globalbridge.ch, vom 09. August 2023 Autor: Redaktion in Allgemein, Medienkritik, Politik

(Red.) Wer über den Krieg in der Ukraine und die geopolitischen Spannungen berichtet, muss auch ukrainische Publikationen konsultieren. Globalbridge.ch tut das, dessen Herausgeber Christian Müller hat zum Beispiel schon seit Jahren auch die «Kyiv Post» abonniert, die politisch erwartungsgemäß die Sicht der Ukraine wiedergibt. Sie nennt sich ja auch «Ukraine’s Global Voice». Am 6. August allerdings war da was ganz Anderes zu lesen. Gemäss einer neuen Studie würden, so schon die Headline, eine große Mehrheit der Ukrainer Wolodymyr Selenskyj persönlich für die Korruption in der Regierung und in der Armee verantwortlich machen. Die «Kyiv Post» beruft sich dabei auf einen Bericht von Interfax, der hier übersetzt wiedergegeben wird – mit einer anschließenden kurzen Bemerkung von Globalbridge.ch. (cm)


Rund 77,6 % der befragten Ukrainerinnen und Ukrainer glauben, dass der Präsident direkt für die Korruption in der Regierung und der Militärverwaltung verantwortlich ist. Das geht aus den Daten einer Meinungsumfrage hervor, die im Juli von der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF) durchgeführt wurde und sich mit der Anpassung der Ukrainerinnen und Ukrainer an das Leben unter Kriegsbedingungen beschäftigt.


«Das Zögern bei der Lösung von Problemen, die den Glauben der Menschen an den Sieg untergraben, wird auch den Präsidenten selbst treffen. Die Umfrage ergab, dass 77,6 % der Bürgerinnen und Bürger ‹den Präsidenten direkt für die Korruption in der Regierung und in der Militärverwaltung verantwortlich machen›, sagte DIF-Exekutivdirektor Petro Burkovsky in einer Erklärung, die auf der Website der Stiftung veröffentlicht wurde.

Wie der Soziologe sagte, «funktioniert das weit verbreitete Argument, dass ‹die Behörden nicht überall Zeit haben›, nach 16 Monaten Krieg nicht mehr und wird nicht länger die Rolle einer Nachsicht für die Missbräuche, Gleichgültigkeit und Inkompetenz von Personen spielen, die genau deshalb gewählt und ernannt worden waren, damit sie ‹alles und überall› tun konnten, indem sie die Befugnisse nutzten, die unter den Bedingungen des Kriegsrechts umso mehr erweitert wurden.»


«Das heißt, es sind Beamte, die ihren Pflichten nicht nachkommen, die in diesem Stadium kein weniger gefährlicher Feind sind als Russland. Und die Bürgerinnen und Bürger erwarten von Wolodymyr Selenskyj die Entschlossenheit, solche Personen von der Macht zu entfernen, auf jene Leistungsträger zu hören und sie zu fördern, die ehrlich auf Probleme hinweisen und kompetent ihre Entscheidungen vorschlagen», sagte Burkovsky.


«Deshalb sollte die Säuberung der territorialen Rekrutierungs- und sozialen Unterstützungszentren von ‹unbezahlbarem Personal› der Ausgangspunkt und nicht der Punkt im Prozess der Veränderungen im Verteidigungssektor sein. In diesem Fall sollte man nicht den Weg der einfachen Lösungen gehen. Insbesondere können wir davon ausgehen, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger eine so ‹einfache Idee› wie die ‹Versetzung von Militärkommissaren an die Frontlinie› unterstützen können. Aber ist es möglich, Waffen und das Leben von Soldaten Menschen anzuvertrauen, die zynisch mit Zertifikaten gehandelt haben, um sich dem Dienst zu entziehen? Es ist unwahrscheinlich, dass eine solche Entscheidung in den Militäreinheiten unterstützt wird. Aber der Vorschlag, korrupte Beamte durch Veteranen zu ersetzen, wird in der Gesellschaft durchaus Anklang finden», so der politische Analyst.


Laut der Umfrage unterstützen 72,9 % der Ukrainer die Entlassung verwundeter Soldaten aus den Reihen der Streitkräfte der Ukraine mit der Zahlung aller fälligen Entschädigungen für Behandlung und Rehabilitation, und 46,3 % befürworten die willkürliche Versetzung auf Positionen in den militärischen Rekrutierungsbüros anstelle der derzeitigen Mitarbeiter.

(Die landesweite Umfrage «Sozialpolitische Stimmungen der Bevölkerung der Ukraine» wurde im Juli 2023 vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie im Auftrag der Stiftung Demokratische Initiativen durchgeführt. Bei der Umfrage wurde die Methode der persönlichen Befragung mithilfe eines Tablets angewandt. Die Regionen Donezk und Lugansk wurden aufgrund von Sicherheitsfragen sofort aus der Stichprobe ausgeschlossen. Die Region Kherson wurde zunächst in die Berechnungen einbezogen (siehe unten). Aufgrund von Sicherheitsproblemen wurde die Aufgabe für die Region Kherson jedoch in der benachbarten Region Mykolaiv durchgeführt. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 2.011 Interviews mit Befragten geführt, die in 135 Siedlungen der Ukraine leben. Unter normalen Umständen liegt der statistische Fehler der Stichprobe nicht über 3,3%.)


Ende des Berichts von Interfax.

(Red.) Wer heute die Plattform «Kyiv Post» aufruft, wird diesen Artikel allerdings kaum mehr finden bzw. nur noch über die Suchfunktion. Die 16 Kommentare unter dem Beitrag der «Kyiv Post» waren denn auch entsprechend. Zwei Beispiele:

«Entweder ist dieser Artikel ein Hack von Pro-Putin-Trollen oder die Kyivpost ist leider ein unpatriotisches, Scheiße rührendes Blatt. Bis ich etwas anderes höre, werde ich Kyivpost – wenn überhaupt – mit großer Skepsis lesen.»

«Der einzige offensichtliche Sinn dieses Artikels ist es, propagandistischen Treibstoff für Putin und seine pro-faschistischen europäischen und amerikanischen Unterstützer zu liefern.»


Zum Artikel in der «Kyiv Post» mit der Schlagzeile wie oben abgebildet.


Siehe dazu auch «Die Korruption in der Ukraine lässt zig Milliarden US-Dollar verschwinden – pro Jahr!» (Von Christian Müller auf Globalbridge.ch)

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