir] Saldo gesprochen, und er sagte: "Ich will Ihnen ehrlich sagen, dass wir überrascht sind. Wir haben noch nie eine so gut koordinierte Arbeit gesehen." Das mag stimmen, auch wenn es sicherlich Probleme gibt.

Es gibt Menschen, die sich weigern, zu gehen, evakuiert zu werden. Um ehrlich zu sein, passiert das auch hier. Ich erinnere mich an eine Überschwemmung an der Lena, als die Menschen auf ihren Dächern saßen und sich weigerten, das Haus zu verlassen, weil sie Angst hatten, dass es geplündert werden würde usw. So sind die Dinge nun einmal. Es mag andere Überlegungen geben, die anders geartet sind. Auf jeden Fall wird alles getan, was getan werden kann: Das Katastrophenschutzministerium arbeitet sehr aktiv, und auch die lokalen Behörden, das Gesundheitsministerium und die medizinisch-biologische Bundesbehörde haben sich den Bemühungen angeschlossen.

Jetzt müssen wir die Frage der Umweltsicherheit und der sanitären Sicherheit sehr ernsthaft angehen, denn die Rindergräber und Friedhöfe stehen unter Wasser. Das ist ein ernstes Problem, aber es ist lösbar. Wir werden die Chemieschutztruppen einsetzen müssen: Der Minister hat mir bereits Bericht erstattet, er hat den Befehl erteilt. Ich denke, dass wir mit vereinten Kräften alle Probleme lösen können, auch die der Wasserversorgung.

Heute habe ich mit Marat Khusnullin gesprochen. Er sagt, wir müssen uns dort um die Verfügbarkeit von Wasser kümmern, neue Brunnen bauen usw. Aber die Arbeiten sind bereits im Gange. Wenn der Wasserstand sinkt, und er sinkt bereits allmählich, wird alles gelöst werden, sobald die Probleme auftauchen. Natürlich ist viel Vieh und Wildtiere gestorben, leider. Wir werden das alles organisieren müssen, um das Gebiet zu säubern.

Was die Menschen anbelangt, so wird jeder nach russischem Recht und Standard Hilfe erhalten. Alle diese Bedingungen sind bekannt, sie sind in unseren Gesetzen vorgesehen. Alles wird auf dieselbe Weise geschehen wie für jeden anderen Bürger der Russischen Föderation, für jeden Haushalt. Ich habe den Minister [für Notfälle] Alexander Kurenkov bereits angewiesen, eine aktive Rolle bei der Bewertung von Sachschäden, sowohl bei beweglichen als auch bei unbeweglichen, zu übernehmen. Wir tun also alles, was wir können.

Yekaterina Agranovich:

Danke.

Alexander Kots:

Herr Präsident, mein Name ist Alexander Kots, Komsomolskaya Pravda.

Die Frage mag unangenehm sein, aber wir werden oft danach gefragt.

Vladimir Putin:

Es gibt hier keine unangenehmen Fragen.

Alexander Kots:

Unsere Leser und Zuschauer stellen uns oft die gleiche Frage   – nach den Aktivitäten des Feindes in unserem Rücken.

Es vergeht kaum eine Woche ohne Nachrichten über Drohnen, die entweder versuchen, Infrastruktureinrichtungen anzugreifen oder zu treffen. Sicherlich gibt es ein akutes Problem in unserem Grenzgebiet, insbesondere in der Region Belgorod.

Meine Frage lautet also: Wie kommt es, dass feindliche Drohnen den Kreml erreichen? Und warum sind wir, nachdem wir mit der Befreiung des Donbass begonnen haben, nun gezwungen, unsere Bevölkerung aus den Grenzgebieten zu evakuieren, in die bereits polnische Söldner eingedrungen sind und in denen die polnische Sprache auf unserem Gebiet zu hören ist?

Vladimir Putin:

Die polnischen Söldner kämpfen dort tatsächlich   – Sie haben völlig Recht, ich stimme Ihnen zu   – und sie erleiden größere Verluste. In der Tat versuchen sie, diese zu verbergen, aber ihre Verluste sind ernst. Es ist schade, dass sie dies auch vor ihrer Bevölkerung verbergen. Es werden Söldner rekrutiert   – gerade in Polen und übrigens auch in anderen Ländern. Sie erleiden Verluste. Das ist das Erste.

Zweitens, was die Drohnen betrifft. Sie wissen wahrscheinlich, und Ihre Kollegen wissen es auch, dass wir einmal eine Situation in Khmeimim hatten, als Drohnen einflogen und leider mehrere Granaten abwarfen, und wir haben dort Personal verloren. Aber wir haben ziemlich schnell gelernt, damit umzugehen, auf verschiedene Weise, mit verschiedenen Mitteln. Es ist manchmal schwierig, aber es ist eine lösbare Aufgabe.

Offensichtlich ist es auch hier so: Unsere zuständigen Stellen müssen die notwendigen Entscheidungen treffen, denn das traditionelle Luftabwehrsystem ist, wie Sie sicher wissen, auf Raketen, auf große Flugzeuge geeicht. Die Drohnen, von denen Sie sprechen, und das wissen Sie auch, sind in der Regel aus modernen, leichten Materialien, aus Holz, und es ist ziemlich schwierig, sie zu entdecken. Aber sie werden aufgespürt. Aber es ist notwendig, entsprechende Arbeiten durchzuführen, sie rechtzeitig zu entdecken und so weiter. Und das wird natürlich getan und wird sicher getan werden, was Moskau und andere große Zentren betrifft, daran habe ich überhaupt keine Zweifel.

Und ja, wir müssen diese Arbeit richtig organisieren. Und natürlich wäre es besser, wenn dies rechtzeitig und auf der richtigen Ebene geschehen würde. Aber diese Arbeit wird durchgeführt, und ich bin sicher, dass diese Aufgaben gelöst werden.

Was die Grenzgebiete betrifft, so gibt es ein Problem, das   – und ich denke, Sie verstehen das auch   – hauptsächlich mit dem Wunsch zusammenhängt, unsere Kräfte und Ressourcen auf diese Seite zu verlagern und einen Teil der Einheiten aus den Gebieten abzuziehen, die unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Offensive der ukrainischen Streitkräfte als die wichtigsten und kritischsten gelten. Wir brauchen das nicht zu tun, aber natürlich müssen wir unsere Bürger schützen.

Was kann hier gesagt werden? Natürlich müssen wir die Grenze verstärken, und wenn jemand von Ihnen dort arbeitet, können Sie sicher sehen, dass dieser Prozess recht schnell voranschreitet, und diese Aufgabe der Verstärkung der Grenzen wird auch gelöst werden. Aber die Möglichkeit des Beschusses unseres Territoriums vom Territorium der Ukraine aus bleibt natürlich bestehen. Und hier gibt es mehrere Lösungen.

Erstens, die Erhöhung der Effektivität und die Bekämpfung von Geschützen; aber das bedeutet nicht, dass keine Raketen mehr auf unser Territorium fliegen werden. Und wenn das so weitergeht, dann müssen wir offenbar die Frage in Betracht ziehen   – und ich sage das sehr vorsichtig   –, um eine Art Pufferzone auf dem Territorium der Ukraine in einer solchen Entfernung zu schaffen, von der aus es unmöglich wäre, unser Territorium zu erreichen. Aber das ist eine andere Frage, ich sage nicht, dass wir morgen mit dieser Arbeit beginnen werden. Wir müssen abwarten, wie sich die Situation entwickelt.

Aber im Allgemeinen geschieht nichts dergleichen in der Region Belgorod oder anderswo; sowohl der Grenzschutz als auch die Streitkräfte sind jetzt dort tätig. Das hat natürlich nichts Gutes: Man konnte eigentlich davon ausgehen, dass der Feind sich so verhalten würde, und sich wahrscheinlich besser vorbereiten. Dem stimme ich zu. Aber das Problem wird gelöst werden, entweder auf diese Weise oder auf die von mir erwähnte Weise.

Yevgeny Poddubny:

Herr Präsident, ich bin Yevgeny Poddubny, VGTRK (Allrussische Staatliche Fernseh- und Rundfunkgesellschaft). In Fortsetzung von Alexanders Thema.

Vladimir Putin:

Ja, Yevgeny, bitte.

Yevgeny Poddubny:

Die Agenten der gegnerischen Spezialdienste arbeiten offen auf unserem Territorium, offen in dem Sinne, dass sie nicht einmal leugnen, dass sie Jagd auf führende Persönlichkeiten der öffentlichen Meinung in Russland machen: die Ermordung von Daria Dugina, die Ermordung von Wladlen Tatarskij, das Attentat auf Sachar Prilepin. Es ist offensichtlich, dass die ukrainischen Sonderdienste terroristische und sabotierende Aktivitäten in Russland durchführen.

Wie wird der russische Staat gegen die Agenten des Feindes und die gegnerischen Sonderdienste vorgehen, die auf russischem Gebiet operieren?

Vladimir Putin:

Ihre Frage ist der von Alexander sehr ähnlich, denn diese Aktivitäten sind im Wesentlichen gleichwertig. Wir müssen kämpfen, und wir kämpfen, das tun wir, und einige Ergebnisse dieser Arbeit werden öffentlich, und die Öffentlichkeit kennt sie: die Verhaftung von Agenten und Beamten von Spezialdiensten eines Nachbarstaates. Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen.

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass wir im Gegensatz zu den derzeitigen ukrainischen Behörden keine terroristischen Methoden anwenden können: Wir haben immer noch einen Staat, ein Land, während es sich dort um ein Regime handelt. Sie agieren in der Tat als ein Regime, das sich auf den Terror stützt: Sie haben ein sehr hartes Regime der Spionageabwehr, das Kriegsrecht. Ich glaube nicht, dass wir das jetzt tun müssen. Wir müssen lediglich die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und der Sonderdienste verbessern und ausweiten. Und generell scheint mir, dass die Aufgaben in dieser Hinsicht auch lösbar sind.

Sie haben die von Ihnen erwähnten Tragödien analysiert, und Sie sehen, was geschehen ist. Jemand brachte etwas herein, das Auto wurde nicht untersucht, es gab keine Inspektion.

Dascha, ein guter Mensch, wurde getötet, und das ist eine große Tragödie. War sie eine Kämpferin oder etwas Ähnliches, hat sie mit einer Waffe in der Hand gekämpft? Sie war einfach eine Intellektuelle, die ihren Standpunkt, ihre Position zum Ausdruck brachte. Aber leider hat niemand an die Sicherheit gedacht, und sie haben einfach einen Sprengsatz unter den Boden des Wagens gelegt, und das war's. Dies bestätigt übrigens einmal mehr den terroristischen Charakter des derzeitigen Regimes in Kiew. Darüber müssen wir nachdenken. Was die Menschen anbelangt, die das Ziel dieser Terroristen sein könnten, müssen natürlich sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch diese Menschen selbst darüber nachdenken und für Sicherheit sorgen.

Aber im Allgemeinen macht es keinen Sinn, eine Art Sonderregelung oder Kriegsrecht im ganzen Land einzuführen; eine solche Notwendigkeit besteht heute nicht. Wir müssen in einigen Fragen sorgfältiger arbeiten. In diesem Punkt stimme ich mit Ihnen überein.

Maxim Dolgov:

Herr Präsident, ich bin Maxim Dolgov, Readovka.

Während des Beschusses können die Menschen ihr gesamtes Hab und Gut verlieren: Häuser, Grundstücke und so weiter. Es ist sehr wichtig, dass unsere Grenzregionen, wie Kursk, Brjansk und Belgorod, unseren Menschen umgehend und schnell helfen. Aber die Frage ist, ob die Regionen genug von dieser Hilfe haben werden.

Vladimir Putin:

Und wir zählen nach: Wir stehen fast ständig in Kontakt mit den Verantwortlichen dieser Regionen, und ich spreche mit ihnen. Sie formulieren ihre Bedürfnisse, bringen sie zu Papier und schicken sie an uns zurück.

Gerade heute Morgen habe ich mit Herrn Mishustin gesprochen; wir haben eine ganze Weile über eine Reihe von Themen diskutiert, übrigens auch über dieses Thema, und auch mit Marat Khusnullin. Wir schicken der Region Belgorod   – vielleicht irre ich mich da ein wenig   – aber im Grunde genommen wurden, glaube ich, 3,8 Milliarden Rubel zur Unterstützung der Menschen geschickt. Und ein Teil dieser Gelder, ich glaube, 1,3 Milliarden oder 1,8 Milliarden, sind bereits in die Region Belgorod geflossen. Das ist also eine Tatsache.

Danke, dass Sie uns darauf aufmerksam gemacht haben. Natürlich brauchen die Menschen Hilfe, und wir werden gezielt helfen: für jede Familie, für jeden Haushalt; das werden wir auf jeden Fall tun. Das gilt auch für den Neubau von Wohnungen, für den Wiederaufbau verlorener Gebäude, und natürlich haben wir genügend Mittel dafür. Die Mittel werden kommen; sie kommen bereits aus dem staatlichen Reservefonds. Das wurde bereits zurückgestellt.

Mikhail Dolgov:

Danke.

Andrei Rudenko:

Herr Präsident, Andrei Rudenko, Rossiya TV Kanal.

Heute steht der medizinische Sektor im Donbass unter großem Druck. Die Krankenhäuser nehmen nicht nur Zivilisten, sondern auch Militärangehörige auf. Gleichzeitig herrscht aber ein großer Mangel an Personal und medizinischer Ausrüstung; es gibt nicht genügend MRT- oder CT-Geräte. Heute können Termine für diese diagnostischen Verfahren nur vier Monate im Voraus vereinbart werden, d.h. wenn eine Person diese Untersuchung heute braucht, muss sie vier Monate warten. Kann dies in diesen Gebieten gelöst werden?

Vladimir Putin:

Natürlich ist das möglich und notwendig.

Schließlich fehlen diese Computertomographen und Kernspintomographen nicht wegen unserer Tätigkeit, sondern weil sie dort gar nicht vorhanden waren. Verstehen Sie das? Es ist einfach nie passiert. In der Donezk-Republik gab es, soweit ich mich erinnere, als wir das mit dem Gesundheitsministerium, mit Tatjana Golikowa, besprochen haben, insgesamt zwei MRT-Geräte.

Andrei Rudenko:

Zwei MRI-Geräte, 1,5 Tesla.

Vladimir Putin:

Siehen Sie, ich erinnere mich daran. Und ein Scanner wird gerade montiert. In der Region Cherson gibt es überhaupt keine Scanner. Wenn sie einen Patienten scannen müssen, müssen sie auf die Krim fahren. Nun, auf der Krim gab es auch lange Zeit keine. Jetzt ist alles besser geworden, es gibt mehr Geräte. Es gibt immer noch zu wenig und nicht genug, aber immerhin.

Wir haben ein Programm verabschiedet, ich glaube, bis 2030, in dem erhebliche Mittel vorgesehen sind. Das ist aktenkundig; wir werden nichts kürzen. Einige russische Regionen, die die neuen Gebiete unter ihre Schirmherrschaft gestellt haben, helfen in vielerlei Hinsicht. Und diese Hilfe ist beträchtlich, ich glaube, die Regionen stellen über 17 Milliarden zur Verfügung. Es gibt auch andere Mittel aus föderalen Quellen. Wir werden also alles tun, was wir können.

Dazu gehört auch ein Programm zur Wiederherstellung von Vorschuleinrichtungen. Ich denke, es müssen 1.300 Gebäude restauriert werden. Etwa 1.400 Schulen sollen restauriert oder gebaut werden. Auch medizinische Einrichtungen. All das ist in den jeweiligen Entwicklungsprogrammen für diese Regionen enthalten. Wir werden sie sicherlich auf das durchschnittliche Niveau in Russland bringen. Dazu gehören auch die Löhne; wir haben bereits für einige Berufskategorien höhere Löhne eingeführt, und das werden wir fortsetzen.

Natürlich weiß ich, dass Sie mit Ihrem Hinweis auf jeden Fall Recht haben. Eines der drängendsten Probleme sind die mangelnden Kapazitäten der [medizinischen] Einrichtungen. Dies wird noch dadurch verschärft, dass sie diejenigen aufnehmen, die im Rahmen von Kampfhandlungen verwundet wurden   – sowohl Zivilisten als auch Militärangehörige. Zu einem bestimmten Zeitpunkt waren bestimmte medizinische Einrichtungen völlig überfüllt.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir unsere Anstrengungen im Rahmen dieses Programms bis 2030 verstärken werden, einschließlich der Gesundheitsversorgung. Dazu gehören auch die Löhne. In diesem Bereich werden wir sie auf den russischen Durchschnitt und die Standards des Landes anheben müssen   – nein, wir werden es definitiv tun. Zum Beispiel müssen einige Mitarbeiter, auch im Gesundheitswesen, den Durchschnittslohn wie im übrigen Russland erhalten. Darauf werden wir uns Schritt für Schritt zubewegen.

Andrei Rudenko:

Herr Präsident, Krankenhäuser sind zu Zielen der ukrainischen Streitkräfte geworden, die Angriffe hören nicht auf. Die Ärzte setzen ständig ihr Leben aufs Spiel. Es wäre gut, ihnen den Status von SMO-Teilnehmern zu gewähren, ebenso wie anderen Kategorien von Menschen, die darauf hinarbeiten, ich meine auf den Sieg.

Vladimir Putin:

Wir müssen uns das genau ansehen. Diejenigen, die seit 2014 kämpfen... Wir brauchen eine ausgewogene soziale Gerechtigkeit; es ist eine Sache, wenn eine Person an vorderster Front steht, und es ist eine andere Sache, wenn sie diese Risiken eingeht, aber nicht an vorderster Front steht.

Aber Sie haben sicherlich Recht, dass dieser Aspekt des Risikos bei der Vergütung berücksichtigt werden muss. Wir werden auf jeden Fall darüber nachdenken.

Andrei Rudenko:

Ganz vielen Dank.

Vladimir Putin:

Vielen Dank für Ihre Frage   – das ist eine sehr heikle Angelegenheit. Ich verstehe das.

Yekaterina Agranovich:

Ich habe noch eine Frage.

Vladimir Putin:

Bitte, fahren sie fort.

Yekaterina Agranovich:

Der Westen wirft uns ständig vor, in der Ukraine alles zu zerstören und zu stehlen, von Denkmälern bis zu Kindern.

Vladimir Putin:

Denkmäler? Welche Denkmäler? Sie sind diejenigen, die Denkmäler abreißen. Wir könnten einen Park mit den Denkmälern bauen, die in der Ukraine zerstört wurden.

Haben viele Leute Ihren Blog abonniert?

Yekaterina Agranovich:

Relativ gesehen, ja, aber weniger als Rudenkos Blog.

Vladimir Putin:

Na gut, das ist nicht wirklich wichtig. Schlagen Sie vor, alle Denkmäler nach Russland zu schicken. In Odessa haben sie ein Denkmal für Katharina die Große, die Gründerin der Stadt, abgerissen. Wir würden es gerne mitnehmen.

Yekaterina Agranovich:

Meine Frage bezieht sich auf etwas ganz anderes. Unterm Strich ist es so, dass sie selbst überall auf der Welt Entführungen und Vernichtungen durchführen. Aber das exportorientierte westliche Bild, wie das Leben dort ist und wie es dort funktioniert, wird idealisiert. Die Menschen in Russland und der Ukraine fallen auf diese Propaganda herein. Dieses Problem ist in den neuen Gebieten besonders akut, denn acht Jahre lang, seit 2014, waren die Menschen dort ständig von ukrainischen Flaggen umgeben, und alles sah schön und gut aus, und sie übten ständig Einfluss auf sie aus. Wenn wir also diese Gebiete befreien, sind viele Menschen damit nicht einverstanden, und jeder hat die Möglichkeit, seine Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Wenn Sie ins Internet gehen, werden Sie sehen, dass sie frei Videos hochladen, z.B. aus Städten in der Region Saporoshje, in denen sie zeigen, wie sehr sie sich nach der Ukraine sehnen, jetzt, wo sie unter der Besatzung leben müssen.

Hier ist meine Frage. Wie wollen wir die Gedanken von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beeinflussen? Natürlich ist Russland ein freies Land, in dem wir alle unsere Meinung frei äußern können. Aber unter Kampfbedingungen wird dies in erster Linie zu einer Frage der Sicherheit.

Vladimir Putin:

Sie haben Recht. Natürlich sollten wir angesichts der laufenden Feindseligkeiten bestimmten Dingen Grenzen setzen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass das, was Sie gerade gesagt haben, natürlich zu einem großen Teil das Werk der Gegenseite, der gegnerischen Seite ist. Der Informationsraum ist ein Schlachtfeld, ein entscheidendes Schlachtfeld.

Wenn also jemand etwas hochlädt oder schreibt und eine Adresse angibt, dann ist das eine Sache. Wenn es aber keine Adresse gibt und nicht klar ist, wer da schreibt oder spricht, ist das eine ganz andere Sache. Sie und ich wissen sehr wohl, dass man mit bekannten technischen Mitteln Dinge ins Internet stellen kann, die den Anschein erwecken, dass Millionen von Menschen diese Videos gesehen und kommentiert haben, während in Wirklichkeit nur eine Person dahintersteckt, die einfach nur die moderne Technik nutzt, um sie endlos zu wiederholen. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die eine bestimmte Meinung haben, und sie können ihren Standpunkt zum Ausdruck bringen.

Was können wir tun, um dem entgegenzuwirken? Ich denke, die Zuhörer werden wissen, was ich meine. Dem kann und sollte man nicht so sehr mit Restriktionen oder verwaltungstechnischen oder strafrechtlichen Auflagen begegnen, sondern mit effektiver Arbeit im Informationsumfeld unsererseits. Und dabei zähle ich wirklich auf Ihre Hilfe.

Alexander Sladkov:

Herr Präsident, Alexander Sladkov, VGTRK TV company.

Ich habe vier Fragen an Sie. Die erste betrifft die Rotation.

Vladimir Putin:

Wer ist der Moderator?

Alexander Sladkov:

Herr Präsident, Ich bin der Moderator.

Vladimir Putin:

Sie sind zu nah dran   – an der Kontaktlinie.

Alexander Sladkov:

Ich bin nahe am Entscheidungszentrum.

Vladimir Putin:

Nein, Sie befinden sich in der Nähe der Kontaktlinie, und es sieht so aus, als ob das, was aus dem ukrainischen Gebiet gekommen ist, in Ihr System gelangt ist.

Alexander Sladkov:

Wir waren betrunken davon.

Vladimir Putin:

Oh, ja. Dieser Geist der Unfreiheit. Und Sie missbrauchen Ihre Position als Moderator.

Alexander Sladkov:

Ich gebe zu, das bin ich.

Vladimir Putin:

Fahren Sie fort.

Alexander Sladkov:

Zunächst die schmerzliche Frage der Rotation.

Wir haben unsere mobilisierten Truppen an die Front geschickt. Wir haben sie ausgebildet und sie dorthin geschickt. Sie kämpfen jetzt mit Würde und geben alles, was sie haben, für diesen Kampf. Ihre Ehefrauen, Mütter und Familien fragen sich, wie lange sie weg sein werden. Bis zum Sieg? Wann ist der Sieg? Ein schwieriger Weg liegt vor uns. Glauben Sie nicht, dass die Zeit kommen wird, in der sie ausgetauscht und ersetzt werden müssen? Übrigens sind sich viele sicher, dass diese Leute meist in die SMO-Zone zurückkehren werden, weil sie bis zum Ende kämpfen wollen. Aber wenn keine Grenze in Sicht ist, ist es sehr schwer, psychologisch stabil zu bleiben. Ich spreche jetzt von Familien.

Meine zweite Frage bezieht sich auf die Vertragssoldaten, die wir derzeit rekrutieren. General Yevgeny Burdinsky macht eine ausgezeichnete Arbeit. Er ist ein echter Profi, stellvertretender Chef des Generalstabs. Aber wir leben im 21. Jahrhundert. Ist es nicht an der Zeit, das System zu ändern oder es zu einem integrierten System zu machen? Wir warten darauf, dass die Menschen auf das Angebot reagieren. Wir laden sie ein, aber ist es nicht an der Zeit, dass wir uns an die Leute wenden, die uns helfen können, und einen Plan aufstellen, der auf militärischen Spezialgebieten basiert, wo wir die Anzahl der Maschinengewehrschützen, Granatwerferbediener, Fahrer, Melder oder Nachrichtenoffiziere kennen, so dass wir nicht mehr massenhaft Leute auf Vertragsbasis aufnehmen, sondern nur diejenigen, die wir brauchen.

Meine dritte Frage bezieht sich auf die Wehrpflichtigen. Im Zusammenhang mit den Ereignissen, bei denen Wehrpflichtige als würdige Mitglieder der Streitkräfte in der Region Belgorod gehandelt und feindliche Angriffe abgewehrt haben, fragen sich ihre Familien, was ihr Status ist. Ich weiß, dass die Verabschiedung eines bestimmten föderalen Gesetzes geplant ist, aber werden die Wehrpflichtigen weiterhin an den Kampfhandlungen teilnehmen?

Und die vierte Frage betrifft die Mobilisierung. Wird es eine weitere Runde der Mobilisierung geben?

Damit sind meine Fragen abgeschlossen.

Vladimir Putin:

Das sind in der Tat sehr ernste Fragen, deshalb müssen wir natürlich darüber sprechen. Zunächst einmal die mobilisierten Soldaten, die Rotation, wann sie ersetzt werden sollen, wann sie enden wird.

Wissen Sie, ich werde mich einfach an das Gesetz wenden: Das Gesetz gibt keine Dauer vor. Wir müssen von der Verfügbarkeit des Personals ausgehen, von der Situation an der Front, vom Verlauf der speziellen militärischen Operation selbst.

Sie wissen, dass wir in der Tat, auch auf meinen Vorschlag hin, eine Entscheidung über regelmäßige Beurlaubungen getroffen haben.

Alexander Sladkov:

Ja, zweimal im Jahr. Das haben Sie in Ihrer Rede vor der Bundesversammlung angekündigt.

Vladimir Putin:

Die Mitglieder des Militärdienstes haben den Urlaub genommen. Es ist amüsant, dass einige daran zweifelten, ob sie zurückkehren würden: Praktisch alle kehren zurück, mit wenigen Ausnahmen aufgrund von Krankheit oder unerwarteten familiären Umständen. Aber insgesamt kehren über 90 Prozent, 99 Prozent zurück.

Alexander Sladkov:

Ja, das stimmt.

Vladimir Putin:

Das ist der erste Teil der Antwort auf diese Frage.

Der zweite Teil   – und damit habe ich begonnen: Natürlich werden wir die Menschen schrittweise nach Hause bringen müssen, und das Verteidigungsministerium diskutiert sicherlich über diese relevante Frage. Es wird davon abhängen, wie die vierte Frage, die Sie gestellt haben, entschieden wird, ob neue Mobilisierungswellen notwendig sind und so weiter. Ich komme gleich darauf zu sprechen.

Vertragssoldaten. Ich habe vor kurzem mit Herrn Burdinsky gesprochen, die Arbeit geht generell voran, sie läuft wirklich sehr gut. Er ist für die Rekrutierung von Vertragssoldaten zuständig. Einer der stellvertretenden Verteidigungsminister ist für die Ausbildung zuständig.

Alexander Sladkov:

Yevkurov.

Vladimir Putin:

Ja, er ist für die Ausbildung zuständig, die bereits abgeschlossen ist. Ich weiß nicht, ob Sie schon dort waren. Wenn nicht, können Sie hingehen.

Alexander Sladkov:

Natürlich waren wir dort.

Vladimir Putin:

Die Dinge werden dort jetzt immer besser. Es gibt wahrscheinlich noch einige Probleme, aber die Geräte kommen zu ihnen, sie arbeiten. Es gibt keine Grenzen der Perfektion. Natürlich gibt es immer Probleme, egal wo man hinschaut, aber insgesamt verändert sich die Situation zum Besseren. Müssen Technologien ersetzt werden? Vielleicht muss das in Betracht gezogen werden. Worauf wollen Sie hinaus? Es geht darum, dass   – Sie haben Recht, Sie haben absolut Recht   – wir eine gezielte Rekrutierung haben müssen.

Nun zu den Wehrpflichtigen. Wie bisher werden wir sie nicht in die spezielle Militäroperationszone schicken, die durch Noworossija und den Donbass verläuft. Das gilt auch jetzt. Obwohl diese Gebiete natürlich zur Russischen Föderation gehören, läuft dort die besondere Militäroperation, und wie mir das Verteidigungsministerium mitteilt, besteht keine Notwendigkeit, sie dorthin zu schicken. Abgesehen davon sind sie traditionell in den Regionen Belgorod und Kursk im Einsatz. Sie sorgen dort für Sicherheit, sie sind an diesen Orten präsent, und im Falle einer Bedrohung müssen sie ihre heilige Pflicht gegenüber der Heimat erfüllen und das Vaterland verteidigen.

Ich muss sagen, dass ich mit einem Bataillonskommandeur gesprochen habe, der in der Gegend von Belgorod gekämpft hat. Ich fragte ihn, wie viele seiner Soldaten mobilisiert und wie viele einberufen waren. Er sagte, sie seien alle Wehrpflichtige und er habe überhaupt keine mobilisierten Soldaten. Er ist ein Bataillonskommandeur. Ich habe ihn gefragt, wie sie sich verhalten haben. Er sagte, sie hätten sich hervorragend verhalten   – niemand habe auch nur einmal gezuckt. Allerdings gab es einen kurzen Moment, in dem Generalleutnant Lapin mit seiner Dienstwaffe zusammen mit seinen Soldaten gekämpft hat.

Alexander Sladkov:

Wir haben diese Szene mit Sorge beobachtet.

Vladimir Putin:

Ja, ja, aber diese Jungs haben ihr Bestes gegeben.

Ich denke also, ich habe Ihre Frage beantwortet. Natürlich werden sie dort bleiben, ebenso wie in anderen Gebieten der Russischen Föderation. Das Verteidigungsministerium plant nicht, sie in die Kampfzone zu entsenden, und dafür gibt es jetzt auch keinen Grund.

Bezeichnenderweise sprach dieser Bataillonskommandeur   – ich habe mich sehr über das Gespräch mit ihm gefreut, ich glaube, sein Name ist Nikitin   – so selbstbewusst und herzlich über seine Soldaten. Er sprach sehr gut über sie. Er sagte: "Niemand hat auch nur ein bisschen gezuckt. Sie waren sehr konzentriert und haben gute Arbeit geleistet."

Nun zur Notwendigkeit einer zusätzlichen Mobilisierung. Ich verfolge das nicht so genau, aber einige unserer öffentlichen Persönlichkeiten behaupten, dass dringend eine Million oder sogar zwei Millionen Menschen mobilisiert werden müssen. Das hängt davon ab, was wir wollen. Aber am Ende des Großen Patriotischen Krieges, wie viele...

Alexander Sladkov:

Zehn.

Vladimir Putin:

Nein, vielleicht waren es während des Krieges insgesamt zehn Millionen, aber ich glaube, am Ende des Krieges hatten wir 5 Millionen in unseren Streitkräften. Ich kann mich irren   – ich weiß nicht mehr, wie viele es genau waren.

Ich erinnere mich an einige Dinge genau   – entschuldigen Sie, dass ich abschweife   –, aber die RSFSR hatte einen Anteil von etwa 70 Prozent oder 69 Prozent an allen Verlusten während des Großen Vaterländischen Krieges   – das kommt der Sache schon näher, aber ich schweife ab. Die Zahl spielt keine Rolle, aber es waren viele. Es kommt auf das Ziel an.

Sehen Sie, unsere Truppen waren außerhalb von Kiew. Zunächst haben wir eine Vereinbarung getroffen, die sich als eine gute Vereinbarung darüber erwies, wie man die gegenwärtige Situation friedlich lösen kann. Auch wenn sie es verworfen haben, so haben wir doch diese Zeit genutzt, um dorthin zu gelangen, wo wir jetzt sind, nämlich praktisch ganz Noworossija und einen bedeutenden Teil der Volksrepublik Donezk mit Zugang zum Asowschen Meer und Mariupol. Und fast die gesamte Lugansker Volksrepublik, mit ein paar Ausnahmen.

Müssen wir dorthin zurückkehren oder nicht? Warum stelle ich diese rhetorische Frage? Offensichtlich haben Sie keine Antwort darauf, das kann nur ich beantworten. Aber je nach unseren Zielen müssen wir über eine Mobilisierung entscheiden, aber das ist heute nicht nötig. Das ist mein erster Punkt.

Der zweite Punkt, den ich am Ende meiner Antwort auf Ihre Frage ansprechen möchte, ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn bereits erwähnt habe. Seit Januar, als wir begonnen haben, Verträge mit Vertragssoldaten zu schließen, haben wir über 150.000 von ihnen rekrutiert, und zusammen mit den Freiwilligen beläuft sich diese Zahl auf 156.000. Die Mobilisierung hat uns bekanntlich 300.000 Rekruten beschert. Jetzt kommen die Menschen freiwillig und aus freien Stücken. Die Arbeit begann im Februar mit 156.000 Menschen und dauert bis heute an, allein in der letzten Woche wurden 9.500 Verträge unterzeichnet.

Alexander Sladkov:

Ein halbes Korps.

Vladimir Putin:

9.500 Menschen. Das Verteidigungsministerium sagt, dass es keinen Grund für eine Mobilisierung gibt.

Was da passiert, hat selbst mich überrascht: Immerhin haben sich 156.000 Menschen freiwillig gemeldet. Wie wir sagen, satteln die Russen langsam, aber reiten schnell. Die Menschen melden sich freiwillig, um das Vaterland zu verteidigen.

Alexander Sladkov:

Danke.

Anatoly Borodkin:

Herr Präsident, Anatoly Borodkin, Zvezda TV Kanal.

Sie sagten vorhin, dass die westlichen Länder das Kiewer Regime mit den modernsten Waffensystemen überschwemmen.

Vladimir Putin:

Ja, das tun sie.

Anatoly Borodkin:

In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage: Was werden wir tun, um unsere Rüstungsindustrie auszubauen, um erstens einen quantitativen Rückstand zu vermeiden und vor allem, um den Feind deutlich zu überholen und unsere Streitkräfte mit modernen Waffensystemen in ausreichender Zahl auszustatten. Wir wissen, dass ein Koordinierungsrat eingerichtet worden ist. Was halten Sie übrigens von dessen Leistung?

Ehrlich gesagt, scheinen wir bisher Probleme zu haben. Die Versorgungskette, die von der Bestellung von Militärmaterial über die Fertigunganweisung und die industrielle Massenproduktion bis hin zur Lieferung von Produkten an die Front reicht, ist lückenhaft. Was muss getan werden, damit sie so schnell wie möglich wieder funktioniert?

Vladimir Putin:

Wissen Sie, das ist eine grundlegende Frage, absolut grundlegend. Wenn wir sagen   – ich habe es gesagt, und Sie haben es wiederholt   –, dass der Westen die Ukraine mit Waffen überschwemmt, dann ist das eine Tatsache. Niemand verheimlicht das, im Gegenteil, man ist stolz darauf. Im Übrigen gibt es hier einige Probleme, denn in gewissem Maße verstoßen sie gegen bestimmte Aspekte des Völkerrechts, wenn sie Waffen in ein Konfliktgebiet liefern. Ja, ja, ja, sie ziehen es vor, dem keine Beachtung zu schenken, sie tun es einfach. Egal, sie werden es weiterhin tun, und es macht absolut keinen Sinn, ihnen Vorwürfe zu machen, denn sie haben ihre eigenen geopolitischen Ziele in Bezug auf Russland, die sie niemals erreichen werden, niemals. Das muss ihnen doch klar sein. Aber ich denke, diese Erkenntnis wird ihnen erst nach und nach kommen.

Zum Thema Waffen und MIC-Entwicklung. Sehen Sie, wir hätten keine Fähigkeiten, wenn wir nicht vor etwa acht Jahren das MIC-Aufrüstungsprogramm vorgestellt und mit der Umsetzung begonnen hätten   – Sie erinnern sich vielleicht, wann das geschah. Sie erinnern sich, ja, viele der Anwesenden haben es sicher zur Kenntnis genommen. Es war wahrscheinlich vor etwa acht Jahren, vielleicht auch schon früher; wir haben ein Programm zur Modernisierung des militärisch-industriellen Komplexes gestartet. Wir haben damals sehr große Mittel bereitgestellt und Stück für Stück damit begonnen, unsere Unternehmen zu modernisieren, neue zu bauen, moderne Ausrüstung einzusetzen und so weiter. Dadurch wurde ein erheblicher Nachholbedarf geschaffen.

Natürlich hat sich während der speziellen Militäroperation gezeigt, dass wir von vielen Dingen nicht genug haben. Dazu gehören Hochpräzisionsmunition, Kommunikationssysteme...

Anatoly Borodkin:

Drohnen.

Vladimir Putin:

Ja, und Luftfahrzeuge, Drohnen und so weiter. Wir haben sie, aber leider sind sie nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Selbst jetzt, wenn ich mit den Männern an der Front spreche, sagen sie, dass sie ZALA-Drohnen brauchen, Gegenbatterieanlagen, und mehr davon, kleinere und effektivere. Unsere großen Drohnen sind zwar recht effektiv, aber es gibt nicht genug von ihnen und sie sind schwieriger zu bedienen.

Ich habe jetzt gesagt, dass in den Gebieten, in denen die ukrainische Armee versucht, anzugreifen, bereits mehrere Panzer zerstört wurden, ich glaube mit Kamikaze-Drohnen. Sie werden sehr effektiv eingesetzt, wahrscheinlich effektiver als die Drohnen des Feindes, aber wir haben nicht genug davon. Wir haben nicht genügend Orlan-Drohnen, und ihre Qualität muss verbessert werden, auch wenn sie ihre Funktion erfüllen. Das heißt, wir brauchen eine ganze Menge. Wir brauchen moderne Panzerabwehrwaffen und auch moderne Panzer.

Der Т-90 Breakthrough ist zu 100 Prozent der beste Panzer der Welt. Man kann jetzt sagen, dass der T-90 Breakthrough der beste Panzer der Welt ist   – sobald er seine Position eingenommen hat, kann kein anderer mehr etwas tun. Er schlägt länger und präziser zu, und er ist besser geschützt. Ein Kommandeur erzählte mir, dass der T-90 Breakthrough durch eine Landmine in die Luft gesprengt wurde   – leider starb der Panzermann. Offenbar wurde er hochgeschleudert, und dieser Mann wurde darin verwundet   – nicht durch eine Granate; er wurde einfach darin herumgeschleudert, und das war's. Der Panzer blieb funktionstüchtig. Das heißt, es ist genug von allem da... Nein, im Gegenteil, es ist nicht genug von allem da, aber ein großer Teil der Vorarbeit ist geleistet worden. Jetzt geht es darum, ihn aufzubauen.

Ich habe die Grundlagen erwähnt, und ich sollte darüber sprechen, was jetzt geschieht. Im Laufe des Jahres haben wir die Produktion unserer Hauptwaffen um das 2,7-fache gesteigert. Was die Herstellung der gefragtesten Waffen betrifft, so haben wir sie verzehnfacht. Verzehnfacht! Manche Industriebetriebe arbeiten im Zweischichtbetrieb, andere im Dreischichtbetrieb. Sie arbeiten praktisch Tag und Nacht und machen einen sehr guten Job.

Wie wir in solchen Fällen sagen, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um unseren Arbeitern und Ingenieuren zu danken, die Tag und Nacht arbeiten. Viele von ihnen gehen an die Front, um die Ausrüstung direkt in der Kampfzone einzustellen, und sei leisten sehr gute Arbeit.

Wenn wir also über eines unserer Hauptziele sprechen   – die Entmilitarisierung   –, dann wird genau dies erreicht. Sie haben immer weniger eigene Ausrüstung   – es ist fast nichts davon übrig. Sie haben einige alte sowjetische Anlagen, in denen sie versuchen, Hardware zu reparieren, aber deren Zahl nimmt ständig ab, denn wenn wir Informationen darüber erhalten, was wo stattfindet, versuchen wir, uns darum zu kümmern. In der Zwischenzeit wächst unsere Produktion, und die Qualität wird immer besser. Die Spezifikationen   – die Reichweite und die Präzision   – werden verbessert. Hätten wir diese spezielle Militäroperation nicht, hätten wir wahrscheinlich nicht verstanden, wie wir unsere Verteidigungsindustrie verbessern können, um unsere Armee zur besten der Welt zu machen. Aber wir werden dies tun.

Anatoly Borodkin:

Danke.

Irina Kuksenkova:

Guten Tag, Herr Präsident, Irina Kuksenkova, Kanal Eins.

Ich habe eine Frage zu einem Thema, das mich beunruhigt   – Rehabilitation   –, weil ich mich damit beschäftige. Das ist nicht weniger wichtig als der Kampf oder die Versorgung der Truppen. Ehrlich gesagt, ich weiß das ganz genau.

Vielen Dank, dass Sie den Fonds für die Verteidiger des Vaterlandes eingerichtet haben. Jetzt ist es schwer, sich vorzustellen, wie diese Vielzahl von Problemen ohne ihn gelöst werden könnte. Die Männer, die ihre Gesundheit für die Interessen unseres Landes geopfert haben, sollten sich nicht beleidigt oder ungerecht behandelt fühlen.

Das Problem ist, dass sich unsere Regionen nicht nur in ihren Budgets, sondern auch in ihrer Organisationsfähigkeit unterscheiden, während die Hilfe in allen Regionen gleich wirksam sein muss. Aber sie sind unterschiedlich, und so ist auch die Unterstützung unterschiedlich. Was denken Sie darüber?

Vladimir Putin:

Es ist ein sensibles Thema, das verstehe ich. Und das ist auch gut so. Jemand sagte, es gäbe verschiedene Fragen, darunter auch sehr heikle, und was Sie dazu sagten, war richtig. Aber es sind alles wichtige Fragen. Diese Frage ist auch sehr wichtig, das verstehe ich.

Ich hatte die Idee, die Stiftung "Verteidiger des Vaterlandes" zu gründen, nachdem ich Mütter und Ehefrauen der kämpfenden Jungs getroffen hatte, von denen einige leider schon ihr Leben für ihr Vaterland gelassen haben. Ich habe mich vor einigen Monaten mit ihnen in Nowo-Ogarjowo getroffen. Einige Frauen, eine Mutter eines verwundeten Soldaten, sagten: Es ist schwer für mich, ehrlich, denn es ist eine tiefe Wunde, und es ist schwer für mich. Dann sagten sie: Wir brauchen so etwas wie ein staatliches Unterstützungssystem. So entstand diese Idee, eine Stiftung zur Unterstützung der Verteidiger, der SMO-Teilnehmer, zu gründen. Ich hoffe, dass die Stiftung ins Leben gerufen wird und mehr und mehr aktiv arbeitet. Es ist sehr gut, dass sie Menschen beschäftigt, die auf die eine oder andere Weise mit der militärischen Sonderoperation verbunden sind   – entweder Familienmitglieder oder ehemalige Teilnehmer, auch solche Leute gibt es.

Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, dass erstens die staatlichen Garantien für alle gleich sind. Und jeder verdient den gleichen Betrag   – 196.000 am Anfang und später alles, was mit der Geldleistung zusammenhängt. Auch die sozialen Garantien mit verschiedenen Zahlungen aus staatlichen Quellen sind für alle gleich.

Aber Sie haben Recht   – wenn es um die Zahlungen der Regionen geht, handelt es sich um freiwillige Sozialleistungen der Regionen, niemand zwingt sie dazu, sie machen es extra. Dieser Umstand wirkt sich hier aus, was Sie erwähnt haben: Die Regionen haben unterschiedliche Ansätze   – sie versuchen es, einige von ihnen organisieren zusätzliche Zahlungen, andere helfen den Familien. Zum Beispiel kostenlose Schulmahlzeiten für Kinder, vorrangige Zulassung zu Hochschulen, was in Russland allgemein üblich ist; in den Vorschuleinrichtungen wird viel für Familien getan.


Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/demokratie/der-praesident-hat-sich-mit-kriegsberichterstattern-im-kreml-getroffen

17.06.2023

Der Präsident hat sich mit Kriegsberichterstattern im Kreml getroffen.       (II von III)

Ja, hier gibt es ein Problem, denn jede Region hat ihren eigenen Ansatz. Es ist ziemlich schwer, das zu vereinheitlichen, weil es das Vorrecht der Regionen ist. Aber wir müssen das berücksichtigen, das verstehe ich.

Irina Kuksenkova:

Das Problem ist nicht die Finanzierung, nicht der Reichtum, sondern die Tatsache, dass einige die Sache organisiert angehen und mit Herzblut bei der Sache sind. Wir kümmern uns zum Beispiel um die Rehabilitation und führen Amputierte in der Region Tula in den paralympischen Sport ein. Ich weiß mit Sicherheit, dass es dort gut organisiert ist, ich sehe es. Wir haben erst vor wenigen Tagen eine Rotation abgeschlossen, die alles ins rechte Licht gerückt hat. Inzwischen sehe ich, dass es in einigen anderen Regionen Probleme gibt. Wie können wir diese Organisation so aufbauen, dass die Menschen sie ernst nehmen, mit Gefühl?

Vladimir Putin:

Wissen Sie, was ich gerade gedacht habe? Ich habe gedacht, wir müssen die besten Praktiken übernehmen und sie anderen Regionen empfehlen. Wir können sie nicht zwingen, und das ist auch nicht nötig. Ich bin einfach der festen Überzeugung, dass die Leiter der Regionen, die Gouverneure, Dinge anders machen als ihre Nachbarn, und zwar nicht, weil sie dagegen sind, sondern weil sie es einfach nicht wissen, weil sie nicht über die Informationen verfügen. Und diese sollten verbreitet werden.

Geben Sie uns diese Informationen   – ich meine es ernst   – und wir werden versuchen, nein, wir werden es über das Präsidialamt und die bevollmächtigten Gesandten tun, wir werden dies im ganzen Land einführen.

Irina Kuksenkova:

Danke.

Vladimir Putin:

Ich danke Ihnen vielmals. Das ist sehr wichtig.

Semyon Pegov:

Herr President, Semyon Pegov, WarGonzo project.

Ich bin zwar kein Moderator, aber ich bin rothaarig und verwegen und werde Ihnen zwei Fragen stellen.

Vladimir Putin:

Aber nicht alle Rothaarigen sind verwegen. (Gelächter)

Semyon Pegov:

Nun, hier geht es nicht um mich.

Herr Präsident, erste Frage. Wie wir wissen, ist das Personal zu jeder Zeit der Schlüssel zu allem, besonders in der Armee, besonders während des Krieges.

Vladimir Putin:

Stalin hat das gesagt, oder nicht?

Semyon Pegov:

Ich glaube ja.

Leider ist das bestehende bürokratische System so aufgebaut, dass diejenigen, die gut auf dem Parkett dienen und sich rechtzeitig bei ihren Vorgesetzten einschmeicheln können, die Karriereleiter hinaufsteigen. Aber jetzt gibt es neue Rokossovskys, die an der Front geschmiedet werden, neue talentierte Jungs. Übrigens, ein großes Hallo an Sie von den Donbass-Kommandeuren, von Somali, von OBTF [separate Bataillonstaktische Formation] Kaskad, von Sparta, aber es geht nicht nur um sie.

Es gibt jetzt viele talentierte Leute, gute, mutige Leute, aber das System hindert sie daran, an die Spitze zu kommen. Wie können wir dieses Problem lösen, damit wir neue Perlen in unseren militärischen Angelegenheiten und in der Kriegskunst bekommen? Und es gibt einige, glauben Sie mir.

Die zweite, ebenfalls heikle Frage betrifft die Zahlungen für die Verwundeten und leider auch für die Gefallenen der Soldaten. Einige Fragen werden von der Arbeitsgruppe von Turchak von Person zu Person geklärt, aber es gibt zum Beispiel die Frage der Zahlungen für die zerstörte Ausrüstung. Ich persönlich kenne niemanden   – die Jungs lassen mich nicht lügen   – ich kenne keinen einzigen Soldaten, der eine Zahlung für einen zerstörten Panzer oder eine zerstörte Befestigung erhalten hat. Obwohl das alles angekündigt wurde, weiß es jeder und die Jungs machen sich sogar untereinander lustig: Warum wurde es versprochen, aber es ist nicht passiert. Und noch einmal: Die Jungs lassen mich nicht lügen   – das ist wirklich wahr.

Danke.

Vladimir Putin:

Es ist eher eine Aufforderung zum Handeln als eine Frage.

Was die Personalausstattung betrifft, so ist dies der erste Teil der Geschichte. Es ist eine sehr wichtige Frage. Vor der speziellen Militäroperation gab es natürlich, wie in jeder Regierungsbehörde, eine Menge Teppich-Ritter. Wissen Sie, vor der Pandemie gab es nur eine einzige Situation im Gesundheitswesen, aber sobald die Pandemie ausbrach, gab es Leute, die man mit Militärpersonal gleichsetzen könnte, obwohl sie Zivilisten waren. Wir wissen, dass sich Menschen furchtlos in diese Gefahrenzonen begeben haben, ohne zu wissen, wie das für sie ausgehen würde. Das Gleiche gilt für das Umfeld der Armee: Die militärische Sonderoperation wurde eingeleitet, und man begann schnell zu erkennen, dass Teppichritter, und davon gibt es in jeder Armee der Welt unter Friedensbedingungen überall mehr als genug, gelinde gesagt unwirksam sind.

Andererseits, und da haben Sie völlig Recht, Herr Pegov, traten Leute auf, die im Schatten zu stehen schienen   – sie waren nicht sichtbar und wurden nicht gehört, aber es stellte sich heraus, dass sie sehr effektiv und sehr gefragt waren. Leider sind solche Leute die ersten, die gehen, weil sie sich nicht schonen   – das ist das Problem.

Trotzdem müssen wir natürlich... Ich hoffe, dass dies geschieht und weiterhin geschehen wird. Wir müssen es beobachten. Ich werde Ihnen sagen, warum: weil wir in dieser Frage einer Meinung sind. Ich teile diesen Standpunkt voll und ganz. Solche Menschen sollten gesucht werden   – gesucht und gefördert werden, um an die Spitze zu gelangen, ausgebildet, befördert und mit mehr Vertrauen ausgestattet werden.

Das jüngste Beispiel ist das beste. Wie Sie wissen, besuchte ich gestern ein Krankenhaus und überreichte Orden an Menschen, darunter auch an einen Offizier, der während der Feindseligkeiten auf dem Schlachtfeld recht gut kommandiert hat. Ich habe ihm einen Stern für einen russischen Helden verliehen. Wir hatten ein sehr offenes Gespräch, als ich mit ihm telefonierte. Sie brachten den jungen Mann vom Schlachtfeld ins Krankenhaus, und sie hatten noch keine Zeit, ihn zu operieren. Sie betäubten lediglich seine Beine, weil er zwei Wunden, unter anderem am Schienbein, erlitten hatte. Er sprach mit mir in einer ziemlich robusten Art und Weise, und ich fragte ihn, wie die Schlacht verlaufen sei.

Ich habe mich gestern daran erinnert, ich glaube, das ist wichtig, und ich werde es noch einmal erwähnen. Ich habe ihn gefragt: "Jurij, man hat mir gesagt, dass Sie getötet worden sind." Er antwortete: "Kamerad Oberbefehlshaber, ich bin nicht tot, ich lebe." Ich sagte: "Jetzt sehe ich, dass Sie leben. Man sagte mir, Soldaten hätten Sie vom Schlachtfeld getragen." Er antwortete: "Nein, ich war es, der sie getragen hat." Ich sagte: "Wie haben Sie das mit Ihrer Wunde geschafft?" Er antwortete: "Ja, ich habe zwei Wunden am Bein." Gestern erzählte er mir, dass es sich bei der ersten Wunde um eine Schusswunde handelte, und dass ihn später, als die Einheit verlegt wurde, ein Granatsplitter traf. Übrigens, sagte ich: "Wie lange sind Sie schon im Dienst?" Er antwortete: "Acht Jahre." Ich sagte: "Und wie alt sind Sie?" "Ich bin 24 Jahre alt." Ich sagte: "Warten Sie mal, wann sind Sie zur Armee gegangen?" Er antwortete: "Ich wurde mit 18 Jahren eingezogen." Ich sagte: "Dann sind es sechs Jahre." Er sagte: "Tut mir leid, ich habe mich geirrt, weil ich so nervös bin." (Gelächter) Ich sagte: "Verstehe, Sie sind Unterleutnant." "Ja, das bin ich." "Sind Sie Kompaniechef?" "Ja." Wissen Sie, ich habe mich gestern daran erinnert und ihn gebeten, mir zu erzählen, wie die Schlacht verlaufen ist. "Zuerst gab es ein Artilleriefeuer, und niemand wich zurück. Alle Soldaten besetzten ihre Stellungen, und einige Zeit später rückten Panzer an. Ich fragte: "Wie haben sich Ihre Soldaten verhalten?" "Alle blieben an Ort und Stelle, alle bekämpften den Feind, und gepanzerte Fahrzeuge und Infanterieeinheiten unterstützten uns."

Wie unterscheidet sich dies also vom Großen Vaterländischen Krieg? Gar nicht. Die Situation ist genau dieselbe. Es gibt Tote und Verwundete, sie kämpfen und kämpfen, alles ist gleich.

Ich habe ihn gefragt: "Sie sind also Unterleutnant und befehligen eine Kompanie. Soweit ich weiß, waren Sie vor nicht allzu langer Zeit noch Feldwebel." "Ja", sagte er. Im Übrigen kämpfen Feldwebel heute recht gut. Diese Kategorie von Nachwuchsführungskräften hat sich in den letzten mehr als 12 Monaten verbessert, und sie schlagen sich recht gut. Ich sagte: "Sind Sie heute ein Unterleutnant?" "Ja." Ich sagte ihm: "Ich befördere Sie zum Oberleutnant." Gestern habe ich ihm gesagt, er solle sich an einer Akademie einschreiben, natürlich müssen wir überall nach diesen jungen Männern suchen.

Sie sind klug, gebildet, ausgeglichen und mutig, und sie wollen dem Vaterland im direktesten und edelsten Sinne des Wortes dienen. Seine Leute sind absolut gleich. Wissen Sie, ich habe ihn gefragt: "Habt ihr Verluste zu beklagen?" Er antwortete: "Ja, leider." "Wie viele habt ihr verloren?" "Zehn Gefallene und zehn Verwundete." Die Jungs aus seiner Einheit standen gestern neben ihm.

Natürlich müssen wir nach solchen Leuten suchen. Es gibt viele von ihnen, da haben Sie völlig recht. Der Verteidigungsminister und der Generalstabschef teilen meine Position voll und ganz, ich habe dieses Thema schon oft angesprochen, und sie sagen: "Natürlich müssen wir das tun." Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass sie, wie in jedem Ministerium, eine vielschichtige Bürokratie haben. Sicherlich müssen wir Mechanismen für die soziale Mobilität schaffen, einschließlich solcher, die solche Leute ausfindig machen und sie auf die erforderliche Ebene in der Armee und der Gesellschaft heben.

Ich werde darüber nachdenken, und ich schlage vor, dass Sie auch darüber nachdenken: Das ist nichts Besonderes. Wir diskutieren keine speziellen Fragen im Zusammenhang mit der Militärwissenschaft, sondern es handelt sich um rein administrative Entscheidungen. Wenn Sie irgendwelche Ideen haben, können Sie diese gerne vorschlagen. Alles klar? Das ist völlig richtig.

Über die Zahlungen. Ja, ich erinnere mich nicht genau, aber meiner Meinung nach sollten 300 Tausend für ein Flugzeug, 100 Tausend für einen Panzer zusätzlich bezahlt werden. Die Tatsache, dass sie nicht zahlen   – das überrascht mich.

Semyon Pegov:

Leider ist dies eine absolute Tatsache   – die Jungs sagen Ihnen die Wahrheit.

Vladimir Putin:

Ich bestreite nicht, was Sie gesagt haben, ich denke, es ist so, wie es ist. Ich werde heute in Gesprächen mit dem Verteidigungsministerium auf jeden Fall gleich darauf zurückkommen   – auf jeden Fall, zu 100 Prozent.

Übrigens, die Jungs arbeiten sehr mutig, sehr effektiv. Ich sagte gerade, als wir das Gespräch begannen, dass der Angriff aus zwei Richtungen kommt. Mehrere Panzer wurden von der Luftwaffe getroffen, die Hubschrauber funktionieren sehr gut. Übrigens ein großes Dankeschön an die Piloten. Helden, wahre Helden! Sie kämpfen sehr wirksam, wirklich großartig. Und mehrere gepanzerte Fahrzeuge und ein Panzer wurden von der Infanterie mit modernen Panzerabwehrwaffen getroffen, die ebenfalls knapp sind. Kornette funktionieren perfekt, aber wir brauchen mehr davon. Wir werden mehr machen.

Also werde ich es auf jeden Fall überprüfen.

Semyon Pegov:

Danke, Herr Präsident.

Vladimir Putin:

Danke für den Hinweis.

Weitere Fragen, bitte?

Ilya Lyadvin:

Guten Tag, Herr Präsident. Ilya Lyadvin, NTV.

Das Thema der Zahlungen an Vertragssoldaten wurde bereits in einer ähnlichen Frage angesprochen. Trotzdem möchten wir den regionalen Fall etwas erweitern, zum Beispiel zahlt Tschuwaschien 50 [Tausend Rubel], Tscheljabinsk 50, aber es gibt kleine Extrazahlungen für Kinder, aber Transbaikal zahlt 150-200, Burjatien 200. Es gibt einen Punkt: Glauben Sie nicht, dass es sozusagen eine Lücke in den Fähigkeiten der Regionen gibt, sodass jemand 200 bezahlen kann?

Vladimir Putin:

Wie ich bereits sagte, hat Frau Kuksenkova mich vorhin gefragt, und ich habe ihre Frage bereits beantwortet. Was die Zahlungen des Bundes betrifft, so sind sie für alle gleich, unabhängig davon, von wo aus sich eine Person den Streitkräften angeschlossen hat.

Ilya Lyadvin:

Ja, sie sind gleich.

Vladimir Putin:

Die regionalen Zahlungen sind regional freiwillig   – die Region tut das zusätzlich, und wir können hier keine direkten Anweisungen geben. Wir können empfehlen, dass sie einen gemeinsamen Standard wählen.

Sie haben natürlich völlig recht: Es gibt einen Mann, der kämpft, vielleicht neben einem anderen in einem Graben steht, Verwundeten hilft oder sie vom Schlachtfeld trägt, aber einer bekommt einen etwas höheren Bonus aus der Region und der andere einen niedrigeren   – das sieht sicherlich ungehörig aus.

Ich wiederhole: Dies gilt nicht für die Bundesbehörden   – es handelt sich um rein regionale Zahlungen, die überhaupt nicht verpflichtend sind. Die Regionen könnten überhaupt nichts bezahlen, aber sie tun es freiwillig. Aber natürlich ist es besser, hier eine Art gemeinsamen Ansatz zu haben.

Ich stimme Ihnen zu, Sie haben Recht. Wir werden mit den Gouverneuren zusammenarbeiten.

Ilya Lyadvin:

Vielleicht nur eine Art generelles Programm, sodass es vielleicht wirklich auf der legislativen Ebene ist.

Vladimir Putin:

Herr Lyadvin, wir sind ein Rechtsstaat, im Gegensatz zur Ukraine. Das ist kein Witz, keine Ironie. Was soll ich sagen? Regionen haben gewisse Rechte, Regionen haben gewisse Verantwortlichkeiten, der Bund hat gewisse Rechte. Die Föderation kann in diesem Fall, so paradox es klingen mag, keine direkten Weisungen im Hinblick auf die Kompetenzen erteilen. Aber wir können etwas empfehlen, und ich bin sicher, dass die Gouverneure antworten werden, aber ich würde gerne eine Erhöhung sehen, nicht eine Verringerung. Wir werden daran arbeiten.

Sie haben Recht, ich unterstütze Sie voll und ganz   – glauben Sie mir. Ich kenne dieses Problem   – ich habe es schon viele Male auf verschiedenen Ebenen angesprochen, aber es ist nicht leicht, einen Ausgleich zu erreichen. Wir werden es versuchen.

Ilya Lyadvin:

Danke.

Yury Podolyaka:

Herr Präsident, ich bin Yury Podolyaka, Blogger.

Ich möchte auf ein Thema zurückkommen, das bereits angesprochen wurde: der Mangel an modernen Waffensystemen bei der Armee.

Leider ist es so, dass wir vor der Spezialoperation nicht wussten, dass eine Menge spezieller Ausrüstung und Waffen benötigt werden, und heute wird ein Großteil dieser Ausrüstung selbst hergestellt. Ich sammle Mittel bei der Volksfront, und wir sammeln jetzt Mittel für die elektronische Kriegsführung, und ich sage Ihnen gleich: Fast   – nein, nicht fast   – alle Geräte, die mit diesem Geld gekauft werden, werden in der Tat zusammengeschustert.

Wo liegt das Problem? Sie erweisen sich an der Front als wirksam, die Soldaten sagen "Ja, das ist es, was wir brauchen", aber unser bürokratisches System erlaubt es nicht, sie schnell einzuführen und seriell einzusetzen. Das heißt, die Möglichkeiten, die wir haben, sind spärlich, wir können vielleicht Tausende oder Zehntausende kaufen, aber wir brauchen leider Hunderttausende.

Vielleicht können wir dies über das Industrie- und Handelsministerium oder das Verteidigungsministerium tun oder diese Verfahren für die militärische Sonderoperation beschleunigen. Dies würde die Effizienz und Sicherheit unserer Soldaten sofort dramatisch verbessern. Nur zum Beispiel: Ein individueller Drohnen-Analysator rettet Tausenden Soldaten das Leben. Es ist nicht schwer, es einzuführen, es ist nicht kompliziert, und wir werden Tausende von ihnen kaufen, aber Zehntausende sind notwendig. Unser Verteidigungsministerium kann das nicht, weil es bürokratische Strukturen gibt, deren Lösung Monate in Anspruch nimmt und die das Leben unserer Soldaten beeinträchtigen.

Es wäre großartig, dieses Problem wenn möglich zu lösen. Vielen Dank.

Der zweite Punkt später, wenn ich darf. Darf ich noch eine zweite Frage stellen?

Vladimir Putin:

Warten Sie bitte einen Moment. Das Problem ist bekannt, ich denke, Anatoly Borodkin hat über die Arbeit des militärisch-industriellen Sektors gesprochen. Sie haben mir soeben einen Vorschlag unterbreitet, den ich als Antwort auf seine Frage hinzufügen kann.

Wie Sie wissen, gibt es neben der Tatsache, dass wir einen guten Anfang bei der Aufrüstung des militärisch-industriellen Komplexes gemacht haben, und abgesehen davon, dass die Produktion der am meisten nachgefragten Produkte jetzt recht schnell wächst   – sie haben sich bereits verzehnfacht   –, einen weiteren sehr großen Vorteil, der offen gesagt auch für mich unerwartet ist. Wir haben Dutzende, Hunderte von Privatunternehmen, die nie etwas mit dem militärisch-industriellen Komplex zu tun hatten, die sich dieser Arbeit angeschlossen haben: kleine und mittlere Unternehmen. Ich werde sie jetzt nicht aufzählen, weil ich befürchte, dass wir diesen Unternehmen unnötige Aufmerksamkeit schenken werden.

Wissen Sie, sie haben zum Beispiel Rohre hergestellt   – und es stellt sich heraus, dass man außer Rohren noch etwas Anderes machen kann. Und so ist es überraschend einfach in vielen Bereichen. Und im Großen und Ganzen bedeutet dies einen guten Entwicklungsstand der realen Produktion im Allgemeinen. Ja, ja, wir haben viele Probleme in der Mikroelektronik, aber wie sich herausstellte, konnten sie sehr schnell Fahrt aufnehmen und begannen sich zu entwickeln.

Dennoch haben wir nicht alle Probleme gelöst, und hier hat Herr Podolyaka völlig Recht. Glauben Sie mir, ich habe bereits gesagt, was Sie gerade hundertmal gesagt haben. Ich werde noch einmal darauf zurückkommen und versuchen, es wieder zu reparieren.

Sehen Sie, wenn es Ideen gibt, wie man diese unnötigen bürokratischen Verfahren umgehen kann, um alles nach oben zu bringen, dann, wenn ich anfange, etwas voranzutreiben, ist die Antwort, wissen Sie, wir müssen überprüfen, wie wirksam es ist, ist es wirklich so? Nun, was sagen Sie dagegen, sehen Sie?

Yury Podolyaka:

Die Soldaten an der Front sagen, dass es effektiv ist. Und wissen Sie, ein sehr guter Grund den die Soldaten angeben, der einfach tödlich für solche Funktionäre ist, ist: Nun, wenn es ineffektiv ist, geben Sie uns etwas Effektives.

Während unser Ministerium ihnen beispielsweise keine effektive Ausrüstung geben kann, sollten sie diese haben, die sie aus irgendeinem Grund für unwirksam halten. Wenn die Soldaten so denken.

Vladimir Putin:

Herr Podolyaka, die einfachste Sache ist: Geben Sie mir, was Sie haben, und ich werde versuchen...

Yury Podolyaka:

Ja, in Ordnung, danke. Ich werde das separat einreichen.

Vladimir Putin:

Das wäre das Beste.

Yury Podolyaka:

Sehr gut, dann mache ich das.

Vladimir Putin:

Dann werden Sie und ich einen Plan ausarbeiten, wie diese bürokratischen...

Yury Podolyaka:

Gut, danke.

Ilya Ushenin:

Herr Präsident, ich bin Ilya Ushenin von NTV.

Ich habe eine Frage zu den berüchtigten roten Linien. In der SMO-Zone befinden wir uns eindeutig nicht nur im Krieg mit dem Kiewer Regime, sondern auch mit dem so genannten kollektiven Westen. Die NATO-Länder bewegen sich ständig und überschreiten unsere roten Linien. Wir bringen unsere Besorgnis zum Ausdruck und sagen immer wieder, dass dies inakzeptabel ist, aber sie geben nie konkrete Antworten.

Werden wir weiter unsere roten Linien verschieben?

Vladimir Putin:

Hören Sie, ist die spezielle Militäroperation selbst nicht eine Reaktion darauf, dass sie diese Grenzen überschreiten? Das ist der erste und wichtigste Punkt. Wir haben oft gesagt: "Tu dies nicht, lass uns das tun, wir sind bereit für Gespräche." Am Ende veranlassten sie uns dazu, Gewalt einzusetzen, um den Krieg zu beenden, den sie 2014 begonnen hatten. Sie sagen uns immer wieder: "Du hast den Krieg begonnen, Putin ist der Aggressor." Nein, sie sind die Aggressoren, sie haben diesen Krieg begonnen, und wir versuchen ihn zu stoppen, aber wir sind gezwungen, das mit dem Einsatz der Streitkräfte zu tun. Ist das nicht die Antwort darauf, dass sie die roten Linien überschreiten? Das ist mein erster Punkt.

Zweitens: Es mag nicht alles von den Medien berichtet werden, obwohl es nichts gibt, wofür man sich schämen müsste. Sind Anschläge auf das ukrainische Energiesystem keine Antwort darauf, dass sie die roten Linien überschreiten? Und die Zerstörung des Hauptquartiers der wichtigsten Geheimdienstdirektion der ukrainischen Streitkräfte außerhalb von Kiew, fast innerhalb der Stadtgrenzen von Kiew, ist das nicht die Antwort? Das ist sie.

Wir werden weiterhin selektiv vorgehen. Wir werden nicht das tun, was diese Halbgeister tun, wenn sie zivile Stätten und Wohngebiete ins Visier nehmen. Das werden wir natürlich nicht tun. Wir werden weiterhin selektive Antworten liefern.

Sergei Zenin:

Herr Putin, da wir Menschen in unserer Mitte haben, die für Ihr Leben und Ihre Gesundheit verantwortlich sind, und da dies keine Live-Übertragung ist, werde ich zuerst einige Manipulationen vornehmen und dann ein paar Worte sagen.

Vladimir Putin:

Okay.

Sergei Zenin:

Ich habe ein Geschenk für Sie.

Vladimir Putin:

Ein Schaman.

A shaman.

Sergei Zenin:

Es ist reiner und unverfälschter Alkohol. Das beste Antiseptikum das es gibt. Man muss etwas mitbringen, wenn die Leute einen einladen. Hier ist also das Geschenk. Hier ist, worum es geht. Die Person, die es mir gegeben hat, lebt weit weg von unserer Grenze und weit weg von der Frontlinie dank unserer Truppen. Das ist das so genannte, nicht das so genannte, sondern das tatsächlich befreite Gebiet, das Dorf Timonovo, nicht weit von Svatovo. Er stieß in seinem Garten auf ein paar Münzen.

Vladimir Putin:

Münzen?

Sergei Zenin:

Richtig, Münzen, ein Glas Münzen. Es gibt Münzen aus der Zeit der Kaiser Alexander und Nikolaus sowie Kaiserin Katharina die Große. Dies ist eine Münze aus der Zeit von Kaiser Nikolaus. Die Person, die mir das gegeben hat, sagte, "Schau, von was für einer Ukraine reden sie?" Er fand diese Münze in seinem Garten.

Ich habe Ihnen diese Geschichte erzählt, weil es eine wichtige Wendung gibt. Er hat einen Sohn, Nikolai, der von sich aus entfernte Explosionen gehört und Gräben um das Dorf gegraben hat, klein aber tief genug für einen erwachsenen Mann. Er hat es ganz allein mit einer Schaufel gemacht. Er platzierte dort Panzerabwehr-Igel, eine Art Fantasie-Maschinengewehre und läuft mit einem Maschinengewehr herum, das aus einem Brett gemacht ist, genau die, die wir als Kinder gebaut haben. Ich selbst habe solche Maschinengewehre gemacht. Er machte eines selbst aus einem Stück Holz und klopfte einen Nagel hinein, um ihn wie eine Kimme aussehen zu lassen. Er tut so, als bewachte er das Dorf. Er träumt davon, der russischen Guard-Kadettenschule beizutreten. Helfen wir ihm, bitte.

Vladimir Putin:

Machen wir. Wie alt ist er?

Sergei Zenin:

Er kann dieses Jahr eintreten. Er ist fast 12.

Vladimir Putin:

Ich verspreche es, ich werde das heute mit Herrn Zolotov besprechen. Geben Sie mir seine Details.

Sergei Zenin:

Vielen Dank. Ausgezeichnet, das sind tolle Neuigkeiten.

Vladimir Putin:

Danke für Ihre Bemühungen, das Personal zu fördern, das das Vaterland braucht. Gott segne sie.

Sergei Zenin:

Ich werde Ihnen seine Einzelheiten später mitteilen.

Vladimir Putin:

Gut.

Sergei Zenin:

Jetzt, da wir die Atmosphäre etwas aufgelockert haben, möchte ich auf zwei recht akute und wichtige Fragen kommen.

Vladimir Putin:

Im Hinblick darauf, "von welcher Ukraine reden wir", die Ukraine, so wie sie sein mag, existiert, und wir müssen ihr mit Respekt begegnen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies ein Grund dafür ist, dass wir respektlos behandelt werden. Darum geht es.

Wenn einige der Menschen, die in diesen Gebieten leben, glauben, dass sie in einem separaten und unabhängigen Staat leben wollen, muss ihre Präferenz respektiert werden. Die Frage ist nur, warum sie auf unsere Kosten und in unseren historischen Gebieten leben sollten. Wenn sie in unseren historischen Gebieten leben wollen, dann sollten sie ihre politische Führung beeinflussen, damit sie richtige Beziehungen zu Russland aufbaut und niemand von diesen Gebieten aus eine Bedrohung für uns darstellt. Das ist das Problem. Darum geht es bei diesem Thema.

Ich hatte mehrere Auseinandersetzungen mit Belarus, Lukaschenko. Der Präsident eines Landes, in diesem Fall Weißrussland, verteidigt seine Interessen ganz klar, wie er es für richtig hält, und zwar konsequent und hart. Wir hatten Streit. Aber ist irgendjemandem je in den Sinn gekommen, einen Konflikt mit Belarus zu beginnen? Niemand hätte je daran gedacht, einen Konflikt mit der Ukraine zu beginnen, wenn wir normale Beziehungen als Personen hätten. Es besteht nicht einmal die Notwendigkeit eines Unionsstaates. Aber was sie dort taten, war eine Anti-Russland-Bewegung. Sie schufen sie als Grundlage ihrer eigenen Existenz. Sie schufen das Anti-Russland und begannen, es zu stärken. Das ist das Problem.

Es gibt auch die NATO-Frage. Schließlich wurde in der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine, als sie ihre Unabhängigkeit erlangte, ausdrücklich erklärt, dass die Ukraine ein neutraler Staat sei. Wer war es, der 2008, als alles gut und keine Ereignisse auf der Krim in Sicht waren, plötzlich sagte, er wolle der NATO beitreten, und die NATO öffnete ihnen ihre Türen, indem sie auf dem Gipfel in Bukarest erklärte, die Türen der NATO stünden der Ukraine offen?

Sie haben nicht nur alle betrogen, als sie sagten, die NATO würde sich nicht nach Osten ausdehnen, sondern sie haben auch geplant, dass unsere historischen Gebiete mit einer russischsprachigen Bevölkerung der NATO beitreten. Das ist völlig aus der Reihe, oder? Das ist es. Sie sind sich bewusst, dass sie uns bedrohen, aber sie arbeiten trotz unserer Versuche, richtige Beziehungen herzustellen, weiter daran. Das ist das Problem.

Was diejenigen angeht, die sich als Ukrainer fühlen und in einem unabhängigen Staat leben wollen, tun Sie um Gottes Willen, was Sie wollen. Es ist notwendig, dies mit Respekt zu behandeln, aber schaffen sie keine Bedrohung für uns.

Anatoli Sobtschak hatte recht mit dem, was er zu seiner Zeit sagte. Menschen aus verschiedenen politischen Kreisen haben unterschiedliche Einstellungen ihm gegenüber, aber er war ein kluger Mann. Ich bin mir da zu hundert Prozent sicher, weil ich lange mit ihm zusammengearbeitet habe. Er sagte aus gutem Grund: "Wenn du gehen willst, dann geh, aber nimm nur das, was du mitgebracht hast." In den Jahren 1645 oder 1654 existierte die Ukraine überhaupt nicht. Es werden Briefe im Archiv aufbewahrt. Die Menschen schrieben an Warschau: "Wir, die russisch-orthodoxen Menschen, verlangen, dass unsere Rechte geachtet werden." Dieselben Menschen schrieben auch nach Moskau: "Wir, die russisch-orthodoxen Menschen, bitten euch, uns in das russische Zarenreich aufzunehmen." Verstehen Sie das?

Ja, allmählich begannen sie, Land aufzubauen, während wir es weggaben. Aus irgendeinem Grund beschloss Wladimir Lenin, die gesamte Schwarzmeerregion aufzugeben. Warum in aller Welt hat er das getan? Rein historisch betrachtet handelt es sich dabei um russische Ländereien. Natürlich gab es dort keine Verbindung zur Ukraine, überhaupt keine. Die Ukraine erschien wirklich erst 1922, und diese Tatsache wurde in der Verfassung besiegelt. Riesige russische Gebiete wurden dort verschenkt   – einfach umsonst. Und, wie gesagt, ich habe Papiere und Briefe aus den Archiven gelesen. Zuerst haben sie eine Entscheidung getroffen, ich glaube auf dem Kongress oder einem Treffen des Politbüros über eine Republik. Wie war der Name? Ich glaube, die Republik Krivoy Rog, richtig?

Bemerkung:

Die Donetsk Republik.

Vladimir Putin:

Die Donetsk-Krivoy Rog Republik. Ja, sie sollte Teil der RSFSR sein. Dann kamen die Bolschewiken aus diesen Ländern und sagten, "Warum hinterlässt uns diese Dorfbewohner?" Das heißt, die Bauern, die als kleinbürgerlich galten. Dann wieder nahmen sie die Diskussion über den Ort wieder auf, an den der Donbass, diese Republik Donezk-Kriwoj Rog, verlegt werden sollte. Die Menschen aus dem Donbass sagten: "Warum? Es ist bereits entschieden, dass wir Teil Russlands sind?" Sie schrieben "Mutter Russland". Lenin sagte ihnen: "Es ist notwendig, diese Entscheidung zu überdenken." Also überlegten sie es unter ihren eigenen Bedingungen.

Waren sie total verrückt geworden? Wer hat die Leute danach gefragt? Gab es ein Referendum oder ein Plebiszit? Worum ging es? Okay, sie haben zuerst ein Stück Land dorthin transferiert und dann haben sie es getrennt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube nicht, dass das jemals zuvor in der Geschichte passiert ist. Okay, nun müssen wir mit diesem Paradigma leben. Aber obendrein begannen sie dort eine "Anti-Russland"-Bewegung zu schaffen, die uns bedrohte. Aber die Menschen wollen nicht so leben, dort leben. Sie gehen auf uns zu. Was sollen wir also tun? Diese Leute fallen lassen oder was? Das ist also das Ergebnis, das wir haben.

Was die Ukraine angeht, von welcher Ukraine sprechen Sie? Es gab überhaupt nichts, es gab keine Ukraine. Die Ukraine erschien 1922, wie gesagt. Jetzt zerstören die dankbaren Nachfahren Denkmäler für Lenin, den Gründer der Ukraine.

Sergei Zenin:

Diese Leute haben auf uns gewartet, und sie betrachten es als Russland.

Vladimir Putin:

Ja, natürlich.

Sergei Zenin:

Herr Präsident, gestatten Sie mir, Ihnen zwei Fragen zu stellen. Sie sind ziemlich dringlich, weil viele Menschen an der Front auf Antworten warten. Beides betrifft die so genannten privaten Militärunternehmen, die in unserem Land angeblich de jure verboten sind, aber de facto an der Front immer noch existieren. Sie kämpfen mit unterschiedlichem Erfolg, aber manchmal mit sehr guten Ergebnissen.

Was sollte getan werden, um dieses juristische oder rechtliche Vakuum zu beseitigen und sie in den Rechtsbereich zurückzuführen? Wir sprechen nicht nur mit Kommandanten, sondern auch mit Soldaten, und es gibt gewisse Ressentiments.

Vladimir Putin:

Ja, ich verstehe. In dieser Hinsicht haben Sie vollkommen recht. Ich habe die Abgeordneten der Staatsduma und des Verteidigungsministeriums gebeten, alles mit dem gesunden Menschenverstand, der gängigen Praxis und dem Gesetz in Einklang zu bringen.

Natürlich sollten wir die Menschen nicht in eine falsche Lage bringen. Erstens, egal wer sie sind und in welcher Eigenschaft sie zufällig an vorderster Front stehen, alle sind Verteidiger des Vaterlandes, und das Heimatland muss voll und ganz auf ihre Bereitschaft reagieren, ihr Leben für das Vaterland zu riskieren oder zu geben. Sie alle müssen in einer gleichen Position sein. Um dies zu erreichen, ist es jedoch notwendig, entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Daran wird derzeit gearbeitet.

Meines Wissens unterzeichnet das Verteidigungsministerium jetzt Verträge mit allen, die bereit sind, ihren Dienst in der militärischen Sondereinsatzzone fortzusetzen. Dies ist die einzige Möglichkeit, ihnen soziale Garantien zu geben, denn wenn es keinen Vertrag mit dem Staat, keinen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium gibt, gibt es keine rechtliche Grundlage für den Erhalt sozialer Garantien vom Staat. Das muss so schnell wie möglich geschehen.

Es gibt einige Nuancen. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber es ist möglich, auch am Gesetz Anpassungen vorzunehmen. Im Großen und Ganzen stehen diesen Freiwilligenformationen im rechtlichen Sinne nur private Sicherheitsstrukturen nahe. Aber es gibt viele Dinge, die zusätzlich geregelt werden müssen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es zunächst darum geht, Verträge mit allen Freiwilligenorganisationen zu schließen   – andernfalls gibt es keine sozialen Garantien im Namen des Staates. Und zweitens müssen bestimmte Gesetzesänderungen vorgenommen werden. Beide Maßnahmen werden durchgeführt.

Sergei Zenin:

Noch eine Frage zu PMCs. Das ist eine sehr seltsame Situation. Einerseits sind diese Menschen oft wahre Helden. Andererseits verhalten sie sich, wenn sie ins zivile Leben zurückkehren, anders. Es gibt Situationen, in denen Menschen   – es ist kein Geheimnis, dass es Menschen gibt, die aus dem Gefängnis dorthin gekommen sind   – zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren, Straftaten begehen, manchmal schwere Verbrechen begehen. Diese Leute verunglimpfen die anderen, die immer noch kämpfen und Blut vergießen. Auch sie selbst vergießen Blut, aber kehren in ihr altes Leben zurück.

Wie trennen wir in dieser besonderen Situation das Gute vom Schlechten? Es handelt sich um dieselben PMC-Kämpfer.

Vladimir Putin:

Erinnern Sie sich, Makar Nagulnov von Sholokhov [in dem Roman Virgin Soil Upturn] sagte: Er war ein guter Kommunist, und alles war gut, aber dann, verzeihen Sie mir, meine Sprache, wurde er ein Schurke und wurde ein Feind der Revolution. Hier läuft es leider genauso.

Ein Mann kämpft   – Ehre und Lob ihm gegenüber, und der Staat muss seinen Verpflichtungen gegenüber diesen Menschen nachkommen, was wir tun. Was die sozialen Garantien betrifft, so ist es wichtig, Verträge mit dem Staat zu unterzeichnen, was eine offensichtliche Notwendigkeit ist, da es sonst keine Verpflichtungen seitens des Staates gibt und Ungerechtigkeit gegenüber den Menschen an der Front entsteht. Sie erhalten es sofort. Ich unterschreibe doch Begnadigungsbefehle.

Tatsächlich sind wiederholte Verbrechen eine Tatsache des Lebens. Aber dann muss eine Person in vollem Umfang des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden, egal was passiert. So war es während des Großen Vaterländischen Krieges: Wenn jemand an der Front kämpfte, wurde er geehrt und gelobt, aber wenn er gegen das Gesetz verstieß, wurden sie zur Rechenschaft gezogen wie jeder andere auch.

Darauf sollte man achten. Schauen Sie, abgesehen von der militärischen Sonderoperation, beträgt die Wiederholungsrate bei denjenigen, die ihre Strafe verbüßt und zum normalen Leben zurückgekehrt sind, in einigen Fällen bis zu 40 Prozent. Unter den SMO-Teilnehmern liegt dieser Anteil nur bei 0,4 Prozent.

Sergei Zenin:

Dieser Prozentsatz ist sehr klein.

Vladimir Putin:

Ja, in der Tat.

Sergei Zenin:

Aber es ist immer noch ein Wermutstropfen.

Vladimir Putin:

Nun, das ist das Leben. Es ist eine komplexe und vielfältige Sache. Du kannst nichts dagegen tun. Es diktiert uns seine strengen Gesetze.

Um es noch einmal zu sagen: Die Rückfallquote ist zehnmal geringer als im Allgemeinen. Sie ist unvermeidlich, doch die negativen Folgen sind minimal.

Dmitry Kulko:

Herr Präsident, eine Ergänzungsfrage zu der Gegenoffensive.

Vladimir Putin:

Nur zu.

Dmitry Kulko:

Früher oder später wird sich die ukrainische Gegenoffensive verzetteln, oder besser gesagt, unsere Truppen werden sie mit ihren heroischen Anstrengungen zum Stillstand zwingen. Es ist klar, dass die westlichen Länder   – ungeachtet der Verluste, die die Ukraine erleidet   – der Ukraine weiterhin Waffen liefern werden.

Vladimir Putin:

Das ist umstritten.

Dmitry Kulko:

Auf jeden Fall lautet die Frage, was als Nächstes passieren wird. Werden wir uns rüsten, um eine weitere Offensive abzuwehren, oder werden wir vorankommen? Wenn ja, wie weit sind wir bereit, dieses Mal zu gehen? Geht es um Russlands neue Grenzen, oder so weit, wie wir gehen können?

Vladimir Putin:

Herr Kulko, das kann ich Ihnen nur privat sagen. (Gelächter) Nun, alles wird von dem Potenzial abhängen, das am Ende dieser so genannten Gegenoffensive übrigbleibt. Das ist die Kernfrage.

Ich denke, dass die Führung in dem Bewusstsein   – ich sage das mit gutem Grund   – der katastrophalen Verluste, welche Führung das auch immer sein mag, einen Kopf auf ihren Schultern hat, der darüber nachdenken sollte, was sie als Nächstes tun sollte. Wir werden abwarten, wie die Situation aussieht, und weitere Schritte auf dieser Grundlage ergreifen. Unsere Pläne können je nach Situation variieren, wenn wir es für notwendig erachten, aktiv zu werden.

Dmitry Kulko:

Herr Präsident, unsere Truppen verbrennen Ausrüstung der NATO, aber noch immer im Hinblick auf künftige Waffenlieferungen...

Vladimir Putin:

Dazu gehört auch die NATO-Ausrüstung. Wie ich bereits gesagt habe, gehören zu den Verlusten über 160 Panzer und 360 Kampffahrzeuge der Infanterie. Das ist nicht alles NATO-Ausrüstung. Dazu gehören auch gepanzerte Fahrzeuge sowjetischer Bauart. Wie wir erwartet hatten, brennen Bradleys und Leoparden gut. Vielleicht haben Sie gesehen, wie die Munition in den Panzern explodierte und alles in alle Richtungen flog. Wie ich schon sagte: 25-30 Prozent der gelieferten Ausrüstung wurde zerstört.

Dmitry Kulko:

Herr Präsident, zwei Länder sind dabei, Granaten mit abgereichertem Uran zu liefern. Die US-Medien berichteten heute, dass sie nach Großbritannien auch von den Vereinigten Staaten beliefert werden. Wir haben in Serbien gesehen, wie sie den Boden verseuchen und die Menschen verkrüppeln. Es stellt sich heraus, dass die Ukraine das Territorium der Russischen Föderation mit dieser Munition kontaminieren will.

Sind wir angesichts dessen nicht gezwungen, proaktiv zu handeln? Wie werden wir auf diese Herausforderungen reagieren?

Vladimir Putin:

Es besteht keine Notwendigkeit, präventiv zu handeln. Wir haben eine Menge Munition mit abgereichertem Uran. Wenn sie es verwenden, behalten wir uns das Recht vor, es auch zu verwenden. Wir haben es auf Lager. Wir benutzen es einfach nicht.

Alexander Sladkov:

Das ist interessant.

Vladimir Putin:

Nein, um ehrlich zu sein, hier gibt es nichts Interessantes oder Gutes. Wenn es notwendig ist, können wir das tun; ich kann sagen, dass wir dazu in der Lage sind. Aber es gibt keinen Grund, das heute zu tun.

Wissen Sie, was dort sonst noch vor sich geht? Ich habe darüber gesprochen, es ist kein Geheimnis mehr. Die ukrainische Armee feuert täglich 5.000 bis 6.000 großkalibrige (155 mm) Geschosse ab, und diese Zahl dürfte inzwischen gestiegen sein. Die Vereinigten Staaten produzieren nur 15.000 Granaten pro Monat, während die ukrainische Armee 5.000 bis 6.000 Granaten pro Tag verschießt.

Die Vereinigten Staaten planen, weitere Granaten herzustellen. All diese Informationen sind aus offenen Quellen, und es ist nichts Geheimnisvolles daran. Zuerst sprachen sie über 75.000 Granaten, und jetzt gibt es Pläne, noch mehr zu produzieren. Ich weiß es nicht, aber sie planen, Ende 2024 im nächsten Jahr etwa 75.000 zu produzieren. Wenn sie jedoch 5.000 bis 6.000 Granaten pro Tag verschießen... Ich glaube, dass sie jetzt noch mehr verwenden, weil dies typisch für offensive Operationen ist, die mehr Munition benötigen.

Sie haben einfach keine Granaten, aber sie haben Geschosse mit abgereichertem Uran in Lagerhäusern. Offenbar haben sie jetzt beschlossen, diese Granaten zuerst zu verwenden. Sie haben die Lager geleert, und nur in Südkorea und in Israel sind noch Granaten übrig. Diese Granaten sind Eigentum der USA und nicht Israels oder Südkoreas. Die USA können diese Granaten von dort in die Ukraine schicken. Aber auch das wird bald ausgehen. Offenbar haben sie immer noch Geschosse mit abgereichertem Uran in Lagerhäusern, und das ist die einfachste Option, denn die Ausweitung der Produktion kostet viel Geld und Mühe.

Sie zwingen die Europäer, die Produktion in der Tschechischen Republik und anderswo auszuweiten. In jedem Fall haben diese Länder Parlamente. Sie können eine neue Fabrik bauen, aber was passiert als Nächstes? Was können sie damit anfangen? Europa hat seine eigenen Probleme im Gesundheitswesen, im Verkehr, in der Bildung, es gibt dort viele Probleme, und sie zwingen die Europäer, eine Munitionsfabrik zu bauen.

Angesichts der Tatsache, dass die wirtschaftlichen Probleme vor einem Schneeballeffekt stehen, ist deshalb nichts einfach. Nach Angaben des IWF steht die Bundesrepublik Deutschland, die Hauptantriebskraft der europäischen Wirtschaft, vor einer einsetzenden Rezession   – ihr BIP soll in diesem Jahr um 0,7 Prozent sinken. Übrigens wird das russische BIP in diesem Jahr voraussichtlich um mindestens 1,5 Prozent oder sogar 2 Prozent steigen. Die Hauptantriebskraft der europäischen Wirtschaft erwartet jedoch einen Abschwung um 0,7 % und eine bevorstehende Rezession. Dort steigt die Inflation. In Russland liegt die Inflation bei 2,3 Prozent, und die Zentralbank prognostiziert, dass sie Ende 2023 etwa 5 Prozent erreichen wird. Nun, das ist gut; eine sehr niedrige Inflation ist nicht sehr gut für Russland, aber dieses Niveau wird durchaus akzeptabel sein. Ihre Inflationsrate liegt bei über 7 Prozent, das heißt bei etwa 7,5 Prozent. Ich erinnere mich nicht genau, aber die Eurozone hat 5 Prozent Inflation, und meines Wissens liegt die Bundesrepublik Deutschland bei 7,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu und ist in Südeuropa ziemlich exorbitant geworden. Russland hat eine minimale Arbeitslosigkeit, ein Allzeittief.

Es ist also nicht so einfach, dort alles zu produzieren, und noch schwieriger, die Produktion auszuweiten und neue Anlagen zu bauen. Das wird für uns nützlich sein, denn Russland befindet sich in einer besonderen Situation. Wir müssen unsere Rüstungsgüter aufbauen, wir müssen, und wir werden strategische Reserven in Lagerhäusern anhäufen. Und wo werden sie sie aufbewahren? Warum zum Teufel sollte die Tschechische Republik eine Art strategische Reserve wollen? Was werden sie damit machen? Wo werden sie es hintun? So einfach ist das nicht. Nun, wenn sie wollen, lassen Sie sie.

Doch dann verhalten sich die Amerikaner sehr pragmatisch und alles, was sie tun, liegt allein in ihrem eigenen Interesse; sie kümmern sich nicht um die Interessen ihrer Verbündeten. Sie haben keine Verbündeten; sie haben nur Vasallen. Und ihre Vasallen beginnen zu begreifen, für welche Rolle sie bestimmt sind. Tatsächlich gefällt ihnen all das nicht, auf der Ebene des öffentlichen Bewusstseins. Einige meiner Freunde sagen, die Situation dort sei wie in der Sowjetunion. Ich sage: "Was meinen Sie damit?" Es ist wie bei der Arbeit: In einem Unternehmen, im Büro sitzt jeder und diskutiert über Russland, aber wenn sie nach Hause gehen, ist in der Küche alles ganz anders. Menschen, die das sagen, empfinden wahrscheinlich Mitleid mit uns und übertreiben es wahrscheinlich etwas. Aber das ist der Trend.

Was also Granaten mit abgereichertem Uran angeht, so lässt sich dies wie folgt erklären: Es gibt einfach keine anderen Granaten mehr. Und wenn sie sagen, dass sie das oder das produzieren wollen, dann machen sie bitte weiter. Während einer Rezession ist die Lage nicht so einfach. Und dann gibt es auch noch Oppositionsparteien, die die Situation ausnutzen; sie bewegen dort die Politik und analysieren die reale Situation in der Wirtschaft. Die Sicherheitsmargen der europäischen und amerikanischen Wirtschaft sind sehr groß. Das ist offensichtlich und verständlich. Sie sind hochtechnologisch, die Struktur der Wirtschaft ist sehr entwickelt und mächtig, aber es gibt noch viele Probleme.

Ich denke, das hat den Wunsch nach der Versorgung von Granaten mit abgereichertem Uran bewogen. Der billigste Ansatz ist, nichts zu tun. Es gibt solche Granaten in Lagerhäusern, sie können sie in die Ukraine schicken, und das war's. Und es ist ihnen egal, was dort passiert. Sie verhalten sich überall so. Erinnern Sie sich, was sie in Jugoslawien getan haben? Und was haben sie in Syrien oder im Irak getan? Sie haben das Gleiche getan: es ist ihnen egal. Sie haben nur ihre eigenen Interessen, und die Interessen ihrer Verbündeten interessieren sie überhaupt nicht.

Apropos Wirtschaft: Sie haben viele Entscheidungen getroffen und Unternehmen aus Europa in die Vereinigten Staaten gelockt. Jeder versteht das, jeder sieht es, aber man kann nichts dagegen tun. Sie haben den Franzosen den Auftrag für Atom-U-Boote genommen. Und was taten die als Reaktion? Nichts. Außerdem, das wissen wir, flüsterten sie den Amerikanern ins Ohr: Wir müssen einige öffentliche Erklärungen abgeben, uns öffentlich streiten   – und dann kriechen wir leise davon, seien Sie bitte nicht böse auf uns. Das ist alles. Sie sind nicht so entscheidend wie wir hier in Russland. Da gibt es keine Leidenschaft, das sind verblassende Nationen, das ist das ganze Problem. Aber wir haben es. Wir werden für unsere Interessen kämpfen, und wir werden unsere Ziele erreichen.

Dmitry Kulko:

Danke.

Dmitry Steshin:

Dmitry Steshin, Komsomolskaya Pravda.

Herr Präsident, ein Journalist an der Front stellt nicht immer Fragen   – er wird oft gefragt, weil er die Welt im Allgemeinen repräsentiert.

Seit Oktober stellen mir Kämpfer Fragen zum so genannten Getreidedeal. Ich konnte nicht viel darüber erklären. Ich habe einfach verstanden, dass das für sie irritierend und nicht verständlich war. Ich sagte ihnen, dass dieses Abkommen auch auf unseren Interessen beruhte   – Getreideexporte in den Westen und die Interessen der ärmsten Länder, die dieses Getreide erhalten sollten. Aber mir ist klar, dass unsere Interessen an diesem Abkommen nicht gewahrt werden. Außerdem gibt es Bedenken, dass Waffen über die Sicherheitskorridore eingeführt werden und diese Korridore für Angriffe auf die Schwarzmeerflotte usw. verwendet werden.

Ich leite diese Frage an Sie weiter. Brauchen wir diesen Deal? Und wenn unsere Interessen nicht berücksichtigt werden, sollte er vielleicht beendet werden?

Vladimir Putin:

Offen gesagt, ist das eine überraschende Frage für mich. Ich hatte nicht erwartet, sie zu hören. Aber wahrscheinlich verstehen die, die an der Front kämpfen, nicht, warum wir die Ukraine dieses Getreide versenden lassen. Ich verstehe, und ich stimme zu.

Sehen Sie, wir tun dies nicht um der Ukraine willen, sondern um der befreundeten Länder in Afrika und Lateinamerika willen, weil dieses Getreide in erster Linie in die ärmsten Staaten der Welt geschickt werden sollte. Uns wurde jedoch versprochen, dass unser Getreide keinen Repressalien ausgesetzt wäre, wenn ich das so sagen darf, dass es keine Hindernisse für seinen Export gäbe. Leider wurden wir wieder einmal betrogen.

Es wurde nichts unternommen, um unsere Getreidelieferungen an externe Märkte zu erleichtern. Ich beziehe mich auf das Chartern von Schiffen, ihre Versicherung, Zahlungen, einschließlich der Verbindung der Rosselkhozbank zu SWIFT. Es gab viele Bedingungen, die die Menschen im Westen unter UN-Anleitung erfüllen sollten, aber es wurde nichts unternommen.

Dennoch haben wir diese Abkommen im Interesse befreundeter Länder mehrmals verlängert   – und ich möchte es noch einmal wiederholen. Es ist für jeden offensichtlich, dass es auch in unserem Interesse ist, gute, vertrauenswürdige und stabile Beziehungen mit dem Teil der Welt aufrechtzuerhalten, der die aggressiven antirussischen Aktionen des Westens und seiner Satelliten in der Ukraine nicht unterstützt. Das ist unser Interesse   – gute Beziehungen zu pflegen.

Ich weiß übrigens nicht, ob das angekündigt wurde oder nicht, aber es wird erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs mehrerer afrikanischer Staaten Russland bald besuchen   – in naher Zukunft. Wir haben uns darauf verständigt, über aktuelle Themen zu diskutieren und werden sicherlich über den Getreidedeal sprechen. Wir sind in erster Linie von diesen Überlegungen geleitet.

Aber es stellt sich heraus, wie ich schon oft gesagt habe, dass nur etwas mehr als 3 Prozent des gesamten ukrainischen Getreidevolumens in die ärmsten Länder gegangen ist. Die Zahl schwankt ein wenig: 3,2 bis 3,4 Prozent, weil sie sich ein wenig ändert, je nachdem, wohin das nächste trockene Frachtschiff mit Getreide fährt, aber im Allgemeinen liegt sie bei etwa 3,5 Prozent. Mehr als 40 Prozent gehen an die wohlhabenden Länder der Europäischen Union. Sie sind die Hauptempfänger von ukrainischem Getreide: Es ist billiger, sie bekommen es, und sie fühlen sich gut, und die Ukraine wurde dafür bezahlt. Heute könnte ich mich irren, aber mir scheint, dass dies derzeit die Hauptquelle der Deviseneinnahmen für die Ukraine ist.

Alles andere ist dort praktisch zusammengebrochen. Ich spreche nicht von der Industrie, aber hier hört alles auf. Ich weiß nicht, was dort noch produziert wird. Es gab landwirtschaftliche Produktion und die metallurgische Industrie, die Rohre. Der Metallsektor ist fast zum Erliegen gekommen, da es dort keinen Strom gibt. Die Maschinenherstellung ist gestoppt. Der Schiffbau brach schon vor langer Zeit zusammen, noch vor der militärischen Sonderoperation. Die Luftfahrtindustrie brach vor der militärischen Sonderoperation zusammen. Die Motorenproduktion ist zusammengebrochen.

Die Haupteinnahmequellen war die metallverarbeitende Industrie, die nicht mehr existiert, und die von ihnen exportierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, insbesondere Getreide. Wir verstehen das, aber wir haben uns bewusst dafür entschieden, ich wiederhole, um Entwicklungsländer, unsere Freunde, zu unterstützen und um die Aufhebung der Sanktionen für unseren Agrarsektor zu erreichen. Wie ich bereits sagte, wurden wir erneut getäuscht. Das ist die erste Sache.

Zweitens, was die afrikanischen Länder angeht, bekommen sie auch fast nichts. Deshalb denken wir jetzt darüber nach, wie wir aus diesem Getreidegeschäft herauskommen können. Darüber hinaus werden die Korridore für diese Frachtschiffe ständig vom Feind genutzt, um Marinedrohnen zu starten.

Ich weiß nicht, ob das Verteidigungsministerium diese Informationen veröffentlicht hat oder nicht: Erst gestern oder vorgestern wurde unser Schiff, das den TurkStream, die Gaspipeline, die in die Türkei führt, bewachte, von vier halbtauchenden Drohnen angegriffen. Drei von ihnen wurden zerstört, und die vierte verlor den Weg und wurde später zerstört. Unmittelbar danach erschienen vier weitere Drohnen. Zur gleichen Zeit sahen wir ein unbemanntes Luftfahrzeug der strategischen US-Geheimdienste hoch oben in der neutralen Zone schweben. Anscheinend korrigierte sie die Bewegungen dieser Drohnen.

Die Vereinigten Staaten werden immer mehr in diesen Konflikt verwickelt, beinahe direkt verwickelt, was ernste internationale Sicherheitskrisen auslöst. Die Korrektur der Bewegungen von Drohnen, die unsere Kriegsschiffe angreifen, ist ein sehr ernstes Risiko. Das ist sehr ernst, und sie sollten wissen, dass wir darüber Bescheid wissen. Wir werden darüber nachdenken, was wir damit in Zukunft machen können. Im Allgemeinen ist es so.

Was also den Getreidedeal betrifft, so denken wir darüber nach, unsere Beteiligung daran zu beenden. Das ist die erste Sache.

Zweitens sind wir bereit, die Getreidemenge, die die ärmsten Länder   – ich wiederhole, es waren etwas mehr als drei Prozent   – kostenlos zu liefern. Aber darüber muss diskutiert werden, auch wenn unsere Freunde aus den afrikanischen Staaten eintreffen: bald, sehr bald. Ich würde auch gerne deren Meinung dazu hören, wie es weitergehen soll.

Dmitry Steshin:

Vielen Dank.

Murad Gazdiyev:

Herr Präsident, Murad Gazdiyev, RT TV Kanal.

Zuerst bat mich unsere Chefredakteurin Margarita Simonyan, Ihnen ihren Brief zu geben. Sie hat viel dafür getan, dass unsere Treffen möglich wurden   – offiziell wie inoffiziell.

Herr Präsident, ich habe mehrere Fragen. Wenn man bedenkt, dass Sie gesagt haben, dass Sie nicht alle Ihre Pläne offenlegen werden, habe ich noch eine Frage zu einer Friedensregelung. Jeder   – außer Russland und der Ukraine   – hat seine eigene Ansicht, wie dieser Konflikt beigelegt werden kann.

Vladimir Putin:

Warum? Hier irren Sie sich. Warum sagen Sie "neben Russland und der Ukraine"? Wir haben auch eine. Darüber hinaus hatten wir in Istanbul eine Einigung erzielt. Ich erinnere mich nicht an seinen Namen und könnte mich irren, aber ich denke, Herr Arakhamia leitete das Verhandlungsteam der Ukraine in Istanbul. Er hat dieses Dokument sogar paraphiert.

Murad Gazdiyev:

Aber ich sage, dass neben Russland und der Ukraine auch andere Länder ihre eigenen Ansichten darüber haben, wie dieser Konflikt zu lösen ist.

Vladimir Putin:

Oh, Pardon, ich entschuldige mich. Ja.

Murad Gazdiyev:

Die Vereinigten Staaten, die Europäer   – aber es ist so, als hätten die USA, Saudi-Arabien und sogar afrikanische Länder ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, zu vermitteln, um zur Beilegung dieses Konflikts beizutragen. Neben dem Frieden verfolgen sie natürlich auch einige ihrer eigenen Interessen.

Nun meine Frage, Herr Präsident. Welcher dieser Versionen neigen zu? Neigen Sie überhaupt einer von ihnen zu? Gibt es jemanden, mit dem man verhandeln kann, und ist das sinnvoll?

Vladimir Putin:

Erstens haben wir uns nie   – wie ich bereits tausendmal gesagt habe   – geweigert, an Gesprächen teilzunehmen, die zu einer Friedensregelung führen könnten. Das haben wir immer gesagt. Darüber hinaus haben wir dieses Dokument während der Gespräche in Istanbul paraphiert. Wir haben lange gestritten, haben uns dort die Köpfe gegeneinander geschlagen usw., aber das Dokument war sehr dick und wurde von Medinsky auf unserer Seite und vom Chef ihres Verhandlungsteams paraphiert   – ich denke, sein Name ist Arakhamia, aber ich erinnere mich nicht genau. Wir haben das tatsächlich gemacht, aber sie haben es einfach später weggeworfen und das war's. Das ist der erste Punkt.

Zweitens sagten Sie, die Europäer hätten ihren Ansatz und auch die Amerikaner hätten ihren An


Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/demokratie/der-praesident-hat-sich-mit-kriegsberichterstattern-im-kreml-getroffen

17.06.2023

Der Präsident hat sich mit Kriegsberichterstattern im Kreml getroffen.       (III von III)

Zweitens sagten Sie, die Europäer hätten ihren Ansatz und auch die Amerikaner hätten ihren Ansatz. Aber es ist wie in jedem Witz über die Europäer und die Amerikaner. Punkt eins: Die Amerikaner haben immer Recht. Punkt zwei   – wenn die Amerikaner nicht Recht haben, siehe Punkt eins. Deshalb gibt es niemanden, mit dem man sich besonders unterhalten könnte.

Insgesamt läuft der westliche Ansatz darauf hinaus, der Ukraine und ihren Interessen beizustehen, dessen sind wir uns bewusst. Wenn wir von den Interessen der Ukraine sprechen, dann gibt es Punkt drei: Wenn die Interessen der Ukraine nicht mit Punkt zwei übereinstimmen, dann sehen Sie Punkt eins, denn letztendlich geht es um die Interessen der Vereinigten Staaten. Wir wissen, dass sie der Schlüssel zur Lösung von Problemen sind. Wenn sie den heutigen Konflikt wirklich auf dem Verhandlungsweg beenden wollen, brauchen sie nur eine Entscheidung zu treffen, nämlich die Lieferung von Waffen und Ausrüstung einzustellen. Das war's. Die Ukraine selbst stellt nichts her. Morgen werden sie Gespräche führen wollen, die nicht formal, sondern substanziell sind, und uns nicht mit Ultimaten konfrontieren, sondern zu dem zurückkehren wollen, was beispielsweise in Istanbul vereinbart wurde.

Dort werden die Sicherheitsfragen der Ukraine sehr detailliert dargelegt. Vieles von dem, was dort geschrieben steht, lässt uns in der Tat darüber nachdenken, ob wir dem zustimmen sollten. Um es noch einmal zu wiederholen: Es wurde von beiden Seiten paraphiert.

Wenn sie also darauf zurückkommen wollen, sind wir bereit, mit ihnen zu sprechen. Im Moment jedoch wollen sie Russland besiegen und mit ihrer Gegenoffensive Erfolg haben. Ich habe gerade über den Stand dieser Gegenoffensive berichtet.

Murad Gazdiev:

Herr Präsident, Sie sagen, dass sie nur den Zustrom von Waffen in die Ukraine stoppen müssen, aber das tun sie nicht. Sie tun das Gegenteil: Zuerst gab es Panzer, jetzt ist es abgereichertes Uran.

Vladimir Putin:

Es gibt noch kein abgereichertes Uran.

Murad Gazdiev:

Es kommt aus dem Vereinigten Königreich. Wir haben bereits Artikel in verschiedenen neokonservativen Organisationen gesehen   – es gab einen weithin abgedeckten, der darauf bestand, der Ukraine taktische Atomwaffen zur Verfügung zu stellen. Die Frage lautet: Scheuen sich die Vereinigten Staaten nicht, die Situation endlos zu eskalieren und den Einsatz zu erhöhen?

Vladimir Putin:

Sie geben vor, es nicht zu tun. Tatsächlich gibt es dort viele Menschen, die klar denken und nicht bereit sind, die Welt in einen dritten Weltkrieg zu führen, in dem es keine Gewinner geben wird; auch die Vereinigten Staaten werden nicht als Gewinner herauskommen.

Irina Kuksenkova:

Wenn ich darf, habe ich noch eine Frage zum Weltraum, oder besser gesagt, zur Weltraumaufklärung.

Vladimir Putin:

Es ist an der Zeit, abzuschließen.

Irina Kuksenkova:

Ja, natürlich. Öffentlichen Daten zufolge arbeiten dort bis zu 100 Militärsatelliten für den Feind. Sie können unsere Truppen und Bewegungen sehen. Unsere Raumfahrttruppe ist nicht so stark.

Vladimir Putin:

Ja.

Irina Kuksenkova:

Was können wir dagegen tun und wie sollte damit umgegangen werden? Das ist ein systemisches Problem, richtig? Wird es Jahre dauern, die Dinge zu verbessern?

Vladimir Putin:

Natürlich ist das kein Geheimnis. Zweifellos hätten wir uns in den vergangenen Jahren anders in der Raumfahrt engagieren sollen. Aber wir haben nicht geplant   – ich denke, das ist klar   –, wir haben weder die Ereignisse auf der Krim noch die Ereignisse, die jetzt stattfinden, geplant.

Ich habe bei zahlreichen Gelegenheiten, auch bei diesem Treffen, gesagt, dass wir versucht haben, diesen bewaffneten Konflikt zu beenden. Leider waren wir gezwungen, militärische Maßnahmen zu ergreifen, aber wir haben damit nicht begonnen. Es handelt sich um langfristige Projekte, die für die kommenden Jahre geplant und anschließend entsprechend den Plänen, die wir vor fünf bis sieben Jahren aufgestellt haben, umgesetzt werden. Aber heute passen wir unser Handeln an. Wie Sie wissen, haben wir kürzlich ein Raumschiff gestartet. Wir werden diese Truppe vergrößern.

Übrigens verfügt Russland über die fünftgrößte Satellitenflotte der Welt. Insgesamt ist es eine gute Flotte.

Irina Kuksenkova:

Wir kämpfen gegen den ersten.

Vladimir Putin:

Ja, natürlich. Wir müssen diese Arbeit entsprechend anpassen. Das werden wir mit Sicherheit tun. Aber bis dahin brauchen wir etwas, das seinen Platz einnimmt. Was könnte das sein? Unbemannte Luftfahrzeuge mit unterschiedlichen Verwendungszwecken. Unser Kollege hat zu Recht gesagt, dass wir die Anzahl der verschiedenen Drohnen erhöhen müssen, einschließlich der Kampf- und Aufklärungsdrohnen, was Zeit braucht.

Ich stimme Ihnen zu, Sie haben Recht, wir müssen das tun.

Dmitry Zimenkin:

Dmitry Zimenkin, Izvestia und Ren TV.

Ich bin Herrn Sladkov dankbar, dass er uns diese Chance gegeben hat, und Ihnen, dass Sie uns zugehört haben. Ich denke, dass das Thema, das in den Schützengräben und von den Frauen der Soldaten angesprochen wurde, wichtig ist. Es geht um den Status der Teilnehmer an den Militäroperationen.

Hier sind drei Beispiele. Die Region Belgorod, Grenzsoldaten und die mobile Kriegsführung, die den feindlichen Angriff abwehren, obwohl es sich um einen Ablenkungsangriff handelte, tun dies gemeinsam mit eingezogenen Soldaten vor der Ankunft der Streitkräfte des Verteidigungsministeriums.

Vladimir Putin:

Das tun sie.

Dmitry Zimenkin:

Auch die Lugansker Polizei, die im vergangenen Jahr in der Region Charkow gekämpft hat, und ihre Kollegen von der Taktischen Gruppe Kaskad, die jetzt in der Volksrepublik Donezk kämpfen, haben diesen Status nicht.

Ich habe heute einen Anruf von einem Hausarzt erhalten. Er arbeitet seit vier Monaten dicht hinter der Front.

Vladimir Putin:

Hinter der Front?

Dmitry Zimenkin:

Ja, hinter der Kampflinie, was bedeutet, dass er kämpft. Er hat 70 Männer vom Schlachtfeld geholt und hatte vier Gehirnerschütterungen. Ich habe gehört, dass er nach der vierten angefangen hat zu stammeln. Er dient in der Einheit 31135, kämpft aber angeblich nicht. Aus diesem Grund kann er nicht einmal eine Bestellung erhalten.

Vladimir Putin:

Ich verstehe nicht, warum nicht.

Dmitry Zimenkin:

Er sagte, dass sie nicht als an den Feindseligkeiten beteiligt angesehen werden. Ich weiß nicht, was das Problem ist. Das hat er mir persönlich gesagt.

Bemerkung:

Sie werden nicht als Kriegsteilnehmer angesehen.

Dmitry Zimenkin:

Genau.

Alexander Kots:

Sie sind nicht als Kämpfer in der Sonderzone für militärische Operationen registriert, sondern dienen in ihren ständigen Einsatzgebieten.

Bemerkung:

Das gleiche gilt für die Grenzschützer.

Dmitry Zimenkin:

Dieser Aspekt muss geklärt werden. Ich finde das nicht fair, und es geht nicht um die Zusatzzahlung, die nicht so groß ist.

Vladimir Putin:

Gut. Herr Zimenkin, ich habe von solchen Problemen gehört. Ich habe sie zur Kenntnis genommen.

Ich kenne sie, und Herr Bortnikov und Herr Kolokoltsev haben diese Fragen gestellt. Aber es ist das erste Mal, dass ich dies über die Militärmedizin höre. Ich werde mir dieses Problem auf jeden Fall ansehen. Das muss an einigen Stellen ein technisches Problem sein. Wenn ein Militärarzt hinter der Linie arbeitet, verstehe ich nicht, was passiert. Ich werde das prüfen. Wo genau arbeitet er?

Dmitry Zimenkin:

Er ist in der Region Belgorod registriert, arbeitete aber in der Nähe von Svatovo. Unsere Crew hat die Aufnahmen gemacht.

Vladimir Putin:

Bitte schreiben Sie mir das auf.

Dmitry Zimenkin:

Das mache ich sofort

Vladimir Putin:

Ich brauche ein konkretes Beispiel.

Was die anderen Kategorien von Militärpersonal angeht, insbesondere die Grenzschutzbeamten und zum Teil die Polizei, so muss dieses Thema sicherlich angesprochen werden.

Ich verstehe das und stimme mit Ihnen überein, und die Leiter dieser Agenturen haben diese Angelegenheit ebenfalls angesprochen. Ich habe dem Sicherheitsrat, der Vorschläge ausarbeitet, Anweisungen erteilt.

Murad Gazdiev:

Und ein paar Worte zur Situation   – nicht in den befreiten Gebieten, nicht in den neuen Regionen, sondern im eigentlichen Russland.

Unsere Kämpfer schaffen es oft, die Nachrichten zu lesen, sogar an vorderster Front. Um es milde auszudrücken: Sie sind empört über einen weiteren Skandal, in dem ein Beamter oder Universitätsprofessor beinahe offen versucht, junge Leute in eine pro-ukrainische Position zu bringen. Das heißt, diese Menschen haben im Großen und Ganzen keine Vorsicht, sie haben keine Angst vor Bußgeldern.

Gut, ich weiß, und Sie haben sehr deutlich gesagt, dass wir uns nicht wie das ukrainische Regime verhalten werden: ein Sack über dem Kopf und die Person verschwindet für immer. Aber da wir nicht so sind wie sie, kämpfen wir dagegen, ist es nicht ein Verrat an unseren Werten, die Situation einfach so zu lassen, wie sie ist?

Vladimir Putin:

Es so zu belassen, grenzt an Verrat. Das ist der erste Punkt.

Zweitens. Ich denke, es war Semjon Pegow, der hier über die Notwendigkeit gesprochen hat, die Kämpfer zu fördern, besonders diejenigen, die sich auf dem Schlachtfeld bewährt haben, um sie in höheren Rängen in der Armee zu fördern, aber nicht nur das. Sie können zu Strafverfolgungs- oder Sonderdiensten befördert werden. Wir müssen nach solchen Menschen suchen   – in Bezug auf ihr Bewusstsein und ihr Verständnis von Gerechtigkeit   – und sie mit der Untersuchung der von Ihnen erwähnten Schurken betrauen.

In gleicher Weise haben wir das Tschetschenische Untersuchungskomitee eingesetzt, um die öffentliche Vernichtung des Korans zu untersuchen. Und, wie der Justizminister sagte, [Nikita Zhuravel, der den Koran vor einer Moschee in Wolgograd verbrannt hat] wird seine Strafe in einer Strafanstalt in einer der russischen Regionen mit einer überwiegend muslimischen Bevölkerung verbüßen.

Was die von Ihnen erwähnten Schurken betrifft, müssen wir etwas Ähnliches ersinnen. Sie haben diese Frage völlig zu Recht aufgeworfen. Ich werde darüber nachdenken.

Murad Gazdiev:

Vielen Dank.

Vladimir Putin:

Vielen Dank für Ihre Frage.

Murad Gazdiev:

Wenn ich darf, werde ich den Brief an meine Kameraden vom Bundeswachdienst weitergeben.

Vladimir Putin:

Ja, natürlich.

Danke vielmals.


Quelle: http://www.en.kremlin.ru/events/president/news/71391
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/demokratie/der-praesident-hat-sich-mit-kriegsberichterstattern-im-kreml-getroffen


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

17.06.2023

u.a. Russ. Atomwaffeneinsatz / deutsche Sicherheitsstrategie / IAEA-Inspektoren

aus e-mail von Dris Pumphrey, 17. Juni 2023, 20:29 Uhr


https://freeassange.rtde.life/russland/172745-sachrowa-beim-wirtschaftsforum-russland-koennte/

15.6.2023

*Sacharowa beim Wirtschaftsforum: Russland würde Atomwaffen nur zu

Verteidigungszwecken einsetzen


*Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, hat

auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg eine

Pressekonferenz abgehalten. Dabei erklärte sie, dass Russland Atomwaffen

nur hypothetisch und einzig zu Verteidigungszwecken einsetzen würde.


In der zweitgrößten russischen Stadt Sankt Petersburg findet

traditionell alljährlich das Internationale Wirtschaftsforum statt.

Dabei gab am Donnerstag die Sprecherin des russischen Außenministeriums

Maria Sacharowa eine Pressekonferenz. Die russische Diplomatin erklärte

insbesondere, dass Russland Atomwaffen nur hypothetisch und einzig zu

Verteidigungszwecken einsetzen würde. Die russische Nachrichtenagentur

/TASS/ zitierte <https://tass.ru/politika/18018397> Sacharowa wörtlich:

/"Die russische Politik der nuklearen Abschreckung ist rein defensiver

Natur, und der hypothetische Einsatz von Atomwaffen ist eindeutig auf

außergewöhnliche Umstände im Rahmen rein defensiver Zwecke beschränkt."/


Russland sei voll und ganz dem Grundsatz verpflichtet, dass ein

Atomkrieg inakzeptabel sei. In einem solchen Krieg würde es keine

Gewinner geben. Es dürfe niemals zu einem solchen Krieg kommen, betonte

Sacharowa. Moskau rufe deshalb dazu auf, dass alle Unterzeichner der

Gemeinsamen Erklärung der fünf Atommächte zur Verhinderung eines

Atomkriegs und des Wettrüstens eindringlich dazu auf, sich an diese

Postulate zu halten.


Sacharowa schloss auch keineswegs aus, dass Russland seine Entscheidung,

den New-START-Vertrag vorläufig auszusetzen, wieder rückgängig machen

könnte. Dies könnte allerdings nur geschehen, wenn man in Washington,

D.C. den politischen Willen zeigen und sich bemühen würde, die

heraufbeschworenen Spannungen wieder abzubauen, zu deeskalieren und so

die Bedingungen für die Wiederaufnahme der vollen Funktionsfähigkeit

dieses Vertrags zu schaffen.


Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am 21. Februar

bekanntgegeben, dass Moskau seine Beteiligung am New-START-Vertrag

vorläufig aussetze, ihn aber nicht verlasse. Der Präsident Russlands

betonte dabei, dass der russischen Seite vor einer erneuten Diskussion

über die Fortsetzung dieses Vertrags begreiflich gemacht werden müsse,

wie dieses Dokument die Arsenale nicht nur der USA, sondern auch der

anderen NATO-Atommächte – Großbritannien und Frankreich –

berücksichtigen würde. Am 1. März unterzeichnete Putin das Gesetz zur

Aussetzung der Beteiligung Russlands am New-START-Vertrag.



https://freeassange.rtde.life/europa/172905-kremlsprecher-peskow-kommentiert-deutschlands-sicherheitsstrategie/

17.6.2023


*Kremlsprecher Peskow kommentiert Deutschlands Sicherheitsstrategie:

Schuss ins eigene Bein


*Die neue Sicherheitsstrategie Deutschlands bezeichnet Russland als die

"größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit". Kremlsprecher Dmitri

Peskow bedauert zwar diese Formulierung, findet sie aber nicht

überraschend. Ihm zufolge schießt sich Berlin ins eigene Bein.


Die Spannungen zwischen Deutschland und Russland haben sich diese Woche

erneut zugespitzt, als das osteuropäische Land in der neuen

Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik zur "größten Bedrohung für

Frieden und Sicherheit" erklärt wurde. Kremlsprecher Dmitri Peskow

bedauerte diese Entscheidung in einem am Samstag veröffentlichten

Interview. Im Gespräch mit Pawel Sarubin,dem Moderator der

Fernsehsendung /Moskau. Kreml. Putin/, sagte Peskow:

/"Zu unserem Bedauern hat die Führung der BRD die De-facto-Situation nun

in Übereinstimmung mit der De-jure-Situation gebracht." /


Seine These erklärte Peskow in dem Sinne, dass sich Deutschland – wie

auch ganz Europa – allem Anschein nach dafür entschieden habe,

"dauerhaft im Fahrwasser der USA zu schwimmen". Da die Bundesrepublik

ein musterhaftes NATO-Mitglied sein wolle, erfülle sie alle Richtlinien

der US-Regierung. Der Kremlsprecher betonte, dass die Allianz von

Washington aus geleitet werde, ohne dass es eine kollektive Führung

durch die Mitglieder gebe.


Peskow erklärte dabei, dass Deutschland sich ins eigene Bein schieße.

Mit Blick auf die ausgefallenen Gaslieferungen aus Russland sagte der

Sprecher des russischen Präsidenten:

/"Wir alle wissen, dass die zauberhafte und von allen bewunderte

Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie offenbar weitgehend auf dem

Pipeline-Gas aus Russland mit seiner Beständigkeit und seinen Preisen

beruht hat."/


Allerdings habe sich Deutschland selbst um diese Wettbewerbsvorteile

gebracht, was sich auf seine Wirtschaft aufs Negativste auswirken werde,

warnte Peskow. Nichtsdestoweniger schwimme Deutschland im Fahrwasser der

USA weiter, auch wenn dies den Interessen seines Volkes schade.


Die gut 40 Seiten umfassende Nationale Sicherheitsstrategie war über

mehrere Monate hinweg innerhalb der Regierung diskutiert worden. Am 14.

Juni wurde sie offiziell vorgestellt. In dem Dokument heißt es: "Das

heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden

und Sicherheit im euroatlantischen Raum. Russlands Angriffskrieg gegen

die Ukraine ist ein eklatanter Bruch mit der Charta der Vereinten

Nationen und der kooperativen europäischen Sicherheitsordnung."


Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hatte Deutschland beschlossen,

nach und nach auf alle Kohlenwasserstoffe aus Russland zu verzichten.

Die Kohle- und Erdöl-Lieferungen aus dem osteuropäischen Land sollen

bereits im laufenden Jahr gänzlich ersetzt werden. Im Jahr 2024 sollen

die Gaslieferungen folgen. Bis zum Jahr 2045 möchte die Bundesrepublik

klimaneutral werden.


RT-Liveticker 17.6.2023

<https://freeassange.rtde.life/international/131481-liveticker-ukraine-krieg/>

18:23 Uhr

*Kreml-Sprecher: Es gibt kein Gesprächsangebot von Scholz und Macron an

Putin*


Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat Berichte zurückgewiesen, wonach der

deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Regierungschef

Emmanuel Macron angeblich nicht mit dem russischen Staatschef Wladimir

Putin verbunden worden seien. Gegenüber Reportern sagte er, dass bisher

keine Gesprächsangebote von europäischer Seite gemacht worden seien.


Gleichzeitig bleibe Putin immer offen für Gespräche, so Peskow. Der

Kreml-Sprecher äußerte sich zu den Meldungen, wonach Scholz und Macron

nicht telefonisch mit Putin verbunden worden seien, mit den Worten:

/"Nein, das ist nicht wahr. In der Tat haben sowohl Scholz als auch

Macron und ihre Vertreter über die Bedeutung der Aufrechterhaltung des

Dialogs mit Russland gesprochen, auch auf höchster Ebene. Wir teilen

diese Ansicht, bislang gibt es aber keine konkreten Vorschläge für

Telefonate."/


15:06 Uhr

*IAEA-Inspektoren versuchen russische Militäranlagen beim AKW

Saporoschje illegal abzulichten*


Bei dem jüngsten Besuch der IAEA-Delegation im Kernkraftwerk Saporoschje

versuchten die Inspektoren der Organisation, heimlich Fotos russischer

Militärbefestigungen zu machen – und diese auch gleich zu versenden. Das

sagte der Leiter der Saporoschje-Bewegung "Wir sind mit Russland",

Wladimir Rogow, gegenüber der Nachrichtenagentur/RIA Nowosti/. Er

betonte, solche Aktionen hätten in keiner Weise mit den direkten

Aktivitäten der Inspektoren zu tun. Im Wortlaut hieß es:

/"Während des letzten Besuchs des IAEA-Generaldirektors Rafael Grossi im

Atomkraftwerk haben die ihn begleitenden Inspektoren auf jede

erdenkliche Weise versucht, die Verteidigungsanlagen und Kontrollpunkte

der russischen Streitkräfte zu identifizieren und zu fotografieren./


/Aus irgendeinem Grund sind die Inspektoren nicht besorgt über die

Situation im Atomkraftwerk. Sie sind nicht empört über den ukrainischen

Beschuss, die Versuche der Landung von Fallschirmjägern, die Zerstörung

des Wasserkraftwerks Kachowka durch die Terroristen der ukrainischen

Streitkräfte und die Trockenlegung des Flusses Dnjepr in der Nähe der

Anlage. Sie sind jedoch sehr besorgt über die Lage an der Kontaktlinie

und die Situation zur Absicherung und zum Schutz des Kernkraftwerks vom

Standpunkt der ausländischen Nachrichtendienste aus."/

Rogow sagte auch, dass die IAEA-Mitarbeiter nichts von dem gefilmten

Material hätten versenden können, weil das Fahrzeug, in dem sie

unterwegs waren, ein System zur Unterdrückung von Internetsignalen in

Betrieb hatte. Anschließend seien sie höflich, aber eindringlich gebeten

worden, alles zu löschen.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

17.06.2023

17. Juni 1953: Propaganda statt Wahrheit auch nach 70 Jahren

nachdenkseiten.de, 17. Juni 2023 um 8:45 Ein Artikel von Tilo Gräser

Fotoausstellungen, Konferenzen von Parteien, Bundestagsdebatte, Zeitzeugen- und Politikerreden und mehr – das ganze erinnerungspolitische Propagandaarsenal wird seit Tagen aufgefahren, um in diesem Jahr an den 17. Juni 1953 in der DDR zu erinnern. An dem Tag vor 70 Jahren habe es im zweiten deutschen Staat einen „Volksaufstand für Freiheit und Einheit“ gegen die von der Sowjetunion gestützte Diktatur der SED gegeben, wird verkündet. Der sei von sowjetischen Panzern blutig niedergeschlagen worden. Doch es sind auch andere Sichten möglich.

Die Ereignisse vor 70 Jahren werden erneut zurechtgebogen, bis sie in den vorgegebenen Rahmen passen. Es gilt auch hier das Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Und so werden in den meisten offiziellen Darstellungen Hintergründe, Zusammenhänge und Interessen ausgeblendet, weggelassen und verschwiegen. Denn es gilt anscheinend zu zeigen, dass den zweiten deutschen Staat, die DDR, von Beginn an niemand gewollt habe, erst recht nicht die Arbeiter und Bauern, auf die er sich berief. Dabei wird vor allem die Rolle der westorientierten Bundesrepublik und ihrer westlichen Führungsmächte von deren heutigen Erben gern ausgelassen. Darin gleichen sie jenen, die auch in der DDR die Ereignisse verfälschten und die Ursachen und Hintergründe verschwiegen.


„Der Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 in der DDR war von Anfang an auch ein Kampfplatz der Geschichtsschreibung in Ost und West. Das dürfte zum 70. Jahrestag des Ereignisses nicht viel anders sein.“ Das vermutet zu Recht die Publizistin Daniela Dahn in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe 12/2023 der Zweiwochenschrift Ossietzky. „Was auf beiden Seiten gern unterschlagen wurde, war der Kontext der Nachkriegsgeschichte, in der es durchaus noch offen war, zu welcher Ordnung sich ein geteiltes oder gar vereintes Deutschland entwickeln würde.“


Wiederbelebte Russophobie

Dahn schreibt auch: „Zu erwarten ist, dass gerade in der jetzigen Russophobie der Mythos vom ‚durch die sowjetische Armee brutal und blutig niedergeschlagenen‘ Aufstand wiederbelebt wird.“ Wie zur Bestätigung wurde am Montag in Berlin Unter den Linden eine Fotoausstellung mit mehreren großen Tafeln eröffnet, auf dem Mittelstreifen direkt gegenüber der russischen Botschaft. Dabei zog laut Berliner Zeitung Anna Kaminsky „Parallelen zwischen den sowjetischen Panzern, die den ‚Aufstand für demokratische Werte in der DDR‘ niederwalzten, und dem heutigen russischen Angriffskrieg in der Ukraine“. Kaminsky ist die Direktorin der „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ und findet, solche Parallelen würden das heutige Gedenken „umso wichtiger“ machen.


Aus Platzgründen soll hier nicht weiter auf die konkreten Ereignisse vor 70 Jahren eingegangen werden. Diese sind in zahlreichen Publikationen und auf Webseiten nachlesbar, unter anderem in dem vielbeachteten Buch „Diesseits der Mauer – Eine neue Geschichte der DDR 1949-1990“ der Historikerin Katja Hoyer. Stefan Heym hat das Geschehen in Berlin in seinem Roman „Fünf Tage im Juni“ beschrieben.


Nur so viel dazu: Das Datum 17. Juni „ist das Kennwort für zehntägige Unruhen in der DDR“, schrieb 2003 der Historiker Jochen Černý. Die ersten Kundgebungen habe es bereits am 12. Juni in Weimar und Brandenburg an der Havel gegeben, wo es um versprochene Freilassungen von Häftlingen gegangen sein soll. Am 13. Juni sollen im thüringischen Eckolstädt 250 Menschen den Rücktritt der Regierung und freie Wahlen gefordert haben, was anderswo erst am 17. Juni verlangt wurde.


Protest in Ost und West

Der Historiker Jörg Roesler stellte 2013 fest: „701 Städte und Gemeinden waren seinerzeit Schauplatz der Proteste. Das klingt gut. Auch dass 1,2 Millionen Menschen auf den Straßen demonstrierten. Allerdings waren das nur etwa sechs Prozent der damals 18,2 Millionen DDR-Bewohner. In annähernd 1.000 Betrieben wurde am 17. und 18. Juni gestreikt! Sicher beachtlich, aber in den übrigen 19.000 Industriebetrieben ging offenbar alles seinen gewohnten Gang.“


Am 17. Juni 1953 „haben sich vor allem die Arbeiter als Hauptbetroffene gewehrt gegen das, was damals Sparpolitik genannt wurde und heute Austeritätspolitik heißt“, so Roesler 2019 in einem Interview. Er verwies auf einen ähnlichen Vorgang im Jahr 1948 in der britisch-US-amerikanischen Bi-Zone, an den jüngst auch die Publizistin Dahn in Ossietzky erinnerte.


Im Oktober 1948 kam es in Stuttgart zur Protestkundgebung der Gewerkschaften gegen die Politik des Frankfurter Wirtschaftsrates unter Ludwig Erhard, mit Zehntausenden. Sie forderten unter anderem, ‚Wirtschaftsdiktator‘ Erhard abzusetzen, der für unsoziale Bestimmungen in der Währungsreform und Verringerung des Realeinkommens verantwortlich gemacht wurde. Die Antwort der Besatzungsmacht USA bestand aus Tränengas, berittener Polizei und Panzern. Dahn dazu: „Am Abend hatte das Zentrum ein ‚kriegsähnliches Aussehen‘, wie die Zeitungen schrieben, Rädelsführer wurden verhaftet und im Raum Stuttgart der Ausnahmezustand verhängt.“


Erinnerungslücken im Westen

Die Publizistin fragt zu Recht, warum sich daran in der Bundesrepublik anscheinend niemand erinnert. Für den Historiker Siegfried Prokop ist der Vorgang gar das Vorbild für den Einsatz sowjetischer Panzer fünf Jahre später gegen die Arbeiterproteste in der DDR. „Man muss dabei berücksichtigen, dass zu dieser Zeit der Kriegszustand noch nicht beendet war“, erklärte Prokop 2020 in einem Interview. „Der Kriegszustand wurde in der DDR erst 1954 für beendet erklärt.“

Er machte auf den von Dahn erwähnten Kontext der Ereignisse aufmerksam: „In der Regel wird vernachlässigt, dass der 17. Juni ein Kulminationspunkt zweier Konfliktstränge war:

  1. einer veränderten Deutschlandpolitik der UdSSR von Ende Mai bis Ende Juni 1953, die auf einen Kompromiss mit dem Westen aus war; die Churchill-Rede vom 11. Mai 1953 bildete dazu den Ausgangspunkt!
  2. der Systemkrise des Ostblocks am Ende der Stalin-Ära, die vor allem für die DDR mit einer Überforderung der Kräfte verbunden war: Reparationszahlung, Kasernierte Volkspolizei KVP (nach Stalin eine Armee in gleicher Stärke wie die deutsche Armee im Westen), Bezirksbildung, LPG-Bildung und ‚Verschärfung des Klassenkampfes‘.“


Prokop wie auch Roesler, beide aus der DDR, widersprachen nicht nur der in dem untergegangenen Land üblichen Bezeichnung der Ereignisse als „faschistischem“ bzw. „konterrevolutionärem Putsch“. Sie wandten sich ebenso gegen das Etikett „Volksaufstand“ wie auch gegen die Vorstellung einer „verdrängten Revolution“, wie sie unter anderem der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk vertritt. Roesler stimmte der Einschätzung des Historikers Dietrich Staritz zu, der frühzeitig von einer „Arbeiterrebellion“ gesprochen hatte.


Dahn erinnert auch an einen anderen vergessenen Fakt: Damals streikten von April bis Juni 1953 auch die Westberliner Bauarbeiter immer wieder für höhere Löhne. Und sie fragt in Ossietzky: „Haben die wiederholten Berichte der Berliner Zeitung darüber womöglich die Kollegen in Ostberlin ermutigt?“


Keine prokapitalistischen Forderungen

Die Arbeiter hätten gegen die Verschlechterung ihrer Lage gekämpft, begründete Roesler das. „Die war eingetreten durch die Verringerung des Lohnes in Folge von Normerhöhungen. Die Normen waren nicht so hart wie im Kapitalismus, sondern ein bisschen weicher. Die SED-Führung entschloss sich dazu in einer schwierigen Situation in Folge der Aufrüstung, zu der die DDR verdammt wurde, nachdem Stalin den Plan aufgegeben hatte, ein gesamtes, neutrales Deutschland zu erreichen, siehe die sogenannte Stalin-Note von 1952. Das war also der Ausgangspunkt: Mit einem Mal sollten die Arbeiter für dasselbe Geld mehr arbeiten. Doch die Arbeiter haben gesagt: „Wir denken nicht daran!“ Sie waren gegen die Normen, weil sie direkt in ihren Lebensstandard eingriffen. Daraufhin wurde verordnet, die Normen sind um so und so viel Prozent zu erhöhen. Dann kriegen sie weniger Geld.“


Das habe die Lebenslage der Arbeiter und ihrer Angehörigen verschlechtert. Hinzu kam eine Kampagne gegen kleine und mittelständische Unternehmen. Und als die Regierung nicht auf die ersten Proteste reagiert habe, „ohne Verständnis für die Lage der Arbeiter“, sei es umgesprungen. „Da wurde dann gesagt: Wenn diese Leute sowas machen, dann müssen sie weg!“ Eine der Losungen sei gewesen, „Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht des Volkes Wille“. Gemeint waren die SED-Politiker Ulbricht, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl. „Das hieß: Wir brauchen eine neue, eine andere Regierung. Die Wiederherstellung des Privateigentums und des Kapitalismus ist nicht gefordert worden.“


Roesler erklärte im Interview: „Welche politischen Meinungen die Arbeiter gehabt haben, das wissen wir natürlich nicht. Die hat ja keiner befragen können.“ Es sei nicht anzunehmen, „dass die alle den Sozialismus abschaffen wollten, im Gegenteil“. Er verwies auf Willy Brandt, der 1955 in seiner Schrift „Arbeiter und Nation“ geschrieben habe, dass von den Streikenden nirgends eine „restaurative Tendenz“ ausgegangen sei. Sie hätten dagegen „unzweideutige Vorbehalte“ gegenüber der Politik der Bundesregierung geäußert. „Das stammt immerhin von einem westdeutschen Politiker, der dicht dran war. Deshalb komme ich zu dem Schluss: Es war eine Arbeiter-Rebellion, aber keine Revolution oder ‚Aufstand gegen das Regime‘.“


Sowjetisches Eingreifen als Schlusspunkt

Der Historiker Prokop bezeichnete die Ereignisse vor 70 Jahren als eine „offene, gerechte Rebellion enttäuschter und verbitterter Arbeiter, Angestellter, vor allem in Großbetrieben und Großstädten“. Der Anteil die Intelligenz sei größer gewesen als lange angenommen, betonte er. Und verwies wie andere auf Aussagen des Historikers Arnulf Baring, der bereits 1965 geschrieben hatte: „Die Beteiligung an den Großkundgebungen in einigen Städten kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass der 17. Juni kein Aufstand des gesamten Volkes war. Das zeigen die Augenzeugenberichte ganz deutlich.“


Baring schrieb laut seinen Fachkollegen in seinem damaligen Buch über die Ereignisse von 1953: „Aber man täusche sich nicht: der Aufstand ist nicht durch die sowjetischen Truppen niedergeschlagen worden. Aufs Ganze gesehen war die revolutionäre Welle schon gebrochen, bevor die Russen aufmarschierten. Ihr Eingreifen war kein Wendepunkt, sondern hat nur einen Schlusspunkt gesetzt: die Streik- und Demonstrationsbewegung hatte sich im Laufe des Tages erschöpft, der Elan war versickert, der Aufstand in seinen Anfängen steckengeblieben.“


Doch solche Details stören anscheinend, wenn heute Propaganda gemacht wird, dass die sowjetischen Panzer einen „Volksaufstand“ niederwalzten. Das sowjetische Militär hatte am 17. Juni 1953 ab 13 Uhr den Ausnahmezustand in 167 der 217 Kreise der DDR verhängt, nachdem es zu zum Teil schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war. Das war laut dem Historiker Černý nicht nur in Berlin, sondern in den mitteldeutschen Industriegebieten und besonders in ehemaligen Arbeiterhochburgen wie Magdeburg, Leipzig, und Halle/Saale der Fall. Nicht nur in der Hauptstadt rollten sowjetische Panzer in die Städte, die laut Wladimir Semjonow, damals sowjetischer Hoher Kommissar in der DDR, schon am Vorabend dorthin beordert worden waren.


Schüsse in die Luft

Der ehemalige sowjetische Diplomat berichtete in seinen 1995 erschienenen Erinnerungen: „Die Leidenschaften kochten über. Um 11.00 Uhr erhielten wir die Weisung aus Moskau, das Feuer auf die Aufrührer zu eröffnen, militärische Standgerichte einzurichten und zwölf Rädelsführer zu erschießen. Die Mitteilung über die Exekutionen sollten überall in der Stadt ausgehängt werden. Da Sokolowski [sowjetischer Generalstabschef – Anm. TG] und ich aber über außerordentliche Vollmachten verfügten, handelten wir nicht nach dieser Weisung Moskaus und gaben lediglich den Befehl, über die Köpfe der Demonstranten hinwegzuschießen.“


Die Historikerin Hoyer schreibt in ihrem aktuellen Buch, dass die sowjetischen Panzer und Truppen auf die Demonstranten „losgelassen wurden“. Damit folgt sie dem vorherrschenden Narrativ. Der Historiker Baring schrieb 1965: „Überall in der DDR fuhren die sowjetischen Panzer – soweit sie gegen Demonstranten eingesetzt wurden – nur langsam in die Menge hinein, so dass sich die Menschen in Sicherheit bringen konnten; die Panzer sollten (wie der stellvertretende Ministerpräsident Otto Nuschke in seinem Rias-Interview sagte) nur ‚gleichfalls demonstrieren‘. Wo geschossen wurde, zielten die Soldaten in fast allen mir bekannten Fällen in die Luft.“


„Sicher, allein die Präsenz der Panzer war ein einschüchterndes Symbol von Gewalt“, so die Publizistin Dahn dazu. „Stark genug, um den Aufstand zu unterdrücken.“ Das suggerierte Bild sei aber falsch, wonach die friedlichen Demonstranten nach „chinesischer Lösung“ zusammengeschossen worden seien. „Fakt ist: Die sowjetischen Panzer hatten strengen Befehl, nicht zu schießen. Daran haben sie sich auch gehalten.“ Das sei selbst den Demonstranten schnell aufgefallen.


Keine Toten durch Panzer

„Eher sind die in den Luken stehenden jungen Panzerfahrer mit Steinen und Latten angegriffen worden, als dass diese Gewalt angewendet hätten. Ihre einschüchternde Wirkung hatte Grenzen.“ Während des gesamten Aufstandes sei kein einziger Mensch durch die Gewalt eines Panzers ums Leben gekommen, betont Dahn. „Es soll einen Unfall gegeben haben, bei dem ein Panzer in eine Baugrube gerutscht ist und dabei jemanden erdrückt hat.“ Sie habe die Angaben bei einem Faktencheck in der „Stasi-Unterlagenbehörde“ gefunden.


Dennoch gab es den Berichten zufolge Gewalt und neben zahlreichen Verhaftungen auch Todesopfer einschließlich einiger standrechtlich Verurteilter und Erschossener. Historiker Prokop zitierte im Interview aus dem einst streng geheimen sowjetischen Bericht über die Zeit vom 17. bis 20. Juni 1953, wo die Rede von 430.513 Streikteilnehmern und von 336.376 Demonstranten in der DDR gewesen sei. „Diesem Bericht zufolge waren 29 Tote plus elf ermordete Parteifunktionäre sowie sechs zum Tode durch Erschießen Verurteilte, wovon vier Urteile vollstreckt worden seien, als Opfer zu beklagen. Verwundet wurden danach 350 Demonstranten und 83 Parteifunktionäre und Polizisten. 6.521 Personen wurden den Angaben zufolge festgenommen und inhaftiert.“ Heute gilt die Zahl von 55 Todesopfern als belegt.


„Über die genauen Umstände der 55 Todesopfer des Aufstandes ist erstaunlich wenig bekannt“, schreibt die Publizistin Dahn. „Immerhin sind über 250 öffentliche Gebäude erstürmt worden, darunter Dienststellen der Polizei, der Staatssicherheit und der SED. Aus 12 Gefängnissen wurden 1400 Häftlinge befreit. Diese Aktionen waren oft von Demütigungen und gewaltsamen, bewaffneten Prügeleien von beiden Seiten begleitet.“


Moskauer Verantwortung

Die hausgemachte und tiefgehende Gesellschaftskrise der DDR (Prokop), die in die Juni-Ereignisse 1953 führte, war zu großen Teilen verursacht worden durch die Forderungen der sowjetischen Besatzungsmacht. Ohne die lief im Guten wie im Schlechten in der DDR fast nichts. Der Handlungsspielraum der DDR-Verantwortlichen blieb in den frühen 1950er Jahren „sehr begrenzt“, so der frühere Mitarbeiter von SED-Chef Ulbricht, Herbert Graf, 2008 in seinen Erinnerungen. Der sowjetische Diplomat Julij Kwizinskij, seit 1959 in der DDR tätig, sprach in seinen Erinnerungen von dem „Siegersyndrom“ auf sowjetischer Seite. Es habe die Vorstellung gegeben, „dass man sich in der DDR vieles erlauben konnte, was in anderen Ländern Osteuropas niemals geduldet worden wäre“.


Die DDR hatte keine Alternative, so der Historiker Roesler. „Die einzige Alternative wäre gewesen, man hätte versucht, Bestandteil Westdeutschlands schnell zu werden. Aber hier waren die sowjetischen Truppen. Also ich sehe keine Alternative dazu. Es war auch ein bisschen unglücklich für die DDR, dass Nikita Chruschtschow erst gewissermaßen in diesem Moment, nach Stalins Tod Anfang März 1953, in Moskau an die Macht kam, und noch keineswegs als der Herrscher, der er später war. Chruschtschow hatte ein anderes Konzept für die DDR. Das hat sich dann auch im ‚Neuen Kurs‘ ausgezahlt.“


Dieser „Neue Kurs“ war, auch in Folge des Moskauer Kurswechsels, schon vor dem 17. Juni beschlossen worden. Weil aber die Normenerhöhungen nicht gleichzeitig zurückgenommen wurden, konnten damit die Streiks und Demonstrationen nicht mehr verhindert werden. Auf die reagierte die SED laut Roesler mit dem Ende der Sparpolitik und der Normenpolitik. „Sie kann sich das leisten, weil die Sowjetunion das jetzt mitfinanziert. Dazu gehört, dass die Einnahmen der ab 1954 aufgelösten SAG-Betriebe, in sowjetischem Besitz, voll an die DDR gehen. Es sind auch die Besatzungskosten verringert worden.“


Der Historiker stellte klar: „Aber sie konnte es sich dann auch leisten, einsichtig zu sein dank der Hilfe der Sowjetunion, die sie aber erst in diese Situation 1952 gebracht hat.“ Natürlich gehört zu den Folgen auch das massive Vorgehen der in ihrer Macht gesicherten SED-Führung nicht nur gegen Streikende, oftmals Gewerkschafter, sondern auch gegen interne Kritiker.


Westlicher Teilungskurs

Angesichts der Tatsache, dass der 17. Juni in der Bundesrepublik ab 1954 als „Tag der deutschen Einheit“ bis 1990 als gesetzlicher Feiertag galt, noch ein kurzer Blick auf die Reaktionen im Westen:


Natürlich kann bei der Frage nach den Ursachen nicht weggelassen werden, dass längst der Kalte Krieg als Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West tobte. Die westliche Politik gegen das sozialistische Lager, samt „Roll back“, „Containment“ und Sanktionen, hatte Folgen auch für die Menschen in der DDR. In der Bundesrepublik bereitete ein staatlich finanzierter „Forschungsbeirat“ den „Tag X“ zur Übernahme der DDR vor.


Der reichweitenstarke US-Sender Rias wurde offen und indirekt benutzt, um die Stimmung in der DDR zu beeinflussen. „Durchgängig waren alle privaten, parteigebundenen und amtlichen antikommunistischen Organisationen in irgendeiner Weise am Aufstand beteiligt“, schrieb der Historiker Bernd Stöver 2002 nach Studien in US-Archiven. Das alles aber wäre wirkungslos gewesen, wenn es nicht die auslösenden hausgemachten Probleme gegeben hätte, so der Historiker Roesler.


Am 17. Juni trafen die drei westlichen Besatzungsmächte in ihren Berliner Sektoren Maßnahmen, die eine Eskalation vermeiden und eine Ausbreitung der Demonstrationen nach West-Berlin bzw. die Beteiligung von West-Berlinern an den Ereignissen in Ost-Berlin verhindern sollten. „In diesem Sinne vermieden die Westmächte in einem Protestschreiben an den sowjetischen Kommandanten am 18. Juni den Eindruck, dass sie die Aufständischen unterstützten“, schrieb die Historikerin Marianne Howarth 2003.


Die Westmächte hätten sich durch die Juni-Ereignisse 1953 in ihrem Kurs bestätigt gesehen, die Bundesrepublik weiter in den Westen zu integrieren. „Damit war sowohl für den Westen als auch für den Osten der Kurs und die Geschichte der deutschen Teilung bis zum Herbst 1989 bestimmt“, so Howarth. Die auch in der DDR-Bevölkerung vorhandenen Wünsche nach der Einheit des Landes seien „ständige Mahnung“ gewesen, „am bisherigen Kurs festzuhalten, der auf eine Wiedervereinigung Deutschlands nach westlichen Vorstellungen im Interesse aller Deutschen zielte“. Ansätze im Westen für einen Ausgleich mit der Sowjetunion und auch einer möglichen deutschen Einheit nach Stalins Tod im März 1953 waren lange vor dem 17. Juni gescheitert.

Eine der bis heute möglicherweise gültigen Lehren aus den Ereignissen vor 70 Jahren beschrieb Egon Bahr, der das Geschehen in Berlin als Rias-Journalist miterlebte, in dem Buch „Ostwärts und nichts vergessen“: „Mit einer Bewegung von unten kann man nichts machen, alle Versuche, der Sowjetunion ihren Einflussbereich zu entreißen oder zu destabilisieren, waren sinnlos.“ Das habe sich auch später in Ungarn und der ČSSR gezeigt. Das habe ihn überzeugt: „Wir können überhaupt nur etwas ändern, wenn es von oben geschieht, im Einvernehmen mit Moskau. Die waren die einzigen, die die Macht hatten, etwas zu verändern.“ Er sei mit dieser Erkenntnis damals „relativ allein“ gewesen, so der 2015 verstorbene Bahr. Er stünde damit heute wieder ziemlich allein.


Rubriken: Gedenktage/Jahrestage Innen- und Gesellschaftspolitik Kampagnen / Tarnworte / Neusprech


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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

17.06.2023

NATO-Sprech-Kopie führt nicht zum Frieden

aus e-mail von Irene Eckert, 17. Juni 2023, 12:18 Uhr


Danke an Anneliese und Andreas für klare Haltung sagt Irene Eckert

eranstaltung am 10. und 11. Juni 2023 in Wien

"Friedensgipfel": Ein Erfolg? Für wen?

Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann


Am 10. und 11. Juni 2023 hat in Wien ein "Internationaler Gipfel für

Frieden in der Ukraine" stattgefunden. Einer der Unterstützer war – bis

wenige Tage vor seinem Beginn – der Österreichische Gewerkschaftsbund

(ÖGB). Bei ihm heißt es zum Krieg in der Ukraine: "Der ÖGB verurteilt

Russlands Invasion in der Ukraine auf das Schärfste. Dieser Verstoß gegen

das Völkerrecht bringt unsägliches Leid über die Menschen." (1) Als hätte

der achtjährige Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Donbass nicht längst

zehntausendfaches Leid über die Menschen gebracht. Entsprechend beginnt der

"Aufruf zum Frieden", mit dem die Veranstalter für den Gipfel geworben

haben, mit dem Satz "Wir verurteilen die illegale russische Invasion in der

Ukraine..." (2) Eine derartige Anbiederung an den NATO-Sprech des

Gewerkschaftsbundes hat offensichtlich nichts genutzt. Der ÖGB hat den

Veranstaltern – darunter zuvorderst das International Peace Bureau (IPB) –

auf Druck des ukrainischen Botschafters seine ursprünglich zugesagten Räume

kurzfristig entzogen, so dass der Gipfel an einem anderen Ort stattfinden

musste

mehr dazu:  .http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28673


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




witeres:




nrhz.de, Aktueller Online-Flyer vom 17. Juni 2023, Druckversion, Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann


Aktuelles
Veranstaltung am 10. und 11. Juni 2023 in Wien

"Friedensgipfel": Ein Erfolg? Für wen?


Am 10. und 11. Juni 2023 hat in Wien ein "Internationaler Gipfel für Frieden in der Ukraine" stattgefunden. Einer der Unterstützer war – bis wenige Tage vor seinem Beginn – der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB). Bei ihm heißt es zum Krieg in der Ukraine: "Der ÖGB verurteilt Russlands Invasion in der Ukraine auf das Schärfste. Dieser Verstoß gegen das Völkerrecht bringt unsägliches Leid über die Menschen." (1) Als hätte der achtjährige Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Donbass nicht längst zehntausendfaches Leid über die Menschen gebracht. Entsprechend beginnt der "Aufruf zum Frieden", mit dem die Veranstalter für den Gipfel geworben haben, mit dem Satz "Wir verurteilen die illegale russische Invasion in der Ukraine..." (2) Eine derartige Anbiederung an den NATO-Sprech des Gewerkschaftsbundes hat offensichtlich nichts genutzt. Der ÖGB hat den Veranstaltern – darunter zuvorderst das International Peace Bureau (IPB) – auf Druck des ukrainischen Botschafters seine ursprünglich zugesagten Räume kurzfristig entzogen, so dass der Gipfel an einem anderen Ort stattfinden musste.


Friedensgipfel-Briefkopf

2014/15 war infolge des Maidan-Putsches eine Neue (unabhängige) Friedensbewegung entstanden. Sie wurde systematisch als "rechts" diskreditiert, so auch von der Tageszeitung "junge Welt". Auch aktuell schreibt dieses "marxististische" Organ von "Versuchen, die Friedensbewegung nach rechts zu öffnen" und versieht unter Bezugnahme auf die DFG/VK NRW das "Friedensbündnis NRW", in dem sich Gruppen aus der traditionellen Friedensbewegung sowie der Grundrechte- und Demokratie-Bewegung zusammengefunden haben, mit dem Attribut "Querdenker und noch weiter rechts stehend". (3) Diese "junge Welt" titelt in ihrem Schwerpunkt vom 14. Juni 2023 mit "Friedensgipfel 'voller Erfolg'" und beschreibt gleich im Zweittitel die Position der Gipfel-Organisatoren: "Waffenstillstand heißt nicht Anerkennung der Gebietsgewinne". (4) Nichtsdestotrotz hatte der ukrainische Botschafter in Österreich den Friedensgipfel als "eindeutig im Einklang mit russischer Propaganda" stehend bezeichnet. (5)

Der Wiener KURIER führt indes aus: "Diskutantinnen und Diskutanten aus den vom aktuellen Krieg betroffenen Regionen boten indes ein deutlich differenziertes Bild." (6) So habe die aus dem Ausland per Video zugeschaltete Nina Potarska eingeworfen, dass Forderungen nach einem bedingungslosen Waffenstillstand mit hohen Kosten verbunden seien. Sie habe gesagt: "Ein Waffenstillstand jetzt würde bedeuten, man akzeptiert, dass sich Familien nie mehr wiedervereinigen werden: Die Kontaktlinie würde zu einer spaltenden Grenze." Sie habe betont, es sei auch nicht genug, gegen den Krieg zu sein und darüber Lieder an einem sicheren Ort zu singen. Nina Potarska ist für die "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit" (Women's International League for Peace and Freedom) tätig, die am 25. Februar 2022 erklärt hat: "Wir sind in voller Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und verurteilen zutiefst den völkerrechtswidrigen Angriff der russischen Regierung." (7)

Die Hoffnung, dass es gelingen könnte, aus der Abschlusserklärung (der so genannten "Wiener Erklärung") NATO-konforme, NATO-Feindbilder bedienende Formulierungen herauszuhalten, wurde enttäuscht. Insbesondere in Anbetracht des an den Gipfel (10./11. Juni) unmittelbar anschließenden NATO-Großmanövers "Air Defender 2023" (12. bis 23. Juni) wäre es zu begrüßen gewesen, auf dem Wiener Gipfel einen Slogan wie "NATO raus – KRIEG aus" zu verankern. Doch auch das wurde nicht Realität.

In der "Wiener Erklärung" heißt es: "Wir verurteilen den illegalen Einmarsch Russlands in die Ukraine." (8) Ein weiterer aufschlussreicher Satz lautet: "Wir verpflichten uns, den Dialog mit denjenigen in Russland und Weißrussland zu verstärken, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um sich dem Krieg zu widersetzen und die Demokratie zu schützen." In einer bei Pressenza wiedergegebenen Erklärung wird hervorgehoben: "Die Verurteilung der illegalen Invasion Russlands in der Ukraine wird ausdrücklich bestätigt." (8) Und in einem Bericht der Schweizerischen Friedensbewegung über den Friedensgipfel ist entsprechend zu lesen: "Die Invasion Russlands in der Ukraine wurde als völkerrechtswidrig verurteilt." (9) Vom Spitzenmann des IPB, Reiner Braun, kommen solche Zuschreibungen schon seit Beginn des russischen Vorgehens in der Ukraine. Unmittelbar am 24. Februar 2022 hat er zusammen mit Willi van Ooyen in einer Erklärung von der "Aggression Russlands" und am 26. April 2022 zusammen mit dem Naturfreunde-Vorsitzenden Michael Müller in der Frankfurter Rundschau vom "völkerrechtswidrigen Angriff Putins" geschrieben. (10) Er hat offensichtlich nicht dazu gelernt.

Es ist ein friedenspolitisches Gebot, das Schüren von Feindbildern zu unterlassen. Solche Art Zuschreibungen bilden eine denkbar schlechte Voraussetzung für ernst zu nehmende Friedensverhandelungen. Auf einem von der AG Frieden des Stadtverbands Köln der Partei dieBasis und der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" getragene Veröffentlichung – betitelt mit "NATO raus – KRIEG aus" – heißt es; "Wir wenden uns gegen das Schüren von Feindbildern. Feindbilder dienen der psychologischen Vorbereitung auf Kriege. Wir verurteilen deshalb Formulierungen, in denen z.B. Syriens Präsident Assad als 'blutiger Diktator, der sein Land brutal unterdrückt', bezeichnet wird... oder in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine vom 'brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands' gesprochen wird. Wir wollen im Gegenteil aktiv am Abbau derartiger Feindbilder mitwirken, um damit Kriegen eine wesentliche Grundlage zu entziehen..." (11) Dem wird die "Wiener Erklärung" nicht gerecht.

In Anlehnung an Doris und George Pumphrey (12) sei aufgezählt, was der "Westen" in Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt zu verantworten hat: das Vordringen der NATO bis an die Grenzen Russlands, der Maidan-Putsch 2014, der Minsk-Betrug und der damit verbundene Völkerrechtsbruch, der acht-jährige Krieg des Kiewer Regimes gegen die Zivilbevölkerung des Donbass, der Ausbau der Ukraine zum neonazistisch geprägten Bollwerk gegen Russland, der selbstmörderische Wirtschaftskrieg gegen Russland, die Nord-Stream-Sprengung, die systematische Ablehnung aller Verhandlungsangebote Russlands. Insbesondere wurden die Erfolg versprechenden Verhandlungen im März/April 2022 in der Türkei durch Intervention des britischen Premierministers Johnson zum Scheitern gebracht. Auf dieser Grundlage sprechen Doris und George Pumphrey ohne Umschweife vom "NATO-Krieg auf dem Rücken der Ukrainer". Von dieser Sichtweise ist die "Wiener Erklärung" weit entfernt. Ist das ein Erfolg? Und wenn ja, für wen?


Fußnoten:

1 ÖGB-Erklärung "Solidarität mit der Ukraine" vom 24.02.2023
https://www.oegb.at/themen/gewerkschaften-weltweit/internationales/ukraine--ein-jahr-krieg--ein-jahr-internationale-solidaritaet

2 Ankündigung des Wiener Friedensgipfels
am 16.05.2023 von Willi van Ooyen im Namen des Bundesausschusses Friedensratschlag verbreitet – erreichbar über
https://www.peace-ed-campaign.org/de/event/international-peoples-summit-for-peace-in-ukraine/
(IPB-website ipb.org am 15.06.2023 nicht erreichbar, Gipfel-website peacevienna.org als unsicher deklariert)

3 Artikel "Die Waffen nieder" von Henning von Stoltzenberg in "junge Welt" vom 01.04.2023
https://www.jungewelt.de/artikel/448016.friedensbewegung-die-waffen-nieder.html

4 Bericht "Friedensgipfel 'voller Erfolg'" in "junge Welt" vom 14.06.2023
https://www.jungewelt.de/artikel/452729.internationale-friedensbewegung-friedensgipfel-voller-erfolg.html

5 Meldung "Friedensgipfel in Wien ist russische Propaganda" bei krone.at am 10.06.2023
"Der ukrainische Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets, übt im krone.tv-Interview scharfe Kritik an am Wochenende stattfindenden 'Wiener Friedensgipfel'. Aufgrund der Inhalte glaubt er an Einflussnahme aus Russland. Für ihn sei die Konferenz 'eindeutig im Einklang mit russischer Propaganda'..."
https://www.krone.at/3029493

6 Bericht über den Friedensgipfel bei kurier.at am 10.06.2023, 16:40 Uhr
https://kurier.at/chronik/oesterreich/wiener-ukraine-friedensgipfel-pro-russische-argumente-zum-auftakt/402481424

7 Erklärung "In Solidarität mit den Menschen in der Ukraine" der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF Women's International League for Peace and Freedom) vom 25. Februar 2022
https://www.wilpf.de/in-solidaritaet-mit-den-menschen-in-der-ukraine/

8 Veröffentlichung bei Pressenza am 14.06.2023 mit Wiedergabe der "Wiener Erklärung"
https://www.pressenza.com/de/2023/06/die-internationale-zivilgesellschaft-aus-wien-wir-brauchen-verhandlungen-die-die-logik-des-friedens-statt-der-unlogik-des-krieges-staerken-koennen/

9 "Friedensgipfel in Wien" – Bericht der Schweizer Friedensbewegung vom 13.06.2023
https://www.friedensbewegung.ch/2023/06/13/friedensgipfel-in-wien/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=friedensgipfel-in-wien

10 Bericht über den Friedensratschlag in Kassel am 10./11.12.2022 - mit Feindbildzitaten
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28369

11 Flugblatt "NATO raus – KRIEG aus"

http://www.natoraus.de/NATOraus-KRIEGaus-flugblatt-2023.pdf

12 Doris und George Pumphrey in Zusammenstellung von Kritik am "Manifest für Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28480


Siehe auch:

Ukraine: Nein zu Faschismus und Krieg - Wann begann der Krieg in der Ukraine?
Von Deutscher Freidenker-Verband
NRhZ 788 vom 11.04.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28017

Erklärung zu Russlands Vorgehen in der Ukraine, April 2022
Frieden statt Kriegshetze!
Von Bundesverband Arbeiterfotografie
NRhZ 788 vom 11.04.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28016

Was aus einem der TAZ gegebenen Interview gemacht wurde
Fragen an die "Initiator:innen des Neuen Krefelder Appells"
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 810 vom 26.04.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28571

Fotogalerie
Demonstration gegen NATO-Manöver Air Defender 23, Wunstorf, 10. Juni 2023
NATO raus – KRIEGsspiele aus
Von Arbeiterfotografie
Online-Flyer Nr. 813  vom 14.06.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28655

Online-Flyer Nr. 813  vom 15.06.2023

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Info: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28673


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

16.06.2023

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16.06.2023

Am Rande des Krieges (III)Die erste Woche von Air Defender 23, einem Großmanöver mit rund 250 Militärflugzeugen, geht heute zu Ende. Geübt werden der Aufmarsch Richtung Russland und Kampfhandlungen auf deutschem Boden.

german-foreign-policy.com, 16. Juni 2023

BERLIN (Eigener Bericht) – Anhaltende Proteste begleiten Air Defender 23, die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften aus den USA nach Europa in der Geschichte der NATO. Auf erste Kundgebungen gegen die Kriegsübung am Samstag in Wunstorf und Spangdahlem folgten weitere unter anderem in Münster und in Jagel. Für den morgigen Samstag ist die nächste in Brandenburg an der Havel angekündigt. Air Defender 23 trainiert faktisch, wie das offizielle Übungsszenario bestätigt, einen Krieg gegen Russland auf deutschem Boden. Mit der Verlegeübung erweitert die NATO ihre mit der Defender Europe-Manöverserie bereits entwickelte Fähigkeit, große Truppenverbände in Richtung Osten zu verlegen. Anders als die Defender Europe-Übungen findet Air Defender 23 allerdings unter deutscher Führung statt. Räumlicher Fokus ist der deutsche Luftraum. Die Bundesrepublik markiert damit ihre Rolle als „logistische Drehscheibe“ der NATO im Konflikt mit Russland. Am heutigen Freitag geht die erste Woche des Großmanövers zu Ende. Die NATO-Staaten üben unter anderem die Herstellung von Luftüberlegenheit, um vorrückende Bodentruppen schützen zu können.


Zitat: Luftkrieg über Deutschland

Bereits vorab hatte die Bundeswehr einen „zwei Wochen andauernden, harten und intensiven Flugbetrieb“ angekündigt.[1] Für die Manöverflüge hat sie „zeitlich befristet begrenzte Lufträume für das Militär reserviert“ – drei Übungslufträume im Nordwesten, im Nordosten und im Süden der Bundesrepublik, „in denen für die zivile Luftfahrt praktisch ein Flugverbot gilt“. Um die „Aufteilung“ des Luftraums zwischen ziviler und militärischer Luftfahrt kümmern sich die Luftwaffe und die Deutsche Flugsicherung (DFS) laut Bundeswehr „Hand in Hand“. Ausdehnung der Zeitfenster und Lufträume werden Anlassbedingt verhandelt und festgelegt. Der Zugriff des Militärs auf den deutschen Luftraum bleibt damit „skalierbar“.[2]


Dreh- und Angelpunkte

Die Flugplätze, die bei Air Defender 23 hauptsächlich genutzt werden, sind Wunstorf, Jagel, Hohn, Lechfeld und Spangdahlem. Dabei kommt den Standorten Wunstorf (Niedersachsen) und Jagel (Schleswig-Holstein) laut Angaben der Bundeswehr als „Dreh- und Angelpunkte[n]“ der multinationalen Flugmanöver eine besondere Bedeutung zu.[3] Demnach ist Wunstorf die „zentrale Logistikdrehschreibe“ der Kriegsübung. Truppen aus den USA verlegen zunächst auf den Fliegerhorst, schlagen auf ihm ihr Material um und ziehen von dort aus weiter – unter anderem auch über das deutsche Straßennetz. Um den immensen Kraftstoffbedarf während Air Defender 23 decken zu können, haben deutsche Soldaten in Wunstorf eigens ein Feldtanklager errichtet. Die Luftwaffe kündigt an, dieses Provisorium nach Abschluss der Übung weiter zu nutzen zu wollen, um das in Wunstorf „bestehende fest installierte Tanklager zu modernisieren“.[4] Der Fliegerhorst wurde 1934 für die Wehrmacht angelegt. Über das Gebiet der Bundesrepublik hinaus kündigt die Bundeswehr Aktivitäten in Tschechien, Polen und den Baltischen Staaten, in Rumänien [5] und den Niederlanden [6] an. Es werde „tägliche ... Hin- und Rückflüge“ nach Rumänien und ins Baltikum und damit an die ukrainische und russische Grenze geben, teilt die Bundeswehr mit.


First Responder

Über die Manöverinhalte gibt die Bundeswehr an, die NATO probe während Air Defender 23 „die gemeinsame Reaktionsfähigkeit ihrer Luftstreitkräfte in einer Krisensituation“.[7] Die Übung basiere auf einem Beistandsszenario nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags und habe damit rein defensiven Charakter. Geschützt werden sollen neben dem Bündnisgebiet der NATO auch die „Interessen ihrer Mitgliedstaaten“.[8] Die Luftstreitkräfte der NATO-Mitglieder gelten in einem möglichen Konflikt mit Russland als „First Responder“ (Erstreaktionskräfte). Die Übung mache die „transatlantische Geschlossenheit nach außen sichtbar“, heißt es.[9] Erst im Februar hatte der deutsche Verteidigungsminister im Umgang mit Russland eine „Demonstration von Stärke“ gefordert.[10] Deutschland bereitet das Manöver zwar bereits seit 2018 vor; damals war allerdings die Beteiligung von nur 50 und nicht, wie jetzt, rund 250 Militärflugzeugen geplant.[11]


Kampfhandlungen auf deutschem Boden

Das Szenario von Air Defender 23 beschreibt die Bundeswehr wie folgt: „Deutschland, in einem fiktiven Jahr der Zukunft: Die jahrelange Konfrontation der NATO mit dem östlichen Militärbündnis OCCASUS hat den Boden der Bundesrepublik erreicht.“ Zugrunde liege ein „Konflikt, der räumlich auf die Linie zwischen Arktis und Schwarzem Meer ausstrahlt“ und sich „schon länger“ hochschaukele, heißt es im Drehbuch für Air Defender 23. Auch ist die Rede von einer OCCASUS-„Spezialoperation“ in einem Staat „außerhalb des NATO-Bündnisgebietes“ – ein Verweis auf den Ukraine-Krieg. Nun komme es zu „Kampfhandlungen auf deutschem Boden“. Dabei gebe es in der Bundesrepublik „knappe Energieressourcen und eine von Corona und Inflation erschöpfte Bevölkerung“: „Wie kann reagiert werden“, fragt die Bundeswehr, „wenn ein feindliches Militärbündnis einen Teil Deutschlands besetzt hält?“[12] Nicht nur das Territorium, auch die öffentliche Meinung in Deutschland steht im Manöverszenario unter einem Angriff von „OCCASUS-Sympathisanten“. Als „Kern“ des Manövers nennt die Bundeswehr, „die militärische Reaktions- und Handlungsfähigkeit in der Luft belastbar zu erproben und die Bevölkerung beispielsweise vor Mittelstreckenraketen schützen zu können“.[13] Konkret trainiert die NATO unter anderem Kampfhandlungen bei Rostock, wo mit dem Baltic Maritime Component Command (BMCC) ein NATO-Hauptquartier angesiedelt ist.[14]


Lufthoheit und Bodentruppen

Dabei sei es ein „entscheidender Faktor für den Erfolg militärischer Operationen“, Lufthoheit zu erlangen, erklärt die deutsche Luftwaffe – und bezieht sich bei ihren Erläuterungen zur Luftkriegstaktik explizit auf einen der „bekanntesten deutschen Jagdflieger im Ersten Weltkrieg“. Damals führte Deutschland unter anderem gegen Russland Krieg. Zur Erlangung der Lufthoheit, schreibt die Luftwaffe weiter, spielten auch „Luft-Boden-Angriffe“ „eine wesentliche Rolle“; die NATO setze dabei „auf Präzisionsbomben, lasergesteuerte Luft-Boden-Raketen und Kanonen, um Bodenziele gezielt anzugreifen und zu zerstören“.[15] Lufthoheit sei unter anderem „Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Kampftruppen am Boden“.[16] Den Aufmarsch von Bodentruppen in Richtung Ukraine und Russland hatte die NATO erstmals im großen Stil mit dem Manöver Defender Europe 2020 geprobt.


Mehr Einsatzmentalität

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatten Bundeswehr und NATO noch improvisiert. Ingo Gerhartz, Generalleutnant und Inspekteur der Luftwaffe, berichtete kürzlich, noch am selben Tag habe der Generalinspekteur der Bundeswehr ihn in einem Anruf aufgefordert: „Tu was!“ Drei Stunden später hätten drei Eurofighter nach Rumänien verlegt, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Damals standen der NATO laut Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius „32.000 Bodentruppen, 140 Schiffe und 135 Flugzeuge zur Verfügung“. Gerhartz kritisiert: „Wir brauchen mehr Einsatzmentalität“.[17] Pistorius bestätigte bereits im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die NATO werde ihren 2014 eingeschlagenen Kurs fortsetzen, „die militärische Präsenz entlang der gesamten Ostflanke“ erhöhen sowie eine schnelle Eingreiftruppe von „künftig 300.000“ Soldaten in „erhöhter Alarmbereitschaft“ halten.[18] Die schnelle Einsatzfähigkeit der First Responder wiederum, der NATO-Luftstreitkräfte, stellt Air Defender 23 her.

 

[1] Air Defender 2023 – Jahre der Vorbereitung, um 200 Flugzeuge in die Luft zu bekommen. Bundeswehr.de 28.03.2023.

[2] Personal des Airspace-Managements organisiert den Luftraum. bundeswehr.de 25.04.2023.

[3] Multinationale Übung Air Defender 2023. presseportal.de 31.05.2023.

[4] Wunstorf: Drehscheibe für die Tank- und Transportflugzeuge bei Defender 2023. bundeswehr.de 02.06.2023.

[5] Air Defender 2023 – warum es auch mal lauter wird. bundeswehr.de 27.04.2023.

[6], [7] Air Defender 23. bundeswehr.de.

[8] Das Training moderner Luftkampfverfahren ist entscheidend. bundeswehr.de 01.06.2023.

[9] Multinationale Übung Air Defender 2023. presseportal.de 31.05.2023.

[10] Pistorius auf der MSC (Munich Security Conference) 23: „NATO-Ostflanke stärken heißt, uns selbst zu stärken“. bmvg.de 23.02.2023.

[11] Air Defender 2023 – Jahre der Vorbereitung, um 200 Flugzeuge in die Luft zu bekommen. Bundeswehr.de 28.03.2023.

[12], [13] Das westliche Bündnis im Kampf gegen die Occasus-Allianz. bundeswehr.de 01.06.2023.

[14] S. dazu Neuer Kurs für die deutsche Marine.

[15] Das Training moderner Luftkampfverfahren ist entscheidend. bundeswehr.de 01.06.2023.

[16] Mehrzweckkampfflugzeuge: Vielseitigkeit und Effzienz in der Luftkriegsführung. bundeswehr.de 05.06.2023.

[17] Christian Böhme, Stephan-Andreas Casdorff, Christopher Ziedler: Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz: „Wir brauchen mehr Einsatzmentalität“. tagesspiegel.de 30.05.2023.

[18] Pistorius auf der MSC (Munich Security Conference) 23: „NATO-Ostflanke stärken heißt, uns selbst zu stärken“. bmvg.de 23.02.2023.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9270


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15.06.2023

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15.06.2023

„Die Grundlage unserer Wehrhaftigkeit“
Bundesregierung legt Nationale Sicherheitsstrategie vor, verortet Deutschland im globalen Machtkampf gegen Russland und China und verordnet der gesamten Bevölkerung „Wehrhaftigkeit“.

cgerman-foreign-policy.com, 15. Juni 2023

BERLIN (Eigener Bericht) – Die am gestrigen Mittwoch offiziell vorgelegte Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung verortet Deutschland fest im Machtkampf gegen Russland und gegen China und unterwirft die gesamte Gesellschaft einem alles umfassenden Begriff angeblicher Sicherheit. Wie es in dem Papier heißt, befinde sich die Welt aktuell „in einem Zeitalter wachsender Multipolarität“, in dem neue Mächte aufstiegen. Während China „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ zugleich sei, sei Russland dagegen „auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“. Entsprechend bekräftigt die Sicherheitsstrategie, es gelte nun, die Bundeswehr umfassend aufzurüsten, sie „zu einer der leistungsfähigsten konventionellen Streitkräfte in Europa“ zu machen und Deutschland zudem zur militärischen Drehscheibe für die NATO zuzurichten. Spezielle Bedeutung misst das unter Federführung von Außenministerin Annalena Baerbock erstellte Papier der Fähigkeit der Bevölkerung bei, im „Konfliktfall“ jederzeit „die nötige Widerstandskraft ... zu entwickeln“; dazu müsse „jede und jeder Einzelne“ beitragen. „Wehrhaftigkeit“ wird zum alles dominierenden, im Kern totalitären Imperativ.


Zitat: Globale Umbrüche

Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung wird in einer Zeit vorgelegt, in der tiefe Umbrüche die internationale Politik umwälzen. Der globale Einfluss Deutschlands, der EU und des transatlantischen Westens wird erkennbar schwächer. China steigt weiter auf und bietet sich zahlreichen Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas als Alternative zur alleinigen Orientierung auf die ehemaligen westlichen Kolonialmächte an. Auch Russland ist in einigen Ländern und Regionen, insbesondere in Syrien und in Westafrika, durchaus mit Erfolg dabei, die westlichen Mächte abzudrängen, und es hat zudem mit seinem Angriff auf die Ukraine das westliche Gewaltmonopol sogar in Europa herausgefordert. Neue Bündnisse wie die BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), sämtlich aufstrebende Schwellenländer, oder die bislang um China, Russland und Zentralasien zentrierte Shanghai Cooperation Organisation (SCO) erhalten Zulauf. Die Rede von einer Weltordnung, die multipolar geprägt ist, also keine dominierende Supermacht wie die Vereinigten Staaten und keinen alles beherrschenden Machtblock wie den um die NATO zentrierten Westen mehr kennt, ist keine gehaltlose Phrase mehr, sondern entspricht immer klarer der Realität.


„Elemente der Rivalität“

Die Bundesregierung erkennt das in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie im Grundsatz an: „Wir leben“, heißt es in dem Papier, „in einem Zeitalter wachsender Multipolarität.“ Dabei bezieht Berlin vor allem gegen Russland und China Position. Über China heißt es in Übernahme der seit einigen Jahren genutzten Standardformel, es sei „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ zugleich.[1] „Partner“ bezieht sich darauf, dass wichtige deutsche Konzerne auf das Chinageschäft angewiesen sind.[2] „Wettbewerber“ zielt darauf, dass es chinesischen Unternehmen immer öfter gelingt, mit Erfolg als Konkurrenten deutscher Firmen aufzutreten. „Systemischer Rivale“ nimmt den Umstand aufs Korn, dass die Volksrepublik ihren Aufstieg in Weltwirtschaft und -politik fortsetzt und dabei mittlerweile auf allen Kontinenten erheblich an Einfluss gewinnt; in der westlichen PR wird die sich daraus ergebende Rivalität mit dem Westen gerne als ein „systemischer“ Gegensatz („Demokratie versus Autoritarismus“) verbrämt. Eine ausführlichere Darstellung der neuen Chinapolitik der Bundesregierung wird erst in einigen Wochen oder Monaten mit der seit langem angekündigten neuen Berliner Chinastrategie präsentiert. Schon jetzt heißt es aber, „Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs“ nähmen inzwischen zu.


„Die größte Bedrohung“

Hauptgegner ist aus Sicht der Bundesregierung allerdings nicht China, sondern Russland. „Das heutige Russland“, so heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie, „ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum.“ Auch um sich gegen Moskau durchsetzen zu können, schreibt das Berliner Strategiepapier die massive Aufrüstung der Bundeswehr fest, die „ihre militärische Präsenz im Bündnisgebiet ... weiter ausbauen und verstetigen“ und zugleich „zu einer der leistungsfähigsten konventionellen Streitkräfte in Europa“ werden soll; Ziel sei es, „schnell und dauerhaft reaktions- und handlungsfähig“ zu sein. Dabei soll Deutschlands Funktion „als logistische Drehscheibe im Zentrum der Allianz“, die seit 2020 im Rahmen der „Defender“-Manöver eingeübt wird – aktuell: Air Defender 23 [3] –, gestärkt werden; es gehe, erläutert die Bundesregierung, nicht nur um Maßnahmen zum „Schutz der Verbündeten bei ihrem Aufenthalt in Deutschland“, sondern insbesondere um den Aufbau weiterer „Fähigkeiten zur logistischen Unterstützung, Gesundheitsversorgung, Fähigkeiten der Verkehrsführung“. Nicht zuletzt bekennt sich die Regierung zur sogenannten nuklearen Teilhabe; dies gelte, heißt es explizit, „solange es Nuklearwaffen gibt“.


Krieg und Wirtschaftskrieg

Sind Berlin und Brüssel im Machtkampf gegen Moskau zur Zeit noch klar auf die NATO angewiesen, so hält die Bundesregierung auf lange Sicht an dem Ziel fest, „die Europäische Union zu einer geopolitisch handlungsfähigen Akteurin [zu] machen“, die „ihre Sicherheit und Souveränität“ eigenständig gewährleisten kann. Dazu will sie in einem ersten Schritt „den europäischen Pfeiler“ der NATO stärken; dies verschaffe „eigenständige europäische Handlungsfähigkeit“. In diesem Kontext führt die Nationale Sicherheitsstrategie „moderne, leistungsfähige Streitkräfte der EU-Mitgliedstaaten“ ebenso auf wie „eine leistungs- und international wettbewerbsfähige europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“. Das Berliner Strategiepapier insistiert zudem auf einer breiten wirtschaftlichen Unabhängigkeit, die insbesondere auch die „technologische und digitale Souveränität“ der EU umfasst. In Zukunft soll das europäische Staatenkartell dabei wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen noch umfassender nutzen als bisher: „Die Bundesregierung“, heißt es, „setzt sich für einen zielgerichteten und flexiblen Einsatz von Sanktionen der EU ein und stellt eine effektive Sanktionsdurchsetzung auf nationaler Ebene sicher.“ Internationale Kooperation, etwa mit den G7, soll „Effektivität und Effizienz“ der Sanktionen erhöhen.


„Die Sicherheitsstrategie leben“

Besondere Bedeutung misst die Bundesregierung nicht zuletzt der „Resilienz“ bei – der Fähigkeit der gesamten Bevölkerung, im „Konfliktfall“ stets „die nötige Widerstandskraft ... zu entwickeln“. Um die gewünschte Resilienz zu gewährleisten, müsse man nicht nur über „gut ausgebildete Sicherheitsbehörden“, über „Organisationen der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr“, „eine starke Wirtschaft“ und eine fähige „Sicherheitsforschung“ verfügen, heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie. Es gelte nicht nur, „den Schutz und die Versorgung der Bevölkerung mit essenziellen Gütern und Dienstleistungen“ und „die zivile, auch logistische, Unterstützung für die Streitkräfte [zu] sichern“. „Unverzichtbare Grundlage unserer Wehrhaftigkeit sind Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, ihren Beitrag hierzu zu leisten“, heißt es weiter in dem Papier: „Zivilgesellschaftliche Organisationen“, aber auch „jede und jeder Einzelne ... können und sollen hierzu beitragen.“ „Wehrhaftigkeit“ wird zum alles dominierenden, im Kern totalitären Imperativ für die gesamte Gesellschaft. „Die Herausforderungen für unsere Sicherheit ziehen sich durch alle Lebensbereiche“, bekräftigte Außenministerin Annalena Baerbock am gestrigen Mittwoch [4]; das von ihr geführte Auswärtige Amt forderte auf Twitter: „Jetzt kommt es darauf an, die Nationale Sicherheitsstrategie in der gesamten Gesellschaft zu leben.“

 

[1] Zitate hier und im Folgenden: Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland. Nationale Sicherheitsstrategie. Berlin, Juni 2023.

[2] S. dazu Schäden im Wirtschaftskrieg.

[3] S. dazu Am Rande des Krieges (II).

[4] Simon Cleven: „Frieden und Freiheit fallen nicht vom Himmel“: Regierung stellt Nationale Sicherheitsstrategie vor. rnd.de 14.06.2023.


Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9268


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14.06.2023

Risse in der NATOPolen und die baltischen Staaten dringen auf NATO-Beitrittszusage an Kiew auf dem Gipfel im Juli in Vilnius und ziehen die Entsendung von Truppen in die Ukraine in Betracht. Berlin will Sicherheitsgarantien zusagen.

german-foreign-policy.com, 14. Juni 2023

BERLIN/WASHINGTON/KIEW (Eigener Bericht) – Vor dem NATO-Gipfel am 11./12. Juli in Vilnius spitzt sich der Streit um einen Beitritt der Ukraine zum westlichen Bündnis und um mögliche Sicherheitsgarantien für Kiew zu. Während Polen und die baltischen Staaten nach wie vor auf einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft beharren, die in Vilnius konkret in Aussicht genommen werden soll, hat US-Präsident Joe Biden Berichten zufolge im Februar seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda mitgeteilt, Washington lasse einen Beitritt der Ukraine nicht zu; dies sei eine „rote Linie“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dringt darauf, auf dem NATO-Gipfel ersatzweise „greifbare und glaubwürdige Sicherheitsgarantien“ zu beschließen. Bundeskanzler Olaf Scholz stimmt dem im Kern zu. Bleibe in Vilnius ein entsprechender Schritt aus, dann könnten einige „Hardcore“-Verbündete zu einem Alleingang übergehen, warnt der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der als Berater des ukrainischen Präsidenten zur künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur tätig ist. Ein solcher Alleingang könne auch – in nationalem Rahmen – eine Stationierung von Truppen von NATO-Mitgliedern in der Ukraine umfassen.


Zitat: Die NATO-Mitgliedschaft im Visier

Die Forderung, die Ukraine solle NATO-Mitglied werden – wenn auch erst nach Kriegsende, weil das westliche Militärbündnis sonst unmittelbar in den Krieg einträte –, wird unverändert von Ländern in Osteuropa vertreten, vor allem von Polen und den baltischen Staaten. Das Parlament Litauens etwa hat am 6. April eine Resolution verabschiedet, die fordert, Kiew schon auf dem NATO-Gipfel am 11./12. Juli in Vilnius die Mitgliedschaft anzubieten.[1] Der Präsident Polens, Andrzej Duda, hat am Montag vor Gesprächen in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz geäußert, die Ukraine wünsche „eine sehr konkrete Perspektive ... des Beitritts zur Nordatlantischen Allianz“; er hoffe, der NATO-Gipfel in Vilnius werde „eine gute Botschaft nach Kiew tragen ..., dass die zukünftige Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO klar sichtbar ist“.[2] Bereits am 4. Mai hatten die Sprecher der Parlamente Lettlands und Estlands, Edvards Smiltēns und Lauri Hussar, mitgeteilt, die baltischen Länder und Polen wollten eine gemeinsame Erklärung vorbereiten, die den NATO-Beitritt der Ukraine unterstützen solle, und zwar konkret mit Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel in Vilnius.[3]


Nur formal einig

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat mehrfach den Eindruck erweckt, die Aufnahme der Ukraine sei im Bündnis Konsens. „Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann die Ukraine Mitglied wird“, erklärte er kürzlich etwa im Interview mit dem ZDF; „aber was ich sagen kann: Dass alle Mitgliedstaaten sich einig sind, dass sie beitreten wird.“[4] Dies ist insofern zutreffend, als die NATO auf ihrem Gipfel im April 2008 in Bukarest Kiew prinzipiell die Beitrittsperspektive eröffnet und diesen Beschluss nie wiederrufen, ihn vielmehr immer wieder bekräftigt hat.[5] Das bedeutet freilich nicht, dass der ukrainische Beitritt in näherer Zukunft erfolgen wird oder auch nur annähernd absehbar ist; er kann beliebig verzögert werden, die NATO könnte zudem ihre Beschlusslage ändern. Ablehnend gegenüber einem konkreten NATO-Beitritt der Ukraine hat sich nicht nur Ungarn geäußert, das bereits den Beitritt Finnlands und Schwedens gebremst hat und mit Kiew in einem schweren Konflikt bezüglich der ungarischsprachigen Minderheit in der Südwestukraine steckt. Die bislang offenste Stellungnahme gegen eine Aufnahme der Ukraine in die NATO haben, wenn auch nicht in der Öffentlichkeit, die Vereinigten Staaten abgegeben.


Washingtons rote Linien

Dies hat kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet – unter Berufung auf nicht namentlich genannte „einflussreiche Personen“ aus Osteuropa, die offenkundig intime Kenntnis über den Verlauf des Treffens von US-Präsident Joe Biden mit seinem polnischen Amtskollegen Duda am 21. Februar in Warschau haben. Demnach hat Biden „im direkten Gespräch“ mit Duda damals „zwei rote Linien gezogen“: Zum einen würden die Vereinigten Staaten „nicht noch mehr Truppen an die Ostflanke schicken“; zum anderen dürfe die Ukraine „nicht der Allianz beitreten“. Washingtons „klare Festlegung“, so berichtet es die Frankfurter Allgemeine, habe in Osteuropa „Entsetzen und Unmut“ ausgelöst.[6] Allerdings entspricht sie der sich immer deutlicher abzeichnenden Absicht der Biden-Administration, den US-Wahlkampf nicht mit unpopulär werdenden neuen Milliardenzusagen für die ukrainischen Streitkräfte zu belasten, sondern nach dem Ende der mittlerweile gestarteten ukrainischen Offensive zu Verhandlungen mit Moskau und einem baldigen Waffenstillstand überzuleiten (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Eine NATO-Zusage, die Ukraine nach einem Ende des Krieges rasch aufzunehmen, würde den US-Plan scheitern lassen: Russland wäre dann kaum zu Verhandlungen bereit.


Sicherheitsgarantien für Kiew

Ersatzweise soll die Ukraine von den westlichen Staaten Sicherheitsgarantien erhalten. Wie diese genau aussehen sollen, ist unsicher und war unter anderem Gegenstand der Gespräche, die Macron, Duda und Scholz am Montagabend in Paris führten. Verschiedene Modelle stehen zur Debatte. Eines haben der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Selenskyjs Kabinettschef Andrij Jermak Mitte September vorgelegt („The Kyiv Security Compact“ [8]). Demnach soll die Ukraine einerseits in die Lage versetzt werden, sich im Falle eines erneuten russischen Angriffs mit modernstem Kriegsgerät und speziell trainierten Streitkräften selbst zu verteidigen. Dazu müssten NATO-Mitglieder sie nicht nur mit Waffen beliefern, ihre Soldaten ausbilden sowie deren Fähigkeiten in gemeinsamen Kriegsübungen perfektionieren. Sie müssten ihr auch zu einer äußerst effizienten rüstungsindustriellen Basis verhelfen, die es ihr erlaubt, die benötigten Waffen zumindest zum Teil eigenständig zu produzieren. Beim Aufbau einer rüstungsindustriellen Basis würde der deutsche Rheinmetall-Konzern gern eine Schlüsselrolle einnehmen (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Gleichzeitig sollen möglichst viele westliche Staaten bindende Beistandsgarantien abgeben.


Truppen entsenden

Dass die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten soll, ist offenbar Konsens; Kanzler Scholz erklärte dazu vor seinem Treffen mit Macron und Duda am Montagabend in Paris: „Klar ist: Wir brauchen so etwas, und wir brauchen es in sehr konkreter Form.“[10] Der Druck, derlei Zusagen bereits auf dem NATO-Gipfel in Vilnius zu tätigen, nimmt zu; Präsident Macron fordert eine schnelle Einigung auf „greifbare und glaubwürdige Sicherheitsgarantien“.[11] Ex-NATO-Generalsekretär Rasmussen, der Selenskyj bezüglich der Stellung der Ukraine in der künftigen europäischen Sicherheitsstruktur berät, warnt jetzt, blieben die Garantien in Vilnius aus, dann werde eine Gruppe von „Hardcore“-Verbündeten – gemeint sind Polen und die baltischen Staaten – eigenständig handeln, bei ihrer Unterstützung für Kiew mit einer „Koalition der Willigen“ noch weiter vorpreschen und womöglich gar eine Stationierung von Truppen in der Ukraine in nationalem Rahmen in Betracht ziehen.[12] Ohnehin seien sie entschlossen, in Vilnius wenigstens „einen klaren Weg für die Ukraine zur Mitgliedschaft in der NATO“ durchzusetzen. Ob es Macron und Scholz am Montagabend gelungen ist, Duda davon abzubringen oder ihn zumindest zum Verzicht auf die Entsendung der polnischen Streitkräfte in die Ukraine zu veranlassen, ist unklar. Rasmussen urteilt, der Konflikt bringe die bislang noch gewahrte Geschlossenheit der NATO in Gefahr.

 

Mehr zum Thema: Der Korea-Krieg als Modell.

 

[1] Lithuania To Seek Invite For Ukraine To Join NATO At July Summit. rferl.org 06.04.2023.

[2] Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Präsident Macron und Präsident Duda anlässlich des Treffens der Staats- und Regierungschefs im Format „Weimarer Dreieck“ am 12. Juni 2023 in Paris.

[3] Baltics and Poland to Back Ukraine’s membership of NATO. eng.lsm.lv 04.05.2023.

[4] Stoltenberg: Alle einig – auch Deutschland. zdf.de 01.06.2023.

[5] Nikolas Busse: Rote Linie der NATO. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.06.2023.

[6] Thomas Gutschker: Suche nach Sicherheitsgarantien. Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.06.2023.

[7] S. dazu „Untragbare Opfer“ und Nach der Offensive.

[8] Anders Fogh Rasmussen, Andrii Yermak: The Kyiv Security Compact. International Security Guarantees for Ukraine: Recommendations. Kyiv, 13 September 2022.

[9] S. dazu Eine rüstungsindustrielle Basis für die Ukraine.

[10] Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Präsident Macron und Präsident Duda anlässlich des Treffens der Staats- und Regierungschefs im Format „Weimarer Dreieck“ am 12. Juni 2023 in Paris.

[11] Michaela Wiegel, Gerhard Gnauck: Plötzlich ist das Weimarer Dreieck wieder wichtig. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.06.2023.

[12] Patrick Wintour: Nato members may send troops to Ukraine, warns former alliance chief. theguardian.com 07.06.2023.


Info:  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9266


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14.06.2023

Die USA werden einen vollständigen hybriden Krieg gegen die BRICS+ führen

freeassange.rtde.life, vom 13 Juni 2023 20:20 Uhr, Eine Analyse von Pepe Escobar

Der hybride Krieg 2.0 gegen den Globalen Süden hat noch nicht einmal begonnen. Aber die Wackelstaaten wurden alle gewarnt. Unterdessen geht die De-Dollarisierung des Globalen Südens unerbittlich weiter – sosehr auch die Kriegshyänen im Dunkeln heulen mögen.


Quelle: Gettyimages.ru © Jaco Marais/Die Burger/Gallo Images via Getty Images


Die Außenminister der fünf BRICS-Länder - Qin Gang (China), Mauro Vieira (Brasilien), Naledi Pandor (Südafrika), Sergei Lawrow (Russland) und Subrahmanyam Jaishankar (Indien) - während eines BRICS-Treffens am 01. Juni 2023 in Kapstadt, Südafrika.



Die Schmierfinken in der Unterwelt der US-Denkfabriken sind nicht gerade mit dem Philosophen Michel de Montaigne vertraut, der gesagt haben soll: "Selbst auf dem höchsten Thron der Welt sitzen wir bloß nur auf unserem eigenen Hintern."

Der Hochmut der oben genannten Protagonisten lässt vermuten, dass sie glauben, ihre eigenen schlaffen Hintern säßen weit über jenen aller anderen. Das Ergebnis daraus ist, dass eine typische Mischung aus Arroganz und Ignoranz letztlich immer die Vorhersehbarkeit ihrer Prognosen entlarvt.

Bericht: Südafrika drohen im Fall von US-Sanktionen hohe Exportverluste





Bericht: Südafrika drohen im Fall von US-Sanktionen hohe Exportverluste






Die Unterwelt der US-Denkfabriken – berauscht von ihrer selbst erschaffenen Aura der Macht – verkündet stets im Voraus, was man vorhat. Das war beim Projekt 9/11 der Fall, als im Vorfeld hinausposaunt wurde, dass man "ein neues Pearl Harbor" brauche. Das war bei der RAND-Denkschrift der Fall, in der man propagierte, dass man "Russland überdehnen und aus dem Gleichgewicht bringen" müsse. Und das ist auch jetzt bei den sich entwickelnden Ereignissen der Fall: dem US-Krieg gegen die BRICS, wie er vom Vorsitzenden der in New York ansässigen Eurasia Group dargelegt wird.


Es ist immer schmerzhaft, sich durch die intellektuell oberflächlichen feuchten Träume aus der Unterwelt der Denkfabriken zu quälen, die als "Analysen" getarnt daherkommen, aber in diesem speziellen Fall müssen sich wichtige Akteure des globalen Südens genau darüber im Klaren sein, was sie erwartet. Und wie vorherzusehen war, dreht sich die ganze "Analyse" um die bevorstehende verheerende Demütigung der USA und ihrer Vasallen: Mit dem, was als Nächstes im "Land 404" passieren wird, das – vorerst – auch als Ukraine bekannt ist.


Brasilien, Indien, Indonesien und Saudi-Arabien werden als "vier großen Zaungäste" abgetan, wenn es um den Stellvertreterkrieg der USA und der NATO gegen Russland geht. Es ist immer dasselbe Spiel: "Entweder ihr seid für uns oder gegen uns." Doch dann werden uns die sechs "Hauptschurken" des Globalen Südens präsentiert: Brasilien, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika und die Türkei.


In einem groben und engstirnigen Aufguss eines Schlagwortes, das aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf stammt, werden diese Länder als die wichtigsten "Swing States" bezeichnet – Wackelstaaten –, die umgarnt, überredet, eingeschüchtert oder bedroht werden müssen, damit sich die USA ihre Dominanz in der "regelbasierten internationalen Ordnung" sichern können.


Das Manifest über diese Wackelstaaten stellt fest, dass sie alle Mitglieder der G20 sind und "sowohl in der Geopolitik als auch in der Geoökonomie aktiv sind". Ach nein, wirklich? Das sind jetzt aber brandaktuelle Neuigkeiten. Was jedoch nicht erwähnt wird, ist, dass drei dieser Staaten – Brasilien, Indien und Südafrika – Mitglieder der BRICS und die anderen drei ernsthafte Kandidaten für den Beitritt zu BRICS+ sind. Die Beratungen über deren Beitritt werden beim bevorstehenden BRICS-Gipfel im August in Südafrika intensiviert. Es ist also klar, worum es im Manifest über die Wackelstaaten geht: Es ist ein Ruf zu den Waffen für einen US-Krieg gegen die BRICS.


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Die BRICS haben also nichts zu bieten?

Das Manifest birgt den feuchten Traum von einer Verlagerung dieser Staaten weg von China. Aber das ist Unsinn: Von nun an wird ein vertiefter Handel zwischen den BRICS+-Staaten an der Tagesordnung sein, insbesondere mit einer ausgeweiteten Praxis des Handels in den jeweiligen nationalen Währungen – siehe der Handel zwischen Brasilien und China oder innerhalb der ASEAN –, dem ersten Schritt in Richtung einer umfassenden De-Dollarisierung.


Gleichzeitig werden diese Wackelstaaten nicht als eine "Wiederbelebung der Bewegung der Blockfreien Staaten oder anderer vom Globalen Süden dominierter Gruppierungen wie die G77 und die BRICS" charakterisiert. Aber das ist exponentieller Unsinn.


Hier dreht sich alles um die BRICS+, die nun über jene Werkzeuge verfügen – einschließlich der New Development Bank und der BRICS-Bank –, um das zu tun, was die Bewegung der Blockfreien Staaten während des Kalten Krieges nie erreichen konnte: einen Rahmen für ein System zu schaffen, mit dem das alte System von Bretton Woods – und die damit verbundenen ineinandergreifenden Zwangsmechanismen des Hegemonen – umgehen werden kann. Was die Aussage angeht, dass die BRICS-Staaten "nicht viel Durchschlagskraft haben", zeigt nur die kosmische Ahnungslosigkeit in der Unterwelt der US-Denkfabriken darüber, worum es bei den BRICS+ wirklich geht.


Die Position Indiens wird nur im Hinblick auf seine Mitgliedschaft beim quatrilateralen Sicherheitsdialog (QUAD) mit den USA, Australien und Japan berücksichtigt – ein sicherheits- und militärpolitisch ausgerichteter Zusammenschluss, der als eine "von den USA angeführte Bemühung, ein Gleichgewicht mit China herzustellen" definiert wird. Pardon, Korrektur: um China einzudämmen.


Was die "Wahl" der Wackelstaaten zwischen den USA und China in Bezug auf Halbleiter, KI, Quantentechnologie, 5G und Biotechnologie angeht, geht es nicht um eine "Wahl", sondern darum, inwieweit diese Länder in der Lage sind, dem Druck der USA zu widerstehen, die chinesische Technologie zu verteufeln. Der Druck auf Brasilien beispielsweise ist viel größer als auf Saudi-Arabien oder Indonesien.


Am Ende läuft jedoch alles auf die derzeitige Obsession der Neokonservativen hinaus: auf die Ukraine. Die Wackelstaaten haben sich in unterschiedlichem Ausmaß "schuldig" gemacht, sich den Sanktionen gegen Russland zu widersetzen und/oder sie zu untergraben. Der Türkei wird beispielsweise vorgeworfen, Güter mit doppelter Verwendungsfähigkeit (Dual-Use) nach Russland zu schleusen. Kein Wort darüber, dass das US-Finanzsystem türkische Banken brutal dazu gezwungen hat, die Einführung des russischen Zahlungssystems MIR einzustellen.


Was Wunschdenken betrifft, so sticht folgende Perle unter vielen heraus: "Der Kreml scheint zu glauben, dass er seinen Lebensunterhalt damit verdienen kann, seinen Handel nach Süden und nach Osten zu verlagern." Nun, Russland macht in ganz Eurasien und in weiten Teilen des Globalen Südens bereits hervorragende Geschäfte.


Die russische Wirtschaft ist wieder angelaufen, wobei die maßgeblichen Treiber Inlandstourismus, Maschinenbau und Metallindustrie sind. Die Inflation liegt bei nur 2,5 Prozent und somit weit niedriger als sonst wo in der EU. Die Arbeitslosigkeit beträgt nur 3,5 Prozent, und die Chefin der russischen Zentralbank Elwira Nabiullina sagte voraus, dass das Wachstum der russischen Wirtschaft bis 2024 wieder das Niveau vor der militärischen Operation in der Ukraine erreichen wird.


Die Unterwelt der US-amerikanischen Denkfabriken ist von Natur aus nicht in der Lage zu verstehen: Selbst, wenn die Staaten der BRICS+ noch einige ernsthafte Probleme bei den Handelskrediten auszubügeln haben, hat Moskau bereits gezeigt, dass eine implizite harte Unterstützung einer Währung zu einer umgehenden Wende im Spiel führen kann. Zudem unterstützt Russland nicht nur den Rubel, sondern gleichzeitig auch den chinesischen Yuan.


Unterdessen zieht die Karawane der De-Dollarisierung unbeirrt weiter – sosehr auch die Kriegshyänen im Dunkeln heulen mögen. Wenn sich das volle – und erschütternde – Ausmaß der Demütigung der NATO in der Ukraine entfaltet haben wird, voraussichtlich im Hochsommer, werden die Plätze im Hochgeschwindigkeitszug zur De-Dollarisierung wohl ausgebucht sein.


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Das Comeback des "Angebots, das Sie nicht ablehnen können"

Als ob all das bereits Genannte nicht schon albern genug wäre, eröffnet das Manifest über die Wackelstaaten zusätzliche eine nukleare Front und wirft diesen Ländern vor, "zu potenziellen Risikostaaten bei der nuklearen Weiterverbreitung" zu werden, insbesondere – wer sonst – Iran. Russland wird in diesem Manifest übrigens als "Mittelmacht im Niedergang" definiert, das obendrein "hyperrevisionistisch" ist. Oh je. Mit solchen "Experten" brauchen die USA keine Feinde.

Das "Angebot, das Sie nicht ablehnen können" – ganz im Stil der Mafia – an die Wackelstaaten beinhaltet, dass sie sich nicht einer "von China gelenkten und von Russland unterstützten Organisation anschließen können, die sich aktiv gegen die Vereinigten Staaten stellt". Die Botschaft ist unmissverständlich: "Die Gefahr einer chinesisch-russischen Kooptierung der erweiterten BRICS-Staaten – und damit des globalen Südens – ist real und muss angegangen werden."


Und hier sind die US-Rezepte, um das Problem anzugehen: die Wackelstaaten zu Treffen der G7 einzuladen – der letzte Versuch war ein kläglicher Fehlschlag. Mehr hochrangige Besuche wichtiger US-Diplomaten – willkommen bei Victoria "Fuck the EU" Nuland. Und nicht zuletzt die Anwendung reinster Mafia-Taktiken, wie etwa einer "flexibleren Handelsstrategie, mit der der Zugang für die Wackelstaaten zum US-Markt erleichtert wird".


Im Manifest über die Wackelstaaten konnten die Autoren am Ende nicht anders, als die fette Katze aus dem Sack zu lassen, indem sie vorhersagten – oder eher darum beteten –, dass "die Spannungen zwischen den USA und China dramatisch zunehmen und sich in eine Konfrontation im Stil des Kalten Krieges verwandeln werden". Aber das geschieht bereits – losgetreten durch die USA.


Was wäre also die Folgemaßnahme? Die heißbegehrte und zu Tode gesponnene Idee der "Entkopplung", mit der die Wackelstaaten gezwungen wären, sich "sich enger an die eine oder an die andere Seite anzulehnen". Hier ist sie wieder, die alte Leier: "Entweder ihr seid für uns oder gegen uns." Hier haben wir es also, schwarz auf weiß, roh und ungeschminkt – mit angehängten verschleierten Drohungen.


Der hybride Krieg 2.0 gegen den Globalen Süden hat noch nicht einmal begonnen. Aber die Wackelstaaten wurden alle gewarnt.


Aus dem Englischen.


Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf Twitter folgen.


Mehr zum ThemaNiedergang der US-Währung läuft – BRICS-Länder rüsten sich für Schlacht gegen US-Dollar


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14.06.2023

Sterblichkeit - Fallzahlen nach Monaten für Deutschland 2016 - 2023

                     Rohdaten Statistisches Bundesamt, aktueller Stand: 13. Juni 2023



       Jan. Feb.  März  April   Mai   Juni   Juli 
   Aug.    Sept.   Okt.   Nov. 
  Dez.
2023
      99361 
82910  94359
  83693
  81114
Zelle 7Zelle 8Zelle 9Zelle 10Zelle 11Zelle 12Zelle 13
2022      8944082809  93754  86222
  81815  79468  85968  86507  80850 94237
88674114340
2021    10680382191  81901  81877  80876  76836  76704  76402  77931 8508093915103171
2020
      8498080030  87396  83830  75835  72159  73795  78742  74243 7978185989108792
2019      8510581009  86739  77410  75669  73483  76926  73444  71022 7700678378  83329
2018      8497385799107104  79539  74648  69328  75605  78370  69708 7403974762  80999
2017      9603390649  82934  73204  75683  69644  71411  71488  69391 7522974987  81610
2016      8174276619  83668  57315  74525  69186  72122  71295  69037 7600177050  84339


Gesamtsterblichk. b. Mai 2023 = 441 437; 2022 = 1 064 084; 2021 = 1 023 687; 2020 = 985 572                                                 2019 = 939 520; 2018 =     954 874; 2017 =    932 263; 2016 = 910 899
 

Info: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/Tabellen/sonderauswertung-sterbefaelle-pdf.pdf?__blob=publicationFile

Die endgültigen Daten zu Sterbefallzahlen sind in der gleichen Form für die Berichtsjahre 2000 bis 2015 ebenfalls verfügbar. (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/Tabellen/sonderauswertung-sterbefaelle-endgueltige-daten.html;jsessionid=11235EA955676410CC354AA4E3B07B3A.live722?nn=209016)

                     V.i.S.d.P.: Initiative: "Kein Militär mehr", Leinaustraße 3, D-30451 Hannover

13.06.2023

Nachrichten von Pressenza: Migration: Wir können uns einmauern oder den Reichtum teilen

aus e-mail von   <newsletter@pressenza.com>, 13. Juni 2023, 7:15 Uhr


Nachrichten von Pressenza - 13.06.2023


Migration: Wir können uns einmauern oder den Reichtum teilen


Heribert Prantl für die Onlinezeitung Infosperber  Die EU hat sich endgültig für das Einmauern entschieden. Der Asyl-Kompromiss lässt ein Asylrecht nur noch dem Namen nach bestehen. «Zu den Grundirrtümern der letzten Jahrzehnte gehört der Glaube, dass man Flüchtlinge wirklich gerecht&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/migration-wir-koennen-uns-einmauern-oder-den-reichtum-teilen/


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Letzte Generation: Ein Lehrstück zum Umgang mit Kritikern


Kritik mundtot machen – dafür braucht es keine Autokratie, das kann jeder Rechtsstaat. Dass in anderen Staaten Kritiker der Regierung schikaniert werden, ist regelmässig Thema der hiesigen Öffentlichkeit: nämlich als Ausweis der mangelnden Rechtsstaatlichkeit anderswo, wenn nicht gar der vollendeten&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/letzte-generation-ein-lehrstueck-zum-umgang-mit-kritikern/


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NATO-Kriegsübung &#8222;Air Defender 2023&#8220; stoppen


„Die NATO setzt mit der Kriegsübung ,Air Defender 2023&#8242; international ein verheerendes Signal. Statt wie die Staaten Afrikas, Brasilien, China, Indonesien und der Vatikan Verhandlungsinitiativen für eine Waffenruhe und Friedenslösung im Ukraine-Konflikt zu starten, baut die NATO militärische Drohkulissen auf&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/nato-kriegsuebung-air-defender-2023-stoppen/


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Eisenbahnunglück in Griechenland: eine Katastrophe mit Ansage


Das Zugunglück ist ein Lehrbeispiel neoliberaler Politik und des Widerstands dagegen! “Beim Eisenbahnunglück im Februar starben 57 Menschen. Zehntausende Demonstranten gingen aus Protest gegen den maroden Zustand der Bahn auf die Straße. Die griechischen Eisenbahner waren in einen Dauerstreik getreten.&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/eisenbahnunglueck-in-griechenland-eine-katastrophe-mit-ansage/


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Oberster US-General Milley konstatiert multipolare Weltordnung


Der höchstrangige Offizier der US-Streitkräfte, Generalstabschef Mark Milley, spricht öffentlich erneut von einem &#8222;multipolaren internationalen Umfeld&#8220;, wobei sowohl die USA als auch China und Russland die wichtigsten Mächte der Welt seien. Wegen Peking und Moskau könnte Washington mit zunehmenden Herausforderungen&hellip;

http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/06/oberster-us-general-milley-konstatiert-multipolare-weltordnung/


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Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

13.06.2023

Linke und Grüne: Fehlstart in den Europa-Wahlkampf

lostineu. eu, vom 12. Juni 2023

In einem Jahr ist Europawahl. Während die Rechte in vielen EU-Ländern triumphiert, leisten sich Linke und Grüne innerparteiliche Grabenkämpfe.

Den Auftakt machten die Grünen. Sie haben sich öffentlich über die Asylreform zerstritten, die die EU-Innenminister planen. Der Riß geht quer durch die Partei und veranlasste Außenministerin Baerbock, das Programm ihrer Lateinamerika-Reise zu ändern, um für den Deal zu werben.

Gebracht hat es nichts: Parteichefin Ricarda Lang ging am Montag nach Beratungen des Bundesvorstands erneut auf Distanz zu der Entscheidung, die Baerbock in der Bundesregierung mitträgt. Auch die EU-Grünen stellen sich quer.

Die Asylpolitik gehört zu den Leib- und Magenthemen der Grünen, da geht es um ihre Identität. Die Reform soll jedoch bis zur Europawahl im Juni 2024 durchgeboxt werden. In ersten Wahl-Projektionen sackt die Ökopartei bereits ab.

Nicht viel besser sieht es um die Linke aus. In Spanien kämpft Podemos gegen den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit, in Frankreich konnte die NUPES nicht vom Volksaufstand gegen die Rentenreform profitiren.

Und in Deutschland vollzieht die Linke den Bruch mit ihrer prominentesten Politikerin S. Wagenknecht. Wenn diese – wie offenbar geplant – eine neue Partei gründet oder eine Bewegung aufbaut, dürfte es bei der Europawahl eng werden.

Auch hier kreist der Streit um ein Kernthema – die Außen- und Friedenspolitik. Wagenknecht hat sich mit einem Friedensappell gegen den Krieg in der Ukraine profiliert, die Partei hat sie allein im Regen stehen lassen…

Um Konservative und Sozialdemokraten steht es allerdings nicht viel besser. Die EVP probt den Aufstand gegen „ihre“ Kommissionschefin von der Leyen in der Umwelt- und Klimapolitik.

Und die Sozis haben ein Problem mit dem „Katargate“: Eva Kaili, prominenteste Beschuldigte in der Korruptionsaffäre im Europaparlament, plant ihr Comeback – sehr zum Ärger der Genossen…

Mehr zur Europawahl 2024 hier




5 Comments

  1. Thomas Damrau
    13. Juni 2023 @ 07:38

    Konflikt-Potential = Krisen-Auswirkungen / Verfügbare-Ressourcen
    Die gerade angeführte Formel findet man natürlich nicht im Physikbuch. Trotzdem lässt sich der Zusammenhang beobachten: Wenn einerseits die Liste der Krisen immer länger wird und andererseits für die Krisenbekämpfung die MIttel fehlen, steigt der Druck im Kessel:
    – Bekämpfung der Klima-Überhitzung: „überflüssiger Luxus“
    – Sozialer Ausgleich: „… wenn mal wieder zu viel Geld über ist …“
    – Flüchtlinge: „Nicht noch mehr Esser am Tisch“
    – Rüstung: „Im Zweifelsfall müssen wir uns den Weg freischießen können.“

Reply

  • Arthur Dent
    12. Juni 2023 @ 20:15

    Die gute Nachricht aus Brüssel: Die Diäten sollen bald wieder kräftig erhöht werden. ????

    Reply

  • KK
    12. Juni 2023 @ 18:58

    @ european:
    Vielen Dank für die Erweiterung meines Wortschatzes – mir hat für diese „pull-the-ladder-migrants“ immer ein griffiger Terminus gefehlt, den habe ich jetzt dank Ihnen gefunden.

    Reply

  • european
    12. Juni 2023 @ 18:40

    @KK

    „Auffallend ist, dass, wie bereits schon länger im UK zu beobachten, diejenigen, die selbst ihr Leben der eigenen oder der Eltern Flucht verdanken, oft zu rigorosen Abschottungsbefürwortern werden – sie selbst sind ja in Sicherheit! Ob nun Patel in UK oder Nouripur hier, das sind nur zwei prominente Beispiele.“

    Sehr richtig. Suella Braverman reiht sich auch in diese Kategorie ein.

    Es gibt hier in UK sogar einen feststehenden Begriff für solche Leute. Man nennt sie Pull-the-Ladder-Migrants. Übersetzt in Kurzform: Ich bin sicher an Bord, jetzt könnt ihr die Leiter hochziehen – damit niemand mehr nachkommt.

    Reply

  • KK
    12. Juni 2023 @ 17:19

    „Gebracht hat es nichts: Parteichefin Ricarda Lang ging am Montag nach Beratungen des Bundesvorstands erneut auf Distanz zu der Entscheidung, die Baerbock in der Bundesregierung mitträgt.“

    Während Baerbock und Habeck und Co-Chef Nouripur*, einst selbst als Minderjähriger aus dem Iran vor einer möglichen Einberufung in den damaligen Krieg mit dem Irak geflohen (und hier dann direkt beschult worden, statt monate- oder jahrelang in einen Freiluftknast weggesperrt worden zu sein), die Aushebelung des individuellen Asylrechts mittragen, schlägt sich der mittlerweile kriegsgeile Kriegsdienstverweigerer Hofreiter auf die Seite Langs…

    Auffallend ist, dass, wie bereits schon länger im UK zu beobachten, diejenigen, die selbst ihr Leben der eigenen oder der Eltern Flucht verdanken, oft zu rigorosen Abschottungsbefürwortern werden – sie selbst sind ja in Sicherheit! Ob nun Patel in UK oder Nouripur hier, das sind nur zwei prominente Beispiele.


  • Info: https://lostineu.eu/linke-und-gruene-fehlstart-in-den-europa-wahlkampf


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Luftkrieg über Deutschland, Garantien für Ukraine – und Aufstand gegen Asyl-Regime


    lostineu.eu, vom 12. Juni 2023

    Die Watchlist EUropa vom 12. Juni 2023 – Heute mit dem Militärmanöver „Air Defender“, einem Treffen des „Weimarer Dreiecks“ zur Ukraine – und dem Aufstand gegen das geplante neue Asyl-Regime.

    Mitten im Krieg in und um die Ukraine hat das Luftwaffenmanöver „Air Defender“ begonnen. Es ist die „größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der Nato“ – Deutschland probt den Luftkrieg.

    Warum ausgerechnet jetzt, warum ausgerechnet in Deutschland? Die offiziellen Erklärungen klingen wenig überzeugend.

    Das Manöver sei seit Jahren geplant worden und solle die „deutsche Führung“ unter Beweis stellen, heißt es bei der Bundeswehr und in der Bundesregierung in Berlin.

    Das ist zwar richtig. Doch nun, vor dem Hintergrund des Krieges und der Planungen zur Entsendung westlicher Kampfflugzeuge in die Ukraine, nimmt „Air Defender“ eine ganz andere Bedeutung an.

    Seht her, wir können jederzeit einen Hafen (im Manöver ist dies Rostock) aus der Luft angreifen und dafür Kampfjets nicht nur aus den USA, sondern sogar aus Japan einsetzen – das ist die militärische Message.


    Brisante Botschaft

    Die politische Botschaft ist noch brisanter: Russland wird nicht nur signalisiert, dass Deutschland es mit seiner neuen „Führungsrolle“ ernst meint – sondern auch, dass sich der Westen aktiv auf einen Luftkrieg vorbereitet.

    Damit trägt die Bundeswehr, die das Manöver leitet, nicht zur Abschreckung bei, sondern zur Eskalation. Klüger wäre es gewesen, „Air Defender“ zu verschieben – auf ruhigere Zeiten oder in andere Regionen.

    Doch der Bundesregierung fehlt es offenbar am politischen Willen. Sie will auf Biegen und Brechen ihren Führungsanspruch unterstreichen; das Wort De-Eskalation kommt ihr nicht über die Lippen…

    Siehe auch Die offensive Drohung der Nato


    Weimarer Dreieck in Paris

    Was passiert noch in EUropa? Am Montagabend berät Kanzler Scholz in Paris mit den Präsidenten Frankreichs und Polens über die Lage in der Ukraine. Das sog. „Weimarer Dreieck“ will auch über Sicherheitsgarantien für die Ukraine reden.

    Die sind umstritten, Polen droht gar mit einem militärischen Alleingang und der Entsendung von polnischen Truppen in die Ukraine. Wiederum stellt sich die Frage, ob Scholz die Lage beruhigen kann oder will.

    Auch die Position von Macron ist zuletzt immer unklarer geworden – für eine Verhandlungslösung setzt sich der Franzose schon lange nicht mehr ein…

    Auf der Watchlist steht zudem der Streit über den Asyl-Kompromiss der EU-Innenminister. Polen hat angekündigt, eine Koalition der Gegner schmieden zu wollen.

    Derweil beginnen die sog. Trilog-Verhandlungen mit dem Europaparlament; auch dort gibt es Streit. Die Grünen proben den Aufstand, während die Konservativen das neue Asyl-Regime noch verschärfen wollen!


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    8 Comments

    1. KK
      13. Juni 2023 @ 00:22

      @ Arthur Dent:
      „Willkommen geheißen und respektiert wird von den Ankommenden i.d.R. nur, wer bereit ist, sich anzupassen und seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.“

      Gerade das dürfen aber Asylbewerber in Deutschland bis zu ihrer mitunter Jahre dauernden Anerkennung nicht, obwohl das viele gerne würden.

      Ausnahme natürlich die kriegsflüchtenden Ukrainer, die hier nicht nur sofort vom ersten Tag an arbeiten dürfen, sondern auch sofort und (ohne wie bei jedem anderen Antragsteller akribisch geprüften Bedürftigkeitsnachweis) Grundsicherungsanspruch geltend machen können.

    Reply

  • Arthur Dent
    12. Juni 2023 @ 20:05

    Kriege fördern Migrationsbewegungen. ( Libyen, Syrien, Afghanistan,
    Ukraine) Fluchtursachen bekämpfen heißt Frieden fördern! Davon ist aber kaum noch die Rede. Allerdings ist lt. Genfer Flüchtlingskonvention Krieg auch kein Asylgrund. Bedeutet, dass die meisten Flüchtlinge wohl kaum Anspruch auf Asyl haben. So sind sie zumeist nur Verfügungsmasse zur Profilierung der Politik. Wer sollte glauben, dass Politiker ein echtes Interesse an den Menschen haben? Sie sind im Grunde die falschen Freunde der „einfachen Leute“.
    Willkommen geheißen und respektiert wird von den Ankommenden i.d.R. nur, wer bereit ist, sich anzupassen und seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.

    Reply

  • european
    12. Juni 2023 @ 19:47

    Nachtrag.

    Ich habe wohl vergessen, den link zum Artikel auf foreignpolicy.com einzustellen. Das kommt davon, wenn man Texte neu sortiert oder Teile hin und herschiebt. ????

    Hiermit nachgereicht:

    https://foreignpolicy.com/2023/06/06/geopolitics-global-south-middle-powers-swing-states-india-brazil-turkey-indonesia-saudi-arabia-south-africa/

    Reply

  • european
    12. Juni 2023 @ 19:21

    Mein Eindruck ist, dass Macron europapolitisch aufgegeben hat. Allein kann er nichts ausrichten, die alte Achse mit Deutschland ist nicht mehr existent, eine neu angeschobene Achse Frankreich-Italien funktionierte mit Draghi, mit Meloni nicht. Die Spanier kämpfen gerade selbst gegen die stärker werdende Vox-Partei. Von Portugal hört man nichts mehr.

    Ich denke, er wird den Rest der Legislatur irgendwie aussitzen, innenpolitisch sicherlich noch einiges veranlassen, wie z.B. während des China-Besuchs, aber europapolitisch sich ansonsten zurückhalten. Europa’s Souveränität war offensichtlich schon tot, bevor das Wort ausgesprochen war.

    Aber ich möchte noch auf weitere „Kriege“ hinweisen, über die sich amerikanische Think-Tanks bereits ordentlich Gedanken machen. Aktuell ist auf foreignpolicy ein interessantes Expose über die neuen Swing-States zu lesen. Ein amerikanisch belegter Begriff angewandt auf internationale Politik, hier Brasilien, Indien, Indonesien, Saudi Arabien, Südafrika, und die Türkei. Sie sind deshalb so interessant, weil sie untereinander noch nicht so vernetzt sind, dass man nicht doch einen Keil dazwischen treiben könnte. So erklärt sich die politische Völkerwanderung nach Brasilien und auch das geplante Modi-Biden Treffen.

    Der Artikel lohnt sich wirklich zu lesen, weil daraus hervorgeht, wie man in USA aus imperialer Sicht denkt und wie man gedenkt, diese Länder zu unterwandern, gegeneinander auszuspielen oder aber wirtschaftlich unter Druck zu setzen,

    Der unabhängige Analyst Pepe Escobar hat zu diesem Artikel eine exzellente Analyse geschrieben und die zwar konkrete, aber immer noch blumige, Sprache des foreignpolicy-Artikels in klare Worte übersetzt.

    „The Hegemon Will Go Full Hybrid War Against BRICS+“
    https://strategic-culture.org/news/2023/06/10/the-hegemon-will-go-full-hybrid-war-against-brics/

    Es geht darum, die Drohungen zu verstehen, die mehr oder weniger offen ausgesprochen werden. Sanktionen, Erpressung, Wirtschaftskriege, alles offen, alles drin.

    „So what would be the follow-up? The much sought after and spun-to-death “decoupling”, forcing the swing states to “align more closely with one side or the other”. It’s “you’re with us or against us” all over again. So there you go. Raw, in the flesh – with inbuilt veiled threats. The Hybrid War 2.0 against the Global South has not even started. Swing states, you have all been warned.“

    Lesenswert! Man kann nur hoffen, dass die Swing-States standhaft bleiben und sich nicht vom vergifteten Apfel täuschen lassen.

    Reply

    • ebo
      12. Juni 2023 @ 21:42

      Das glaube ich nicht. Macron hat keine Illusionen über Scholz und Deutschland mehr, nun wirbt er um Osteuropa. Deshalb auch die neue harte Rhetorik. Allerdings ist Frankreich im Krieg weniger engagiert als Deutschland – deshalb dürfte das Liebeswerben nicht viel bringen

      Reply

  • KK
    12. Juni 2023 @ 17:04

    Habe jetzt das im WDR angerissene aktuelle „Friedensgutachten“, was nach Lesen der Einleitung eher als Kriegsgutachten daherkommt, endlich gefunden:
    https://www.friedensgutachten.de/user/pages/02.2023/02.ausgabe/03.stellungnahme/FGA2023_Stellungnahme.pdf

    Immerhin interessant ist Punkt 8 der vorangestellten „Empfehlungen“ unter der Überschrift: „Politischen Protest nicht kriminalisieren“ – allerdings wird die Kritik an Waffenlieferungen am Ende dann doch als „ziviler Ungehorsam“ eingeordnet. Fazit: Man ist als Bürger also „ungehorsam“, wenn man eine andere Meinung als die der Regierung und dieser „Friedensinstitute“ vertritt!
    Deshalb heisst es dann wohl auch im Deutschen „Nachrichten“ – weil man sich danach zu richten hat!

    Reply

  • KK
    12. Juni 2023 @ 14:42

    „Das Manöver sei seit Jahren geplant worden“
    Seit 2014?
    ——
    „Damit trägt die Bundeswehr, die das Manöver leitet, nicht zur Abschreckung bei, sondern zur Eskalation.“
    Dazu passt dann auch, dass ausgerechnet heute die WDR-Radionachrichten melden, ein Zusammenschluss deutscher (nicht näher spezifizierter) sogenannter „Friedensforschungsinstitute“ hätten eine weitere Bewaffnung und Unterstützung der Ukraine empfohlen, da die Ukraine sonst unterliegen und Russland dann dort eine Gewaltherrschaft aufbauen würde. Ausserdem würde Russland dann weitere Länder angreifen. Ja nee, is klar.
    Zu irgendwelchen aktuellen Empfehlungen deutscher sogenannter Friedensforscher habe ich trotz Suche nur alte Meldungen, grösstenteils aus 2022, im Netz finden können, aber nichts annähernd aktuelles.
    Weiss der WDR mehr als das Internet, oder wird hier einfach nur weiter Stimmung pro weiterer Eskalation gemacht?
    ——
    „Auch die Position von Macron ist zuletzt immer unklarer geworden – für eine Verhandlungslösung setzt sich der Franzose schon lange nicht mehr ein…“
    Bei den Problemen, die der sich als undemokratischer Autokrat erweisende Macron inzwischen im Innern hat, käme ihm doch sicher ein davon ablenkender Krieg gerade recht.
    ——
    Und immer wieder Polen, der derzeit dickste Pickel am Arsch der EU!

    Reply


  • Info:https://lostineu.eu/luftkrieg-ueber-deutschland-garantien-fuer-die-ukraine-und-aufstand-gegen-asyl-regime


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    13.06.2023

    Serie Ungleichheit und Macht  Die Ineffizienz des Wachstums bei der Armutsbekämpfung

    makronom.de, vom 12. Juni 2023, ARTHUR ZITO GIERRIERO; Ungleichheit und Macht

    Die globale Armut ist seit der Jahrtausendwende stark zurückgegangen – was aber hohe Wachstumsraten erforderte und großen Umweltbelastungen mit sich brachte. Und nur ein minimaler Anteil der neugenerierten Wirtschaftsleistung kam tatsächlich den Armen zugute, während vor allem die reichen Einkommensgruppen profitierten.


    Bild: Unsplash


    Die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit ist eines der bedeutendsten Probleme unserer Zeit. Zugleich steigt das wissenschaftliche Interesse und liefert neue Erkenntnisse mit Blick auf die drängendsten Fragen und Antworten zu verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit und ihren zugrundeliegenden Machstrukturen.  

    Für die Debattenreihe „Ungleichheit und Macht“ haben Doktorand:innen aus dem Promotionskolleg „Politische Ökonomie der Ungleichheit“ am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen diese neuen Erkenntnisse aufgeschrieben. In den Beiträgen stellen die Promovierenden, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert werden, Teilergebnisse ihrer Forschung vor und diskutieren verbundene gesellschaftliche Herausforderungen sowie politische Handlungsoptionen. Mit dem Fokus auf Ungleichheitsdimensionen und zugrunde liegenden Machtverhältnissen reicht der thematische Bogen von Armut und Besteuerung bis zu Arbeitsmarkt-, Gleichstellungs- oder Klimapolitik. Durch die thematischen Breite und Vielfalt der eingesetzten Methoden stoßen die Autor:innen eine weiterführende gesellschaftliche Debatte darüber an, wie der steigenden Ungleichheit begegnet werden kann.


    Die Reihe erscheint in regelmäßigen Abständen zwischen April und Juni 2023 im Makronom. Hier finden Sie alle Beiträge, die bisher erschienen sind.


    Laut der Weltbank war die Bekämpfung der globalen Armut in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich. Der Bericht Poverty and Shared Prosperity Report 2022 mit dem Titel „Correcting Course“ verbreitet ein Narrativ, das immer häufiger vertreten wird. Demzufolge wurde der erfreuliche Trend von sinkender Armut, der noch bis 2019 zu beobachten war, durch die Covid-19-Pandemie sowie durch die russische Invasion in der Ukraine umgekehrt. Jedoch sei die globale Armutsbekämpfung zwischen 2000 und 2019 vorbildlich verlaufen, und in Abwesenheit dieser externen Schocks wären wir einer Welt ohne Armut heute noch näher. Dieser Fortschritt sei dem schnellen Wirtschaftswachstum zu verdanken.


    Aber in Anbetracht der Umweltkrise, die die Grundlagen der menschlichen Existenz auf diesem Planeten gefährdet, muss man erkennen, dass das Wachstum zusätzliche Umweltkosten mit sich bringt, die wir vielleicht nicht tragen können (zumindest nicht mit den heute zur Verfügung stehenden Technologien). Deswegen sollen wir uns fragen, wie viel von dieser neugenerierten Wirtschaftsleistung tatsächlich der Armutsbekämpfung dient, und wie viel von der damit verbunden zusätzlichen Umweltbelastung vermeidbar ist, weil sie nur dem (überflüssigen) Luxus dient.


    Die Daten der World Income Inequality Database (WIID) zeigen tatsächlich eine schnelle Reduktion der globalen Armut zwischen 2000 und 2019. Die Anzahl der Menschen, die unter der extremen Armutsgrenze von 2,15 US-Dollar (2017 PPP) pro Tag leben, ist von 680 Millionen auf 404 Millionen (bzw. von 11 auf 5% der Weltbevölkerung) geschrumpft. Und selbst wenn man höhere Armutsgrenzen verwendet, wie etwa von 3,65 US-Dollar oder 6,85 US-Dollar pro Tag, ist ein ähnlicher Trend zu beobachten: 1,37 Milliarden Menschen (22% der Weltbevölkerung) haben im Jahr 2000 von weniger als 3,65 US-Dollar am Tag gelebt, während es 2019 nur noch 700 Millionen (9% der Weltbevölkerung) waren. Gemessen an der 6,85 US-Dollar-Grenze ist die Zahl der von Armut betroffenen Menschen von 2,47 Milliarden (40%) auf 1,46 Milliarden (19%) gesunken.


    Unter vielen Ökonom:innen herrscht die Auffassung, dass Wirtschaftswachstum das beste Mittel gegen Armut sei. Ein bekannter Aufsatz von Dollar und Kraay (2016) behauptet beispielweise, dass die Erhöhung der Gesamtproduktion auch die Ärmsten begünstigt, da die Einkommen der Armen mit ähnlichen Wachstumsraten wie die anderen Einkommensgruppen wachsen würden. Somit sei es sinnvoll, Maßnahmen zur Steigerung des Wirtschaftswachstums (und somit der Gesamteinkommen) zu ergreifen, da die Verringerung der Armut eine fast automatische Folge wäre. Die Daten zur globalen Einkommensverteilung scheinen diese Auffassung zu bestätigen: Das globale Durchschnittseinkommen ist zwischen 2000 und 2019 real um 52% gestiegen, von 11.071 auf 16.853 US-Dollar pro Jahr. Zusammen mit dem Wachstum der Gesamtwirtschaft (i.e. des Gesamteinkommens bzw. der Gesamtproduktion) stiegen auch die Einkommen der ärmsten Bevölkerungsgruppen der Welt.


    Wenn die Auffassung stimmt, dass das Einkommen der Ärmsten in der Regel mit ähnlichen Raten wächst wie die anderen Einkommensgruppen (und somit auch mit ähnlichen Raten wie das Gesamteinkommen), dann kann man die globale Armut beseitigen, wenn man nur genug Wachstum hat. Aber wie viel Wachstum wäre dafür nötig? Die ärmsten 5% der Weltbevölkerung hatten 2019 ein durchschnittliches Einkommen von 1,02 US-Dollar pro Tag. Das bedeutet, dass sich die Einkommen dieser Gruppe mehr als verdoppeln müssten, um die extreme Armutsgrenze von 2,15 US-Dollar zu erreichen. Geht man von einem Wirtschaftswachstum ohne Veränderung der relativen Einkommensverteilung aus, bedeutet dies, dass sich die Kapazität der gesamten Weltwirtschaft verdoppeln müsste, damit wir in einer Welt ohne extreme Armut leben könnten. In Anbetracht der Umweltkrise ist es nicht realistischerweise zu erwarten, dass ein Wachstum dieses Ausmaßes möglich ist, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten – selbst wenn diese Mehrproduktion mit ökologischen Technologien generiert wird.


    Wachstum als Mittel zum Zweck

    Da es nicht möglich ist, unendlich weiter zu wachsen, sollen wir uns nicht nur fragen, ob das Wachstum zur Armutsbekämpfung beigetragen hat, sondern auch, wie effizient es dies tut. Hier ist es sinnvoll, einen neuen Begriff zu definieren: die Effizienz von Wachstum bei der Armutsbekämpfung. Dies setzt voraus, dass wir die Armutsbekämpfung als Ziel verstehen, und das Wachstum lediglich als Mittel.


    Man verwendet üblicherweise das Wort „Effizienz“ in Fällen, in denen ein bestimmtes Ziel durch möglichst geringe Mittel erreicht werden soll. Effizient ist zum Beispiel ein Auto, das wenig Benzin (Mittel) verbraucht, um einen Kilometer zu fahren (Ziel). In diesem Fall berechnen wir, wie viel Einkommenserhöhung bei den Armen (Ziel) mit gegebener Erhöhung des Gesamteinkommens (Mittel) erreicht wurde. Dafür betrachten wir die Ratio zwischen zwei Größen: die Steigerung der Einkommen von Menschen, die in Armut leben, und die Steigerung des Gesamteinkommens. Beide Beträge beziehen sich auf absolute Werte. Die gemessene Effizienz vom Wachstum ist also eine Zahl zwischen 0 (wenn die Einkommen der Armen gar nicht gestiegen sind) und 1 (wenn nur die Einkommen unter der Armutsgrenze gestiegen sind und alle anderen Einkommen konstant bleiben).


    Wenn man diesen Begriff verwendet, um die Daten zur globalen Armut zu analysieren, kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen. Abbildung 1 zeigt, dass zwischen 2000 und 2019 nur 0,5% des globalen Wachstums dazu beigetragen haben, die Einkommen derjenigen zu erhöhen, die mit weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag auskommen mussten, obwohl diese Gruppe im Jahr 2000 11% der Weltbevölkerung ausmachte. 22% (bzw. 40%) der Weltbevölkerung lebten im Jahr 2000 unter der Armutsgrenze von 3,65 US-Dollar (bzw. 6,85 US-Dollar), aber nur 1,6% (bzw. 5,4%) der Steigerung des Gesamteinkommens ging an sie. Gleichzeitig dienten 29,9% des gesamtwirtschaftlichen Wachstums dazu, die Einkommen über 5.000 US-Dollar pro Monat (entspricht etwa 165 US-Dollar pro Tag) zu erhöhen, während nur 3% der Weltbevölkerung in dieser Einkommensgruppe waren.


    Das heißt: Es waren 200 US-Dollar Gesamtwachstum erforderlich, um einen Dollar zur Verringerung der extremen Armut beizutragen – während davon 59,80 US-Dollar (mit allen damit verbundenen Umweltbelastungen) an Gruppen gingen, die bereits über hohe Einkommen verfügten (mehr als 5.000 US-Dollar im Monat). Diese Zahlen deuten darauf hin, dass das Wachstum der Weltwirtschaft unter dem aktuellen Wirtschaftssystem ein äußerst ineffizienter Weg ist, um die Armut zu bekämpfen.























    Im extremen Fall, in dem die Effizienz des Wachstums gleich 1 wäre – das heißt, wenn sich nur das Einkommen der in Armut lebenden Menschen erhöhen würde, während das Einkommen aller anderer konstant bliebe – wäre es möglich, die Armut mit einer minimalen Wachstumsrate zu beseitigen. Um das Einkommen aller in extremer Armut lebenden Menschen im Jahr 2019 auf die Grenze von 2,15 US-Dollar pro Tag anzuheben, waren insgesamt 135 Milliarden US-Dollar erforderlich. Dies entsprach 0,11% des globalen Gesamteinkommens (123 Billionen US-Dollar). Mit anderen Worten: Ein Wachstum von 0,11% würde ausreichen, um die Armut zu beenden, ohne dass das Einkommen irgendeiner Gruppe sinken würde. Um die Armut zu beseitigen, die durch die Grenze von 6,85 US-Dollar pro Tag definiert ist, wäre ein Wachstum von 1,3% ausreichend.

    In dieser Darstellung zeigt sich, dass die Wachstumsgewinne der letzten Jahrzehnte trotz des Rückgangs von Armut vornehmlich den Reichsten zugutekamen. Zugleich werden die ökologischen Kosten, die durch Wirtschaftswachstum verursacht werden, von allen getragen. Einen unverhältnismäßig hohen Preis zahlen sogar diejenigen, die über die geringsten wirtschaftlichen Ressourcen verfügen, um sich vor dem Klimawandel zu schützen, oder die in den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Ländern leben – also die Ärmsten.


    Sollte die Armutsbekämpfung vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden?

    Der Versuch, die Umweltbelastung vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln, ist möglicherweise ein zu langsamer Ansatz, der in der verbleibenden kurzen Zeit nicht die notwendige Transformation herbeiführen wird. Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen zu versuchen, die Armutsbekämpfung vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln?


    Unter diesem Gesichtspunkt sollte man aufhören, sich eine Wirtschaftspolitik vorzustellen, die das Gesamteinkommen maximiert und von der wir erwarten, dass sich die Armut „automatisch“ verringert. Es wäre sinnvoller, Maßnahmen zu verfolgen, die direkt darauf abzielen, das Einkommen derjenigen zu erhöhen, die es am meisten brauchen, und Wachstum (oder sogar Wachstumsrückgang) als Nebenprodukt zu betrachten. Wenn das Einkommen der Armen steigt, ist es nicht problematisch, dass die Wirtschaft (also, das Durchschnittseinkommen) schrumpft. Angesicht der Umweltkrise sollte genau dies das Ziel sein: die wichtigsten menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, ohne mehr zu produzieren.


    Besonders wichtig ist zu sehen, dass das Wachstum nur effizient gegen Armut ist, wenn es in den ärmsten Ländern und vor allem in den ärmsten Einkommensgruppen dieser Länder stattfindet. In Sub-Sahara Afrika (der ärmsten Region der Welt) haben 6% des Wachstums zwischen 2000 und 2019 zur Bekämpfung von extremer Armut beigetragen, während in reichen Regionen (wie Europa oder Nordamerika) die Effizienz des Wachstums bei 0% lag. Auf ähnliche Art und Weise hat das Wachstum in Deutschland (wo 0% der Bevölkerung in extremer Armut leben) keinen Einfluss auf die globale Armut gehabt, während 37% des Wachstums in Somalia (wo 85% Prozent der Bevölkerung mit unter 2,15 US-Dollar am Tag leben) zur Armutsreduktion beitrug.

    Die Bekämpfung der Armut ist ein moralisches Gebot, und die Lösung der Umweltkrise ist eine praktische Notwendigkeit, um die Lebensbedingungen der Menschheit zu erhalten. Um diese Ziele zu erreichen, sind sicherlich eine Vielzahl politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen zu bewältigen. Der vorliegende Text beansprucht nicht, konkrete Lösungsansätze vorzuschlagen. Es ist jedoch ein notwendiger Schritt, die Art und Weise zu ändern, wie wir Daten betrachten und unsere Ziele neu definieren. Wenn wir nicht wissen, wie wir den Fortschritt messen können und wo wir hinmüssen, werden wir nie wissen, welche Politik wir verfolgen sollen. Dabei ist es wichtig zu betrachten, wie viel von den neuproduzierten Gütern tatsächlich zur Armutsreduktion benutzt wird, sodass die Berechnung der Effizienz von Wachstum (wie es hier definiert wurde) eine wichtige Bedeutung gewinnt.


    Wir müssen die Effizient vom Wachstum bei der Armutsbekämpfung erhöhen

    Ist es wirklich notwendig, die Gesamtproduktion der globalen Wirtschaft zu verdoppeln, um extreme Armut zu beenden – oder reichen 0,11% Wachstum aus? Da es höchst unwahrscheinlich ist, dass nur das Einkommen der Ärmsten steigt, ist die Beendigung der extremen Armut mit nur 0,11% Wachstum utopisch. Jedoch würde die Strategie von Wachstum ohne Umverteilung ein 100%iges Wachstum erfordern, was mit den planetaren Grenzen, auf die wir beschränkt sind, kaum vereinbar ist.


    Eine praktikable Entwicklungsstrategie liegt wahrscheinlich dazwischen. Was nicht plausibel erscheint, ist die Behauptung, dass wir das ineffiziente Wachstumsmodell von 2000 bis 2019 als Vorbild nehmen sollten, wo die Einkommen der Reichsten um 59,80 US-Dollar erhöht werden müssten, um allein einen Dollar an extremer Armut zu reduzieren. Es ist höchste Zeit, Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz von Wachstum bei der Armutsbekämpfung zu ergreifen.

     

    Zum Autor: Arthur Zito Guerriero ist Doktorant am Institut für Sozioökonomie der Unviersität Duisburg-Essen und Teil des Promotionskollegs „Politische Ökonomie der Ungleichheit”. Er forscht zu den normativen Grundlagen der Messung von ökonomischer Ungleichheit.


    Info: https://makronom.de/die-ineffizienz-des-wachstums-bei-der-armutsbekaempfung-44359?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=die-ineffizienz-des-wachstums-bei-der-armutsbekaempfung


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    13.06.2023

    "Klebe dich an die Liebe Gottes" – Evangelischer Kirchentag endet mit Bekenntnis zum Zeitgeist

    freeassange.rtde.life, 12 Juni 2023 14:58 Uhr

    Auch das noch: Gott ist "queer". Das behauptete der Prediger beim Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentags in Nürnberg – unter dem Jubel der Teilnehmer. "Heteronormativität" und "Grenzen" wurden bei der Veranstaltung als Problem gesehen, Waffenlieferungen an Kiew eher nicht.


    "Gott ist queer": Pastor Quinton Ceasar bei seiner Predigt am Sonntag in NürnbergQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Tim Wegner


    In Nürnberg ist am Sonntag der 38. Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. Die Predigt zum Abschlussgottesdienst hielt Quinton Ceasar, ein junger südafrikanischer Pastor, der – gemeinsam mit der Pastorin Eva Ceasar – seit 2021 an der Friedenskirche Wiesmoor in Ostfriesland tätig ist.


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    In seiner Predigt bediente der junge Schwarze so gut wie alle "woken" Vorstellungen vom "Zeitgeist" und wurde dafür von den etwa 18.000 Besuchern der Veranstaltung auf dem Nürnberger Hauptmarkt zum Teil frenetisch bejubelt.


    Der Geistliche griff in seiner Predigt das Motto des Kirchentages "Jetzt ist die Zeit" auf. Seine Ausführungen waren als eine religiös untermauerte Solidaritätserklärung für Aktivisten in Sachen Asyl und "Klima" zu verstehen. Ceasar sagte wörtlich:

    "Jetzt ist die Zeit zu sagen, wir sind alle die letzte Generation. Jetzt ist die Zeit zu sagen "Black Lives always Matter". Jetzt ist die Zeit zu sagen, Gott ist queer! Jetzt ist die Zeit zu sagen, we leave noone to die. Und jetzt ist wieder die Zeit zu sagen, wir schicken ein Schiff und noch viel mehr. Wir empfangen Menschen an griechischen sicheren Häfen. Jesus, selbst Flüchtling, Geflüchteter, Asylsuchender, sagt, öffnet bitte nicht nur eure Herzen, öffnet eure Grenzen!"

    Der Geistliche sprach im Weiteren davon, sich an die Liebe Christi zu "kleben" – auch das als eine Anspielung an das Wirken der heutigen Klimaapokalyptiker der "Letzten Generation". Wörtlich sagte der Pastor:

    "Es ist auch Zeit für ein Ende der Geduld. Jetzt ist die Zeit, uns an die befreiende Liebe von Jesus zu kleben. Nicht an Institutionen, nicht an Worte, an Tradition, an Macht, an Herkunft, an Heteronormativität. Klebe dich bitte an die Liebe, die befreit. Klebe dich an die Liebe Gottes, die befreit."

    Die Teilnehmer bejubelten den jungen Pastor mehrheitlich frenetisch. Im Netz allerdings war die Begeisterung weniger eindeutig. Die frühere österreichische Außenministerin Karin Kneissl kommentierte die Aussage Ceasars, dass Gott "queer" sei, auf Twitter mit einem ironischen "Jawohl".


    Screenshot_2023_06_13_at_07_17_06_Klebe_dich_an_die_Liebe_Gottes_Evangelischer_Kirchentag_endet_mit_Bekenntnis_zum_Zeitgeist

    Video https://twitter.com/disclosetv/status/1668187961253322752?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1668188493904769026%7Ctwgr%5Ee96d615d6a66421397acf8758e276f96b254b173%7Ctwcon%5Es3_&ref_url=https%3A%2F%2Fde.rt.com%2Finland%2F172446-klebe-dich-an-liebe-gottes%2Fv  Dauer 1:06 min


    Unter dem auf dem YouTube-Kanal von BR24 abrufbaren Video des Abschlussgottesdienstes, das für Außenstehende mit all den dargebotenen Musik-, Tanz- und sonstigen Einlagen etwas befremdlich wirkt, überwiegen die kritischen Kommentare. Ein YouTube-Nutzer schrieb darunter:

    "Der deutsche Protestantismus löst sich in Luft auf - das ist doch eine gute Nachricht!"

    Ein anderer kommentierte:

    "Traurig, dass jemand ständig wiederholt, er werde nicht lügen, aber dann den Namen Gottes aufs Heftigste missbraucht, um seine eigenen Ideen zu sanktionieren!"

    Aber auf YouTube gab es teils ebenfalls begeisterte Zustimmung:

    "Jesus lebt! Das gibt Hoffnung. Danke und Gottes reichen Segen!"

    Nach Angaben des Veranstalters besuchten von Mittwoch bis Sonntag letzter Woche insgesamt 70.000 Menschen die rund 2.000 Einzelveranstaltungen auf dem diesjährigen Kirchentag. Öffentliche Angebote hätten sogar 130.000 Interessierte angelockt. Die Zahl der Dauerteilnehmer war gegenüber früheren Veranstaltungen deutlich abgesunken.


    Neben den Themen Migration und "Klima" spielte auch der Krieg in der Ukraine eine wichtige Rolle bei den Debatten der Veranstaltung. Dabei wurde deutlich, dass die Tage einer starken Präsenz der Friedensbewegung auf Kirchentagen offenbar gezählt sind.


    Vielmehr überwog die Unterstützung der Waffenlieferungen an Kiew ("Solidarität mit der Ukraine") die Stimmen von Skeptikern deutlich. Die frühere EKD-Vorsitzende Margot Käßmann hatte ihre Teilnahme an der Veranstaltung nach einem Streit mit der Kirchentagsleitung des früheren Verteidigungsministers Thomas de Maizière abgesagt. Ihre persönliche klare Haltung gegen derartige Waffenlieferungen, begründete Käßmann ihre Absage, hätte bei diesem Kirchentag "nur eine Feigenblattfunktion gehabt".


    Spitzenpolitiker waren wie üblich zahlreich auf dem Kirchentag vertreten. Unter ihnen waren der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt und der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, die gemeinsam und geschlossen für Waffenlieferungen eintreten. Steinmeier wandelte dabei obendrein auch noch das Kirchentagsmotto ab: Jetzt sei "auch Zeit für Waffen".


    Mehr zum Thema - Evangelischer Kirchentag: Vulven malen, aber ohne die AfD


    Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

    Info: https://freeassange.rtde.life/inland/172446-klebe-dich-an-liebe-gottes


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.


    unser weiterer Kommentar: Zitat: Ihre persönliche klare Haltung gegen derartige Waffenlieferungen, begründete Käßmann ihre Absage, hätte bei diesem Kirchentag "nur eine Feigenblattfunktion gehabt". (Zitatende) Das ist eine wohltuend klare Feststellung, frei von Doppelmoral und Heichelei.

    13.06.2023

    Sperrriegel gegen Flüchtlinge  Der EU-Plan, Tunesien zum Sperrriegel gegen Flüchtlinge auszubauen und mit dem Land einen Flüchtlingsabwehrpakt wie mit der Türkei zu schließen, stößt auf Widerstände.

    german-foreign-policy.com, 13. Juni 2023

    TUNIS/BRÜSSEL/BERLIN (Eigener Bericht) – Die EU stößt mit ihrem Plan, Tunesien zum Sperrriegel gegen Flüchtlinge auszubauen, auf Widerstände. Erst am Sonntag hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Tunis mitgeteilt, man sei dabei, einen „umfassenden Partnerschaftspakt“ mit Tunesien zu schließen. Als dessen Kern gilt eine Bestimmung, die unter anderem die Abschottung der tunesischen Seegrenze sowie die Rückschiebung aus dem nordafrikanischen Land in die EU eingereister Flüchtlinge vorsieht. Modell dafür ist der Flüchtlingsabwehrpakt, den Brüssel 2016 auf Berliner Initiative mit der Türkei geschlossen hat; im Gegenzug gegen die Zahlung von bisher 9,5 Milliarden Euro hält Ankara seither Flüchtlinge von der Weiterreise nach Griechenland ab. Am gestrigen Montag ließ sich Tunesiens Präsident Kaïs Saïed, dem die EU aktuell 1,6 Milliarden Euro in Aussicht stellt, jedoch mit der Äußerung zitieren, er halte den Vorschlag für „unmenschlich und unzulässig“ und lehne ihn ab. Auch Tunesier fliehen in zunehmender Zahl in die EU. Ihr Land, zum Niedriglohnstandort europäischer Firmen zugerichtet, hat kaum eigenständige Entwicklungsperspektiven und ist weithin verarmt.


    Zitat: Niedriglohnstandort

    Tunesiens ökonomisch desolate Situation ist eng mit seiner Funktion im Produktionsnetz europäischer, insbesondere auch deutscher Unternehmen verknüpft. Diese nutzen das Land seit Jahrzehnten als günstigen Niedriglohnstandort für arbeitsintensive Produktionsschritte. Bekannte Beispiele sind Kfz-Zulieferer wie Leoni und Dräxlmaier oder auch der Plüschtierfabrikant Steiff. Tunesien gilt als besonders vorteilhaft, da das Ausbildungsniveau relativ hoch ist, die Löhne aber trotzdem „weit unter den europäischen“ liegen, wie die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest (GTAI) feststellt; zudem hält die Nähe zu den Hauptstandorten in Europa die Transportkosten niedrig.[1] Attraktive Perspektiven für Tunesiens eigene ökonomische Entwicklung ergeben sich aus der Vereinnahmung des Landes für die Profite der europäischen bzw. der deutschen Industrie nicht. Die Bundesregierung hat seit den Umbrüchen in Tunesien Anfang 2011 („Arabischer Frühling“) immer wieder erklärt, die Kooperation mit dem Land ausbauen und ihm beim Streben nach besseren Perspektiven unter die Arme greifen zu wollen. Aus den vielen Berliner Versprechungen ist freilich bis heute, wie so oft, nichts geworden.[2]


    Die Schuldenfalle des IWF

    Armut, Perspektivlosigkeit und die Korruption in den tunesischen Eliten, mit denen die Staaten Europas, darunter Deutschland, seit je kooperieren, führten dazu, dass im Oktober 2019 der heutige Präsident Kaïs Saïed mit fast drei Viertel der Stimmen ins Amt gewählt wurde – Saïed trat mit einem von der Bevölkerung als glaubwürdig empfundenen Programm harter Korruptionsbekämpfung an. Auch als Saïed am 25. Juli 2021 den Ausnahmezustand verhängte und faktisch die alleinige Macht an sich riss, stieß das zunächst bei fast 90 Prozent der Tunesier auf Sympathie.[3] Mittlerweile hat sich die Lage allerdings geändert. Saïed hat den tunesischen Staat radikal umzubauen begonnen und dabei auch einen Großteil früherer Unterstützer gegen sich aufgebracht, darunter den Gewerkschaftsdachverband UGTT (Union Générale Tunisienne du Travail). Die ökonomische Lage ist schlechter denn je; Tunis muss wohl einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar aufnehmen, den der vom Westen dominierte IWF als eine Art Schuldenfalle nutzt: Tunesien muss im Gegenzug seine Wirtschaft deregulieren und dabei unter anderem Lebensmittelsubventionen streichen.[4] Längst fliehen immer mehr Tunesier aus dem Land, häufig in Booten über das Mittelmeer nach Europa.


    Kolonialer Rassismus

    Für Flüchtlinge wiederum, die aus den Ländern Afrikas südlich der Sahara nach Tunesien reisen, um von dort nach Europa überzusetzen, hat sich die Lage im Februar 2023 dramatisch zugespitzt. Am 21. Februar behauptete Präsident Saïed in einer Rede, „Horden irregulärer Migranten aus Subsahara-Afrika“ hätten „Gewalt, Verbrechen“ und nicht näher beschriebene „inakzeptable Praktiken“ nach Tunesien gebracht. Das alles sei Teil eines kriminellen Plans, der darauf ziele, die „demografische Struktur“ des Landes „zu verändern“ und es in „ein weiteres afrikanisches Land“ zu verwandeln, das nicht mehr zur arabischen Welt zähle.[5] In den folgenden Tagen und Wochen kam es in Tunesien zu einer Welle staatlicher wie auch nichtstaatlicher Gewalt gegen Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara, bei der Hunderte interniert und manche von ihnen abgeschoben, zahlreiche weitere in der Öffentlichkeit rassistisch attackiert und zum Teil schwer verletzt wurden. Der Publizist Haythem Guesmi weist darauf hin, dass Saïeds rassistische Rede in Tunesien durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen ist: Der alte koloniale Gedanke, der afrikanische Kontinent bestehe aus einem „zivilisierten weißen“ und einem „primitiven schwarzen Afrika“, lebe in dem Land bis heute fort.[6]


    Sicheres Drittland

    Die EU will Tunesien nun als Sperrriegel gegen Flüchtlinge nutzen, die über das Mittelmeer nach Europa überzusetzen suchen. Modell ist der Abschiebepakt mit der Türkei, den im Jahr 2016 Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aushandelte und der seitdem den Weg aus südöstlicher Richtung in die EU blockiert.[7] Das soll nun für die Route aus Richtung Süden nachgeahmt werden. Ziel ist es zum einen, die tunesische Regierung zu Maßnahmen gegen das Ablegen von Flüchtlingsbooten zu nötigen. Dazu ist etwa die Aufrüstung der tunesischen Küstenwache im Gespräch. Darüber hinaus soll Tunesien veranlasst werden, Flüchtlinge, die es trotz allem bis in die EU geschafft haben, zurückzunehmen. Dazu kann insbesondere Italien das Land als sogenanntes sicheres Drittland einstufen; der neue Asylpakt, auf den sich die EU-Innenminister vergangene Woche geeinigt haben, erleichtert in vielen Fällen die umgehende Abschiebung von Flüchtlingen in ein solches Drittland.[8] Nicht zuletzt könnte Rom in Tunesien Lager einrichten, in denen seinen Antrag stellen muss, wer Asyl in Italien begehrt. Auch dies ist auf der Grundlage des neuen Asylpakts möglich. Über das Mittelmeer übersetzen dürfte dann nur, wer offiziell Asyl in Italien erhalten hat.


    Grünes Licht aus Berlin

    Der Deal ist, wie berichtet wird, in der EU von den maßgeblichen Regierungen bereits besprochen und abgesegnet worden. Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war bereits am Dienstag vergangener Woche zu ersten offiziellen Absprachen nach Tunis gereist. Am Donnerstag empfing sie in Rom Bundeskanzler Olaf Scholz; wenngleich bisher offiziell nicht viel über das Treffen bekannt ist, heißt es unter Berufung auf Insider, Scholz habe Meloni grünes Licht gegeben und damit de facto Roms Zustimmung zu dem neuen Asylpakt erkauft.[9] Berichten zufolge will die EU Tunis „für die Grenzsicherung, aber auch für Seenotrettung, Maßnahmen gegen Schlepperei und für Rückführung“ noch in diesem Jahr 100 Millionen Euro zahlen.[10] EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte Saïed, als sie sich am Sonntag mit Meloni und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Tunis aufhielt, zudem 900 Millionen Euro in Form von Krediten zu. Die EU ist laut von der Leyen darüber hinaus bereit, eine erste Tranche des IWF-Kredits von 150 Millionen Euro schon vor Erfüllung der IWF-Forderungen durch Tunis zu organisieren sowie 150 Millionen Euro für ein Unterseedatenkabel plus 300 Millionen Euro für ein Stromkabel aus Italien nach Tunesien zu zahlen, sofern Tunis sich auf den Deal einlässt.


    „Unmenschlich und unzulässig“

    Letzteres steht nach Äußerungen, die Präsident Saïed am gestrigen Montag tätigte, nun aber wieder in Frage. Saïed teilte mit, er halte „den von einigen Seiten diskret unterbreiteten Vorschlag, Migranten in Tunesien anzusiedeln“ und dafür dann „finanzielle Unterstützung ... zu erhalten“, für „unmenschlich und unzulässig“; er sei keinesfalls zu einem derartigen Deal bereit.[11] Beobachter mutmaßen, Saïed könne damit möglicherweise den Preis für die Flüchtlingsabwehr in die Höhe treiben wollen. Die Verhandlungen setzt jetzt EU-Kommissar Olivér Várhelyi, der unter anderem für die sogenannte Europäische Nachbarschaftspolitik zuständig ist, fort; aktuell hält sich der ranghöchste Beamte der zuständigen Generaldirektion in Tunis auf.[12] Bei ihrem Bestreben, Flüchtlinge abzuwehren, gibt die EU nicht ohne weiteres nach.

     

    [1] Peter Schmitz: Investoren setzen auf Tunesiens Stärken. gtai.de 05.04.2023.

    [2], [3] S. dazu Korruption am Niedriglohnstandort.

    [4] Hans-Christian Rößler: Milliarden für Migrationsdeal? Europa wirbt um Tunesien. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.06.2023.

    [5] Tunisia: President’s racist speech incites a wave of violence against Black Africans. amnesty.org 10.03.2023.

    [6] Haythem Guesmi: It was not Saied who introduced anti-Black racism to Tunesia. aljazeera.com 17.03.2023.

    [7] S. dazu Die europäische Lösung.

    [8] S. dazu Abschiebung als Markenkern.

    [9], [10] Thomas Gutschker, Hans-Christian Rößler: Ein neuer Flüchtlingsdeal. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.06.2023.

    [11], [12] Präsident will in Tunesien keine Migranten unterbringen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.06.2023.


    #Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9265


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

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