Sanktionen: stoßen die USA an ihre Grenzen?
aus e-mail von Doris Pumphrey, 9. September 2024, 12:42 Uhr
8.9.2024
*Sanktionen: Finanzsystem für einen neuen Kalten Krieg – stoßen die USA
an ihre Grenzen?
*von Simon Zeise
Die amerikanische Sanktionsmaschine rollt. Ende August haben die USA
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/usa> beschlossen, weitere 400
Unternehmen und Einzelpersonen, die vermeintlich das russische Militär
im Ukrainekrieg unterstützen, auf die sogenannte Entity List
<https://www.bis.doc.gov/index.php/policy-guidance/lists-of-parties-of-concern/entity-list> zu
setzen.
Während die Maßnahmen für die betroffenen Unternehmen weitreichende
Folgen haben, können die USA einen entscheidenden Vorteil aus den
Sanktionen ziehen: „Indem sie die Ziele dieser Sanktionen vom westlichen
Finanzsystem abschneiden, können sie nationale Industrien zerstören,
Privatvermögen vernichten und das politische Machtgleichgewicht in
problematischen Regimen stören – und all dies, ohne dass auch nur ein
einziger amerikanischer Soldat in Gefahr gerät“, schreibt die Washington
Post in einer ausführlichen Analyse
<https://www.washingtonpost.com/business/interactive/2024/us-sanction-countries-work/>.
*Sanktionen gegen Russland wirken nicht – Ärger an der Wall Street
*Doch in den USA kommt Unzufriedenheit auf. Die Sanktionen erfüllen,
etwa im Fall Russland <https://www.berliner-zeitung.de/topics/russland>,
ihr Ziel nicht. „Regierungsvertreter bemerkten allmählich Probleme mit
dem komplizierten neuen Regime des Finanzministeriums. Sanktionen gegen
Russland, die sich gegen Verbündete von Präsident Wladimir Putin
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/wladimir-putin> und staatliche
Banken richteten, hatten offenbar keine Auswirkungen auf die Kontrolle
der Krim“, heißt es in der Analyse der Washington Post. „Die
europäischen Staats- und Regierungschefs ärgerten sich über die
Geldstrafen, die ihren Banken auferlegt wurden. Die Machthaber der Wall
Street <https://www.berliner-zeitung.de/topics/wall-street> begannen,
über die Kosten zu murren, die ihnen durch die Einhaltung der
schwindelerregenden neuen Anweisungen entstehen würden.“
„Entgegen manchen Vorstellungen sind Sanktionen schwer zu konzipieren,
zu überwachen und umzusetzen, und die damit verbundenen Kampagnen
verschlingen enorme Mengen an Zeit und Energie. Sie mögen so sanft
erscheinen wie eine Ente, die übers Wasser gleitet, aber in Wirklichkeit
steckt heftiges Paddeln dahinter“, schreibt der Architekt der
amerikanischen Sanktionen gegen Iran
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/iran>, Richard Nephew, in einem
Beitrag <https://jstribune.com/nephew-easier-said-than-done/> für das
israelische Journal The Jerusalem Strategic Tribune.
In Russland betrachtet man die Schwierigkeiten der Amerikaner mit
Argwohn. Oleg Barabanow, einer der Direktoren des russischen Thinktanks
Waldai-Forum, erklärte jüngst, dass die Sanktionen gegen Russland – mit
mehr als 16.000 Maßnahmen das Land mit den meisten Sanktionen in der
Geschichte –„als eindrucksvolles Beispiel für viele andere Länder
gesehen werden, dass es nicht mehr sicher ist, an die Vereinigten
Staaten gebunden zu sein“.
Nach Russland suchen immer mehr Länder Schutz gegen die Sanktionen der
USA. Das Staatenbündnis Brics
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/brics> diskutiert über eine
Alternative zum global dominierenden Dollar-System. So führen die
Sanktionen dazu, dass sich ein Wirtschaftsblock herausbildet, in dem die
USA immer weniger Einfluss haben. Insbesondere das immer stärker
werdende China wird zum Ziel der amerikanischen Regierung. Zu den
Unternehmen, die von der neuen Sanktionsrunde Washingtons betroffen
sind, gehören neben 63 russischen auch 42 chinesische Unternehmen.
Josef Gregory Mahoney, Professor für Politik und internationale
Beziehungen an der East China Normal University in Shanghai, sagte im
Gespräch mit der Berliner Zeitung: „Die Sanktionen, die gegen Russland
verhängt wurden, insbesondere diejenigen, die sich auf das globale
Finanzsystem beziehen, haben Russland nicht wirklich geschadet. Vielmehr
ist festzustellen, dass die russische Wirtschaft boomt.“ Die Sanktionen
hätten vielerorts großes Stirnrunzeln hervorgerufen. „Mit anderen
Worten: Vielleicht ist es besser für uns, vom Dollar wegzukommen. Und
das besser früher als später.“
Ein einflussreicher Thinktank in den USA zieht ein Resümee: „In den
letzten zehn Jahren haben sich die Sanktionen und die Auflistung von
Unternehmen, die gegen China gerichtet sind, in den Bundesbehörden stark
ausgeweitet“, heißt es in einer neuen Analyse der amerikanischen Rhodium
Group
<https://rhg.com/research/the-urge-to-merge-streamlining-us-sanction-lists-targeting-china/>.
„Doch mit der Ausweitung des Regelungsnetzes werden auch die Lücken
immer deutlicher.“ Bis Juli 2024 seien mehr als 1000 chinesische Firmen
auf den Sanktionslisten der USA aufgeführt worden.
Die Rhodium Group weist in der Analyse auf Schwachstellen der bisherigen
amerikanischen Sanktionspakete gegen China hin. Dies habe einige
Kongressmitglieder dazu veranlasst, eine Harmonisierung verschiedener
Sanktionslisten zu fordern, um sicherzustellen, dass den als „böswillig“
bezeichneten chinesischen Akteuren der Zugang zu Technologie, Markt,
Kapital und Know-how der USA vollständig verwehrt wird.
Würde ein maximaler Sanktionsdruck auf die bereits gelisteten
chinesischen Technologieunternehmen Huawei, SMIC, Hikvision oder
Zhejiang Dahua erzeugt, wären mindestens 40,2 Milliarden US-Dollar an
Einnahmen außerhalb Chinas und bis zu 67,5 Milliarden US-Dollar an
Marktkapitalisierung gefährdet. „Ein solches Vorgehen hätte weltweit
erhebliche Auswirkungen“, heißt es in der Analyse der Rhodium Group.
*Sanktionen als Ausdruck der Schwäche der USA
*Auch die chinesische Biotechnologie wird durchleuchtet. Die bisher in
einem Sanktionsentwurf gelisteten chinesischen Unternehmen
erwirtschafteten zusammen mindestens 4,8 Milliarden US-Dollar Umsatz in
Amerika. Doch die Sanktionen scharfzustellen, könnte den USA selbst
schaden. Umfragen unter amerikanischen Biopharmaunternehmen zufolge
haben 79 Prozent der Befragten mindestens einen Vertrag oder ein Produkt
mit einem in China ansässigen oder in chinesischem Besitz befindlichen
Vertragsforschungs- oder Produktionspartner.
Durch ein konsequentes spezielles Aktienhandelsverbot für Bürger der USA
könnte die Liste von derzeit 68 auf 927 chinesische Unternehmen mit
einer Marktkapitalisierung von insgesamt 970 Milliarden US-Dollar
anwachsen, berichtet die Rhodium Group.
Für Professor Mahoney sind die Sanktionen ein Ausdruck der zunehmenden
Schwäche der USA: „Meiner Meinung nach sind die Vereinigten Staaten zu
dem Schluss gekommen, dass sie in naher Zukunft nicht in der Lage sein
werden, ein globales Hegemoniemodell aufrechtzuerhalten“, sagt er der
Berliner Zeitung. „Die USA sind zuversichtlich, die halbe Welt zu
kontrollieren zu können“, so Mahoney. „Die Vereinigten Staaten
versuchen, die Grenzen des Kalten Krieges
<https://www.berliner-zeitung.de/topics/kalter-krieg> neu zu ziehen und
das Finanzsystem nach den Regeln des Kalten Krieges neu zu gestalten.“
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.