Um zu verstehen, was der Krieg mit den Menschen macht, ist fiktionale Literatur oft wichtiger als Breaking News und Tagesschau.
Zitat: «Im Frühling würde alles anders, die Natur würde erwachen, die Vögel würden lauter singen als die Geschütze feuerten, weil die Vögel in der Nähe sangen, die Geschütze aber dort in der Ferne blieben. Nur manchmal würden die Artilleristen aus unbegreiflichem Grund, vielleicht weil sie betrunken oder müde waren, ein Geschoss zufällig auf das Dorf, auf Malaja Starogradowka, abfeuern. Einmal im Monat, nicht öfter. Das Geschoss würde dorthin fallen, wo es schon kein Leben mehr gab: auf den Friedhof oder den Kirchenvorhof oder das seit langem leerstehende Gebäude des alten Kolchosebüros.»
So denkt der Bienenzüchter Sergej Sergejitsch im Donbass. Er sieht keinen Sinn in diesem Krieg. Er versteht auch nicht, warum man auf sein Dorf schiesst, ein Niemandsland, aus dem fast alle Leute geflohen sind, die einen nach Osten, die andern nach Westen. Sergej fürchtet, dass seine Bienenstöcke Schaden nehmen könnten.
Der Roman «Graue Bienen» des ukrainischen Schriftstellers Andrej Kurkow erschien 2018, also zu einem Zeitpunkt, da die Angriffe der ukrainischen Armee auf den Donbass keine Schlagzeilen im Westen machten. Westeuropa war beschäftigt mit Greta Thunberg, mit Donald Trump, mit der Fussballweltmeisterschaft oder der Traumhochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle.
Andrej Kurkow ist Vorsitzender des PEN-Clubs Ukraine und ein scharfer Kritiker des russischen Angriffs auf die Ukraine. Von einem solchen Autor wird man keine russische Propaganda erwarten, sondern eher schroffe Ablehnung der Politik des Kremls. Die kann man aus dem Buch klar herausfiltern.
Es gibt aber auch keine Sympathie für die Regierung in Kiew. Vielmehr merkt man bei der Lektüre von der ersten Seite an, dass dem Autor nichts ferner liegt als ein Propagandastück. Aber selbst wenn es eines wäre: Bücher können klüger sein als ihre Autoren. Denn da ist eine Erzählerstimme, die mit Genauigkeit und Bedächtigkeit – fast möchte man sagen mit teilnahmsloser Resignation – die Erlebnisse der Hauptfigur Sergej wiedergibt.
Es ist der Versuch zu schildern, welchen Einfluss das grosse historische Geschehen auf das kleine, private Leben eines Menschen hat. Kurkow ist russischsprachiger Ukrainer und ein Zeitzeuge, dem wir abnehmen können, dass er die Welt kennt, die er beschreibt.
Erzählende Literatur erfindet Ereignisse und Gestalten in einer «fictional world». So hat Kurkow wahrscheinlich die Protagonisten und das Dorf erfunden. Oder vielleicht nur die Namen eines realen Dorfes und realer Menschen geändert. Das kontextuelle Panorama ist jedenfalls unbestreitbar Realität. Dass in den Konfliktgebieten von Donezk und Luhansk ab 2014 über Jahre hinweg Kämpfe stattfanden, ist in den Rapporten der OSZE-Beobachter nachzulesen. Bis zum Einmarsch der Russen im Februar 2022 soll es fast 15’000 Tote gegeben haben.
Der ungarische Literaturtheoretiker Georg Lukács hat über die Romane Alexander Solschenizyns, die von der stalinistischen Verfolgung handeln, einmal gesagt, sie zeigten, dass fiktionale Literatur «ein deutlicheres Bild des gesellschaftlichen Seins geben könnte als dieses selbst.» Kunst kann demnach die Funktion haben, die Wirklichkeit poetisch zu überbieten, um sie zu durchschauen.
Roman Bucheli von der NZZ-Feuilleton-Redaktion bringt den Sachverhalt in wenigen Sätzen auf den Punkt: «So besteht das Paradox aller Kunst darin, dass sie über die Vorstellungskraft zurück in die Wirklichkeit führt. Die Imagination entwertet nicht das Faktische, sondern schärft die Sinne für dessen Verständnis. Darum haben wir in der Kunst wie im Sandkasten die Welt noch einmal neu zu erfinden gelernt, allerdings nicht, um in der Simulation das bessere Leben zu finden. Doch um die Wirklichkeit genauer zu lesen.» (NZZ 12.2.22)
Es ist somit ein fundamentaler Unterschied, ob wir Mitteilungen über den Krieg mittels Zeitungen, News-Ticker und Breaking News bekommen oder mittels «Kunst als Fiktion». Günther Anders hat in seinem Essay «Die Antiquiertheit des Menschen» bereits in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine realitätsvernichtende Wirkung der News-Medien beobachtet, welche uns «die Welt» ins Haus zustellen, vergleichbar mit der Lieferung von Gas oder Elektrizität:
«Wer ‹im Bild’ sein will, wer wissen will, was es draussen gibt, der hat sich nachhause zu begeben, wo die Ereignisse ‘zum Schauen bestellt’ schon darauf warten, Leitungswasser gleich für ihn aus dem Rohr zu schiessen. Wie sollte er auch draussen, im Chaos des Wirklichen, in der Lage sein, irgendein Wirkliches von mehr als lokaler Bedeutung herauszupicken?»
Wenn ein Ereignis erst als TV-Bild gesellschaftlich wirksam werde, dann seien die Bilder wichtiger als das Ereignis, dann sei der Unterschied zwischen Sein und Schein, zwischen Wirklichkeit und Bild, aufgehoben, argumentiert Anders. Mehr noch: Wenn erst die milliardenfache bildliche Reproduktion das Ereignis zum Ereignis macht, dann hat sich das Original nach den Anforderungen der Reproduktion zu richten. Die durchschnittliche Länge einer TV-Nachricht dürfte sich zwischen 120 und 180 Sekunden bewegen. Die Welt kommt zu uns als bezahlte Ware. Der Konsument, die Konsumentin kann über die so gelieferte Welt zuhause auf seinem Sofa bestimmen: Er kann sie anschalten oder ausschalten.
Wenn an dieser Kritik einiges zutrifft, dann ist die Sache mit der Verbreitung des tragbaren Spielzeugs namens Smartphone nicht besser geworden. Aber es besteht, wie oben angedeutet, Grund zur Hoffnung. Unsere «Benachrichtigung» ist nicht so fatal von Verkürzung, Verfälschung und Verfremdung geprägt, wie Anders andeutet.
Denn es gab zu allen Zeiten auch andere Darstellungen. Sie kamen und kommen von Menschen, die uns in selbstgewählten Formen mitteilen, was sie in der Welt gesehen haben. Leute, die Geschichten erzählen. Oder literaturtheoretisch genauer: Autorinnen und Autoren, die Erzählern das Wort geben. Nicht auf Twitter oder Instagram, sondern in Romanen, Kurzgeschichten, Essays, Filmen oder sogar in Liedern oder Gedichten.
Matthias Claudius hatte die ethische Grundhaltung eines Pazifisten, lange bevor es dieses Wort und die Bewegung gab. Er schrieb 1779 sein ergreifendes Gedicht «Kriegslied», dessen letzte Strophe lautet:
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freun! S’ ist leider Krieg – und ich begehre, Nicht schuld daran zu sein!
In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts waren es vor allem Romane, die die katastrophalen Kriege reflektierten. Henri Barbusse, der als «poilu», als einfacher Infanterie-Soldat, das industrielle Schlachthaus des Stellungskrieges überlebte, publizierte 1916 seinen Roman «Le Feu». Es war eine Lektion über den Ersten Weltkrieg, wie viele Zeitungsberichte sie nicht liefern konnten. Das Gleiche gilt für «Im Westen nichts Neues» (1929) von Erich Maria Remarque. Im Vorwort schrieb Remarque, sein Buch solle «den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Krieg zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.»
Der Rückzug in die radikale Subjektivität eines fiktionalen Erzählers kann der gesellschaftlichen Realität näher kommen, als die vorgebliche Objektivität eines Journalismus, der sich den Machtstrukturen nicht entziehen kann, in denen er eingebettet ist. Das geschundene und zwischen den Fronten zerriebene Individuum in einem Roman wie «Graue Bienen» erscheint in seiner kleinen Welt als letzte Bastion von Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit.
Was nicht bedeutet, dass fiktionales Schaffen stets der Wahrheit verpflichtet ist. Die Fiktion kann zur Propaganda verkommen. Hollywood hat in dieser Hinsicht eine unrühmliche Tradition. Ein Film wie «American Sniper» zum Beispiel zeigt den Irak-Krieg als patriotisches Heldenepos eines US-Scharfschützen und blendet aus, dass dieser Angriffskrieg des Westens mit Lügen gerechtfertigt wurde.
Autorinnen und Autoren sind Kinder ihrer Zeit. Sie können sich aus den Fesseln ihrer kulturellen und politischen Sozialisation kaum befreien. Dieses Framing erklärt, warum es für verschiedene Menschen so viele verschiedene «Wahrheiten» gibt, zumal die Gehirnforschung zeigt, dass wir lebenslange Erfinder und Dramaturgen unserer Erinnerungen sind. Oder, wie Werner Herzog es formulierte, «Ghostwriter unserer eigenen Realität». Die Journalistin Karin Leukefeld zitierte kürzlich einen Kameramann, der sagte: «Du siehst nur, was du weisst.»
Hemingways «Wem die Stunde schlägt» (1940) öffnet zum Beispiel einen anderen Zugang zum Verständnis des spanischen Bürgerkrieges als George Orwells bitter ernüchternde «Homage to Catalonia» (1938). Hans Magnus Enzensberger liefert in «Der kurze Sommer der Anarchie» drei Jahrzehnte später wertvolle Aufschlüsse über diesen Krieg, der die spanische Gesellschaft in zwei Lager teilte. Eine Vergangenheit, deren Aufarbeitung aus Angst vor einem Aufbrechen tiefer Wunden bis heute tabuisiert wurde.
«Der Roman ist die private Geschichte der Nationen», sagte Balzac. Zum Verständnis von Geschichte ist fiktionale Literatur unersetzbar. Nur sie ermöglicht ein Innehalten und behutsames Entdecken der Vergangenheit, ohne die es kein Entdecken der Gegenwart gibt. Denn auf Tagesjournalismus und «social media» ist in Kriegszeiten wenig Verlass.
Der Imker Sergej übt eine Tätigkeit aus, die vermutlich so alt ist wie die Menschheit. Er freute sich – wie es im Text heisst – im Sommer am Summen der Bienen und im Winter an der Stille und den schneeweissen Feldern:
«So hätte er das ganze Leben verbringen können, aber daraus war nichts geworden. Etwas im Land ging zu Bruch, dort in Kiew, wo immer irgendetwas nicht in Ordnung ist. Es ging derart zu Bruch, dass schmerzhafte Risse durch das Land liefen wie durch Glas, und aus diesen Rissen floss Blut.»
s ist Krieg! s' ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede du darein! 's ist leider Krieg – und ich begehre Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen Und blutig, bleich und blaß, Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen, Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten, Verstümmelt und halbtot Im Staub vor mir sich wälzten und mir fluchten In ihrer Todesnot?
Wenn tausend, tausend Väter, Mütter, Bräute, So glücklich vor dem Krieg, Nun alle elend, alle arme Leute, Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten Freund, Freund und Feind ins Grab Versammelten, und mir zur Ehre krähten Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freun! 's ist leider Krieg – und ich begehre Nicht schuld daran zu sein!
Weiteres:
de.wikipedia.org, abgerufen am 15. November 2022, 08:00 Uhr
Kriegslied (Matthias Claudius)
Das Kriegslied mit den berühmten Anfangsworten „’s ist Krieg!“ ist ein Gedicht von Matthias Claudius aus dem Jahr 1778. Es erschien auch – um die letzte Strophe gekürzt – 1783 im vierten Band des ASMUS omnia sua SECUM portans.
Das Gedicht wurde 1778 im Voßischen Musenalmanach für das Jahr 1779 veröffentlicht. Nach verbreiteter Meinung entstand es anlässlich des Bayerischen Erbfolgekrieges (Anspruch Österreichs auf Niederbayern und die Oberpfalz, nachdem die bayerische Linie der Wittelsbacher1777 ausgestorben war); da dieser Krieg allerdings im Grunde genommen gar kein Krieg in dem Sinne war, wie Matthias Claudius dessen Schrecken schilderte, liegt die besondere Nuance und Pointe des Gedichts nach Auffassung von Reiner Andreas Neuschäfer darin, dass Matthias Claudius das Gedicht gerade in einer kriegslosen Situation veröffentlicht hat.[1]
Matthias Claudius wirkte zu diesem Zeitpunkt als Publizist (Wandsbecker Bothe) in Wandsbek. In seiner Zeit hatten die preußisch-friederizianischen Kriege die Landkarte Mitteleuropas verändert.
Inhalt
’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede Du darein! ’s ist leider Krieg – und ich begehre, Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen Und blutig, bleich und blaß, Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen, Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten, Verstümmelt und halb tot Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute, So glücklich vor dem Krieg, Nun alle elend, alle arme Leute, Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten Freund, Freund und Feind ins Grab Versammelten, und mir zu Ehren krähten Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freun! ’s ist leider Krieg – und ich begehre, Nicht schuld daran zu sein!
Interpretation
Matthias Claudius glorifiziert den Krieg nicht, sondern schildert ihn als grausam und leidvoll.
Er benutzt dabei eine nüchterne Sprache und Wendungen aus der Alltagssprache. Die Wendung „'s ist leider Krieg“ wird dabei nicht als Floskel, sondern als Ausdruck echten Kummers gesehen. Karl Kraus nannte dieses leider den „tiefsten Komparativ von Leid, vor dem alle Leidenslyrik vergeht“.[2]
Mit seiner Aussage „ich begehre nicht schuld daran zu sein“ bezieht Claudius eindeutig Stellung gegen den Krieg. Dieser Satz steht am Schluss der beiden Randstrophen und bezieht sich auf den vorhergehenden Ausruf „'s ist leider Krieg“.
In der letzten Strophe klingt zudem eine Kritik am absolutistischen Bellizismus der Epoche an. Mit dem Vers „Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?“ nennt das lyrische Ich die Kriegsgründe, die in den Augen der Aufklärer seit Montesquieu maßgeblich mit der Herrschsucht und Ehrbegierde der europäischen Monarchen zusammenhingen („Gold und Ehre“).
Sonstiges
„’s ist Krieg!“[3] ist auch der Titel eines Gedichts von Kurt Tucholsky, das während des Ersten Weltkriegs verboten war. Es beginnt mit der folgenden Strophe:
Die fetten Hände behaglich verschränkt vorn über der bauchigen Weste, steht einer am Lager und lächelt und denkt: „’s ist Krieg! Das ist doch das beste! Das Leder geräumt, und der Friede ist weit. Jetzt mach in anderen Chosen – Noch ist die blühende, goldene Zeit! Noch sind die Tage der Rosen!“
Reinhard Görisch: „’s ist leider Krieg“. Das „Kriegslied“ von Matthias Claudius in Kriegs- und anderen Zeiten. Stationen einer Wirkungsgeschichte. In: Dirk Kemper (Hrsg.): Weltseitigkeit. FS für Jörg-Ulrich Fechner. Wilhelm Fink, Paderborn 2014, ISBN 978-3-7705-5578-9, S. 177–201.
Eckhardt Momber: ’s ist Krieg! ’s ist Krieg! Versuch zur dt. Literatur über den Krieg 1914–1933. Das Arsenal, Berlin 1981, ISBN 3-921810-50-7.
Karl Hotz (Hrsg.): Gedichte aus sieben Jahrhunderten. Interpretationen. Buchner, Bamberg 1993, ISBN 3-7661-4311-5.
Reiner Andreas Neuschäfer: Von allen Seiten umgibst du mich. Anthropologie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-77620-9.
Reiner Andreas Neuschäfer: Dietrich Bonhoeffer und Matthias Claudius. Spuren des Wandsbecker Boten bei Bonhoeffer. In: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 5 (2011/2012), ISBN 978-3-57901895-9, S. 167–187.
Reiner Andreas Neuschäfer: Leider Leid – Friedensverantwortung und Kriegsgrausamkeiten. Zu Matthias Claudius’ „Kriegslied“. In: Reinhard Görisch (Hrsg.): Helle reine Kieselsteine. Gedichte und Prosa von Matthias Claudius mit Interpretationen. Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2015, ISBN 978-3-89876-797-2, S. 115–128.
Albert Stolpe: Verstehensschwierigkeiten mit Matthias Claudius’ „Kriegslied“. In: Jahresschriften der Claudius-Gesellschaft 1 (1992), S. 34–35.
CD
Ritter und Raben (Balladen); Otto Sander und das Oakmusic Ensemble, 2007, Patmos Verlag
So in Reiner Andreas Neuschäfer: Von allen Seiten umgibst du mich. Anthropologie, Göttingen 2009, S. 157.
Karl Kraus, Franz Werfel, Aufsätze zur Sprache
Es ist Krieg ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zum Buch des Schweizer Arztes und Psychoanalytikers Paul Parin siehe Es ist Krieg und wir gehen hin.
"Die Zeit wird kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern, dass wir so offenbare Dinge nicht gewusst haben." Lucius Annaeus Seneca
unser Kommentar: "abermals"
15.11.2022
Countdown angelaufen: Der Krieg in der Ukraine führt die Welt in eine neue Realität
Viele Menschen sind heute verwirrt. Nicht die "liberale Elite", die sich dort zu Hause fühlt, wo das Essen am besten schmeckt. Vielmehr die Menschen fernab von Politik, insbesondere jüngere. Sie empfinden das Geschehen als einen Zusammenbruch ihrer vertrauten Welt.
Die oben erwähnte Verwirrung dieser Menschen kann man verstehen. Die Wahrheit ist: der Februar 2022 kam nicht plötzlich, nicht von selbst. Vor ihm lag zum Beispiel der März 2020: die Ankündigung der WHO einer Pandemie durch das Coronavirus, die Black-Lives-Matter-Bewegung und eine Art Staatsstreich in Amerika, der Trump vom Sockel stieß, ebenso ein neues Buch "The Great Reset" von Schwab. Darin wird deutlich gesagt, dass die Eliten dieser Welt die Zukunft ganz anders sehen, als es die naiven Jugendlichen oder die politisch Desinteressierten tun. Kurz gesagt: COVID-19 bleibt für immer, die neue Realität ist für immer und Lockdowns sind Teil dieser neuen Realität.
Das Buch "COVID-19: The Great Reset" des Ökonomen Klaus Schwab, des Gründers und Präsidenten vom Weltwirtschaftsforum in Davos, zeichnet folgende Realität: Abschaffung von Privateigentum (Akteure sind die multinationalen Konzerne in diesem "neuen" Kapitalismus, in dem ein normaler Mensch nur noch ein digitales Konto haben (oder sein) wird, welches an sein soziales Rating gebunden ist), der Übergang zu digitalem Geld, die totale Roboter-Automatisierung und (deshalb) die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Schließlich die Ausrufung der "Vierten Industriellen Revolution", die zur völligen "Verschmelzung der physischen Identität eines Menschen mit seiner digitalen und biologischen Identität" führen soll, gemäß Schwabs Rede in Chicago. Und die COVID-19-Pandemie wurde als der perfekte Zeitpunkt für den Übergang in diese neue Realität erklärt.
Übrigens erscheinen heute immer mehr seriöse Studien in seriösen Zeitschriften, die eine Beteiligung amerikanischer wissenschaftlicher und militärischer Strukturen an der Entwicklung des COVID-19-Virus nahelegen. Es wird offensichtlicher, dass das Auftreten des Virus im Jahr der Präsidentschaftswahlen in Amerika wohl keineswegs zufällig kam. Gerade COVID-19 machte alle Errungenschaften Trumps zunichte, und eine "Briefwahl" brachte Biden und der Demokratischen Partei den Sieg, die bis heute als wichtigster Ideologe dieser COVID-Realität agiert.
Das ganze Jahr 2021 zeigte eine lawinenartige Verbreitung der aus den USA angetriebenen weltweiten "Pandemie-Realität". Und die ganze Welt schritt folgsam und einmütig in Richtung zu Schwabs "großem Neustart". Genau bis zu dem Moment, als die Sonderoperation Russlands diese Bewegung – wenn auch nicht entscheidend – durchkreuzte. Der Globalisierung wurde ein Ende gesetzt. Mit anderen Worten, wenn nicht der 24. Februar 2022 gewesen wäre, würde der der "morgige Tag" der allermeisten Menschen auf der Erde sehr bald als folgende Realität erscheinen: endloser Hausarrest, totale digitale Kontrolle, Grundeinkommen (mit Grundnahrung und Obdach) zuzüglich einer VR-Brille für das lebenslange Wohnen in irgendeinem Metauniversum. Nun, lassen Sie uns einen etwas genaueren Blick darauf werfen und schauen wir einfach, welche Art von Zukunftsszenarien unsere Welt derzeit eigentlich gerade hatte.
Erinnern wir uns noch, mit welcher Leichtgläubigkeit alle Welt im Jahre 1989 auf das von Francis Fukuyama verkündete "Ende der Geschichte" hoffte und an die nun folgende endlose (wenn auch etwas langweilige) Gegenwart: eine ewige Vergegenwärtigung des Alltags in der gemütlichen Pension "Westen". Doch schon nach etwa zehn Jahren war von dieser gemütlichen und sicheren Welt keine Spur mehr geblieben. Und siehe da, die energiegeladenen Migrantenmassen stürmen plötzlich diese heile Pension "Westen". Die kollabiert gerade selbst, wirtschaftlich und kulturell, die Bevölkerung nimmt rapide ab, die Wirtschaft geht ein, sodass die Länder in Europa nach weiteren dreißig Jahren weder unter den führenden Volkswirtschaften der Welt noch unter den Ländern mit überwiegend weißer Bevölkerung durch Soziologen und Ökonomen gesehen werden. Der traditionelle Europäer – sollte es ihm gelingen, unter den neuen Verhältnissen zu überleben – wird ein Artgenosse sein, der seine Verwandtschaft vergessen hat, wie von [Oswald] Spengler prophezeit wurde.
Ähnliche Probleme hat sogar das imperiale Zentrum des Westens – die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Geburtenrate der "weißen" Bevölkerung hat hier ein Rekordtief erreicht, die Vereinigten Staaten sind Europa in dieser Hinsicht sogar schon weit voraus. Im Jahr 2045 wird die weiße Bevölkerung dieses Landes in der Minderzahl sein. Mehr noch, 30 Prozent der heutigen Jugend (die Zoomer-Generation) sind bereit, sich als LGBT zu identifizieren. Das Land selbst balanciert politisch am Rande eines Bürgerkriegs. Übrigens treibt die Militär- und Finanzmaschinerie dieser "Lokomotive des Westens", die bereits am Limit ihrer Kräfte arbeitet, weiterhin den Kreislauf dieser Welt an. Und in ihrer Steuerung flackert neuerdings weiter die Fantasiewelt einer "Allianz der Demokratien", die durch die Ideologie eines "queeren Bolschewismus" zusammengehalten wird: durch ein Konglomerat "revolutionärer" Minderheiten, die nicht einmal in der Lage sind, etwas aufzubauen, außer "bestenfalls" die Welt zu einem Nomadenlager zu machen und im schlimmsten Fall in einen Raum des totalen Massakers (wie es die amerikanischen Straßen im Jahr 2020 zeigten, als sie von BLM-Aktivisten eingenommen wurden).
Ein anderes Bild: Im kommenden Vierteljahrhundert verspricht der Eintritt in jene neue Wirtschaftsordnung, bis zu 75 Prozent der heutigen Berufe überflüssig zu machen. In dem Buch "COVID-19: The Great Reset" schreibt Schwab beispielsweise: "Bis ins Jahr 2035 könnten bis zu 86 Prozent der Tätigkeiten in Restaurants, 75 Prozent im Einzelhandel und 59 Prozent in der Unterhaltung automatisiert werden." Und das ist nur der Anfang. Dieselbe Zukunft erwartet die meisten Berufe, worauf natürlich kein einziges soziales System irgendeines Staates der Welt vorbereitet ist. Womöglich ist das einer der Gründe, weshalb alle Staaten in den Jahren 2020/2021 (trotz aller damit verbundenen Risiken) so eifrig Experimente mit Lockdowns erprobt haben. Offenbar ist der einzige heute anerkannte Weg, eine soziale Explosion zu vermeiden, der Übergang zu "Homeoffice" und Grundeinkommen, um die größtmögliche Anzahl von Bürgern des globalen "Kondominiums" unter häuslicher Aufsicht zu platzieren, ihnen ein Minimum an Lebensunterhalt zu gewähren und eine VR-Brille zu beschaffen.
Das nächste Bild: Der sogenannte Transhumanismus, dessen Verheißungen zugleich auch den nationalen Eliten der meisten Länder angeboten wird. Transhumanismus ist eine bezaubernde Illusion, die übermenschliche Fähigkeiten und sogar "Unsterblichkeit" verspricht, basierend auf einem Gehirn-Scan und der Herstellung von Proteinen, und zwar mit einem versprochenen "Zeitpunkt der Singularität" spätestens im Jahr 2045.
Diese drei Szenarien umfassen im Wesentlichen erschöpfend die uns bekannten futuristischen Bilder. Unser "Morgen", das bisher einzige globale Projekt einer nunmehr "klaren Zukunft", sieht so aus: eine Handvoll übermenschlicher Eliten über schweigenden Massen, die in Metauniversen dahinvegetieren.
Doch der Februar 2022 setzte diesem Szenario zunächst ein Ende: Die Globalisierung ist am Ende, die Postmoderne ist am Ende, die Zeit läuft wieder an, die Geschichte hat neu begonnen. Wir können auch sagen: Am 24. Februar 2022 begann Russland den Kampf um seine Zukunft, um seinen Platz im 21. Jahrhundert und um seine Vision von der Zukunft des 21. Jahrhunderts. Und diese Zukunft unterscheidet sich gravierend von derjenigen, wie sie Schwab, Soros und die "Demokratische Partei" der USA sehen. Auch aus diesem Grund wird Russland aufmerksam von der ganzen Welt beobachtet, keineswegs beschränkt auf den Westen und dessen Medien, welche im Besitz einer Handvoll internationaler Oligarchen sind.
Russland retourniert die Zukunft an die Welt. Das ist die Hauptessenz des heute Geschehenen. Dabei haben wir in dieser Vision der anderen Zukunft sogar im Europa der EU ernsthafte Verbündete. Das sind zunächst Orbán in Ungarn und Marine Le Pen in Frankreich, welche unverblümt appellierte, dass die heutige Europäische Union ein Ende finden müsse und dass Europa sich aus einer entrechteten Kolonie der Vereinigten Staaten von Amerika in ein Bündnis von Nationalstaaten verwandeln müsse, die alle ihre eigene Souveränität besitzen. Nicht nur um eine neue Welt, sondern auch um ein solches zukünftiges Europa wird heute gekämpft. Der neue Countdown der Geschichte hat begonnen.
Übersetzt aus demRussischen,dieser Artikel erschien zuerst bei VZ.ru.
Wladimir Moshegowwurde im Jahr 1968 in Workuta geboren und absolvierte die Film- und Fernsehakademie in Sankt Petersburg. Er hat Arbeiten zu religiös-philosophischen, kultur- und geschichtsphilosophischen Themen in diversen Verlagshäusern veröffentlicht. Heute schreibt er regelmäßig für das russische publizistische und religiöse Kulturjournal "Kontinent" (Контине́нт), gehört als Experte zum Isborsk-Klub und schreibt eine Kolumne für die sachliche Zeitung Wsgljad. Zu seinen Interessen gehören: Geschichtsphilosophie, Philosophie der Kultur, politische Philosophie.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Weiteres:
Baerbock: Ist sie so oder tut sie nur so?
de.rt.com/meinung, vom 3 Mai 2022 06:45 Uhr, von Dagmar Henn
Die Bundesaußenministerin tut, als könne sie kein Wässerchen trüben und müsse noch unter Welpenschutz gestellt werden. Aber was sie tut, ist brandgefährlich und keinesfalls im Interesse Deutschlands. Annalena Baerbock ist ein Rätsel, das wir uns nicht leisten können.
Zitat: Manchmal fragt man sich, wie und wo so etwas herangezüchtet wird. Insbesondere angesichts des Bundesplappermäulchens. Gibt es eine Richtlinie dafür, Menschen so aufzuziehen, dass sie sich benehmen wie Gestalten aus einer schlechten Seifenoper? Ständig mit dieser billigen Pseudogefühligkeit auf den Lippen, fernab jedes wirklichen Gedankens oder echter Empathie?
Und dann die finstere Kehrseite von Annalena Baerbock, die gerade die Bundesaußenministerin gibt. Die Verantwortung für echten Verrat, handfesten, im Auftrag der USA die deutsche Ökonomie zugrunde zu richten und ganz unauffällig und unausgesprochen unser Land in einen Krieg hineinzuziehen, der ebenfalls nur zum Nutzen einer fremden Macht dient. Das ist kein Pappenstiel, da klebt Blut an den Händen, unterhalb dieses leichtfertigen Lächelns.
Wirkt das auf Männer attraktiv, dieser geistige Hohlraum mit hübschem Gesicht? Ich frage mich das jedes Mal, wenn sie auf dem Bildschirm auftaucht; es gibt ja solche Sprichwörter ... Und dann kommt die Frage, wer das ist, der ihr zuflüstert, was sie sagen soll, der ihr Skript schreibt. Man muss schon sehr an billigste Lügen gewöhnt sein, um das glaubwürdig zu finden. Aber das sind wohl viele.
Wenn man die Bemerkungen auf Twitter liest, die unter ihrem Auftritt bei Anne Willstehen, könnte man an der Menschheit zweifeln. Oder zumindest an den Deutschen. "Eine würdige Außenministerin." "Schade, dass die weiter Scholz duldet." "Sie ist großartig." "Mit Abstand die beste Vertreterin Deutschlands seit 2 Jahrzehnten." Es muss eine gigantische Brutkammer geben, die solche Exemplare ausspuckt.
"Am meisten lässt mich nicht kalt, wenn ich jeden Tag hören muss, und das geht ja uns allen so, dass Frauen vergewaltigt werden, nachdem russische Soldaten ihre Orte eingenommen haben, dass Kinder bewusst erschossen werden, weil sie im Zweifel das Kind einer Bürgermeisterin sind, ..."
So etwas sagt sie. Selbst, wenn das wahr wäre, wäre es nicht die Aufgabe einer Außenministerin, ihre Gefühle zu äußern oder gar das Publikum auf dieser Ebene überzeugen zu wollen. Es wäre ihre Aufgabe, die deutschen Interessen zu vertreten. Und das heißt nicht, ihre persönlichen. Ein Land ist kein Spielzeug, das Mama nachkauft, wenn man es aus Versehen kaputtgemacht hat.
Wie konnte es dazu kommen, dass aus dem Verlangen nach Authentizität, das in den Anfangstagen der Grünen mal populär war und das viel mit der grenzenlosen Verlogenheit der Adenauerzeit zu tun hatte, mit dem "Wir wussten alle nichts", dieses frühpubertierende Betroffenheitsgesülze wurde? Diese Weltsicht auf dem Niveau eines Kindergartenstuhlkreises? Weil Begriffe wie Verantwortung, Rechenschaft, Gewissen alle zögern lassen, Kontrolle verlangen, mit einer glatten, werbewirksamen Oberfläche nicht vereinbar sind? Es hieß damals, das Private sei politisch. Es hieß nicht, das Politische sei privat. Aber was übrig geblieben ist, ist eine Fassade, die Krieg verkauft, als sei er ein Waschmittel.
Verglichen damit war selbst die Kriegsverbrecherin Madeleine Albright noch eine wirklichere Person. Abstoßend in jenem Moment, in dem sie erklärte, es sei eine halbe Million toter irakischer Kinder wert gewesen. Aber wirklich. Baerbock? Die muss jene Szene mit Albright auch kennen. Die Bilder aus all den US-Kriegen gesehen haben. Oder das berühmte Video, für das Julian Assange an die USA ausgeliefert werden soll.
"Und da ist natürlich auf der anderen Seite die Drohung des russischen Präsidenten. Aber wenn wir uns mal ehrlich machen, hat der russische Präsident seit 2014 gedroht."
Nein, 2014 begann die US-amerikanische Drohung gegen Russland. Mit so netten kleinen Ereignissen wie Odessa. Mit dem Krieg im Donbass. Geht es wirklich, das alles nicht zu wissen, auf dieser Position? Oder ist sie schlicht besonders gut darin, alles, was nicht sein darf, vollkommen auszublenden, zu vergessen? Verdrängung ist ein Überlebensmechanismus, der vor allem in traumatischen Situationen ausgeprägt wird. Vielleicht sollte man sich doch näher mit der Familiengeschichte der Frau Baerbock befassen; materielle Not war es nicht, aber eine derart massive Verdrängung fällt nicht vom Himmel, so etwas will geübt sein.
Schon geschickt aufgezogen, diese kurze Erzählung, die sie da aufbaut, Frauen und Kinder als Opfer und dann der Mann Putin als vermeintlicher Täter.
"Ich halte eigentlich nichts davon, vom Westen zu sprechen, sondern die Länder, die an internationales Recht glauben ..."
Oder sie lügt. Länder, die an internationales Recht glauben? Die USA? Das kann doch kein Mensch halbwegs bei Verstand ernsthaft behaupten. Deswegen haben sie doch die Formulierung von "regelbasierter Ordnung" erfunden, um so tun zu können, als halte man sich an irgendein Recht, während man das wirkliche Recht gleichzeitig vollkommen ignoriert. Regeln hat auch die Mafia; nur mit Gesetzen haben sie nicht viel zu tun.
Wenn sie nicht eine geistig überforderte und schwer traumatisierte Person ist, die wie ein dressiertes Äffchen Funktionsfähigkeit simuliert, dann ist sie eine intelligente, aber höchst verlogene Person, die die dumme Unschuld mimt, weil diese Art Projektionsfläche sich in der Politik gut verkauft und man auf diese Weise noch die bösartigsten Absichten hinter einer harmlosen Fassade verbergen kann.
Wie ist das mit diesem Bundestagsbeschluss zu Waffenlieferungen und diesem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes? Vor der Bundestagsdebatte gab es das schon, und es besagt, dass mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten hier in Deutschland die Linie zur Kriegsbeteiligung überschritten wird. Dieses Gutachten hat auch Frau Baerbock vorgelegen. Wäre es nicht ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, genau diesen Punkt in der Debatte klar zu benennen? Wäre es. Stattdessen schwatzt sie etwas über Tierpanzer, als wären deutsche Panzer keine Instrumente zum Töten und deutsche Geschosse nur Schokobomben.
Dabei hat sie offen erklärt, dass ein Ende des Krieges in der Ukraine gar nicht vorgesehen ist. Nicht von ihr und nicht von ihren US-Auftraggebern. Denn eine Möglichkeit zum Frieden sieht diese Dame nur, wenn sich Russland auch von der Krim zurückzöge und die Donbassrepubliken, in denen sie wie ihresgleichen anscheinend keine menschlichen Bewohner mit einem eigenen Wollen und Streben erblickt, ihrem Schicksal überlassen werden. Nachdem diese Voraussetzungen nicht nur der militärischen Lage völlig widersprechen, sondern zugleich mit der Krim Punkte betreffen, in denen Russland gar nicht nachgeben kann, hat sie sich als Anhängerin eines permanenten Krieges geoutet. Frieden ist in ihrem Wortschatz eine Umschreibung für die vollständige Unterwerfung unter die USA.
Da denke ich dann doch wieder an die Variante schwer traumatisiert. Wenn nicht das kleinste bisschen Empathie den eigenen Nachbarn gegenüber vorhanden ist, die hungern und frieren sollen, wenn die grünen Politikpläne umgesetzt werden. Politik macht man ebenso wenig ohne ein Gegenüber, wie man Artikel ohne eines schreibt, selbst wenn es ein imaginiertes ist. Wie sieht es aus, das Gegenüber, das im Denken von Frau Baerbock angesiedelt ist?
Man kann ihre Vorstellungen, wann verhandelt werden könnte, übersetzen in "wenn wir gewonnen haben", und "wir" steht in diesem Fall für die NATO oder die USA, aber nicht für Deutschland. Wenn "wir" gewonnen haben ist aber ein Zustand, der militärisch nicht erreicht werden kann. Auch nicht mit den Sanktionen. Auch nicht mit Waffenlieferungen. Und dann? Immer nur weiter, gibt ja noch Atomwaffen?
"Ich war ja selbst in Moskau, habe mit dem russischen Außenminister gesprochen, über damals, was wir das Minsker Abkommen genannt haben, nämlich einen Teil hatten sie besetzt, darüber zu verhandeln, wie kann denn ein Rückzug aussehen."
Man kann es sehen, das gequält-irritierte Gesicht Sergei Lawrows, wenn man sich diese Szene vorstellt. Baerbock kommt nach Moskau und behauptet ihm gegenüber, in den Minsker Vereinbarungen ginge es um einen Rückzug nicht vorhandener russischer Truppen statt um eine Friedensregelung im Donbass. Zuzutrauen ist ihr das, gibt aber wieder einen Punkt für dumm-verdrängend. So sehr verdrängend, dass der Inhalt eines schriftlich fixierten Abkommens schon in der Sekunde, in der die Lektüre endet, durch eine Fantasie eigener Allmacht ersetzt wird. Oder doch Lüge?
"Wir haben bis zuletzt am Tisch gesessen, und die Antwort von dem russischen Präsidenten waren Bombardierungen."
Es wirkt sicher auch so unschuldig, weil sie formuliert wie eine Dreijährige. Aber kann man ein solches Ausmaß perfider Falschdarstellung tatsächlich unbewusst erzeugen? Der Ablauf war glasklar. Es gab eine deutliche Anforderung Russlands, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen und die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Nach der Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk gab es noch einmal eine Pause, in der es immer noch möglich gewesen wäre, den Kurs zu ändern. Den deutschen zumindest. Allerdings, wenn sie Lawrow gegenüber tatsächlich das gesagt haben sollte, das gesagt zu haben sie im deutschen Fernsehen behauptet, dann hätte ich nach diesem Gespräch jede Bemühung Deutschland betreffend aufgegeben, weil auch da nur noch mit den USA zu verhandeln Sinn macht.
"Ganz, ganz viel humanitäre Hilfe. Plus wir sorgen dafür, dass der internationale Strafgerichtshof diese Verbrechen, die jetzt begangen werden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Beweise sammeln kann, zur Anklage bringen kann, denn das ist die Hauptbotschaft unseres gemeinsamen Handelns, dass wir deutlich machen, wir akzeptieren diesen Völkerrechtsbruch wir akzeptieren dieses Vorgehen, wo ein großer, mächtiger Nachbar einfach seinen kleineren Nachbarn überfallen kann, das akzeptieren wir nicht."
Stimmt, die USA haben Mexiko das letzte Mal 1914 überfallen, all die anderen Länder waren keine Nachbarn. Was soll man zu solchen Aussagen sagen? Ganz, ganz viel humanitäre Hilfe. Soll das wirklich die Sprache einer Vierzigjährigen sein? Dieses emotionalisierte Gestammel, dieses ahistorische Gewäsch?
Vielleicht gibt es gar keine Annalena Baerbock, und das ist ein Hologramm, das eine Werbeagentur im Auftrag von Lockheed Martin entworfen hat und von einem Werbetexter mit Phrasen bestücken lässt. So locker und schaumig geschlagen, die schwimmen sogar in Milch. Ganz entspannt in den Weltkrieg.
"Weil das auch eine Botschaft an die Welt ist, eine Botschaft an andere Aggressoren, an andere Diktatoren dieser Welt ist, dass die Mehrheit auf dieser Erde gemeinsam für Frieden und Freiheit zusammensteht."
Gemeinsam zusammen, das sagt sie öfter. Überhaupt hat das was von "Ich finde, wir sollten gemeinsam zusammen doch echt den Krieg mal total machen, für unsere Werte und so." Man wünscht sich fast die Originalversion, da stimmte wenigstens noch die Grammatik. Und nicht, dass jemand meint, eine US-Sprechpuppe könne nun einmal eher Englisch als Deutsch; das kann sie auch nicht. Oder tut auch da so, als könne sie es nicht.
Jedenfalls ist es unnütz, ihr gegenüber mit der Wirklichkeit zu argumentieren. Denn entweder sie versteht sie nicht, oder sie ist ihr egal. Dass die Soldaten, die auf beiden Seiten sterben, solange die Kämpfe in der Ukraine anhalten, ebenfalls Menschen sind, die das gleiche Mitgefühl verdient haben wie ihre fiktiven Frauen und Kinder, ist ihr definitiv egal. Aber ist uns Deutschen unser Land so egal, dass wir es von Baerbock in den Abgrund reißen lassen?
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
15.11.2022
"Neuer Aktionsplan": Borrell und seine EU wieder voll auf Kriegskurs
Angesichts der Inflationskrise in der EU werden die Stimmen nach einer Friedenslösung für die Ukraine immer lauter. Sogar die USA versuchen neuerdings den Anschein zu erwecken, dass sie an Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau interessiert seien. Im Gegensatz dazu gibt es die offizielle Haltung Brüssels, die offenbar kompromisslos ist.
Zitat: So hat etwa der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Auswärtige Angelegenheiten, Josep Borrell, anlässlich des neuen Aktionsplans zur militärischen Mobilität und eines Vorschlags für eine Cyberverteidigungspolitik der EU am Donnerstag gefordert, die gesamte Straßen- und Eisenbahn-Infrastruktur der Staatengemeinschaft umzurüsten, um den schnellen Transport von Truppen und militärischer Ausrüstung innerhalb Europas zu vereinfachen. Bei der Pressekonferenz zum Aktionsplan, der das bereits vor Monaten von der EU-Kommission vorgelegte "Sicherheits- und Verteidigungspaket" betrifft, sagte Borrell: "Wir müssen unser gesamtes Mobilitätssystem so anpassen, dass unsere Truppen ihre Fähigkeiten schnell entfalten können. Und das ist für unsere Verteidigung von entscheidender Bedeutung: die Fähigkeit, Truppen schnell von einem Teil der EU in einen anderen Teil zu transportieren, hauptsächlich von West nach Ost [...]".
Er wies darauf hin, dass dafür der Bau von Brücken, Tunneln, Straßen- und Eisenbahnstrecken notwendig sei, und fügte hinzu, dass man eine Kraftstoffversorgungskette in Europa gewährleisten und auch ein entsprechendes Logistik-Netzwerk aufbauen müsse, um kurzfristig große Streitkräfte verlegen zu können. Zur Erhöhung der militärischen Mobilität für den schnellen Einsatz von Streitkräften werde die EU auch die Zusammenarbeit mit den Balkan-Staaten, Moldawien und der Ukraine intensivieren, so Borrell.
Borrell wieder auf dem Kriegspfad
Der Aktionismus des EU-Chefdiplomaten mag durchaus überraschen, da er seine Haltung zur Friedenslösung im Ukraine-Konflikt angesichts der Energiekrise vor Kurzem geändert zu haben schien und – unter bestimmten Bedingungen – sogar die Möglichkeit von Friedensgesprächen zwischen den Konfliktparteien in Betracht zog. "Wir von Seiten der EU wollen, dass Verhandlungen stattfinden, je früher, desto besser, aber Verhandlungen geschehen nicht zufällig oder durch Wunder, sondern dann, wenn die Umstände es zulassen und der Wille des Angreifers es zulässt", erklärte Borrell laut dem Portal The Global Frontier im September im Europäischen Parlament.
Nun ist der Außenbeauftragte der EU offenbar wieder auf dem Kriegskurs, den er kurz nach dem Beginn der russischen Militärintervention in der Ukraine eingeschlagen hatte. Zur Erinnerung: Anfang März hat Borrell die Diplomatie aufgekündigt, sich mit dem Aufruf "Euer Kampf ist unser Kampf" auf die Seite Kiews gestellt und damit den Weg der Konfrontation mit Moskau gewählt. "Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen werden […]", hieß es Medien zufolge damals unter anderem in einer seiner Twitter-Meldung.
Borrell lehnte Friedensverhandlungen mit Russland ab und betonte, dass Waffenlieferungen des Westens in die Ukraine notwendig seien, damit der Kampf fortgesetzt werden könne. Er hat zwar explizit darauf hingewiesen, dass die EU keinen Krieg gegen Russland führe, aber wenn ein Land angegriffen werde, so der Politiker, dann müsse man Partei ergreifen und bereit sein, einen Preis dafür zu zahlen.
Verteidigungsmaßnahmen oder Vorbereitung einer Offensive?
In diesem Sinne hat sich die Staatengemeinschaft wegen ihrer antirussischen Sanktionspolitik und der drastischen Reduzierung der Energieimporte aus Russland selbst bislang wirtschaftlich enorm geschadet. Nun geht es jedoch um militärische Aspekte und eine mögliche Eskalation, deren Auswirkungen bislang kaum absehbar sind. Wenn die EU inzwischen nämlich davon spricht, militärische Ausrüstung und Truppen so schnell wie möglich "von West nach Ost" transportieren zu können, dann sind damit bestimmt die Grenzen Russlands und/oder Weißrusslands gemeint. Denn diese beiden ehemaligen Sowjetrepubliken, die heute einen Unionsstaat bilden und eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfolgen, sind die einzigen Länder in Osteuropa, die der "kollektive Westen" als feindlich ansieht.
Die Frage ist, welche Kräfte verlegt werden könnten, und zu welchem Zweck? Geht es um Maßnahmen zur Verteidigung oder ist es eine direkte Vorbereitung auf einen großen Krieg in Europa?
Borrell hatte zwar immer wieder erklärt, dass die EU sich nicht im Krieg mit Russland befinde, aber er betonte auch mehrmals, dass die EU auf der Seite der Ukraine stehe. Im Rahmen des besagten Sicherheits- und Verteidigungspakets der EU solle die Staatengemeinschaft Borrell zufolge zudem enger mit ihren Partnern wie der Ukraine, Moldawien und auch der NATO zusammenarbeiten.
Im Hinblick auf die europäischen Ambitionen in der angestrebten gemeinsamen Verteidigungspolitik ist zu betonen, dass die Ausgaben für Verteidigung EU-weit massiv zunehmen. Vor allem die in Deutschland ausgerufene "Außenpolitische Zeitenwende" bedeutet eine klare geopolitische Verschiebung in der EU-Sicherheitspolitik. Allein die Initiative der Bundesregierung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, verheißt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Entspannung in Osteuropa.
Zudem sollen Brüssel Geheimdienstinformationen vorliegen, wonach die Russen selbst eine Konfrontation mit der EU anstrebten. Wie das Portal EUobserver kürzlich unter Verweis auf den Rat vom Generalsekretariat für Verteidigung und nationale Sicherheit Frankreichs (SGDSN) berichtete, habe Russland einen "unumkehrbaren Weg der Konfrontation mit dem kollektiven Westen eingeschlagen", der in vielen Regionen Europas über einen längeren Zeitraum hinaus stattfinden würde. "Der durch den Krieg eingeführte Bruch und die Irreversibilität der strategischen Entscheidungen Russlands machen es notwendig, eine Konfrontation mit Moskau zu antizipieren", heißt es.
Im Gegensatz zu den europäischen Initiativen im Bereich der Sicherheitspolitik und Rüstung bleibt die EU bei der Diplomatie bislang tatenlos. Es gibt keine Vorstöße von Seiten der Europäer, Russland und die Ukraine zu Verhandlungen zu bewegen, und daher ist von einer weiteren Eskalation auszugehen.
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Der Untergang des Abendlandes: Oswald Spengler in der heutigen Welt
meinungsfreiheit.rtde.life, vom 13 Nov. 2022 17:38 Uhr
Zeitlosigkeit des Denkens und Sehens in der Weltpolitik ist ein seltenes Zeichen von Größe. Oswald Spenglers "Der Untergang des Abendlandes", geschrieben vor genau einem Jahrhundert, verdient dieses Prädikat. Das Werk liest sich, als wäre es gestern entstanden.
Von Oscar Silva-Valladares
Der deutsche Geschichtsphilosoph Oswald Spengler schrieb 1922, dass sich die jahrhundertealte westeuropäisch-amerikanische Zivilisation in allen Erscheinungsformen des Lebens einschließlich Religion, Kunst, Politik, sozialem Leben, Wirtschaft und Wissenschaft in einem permanenten und unwiederbringlichen Niedergang befindet. Für ihn zeigte sich die politische, soziale und ideologische Dimension dieses Niedergangs im Versagen der westlichen politischen Klasse auf beiden Seiten des Atlantiks.
Er sah Politiker, die meist in Großstädten lebten, verzehrt von Ideologie und Verachtung gegenüber stillen Mehrheiten und beschrieb sie als "eine neue Art von Nomaden, die instabil in fließenden Massen zusammenschlüpfen, der parasitäre Stadtbewohner, traditionslos, völlig sachlich, religionslos, klug, unfruchtbar und zutiefst verachtend gegenüber dem Landsmann". Heutzutage entspricht die in Brüssel ansässige Führung der EU durch ihre wiederkehrende Verachtung für die nationale Souveränität dieser Definition voll und ganz.
Spengler glaubte, dass Dekadenz in der Politik die Vorherrschaft der Ideologie über das Handeln bedeutet. "Männer der Theorie begehen einen großen Fehler, wenn sie glauben, dass ihr Platz an der Spitze und nicht im Zug großer Ereignisse liegt", schrieb er, ohne zu wissen, wie wahr dies heute ist. Gerade sahen wir den Sturz der britischen Premierministerin Liz Truss, die die Wirtschaft auf dem Altar der Ideologie opferte.
Das Dogma, das den sozialen Zusammenhalt und den Wohlstand zerstört, ist auch bei der Zerstörung der Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes in Europa präsent, wenn Politiker billige russische Energie gewaltsam verweigern oder wenn das zwergenhafte Litauen einen Kampf mit China zur Verteidigung der "Souveränität" Taiwans aufnimmt. Angesichts dieser Ereignisse hätte der deutsche Denker seine Behauptung wiederholt, dass "der politische Doktrinär immer weiß, was getan werden muss; trotzdem ist seine Tätigkeit, wenn sie sich einmal nicht auf das Papier beschränkt, die erfolgloseste und damit die wertloseste in der Geschichte".
Wenn wir dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck oder seiner Kollegin im Außenamt Annalena Baerbock zuhören, die über das Primat der grünen Agenda dozieren oder darüber, wie die militärische Unterstützung der Ukraine fortgesetzt werden muss, unabhängig davon, was die Wähler denken, können wir nicht umhin, uns an die vernichtende Frage des Schriftstellers zu erinnern:
"Ich frage mich, wenn ich das Buch eines modernen Denkers zur Hand nehme, was er vom Tatsächlichen der Weltpolitik, von den großen Problemen der Weltstädte, des Kapitalismus, der Zukunft des Staates, des Verhältnisses der Technik zum Ausgang der Zivilisation, des Russentums, der Wissenschaft überhaupt ahnt."
Die "regelbasierte internationale Ordnung", jenes westliche Axiom, das aus der Euphorie nach dem Kalten Krieg entstand und zur Rechtfertigung der US-Hegemonie verwendet wurde, erinnert uns an den Aphorismus des Schriftstellers, dass nichts einfacher sei, "als an Stelle von Gedanken, die man nicht hat, ein System zu begründen". "Aber selbst ein guter Gedanke ist wenig Wert, wenn er von einem Flachkopf ausgesprochen wird", kommt einem in den Sinn, wenn wir die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen oder den EU-Außenminister Josep Borrell das immer gleiche Mantra wiederholen hören. "Allein die Notwendigkeit für das Leben entscheidet über den Rang einer Lehre", etwas, das vergessen wurde, da Europa den USA in einem Wirtschaftskrieg, der den Kontinent ruiniert, blind folgt.
In Bezug auf die Konfrontation des Westens mit China hob Spengler das traditionelle Unverständnis westlicher Politiker für die Protagonisten des chinesischen Denkens hervor, die mit einem 4.000-jährigen Blick auf die Geschichte ihren Platz in der Welt verorten, verglichen mit dem westlichen engen Zeitrahmen, der von den Ereignissen seit 1500 geprägt ist. Diese in sich geschlossene westliche Wahrnehmung der Geschichte negiert die Weltgeschichte, sagt er und fügt hinzu, dass die Weltgeschichte in den Augen des Westens unser Weltbild ist und nicht das der gesamten Menschheit.
Der amerikanische Exzeptionalismus, die gefährliche Vorstellung, dass die Werte, das politische System und die Geschichte der USA dazu bestimmt sind, die führende Rolle der Welt zu spielen, wird infrage gestellt, wenn er darauf hinweist, dass es so viele Moralvorstellungen wie Kulturen gibt, nicht mehr und nicht weniger, und dass jede Kultur ihren eigenen Standard besitzt, dessen Gültigkeit damit beginnt und endet. Eine Aussage, die die Notwendigkeit einer multipolaren Welt erklärt.
Sosehr es politisch korrekt geworden ist, Nietzsches Ideen nach seiner Vereinnahmung durch die Nazi-Ideologie zu kritisieren, bekräftigte Spengler, dass Nietzsches Grundkonzept des Willens der Macht für die westliche Zivilisation wesentlich ist, was im Einklang mit dem westlichen Glauben an die Überlegenheit seiner Werte und der Notwendigkeit steht, sie anderen Kulturen aufzuzwingen:
"Der westeuropäische Mensch steht hier unter dem Einfluss einer ungeheuren optischen Täuschung, jeder ohne Ausnahme. Alle fordern etwas von den andern. Ein 'du sollst' wird ausgesprochen in der Überzeugung, dass hier wirklich etwas in einheitlichem Sinn verändert, gestaltet, geordnet werden könne und müsse. Der Glaube daran und an das Recht dazu unerschütterlich."
Geld, Politik und Presse spielten in der westlichen Zivilisation eine zentrale Rolle, erklärt Spengler. In der Politik "nährt" Geld den demokratischen Prozess, insbesondere bei Wahlen, wie es in den USA immer wieder der Fall ist. Die Presse dient dem, dem sie gehört, und sie verbreitet keine "freie" Meinung – sie erzeugt sie. "Was ist Wahrheit? Für die Menge das, was man ständig liest und hört."
Was die Pressefreiheit betrifft, so werden wir daran erinnert, dass jedem erlaubt ist zu sagen, was er oder sie will. Aber die Presse ist frei, dies zur Kenntnis zu nehmen oder nicht. Die Presse kann jede "Wahrheit" zum Tode verurteilen, indem sie jegliche Kommunikation darüber unterlässt – "eine furchtbare Zensur des Schweigens, die umso allmächtiger ist, als die Sklavenmasse der Zeitungsleser ihr Vorhandensein gar nicht bemerkt".
Auffällige Parallelen bestehen zwischen der heutigen Armut in US-Städten und Spenglers Beobachtung des alten Roms zur Zeit des Crassus, der als Immobilienspekulant auch an Donald Trump erinnert. Das römische Volk wird als "in entsetzlichem Elend in den vielschichtigen Herbergen dunkler Vororte" dargestellt, ein Unglück, das direkt mit den Folgen des römischen Militärexpansionismus zusammenhängt und auf die aktuellen Zustände in Detroit, Cleveland oder Newark hindeutet.
"Der Untergang des Abendlandes" wurde früher als Epilog des Ersten Weltkriegs gelesen, des Krieges, der alle Kriege beendete. Hoffentlich wird es in der heutigen Welt nicht als der Beginn neuen Unglücks gelesen.
Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache beim RonPaul Institute.
Oscar Silva-Valladares ist ein ehemaliger Investmentbanker, der in Nord- und Lateinamerika, West- und Osteuropa, Saudi-Arabien, Japan, den Philippinen und Westafrika gelebt und gearbeitet hat. Derzeit bietet er strategische Beratung in Finanzfragen in Schwellenländern an.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
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Dunkle Nacht über dem untergegangenen Europa
meinungsfreiheit.rtde.life, vom 21 Mai 2022 22:28 Uhr, von Dmitri Lekuch
Anders als viele denken, ist die unübersehbare Wirtschaftskrise in Europa und den USA nicht die Folge des Ukraine-Konfliktes. Sie ist systemischer Natur und wird ohne Umdenken im Westen nicht mehr aufzuhalten sein. Der Krieg in der Ukraine ist da nur ein Symptom, sagt unser Autor.
Zitat: Nach Angaben der American Nonprofit Automobile Association, einer Organisation, die die Kraftstoffpreise in den USA überwacht, sind die Benzinpreise in der "Hochburg der Demokratie" am Samstag erneut gestiegen – übrigens zum vierten Mal in dieser Woche! – und erreichten ein weiteres neues Allzeithoch. Und das, obwohl die lokalen Behörden angesichts der bevorstehenden Zwischenwahlen im Herbst alles daransetzten, die Entwicklung einzudämmen, die nicht unter Kontrolle zu sein scheint.
Wie der Verband mitteilte, stieg der Preis für eine Gallone Benzin (3,785 Liter, die Kosten werden nach "Regular" berechnet, was in etwa [der Oktanzahl] OZ-92 in Russland entspricht) im Landesdurchschnitt auf 4,452 Dollar (das "Premium" in Kalifornien auf bis zu 5,926 Dollar). Dieselkraftstoff stieg auf 5,565 Dollar. Nur zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum des letzten Jahres lagen die Preise bei 3,039 Dollar bzw. 3,160 Dollar. Und glauben Sie mir, sogar die russischen Autofahrer, die sich mittlerweile an alles in der Welt gewöhnt haben, wären davon rein theoretisch ziemlich beeindruckt – zu ihrem Glück beobachten sie das Geschehen aus sicherer Distanz.
Nun stellen Sie sich einmal vor, wie beeindruckt nicht nur die radikalen Wähler des abgewählten Republikaners Donald Trump in den nunmehr in jeder Hinsicht demokratischen USA sind, sondern auch normale Steuerzahler.
Obamas Glühlampen und Putins Preise - Die einfache Welt der Propaganda
Dabei bezeichnet die amtierende US-Regierung den Anstieg der Treibstoffpreise natürlich als "Putins Preisanstieg": Hier sollten diejenigen, denen einst "Obama die Glühbirnen in den Hauseingängen klaute" (die vom Verfasser angesprochenen russischen Journalisten äußerten sich auf diese Weise ironisch, wenn die russische Regierung wirtschaftliche Probleme mit dem Einfluss der USA erklärte, Anm. d. Red.), besonders die subtile Ironie ihres derzeitigen Arbeitgebers in Übersee schätzen. Und selbstverständlich erklärt sie die Folgen der weltweiten Beschränkungen für den Kauf von russischem Erdöl im Rahmen der Sanktionen für Russlands Militäroperation in der Ukraine, die von niemandem abhängig ist, sondern von den USA und der Familie Biden persönlich kontrolliert wird.
Dass die Treibstoffpreise in den USA lange vor der militärischen Sonderoperation Russlands steil gestiegen sind, sodass sogar die strategischen Ölreserven freigegeben werden mussten, macht das Weiße Haus keine Sekunde verlegen.
Putin lässt die Preise steigen. Der kann sowas. Putin kann praktisch alles ...
In Wirklichkeit hat der Anstieg der Treibstoffpreise in Amerika (seien wir nicht so übermütig anzunehmen, wir könnten wirklich "die ganze Welt in Schutt und Asche legen") nur sehr wenig mit der russischen Sonderoperation in der Ukraine und den darauf folgenden harten Restriktionen des Westens zu tun.
Sie sind nicht einmal ein Auslöser, sondern lediglich ein Katalysator des Prozesses, aber gewiss nicht die eigentliche Ursache des nahenden überaus realen Unglücks. Mehr noch: Die ukrainische politisch-militärische Krise ist ihrerseits bereits Folge der heranrückenden systemischen Katastrophe des angelsächsischen Wirtschaftsmodells und Folge des unklugen (angelsächsischen) Versuchs, ihre Auswirkungen durch Plünderung der kontinentaleuropäischen Volkswirtschaften abzumildern.
Und nicht umgekehrt.
Europäische Preise in den USA?
Versuchen wir nun, das zu klären.
Der britische Economist berichtete in der vergangenen Woche, dass die westlichen Sanktionen – natürlich sehr zum Leidwesen des Magazins – keine Auswirkungen auf die Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland in andere Länder haben. Und das US-Embargo gegen russisches Erdöl kann rein rechnerisch einen solchen Anstieg der Benzin- und Dieselpreise in den USA nicht verursacht haben.
Nein, eine gewisse Volatilität an den Märkten mag natürlich die Folge gewesen sein, doch nicht um durchschnittlich 0,15 Dollar pro Woche in einem riesigen und immer noch ungeheuer reichen und äußerlich recht mächtigen Land.
Nur zur Erinnerung: Als der amtierende US-Präsident Joe Biden sein Amt antrat und dem amerikanischen Volk die Treue schwor, kostete das Benzin im Lande etwa 2,50 Dollar pro Gallone. Bereits im Januar 2022 kostete sie etwa 3,34 Dollar, und derzeit – wir erinnern uns – liegt sie bei 4,452 Dollar. Diese Dynamik ist beeindruckend, und bestimmt ist nicht Putin mit seinem Sondereinsatz daran schuld. Es passt schlicht in der zeitlichen Abfolge nicht, wie der Leser unschwer erkennen kann.
Hinzu kommt, dass die USA in diesem Fall noch lange nicht am Härtesten getroffen wurden.
Im verbündeten Deutschland beispielsweise könnte man die Amerikaner (selbst die Bewohner des sonnigen Kaliforniens) nur beneiden: Dort kostet das Benzin im Durchschnitt bereits 2,10 bis 2,15 Euro pro Liter, nicht pro riesige überseeische Gallone. Die Gallone Benzin kostet den Deutschen etwa 8 Euro und ist damit fast doppelt (!) so teuer wie in Amerika. Und noch hat Europa nicht einmal das Erdölembargo eingeführt. Man streitet sich gerade darüber. Ursula von der Leyen bricht fast in Hysterie aus, macht ständig neue Versprechungen, aber in der Praxis, rein technisch gesehen, ist das Embargo noch nicht eingeführt.
Aber dessen (des Embargos) erschütternde Wirkung spürt man bereits.
Im Übrigen erinnern wir unser geschätztes Publikum in aller Bescheidenheit an eine unbestreitbare Wahrheit: Benzin und Diesel sind nicht nur der Treibstoff, mit dem das geschätzte Publikum den Tank seines PKW befüllt. Benzin und Diesel - das ist auch der Treibstoff für Lastkraftwagen, unentbehrlich für Transportleistungen im Straßenverkehr, so dass sich der Erdölpreis unweigerlich in den Preisen für alles, auch für Lebensmittel, niederschlägt.
Und da haben wir die Auswirkungen auf die laufenden Kosten der Landwirte noch nicht erwähnt.
Man stelle sich vor, wie amerikanische Lkw-Fahrer auf eine mögliche "Angleichung" der Preise in den USA an die europäischen reagieren werden. Was sollen sie mit einem Benzin zu einem Preis von etwa 8 Dollar für die Gallone anfangen?
Wenn das nur die Trucker wären!
Die Krise ist systemisch
Nicht ohne Grund sagt der Chef der US-amerikanischen Öl- und Gasvereinigung, Tim Stewart, auf Fox News, dass die Energiekrise, die sein Land derzeit durchlebt, die schwierigste seit einem halben Jahrhundert sein könnte. Man bedenke das einen Moment lang. Und dass, wir zitieren, "die Diesel- und Benzinpreise auf einem Rekordhoch und die Vorräte auf einem Rekordtief sind". Doch das Erschreckende ist nicht einmal das, das Erschreckende ist, dass die Tendenz zu einer systemischen Krise praktisch für jeden offensichtlich ist. Übrigens für die gesamte "westliche Welt", und an vorderster Front des Preiswachstums stehen ganz gewiss nicht die USA.
Doch die USA werden beim Preiswachstum aufholen, ohne Zweifel, dafür sind "Börse und die Marktmechanismen" Gewähr.
Und hier wäre der Zeitpunkt, einen Gang zurückzuschalten (von dieser Notwendigkeit sprechen renommierte Experten, selbst Janet Yellen, die Hauptfigur der westlichen Finanzwelt und US-Finanzministerin). Hier wäre der Zeitpunkt, außerordentliche, weltweit konsolidierte Maßnahmen der Krisenbekämpfung in Betracht zu ziehen, wenigstens in den Bereichen Energie und Lebensmittel. Sonst ist im Rahmen des westlichen Wirtschaftsmodells eine globale Katastrophe nahezu unausweichlich.
Doch entgegen dem elementarsten Selbsterhaltungstrieb machen sie weiter so wie bisher: Nutzen die finanziellen Turbulenzen im Devisenhandel und den "Ukraine-Krieg", der für sie nicht weniger virtuell ist, weiterhin zum Geld "machen".
Für einen außenstehenden qualifizierten Beobachter mit gesundem Menschenverstand wird es – offen gesagt – von Monat zu Monat schwieriger zu verstehen, was in diesem Sektor vor sich geht.
Die Nacht über dem untergegangenen Europa
Außer vielleicht auf der Ebene einer Fabel, die sich in ein Gleichnis wandelt.
Wir saßen neulich mit ein paar Kumpels zusammen, tranken unpatriotisch englisches Bier und unterhielten uns über die moderne westeuropäische Literatur – da tauchen jetzt einige sehr interessante Namen auf.
Wir diskutierten insbesondere darüber, wie ein parasitärer Teil der Kultur gerade im Untergang der Staatlichkeit aufblüht: das Russische Imperium, das Silberne Zeitalter, Kokain, das ganze, entschuldigen Sie, Treiben. Dabei wurde selbstverständlich der ehrwürdige Oswald Spengler erwähnt und sein inzwischen zum Klassiker erhobener "Untergang des Abendlandes" (im Russischen als der "Sonnenuntergang Europas" bekannt, Anm. d. Red.).Und plötzlich stellten wir mit Schrecken fest, dass es ist nicht einmal mehr ein Sonnenuntergang ist: Entschuldigt, Freunde, bei euch ist die Dämmerung längst vorbei, und die Nacht macht sich breit.
Und das nicht nur in der Wirtschaft.
Die blutige Zirkus-Show der Vampire auf dem Territorium der einst blühenden Sowjetrepublik Ukraine ist übrigens nur ein dokumentarischer und unbarmherziger Beweis dafür. Nicht ein Auslöser, geschweige denn eine Ursache eurer systemischen Wirtschaftskrise.
Bei Tageslicht hätte dieses bösartige Geschlecht nicht einmal gewagt, den Kopf zu erheben.
Dmitri Lekuch ist ein russischer Unternehmer (Werbeindustrie), Prosaautor, Publizist und Journalist sowie politischer Beobachter bei RIA Nowosti. Er erforscht zudem das Phänomen der osteuropäischen Fußballfan- und Hooliganbewegungen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
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Dugin sieht Ursache der Misserfolge in der "herrschenden Klasse" und die Welt vor der Apokalypse
Der russische Philosoph Alexander Dugin hatte sich am Donnerstag kritisch über den Verlust von Cherson geäußert. Westliche Medien sahen darin eine an Wladimir Putin gerichtete Rücktrittsforderung. Am Sonnabend widersprach der Philosoph dieser Darstellung und stellte klar, worin er die Ursache der Misserfolge sieht.
Zitat: Der Philosoph und Publizist Alexander Dugin hat in einer Serie von Publikationen in den sozialen Netzwerken die Entscheidung zur Räumung von Cherson und den Rückzug der russischen Armee auf das linke Dnjepr-Ufer als Niederlage bezeichnet, die ohne entschiedene und schnelle Kurskorrektur ohne weitere Zwischenschritte zu einem "nuklearen Armageddon" führen werde.
Am Donnerstag schrieb er auf seinem Telegram-Kanal und in anderen sozialen Netzwerken:
"Cherson ist aufgegeben worden. Eine russische Stadt, die Hauptstadt einer der Regionen Russlands – wie Belgorod, Kursk, Donezk oder Simferopol – wurde aufgegeben. Wenn es Sie nicht interessiert, sind Sie kein Russe. Die Russen beißen nun vor Schmerz die Zähne zusammen, weinen und leiden, als hätte man ihnen das Herz herausgerissen und ihre Kinder, Brüder, Mütter und Frauen vor ihren Augen ermordet. Wenn Sie jetzt keine Schmerzen haben, sind Sie ein Nichts."
Die Verantwortung dafür sieht Dugin bei der Staatsmacht. Russland sei eine Autokratie, in der das Volk den Präsidenten mit "absoluter und umfassender Macht" ausgestattet habe. Diese "absoluten" Befugnisse brächten auch "absolute" Verantwortung mit sich. Autokratie bedeute, ergänzte er, "die Fülle der Macht im Erfolg, aber auch die Fülle der Verantwortung im Misserfolg".
Da viele, insbesondere im Westen, dies als einen direkten Angriff Dugins auf der russischen Präsidenten Wladimir Putin betrachtet hatten und insbesondere die britische Presse darüber mit Schadenfreude berichtet hatte, konkretisierte der Philosoph am nächsten Tag in einem weiteren Text, was er meint und was er vom "obersten Machthaber" in der gegebenen Situation erwartet. So hatte beispielsweise der britische Mirror mit Bezug auf Dugin am Freitag berichtet, "eine der russischen Schlüsselfiguren", gar "Putins Hirn" persönlich, habe "nach der demütigenden Niederlage Moskaus in Cherson" den Sturz von Präsident Putin gefordert. Er habe gar "angedeutet, dass er (Putin) getötet werden sollte".
Der Präsident, schrieb Dugin am Sonnabend, trete für den Sieg ein. Er habe die militärische Spezialoperation begonnen, also habe er den Weg zum Sieg beschritten. Auch das Volk trete für den Sieg ein, es unterstütze den Präsidenten und die Spezialoperation.
Das Problem liege in der "herrschenden Klasse", die zwischen dem Volk und dem Präsidenten agiere und die direkte Verbindung der zwei Pole verhindere:
"Zwischen dem Präsidenten und dem Volk, den beiden Polen des Sieges, steht die herrschende Klasse. Diese befindet sich jetzt im Wandel. Es gibt diejenigen, die für den Sieg und damit für den Präsidenten und für das Volk, für die russische Idee sind. Und es gibt diejenigen, die 'nicht wirklich' dafür sind. Diejenigen, die 'total gegen den Sieg' sind, fliehen und wechseln auf die Seite des Feindes. Das Problem ist der Teil der Elite, der 'nicht ganz dabei' ist. Dieser ist ein Hindernis für die Etablierung der (russischen) Ideologie und verhindert so, dass unsere Geschichte die letzte Ressource des Sieges freisetzt – die russische Idee. Nach ihr bleibt nur noch die Apokalypse."
Die Reaktion der "Eliten" auf den Verlust von Cherson beschreibt Dugin als "völlig inadäquat":
"Der Verlust von Cherson ist ein Schmerz für das Volk und ein Schmerz für den Präsidenten. Für den Teil der Elite, der sich nicht mit dem Sieg identifiziert, ist er alles Mögliche, nur nicht schmerzhaft. Daher die inadäquate Reaktion – Hysterie, Schweigen, der Versuch, die Leere mit langweiligen Unterhaltungen zu füllen. Wie können wir vulgäre Pop-Wettbewerbe veranstalten, wenn der Feind in eine russische Stadt einmarschiert ist, aus der wir uns zurückziehen mussten? Wenn in Friedenszeiten ein paar Menschen bei einem Unfall ums Leben kommen, rufen wir Trauer aus und sagen Veranstaltungen ab. Und hier wird eine ganze russische Stadt von einem rücksichtslosen Feind überfallen, der bereits mit dem Völkermord an der restlichen Bevölkerung beginnt. Nur Lieder aus Kriegszeiten sind einer solchen Situation angemessen."
Der Sieg rutsche auf einer solchen Machtelite aus, stolpere über sie. In dem Bestreben, nur sich selbst zu erhalten, schiebt diese Elite die unvermeidlichen und notwendigen Schritte zur sofortigen Umgestaltung der Gesellschaft auf, schreibt Dugin weiter.
Die Kapitulationsbedingungen, die ein siegreicher Westen, der von Dugin als "Zivilisation des Satans" bezeichnet wird, Russland stellen würde und bereits stellt, seien für Moskau nicht annehmbar. Es bliebe im Fall einer Niederlage somit nur der Einsatz von Atomwaffen, das nukleare "Armageddon".
Den einzigen noch verbliebenen Ausweg sieht der Philosoph im "sofortiger Übergang von einer souveränen Diktatur zu einer Diktatur der Kommissare", worunter er die "Einführung der Ideologie" versteht. Putin hätte das mit seiner Waldai-Rede fast getan, "aber nur fast". PR und Polittechnologien helfen nicht mehr, heute spreche die Geschichte. Die letzte Ressource sei die Ideologie, und zwar "eine echte, kein Surrogat".
Was Dugin selbst darunter versteht, formuliert er so:
"Die russische Idee. Nur sie. Es ist dumm, die totale Vernichtung der Menschheit hinzunehmen, nur weil man Angst vor der russischen Idee, vor unserer Ideologie hat. Es gibt keinen anderen Weg. (...) Der Krieg muss in seiner Gesamtheit ein Krieg des Volkes werden. Aber genauso muss der Staat ein Staat des Volkes, des russischen Volkes werden. Und nicht so bleiben, wie er jetzt ist."
Am späten Sonnabendnachmittag widersprach Dugin nochmals ausdrücklich der Darstellung, er oder andere Patrioten hätten sich von Putin abgewandt und forderten seinen Rücktritt:
"Der Westen und das (ukrainische) Zentrum für informationelle und psychologische Spezialoperationen (ZIPSO) haben damit begonnen, Fake News zu verbreiten, dass ich und die russischen Patrioten sich nach der Kapitulation von Cherson gegen Putin gewandt und angeblich seinen Abgang gefordert hätten. Das kommt nirgendwoher, und sie berufen sich auf eine angeblich gelöschte Nachricht von mir. Es ist klar, dass das niemand glauben wird. Aber nur für den Fall: Niemand hat sich von Putin abgewandt, ich und alle russischen Patrioten unterstützen ihn bedingungslos.
Der Schmerz über den Verlust von Cherson ist die eine Sache. Die Haltung gegenüber dem Oberbefehlshaber ist eine andere. Wir sind Putin gegenüber loyal und stehen bis zum Ende für die militärische Spezialoperation und für Russland ein.
Der Westen, der Russland zu sehr unter Druck setzt, versteht jedoch nicht, dass Russland und Putin unter keinen Umständen kapitulieren werden. Der nächste Schritt kann nur der Einsatz thermonuklearer Waffen sein. Der Präsident hat sich klar ausgedrückt: Wir werden nicht kapitulieren. Russland in die Enge zu treiben, ist selbstmörderisch für den Westen und die Menschheit."
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
15.11.2022
Europas Standards Die Kritik an den doppelten Standards Europas bzw. des Westens nimmt weltweit zu – aktuell vor allem mit Blick auf die Klimapolitik und auf den Ukraine-Krieg.
german-foreign-policy.com, 15. November 2022
BERLIN/KAMPALA (Eigener Bericht) – Vor dem Hintergrund der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh nimmt die Kritik an den doppelten Standards der westlichen Mächte – auch Deutschlands – weltweit zu. Es gehe nicht an, dass die europäischen Staaten Vorhaben zur Öl- und Gasförderung in Afrika ablehnten, sofern diese wie etwa in der Demokratischen Republik Kongo der Deckung des afrikanischen Eigenbedarfs dienten, dass sie parallel aber gleichartige Vorhaben unterstützten, wenn sie wie etwa im Senegal Europa versorgten, heißt es in einem aktuellen Namensartikel von Yoweri Museveni, dem Präsidenten Ugandas: „Wir werden nicht eine Regel für sie, eine andere aber für uns akzeptieren.“ Identische Kritik an europäischen Versuchen, den Ländern Afrikas eine Abkehr von Öl und Gas zu diktieren, zugleich aber selbst die Nutzung von Kohle als Energieträger wieder zu intensivieren – etwa in Deutschland –, wird schon seit Monaten laut. Zudem wächst die Verachtung dafür, dass der Westen von der Welt Unterstützung im Ukraine-Krieg fordert, zugleich aber Kriege, die seine Interessen nicht tangieren, ignoriert und Flüchtlinge, wenn sie nicht aus der Ukraine kommen, an den EU-Außengrenzen ertrinken oder erfrieren lässt.
Zitat: Von Recht und Macht
Die Kritik an den doppelten Standards der westlichen Mächte – an sich so alt wie die globale westliche Dominanz – flammt seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs verstärkt auf. Ursache ist, dass die doppelten Standards diesmal allzu grell hervortreten. So kontrastiert die im Westen verbreitete demonstrative Empörung über die Kriegsopfer in der Ukraine scharf mit der ebenso verbreiteten Ignoranz gegenüber Kriegsopfern etwa in afrikanischen Ländern. Denis Mukwege, Friedensnobelpreisträger aus der Demokratischen Republik Kongo, wies im Juni darauf hin, dass der Westen „Milliarden in die Ukraine pumpt“, während er „vor dem Leiden anderswo die Augen verschließt“.[1] Grotesk ist die am Sonntag geäußerte Forderung von Bundeskanzler Olaf Scholz, in der internationalen Politik müsse „das Recht vor der Macht gehen“ [2]; Scholz will dies auf Russlands Überfall auf die Ukraine angewandt wissen, nicht aber auf den NATO-Überfall auf Jugoslawien, den US-Überfall auf den Irak und den britisch-französischen Krieg gegen Libyen, der zu einem NATO-Krieg ausgeweitet wurde. Bitter ist in zahlreichen Ländern Afrikas und Asiens registriert worden, dass in Europa Flüchtlinge aus der Ukraine willkommen geheißen werden, während nichtweiße Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken oder an den EU-Außengrenzen Polens und der baltischen Staaten erfrieren.[3]
Erdgas aus Afrika
Seit dem Frühjahr kommt wachsender Unmut über die doppelten Standards insbesondere europäischer Länder in Sachen Klimaschutz hinzu. Erst im vergangenen Jahr hatten mehrere wohlhabende Industriestaaten angekündigt, ab spätestens 2023 keinerlei Projekte zur Öl- und Gasförderung im Ausland mehr zu finanzieren. Auf dem afrikanischen Kontinent, wo bis heute rund 600 Millionen Menschen nicht über Strom verfügen, rief dies Unmut hervor: Dort gilt der Sprung unmittelbar hin zur Versorgung mit erneuerbaren Energien als unrealistisch und vor allem nicht finanzierbar. Seit die Staaten Europas jedoch alles daran setzen, keinerlei russisches Erdgas mehr zu nutzen – aus politischen Gründen, es geht darum, Russland zu „ruinieren“ (Annalena Baerbock) –, stehen sie Schlange, um Zugriff auf afrikanisches Erdgas für den europäischen Bedarf zu erhalten. Von der Verzichtsankündigung des vergangenen Jahres ist keine Rede mehr (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Die Bundesregierung etwa unterstützt die Förderung von Erdgas vor der Küste des Senegal, um einen Teil der dortigen Vorräte zu erhalten. Italien wiederum hat in den vergangenen Monaten gleich sechs Liefervereinbarungen mit afrikanischen Staaten geschlossen. Zu den Staaten, die Europa beliefern sollen, gehört Mosambik; von dort ist soeben der erste Flüssiggastanker aufgebrochen.[5]
Berggorillas vs. Hunger
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die europäischen Staaten umstandslos selbst herausnehmen, was sie anderen zu untersagen suchen, lassen sich die Länder Afrikas immer weniger von neuen fossilen Fördervorhaben abbringen. Ein Beispiel bietet die Demokratische Republik Kongo. Dort hat die Regierung im Juli angekündigt, Lizenzen zur Exploration von Öl und Gas im Kongobecken zu vergeben.[6] Das Vorhaben droht klimapolitisch fatale Folgen mit sich zu bringen: Im Kongobecken liegen Torfmoore, die so viel Kohlenstoff speichern, wie zur Zeit in den globalen Emissionen aus fossilen Brennstoffen über drei Jahre enthalten ist.[7] Die Regierung des Kongo weist allerdings darauf hin, dass jeder ihrer Bürger durchschnittlich so viel Kohlendioxidemissionen im Jahr verursacht wie ein Brite in zwei Tagen – und dass die wohlhabenden Industriestaaten es bis heute versäumen, dem Land zum Ausgleich für einen Verzicht auf die Ölförderung finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.[8] Die in Europa äußerst populäre Argumentation, die Öl- und Gasförderung im Kongobecken müsse dringend unterbleiben, da durch sie einmalige Berggorilla-Populationen gefährdet würden, stößt in dem Land, in dem 60 Millionen Menschen – annähernd zwei Drittel der Bevölkerung – keine 2,15 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben, nicht wirklich auf Verständnis.
„Moralischer Bankrott“
Aktuell entzündet sich die Kritik an den doppelten Standards vor dem Hintergrund der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh. So heißt es etwa in einem Namensbeitrag, den Ugandas Präsident Yoweri Museveni in der vergangenen Woche in dem US-Magazin Newsweek veröffentlicht hat, es könne nicht angehen, dass die Staaten Europas weiter Stimmung gegen Öl- und Gasförderung in Afrika machten, wenn sie – wie im Kongo – dem Eigenbedarf des Kontinents diene, sie aber bejubelten, wenn aus den afrikanischen Quellen die einstigen Kolonialmächte bedient würden. „Wir werden nicht eine Regel für sie, eine andere aber für uns akzeptieren“, schreibt Museveni; es sei ein „moralischer Bankrott“ für die Europäer, wenn sie wirklich erwarteten, „Afrikas fossile Brennstoffe für ihre eigene Energieerzeugung zu nutzen“, ohne zugleich zu billigen, dass die afrikanischen Staaten sie ihrerseits für ihren Bedarf verwendeten.[9] Museveni erinnert zudem an einen aktuellen Fall, der Deutschland mittlerweile zum Gespött der globalen Öffentlichkeit macht: daran, dass die Bundesrepublik zur Zeit Windräder abreißen lässt, um den Abbau von Braunkohle bei dem Ort Lützerath voranzutreiben.[10] Das sei exakt „der verwerfliche doppelte Standard, den zu erwarten wir in Afrika inzwischen gewohnt sind“, schreibt Museveni.
„Inakzeptabel“
Ugandas Präsident weist zudem darauf hin, dass 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wohl ausreichen würden, um in den Staaten Afrikas bis zum Jahr 2030 gut 600 Millionen Menschen aus der Energiearmut zu befreien – „weniger als das, was im Westen in sechs Monaten für Waffen für den Ukraine-Konflikt ausgegeben wurde“.[11] Fast zur gleichen Zeit hat Sri Lankas Präsident Ranil Wickremesinghe darauf hingewiesen, die Regierungen des Westens seien binnen kürzester Zeit in der Lage gewesen, hohe Milliardensummen für den Ukraine-Krieg zu mobilisieren; für den Kampf gegen den Klimawandel aber stellten sie keine entsprechenden Summen bereit. Wickremesinghe urteilt: „Doppelte Standards sind inakzeptabel“.[12]
[1] Barbara Moens: Nobel laureate Mukwege: Ukraine war shows West’s double standards. politico.eu 13.06.2022.
[2] Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz zum Besuch des Bundeskanzlers in der Sozialistischen Republik Vietnam am 13. November 2022 in Hanoi. bundesregierung.de.
Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung. Dietrich Bonhoeffer
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Im 14. Jahrhundert kauften sich Sünder einen Ablassbrief und schon war ihr Gewissen reingewaschen. Wie blanker Hohn klingt es, dass die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Emily Oster von der Brown University in Providence/Rhode Island nun in der Literaturzeitschrift «The Atlantic» gefordert hat, die Fehltritte und Fehlentscheidungen von Regierungen zu verzeihen. Man solle einander vergeben, denn inmitten der «Pandemie» habe man es einfach nicht besser wissen können. Tabula Rasa, ein neues Kapitel aufschlagen – so, als sei in den letzten zweieinhalb Jahren nichts passiert. Oster soll ihre Idee der Vergebung mal jenen Menschen unterbreiten, deren Lebenspartner infolge von Imfpschäden verstorben sind oder Selbstständigen und Künstlern, die dank der Lockdowns nun von Hartz IV leben müssen. Ablass oder Indulgenz (lateinisch indulgentia), veraltet auch römische Gnade, ist ein Begriff aus der römisch-katholischen Theologie und bezeichnet einen von der Kirche geregelten Gnadenakt, durch den nach kirchlicher Lehre zeitliche Sündenstrafen erlassen (nicht dagegen die Sünden selbst vergeben) werden. Damals gab es Teilablässe oder vollkommene Ablässe, die die Gläubigen unter von der Kirche bestimmten Bedingungen erlangen konnten. Die Lehre vom Ablass ist ein Konzept, das eng mit den Konzepten von Sünde, Busse, Reue, Umkehr, Gnade und Vergebung in der katholischen Theologie verankert ist. Der Ablass (Indulgenz) bezeichnet einen in der römisch-katholischen Theologie geregelten Gnadenakt, der auf dem Gnadenschatz fusst. Gemäss der kirchlichen Lehre werden dadurch zeitliche Sündenstrafen erlassen, nicht aber die Sünden selbst vergeben. Durch die Praxis der Ablassbriefe sollte den Gläubigen ein dem Geldbetrag entsprechender Erlass zeitlicher Sündenstrafen im Fegefeuer für sie oder für bereits gestorbene Angehörige bescheinigt werden können. Mit Einkünften aus dem Ablasshandel hatten einige Päpste gar beträchtliche Geldsummen aus ganz Europa nach Rom gelenkt, die unter anderem für den Bau des Petersdoms verwendet wurden. Emily Oster fordert einen Ablass und eine Amnestie, die dazu führen würden, dass die «globalen Eliten» folglich keine Rechenschaft darüber ablegen müssen, dass sie gesundheitsschädliche Gentherapien propagiert und den digitalen Überwachungsstaat implementiert haben und dafür verantwortlich sind, dass Kinder und Jugendliche durch Abriegelung und permanentes Maskentragen schwere psychologische Probleme haben werden. Zum Glück hagelte es massive Kritik auf Osters Vorschlag, sodass mit einer solchen Amnestie nicht zu rechnen ist. Im 16. Jahrhundert stellte Martin Luther die Praxis des Ablasshandels fundamental infrage. Seine Kritik animierte ihn dazu, seine 95 Thesen zu verfassen und gilt zudem als Auslöser der Reformation im Heiligen Reich. Zum Glück hatte Luther damals den Mut, gegen die unsägliche Praxis der katholischen Kirche aufzubegehren und eine Reformation der Kirche herbeizuführen. Eine ähnliche Reformation unseres Gesellschaftssystems brauchen wir heute. Auch die beiden deutschen Journalisten und Wissenschaftler, Marcus B. Klöckner und Jens Wernicke, fordern, dass die Regierungen zur Verantwortung gezogen werden. Jüngst haben sie zu diesem Thema das Buch «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter» herausgebracht.
«Sie haben mitgemacht. Sie sind zu Tätern geworden. Haben unbescholtene Bürger mit Hass und Gewalt überzogen, sie ihrer Freiheit beraubt. Haben kontrolliert, bedroht, gezwungen und bestraft. Gehetzt, gespalten entmenschlicht und traumatisiert. Kritiker zu Staatsfeinden erklärt. Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Bosse waren sich nicht zu schade, sich als Totengräber der Demokratie zu betätigen und mittels quasireligiöser Dogmen und vermeintlich letzter Wahrheiten das Ende der liberalen Ordnung einzuläuten.»
Gar nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn eine Person wie Oster 1945 öffentlich dazu aufgerufen hätte, statt die Geschehnisse aufzuarbeiten, schlichtweg Amnestie walten zu lassen. Zweieinhalb Jahre der Pandemie aufzuarbeiten und zu analysieren sind der unbequemere Weg als einfach an die Zeit davor anzuknüpfen und Fehler auszublenden. Die Verantwortlichen werden ihre Fehler sicherlich nie eingestehen, aber es liegt an jedem einzelnen, sie zur Rechenschaft zu ziehen, damit eine solche Zertrümmerung der Freiheit und unserer demokratischen Werte nie wieder geschieht.
Herzlich Lena Kuder
lk@corona-transition.org ******************* Hinweise: Die Freien – die neue Zeitschrift für bewegte Zeiten: konstruktiv, inspirierend und visionär. Mit Beiträgen von Prisca Würgler, Michael Bubendorf, Marco Caimi, Milosz Matuschek, Marco Rima, Armin Risi, David Dürr, Jakub B. Wiśniewski, Nicolas Lindt, Lilly Gebert, Christian S. Rodriguez u.v.m. Bestellen Sie die neue Ausgabe hier.
*********************** Aktuelle Nachrichten gibt es auf TransitionTV. Sie finden uns auf folgenden Kanälen und Plattformen: Telegram│Rumble│Instagram│Facebook│YouTube1│YouTube2
SRF: Darum geht es bei der Strafanzeige gegen Swissmedic Der Anwalt der Betroffenen, Philipp Kruse, ist ein erklärter Impf- und Covid-Massnahmengegner. Er vertrat Personen, die sich weigerten Masken zu tragen, oder Eltern, die ihre Kinder nicht an Pooltests mitmachen lassen wollten. → Weiterlesen
RT: Der Kanzler mit dem kurzen Gedächtnis: Olaf Scholz in Vietnam In der Bundesregierung muss es einen internen Wettbewerb geben, wer peinlichere Auftritte hinlegen kann als Außenministerin Annalena Baerbock. Bundeskanzler Olaf Scholz jedenfalls hat in China schon Anlauf genommen, bei seinem Besuch in Vietnam aber noch weiter Punkte gesammelt. → Weiterlesen
Rubikon: Lästige Freiheit Zwei Soziologen pathologisieren in ihrem neuen Buch kritische Bürger — ein weiterer Beleg dafür, dass die Preisgabe von Freiheitsrechten zur „neuen Normalität“ gehört. → Weiterlesen
tkp: Selbstbesinnung in der institutionalisierten Wissenschaft Die vergangenen drei Jahre haben so drastisch wie noch nie gezeigt, dass viele Bereiche der Wissenschaft immer stärker unter den Einfluss der Industrie und deren Profitinteressen gekommen sind. Diese stellen dann die „Experten“, auf deren Empfehlungen die Politik handelt. Reflexion der Wissenschaftler ist nun dringend geboten. → Weiterlesen
Jouwatch: Windkraft in Deutschland – eine ernüchternde Bilanz Die Auslastung der Windparks wird von deren Betreibern wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) hat die Erträge deutscher Windkraftanlagen mit Hilfe einer Simulation selbst berechnet und in einer interaktiven Karte dargestellt (NZZ: 07.11.22). Das Ergebnis: Große Versprechungen, aber kleine Erträge – die Bilanz ist ernüchternd. → Weiterlesen
ntv: Ärzte rufen zu Grippeimpfung auf Die Sorge unter Ärzten ist groß: Weiterhin hohe Corona-Zahlen und dann noch eine Grippewelle können zu einem erheblichen Isolationsaufwand in den Krankenhäusern und personellen Engpässen führen. Deshalb haben Haus- und Krankenhausärzte eine eindringliche Bitte. → Weiterlesen
WELT: EU-Staaten beschließen erste eigene Friedenstruppe Eine bis zu 5000 Soldaten starke Einheit soll sich künftig auf die Evakuierung und Stabilisierung spezialisieren. Ihre Einsatzbereitschaft ist für 2025 geplant. Eine erste Mission könnte einen künftigen Waffenstillstand in der Ukraine sichern. → Weiterlesen
In der* *Resolutionsbegründung des russischen Vertreters Grigori
Lukjanzew am 4. November in New York heißt es:*
1945 errangen die Mitgliedstaaten der Antihitlerkoalition, die als
Vereinte Nationen bezeichnet werden, einen großen Sieg über den
Nationalsozialismus. Der Nationalsozialismus basierte auf der Ideologie
der rassischen Überlegenheit und der Menschenfeindlichkeit. Dank dieses
Sieges wurden die heutigen Vereinten Nationen und das moderne System zur
Förderung und zum Schutz der Menschenrechte gegründet. Mit den Urteilen
des Nürnberger Tribunals wurden die Errungenschaften des Sieges über den
Nationalsozialismus rechtlich verankert (…).
Seit der Annahme einer ähnlichen Entschließung im vergangenen Jahr
wurden die darin genannten Probleme leider nicht nur nicht gelöst,
sondern haben sich in vielerlei Hinsicht verschlimmert. Wieder einmal
werden wir Zeuge von Versuchen, unsere gemeinsame Geschichte zu leugnen.
Rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik ist auf dem Vormarsch,
ebenso wie die Forderung, Migranten, Flüchtlinge und »fremde Elemente«
loszuwerden. Ausdrucksformen von Islamophobie, Christenfeindlichkeit,
Afrophobie und Antisemitismus sind in vielen Staaten alltäglich geworden.
Der Kampf gegen Denkmäler zu Ehren derer, die in verschiedenen Ländern
gegen den Nationalsozialismus und Faschismus gekämpft haben, hat eine
noch nie dagewesene Dynamik erreicht. Neonazis marschieren durch die
Straßen von Städten im Herzen Europas, und es finden Fackelmärsche zu
Ehren derer statt, die aktiv mit den Nazis kollaboriert haben und an
ihren Verbrechen beteiligt waren. Darüber hinaus werden solche Personen
zunehmend in den Rang von Nationalhelden (…) erhoben.
Handelt es sich dabei um die Ausübung des Rechts auf friedliche
Versammlung und freie Meinungsäußerung? Nein. Es gibt eklatante
Versuche, das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs zu verfälschen, Zynismus
und Lästerung gegenüber denen, die die Welt von den Schrecken des
Nationalsozialismus befreit haben. Darüber hinaus handelt es sich um
strafbare Handlungen im Sinne von Artikel vier des Internationalen
Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung.
Die Mitbefürworter sind zuversichtlich, dass die Verabschiedung dieser
thematischen Resolution mit der größtmöglichen Unterstützung der
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen einen echten Beitrag zur
Ausrottung von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit
und damit zusammenhängender Intoleranz leisten wird. Unsere
Entschließung zielt darauf ab, den Dialog und die Zusammenarbeit zu
fördern und nicht die Konfrontation. (…)
(/Übersetzung aus dem Russischen: Arnold Schölze)l
/
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
14.11.2022
Handelsagenda der Ampel
23.06.2022
I. Welthandelsorganisation (WTO) Der größte Teil des deutschen Außenhandels findet im Rahmen der WTO-Regeln statt. Dieser Außenhandel bleibt wichtige Grundlage unseres Wohlstandes. Wir wenden uns gegen Protektionismus und wollen auch künftig freien und fairen Welthandel ermöglichen und
fördern.
Wir wollen die Regeln des globalen Handels reformieren. Dabei stehen für uns die Erneuerung der Regeln zu marktverzerrenden Subventionen, die Aufhebung der Blockade bei dem Streitbeilegungsmechanismus und eine Ausrichtung am Pariser Klimavertrag sowie den
Globalen Nachhaltigkeitszielen der VN im Mittelpunkt.
II. EU-Handelsverträge allgemein Die Bundesregierung wird im Geiste der folgenden Punkte auf europäischer Ebene in weitere
Verhandlungen eintreten:
Wir wollen die Rahmenbedingungen schaffen, dass der deutsche und europäische Außenhandel sich diversifizieren kann. Gerade angesichts der aktuellen Krisen wollen wir Abhängigkeiten von einzelnen Ländern reduzieren und sowohl Importländer als auch Absatzmärkte breiter aufstellen. Vor allem mit Ländern, mit denen wir grundlegende Werte der liberalen Demokratie teilen, wollen wir Kooperation und Handel intensivieren und dazu entsprechende Handelsverträge auf der Basis des fortschrittlichsten EU-Handelsabkommens
vorantreiben.
Wir erkennen an, dass Handel nur auf Augenhöhe stattfinden kann. Verträge werden in guter Absicht geschlossen. Ziel ist der wirtschaftliche Ausbau der Beziehungen. Dennoch brauchen
wir Schutzmechanismen, um einen Missbrauch der Handelsprivilegien zu verhindern.
Wir wollen zukünftig Handelsverträge auch im Deutschen Bundestag enger begleiten und schlagen einen kontinuierlichen handelspolitischen Dialog unter der gemeinsamen Führung
von Europa- und Wirtschaftsausschuss vor.
In allen künftigen Handelsverträgen auf europäischer Ebene, auch in denen, die derzeit bereits verhandelt werden, sollen die internationalen Verträge und Abkommen sanktionsbewehrt verankert werden und sie sollen insgesamt effektiv durchgesetzt werden. Das gilt für die Handelsvorteile und -freiheiten ebenso wie für die vereinbarten Nachhaltigkeitsstandards. Dazu sollen in den Abkommen sowohl Anreize als auch Dialog- und Schlichtungsmechanismen wie z.B. Panels verankert werden. Wir wollen Handelssanktionen als letztes Mittel bei schwerwiegenden Verstößen gegen zentrale TSD-Verpflichtungen, insbesondere gegen die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der IAO und gegen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt in der Fassung wie von
der Kommission im TSD-Prozess vorgeschlagen.
Dieser Ansatz wird auf der Achtung der grundlegenden Arbeitnehmerrechte und des Pariser Abkommens als wesentliche Elemente unserer Handelsabkommen aufbauen und diese stärken. Die Anwendung von Handelssanktionen bei Verstößen gegen spezielle TSD- Bestimmungen wird nach den allgemeinen Streitbeilegungsregeln erfolgen. Dementsprechend werden die Handelssanktionen befristet und verhältnismäßig sein und können die Form einer Aussetzung von Handelszugeständnissen annehmen. Unser Ziel ist es, dass zukünftig Rechtstreitigkeiten auf der Grundlage von Handelsabkommen vor multilateralen
Handelsgerichtshöfen ausgetragen werden.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Verhandlungen mit Chile und Mexiko konstruktiv und zügig im Sinne des Koalitionsvertrages zu einem Ende gebracht werden. Bei der Umsetzung von Freihandelsabkommen soll durch eine interinstitutionelle Vereinbarung künftig eine bessere demokratische Beteiligung gesichert sein. Dazu soll vor allem die regulatorische Kooperation bei substanzverändernden und vertragsauslegenden Fragen durch die Einbindung des Europäischen Parlaments demokratischer gestaltet werden. Ganz konkret haben wir die Bedingungen für die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens im
Koalitionsvertrag festgehalten. Dahinter gehen wir nicht zurück.
In diesem Sinne setzen wir uns für die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens ein. Dazu müssen die in den TSD-Verhandlungen etablierten Standards (wie oben beschrieben) und Verfahren festgehalten werden. Es braucht darüber hinaus Instrumente oder Verfahren zu überprüfbaren, rechtlich verbindlichen Verpflichtungen des Menschenrechtsschutzes und eine praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender
Waldflächen.
III. Investitionsschutzabkommen Die Bundesregierung wird bei allen Investitionsschutzabkommen in Sinne der folgenden Punkte
verhandeln:
In allen Investitionsschutzabkommen soll das Recht „right to regulate“ gestärkt werden (sog.). Wir wollen Investitionsabkommen auf den Schutz vor „direkter Enteignung und
Inländergleichbehandlung“ konzentrieren.
IV. Energiecharta Die EU verhandelt derzeit über eine Reform der Energiecharta. Unsere Erwartungen an die Reformen
sind dass:
die Energiecharta nicht im Wiederspruch zu gemeinsamen europäischen Zielen, insbesondere
zu den europäischen Klimazielen und dem deutschen Klimaschutzgesetz, steht.
das Recht „right to regulate“ so gesichert ist, dass der Investitionsschutz aller Energieträger und Infrastrukturen nicht im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen des jeweiligen Landes
steht.
die Sunset-Klausel verkürzt wird Investitionsabkommen auf den Schutz vor „direkter Enteignung und Inländergleichbehandlung“ konzentriert werden der ECT auf den Stand der aktuellen technologischen Entwicklung auf dem Weg zur Klimaneutralität gebracht wird, wie sie im Koalitionsvertrag verankert sind Im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen fordert die Bundesregierung die EU-Kommission auf, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
V. CETA Im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten: „Die Entscheidung über die Ratifizierung des Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) treffen wir nach Abschluss der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht.“ „Wir setzen uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass bei der Vertragsfortentwicklung durch die regulatorische Kooperation die Entscheidungskompetenzen des EU-Parlaments gestärkt werden.“
„Wir setzen uns für Investitionsabkommen ein, die den Investitionsschutz für Unternehmen im Ausland auf direkte Enteignungen und Diskriminierungen konzentrieren und wollen die missbräuchliche Anwendung des Instruments – auch bei den noch ausstehenden Abkommen – verhindern.“
Für das konkrete Vorgehen der Ampel bedeutet dies:
CETA ist derzeit in großen Teilen in vorläufiger Anwendung. Nicht angewandt wird unter anderem der Teil zum Investitionsschutz. Die Ratifizierung ist in 15 Ländern erfolgt, in 12 Ländern steht sie noch aus. Die Bundesregierung wird beauftragt, im Sinne der oben genannten Kriterien des Koalitionsvertrags zur Begrenzung der missbräuchlichen Anwendung der materiell-rechtlichen Schutzstandards und zur regulatorischen Kooperation in Gesprächen auf EU-Ebene und mit der kanadischen Regierung über eine Interpretationserklärung des Joint Committee kurzfristig eine Lösung zu finden. Diese Lösung darf den gleichzeitig laufenden Ratifizierungsprozess in der EU nicht stoppen, sondern muss dessen Fortsetzung ermöglichen.
Wir werden die Beteiligung des Bundestages bei der Umsetzung von CETA sicherstellen. Wir werden das Ratifizierungsgesetz im Kabinett vor der Sommerpause einbringen und dann die erste Lesung im Bundestag durchführen. Die zweite und dritte Lesung findet statt, sobald das Joint Committee in diesem Herbst eine entsprechende Erklärung verabschiedet hat.
Der
Krieg in der Ukraine wütet weiter und ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Menschen leiden, und die Angst wächst, dass sich der Konflikt
ausweiten und sogar Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten. Viele
wohlmeinende Menschen rufen zu einem Waffenstillstand und zu
Verhandlungen auf.
Wir
alle wollen Frieden, aber es nützt nichts, Lösungen zu befürworten,
die nicht berücksichtigen, wie es überhaupt zu diesem Krieg
gekommen ist:
Damals, 1991, als die Sowjetunion
zusammenbrach, versprach die US-Regierung, die NATO werde sich nicht
„einen Zoll“ nach Osten ausdehnen. Doch seither sind alle 14 neuen
NATO-Mitglieder ehemalige Sowjetstaaten oder Verbündete. Schweden und
Finnland sollen demnächst beitreten. Sowohl Georgien als auch die
Ukraine, die an Russland grenzen, haben einen Beitritt beantragt. Damit
wäre die Einkreisung von Russlands Westflanke abgeschlossen. Es wäre
so, als würde Russland ein gegen die USA gerichtetes Militärbündnis
aller süd- und mittelamerikanischen Länder aufbauen und Mexiko
aufnehmen. Die USA würden dies natürlich als existenzielle Bedrohung
ansehen.
Als die Ukraine 1991 zum ersten Mal
unabhängig wurde, herrschte zwischen der Ukraine und Russland Frieden.
Doch 2014 unterstützten die USA einen gewaltsamen, rechtsgerichteten
Putsch, der eine antirussische Regierung an die Macht brachte, die
offen neonazistische, paramilitärische Milizen unterstützte, die der
russischen Minderheit der Ukraine feindlich gesinnt waren.
Diese neue Situation, zu der auch das
Massaker eines von Faschisten angeführten Mobs an mindestens 42
Putschgegnern in Odessa am 2. Mai 2014 gehört, wurde von den stark
ethnisch-russisch geprägten Gebieten der Ost- und Südukraine als große
Bedrohung empfunden. In der Folge stimmte die Krim für den
Wiederanschluss an Russland, dem sie bis 1954 angehört hatte, und
Donezk und Luhansk in der Region Donbass erklärten sich für unabhängig.
Daraufhin einigten sich die Ukraine,
Russland, Donezk und Luhansk darauf, dass diese beiden Entitäten
autonome Gebiete innerhalb einer vereinigten Ukraine werden sollten.
Die Ukraine setzte die Minsker Vereinbarungen jedoch nie um und führte
stattdessen eine militärische Kampagne zur Rückeroberung der
abtrünnigen Region durch, die rund 15 000 Menschenleben kostete.
In der Zwischenzeit haben die USA und
andere NATO-Länder seit mindestens 2014 regelmäßig massive gemeinsame
Militärübungen mit der Ukraine durchgeführt – zu Lande, zu Wasser und
in der Luft – bis hin zu den Grenzen Russlands.
Ende 2021 und Anfang 2022 bot Präsident
Putin der Russischen Föderation Verhandlungen mit den USA und der NATO
an, um Russlands Sicherheitsbedenken zu erörtern, doch das Angebot
wurde ignoriert. Dies geschah, bevor Russland die unabhängigen
Republiken im Donbass anerkannte. Auch weitere russische
Verhandlungsangebote wurden abgelehnt.
Im Februar 2022 verschärfte die Ukraine
ihren Krieg im Donbass, was Russland dazu veranlasste, mit dem
erklärten Ziel einzugreifen, die Bevölkerung des Donbass zu verteidigen
und die Ukraine zu „entmilitarisieren“ und zu „entnazifizieren“. Ob man
mit diesem Vorgehen einverstanden ist oder nicht, es war alles andere
als „unprovoziert“.
Seitdem,
Stand 18. September, hat das US-Verteidigungsministerium zugegeben,
16,1 Milliarden Dollar an Militärhilfe für die Ukraine
bereitgestellt zu haben. Andere Schätzungen gehen von bis zu 40
Milliarden Dollar aus – nicht eingerechnet die Hilfen, die nach
Angaben der USA von 50 anderen verbündeten Ländern kommen – und
die sicherstellen, dass der Krieg auf unbestimmte Zeit fortgesetzt
wird. Was als Konflikt zwischen Russland und der Ukraine begann, ist
zu einem Stellvertreterkrieg der USA und der NATO gegen Russland
geworden, in dem die Ukrainer als Kanonenfutter dienen.
Man
muss die russische Intervention nicht gutheißen, um zu erkennen,
dass die wirklichen Provokationen für den Krieg die unerbittliche
Osterweiterung der NATO, die Unterstützung der USA des
rechtsgerichteten, antirussischen Putsches von 2014 und der
anhaltende und sich ausweitende Krieg der Ukraine zur Rückeroberung
des Donbass waren.
Vor
diesem Hintergrund rufen wir alle Friedens- und Antikriegsaktivisten
auf der ganzen Welt auf, zu fordern:
Nein
zu jeglicher Unterstützung der USA/NATO für die Ukraine!
Nein zu
allen militärischen Aktionen der USA/NATO in der Ukraine!
Nein zu
allen Sanktionen der USA/NATO gegen Russland!
Nein zur NATO und zu
allen US-Kriegen und Besatzungen überall auf der Welt!
Namen,
Wohnort und ggf. Organisationen/Tätigkeit senden an
info@hbuecker.net oder das Webformular ausfüllen.
Unterschriften Leonid
Ilderkin – Coordinating Council, Union of Political Emigrants &
Political Prisoners of Ukraine, Russia United National Antiwar Coalition (UNAC) – USA Ajamu Baraka – National Organizer, Black Alliance for Peace, USA Matyas Benyik – President, ATTAC Hungary Association, Budapest, Hungary Jesús Rodríguez-Espinoza – Editor, Orinoco Tribune, Caracas, Venezuela Bahman Azad – President, U.S. Peace Council, USA Agneta Norberg – Former Chair, Swedish Peace Council; Women for Peace,
Sweden Sara Flounders – Co-Director, International Action Center, USA Jeff Mackler – National Secretary, Socialist Action, USA Prof. Nako Stefanov – Chairman, Bulgarian National Peace Council,
Bulgaria Jochen Scholz – Lt. Col, Ret., GEAF, Berlin, Germany Stephen Martin – Author at Counterpunch, Edinburgh, Scotland Heinrich Buecker – Coop Anti-War Cafe; Member, German Peace Council
& World Beyond War, Berlin, Germany SOS Ukraine Resistent, SOS Donbass, Italy Virginia Defenders for Freedom, Justice & Equality, USA Women for Peace – Ulla Klötzer, Finland Workers Voice Socialist Movement – Louisiana, USA Tobias Baumann – Translator & Historian; Member, VVN-BdA (League of
Anti-Fascists), Berlin, Germany Sinia Benigassan – Bureau d’information Alba Granada North Africa,
Tunis, Tunisia Bärbel Brede – Artist, Teltow, Germany Maren Cronsnest – Anti-Nato Gruppe Berlin, Germany Hartmut Drewes – Retired Pastor; Spokesman, Bremen Peace Forum, Germany Leo Gabriel – Anthropologist, Journalist & Filmmaker, Austria Bruce Gagnon – Anti-imperialist activist, Maine, USA Dr. Edgar Göll – Future Researcher. Berlin. Germany Rodney Hunter – Pastor, Richmond, Va., USA Reinhard John – Member, German Freethinkers Association, Schwetzingen,
Germany Dr. Sabine Kebir – Publicist, Lecturer, Berlin, Germany Dr. Michael Koellisch – Member, IPPNW and Peace Alliance & Peace
Center, Braunschweig, Germany Ingrid Koschmieder – Freidenkermitglied, Berlin, Germany Michael Lang – NachDenkSeiten-Gesprächskreis (discussion group),
Berlin, Germany Ulrich Lenz – Member, District Council Rhein-Lahn (Die Linke);
NachDenkseiten discussion group, Katzenelnbogen, Germany Uta Mader – Freidenkermitglied, Bernau b. Berlin, Germany Al Markowitz – Partisan Press, Norfolk, Virginia, USA Savvas Michael Matsas – EEK, Greece Dr. Nancy Larenas Ojeda – Frente Unido América Latina, Berlin, Germany Gina Pietsch – Singer, Berlin, Germany Coleen Rowley – Member, Women Against Military Madness (WAMM),
Minnesota, USA Gue Schmidt – Director, Projectroom, Antifascist, Vienna, Austria John Steinbach – Coordinator, Hiroshima Nagasaki Peace Committee of the
National Capital Area, USA Jürgen Suttner – Action Alliance Peace Movement South Westphalia-ABFS,
Siegen, Germany Jörg Tiedjen – Journalist, Berlin, Germany Mauro Valderrama – PC Peru, Frente Unido America Latina, Berlin, Germany Enrico Vigna – Belgrade Forum for a World of Equal; Initiatives Center
for Truth & Justice; Initiative for a Multipolar World Ana Barbara von Keitz – Berlin Working Group on Uranium Ammunition,
Germany Judy Bello – Rochester, New York, USA Marie-Françoise Cordemans – Brussels, Belgium Walter Friedmann – Bühl, Germany Claude Grégoire – Esch-sur-Alzette, Luxemburg Andreas Haltinner – Pritzwalk, Germany Emma Lugo – Peace Activist. Oregon City, Oregon, USA Polly Milner – Salisbury, UK Wolf Goehring – Bonn, Germany Diane Nahas – Peace Activist, Village of Sands Point, New York, USA Dagmar Pfeiffer – Lübeck, Germany Kathleen Rodgers-Kirk – Culpeper, Virginia, USA Phil Runkel – Waukesha, Wisconsin, USA Christa Senberg – Peace Activist, Zossen, Germany Murat Yilmaz – Berlin, Germany
Dr. Dieter Dehm – Ex-Member of German Parliament, ehem. Abgeordneter
Deutsche Bundestag, DIE LINKE, Germany Wolfram Elsner – Professor, Bremen, Germany Generalmajor a.D. Manfred Jonischkies – Mitglied des Vorstandes von
ISOR e.V., Berlin, Germany Prof. Dr. Horst Bischoff – Stv. Vorsitzender ISOR e.V., Berlin, Germany Joachim Bonatz – Stv. Vorsitzender ISOR e.V., Vizepräsident des OKV
e.V., Berlin, Germany Rudolf Denner – Pressesprecher des Präsidiums des OKV e.V., Berlin,
Germany Dr. Helmut Flügel, cardiologist, Kardiologe, Kirchentellinsfurt, Germany Francesco Andreini, Siena, Italy Dr. Hartmut Wihstutz, Pediatrician, Hohen Neuendorf, Germany Arianna Carciofo – Berlin/Bologna, Germany Jens Carstensen, Mitglied Die Linke, Oberhausen, Germany Doris u. George Pumphrey, Friedensaktivisten Berlin, Germany Marxist Workers' League of Finland, Dimitris Mizaras, chairman, Finland Prof. Dr. Gregor Putensen, Greifswald, Germany Frente Unido América Latina Berlin, Germany Kwame Nkrumah Ideological Institute, Stephen Phiri, Zimbabwe/South Africa Iris Berndt, Historikerin, Potsdam, Germany Bodo Quart, Eisenbahn-Ingenieur, Berlin, Germany Karin Rother, Berlin, Germany Niki Müller, Friedrichstadt, Germany Klaus Helms, i.R., Mitglied der Gewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW), Schwerin/Meckl., Germany Dr. Peter Fellenberg, Historiker, Leipzig, Germany Muzaffer Ege Alper - Member, Revolutionary Workers Party (Turkey) & Marxist Workers League (Finland) Laura v. Wimmersperg - Moderatorin der Berliner Friedenskoordination, Germany Harry T Cason - Adjunct Professor City University of New York, USA Rita Abert - Berlin, Germany Prof. Dr. Anton Latzo - Politikwissenschaftler & Historiker, Michendorf, Germany Dieter Spobert - Dresden, Germany Renate Döhr - Irlandgruppe Omega, Berlin, Germany Dieter Spobert – Dresden, Germany Luíz Fernando Moser – Bonn, Germany Heinz Eckel - Berlin, Germany Dieter Becker - Bernau OT Schönow, Germany
ADDICTED To WAR - Frank Daniel Dorrel, Publisher, Culver City, USA
Bereits im September wurde die ursprünglich eingearbeitete Ergänzung und Formulierung aus dem Infektionsschutzgesetz wieder entfernt. Wäre es nicht zur Änderung der Gesetzesvorgabe gekommen, hätten Kita-Kinder und Schüler schon beim Verdacht auf eine Coronainfektion zu Hause bleiben müssen.
Zitat: Bereits am 30. September wurde in dem entsprechenden Gesetzesblatt, im Bundesrat als Drucksache 480/22 bearbeitet, eine geplante Änderung einer Gesetzespassage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) revidiert – ohne größere Information der Bürger durch die Politik oder Medien.
Die ursprünglich von der Ampelkoalition Ende August eingeforderte inhaltliche Ergänzung von § 34 Gesundheitliche Anforderungen des IfSG gab vor, dass Corona in die Liste möglicher "schwerer Infektionskrankheiten" oder "Infektionskrankheiten, welche häufig im Kindesalter auftreten und in Einzelfällen schwere Verlaufsformen annehmen können" aufgenommen wurde. Dies wurde im Bundesrat abgelehnt. Dazu heißt es in der Drucksache:
"§ 34 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (...), das zuletzt durch Artikel 1b des Gesetzes vom 16. September 2022 (...) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: Im Satzteil nach der Aufzählung (schwerer Infektionskrankheiten) werden die Wörter 'oder sie in Bezug auf die Coronavirus Krankheit-2019 (COVID-19) einen Testnachweis nach § 22a Absatz 3 vorlegen' gestrichen."
Auf diese wegweisende und wichtige Entlastung für Eltern und Alleinerziehende wie auch für die Mitarbeiter von Kinderarztpraxen in Deutschland verwies das Onlinemagazin Tichys Einblick. Ohne die Rücknahme dieser Textpassage wäre Kindern in den Herbst- und Wintermonaten schon bei dem Verdacht einer eventuellen Coronainfektion die Rückkehr in Kitas oder Schulen nur noch mit einem Attest eines Kinderarztes möglich gewesen wäre. Allerdings gilt diese Vorgabe weiterhin für die im IfSG gelisteten Infektionskrankheiten wie Masern, Scharlach, Röteln, Mumps und andere.
Mit dem vorliegenden Wissen erklärt sich die dünnhäutige Reaktion von Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf die Ankündigung von vier Bundesländern, die Corona-Isolationspflicht zeitnah aufzuheben. Damit schwindet ein weiterer Eckpfeiler existierender Regierungsmaßnahmen in der Coronakrise. Am 12. November behauptete Lauterbach auf Twitter, ohne auch nur einen Verweis auf die Quellen seiner Corona-Thesen und Unterstellungen zu geben:
"Eine klare Mehrheit der Bürger ist für die Corona Isolationspflicht. Niemand (sic!) will mit Corona Infizierten den Arbeitsplatz teilen. Der Vergleich mit der Grippe hinkt auch, schon wegen Long COVID und der Ansteckungsgefahr, die bei COVID viel höher ist."
Eine klare Mehrheit der Bürger ist für die Corona Isolationspflicht. Niemand will mit Corona Infizierten den Arbeitsplatz teilen. Der Vergleich mit der Grippe hinkt auch, schon wegen LongCovid und der Ansteckungsgefahr, die bei COVID viel höher ist. pic.twitter.com/IYDEQb046R
Obwohl an der diesbezüglichen Umfrage lediglich 1225 Befragte teilnahmen, hatte Lauterbach bereits einen Tag zuvor auf Twitter den Kommentar in der Süddeutschen Zeitung mit der Überschrift "Die Aufhebung der Isolationspflicht ist keine gute Idee" mit nur einem Wort kommentiert:
Zu der insbesondere für Erziehungsberechtigte und Berufstätige in den entsprechenden medizinischen Fachbereichen wichtigen Information über die Rücknahme der Formulierung im § 34 des IfSG verlor Lauterbach seit dem 30. September kein einziges Wort.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.
Sie nennen sich die "Letzte Generation" und kleben sich auf heimische Straßen. Sie sehen ihre Verkehrsblockaden als Notbremse vor dem Klimakollaps. profil begleitete die Aktivisten über Wochen.
Montag, 3. Oktober, Wien, Schottentor, vor der Universität, 8.25 Uhr. "Ah!" stöhnt David Sonnenbaum mit schmerzverzerrtem Gesicht. Ein Polizist der Spezialeinheit Wega stochert mit einer Spachtel unter Sonnenbaums Handfläche. Mithilfe von Lösungsmittel versucht er, die linke Hand des 34jährigen Klimaaktivisten vom Asphalt zu trennen. Seit fast 30 Minuten blockiert Sonnenbaum mit drei weiteren Aktivisten die dicht befahrene (vier Autospuren, zwei Straßenbahngeleise) Wiener Ringstraße. Alle Angeklebten tragen orange Warnwesten. Mit den freien Händen spannen sie Banner mit der Forderung nach "Tempo 100 auf allen Autobahnen" über die Fahrbahn. Der Stau wird länger und länger. Die Nerven der Autofahrer liegen blank. "Fester!", ruft einer dem Polizisten mit der Spachtel zu. Wütend stampft er auf und ab und deckt die Aktivisten mit derben Kraftausdrücken ein. Den Aktivisten leiden zu sehen, lindert die Wut des Wieners.
Die Klimakleber nennen sich die "Letzte Generation", weil sie überzeugt sind, dass nur jetzt die letzte Chance besteht, den drohenden Klimakollaps abzuwenden. Ihren Glauben an die sanfteren Methoden der schwedischen Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg haben sie längst verloren: Die Schülerstreiks der Fridays-for-Future-Bewegung seien "lieb und nett", hätten aber wenig bewirkt, denn das Klimathema versande wieder. Deswegen kleben sich die Aktivisten im Frühverkehr auf die Straße. Oder bewerfen in Museen weltbekannte Gemälde mit Lebensmitteln-wie zuletzt einen Van Gogh mit Tomatensuppe. Die "Letzte Generation" ist überzeugt, die (mediale) Aufmerksamkeit nur noch mit extremen Manövern auf die Klimakrise lenken zu können. Wie wirkmächtig sind diese Klimakleber, die ihre Existenz den wöchentlichen Sitzblockaden unterordnen, die dafür Geldstrafen bis hin zur Haft in Kauf nehmen? Und wie gefährlich sind sie? Wie weit sind sie bereit, noch zu gehen? In Deutschland wird nach einer Straßenblockade hitzig diskutiert: Ein Einsatzwagen stand im Stau, kam verspätet zu einem Unfallort. Wenige Tage später starb eine Radfahrerin. Die Klimakleber wurden angezeigt.
Am anderen Ende des Zebrastreifens der Ringstraße sitzt die 31-jährige Martha Krumpeck. Ein Polizist schützt ihre angeklebte rechte Hand, Autos und Lkw weichen über die Straßenbahngleise aus, nur Zentimeter vorbei an Krumpecks Fingern. Die Aktivistin hat die größere Fünf-Gramm-Klebstofftube verwendet und sich beim Ankleben zusätzlich auf die Hand gesetzt. So verlängert sie den Prozess des Ablösens maximal, damit ihr mehr Zeit bleibt, ihre Botschaften anzubringen. "Wir machen das hier nicht zum Spaß. Uns bleiben nur noch zwei bis drei Jahre. Wie soll die Regierung unser Überleben sichern, wenn sie nicht einmal die einfachste Maßnahme wie Tempo 100 auf der Autobahn umsetzt?", sagt sie vom Boden aus in mehrere Handykameras. Nach einer Stunde ist der Ring wieder frei. Die vier Blockierer sitzen von Polizisten umringt am Straßenrand. Die Beamten nehmen ihre Daten auf. Es setzt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht sowie Verbleibs bei Rot auf der Fahrbahn. Dann gehen alle ihres Weges. Ein 24-jähriger Student, der neben Sonnenbaum klebte, fährt weiter auf die Universität für Bodenkultur. Sonnenbaum geht nach Hause. Krumpeck zeigt beim Abgang noch ihre blutige Hand in die Kameras und sagt: "Whatever it takes"-was immer nötig ist.
Vor zwei Monaten klebten sie schon einmal hier am Ring vor der Universität Wien. Die Abdrücke von zwei Klebehänden sind am Zebrastreifen noch zu sehen. Seit der ersten Straßenblockade am 8. Februar 2022 gab es laut Polizei 16 Einsätze, bei denen Personen von der Straße abgelöst werden mussten-bisher nur in Wien. In dieser Woche soll Graz folgen.
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International sind Klimakleber in rund zehn Ländern aktiv. Besonders umtriebig sind sie in Großbritannien, bereits 2019 legten sie Teile des Londoner Stadtverkehrs lahm. Sie besprühen Gebäude von Banken oder Ministerien mit oranger Farbe. Vor zwei Wochen warfen Just-Stop-Oil-Aktivisten in der Londoner National Gallery Tomatensuppe auf das verglaste Van-Gogh-Gemälde "Sonnenblumen".
Auch heimische Museen sind längst alert. Im September hatten Krumpeck und Sonnenbaum versucht, sich im Naturhistorischen Museum an das Gerüst eines Dinosauriers zu kleben. Staatsschützer, die sie observiert hatten, verhinderten die Aktion in letzter Sekunde.
Die bekannteste Klimaaktivistin Österreichs, die 21-jährige Lena Schilling, hält nichts davon, Bilder anzuschütten oder Autofahrern "am Oarsch" zu gehen, wie sie sagt: "Diese Aktionsform ist taktisch nicht sinnvoll, weil sie Menschen trifft, die keine Entscheidungsmacht haben. Es wird nicht übers Klima, sondern nur über die Blockade diskutiert."Anstatt Menschen nachhaltig zu verärgern, müsste man sie für die eigenen Ziele gewinnen. Schilling sind gezielte Aktionen lieber. Unter dem Slogan "Lobau bleibt" hat sie die Besetzung der Stadtstraßen-Baustelle in Wien-Donaustadt mitorganisiert. Doch um das Lobau-Protestcamp ist es ruhig geworden, während die Klimakleber im Wochentakt für Schlagzeilen sorgen. Das liegt auch an deren akribischer Planung.
Gehe nicht von der Straße, bis unsere Forderungen wie Tempo 100 auf Autobahnen umgesetzt sind.
David Sonnenbaum
"Letzte Generation"
Der Einsatzplan Die Dramaturgie ist immer gleich: Über den Nachrichtendienst Signal erhalten Interessierte ein Aviso. Üblicherweise steigen die Aktionen Montagfrüh. Erst kurz vor der Aktion wird ein genauer Zeitpunkt und ein U-Bahnsteig mitgeteilt. Beim Treffpunkt verteilen die Anführer Banner, Warnwesten, Superkleber. Dann klären sie ab, wer sich anklebt, wer "nur" sitzt, wer filmt. Mithilfe von Google Streetview werden die Fahrspuren zugeteilt. Mit der U-Bahn geht es zum Einsatzort und zu Fuß weiter zum Zebrastreifen. Die Ampel schaltet auf Rot. Die Aktivisten eilen auf ihre Spur, ziehen Warnwesten an, spannen die Banner. Die Ampel schaltet auf Grün. Die Aktivisten bleiben stehen. Nun beginnt die Chaosphase. Autos setzen sich in Bewegung. Manche stoppen erst, wenn Aktivisten ihre Hand auf die Motorhaube legen. Ein Hupkonzert ertönt. Kurze Entspannung bei der Rotphase. Bei der nächsten Grünphase wird das Hupkonzert ohrenbetäubend. Die ersten Autofahrer steigen aus. Rufen. Schimpfen. "Ich muss arbeiten, geht's wos hackeln, ihr Orschlöcher."Das kommt immer. Um zu deeskalieren, setzen sich die Blockierer im Schneidersitz auf den Boden, bis die ersten Polizeisirenen ertönen. Nun wird der Superkleber gezückt, der Inhalt auf einer Handfläche verteilt, die Hand auf den Asphalt gedrückt-damit die Polizei die Aktivisten nicht wegtragen kann. Mit dem Eintreffen der Beamten beginnt die ruhigere Phase. Die Polizei kanalisiert die Wut der Autofahrer, öffnet Ausweichrouten, ruft den Entklebedienst.
So gut können Aktionen gar nicht geplant sein-in der Praxis entgleisen sie regelmäßig. So weichen entnervte Autofahrer in der Chaosphase immer wieder über Gleisspuren aus und kommen der einfahrenden Straßenbahn in die Quere. Das gefährdet auch Fußgänger. Für lückenlosere Sperren fehlt das Personal. Anders als Medienberichte über die "Bewegung" suggerieren, besteht die "Letzte Generation" im Beobachtungszeitraum gerade einmal aus rund zehn Personen, die sich auf Straßen kleben, nur setzen oder filmen.
Die Rädelsführer Im Zentrum stehen Krumpeck, Sonnenbaum und die 52-jährige Caroline Thurner, eine Arbeitskollegin Krumpecks. Diese drei "Königsbienen", wie es im internen Jargon heißt, leiten die Straßenblockaden und rekrutieren weitere "Klebebienen".
Die 31-jährige Krumpeck ist Mikrobiologin. Ihr Handwerk als Umweltaktivistin lernte sie bei Straßenblockaden in Berlin. Von dort brachte sie die "Letzte Generation" nach Österreich mit. Ihre kompromisslose Haltung stellte Krumpeck mit einem fünfwöchigen Hungerstreik vor der Wiener SPÖ-Zentrale zur Schau. Sie wollte dem SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig ein Gespräch über den Bau der Stadtstraße in Wien-Donaustadt abpressen. Ludwig blieb hart. Krumpeck verlor elf Kilo. Sie verlagerte ihren Sitzstreik auf die Straße.
Die 52-jährige Caroline Thurner ist Chemikerin und arbeitet mit Krumpeck in einem Labor in Niederösterreich. Die beiden sequenzieren Luftproben auf Schimmelspuren für eine private Forschungseinrichtung. Der Arbeitgeber weiß von den Straßenaktionen.
Der 34-jährige Sonnenbaum war Freizeitpädagoge in Wiener Volksschulen und engagiert sich schon lange für die Rettung weggeworfener Lebensmittel. Mittlerweile hat er sich Vollzeit dem Klimaaktivismus verschrieben. Wovon lebt er? Sein Essen holt er aus den Müllräumen der Supermärkte, seine Kleidung aus dem "Kostnix"-Laden, die Miete zahle er aus Erspartem.
Plakate, Flyer, Banner und Superkleber finanzieren die Aktivisten über einen sogenannten Climate Emergency Fund. In diesen Fonds zahlen laut Thurner "reiche Leute ein, die ein schlechtes Gewissen haben". Wer diese Gönner genau sind, wisse sie nicht. Thurner gibt an, demnächst über den Fonds ein freiberufliches, versteuertes Nebeneinkommen über 20 Wochenstunden Aktivismus zu beziehen-über eine Kontaktadresse in Deutschland. Mehr verrät sie nicht.Die Aktivist:innen haben sich an Klebereste und Wunden auf ihren Händen gewöhnt.
Die RekrutierungSonntag, 2. Oktober, Wien, Donaukanal, 18 Uhr. Unter der befahrenen Friedensbrücke schult Krumpeck angehende Aktivisten rechtlich, praktisch und ideologisch für ihren Einsatz am nächsten Tag. Gekommen ist die 21-jährige Mirjam, die in Wien Umweltressourcenmanagement studiert. Sie war regelmäßig im Lobaubleibt-Camp und stieß dort auf die "Letzte Generation". Sie registrierte sich in der Signal-Gruppe und wurde von dort aus angerufen und eingeladen. Mirjams Studienkollege, der 24-jährige Lorenz Trattner, ist zum Training gekommen, weil "ich schon länger vorhabe, mich anzukleben". Der 23-jährige Volkswirtschaftsstudent Leon aus Graz hat in Schweden Erfahrungen mit Klimaaktivismus gesammelt. Alle drei nennen ihre echten Namen und lassen sich freimütig fotografieren. Das gehört zur Strategie und soll die Entschlossenheit der "Letzten Generation" untermauern.
"Wenn sich 1000 Menschen täglich ankleben, kann der Staat unsere Anliegen nicht mehr ignorieren. Und die Richter werden uns nicht mehr einsperren, weil sie begreifen, dass wir recht haben", sagt Krumpeck. Mit ihrem Versprechen will sie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugen und Ängste vor Strafen nehmen. Im Unterschied zu Deutschland greife in Österreich nicht das Strafrecht, sondern das Verwaltungsstrafrecht, beruhigt sie-"wie beim Falschparken oder bei Rot über die Ampel gehen".
Tatsächlich fassen die Aktivisten nach ihren Aktionen "nur" Verwaltungsstrafen in der Höhe von rund 150 Euro aus. Krumpeck hält den Rekord, bezahlt die Strafen aber aus Prinzip nicht. Deswegen muss sie wenige Tage nach dem Einsatztraining eine Ersatzfreiheitsstrafe über 42 Tage antreten. Wie beim Hungerstreik will sie auch im Gefängnis Vorreiterin sein. "Der Weg der Veränderung findet über die Gefängnisse statt", sagt sie gerne.
Beim Einsatztraining will Krumpeck wissen, wie weit die Schulungsteilnehmer bereit wären, zu gehen. "Geldstrafe ja, Gefängnis muss ich noch überlegen", sagt Leon. "Bei mir wäre bei einem halben Jahr die Grenze", sagt Sonnenbaum. "Ich nehme Gefängnis fast in Kauf", sagt Mirjam. Krumpeck lächelt zufrieden.
Und zu welchen Aktionen sind die Teilnehmer bereit? Wie weit würden sie gehen? Das loten Krumpeck und Sonnenbaum am Donaukanal mit einer Gruppenaufstellung aus, entlang von vier Quadranten. Der Quadrant "legal und legitim" wäre ein Schülerstreik. Im Quadranten "illegal, aber legitim" siedelt Krumpeck das Ankleben auf der Straße an-illegal nach dem Verwaltungsstrafrecht, legitim, weil es einem höheren Ziel diene. Frage: In welchem Bereich siedeln die Teilnehmer Sachbeschädigung an? Nur Mirjam wechselt in den Quadranten, der für illegal und illegitim steht. Die anderen bleiben bei "illegal, legitim" stehen. Nächste Frage: Wie wäre die Entführung des Sohnes eines Ölmagnaten zu werten? Alle wechseln in den Quadranten illegal und illegitim. Das sei auch gut so, betont Krumpeck die Gewaltfreiheit der Aktionen.
Nach dem Praxistraining folgt die entscheidende Frage. Wer ist morgen dabei? Und wer klebt sich an? "Muss man sich ankleben?",fragt Leon. "Nein. Aber das Ankleben zeugt von Entschlossenheit", sagt Krumpeck. Unerschrocken meldet sich Lorenz an die Klebefront. Mirjam ist bei diesem Einsatz nicht dabei, wird aber drei Wochen später für Schlagzeilen sorgen. Angeklebt am Wiener Praterstern schlägt ihr ein wütender Autofahrer ins Gesicht. Ein Radfahrer filmt, das Video geht viral.
Die Ideologie Um sich in der Klimaszene zu radikalisieren, muss man nicht wie Rechtsextreme an eine Rasse oder wie Islamisten an ultrareligiöse Vorschriften glauben. Es genügt, wissenschaftliche Prognosen über den Klimawandel als extrem wichtig zu sehen. Oder das Erderwärmungsziel von 1,5 Grad, wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart. "Wir sind mit nichts bewaffnet als mit streng überprüfter Wissenschaft", akklamierten britische Klimaaktivisten bereits 2007. Um ihre Untergangsszenarien zu untermauern, zitiert die "Letzte Generation" am liebsten den früheren britischen Regierungsberater und Klimaexperten Sir David King, der sagt: "Was wir in den nächsten fünf Jahren tun, wird das Schicksal der Menschheit entscheiden." Oder UNO-Generalsekretär António Guterres: "Wir haben die Wahl: Gemeinsames Handeln oder gemeinsamer Selbstmord."
Der Bezug zur Wissenschaft mache sie "vielleicht gerade für Studenten anziehend", meint Extremismusforscher Peter Neumann über die "Letzte Generation". Nichtsdestotrotz sei "die Bewegung extrem, weil sie ihr Anliegen über das Recht und demokratische Prozesse stellt" (siehe Interview). Er sieht im Denken der Gruppe alle Kriterien einer klassischen Ideologie erfüllt und kann sich in Zukunft auch gewaltbereite Splittergruppen vorstellen. "Die Zeit läuft uns davon. Alle werden sterben. Wenn man dieser Auffassung ist, dann sind natürlich praktisch alle Mittel legitim, um die Krise abzuwenden."
Krumpeck drückt es so aus: "Wir erleben das größte Massenvernichtungsprogramm aller Zeiten, das die halbe Menschheit auslöscht, sollten wir die Klimakippunkte überschreiten."
Bisher blieben die Aktionen der "Letzten Generation" gewaltfrei. Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz hat die Szene und ihre Protagonisten dennoch im Visier. Warum kann die Polizei das wöchentliche Klebechaos im Frühverkehr dann nicht verhindern?Im Oktober wurde in Wien im Wochentakt "geklebt."
Die Verfolger Ein Sprecher der Wiener Polizei selbst sagt: "Ort und Zeit solcher Aktionen sind in der Regel nicht bekannt. Eine rechtliche oder faktische Möglichkeit, solche Aktionen im Vorfeld zu unterbinden, ist aus polizeilicher Sicht nicht möglich." In der Praxis beweisen einzelne Beamte das Gegenteil.
Mittwoch, 12. Oktober, Wien, Nussdorfer Straße, 8.31 Uhr: "Bienenkönigin" Thurner leitet die Blockade des vierspurigen Gürtels. Krumpeck sitzt im Gefängnis, Sonnenbaum muss zur polizeilichen Einvernahme wegen der Aktion im Naturhistorischen Museum. Dafür ist Lorenz Trattner wieder dabei. Auf seiner Klebehand sind keine Spuren von der letzten Aktion zu sehen. Mirjam will sich heute zum ersten Mal ankleben. Noch stehen sie aufrecht und halten ihre Banner in die Höhe. Die Stimmung bei den Autofahrern ist explosiv, eine Frau berührt mit ihrem SUV bereits das Knie einer Aktivistin. Die ersten Polizeisirenen ertönen. Die "Klebebienen" zücken ihre Tuben. Doch die Polizei ist schneller. Bevor die Hände den Boden berühren, stürmen Beamte auf die Kreuzung, schnappen die Aktivisten unter den Armen und ziehen sie weg. Rasch löst sich der Stau auf.
Verinnerlicht hat die Polizei ihre Blitztaktik noch nicht. Bei einer größeren Blockade drei Wochen später werden Polizisten den Aktivisten beim Ankleben zusehen.
Montag, 17. Oktober, Wien, Rossauer Lände, 7.50 Uhr. Krumpeck kommt mit einem Rollkoffer aus dem Polizeianhaltezentrum. Sonnenbaum, Thurner und zwei weitere Aktivisten empfangen sie. Spender haben ihre Ersatzfreiheitsstrafe von 42 auf 12 Tage verkürzt. "Ich bin zurück aus dem Urlaub", kokettiert Krumpeck. "Genug ausgeschlafen. Die Arbeit ruft. Ich bin gespannt, welche Aktion meine Freunde sich ausgedacht haben." Sie haben eine Blockade der Ringstraße vor der Staatsoper geplant. Die Gruppe geht zur U-Bahn. Krumpeck schaut sich um. Sie geht davon aus, verfolgt zu werden. Immerhin ist Montagfrüh.
Wien, Karlsplatz, 8.27 Uhr. Sonnenbaum verteilt auf einem Grünstreifen Banner und Schutzwesten aus seinem Lastenrad. Plötzlich sagt er: "Wir haben einen Beschatter." Kurze Pause. Hektisches Umsehen, fragende Blicke. Sonnenbaum sagt: "Ziehen wir es durch, egal, was passiert. Folgt mir." Sie gehen die Treppen hinunter zur Linie U4. Nun ist sich auch Thurner sicher: "Es sind zwei Personen." Um die Verfolger abzuschütteln, warten sie vor einem Lift und steigen in letzter Sekunde ein. Danach teilen sie sich auf, fahren Rolltreppen auf und ab, finden auf einem anderen Bahnsteig wieder zusammen. Das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei hat offenbar geklappt. Nur die "Elterntaxis" erwischen sie wegen der Verzögerung nun nicht mehr, beklagt ein Teilnehmer. Um 8.40 Uhr betreten sie bei Rot die Ringstraße, ziehen die Westen an und blockieren den Frühverkehr. Aus der gescheiterten Aktion am Gürtel haben sie gelernt. Dieses Mal setzt sich die Gruppe schon in der ersten Rotphase auf den Boden und klebt sich an, bevor Polizeisirenen zu hören sind. Der Verkehr steht für 40 Minuten.
Die ZukunftDonnerstag, 3. November, Café Prückel, 10 Uhr. Nach einer großen Blockade der linken und rechten Wienzeile sowie des Getreidemarktes am Montag ziehen Sonnenbaum und Krumpeck bei einer Pressekonferenz Bilanz. Und sie kündigen die Verlagerung des Protests in andere Bundesländer an. "In Graz, Linz und Innsbruck stehen die Aktivisten schon in den Startlöchern, andere Länder wie Salzburg und Kärnten werden folgen", sagt Krumpeck. In Wien werde es ab 9. Jänner wieder losgehen-"mit noch mehr Menschen, mit noch mehr Mut, mit noch mehr Engagement". Der große Traum: eine Autobahnblockade.
Krumpeck und Sonnenbaum tun so, als würde ihre "Bewegung" stetig wachsen. In Wahrheit hängt sie an einem seidenen Faden. Das zeigt ein Vorfall am vergangenen Montag in Berlin, für den sich nun auch die österreichischen Aktivisten rechtfertigen müssen. In Berlin war eine 44-jährige Radfahrerin unter einen Betonmischer geraten und hatte sich lebensgefährlich verletzt. Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr waren wegen Klimademonstranten, die die Stadtautobahn A 100 blockierten, verspätet am Unfallort eingetroffen. Die Aktivisten sehen die Schuld bei den Berliner Autofahrern, die keine Rettungsgasse gebildet hätten: "Wir halten prinzipiell eine Rettungsgasse frei, mindestens eine Spur steht immer zur Verfügung, wo niemand angeklebt ist", sagt Krumpeck. Kurz nach Ende der Pressekonferenz kommt die Meldung: Die Berliner Radfahrerin wurde für hirntot erklärt. Aktualisierung: Nach Einschätzung der behandelnden Notärztin hatte es keine Auswirkungen auf die Rettung der verletzten Frau, dass der Wagen nicht zur Verfügung stand.
Solche Vorfälle erhöhen den Druck auf den Gesetzgeber, Klimakleber härter zu bestrafen. Laut der aktuellen profil-Umfrage lehnen 55 Prozent der Österreicher die Aktionen der "Letzten Generation" rundum ab und fordern strengere Strafen. 27 Prozent verstehen ihre Ziele, finden die Methoden aber zu extrem. Neun Prozent befürworten die Straßenblockaden, weil alles andere gegen die Klimakrise nichts gebracht hätte. Gegner und Sympathisanten der Aktionen kommen sich bei den Klebeaktionen immer wieder in die Quere. "Es sind schon Leute gestorben wegen diesen Trotteln"-"Haben Sie Beweise? Wegen des Klimawandels sterben Millionen", so eine Diskussion auf der rechten Wienzeile vergangenen Montag.
Vorfälle wie jener in Berlin erhöhen auch den Druck auf die Aktivisten. Diese leben schon jetzt im permanenten Ausnahmezustand. Wie lange halten sie ihre extreme Protestform durch? Sonnenbaum sagt: "Ich gehe nicht von der Straße, bis unsere Forderungen umgesetzt sind oder die Todesstrafe für Klimaproteste eingeführt wird." Auch Krumpeck hat ihr Leben dem Aktivismus verschrieben und wird nicht so schnell weichen.
Caroline Thurner ist seit vier Jahren kämpferische Klimaaktivistin. Bei ihrer letzten Klebeaktion auf der rechten Wienzeile wurde sie von einer Autofahrerin mit Wasser übergossen. Im Sommer hat sie erstmals für sechs Wochen pausiert. "Ich lebe in einer Realität, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Alle leben vor sich hin, obwohl der Hut brennt. Das ist extrem belastend." Privat hat sich Thurner von allen Menschen getrennt, die sie nicht unterstützen. Ihre 23jährige Tochter arbeitet bei einem Rechtsanwalt, der die Klimaaktivisten juristisch unterstützt. "Es interessiert mich nicht mehr, über Kleinigkeiten Small Talk zu führen, ob eine Hose zu kurz oder zu lang ist, wenn unser Klimaproblem so groß ist",sagt Thurner. Diesen Zustand, an nichts mehr anderes denken zu können, nennen die Aktivsten "Klimadepression".
Wie lange wird sich die 52-Jährige noch ankleben? "Wir werden uns nie fügen. In zwei bis drei Jahren hat es aber ohnedies keinen Sinn mehr, dann sind die Kipppunkte überschritten."
Montag, 31. Oktober, Wienzeile, 8.30 Uhr. Thurner blockiert die rechte, Student Trattner die linke Wienzeile, Sonnenbaum und Studentin Mirjam die Zufahrt vom Getreidemarkt. Die Beine der 21-jährigen Studentin ragen unter die Motorhaube eines Taxis, so nahe ist es ihr gekommen. Die Scheinwerfer sind auf ihren Hals gerichtet. Sie strahlt erhobenen Hauptes zurück, scheint angekommen in ihrer "Ideologie", wie sie es bezeichnet. Der Faustschlag am Praterstern hat sie nicht entmutigt. Im Gegenteil, sie freut sich, dass Radfahrer dagegen protestierten. Um ihre berufliche Zukunft macht sie sich keine Sorgen. Sie will sich nach dem Studium selbstständig machen, in einem Umfeld, das ihren Aktivismus goutiert. Und ihre Eltern? "Die finden meinen Einsatz fürs Klima gut, machen sich aber Sorgen, wenn sie mich schutzlos auf der Straße sitzen sehen. "Sie sage ihnen dann: "Vor der Klimakrise habe ich mehr Angst."
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Mehrheit lehnt Straßenblockaden durch „Letzte Generation“ klar ab
9 % sehen darin einzige Möglichkeit, noch auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.
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Friedensappell an die Bundesregierung, Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Öffentlichkeit
Text:
Appell für den Frieden
(gerichtet an die Bundesregierung, an Mitglieder des Deutschen Bundestags und die interessierte Öffentlichkeit)
Text:
Die weltweiten Kriege und die ständig beschleunigte Hochrüstung stehen der Bewältigung der ökologischen Krise entgegen.
Die Arsenale der Atommächte und die über 400 Nuklearreaktoren weltweit sowie die ökologischen Kipp-Punkte der Klima- und anderer ökologischer Katastrophen sowie die internationale Rivalität sind eine ständig zunehmende Gefahr für die Zukunft der Menschheit. Eine Zukunft der Menschheit wird es nur geben, wenn diese eine friedliche wird. Hierbei geht es sowohl um innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Frieden als auch um den Frieden mit der Natur.
Dies erfordert eine internationale Kooperation statt Rivalität und Feindschaft.
Wir warnen, angesichts der Warnungen aus Scharm El Scheich, vor einem erneuten Zeitverlust, den sich die Menschheit nicht mehr leisten kann.
Die laut SIPRI offiziellen 2100 Jahresmilliarden (in US-$) Weltrüstungsausgaben bedingen einerseits eine Belastung der Ökosphäre mit Verbrennungsabgasen, eine Ressourcenvernichtung in ebenso existenziell schädlichem Umfang, wodurch u.a. Ressourcen für soziale Programme sowie Bildung und die Bekämpfung von Hungersnöten fehlen.
Der Vertrag zur Deutschen Einheit (2+4-Vertrag) erlegt den USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und Deutschland die Aufgabe auf, sich für eine Weltfriedensordnung einzusetzen, welche die Sicherheitsinteressen aller Staaten berücksichtigt. Dies ist der Schlüssel zur Überwindung der Rivalität.
· Wir fordern daher von der Bundesregierung im Sinne des 2+4-Vertrags, dass sie sich umgehend und mit dem nötigen diplomatischen Einsatz für eine vom UN-Generalsekretariat getragene hochrangige Verhandlungsinitiative zur Beendigung des eskalierenden Kriegs in der Ukraine einsetzt. Das gegenseitige Töten und auch die massive Umweltzerstörung durch den Krieg sind nicht länger von der internationalen Gemeinschaft der Völker hinnehmbar!
· Wir fordern eine konsequente Ökologiepolitik und eine Abkehr vom unkritischen Wachstumsdenken, um mit einem ganzheitlichen Ansatz die existenzielle Bedrohung der Zukunft des Lebens auf der Erde abzuwenden. Dementsprechend müssen auch die durch Militär bedingten Emissionen eines Staates im Inland und Ausland seiner nationalen CO2-Klimabilanz zugerechnet werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei internationalen Klimaverhandlungen dafür einzusetzen, dass es keine Herausnahme der militärisch bedingten Umweltverschmutzung bei internationalen Klimaverhandlungen mehr geben wird.
· Wir fordern eine über die UN koordinierte internationale Abrüstung statt Aufrüstung. Insbesondere fordern wir ein Ende der Nuklearrüstung, welche die Menschheit nach der Aufkündigung der nuklearen Abrüstungsverträge und gegenseitigen Vernichtungsdrohungen in ihrer Existenz gefährdet. Daher fordern wir auch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen.
Es muss jetzt endlich die Zeit der wirkungsvollen diplomatischen Initiativen und zivilgesellschaftlicher Aktivitäten im internationalen Rahmen kommen! Frieden entsteht nicht durch mehr Krieg! Kriege enden nicht im Frieden!
Nur eine Politik, die ehrlich alle Gefahrenpotentiale zeitnah angeht, kann die Zukunftsgefährdungen abwenden.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich hier eindeutig positioniert und konsequent im Rahmen internationaler Absprachen handelt!
Erstunterzeichner:
Dr. Angelika Claußen
(Co-Vorsitzende der deutschen Sektion der IPPNW (der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.) sowie Vizepräsidentin der IPPNW Europa)
Ulla Klötzer
(‚Women for Peace‘, ‚Women Against Nuclear Power‘)
Karl-Wilhelm Koch (Mitglied in der Orga-Gruppe ‚Unabhängige Grüne Linke‘)
Ekkehard Lentz
(Sprecher Bremer Friedensforum)
Prof. Dr. Klaus Moegling (Mitglied bei ‚Scientists for Future‘ und ‚Democracy Without Borders‘)
Clemens Ronnefeldt (Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes)
Bernhard Trautvetter (Sprecher des Essener Friedensforums, Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag)
Prof. Dr. Thomas Vollmer (Mitglied in der ‚Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie‘ und bei ‚Scientists for Future‘)
Renate Wanie (Vorstandsmitglied im ‚Bund für Soziale Verteidigung‘, freie Mitarbeiterin in der ‚Werkstatt für Gewaltfreie Aktion‘)
Dr. Theodor Ziegler (Mitglied bei ‚Sicherheit neu denken‘, Religionspädagoge)
Mitunterzeichner des Appells (hier werden ab dem 15.11.22 die Namen der Mitunterzeichner eingefügt.)
Zur Unterzeichnung bitte eine E-Mail senden an klaus(at)moegling.de (bitte das at durch @ ersetzen). Hier schreiben Sie formlos, dass Sie mit der Veröffentlichung auf der Webseite einverstanden sind. Des Weiteren: Angabe von Vor- und Zunamen (auch Titel, falls vorhanden) sowie Wohnort. Danke!
Eine in Washington, D.C. unterzeichnete Vereinbarung sieht vor, dass die Finanzmarktberatung von BlackRock das Wirtschaftsministerium der Ukraine unterstützt. Dabei sollen dem Land öffentliche und private Investitionen zugeführt werden.
Zitat: Das erste Meeting für eine Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Regierung unter Präsidenten Wladimir Selenskij und der international tätigen US-amerikanischen Investmentgesellschaft BlackRock fand am 19. September 2022 statt. In der Videokonferenz wurden laut Informationen der offiziellen Website des Präsidenten Selenskij die "Möglichkeiten zur Förderung öffentlicher und privater Investitionen in der Ukraine" erörtert.
Am 11. November gab das offizielle Online-Regierungsportal der Ukraine nun folgende Mitteilung bekannt:
"Das ukrainische Wirtschaftsministerium und BlackRock, die weltweit größte Investmentgesellschaft, haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der sie sich auf einen Rahmen für die beratende Unterstützung bei der Entwicklung einer speziellen Plattform einigen, die privates Kapital für die Erholung und Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft anziehen soll."
Die Mitteilung informiert darüber, dass die Vereinbarung am 10. November 2022 in Washington, D.C. unterzeichnet wurde. Die "erste stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin" der Ukraine, Yulia Svyrydenko, als dort bei der Unterzeichnung Anwesende wird mit den Worten zitiert:
"Es ist sehr wichtig für uns, der ganzen Welt zu zeigen, dass der Krieg Investitionen in der Ukraine nicht ausschließt. Schließlich sind Investitionen der Schlüssel für eine künftige schnelle und effektive wirtschaftliche Erholung. Daher haben wir hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit mit der FMA-Abteilung von BlackRock. Wir hoffen, dass diese 'Erholungsplattform' zu einem wirksamen Mechanismus für die Mobilisierung von Investitionen in Schlüsselsektoren unserer Wirtschaft wird."
Die Mitteilung über die Zusammenarbeit wurde zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als in medialen Berichten auch über die Folgen des Insolvenzantrages der Kryptowährungs-Handelsplattform FTX und mögliche Verluste von Millionen- wenn nicht sogar Milliarden-Investitionen der ukrainischen Regierung in dieser Handelsplattform gemutmaßt wurde:
Als Ergebnis der Verhandlungen und als zukünftige Ziele der Zusammenarbeit wurde nach der gemeinsamen Videokonferenz im September folgendes Statement seitens der ukrainischen Regierung abgegeben:
"Dies könnte eine Beratung über die Struktur, den Investitionsprozess, die Verwaltung und die Verwendung der Erlöse eines Fonds beinhalten. Ziel des Fonds wäre es, öffentlichen und privaten Anlegern die Möglichkeit zu geben, sich am Wiederaufbau und an der Verjüngung der Marktwirtschaft in der Ukraine zu beteiligen, indem den Anlegern faire und gerechte Renditen geboten werden."
Wladimir Selenskij wird mit den Worten zitiert:
"Wir haben gezeigt, dass wir wissen, wie man auf dem Schlachtfeld gewinnt. Eine weitere wichtige Aufgabe für uns ist es, auch in der Wirtschaft Siege zu erringen und ein attraktives Land für Investoren zu sein."
Im März 2022 hatte der CEO Laurence D. Fink von BlackRock in einem Brief an seine Aktionäre betont, dass das Unternehmen "an der Seite des ukrainischen Volkes steht, das im Angesicht der gnadenlosen Aggression wahren Heldenmut bewiesen habe" (FAZ-Artikel mit Bezahlschranke). DieNew York Timesnannte in einemArtikelüber die Videokonferenz zwischen Wladimir Selenskij und "Larry" Fink eine "weltweite Vermögenssumme" von BlackRock in Höhe von geschätzten 8,5 Billionen Dollar. Bevorstehende Beratungen der Investmentgesellschaft würden auf der langjährigen Zusammenarbeit mit "mit Finanzinstituten, Aufsichtsbehörden und Regierungen" basieren.
Viele der "öffentlichen und privaten Kreditgeber der Ukraine", darunter auch BlackRock, hätten bereits "einem Zahlungsstopp für Schulden in Höhe von mehreren Milliarden Dollar zugestimmt", so behauptet der Artikel in der New York Times.
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Nach Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX: Auch Ukraine verliert Milliarden
Der Zusammenbruch der Kryptowährungs-Handelsplattform FTX zieht immer weitere Kreise. Neben dem mutmaßlichen Diebstahl im Wert von über 600 Millionen US-Dollar soll auch die Ukraine durch ihr Investment bei FTX Gelder in Milliardenhöhe verloren haben.
Zitat: Manche sprechen für Kryptowährungen bereits von einem Moment analog zu Lehman Brothers. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2007 hatte eine Kaskade an Insolvenzen ausgelöst, die schließlich in kürzester Zeit in einer weltweiten Finanzkrise endete.
Mit dem Zusammenbruch des Handelsplatzes für Kryptowährungen FTX fühlen sich viele Experten an 2007 erinnert. Es drohen Folgepleiten, durch welche die Kryptowährungs-Branche nachhaltig und dauerhaft geschädigt werden könne. Die Kurse für Kryptowährungen sind tief eingebrochen. Der Bitcoin hat beispielsweise innerhalb der letzten Woche fast ein Viertel seines Wertes verloren.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Pleite der bislang drittgrößten Handelsplattform FTX zudem zeigt, dass Kryptowährungen gleich in mehrerer Hinsicht nach wie vor keine sicheren Anlageformen sind. Zum einen können sie schlicht zusammenbrechen oder komplett an Wert verlieren. Zum anderen deuten mysteriöse Abflüsse bei FTX wiederum darauf hin, dass Kryptowährungen jederzeit sabotiert werden können.
Die britische Analysefirma Elliptic vermutet, dass am Freitag – unmittelbar nach der Ankündigung von FTX, Insolvenz beantragen zu wollen – Kryptowährungen im Wert von etwa 467 Millionen US-Dollar auf der Plattform gestohlen worden seien. Inzwischen beläuft sich die vermutete Summe auf über 600 Milliarden US-Dollar, die unauffindbar seien.
Zudem hat der Zusammenbruch übrigens auch weitreichende Konsequenzen für die Ukraine. Noch im März hatte der ukrainische Präsident Selenskij angekündigt, mit ihm anvertrauten Hilfsgeldern auf der Krypto-Handelsplattform FTX spekulieren und die Gelder so vermehren zu wollen. Dieses Geld ist nun offenbar vernichtet. Zudem wird vermutet, dass die USA der Ukraine über FTX auch anonym weitere Finanzmittel zum Kauf von Waffen überwiesen hatten. Im Gegenzug soll die Ukraine – ebenfalls über FTX – der "Demokratischen Partei" in den USA Wahlkampfunterstützung geleistet haben, wird gemutmaßt. Sollten sich die Gerüchte bestätigen, würde dies noch eine Ausweitung des korrupten Netzwerkes zwischen Bidens "Demokraten" und ukrainischen Regierungskreisen bedeuten.
Wie die in Österreich ansässige Nachrichtenplattform exxpress unter Berufung auf die Hal Turner Radio Showschreibt, steht zudem der Verdacht im Raum, dass die Ukraine Milliarden an "regulärer" westlicher Militärhilfe bei FTX investiert habe. Damit hätte die Pleite von FTX auch unmittelbaren Einfluss auf die weiteren militärischen Fähigkeiten des Landes sowie den Kriegsverlauf in der Ukraine.
Experten warnen immer wieder vor Investitionen in Kryptowährungen. Die Investments gelten als hochspekulativ.
Der Gründer der Handelspattform FTX, Sam Bankman-Fried (Jahrgang 1992 aus Stanford), ist von seinem Posten als CEO zurückgetreten. Er wird aktuell auf den Bahamas befragt, wohin die Plattform im September 2021 von ehemals Hongkong ihren Hauptsitz verlegt hatte.
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Weiteres:
Absturz der US-Tech-Branche: Amazon verliert als erste Firma eine Billion Dollar an Marktwert
Eine Kombination aus steigender Inflation, Rückgang des Online-Geschäfts und enttäuschenden Gewinnmeldungen löste in diesem Jahr einen historischen Ausverkauf der Amazon-Aktie aus. Nun ist Amazon das erste börsennotierte Unternehmen der Welt, das eine Billion Dollar an Marktwert verliert. Für andere in der Branche lief es jedoch nicht besser.
Zitat: Der US-Konzern Amazon schrieb im Jahr 2018 Geschichte, als er als zweites Unternehmen nach Apple die Billionen-Dollar-Marke beim Börsenwert an der Wall Street knackte und somit dem prestigeträchtigen Klub der Ein-Billionen-Dollar-Bewertungen beitrat. Nun hat Amazon einen weiteren, zugegebenermaßen weniger wünschenswerten Meilenstein erreicht. Denn in dieser Woche wurde Jeff Bezos' online Marktplatz für nahezu alles zu dem ersten börsennotierten Unternehmen, das in der Tech-Aktien-Krise eine Billion Dollar an Marktwert verloren hat.
Die unglaublichen Zahlen, die zuerst von Bloomberg veröffentlicht wurden, sind demnach das Ergebnis einer sich zunehmend verschlechternden Weltwirtschaft und einer massiven Anlegerflucht, die sich infolge wiederholt nicht zufriedenstellender Gewinnberichte des Unternehmens einstellte. Der Aktienkurs des weltgrößten Online-Einzelhändlers lag am Mittwoch bei 86,14 Dollar, wodurch seine Marktkapitalisierung auf etwa 879 Milliarden Dollar sank. Allein in diesem Jahr verlor die Amazon-Aktie rund 48 Prozent ihres Wertes.
Der Softwareentwickler Microsoft, der im vergangenen Jahr kurzzeitig Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt ablöste, lag mit einem Wertverlust von rund 900 Milliarden Dollar nicht weit hinter Amazon zurück. Zusammengenommen zeigen die Rückgänge der beiden Unternehmen die Auswirkungen eines miserablen Jahres, das die meisten Tech-Unternehmen am liebsten schnell vergessen würden. Jedoch sind diese Rückgänge nicht nur auf Amazon und Microsoft beschränkt. Die fünf wertvollsten US-Tech-Unternehmen haben Berichten zufolge in diesem Jahr zusammen rund 4 Billionen US-Dollar an Wert verloren.
"Wir sehen überall Anzeichen dafür, dass die Budgets der Menschen angespannt sind, die Inflation immer noch hoch ist und die Energiekosten durch andere Probleme zusätzlich steigen", erklärte Amazon-Finanzchef Brian Olsavsky Ende Oktober gegenüber Reportern. "Wie die meisten Unternehmen bereiten wir uns auf eine Zeit vor, in der das Wachstum langsamer sein könnte."
So wundert es nicht, dass im vergangenen Monat vor allem Amazon mit Zahlen zum dritten Quartal enttäuschte, die weit hinter den Erwartungen der Anleger zurückblieben. Und Besserung ist vorerst nicht in Sicht: Auch im vierten Quartal rechnet das Unternehmen lediglich mit einem Wachstum von zwei bis acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Denn wie viele andere Unternehmen hat auch Amazon den Online-Boom zu Beginn der Corona-Pandemie überschätzt. Nun aber ist das Online-Geschäft zu früheren Trends zurückgekehrt – und zudem lasteten die schwächelnde Konjunktur und verstärkte Konkurrenz im Einzelhandel auf den Erlösen.
"Im makroökonomischen Umfeld tut sich offensichtlich eine Menge", gestand Amazon-CEO Andy Jassy nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des dritten Quartals ein. "Und wir werden unsere Investitionen ausbalancieren, um schlanker zu werden, ohne unsere wichtigsten langfristigen, strategischen Ziele zu gefährden." Positiv ist jedoch anzumerken, dass es Amazon im Gegensatz zu anderen Tech-Giganten – wie etwa Facebook – bisher gelungen ist, Massenentlassungen zu vermeiden. Erst am Mittwoch wurde offiziell bekannt, dass der Facebook-Konzern Meta angesichts erheblicher finanzieller Probleme mehr als 11.000 Mitarbeiter entlassen muss. Das entspricht etwa 13 Prozent der gesamten Belegschaft.
Aber auch wenn dieses Schwert an Amazon bisher vorbeigegangen ist, heißt das noch lange nicht, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Denn Anfang November hat der weltweit größte Einzelhändler aufgrund des anhaltenden wirtschaftlichen Gegenwinds und des teuren Sparkurses des Unternehmens unter CEO Jassy einen vorläufigen Einstellungsstopp verhängen müssen. Personalchefin Beth Galetti begründete den Schritt, der für die nächsten Monate gelten soll, unter anderem mit den unsicheren wirtschaftlichen Aussichten.
"Wir sehen uns mit einem ungewöhnlichen makroökonomischen Umfeld konfrontiert und wollen unsere Einstellungen und Investitionen mit Bedacht auf diese Wirtschaft vornehmen", erklärte Galetti. "Es ist nicht das erste Mal, dass wir mit unsicheren und schwierigen Wirtschaftslagen konfrontiert sind. Wir hatten zwar mehrere Jahre, in denen wir unseren Personalbestand auf breiter Basis erweitert haben. Aber es gab auch mehrere Jahre, in denen wir den Gürtel enger geschnallt haben und bei der Anzahl der Mitarbeiter, die wir eingestellt haben, schlanker vorgegangen sind. Da wir jetzt weniger Mitarbeiter einstellen müssen, sollte dies jedem Team die Möglichkeit geben, die Prioritäten für die Kunden und das Unternehmen weiter zu setzen und produktiver zu sein."
Bei näherer Betrachtung sagen die rekordverdächtigen Bewertungsverluste wohl ebenso viel über die Eigenheiten der modernen Weltwirtschaft aus, wie über die einzelnen Unternehmen. Vor vier Jahren war Apple das erste Unternehmen, das die Bewertungsmarke von einer Billion Dollar erreichte. In den darauffolgenden Jahren gelang es dem Smartphone-Hersteller gar, seine Bewertung kurzzeitig zu verdreifachen. Auch ein halbes Dutzend anderer Unternehmen, darunter Amazon, Microsoft, Meta und Saudi Aramco, haben es geschafft, die Rekordmarke von einer Billion Dollar zu übertreffen. Im Jahr 2022 geht es allerdings nicht mehr um Unternehmen, die die Billionen-Dollar-Marke knacken, sondern vielmehr um diejenigen, die denselben Betrag verlieren und trotzdem immer noch ein unvorstellbares Maß an Wohlstand bewahren können.
Zwar hat der Einbruch des Amazon-Aktienkurses auch das Nettovermögen von Amazon-Gründer Jeff Bezos beeinträchtigt. Im Gegensatz zum durchschnittlichen Arbeitnehmer kann sich der Milliardär aber dennoch weiterhin eines für die meisten Menschen nicht fassbaren Vermögens erfreuen. Demnach besitzt der viertreichste Mensch der Welt jetzt "nur noch" 113 Milliarden Dollar – 79,5 Milliarden Dollar weniger, als noch zu Beginn des Jahres, wie der Bloomberg Billionaires-Index zeigt.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
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14.11.2022
"Der Untergang des Abendlandes" Oswald Spengler (I von II)
Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte ist das kulturphilosophische Hauptwerk von Oswald Spengler. Der erste Band Gestalt und Wirklichkeit wurde von 1918 an in erster und zweiter Auflage im Verlag Braumüller in Wien herausgegeben, der zweite Band Welthistorische Perspektiven erschien 1922 beim Verlag C. H. Beck in München. Die weiteren Auflagen seit 1923 revidieren die älteren Teile des Gesamtwerkes in einigen, meist sprachlichen Punkten.Spengler vergleicht das europäisch-nordamerikanische Abendland unter kulturmorphologischen Gesichtspunkten mit sieben anderen Hochkulturen. Er entwirft so das Panorama einer spezifischen Geschichtsphilosophie. Sie reflektiert die Erfahrungen der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges und zeigt sich von den revolutionären Begleitumständen der Epoche inspiriert. Als Philosoph empfiehlt er indes den „Blick auf die historische Formenwelt von Jahrtausenden […] wenn man wirklich die große Krisis der Gegenwart begreifen will.“
Der Autor war schon 1904 in seiner DissertationDer metaphysische Grundgedanke der heraklitischen Philosophie zu Ansätzen eines Vergleiches gelangt. Diese Ansätze betrafen bereits die Entwicklung der antiken bzw. der abendländischen Kultur. Interkulturelle Vergleiche zwischen Ereignissen (auch künstlerischer und geistesgeschichtlicher Art) waren zu Spenglers Zeit zwar keineswegs neu und sogar schon in der einflussreichen Geschichtsphilosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels angelegt, dessen Einfluss auf Spengler nicht zu unterschätzen ist;[1] aus der Verbindung mit einer eigenen Philosophie entwickelte Spengler indes bereits in seiner Dissertation – und jetzt systematisch in seinem Hauptwerk – ein metaphysisch verwurzeltes System, welches den Anspruch erhebt, die gesamte höhere Kulturgeschichte zu erklären und sogar kommende Entwicklungen vorauszusagen: In seinem Buch werde „zum ersten Mal der Versuch gewagt, Geschichte vorauszubestimmen.“
Die Prognose der künftigen Entwicklung des Abendlandes formuliert die berühmte These des „Untergangs“, verstanden als notwendiger und im Grunde „natürlicher“ Abschluss einer vorausgehenden Blüte- und anschließender längerer Abstiegszeit, mit nachfolgender charakteristischer „Fellachen-Unkultur“. Diese Interpretation ersetzt die vor dem Ersten Weltkrieg noch weitverbreitete Vorstellung eines kontinuierlichen und geschichtsnotwendigen Fortschritts der Menschheitsgeschichte.
Der Haupttitel, der seit 1912 feststand, war immer wieder Anlass zu Missverständnissen. In seiner düster akzentuierten Formulierung ging er auf Otto Seecks 1895 bis 1921 erschienene Geschichte des Untergangs der antiken Welt zurück. Spenglers Titel bezieht sich nicht auf einen einmaligen, katastrophalen Einschnitt im Verlauf der abendländischen Geschichte, sondern auf einen Prozess von mehreren Jahrhunderten Dauer, an dessen Beginn die westeuropäische Geschichte seines Erachtens stehe.
Spengler wehrte sich ausdrücklich gegen die pessimistische Auslegung seines Buchtitels: „Der Begriff einer Katastrophe ist in dem Worte nicht enthalten. Sagt man statt Untergang Vollendung, (…) so ist die ‚pessimistische‘ Seite einstweilen ausgeschaltet, ohne daß der eigentliche Sinn des Begriffs verändert worden wäre.“[2] In seiner 1921 erschienenen Verteidigungsschrift Pessimismus? mokiert Spengler sich über das Missverständnis, „‚Untergang‘ werde oft im Sinne des Untergangs eines Ozeandampfers verstanden“.
Der Untertitel des philosophischen Werkes liegt der Hauptthese Spenglers näher als der alarmierende Haupttitel: Er kennzeichnet die Weltgeschichte als immer wiederkehrenden Aufstieg und Niedergang von Kulturen und Zivilisationen.
Philosophische Grundlagen
Grundbegriffe
Spenglers philosophische Grundlagen einschließlich der Morphologie sind eklektische Neuarrangements traditioneller und (zum damaligen Zeitpunkt) aktuell-zeitgenössischer Philosopheme. Seine Vorbilder waren Johann Wolfgang von Goethes Morphologie und Friedrich Nietzsches Auffassung von Leben, Geist und Seele. Zentralität beanspruchte der lebensphilosophische Begriff des Daseins als „kosmische Flutungen“. Ständiges Werden und Vergehen sei deren Kennzeichen. Die näheren Bestimmungen des Lebens umschreibt Spengler mit den Begriffen:
Takt und Spannung: Das kosmische Gerichtetsein eines Lebensstromes (Takt) unterscheidet sich vom verstandes- und vernunftmäßig gliedernden, aber zum Dasein bloß hinzutretenden Wachsein der höheren Tierarten einschließlich des Menschen.
Gestalt und Gesetz: In Anlehnung an die Gestalttheorie, wie sie durch Christian von Ehrenfels formuliert wurde, ging Spengler von zwei Möglichkeiten der Welt-Auffassung und des Weltverstehens aus. Der intuitiv erfassbare Lebenszusammenhang unterscheide sich von dessen mechanistischer Auffassung nach Kausalitätsprinzipien. Spengler spricht darüber hinaus auch von „Physiognomik“ und „Systematik“.
Wille zur Macht (entlehnt aus Nietzsches Also sprach Zarathustra): Das Leben sei ein ständiges Mehr-Werden- und Überwältigen-Wollen, ein Drang nicht nur nach Dasein, sondern nach Herrschaft:
„Was wir heute gern als Lebensenergie (Vitalität) bezeichnen, jenes ‚es‘ in uns, das vorwärts und aufwärts will um jeden Preis, der blinde, kosmische, sehnsüchtige Drang nach Geltung und Macht, […] das Gerichtetsein und Wirkenmüssen ist es, was überall unter höheren Menschen als politisches Leben die großen Entscheidungen sucht und suchen muß, um ein Schicksal entweder zu sein oder zu erleiden. Denn man wächst oder stirbt ab. Es gibt keine dritte Möglichkeit.“[3]
Spengler partizipiert mit der Vorstellung eines Urkrieges, der die Grundbedingung allen Lebens sei – er spricht auch vom Krieg als „Urpolitik alles Lebendigen“ –, an sozialdarwinistischen Ideologien. Eine Verwandtschaft seines Weltbildes mit der Philosophie Henri Bergsons dürfte eher auf Zufälligkeiten beruhen, da Spengler Bergsons Schriften erst nach Beendigung seines Hauptwerkes rezipierte.[4]
Morphologie und Geschichtsphilosophie
Der morphologische Ansatz geht auf Spenglers Rezeption Goethes zurück. Seit dem 19. Jahrhundert wurden Lebewesen (Pflanzen) unter der Optik dynamischer Einheiten aufgefasst. Ein so aufgefasstes morphologisches Verständnis erschließt sich an der Erkenntnis lebendig sich entwickelnder Formen (nach Goethe), speziell in der Annahme, sie durchliefen Phasen der Jugend, der Reifung, des Alterns und des Absterbens. Spengler überträgt die Morphologie als Methode der Naturerkenntnis auf die Erkenntnis der Geschichte. Die „Welt als Geschichte“ erschließe sich erst in der Erfassung ihrer biologischen Wesenheit. Die kosmischen Flutungen des Lebens ergössen sich nicht willkürlich in das chaotische Weltgeschehen, sondern würden sich dem philosophischen Blick zu Einheiten von großer innerer Homogenität ordnen, zu Hochkulturen und ihrem historischen Verlauf. Spenglers Methode läuft also auf ein organologisches Weltbild mit lebensphilosophischen Akzenten hinaus. Nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch die künstlichen Äußerungsformen des Menschen, Kunst, Gesellschaft, Politik, Staat sind für ihn Lebenseinheiten. Diese wiederum würden die Geschichte in ihrem unabänderlichen Prozess bestimmen. Die dabei benutzten ursprünglich biologischen Termini waren für Spengler keine Metaphern, vielmehr hielt er sie real-naturalistisch für adäquate Begriffe zur Beschreibung politisch-gesellschaftlicher Prozesse. Der Historiker Alexander Bein urteilt, dadurch habe Spengler seine Kulturschau in den Bereich des Mythos gerückt.[5]
Hochkultur
Unter dem Vorzeichen der morphologischen Geschichtsbetrachtung postuliert Spengler die Hochkultur als die vornehmste Einheit und Trägerin der Weltgeschichte: „Kulturen sind Organismen. Weltgeschichte ist ihre Gesamtbiographie.“
Kulturen sind für Spengler sozusagen Riesenpflanzen, die aus einer mütterlichen Landschaft heraus geboren werden, wachsen, reifen und schließlich verfallen. Die Dauer einer jeden Hochkultur setzt Spengler etwa mit einem Jahrtausend an. Spengler identifiziert für die zurückliegenden 5.000 Jahre insgesamt „acht Hochkulturen“:
Babylonische Kultur: seit ca. 2600 v. Chr. im heutigen Nahen Osten. (Diese Kultur erreichte nach Spengler mit dem Altbabylonischen Reich ihren Höhepunkt, begann aber mit dem Übergang von der Vorherrschaft der Sumerer – die Spengler überwiegend als Vorkultur ansah – zum Reich von Akkad.)
Aztekische Kultur: seit ca. 200 n. Chr. im Hauptgebiet Mittelamerika.
Abendländische Kultur: seit 900 n. Chr. in Westeuropa, später auch Nordamerika.
Mit der neunten, der russischen Kultur identifiziert Spengler einen weiteren Kultur-Organismus, dem die Zukunft des kommenden dritten Jahrtausends gehöre.
Spengler nimmt für jede Kultur eine Zeit der Vorbereitung, eine so genannte „Vorkultur“ an. Für die abendländische Kultur repräsentiert die Zeit der Merowinger und Karolinger (500–900 n. Chr.) die Periode der kulturellen Vorwegnahme der Hochkultur der „Gotik“.
Der Sinn der Geschichte erfülle sich im Werden und Vergehen dieser Hochkulturen, nicht etwa in linearen Geschichtsvorstellungen wie dem Schema Altertum – Mittelalter – Neuzeit. Spengler betrachtet diese Erkenntnis als die kopernikanische Wende in der Geschichtsbetrachtung.
Kulturverlauf
Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit
Die Hochkulturen seien untereinander gleichberechtigt. Es gebe keine Geschichte ‚der Menschheit‘, sondern nur eine Geschichte (isolierter) Kulturen. Als Individuen höherer Ordnung würden die acht Hochkulturen einen morphologischen Vergleich gestatten:
Sämtliche Hochkulturen besäßen eine analoge Geschichte, einen sich jeweils entsprechenden inneren Bau. Sie besäßen sämtlich ihre Frühzeit, ihre Hochblüte, ihr Verfallsstadium und schließlich ihr Sterben.
Dies gestatte es, die Zukunft noch nicht abgeschlossener Kulturen zu prognostizieren. Die abendländische Kultur gehe ihrem Ende entgegen, und die russische Kultur blühe auf.
Gleichzeitigkeit
Somit gelangt Spengler zu einem (semantisch eher ungewöhnlichen) Begriff von „Gleichzeitigkeit“. Geschichtsphilosophisch gewendet, meint er nicht die absolute Zeitidentität, sondern die relative Lage sich entsprechender Ereignisse in verschiedenen Kulturen.
Am besten stellt man sich Spenglers Standpunkt wie folgt vor: Mit dem Heranreifen einer neuen Hochkultur beginnt gleichsam immer wieder eine neue „Zeitrechnung“: sozusagen das erste, zweite, dritte (usw.) Jahrhundert nach Kulturbeginn. Das „erste“ antike Jahrhundert wäre die Zeit von etwa 1100–1000 v. Chr., das „erste“ abendländische 900–1000 n. Chr. Folglich nimmt Spengler diese beiden Perioden als gleichzeitig (im Sinne der Kulturentwicklung) an. Einige Beispiele (vorwiegend aus dem Vergleich der antiken und abendländischen Geschichte) mögen der Veranschaulichung dienen:
HomersIlias und Odyssee (8. Jahrhundert v. Chr.) und das abendländische Nibelungenlied (13. Jahrhundert) seien gleichzeitig zu denken, da sie jeweils etwa in das 3./4. Jahrhundert nach Kulturbeginn fallen würden.
Konfuzius in der chinesischen und Immanuel Kant in der abendländischen Kultur entsprächen sich: jeweils etwa im 9. Jahrhundert nach Beginn der Kultur.
Spenglers behauptete Gleichzeitigkeiten ergeben mitunter Abweichungen von mehreren Jahrzehnten bis zu über einem Jahrhundert. Spengler erklärt dies durch die unterschiedlichen Tempi, mit welchen die einzelnen Phasen einer Kultur durchlaufen werden, z. B. die langsame bürgerliche Revolution, die es seines Erachtens in der griechischen Antike gab, gegenüber der schnellen im Abendland. Entscheidend in Spenglers Konzeption ist nicht die absolute Dauer einer Phase, sondern die gleiche Lage der Phasen untereinander.
Organische Kulturentwicklung
Die noch „seelenhafte“ Frühzeit gebäre stets einen Mythos großen Stils (antik: die olympischen Götter, abendländisch: den germanischen Katholizismus, entsprechende Religionsbildungen in Indien, China, Mexiko, sowie das Urchristentum zur Zeit Jesu). Zugleich träten die neuen politischen Mächte hervor, Adel und Priestertum, die er als die beiden Urstände jeder Kultur ansieht.
Die Kunst jeder frühen Kultur zeige eine neue Leidenschaft, eine Durchseelung je eigener Art (antik: Dorik, abendländisch: gotische Dome), und die Philosophie beginne sich neu zu regen. Gleiches gelte für die Dichtkunst (antik: Homer, abendländisch: die Heldenepen).
Mit der Zeit gehe die politische Verfassung vom Lehnsverband zum Ständestaat über. Das landverbundene Leben der Frühzeit weiche einer Stadtkultur, in der zunehmend der Dritte Stand(tiers), das Bürgertum, eine Rolle spiele. Später, im Zustand der Zivilisation, trete mit dem Proletariat ein Vierter Stand hinzu. Abseits bleibe das Bauerntum, von Spengler mit „Nichtstand“ bezeichnet, der ursprünglicher ist als die übrigen Stände, von diesen aber verachtet und politisch ignoriert werde.
Den Höhepunkt der Kulturentwicklung bilde jedes Mal der Absolutismus, den Spengler für die Antike mit der attischen Demokratie zur Zeit des Perikles, für den Okzident mit dem Staatswesen des 17. und 18. Jahrhunderts identifiziert.
Für Spengler gelangten auch Kunst und Philosophie stets „gleichzeitig“ auf ihren Gipfelpunkt: Platon und Aristoteles seien im Abendland in der Person Kants, in China mit Konfuzius wiedergekehrt. Dementsprechend kennten auch die anderen Kulturen ihre Aufklärung, den Rationalismus als „Religion“ der Gebildeten. Die Vollendung der Kultur sei jedoch gleichbedeutend mit deren Ende.
Kultur und Zivilisation
Die letzte Phase einer Kultur nennt Spengler „Zivilisation“, ein Begriff, der in der deutschen Tradition als Antonym zu Kultur verwendet wurde. Spengler ordnet die beiden Zustände erstmals historisch an. Zivilisation sei der Tod der Kultur, genauer: Der Kulturtod vollziehe sich, indem Kultur in Zivilisation übergeht. Den späten Zustand der Zivilisation charakterisiere:
das Greisenhafte statt des Jugendlichen, Geschichtslosigkeit,
Künstlichkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche,
Herrschaft der anorganischen Weltstadt anstelle des lebensvollen bäuerlich geprägten Landes,
kühler Tatsachensinn anstelle der Ehrfurcht vor dem Überlieferten,
Imperialismus und die Heraufkunft formloser Gewalten.
Jede Kultur durchlaufe eine Phase umfassender Weltkriege, barbarischer Gewaltorgien und Kämpfe um die Endherrschaft. Spengler nennt sie in Anlehnung an eine Periode der chinesischen Geschichte die „Zeit der kämpfenden Staaten“.
Nach dem Übergang der Kultur in Zivilisation verschwinde allmählich die gesamte kulturfähige Bevölkerung, indem sie in den Vernichtungskriegen der Zivilisationskrise sich selbst zerstöre bzw. durch einen Drang, nur noch als Individuum zu existieren, die Produktion von Nachkommen vernachlässige. Das ehemalige Kulturgebiet würden am Ende primitive, nicht entwicklungsfähige Volksmassen bewohnen, die Fellachen.
Den Endzustand der Zivilisation sieht Spengler für die Antike mit dem Beginn des Imperium Romanum gekommen, für das Abendland mit Napoleon, für den Orient mit dem Osmanischen Reich, für China im, wie er meint, geschichtslosen Auf und Ab der Kaiserzeit, für Ägypten mit dem Anbruch des Neuen Reiches. Spengler nennt den Zustand der Zivilisation (nach der Überwindung der Krise ihrer Entstehung) auch die Epoche des Weltfriedens. Dieser beruhe jedoch nur auf der Schicksalsergebenheit der breiten Massen, während die großen Cäsaren und Diktatoren um Macht und Einfluss gerungen hätten.
Kultur-Charakteristik
Apollinisch, magisch, faustisch
Jede Kultur besitze ihre eigene Seele, die sie aus der mütterlichen Landschaft empfangen habe, in der sie geboren worden sei. Und jede Kultur präge den Menschen, die in ihren Bann gerieten, diese Seelenhaftigkeit auf. Darum glichen sich zwar die Abläufe der Kulturen, nicht aber ihr Stil und folglich auch nicht ihre Äußerungsformen. Spengler benennt drei der acht Hochkulturen gesondert, um deren inneres Weltgefühl zu charakterisieren:
Antike: apollinisch (nach Nietzsche, also sinnlich-gegenwartsorientiert, ahistorisch fühlend, im endlichen Kosmos verharrend, statisch)
Orient/Arabien: magisch (das heißt geheimnisvoll in die Welt hineingeworfen, dualistisch empfindend)
Abendland: faustisch (gewaltig ins Unendliche strebend, historisch denkend, dynamisch)
Darum nähmen die „Entsprechungen“ in den verschiedenen Kulturen jeweils eine stark divergierende Form an, zum Beispiel:
Architektur: Antiker Tempel gegen arabische Moschee und gotischen Dom (mit seiner unendlichen Vertikaltendenz)
Kunst: Antike Plastik als reine „Gegenwart“, „faustische“ grenzenlose Musik im Abendland
Religion: Antike Götter körperlich und fast menschlich, arabisches Ringen der Mächte des Lichtes und der Finsternis, abendländischer Gott als unendliche Kraft
Moral: Antike Haltungsmoral und Toleranz, dagegen arabische Schicksalsergebung und westeuropäische Intoleranz
Staat: Antiker Stadtstaat, abendländische Tendenz zum Flächenstaat
Kulturbeziehungen
Spengler bestritt, dass es zwischen verschiedenen Kulturen einen Austausch oder eine gegenseitige Befruchtung geben könne. Rezeptionen anderer oder Renaissancen älterer Kulturen hielt er für Fiktion. Der Philosoph Anton Mirko Koktanek beschreibt Spenglers Vorstellung von Kulturen als „fensterlose Monaden“.[7] Zwar gibt es bei ihm immer wieder Beziehungen zwischen Kulturen, die aber nicht mit wirklichem seelischen Austausch zu verwechseln seien. Die jeweils ganz andersartige Disposition des Weltgefühls und des Weltverstehens verhindere eine echte Kommunikation. So sei der Buddhismus zwar von Indien nach China und das Christentum vom Orient nach Westeuropa gelangt, das bedeute jedoch nicht, die Menschen beider Kulturkreise hätten unter den gleichen Worten und Formeln auch dasselbe verstanden. Analoges gelte für unser Verhältnis zur Antike, einer nach Spengler dem Abendland zutiefst fremden Welt.
Das grundsätzliche gegenseitige Nicht-Verstehen treibe zuweilen katastrophale Blüten. Fehlende interkulturelle Empathie habe zum Beispiel im frühen 16. Jahrhundert den Kulturkrieg abendländischer Eroberer gegen die mexikanische Kultur und deren sinnlose Auslöschung verursacht. Spengler ist in diesem Punkt durchaus Pessimist; ein solcher komplexer Zusammenstoß von Hochkulturen könne sich, unter veränderten Vorzeichen, jederzeit wiederholen.
Politisches, kulturübergreifendes Handeln werde durch gegenseitiges Missverstehen (d. h. durch einen Mangel an Kenntnis der anderen Kultursprache) problematisch, denn:
„Der Mensch einer fremden Kultur kann Zuschauer sein und also beschreibender Historiker des Vergangenen, aber niemals Politiker, d. h. ein Mann, der die Zukunft in sich wirken fühlt. Besitzt er nicht die materielle Macht, um in der Form seiner eigenen Kultur handeln und die der fremden mißachten oder lenken zu können […], so steht er den Ereignissen hilflos gegenüber. Der Römer und Grieche dachte immer die Lebensbedingungen seiner Polis in die fremden Ereignisse hinein, der moderne Europäer blickt überall durch die Begriffe Verfassung, Parlament, Demokratie hindurch auf fremde Schicksale, obwohl die Anwendung solcher Vorstellungen auf andere Kulturen lächerlich und sinnlos ist.“[8]
Pseudomorphose
Als Sonderfall der Kulturbeziehung definiert Spengler das Phänomen, dass sich eine bestehende Kultur lastend über die Landschaft ausbreite und andere, gerade aufblühende Kulturen in ihre Formen zwinge (wenn auch nicht in ihre „Seelenhaftigkeit“). In Anlehnung an einen Begriff aus der Mineralogie nennt Spengler dies eine „historische Pseudomorphose“.
Die Spätantike habe sich in diesem Sinne hinderlich über die arabische Kultur gelegt und jahrhundertelang deren äußere Gestalt gefälscht. Erst der Islam habe sie von der antiken Erblast befreit. Im Jahre 732 habe Karl Martells Sieg über die vordringenden moslemischen Heere das gesamte Abendland davor bewahrt, einer orientalischen Pseudomorphose zu verfallen. Im 17. Jahrhundert habe die gereifte abendländische Kultur seit Peter dem Großen dem Russentum eine Form aufgezwungen, welche ihm nicht gemäß gewesen sei. Die Pseudomorphose dauere noch an, da der Bolschewismus nur ein weiterer kulturfremder Westimport sei.
Einzelfragen
Antidemokratische Tendenz
Spenglers Vorstellung vom notwendigen Übergang der politischen Verfassungen in den Cäsarismus (Kaiserzeit) des Spätzustandes der Zivilisation schließt eine antidemokratische und antiliberale Haltung ein. Der Philosoph, seiner eigenen Überzeugung nach national-konservativ, feierte das Preußentum als die abendländische Wiederholung der antiken römischen Expansion. Er träumte von der Zukunft des Imperium Germanicum, welches die zerfallende abendländische Kultur noch einmal zur Gänze zusammenfassen und ordnen sollte.
Die bürgerliche Revolution von 1789, die Ideale von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, führten seiner Meinung nach nur die Herrschaft des Geldes herauf. Der Kapitalismus aber unterhöhle die Gesellschaftsstruktur und wende sich letzten Endes gegen seine eigenen Grundlagen der freiheitlichen Verfassung. Dadurch gehe die Herrschaft des Dritten Standes schließlich auf die des Vierten Standes, der formlosen Masse der Weltstädte, über, genauer gesagt auf diejenigen, die diese Zivilisationsmassen als Dompteure in den Dienst ihrer eigenen Machtabsichten nehmen können. Das Resultat sei der Verfall der Demokratie und die anbrechende Herrschaft der Demagogen und Diktatoren. Spengler hält diese Entwicklung für unausweichlich. Daher misstraut er den Idealen der freiheitlichen Demokratie und des Verfassungsstaates.
Imperialismus und Cäsarenkult
Spengler erklärte den Imperialismus, den er bejahte, zu einem notwendigen Phänomen im Zeichen der zerfallenden Kultur:
„Ich lehre hier den Imperialismus […]. Imperialismus ist reine Zivilisation. In dieser Erscheinungsform liegt unwiderruflich das Schicksal des Abendlandes.“[9]
Im Zuge der Kulturentwicklung bänden die Kräfte der „Kulturseele“ sämtliche Lebensenergien in eine strenge Form, sogar im Rahmen kriegerischer Handlungen. Der absolutistische Staat des 17. und 18. Jahrhunderts, Ludwig XIV. und Friedrich der Große (antik: etwa die Zeit des Perikles) würden die Blütezeit des formvoll durchgestalteten Gemeinwesens markieren. Unter dem Vorzeichen des Kulturzerfalls würden die Energien des Lebens wieder blind freigesetzt, und Chaos bräche aus. Dieses zu bändigen fiele als Aufgabe stets den großen Einzelnen, den Cäsaren zu. Folglich sei deren geschichtliche Mission unausweichlich. Der Kult, den Spätzeiten um ihre „Führer“ entfalten, enthalte darum etwas Zwangsläufiges in der Geschichte jeder Zivilisation.
Am Ende des Kulturkampfes bliebe stets derjenige Sieger, der es verstanden habe, die anarchischen Tendenzen während der Zeit des Kulturzerfalls am besten zu beherrschen und für sich selbst zu neutralisieren. Das Beispiel der Römer in der Antike zeige dies. Die Preußen-Deutschen sollten sich, so Spengler, für das Abendland ein Beispiel an ihnen nehmen.
Daraus wurde abgeleitet, Spengler habe die These vertreten, dass die letzte, in seinen Worten „cäsaristische“ Phase der abendländischen Hochkultur sich unter deutscher Vorherrschaft entfalten würde und Deutschlands Niederlage in den beiden Weltkriegen diesen Übergang verhindert habe.[10] Der Historiker David McNaughton wies darauf hin, dass Spengler Adolf Hitler für diese Aufgabe der „Cäsaristischen Phase“ für den ungeeignetsten Mann hielt:[11] Der italienische Faschistenführer Benito Mussolini hingegen war für ihn, so Spenglers Biograf Detlef Felken, der „Prototyp einer kommenden Zeit“.[12] Nach der Germanistin Barbara Beßlich ging es Spengler darum, den Caesarismus, von dem er glaubte, er werde kommen, in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken, er wollte ihn „nationalistisch instrumentalisieren“.[13]
Rassenbegriff und Antisemitismus
Spenglers Schrift ist durchsetzt mit Begriffen wie Rasse, Blut und Boden oder Formulierungen, die wie eine Huldigung an den Nationalsozialismus bzw. den Faschismus klingen. Er distanziert sich jedoch vom biologischen Rassenbegriff seiner Zeit. Er schreibt:
„Man glaube doch nicht, daß je ein Volk durch die bloße Einheit der leiblichen Abstammung zusammengehalten wurde und diese Form auch nur durch zehn Generationen hätte wahren können. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß diese physiologische Herkunft nur für die Wissenschaft und niemals für das Volksbewußtsein vorhanden ist und daß kein Volk sich je für dieses Ideal des ‚reinen Blutes‘ begeistert hat.“
Für Spengler ist eine Rasse etwas Kosmisches, nichts Stoffliches, daher auch nichts biologisch Fassbares. Die Rasse erfülle sich in einem starken Lebensimpuls, der Zukunft verspreche, nicht in einer Ideologie ihrer Reinheit. Im spätesten Zustand der Kultur, der Zivilisation, verliere sich dieses Rassehaft-Gerichtete, nachdem es in der Zeit des Überganges von der Kultur in Zivilisation die furchtbarsten Ausbrüche an Gewalt mit sich brachte. Der geschichtslose Mensch der Spätzeiten kenne die Leidenschaft des Wirkenwollens und Wirkenmüssens nicht mehr. Stattdessen begnüge er sich mit einer Kopie der kulturell ererbten Religionsformen: der zweiten Religiosität.
Das Judentum identifizierte Spengler als ein „zersetzendes Element“, das vernichtend wirke, „wo es auch eingreift“. Juden seien gekennzeichnet durch eine „zynische Intelligenz“ und ihr „Gelddenken“. Daher seien sie zur Anpassung an die abendländische Kultur unfähig und stellten in Europa einen Fremdkörper dar.[14] Mit diesen antisemitischen Geschichtsspekulationen trug Spengler nach Ansicht des deutsch-israelischen Historikers Alexander Bein wesentlich dazu bei, Stereotype über „die Juden“ auch in Kreisen plausibel zu machen, die sich von plumpen judenfeindlichen Geschichtsklitterungen fernhielten.[15]
Religionen im Vergleich
Im letzten Drittel seines Buches beschäftigt sich Spengler detailliert mit der Religionsgeschichte der westlichen („römisch-griechischen“) bzw. der östlichen („persisch-arabischen“) Welten, wobei er das Christentum mit dem Judentum und den verschiedenen „persischen“ Kulten (beispielsweise mit dem Manichäismus) sowie mit dem römisch-griechischen Kaiser- und Götterkult vergleicht. Er sieht im Christentum eine große, eher zufällig entstandene „orientalisch-arabische“ Sekte des Judentums, die zunächst mit den „persischen“ Kulten vieles gemein hatte und erst durch die erwähnte „Pseudomorphose“ seit Konstantin zur Staatsreligion der westlichen „römisch-griechischen“ Kultur wurde. Dabei betont er den Zusammenhang mit dem Neuplatonismus. Die „östlichen“ bzw. „südlichen“ Teile der christlichen Religion (z. B. die Nestorianer, aber auch die nordafrikanischen Nachfolger von Augustinus) seien später ohne nennenswerten Widerstand im Islam aufgegangen.
Zweite Religiosität
Die Zweite Religiosität sei eine Art von Trostmittel für die machtlosen Massen der zivilisatorischen Spätzeiten. Die „Fellachenvölker“ würden in der Zeit des so genannten Weltfriedens in Massen hingemordet, dabei aber selbst auf Gewaltanwendung verzichten. Sie würden sich in ihr Schicksal ergeben und Zuflucht in Formen der Religiosität suchen, die sie in der Frühzeit ihrer eigenen Kultur vorfänden. Aufklärung und Rationalismus hätten zwischenzeitlich die Menschen der Religion entfremdet und den Versuch unternommen, sie zur Mündigkeit und Freiheit zu erziehen. Mit dem Niedergang der Freiheitsidee jedoch sei auch der Rationalismus diskreditiert und der Hunger nach Metaphysik melde sich wieder.
Kennzeichen der Zweiten Religiosität sei eine demütige Annäherung an den Mythos der Vorzeit, eine Reprimitivisierung in den Religionsformen und die Neigung zum Synkretismus. Die Zweite Religiosität sei die anorganische künstliche Form der ursprünglichen Religion. Sie schlage den Menschen, der ihr nachhänge, nicht weniger intensiv in Bann, weise aber keine zukunftsfähigen Merkmale mehr auf.
Formen des Wirtschaftslebens
Geist und Geld stehen für Spengler in einer inneren Beziehung. Sie unterscheide sich, je nachdem, ob das wirtschaftende Subjekt ein Mensch der Kultur oder der Zivilisation sei. Der Kulturmensch treibe Handel mithilfe von Geld, der Mensch der Zivilisation denke in Geld. Letzterer beziehe alles auf die anorganische Größe der abstrakten Zahl. Folglich sei die Periode der Zivilisation die hohe Zeit der Finanzmagnaten, der Börsenspekulanten, des Kunsthandels und der Korruption.
Auch mit Bezug auf den Geldfaktor würden die Kulturen untereinander divergieren. Die Antike habe zur Römerzeit ebenso die Herrschaft des Geldes gekannt – Spengler benutzt dafür den heute belasteten Begriff der Plutokratie – wie die abendländische Moderne im Zeichen der amerikanischen Dominanz und der Weltleitwährung des US-Dollars. Antike Menschen aber hätten unter Geld ganz konkret einen Haufen Münzen verstanden. Abendländisches Gelddenken vollziehe sich Spengler zufolge anders, „faustisch“ sozusagen, „unendlich“. Das Symbol hierfür sei die doppelte Buchführung, die Auffassung des Geldes als dynamische Größe, als Funktion und Machtinstrument. Erst der beginnende Cäsarismus liquidiere, so Spengler, die Allmacht des Denkens in Geld, zusammen mit deren politischer Basis, der Demokratie.
Auf Macht gehe auch die faustische Technik aus. Sie sei mit bloßen Wirtschaftserwägungen nur unzureichend fassbar. Abendländische Technik strebe, vom gotischen Bauerntum bis zur modernen Industrie, nach Herrschaft über die Natur. Der Lebensimpuls der Unendlichkeit ergreife den Herrn der Maschine und mache ihn letztlich zu deren Sklaven. Spengler führt dieses Thema 1931 in seiner Schrift Der Mensch und die Technik weiter aus.
Das ewig-kosmische Fluten im Werden und Vergehen bildet für ihn auch der Geschichte der Ökonomie den metaphysischen Hintergrund:
„Der Krieg ist der Schöpfer, der Hunger der Vernichter aller großen Dinge. Dort wird das Leben durch den Tod gehoben, oft bis zu jener unwiderstehlichen Kraft, deren bloßes Vorhandensein schon den Sieg bedeutet; hier weckt der Hunger jene häßliche, gemeine, ganz unmetaphysische Art von Lebensangst, unter welcher die höhere Formenwelt einer Kultur jäh zusammenbricht und der nackte Daseinskampf menschlicher Bestien beginnt.“
Zukunftsperspektiven
In seinem Buch erwähnt Spengler vorsichtig die naheliegenden Zukunftsfragen zu den von ihm angesprochenen Problemen. Um sich gegen das aufkommende Russland wenigstens in einer Übergangszeit behaupten zu können, benötige das Abendland eine Zeit des Caesarismus, die durch Technokratie, Imperialismus und Sozialismus gekennzeichnet sein werde. Die bei Abschluss des Buches schon eingetretene Oktoberrevolution spricht er nur beiläufig an. Er sah einen zweiten Weltkrieg voraus.[16]
"Der Untergang des Abendlandes" Oswald Spengler (II von II)
Rezeption
Spenglers Hauptwerk rief Begeisterung ebenso hervor wie Ablehnung.
Der Theologe Friedrich Gogarten kommentierte: „Darum ist ein Jubel in uns über das Spenglersche Buch. Es beweist, es mag im Einzelnen stimmen oder nicht, daß die Stunde da ist, wo die feine, kluge Kultur aus eigener Klugheit den Wurm in sich entdeckt und wo das Vertrauen auf die Entwicklung und die Kultur den Todesstoß bekommt. Und das Spenglersche Buch ist nicht das einzige Zeichen.“[17]
Max Scheler kommentierte: „Die ungeheure Wirkung dieses Buches und der aufregende Neuheitseindruck, mit dem es entgegengenommen wurde, ist psychologisch nur aus der Niederlage Deutschlands im Kriege zu verstehen.“[18]
In seiner Vorlesung „Einleitung in die Phänomenologie der Religion“ im WS 1920/21 setzte sich Martin Heidegger kritisch mit Spengler auseinander. Auch in seiner Nietzsche-Vorlesung 1937 meinte er: „Welche Offenbarung war es vor zwei Jahrzehnten (1917) für die Menge derer, die mit dem wirklichen Denken und seiner reichen Geschichte unvertraut sind, als Spengler erstmals entdeckt zu haben glaubte, daß jedes Zeitalter und jede Kultur ihre eigene Weltanschauung habe! Gleichwohl war alles nur eine sehr geschickte und geistreiche Popularisierung von Gedanken und Fragen, die längst – und zuletzt von Nietzsche – tiefer gedacht, aber keineswegs bewältigt wurden und bis zur Stunde nicht bewältigt sind.“[20]
Zur Zeit der Betrachtungen eines Unpolitischen lobte Thomas Mann das Werk noch emphatisch und schlug es der Jury des Nietzsche-Preises zur Auszeichnung vor. Es sei ein „Buch voller Schicksalsliebe und Tapferkeit der Erkenntnis, worin man die großen Gesichtspunkte findet, die man heute gerade als deutscher Mensch braucht“.[21] Schon 1922 distanzierte er sich jedoch von Spengler. In seinem ersten Brief aus Deutschland, aus dem 1924 der EssayÜber die Lehre Spenglers hervorging, lobte er zwar den literarischen Glanz des Werkes, sprach dem Verfasser aber den humanistischen Pessimismus eines Schopenhauer oder den „tragisch-heroischen“ Charakter Nietzsches ab und charakterisierte ihn als einen „Defätisten der Moralität.“ Das Werk sei fatalistisch und zukunftsfeindlich. „Solche Anmaßung aber und solche Nichtachtung des Menschlichen sind Spenglers Teil […] Er tut nicht wohl daran, Goethe, Schopenhauer und Nietzsche zu Vorläufern seines hyänenhaften Prophetentums zu ernennen.“[22] Besonders Spenglers Vorstellung, durch Technologie und Zivilisation den Untergang des Abendlandes aufhalten zu können, kritisierte Mann. In einem Brief bekannte er am 5. Dezember 1922, er habe sich „von Nietzsche nicht abgewandt, wenn ich auch seinen klugen Affen, Herrn Spengler, billig gebe“.[23]
Hitler las Spenglers Werk 1924 in der Haft, war aber, wie Rudolf Heß schrieb, „nicht sehr erbaut von ihm“. Als Reichskanzler distanzierte er sich in einer Rede zum Maifeiertag 1935 explizit von dessen Kulturpessimismus: „Nicht Untergang des Abendlandes muß es heißen, sondern Wiederaufstehung [sic!] der Völker dieses Abendlandes!“[24]
Karl Popper greift in seiner Schrift Das Elend des Historizismus u. a. Spengler (und Marx) an, insbesondere deren Annahme, es gebe unabänderliche historische Gesetzmäßigkeiten.
Robert Musil bekannte am Ende einer vernichtenden Kritik, andere hätten nur deshalb nicht so viele Fehler gemacht, weil sie nicht die beide Ufer berührende Spannweite besäßen, um so viele Fehler darauf unterzubringen.
Spengler übte mit seinen Ideen auf Arnold J. Toynbee erheblichen Einfluss aus, ebenso auf Pitirim Sorokin. Kritisch mit Spengler befasste sich Franz Borkenau, dessen ab 1947 entstandenen Manuskripte unter dem Titel Ende und Anfang 1984 posthum herausgegeben wurden. Samuel P. Huntington rekurriert mit seinen Thesen vom Kampf der Kulturen wesentlich auf Spenglers kulturphilosophisches Hauptwerk.[25]
Auch in anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist der Einfluss von Spenglers Untergang wirksam gewesen. Im Bereich der evangelischen Theologie hat etwa Werner Elert Spenglers Ansatz rezipiert und auf Fragen der theologischen Zeitdeutung wie auf die Theologiegeschichte („Morphologie des Luthertums“) bezogen.
Kunstgeschichtlich setzte sich vor allem Hans Sedlmayr in seinem Hauptwerk Verlust der Mitte (1948) mit der Spenglerschen Kulturphilosophie auseinander. Der religiös motivierte Kunsthistoriker sah die Ursache eines solchen Verlusts allerdings weniger in kulturellen Alterungsprozessen als vielmehr im Schwinden der Bedeutung Gottes innerhalb der westlichen Hemisphäre.[26]
In der Geschichtswissenschaft wird Der Untergang des Abendlandes, wie der Theologe Jörg Lauster formuliert, entweder ignoriert oder „vernichtend“ kritisiert.[27]
Der Germanist Sebastian Rosenberger nennt Spenglers Methode, Phänomene unterschiedlicher Zivilisationen aus ganz verschiedenen Epochen als „gleichzeitig“ zu deuten, das heißt als äquivalent innerhalb des von ihm angenommenen Rhythmus von Entstehung, Blüte und Niedergang, „nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht rational“. Fast nirgendwo im Untergang des Abendlandes gebe es ein wissenschaftliches Argument. Dies liege daran, dass Spengler Rationalität selbst als eine Verfallsform verstehe. Zwar lehne er biologische Rassentheorien als plump und mechanistisch ab, versuche aber einen geophysisch-agrarischen Rassebegriff zu etablieren, der in der völkischen Bewegung jedoch nicht auf Interesse stieß. Spenglers Ideenwelt sei somit nicht völkisch im Sinne von rassistisch und ausgrenzend. Seine Zivilisationskritik, die Großstadtleben, westliche Demokratie, Sozialismus, Rationalismus und moderne Lebensformen als Indizien des Kulturverfalls abstempelte, sei nur in einem weiteren Sinne als völkisch zu beschreiben.[28]
2013 griff der belgische Althistoriker und Kulturkritiker David Engels den kulturmorphologischen Ansatz Spenglers auf und postulierte anhand eines systematischen Vergleichs von zwölf Krisenindikatoren grundsätzliche Analogien zwischen der Krise der Europäischen Union zu Beginn des 21. Jahrhunderts und dem Untergang der späten Römischen Republik.[29]
Ausgaben
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes – Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte
Wien: Braumüller, 1918 (Band 1: Gestalt und Wirklichkeit)
München: C. H. Beck, 1923 (Band 1: Gestalt und Wirklichkeit)
München: C. H. Beck, 1922 (Band 2: Welthistorische Perspektiven)
München: C. H. Beck, 1959 (Gekürzte Ausgabe)
München: C. H. Beck, 1963 (Vollständige Sonderausgabe in einem Band, 141.–157. Tsd. d. 1. Bandes, 120.–136. Tsd. d. 2 . Bandes)
Antonio Aliotta: Il nuovo storicismo in Germania e gli universi formali di Spengler, Rom 1936
Götz Briefs: Untergang des Abendlandes, Christentum und Sozialismus. Eine Auseinandersetzung mit Oswald Spengler. Freiburg im Breisgau 1921
Benedetto Croce: Randbemerkungen eines Philosophen zum Weltkrieg, Zürich 1922
Alois Dempf: Die ewige Wiederkehr. Ibn Chaldun und Oswald Spengler. In: Hochland 20 (1922/23) Heft 1
David Engels / Max Otte / Michael Thöndl (Hrsg.): Der lange Schatten Oswald Spenglers. 100 Jahre „Untergang des Abendlandes“. Manuscriptum, Lüdinghausen und Berlin, 2018 (Schriftenreihe der Oswald Spengler Society 1).
André Fauconnet: Oswald Spengler, le prophète du déclin de l’occident, Paris 1925
Theodor Haering: Die Struktur der Weltgeschichte, Philosophische Grundlegungen zu einer jeden Geschichtsphilosophie in Form einer Kritik Oswald Spenglers, Tübingen 1921
Franz Köhler: Untergang oder Aufstieg der abendländischen Kultur. Eine Auseinandersetzung mit O. Spengler. Rösl & Cie, München 1921
Anton Mirko Koktanek: Oswald Spengler in seiner Zeit, München: C. H. Beck, 1968
Wolfgang Krebs: Kultur, Musik und der ‚Untergang des Abendlandes‘. Bemerkungen zu Oswald Spenglers Geschichtsphilosophie. In: Archiv für Musikwissenschaft. 55, Heft 4, 1998, S. 311–331.
Wolfgang Krebs: Die imperiale Endzeit. Oswald Spengler und die Zukunft der abendländischen Zivilisation, Berlin: Rhombos, 2008
Thomas Mann: Über die Lehre Spenglers. In: Allgemeine Zeitung, München 9. März 1924; Von deutscher Republik. In: Essays Band 2, Für das neue Deutschland, 1919–1925, S. Fischer
Friedrich Meinecke: Über Spenglers Geschichtsbetrachtung. In: Wissen und Leben 16 (1922/23) Heft 12, S. 549–561.
Eduard Meyer: Spenglers „Untergang des Abendlandes“. K. Curtius, Berlin 1925
Robert Musil: Geist und Erfahrung. Anmerkungen für Leser, welche dem Untergang des Abendlandes entronnen sind (1921). In: Musil: Gesammelte Werke (Band 8: Essays und Reden). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1978
Dagmar Pöpping: Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900–1945. Metropol, Berlin 2002.
Franz Rauhut: Die Geschichtsphilosophie Vicos, Spenglers und Toynbees in ihrer Zusammengehörigkeit. In: H. Grossmann (Hrsg.): Der Vergleich. Literatur- und sprachwissenschaftliche Interpretationen (Festschrift H. Petriconi). Hamburg 1955
Erich Rothacker: Toynbee und Spengler. In: DVLG, 24 (1950), Heft 13
Hans-Joachim Schoeps: Vorläufer Spenglers. Studien zum Geschichtspessimismus im 19. Jahrhundert, Leiden 1955
Karen Swassjan: Der Untergang eines Abendländers. Oswald Spengler und sein Requiem auf Europa. Heinrich, Berlin 1998, ISBN 3-932458-08-7.
Arnold J. Toynbee: Wie ich zu Oswald Spengler kam. In: Hamburger Akademische Rs, 3 (1949), S. 309–313.
David Engels: Le déclin. La crise de l’Union européenne et la chute de la République romaine. Quelques analogies. Éditions du Toucan, Paris 2013, ISBN 978-2-8100-0524-6 (französisch)
David Engels: Ducunt fata volentem, nolentem trahunt. Spengler, Hegel und das Problem der Willensfreiheit im Geschichtsdeterminismus. In: Saeculum 59 (2008), S. 269–298
Oswald Spengler: Reden und Aufsätze. S. 63 f.
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. C.H. Beck, München 1923, S. 1109.
Anton Mirko Koktanek: Oswald Spengler in seiner Zeit, München: C. H. Beck, 1968, S. 316.
David McNaughton: Cultural Souls reflected in their Mathematics: the Spenglerian interpretation. In: Scientific Culture, 2.1 (2016), S. 1–6 (dlmcn.com) (RTF).
Anton Mirko Koktanek: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. In: Kindlers Literatur Lexikon im dtv. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1986, Bd. 11, S. 9752.
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Beck, München 1998, ISBN 3406441963, S. 954 (Ungekürzte Sonderausgabe in einem Band; 1271 S.).
Barbara Beßlich: Faszination des Verfalls. Thomas Mann und Oswald Spengler. Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003773-3, S. 45.
David McNaughton: Spengler’s Philosophy, and its implication that Europe has „lost its way“. In: Comparative Civilizations Review 67 (2012), S. 7–15 (Online).
Oswald Spengler: The Hour of Decision S. xiv ff., xii, 7.
Detlef Felken im Nachwort zur Beckschen Ausgabe des Der Untergang des Abendlandes, C.H. Beck, München 1994, S. 1204
Barbara Beßlich: Faszination des Verfalls. Thomas Mann und Oswald Spengler. Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003773-3, S. 40.
Oswald Spengler: The Hour of Decision (Alfred A. Knopf, New York, 1934), S. xv, 18, 230
Friedrich Gogarten: Zwischen den Zeiten, nachgedruckt in: Jürgen Moltmann (Hrsg.): Anfänge der dialektischen Theologie, Band 2, Kaiser, München 1967, S. 98
Max Scheler: Die Deutsche Philosophie der Gegenwart, Gesammelte Werke Band 7, Francke, Bern 1973, S. 323
Ernst Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Band 4: Von Hegels Tod bis zur Gegenwart (1832–1932), Kohlhammer, Stuttgart 1957, S. 286
Martin Heidegger: Einleitung in die Phänomenologie der Religion, Gesamtausgabe Band 60, sowie das Zitat: Nietzsche, Band 1, Neske, Pfullingen 1961, S. 360
Zitiert nach Klaus Harpprecht: Thomas Mann, eine Biographie, 32. Kapitel
Thomas Mann: Über die Lehre Spenglers. In: Thomas Mann: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Band 10, Reden und Aufsätze 2. Fischer, Frankfurt 1974, S. 174
Barbara Beßlich: Faszination des Verfalls. Thomas Mann und Oswald Spengler. Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003773-3, S. 36.
Christian Hartmann, Thomas Vordermayer, Othmar Plöckinger, Roman Töppel (Hrsg.): Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Institut für Zeitgeschichte München, Berlin / München 2016, Band 1, S. 760.
Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit, Otto Müller Verlag, Wien 1948, ISBN 3-7013-0537-4 (S. 229 ff)
Jörg Lauster: Die Verzauberung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums. C.H. Beck, München 2014, S. 16.
Sebastian Rosenberger: Oswald Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“. Eine völkische Geschichtsphilosophie? Zum Begriff des Völkischen. In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. 2. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2017, ISBN 978-3-11-042989-3, S. 118–139, das Zitat S. 128.
Drohende Rezession Eine Krisenpolitik für die Zukunft der energieintensiven Wirtschaft
makronom.de, vom 13. November 2022, Ein Beitrag von Enzo Weber.
In der Energiekrise hält sich die deutsche Wirtschaft immer noch bemerkenswert gut. Doch künftig sind Maßnahmen wichtig, die die Wirtschaft in Gang halten und nicht nur Ausfälle abfedern.
Noch immer hält sich die Wirtschaft in der Energiekrise bemerkenswert gut. Auch im 3. Quartal 2022 wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch, und am Arbeitsmarkt ist bei hoher Knappheit kein Einknicken erkennbar. Aber ein Bereich ist längst in der Rezession: die energieintensive Wirtschaft. Schon im März ließen sich deutlich negative Produktionswirkungen über den Kanal der Energieintensität infolge des Ukraine-Krieges feststellen.
Die folgende Abbildung zeigt den monatlichen Verlauf der Produktion insgesamt (Produzierendes Gewerbe ohne Energie und Baugewerbe) und der energieintensiven Branchen. Die Gesamtentwicklung ist angesichts der weltwirtschaftlichen Lage gedämpft, aber relativ stabil. Dagegen hat die Produktion in den energieintensiven Branchen seit Kriegsbeginn mehr als zehn Prozent verloren und ist mittlerweile nicht mehr weit von ihrem Einbruch im ersten Corona-Lockdown entfernt.
Um ohne die russischen Lieferungen eine Gasmangellage zu vermeiden, muss der Gasverbrauch deutlich gesenkt werden. Neben Haushalten und Stromerzeugung spielt die Industrie dabei eine wesentliche Rolle.
Die nächste Abbildung zeigt den Verbrauch der leistungsgemessenen Gaskunden, also Industrie und Gewerbe mit einem Jahresverbrauch von typischerweise mehr als 1,5 Gigawattstunden. Die Zeitreihe wurde zusätzlich saisonbereinigt, zeigt dann also nur Bewegungen über das übliche Saisonmuster hinaus. Die resultierende Reihe wurde wiederum in einem ARMA-Modell mithilfe der monatlichen Durchschnittstemperatur in Deutschland (Quelle: dwd) um Temperatureffekte bereinigt (wobei stärkere Effekte in Monaten unter 11°C erlaubt wurden). Dies berücksichtigt also die Effekte saisonunüblich hoher oder niedriger Temperaturen.
Gasverbrauch der leistungsgemessenen Gaskunden (in Gigawattstunden pro Tag)
Quelle: Trading Hub Europe, eigene Bereinigungen
Der temperaturbereinigte Rückgang am aktuellen Rand ist etwas geringer, weil hier der warme Oktober berücksichtigt wird. Der Gasverbrauch ist saison- und temperaturbereinigt im Vergleich zum Vorkriegsniveau vom Januar 2022 um 21,7 Prozent zurückgegangen – das ist doppelt so viel wie der Produktionsrückgang (auch wenn die Abgrenzungen nicht komplett deckungsgleich sind). Es ist also davon auszugehen, dass auch Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen beigetragen haben.
Der Produktionsrückgang ist gesamtwirtschaftlich kritisch, gerade weil es um wichtige Grundstoff- und Zulieferindustrien geht. Bei den Abnehmern führen Lieferkettenstörungen wiederum zu weiteren Produktionsrückgängen und Preiserhöhungen sowie zu höherer Kurzarbeit und weniger Einstellungen. Die Inflation beeinträchtigt über Kaufkraftverluste in der Folge auch beschäftigungsintensive Dienstleistungsbereiche. Zudem müssen Risiken von irreversiblen Schäden und Deindustrialisierung in der energieintensiven Wirtschaft bedacht werden.
Ausfälle abfedern reicht nicht
Deshalb sind Maßnahmen wichtig, welche die Wirtschaft in der Energiekrise in Gang halten und nicht nur – wie die Kurzarbeit – Ausfälle abfedern. Zur Aufrechterhaltung der Produktion dient ein Kostenausgleich bei hohen Energiepreissteigerungen, etwa durch Produktionsprämien wie im Energiekosten-Dämpfungsprogramm. Dies hat den Vorteil, dass die Anreize hoher Preise, Energieeffizienz und Dekarbonisierung voranzubringen, erhalten bleiben. Auch die Gaspreisbremse bremst keineswegs den Preis, sondern subventioniert einen Basisverbrauch und folgt damit demselben Prinzip.
Dabei ist geplant, den Basisverbrauch industrieller Großverbraucher auf 70 Prozent ihres Vergangenheitsbedarfs festzulegen. Darüber hinaus würde der Marktpreis nicht subventioniert. Damit besteht das Risiko, dass wichtige energieintensive Industrien ihren Betrieb weiter herunterfahren, um den Basisverbrauch nicht zu überschreiten. Denn ein bloßes Ersetzen des Gases ist im energieintensiven Bereich kurzfristig meist schwierig. Die Entwicklung des Herunterfahrens ist offensichtlich bereits im Gange. Und sie ist quantitativ bedeutend, denn die Produktionselastizität des Energieverbrauchs liegt üblicherweise unter 1 – für zehn Prozent weniger Gasverbrauch müsste die Produktion also um mehr als zehn Prozent sinken.
Produktionsschrumpfung vermeiden
Um diese schädliche Wirkung zu vermeiden, sollte man die Subventionierung in derartigen Instrumenten auch an der erreichten Produktion orientieren. Wird diese im Vergleich zur Vergangenheit aufrechterhalten, sollte der gewährte Basisverbrauch also höher ausfallen (wenn auch nicht 100 Prozent erreichen), und sich mit sinkender Produktion verringern. Aus Gründen der Praktikabilität könnte auch der Umsatz herangezogen werden, für den laufende Informationen zum Beispiel aus Umsatzsteuervoranmeldungen verfügbar sind. Eine Rolle spielt auch der Vergleichszeitraum: Nur wenn dieser spätestens im Frühjahr 2022 endet, würde nicht bereits die Zeit des Produktionsrückgangs in den Basisverbrauch einberechnet.
Bei Aufrechterhaltung der Produktion ist stattdessen auf Effizienzsteigerung, Substitution und Dekarbonisierung zu setzen. Deshalb muss nicht nur die Förderung für Energie, sondern auch für die Energiewende sofort und umfassend hochgefahren werden. Dazu dienen Anreize, Hilfen und Vereinfachungen für relevante Investitionen sowie staatliche Infrastrukturinvestitionen.
Energiepreisbremsen müssen rechtzeitig gelockert werden, um die Transformation nicht auszubremsen. Bis diese hinreichend vorangeschritten ist, müssen in einer Übergangsphase aber Entwicklung und Standort der systemkritischen Grundstoffindustrie gesichert werden – denn nur so kann diese transformationsfähig bleiben. Dafür könnten Produktionsprämien zunächst fortgeführt und schrittweise abgebaut werden – bedingt auf Transformationsanstrengungen und Beschäftigungssicherung. Eine solche Industriepolitik ist anfällig für Fehlsteuerung, Beharrungsvermögen und Partikularinteressen – und muss deshalb antizipierbar und transparent sein. Dies sollte abgesichert werden durch einen klaren Prozess, der Ziele und Zeithorizonte definiert, Ergebnisse evaluiert und notwendige Anpassungen ableitet.
Zum Autor:
Enzo Weberleitet den Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen” des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung, insbesondere Makroökonometrie und Arbeitsmarkt, der Universität Regensburg.
Historikerin Hedwig Richter: "Die Gewalt ist tief in der US-Geschichte verwurzelt"
zeit.de, vom 8. November 2022, 14:32 Uhr, Interview: Johannes EhrmannDie US-Demokratie war nie das strahlende Vorbild, für das sie sich hielt, sagt die Historikerin Hedwig Richter. Warum sie vor den Zwischenwahl
Diskriminierende Wahlgesetze, Attacken auf Politiker: Wie viel Sorgen müssen wir uns vor den Midterm-Wahlen um das Fortbestehen der US-amerikanischen Demokratie machen? Hedwig Richter ist eine der bekanntesten deutschen Historikerinnen und hat eingehend zur politischen Geschichte der USA geforscht. Sie sagt, dass Gewalt und Rassismus immer dazugehörten – nicht zuletzt, weil seit dem 19. Jahrhundert starke, weiße Männer am liebsten ihre eigenen Regeln machten.
ZEITmagazin ONLINE: Unser deutscher Blick auf die USA schwankt oft zwischen Faszination und Unverständnis. Mitunter vermischt sich beides zu einer Art Hassliebe. Wie ist Ihr Beziehungsstatus zu den USA kurz vor den Midterm-Wahlen 2022?
Hedwig Richter: Ich sehe mich nach wie vor als Transatlantikerin. Europa und die USA verbinden gemeinsame Werte – wobei ich das zunehmend als Hoffnung empfinde. Meine große Liebe zu den Vereinigten Staaten hat sich durch meine Forschung sehr differenziert.
ZEITmagazin ONLINE: Inwiefern?
Richter: Ich habe gesehen, dass die Gewaltförmigkeit der Geschichte das Land bis heute prägt, ebenso wie der Rassismus und ein zwiespältiges Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit. Dass die amerikanische Demokratie alles andere als dieses helle, strahlende Vorbild ist, nicht die sprichwörtliche "City upon a hill", und wie komplex und problematisch auch Demokratiegeschichte ist.
ZEITmagazin ONLINE: Sie haben intensiv zu den US-Wahlen im 19. Jahrhundert geforscht. Wie wäre denn eine Wahl wie die kommende damals abgelaufen?
Richter: Bis in die 1840er Jahre führte eine Ausweitung des Wahlrechts dazu, dass im Grunde alle weißen Männer wählen durften. Wahlen wurden, zugespitzt gesagt, von einem elitären Ereignis wohlhabender Landbesitzer zu einer Art Massenspektakel. Man lockte die Wähler zur Urne, mit Essen, Kleidung, Freibier. Es wurde gewettet, geprügelt, eine Riesengaudi veranstaltet. Es gab massive Korruption und Manipulation, etwa Urnen mit doppeltem Boden, in die man vorab bereits Stimmen für die eigene Partei gefüllt hatte. Oder Urnen wurden geklaut und in den Fluss geworfen. Starke Männlichkeit spielte eine große Rolle.
ZEITmagazin ONLINE: Welche Art von Stärke meinen Sie?
Richter: In Amerika gab es das Idealbild des bewaffneten weißen Mannes. Das war immer auch mit der Politik verknüpft, mit der Vorstellung, dass in der Demokratie nur Leistung zählt, tatsächlich auch ganz körperlich. Und Männer sah man eben als das stärkere Geschlecht. Damit fühlten sich Amerikaner im Übrigen Europa weit überlegen. Dort konnten Frauen den Thron besteigen, man hielt die dortigen Monarchien für weibisch, für schwach. In Amerika dagegen machten es die Männer unter sich aus. Die Jacksonians etwa rühmen sich in historischen Quellen, dass sie besonders gute Kämpfer in ihren Reihen hätten.
ZEITmagazin ONLINE: Andrew Jackson hat diese Zeit geprägt, er war von 1829 bis 1837 siebter US-Präsident. Ein Sklavenhalter und gewiefter Populist, der trotz seines eigenen Wohlstands auf das Narrativ des einfachen Mannes setzte, der den Zentralstaat und die Eliten bekämpft. Das erinnert uns an jemanden …
Richter: Ja, diese Erzählung zieht sich durch bis zu Donald Trump: Der Kandidat schlägt sich auf die Seite des kleinen Mannes: Wir, das unverdorbene, starke Volk, legen die Regeln der Freiheit und der Demokratie fest. Viele Trump-Anhänger erleben unsere Zeit als großes Gefühl der Krise: Ihre hegemoniale weiße Männlichkeit wird infrage gestellt. Die Antwort der Republikanischen Partei darauf ist sehr klar: Wir versuchen gar nicht, demokratisch die Mehrheit zu gewinnen, sondern ergreifen Maßnahmen zum eigenen Machterhalt. Wichtig bei Andrew Jackson ist, dass er vor allem als amerikanischer Kriegsheld gefeiert wurde. Das verdeutlicht noch einmal die große Bedeutung von Gewalt.
Dieser tiefe Glaube daran, die größte Nation auf Erden zu sein, wird in einer global vernetzten Welt immer absurder
ZEITmagazin ONLINE: Jackson ist auch für seine brutale Umsiedlungspolitik der indigenen Bevölkerung bekannt. Donald Trump hängte sich dessen Porträt demonstrativ ins Oval Office. Weswegen?
Richter: Sicher, um zu provozieren. Jeder halbwegs gebildete Mensch weiß, dass Jackson wesentlich für Massenmorde an den Native Americans zuständig war. Als General und brutaler Kämpfer gegen die indigene Bevölkerung war er in der Bevölkerung ungeheuer beliebt. Trump überspielt die genozidale Geschichte und präsentiert sich mit Jackson als Vorbild als wilder Kerl aus dem Volk, der es an die Macht geschafft hat und zuschlägt, wenn es sein muss. Das steckt so voller Verachtung gegenüber den Schwachen – was natürlich ein Problem für liberale Demokratien ist, in denen es Minderheitenschutz gibt und die Menschenwürde zentral ist.
ZEITmagazin ONLINE: Sie haben Populisten einmal als Feinde der "nüchternen Demokratie" bezeichnet. Gerade Trump wirkt in seinem öffentlichen Auftreten, auf seinen berüchtigten Rallys, wie ein betrunkener Rowdy, der schimpft und in alle Richtungen austeilt.
Richter: Ich halte das im übertragenen Sinne für ein großes Problem der US-amerikanischen Politik: von sich selbst betrunken sein. Es gibt in den USA eine große Hybris, eine Unfähigkeit zur Selbstreflexion, die bis weit in die Gesellschaft hineinreicht, auch in progressivere Kreise. Dieser tiefe Glaube daran, die größte Nation auf Erden zu sein, wird in einer global vernetzten Welt immer absurder.
ZEITmagazin ONLINE: Woher rührt dieser Glaube an den eigenen Exzeptionalismus?
Richter: Das ist der große Gründungsmythos, das hat etwas Quasi-Religiöses. Er ergab sich aus der Ausblendung der Verbrechen, auf denen diese Demokratie gegründet wurde, aber natürlich auch aus der – trotz allem – bemerkenswerten und großen Geschichte, dass hier freie Männer ein für sie freies Land gegründet haben. Im 19. Jahrhundert glaubten dann so ziemlich alle Nationen, sie seien die größten. Die USA sind allerdings in diesem naiven Glauben stecken geblieben.
ZEITmagazin ONLINE: Was meinen Sie damit konkret?
Richter: Es ist die anhaltende Unfähigkeit, über den Tellerrand zu schauen. 1945 sahen sich die USA – durchaus zurecht, wenn man die anderen Alliierten miteinbezieht – als Retter der freien Welt. Viele Amerikaner zogen daraus aber die merkwürdige Schlussfolgerung, in Deutschland aus dem Nichts eine Demokratie erschaffen zu haben. Nur übersah man dabei die demokratischen Traditionen und die lange Parlaments- und Wahlgeschichte hierzulande, die bis an den Anfang des 19. Jahrhunderts reicht. Viele Amerikaner wunderten sich dann, dass es im Irak und in Afghanistan, wo es keine demokratische Tradition gab, ganz anders ablief.
ZEITmagazin ONLINE: Wie sind die Vereinigten Staaten in die heutige Lage geraten?
Richter: Die nationale Hybris ist einer von vielen Gründen. Und wie immer in der Geschichte spielen Zufälle eine wichtige Rolle. Dass George W. Bush ganz knapp statt Al Gore Präsident wurde, hatte dramatische Folgen. Bush wird jetzt als netter malender Opa dargestellt, aber seine Präsidentschaft war eine Katastrophe für die USA. Er hat sich entschieden, den Terror mit Krieg zu bekämpfen und damit eine ganze Region destabilisiert. Unter ihm ist auch die Folter offiziell wieder eingeführt worden. Ein absoluter Tabubruch.
ZEITmagazin ONLINE: Entschieden wurde Bushs Wahl 2000 letztlich vor Gericht. Auch jetzt haben die Republikaner, wie sie sagen, schon "Armeen von Anwälten" in Stellung gebracht. Und die Hälfte ihrer Kandidaten akzeptiert noch immer nicht die Wahl Joe Bidens zum Präsidenten und glaubt an die "Big Lie" vom Wahlbetrug.
Richter: Demokratie lebt vom Urvertrauen, dass Wahlen stimmen. Das scheint mir in den USA erschüttert. Gerade habe ich einen Podcast des New Yorker mit dem Informatikprofessor J. Alex Halderman gehört. Er erzählte, dass er bereits vor zehn Jahren mit seinem Forschungsteam Wahlmaschinen aus einem Bundesstaat untersucht hat und feststellte, wie leicht diese zu manipulieren waren. Einige Staaten hätten daraufhin die Maschinen ausgetauscht. Andere aber nicht.
Zurzeit stehen die Zeichen eher auf Populismus
ZEITmagazin ONLINE: Was schließen Sie daraus?
Richter: Halderman forderte trotz allem Vertrauen in das System. Mögliche Manipulationsversuche sollten als krasse Ausnahme verbucht werden. Das klingt rührend naiv, denn selbstverständlich ist Vertrauen in die Verfahren eine unverzichtbare Grundlage für Demokratie. Dass das bei vielen US-Amerikanern fehlt, hängt nicht nur mit Trumps Wahllüge zusammen, sondern auch mit der langen Tradition an Manipulation, Fälschung, streng parteilich organisierten Wahlen und oft prekärem Rechtsstaat.
ZEITmagazin ONLINE: Einen Bundeswahlleiter gibt es nicht in den USA. Nur wenige Bundesstaaten haben überhaupt eine überparteiliche Wahlinstanz.
Richter: Dabei sind die Bürokratie und der Rechtsstaat essenziell für eine Demokratie. Wie will ich faire gute Wahlen abhalten, wenn die Bürokratie nicht stimmt? Das Deutsche Kaiserreich war bekannt für seine gut funktionierende permanente Wahlregistratur, die es schwieriger machte, bereits vorab Wahlberechtigte manipulativ auszuschließen. Sie war Vorbild für andere Länder. Auch in den USA gab es um 1900 eine Reformbewegung, die eine bessere Bürokratie einforderte und Fälschungen mit Wähleridentifikation oder gläsernen Urnen verhindern wollte. Aber bis heute wird die Wahlbürokratie sehr stark durch die Parteien geprägt, die vor Ort ihre eigenen Gesetze machen können.
ZEITmagazin ONLINE: Ist die US-Demokratie auf dem Weg zurück ins 19. Jahrhundert?
Richter: So würde ich das nicht sagen. Was wir beobachten, könnte man positiv auch als Rückschlag verstehen, der immer folgt, wenn sich Gesellschaften liberalisieren. Allerdings spricht gerade nicht so viel für diese Interpretation. Zurzeit türmen sich die Krisen so sehr, dass sie eher eine neue Normalität begründen. Insofern stehen die Zeichen eher auf Populismus. Der Klimawandel wird das Leben auch in den reichen Ländern und für die Breite der Bevölkerung schwerer machen.
ZEITmagazin ONLINE: Was steht bei den Midterm-Wahlen und bei der nächsten Präsidentschaftswahl auf dem Spiel? Für die USA und die westliche Welt?
Richter: Es geht auch hier um die große Frage, ob das, was wir als liberale Demokratie verstehen, sich fortsetzt. Oder ob das Populistische und die Wirklichkeitsverweigerung weiter gestärkt werden. Damit hängt – nicht zufällig – auch die alles entscheidende Problematik unserer Zeit zusammen: die der Zerstörung unseres Planeten. Der Populismus sagt den weißen Männern ja im Kern: "Ihr habt recht, ihr müsst euch nicht ändern. Die anderen sind das Problem – die Migranten, die Eliten, diejenigen, die euch das Fleisch verbieten wollen." Die vielen Krisen machen diese Realitätsverweigerung attraktiv – auch in Europa.
ZEITmagazin ONLINE: Sie sprachen eingangs von Ihrer großen Liebe zu den Vereinigten Staaten. Was fasziniert sie heute trotz allem noch an diesem Land?
Richter: Das mag nach dem bisher Gesagten vielleicht paradox klingen: dass die Menschen dort sehr selbstermächtigt sind und oft Dinge in die Hand nehmen, bei denen Deutsche gerne erwarten, dass der Staat sie regelt. Und die Freundlichkeit, die in den verschiedenen Regionen immer einen ganz eigenen Charakter hat. Das Urvertrauen, dass Menschen sich verbessern können.
Auf der Suche nach Alternativen zu China Kanzler Scholz bemüht sich in Vietnam und in Singapur um Alternativen für die deutsche Industrie zum Chinageschäft. Südostasien ist allerdings seinerseits eng mit China verflochten.
german-foreign-policy.com, 14. November 2022
HANOI/SINGAPUR/BERLIN (Eigener Bericht) – Mit Besuchen in Vietnam und Singapur sucht Bundeskanzler Olaf Scholz das deutsche Asiengeschäft jenseits Chinas auszubauen und damit die deutsche Industrie ein Stück weit vom Chinageschäft zu lösen. Er wolle „einseitige Abhängigkeiten ... im Sinne einer klugen Diversifizierung“ abbauen, hatte Scholz kürzlich, unmittelbar vor seiner Reise nach Beijing, erklärt. Ziel ist es unter anderem, den Aufschwung zu nutzen, in dem sich die vietnamesische Wirtschaft befindet, und die Kooperation mit ihr zu intensivieren. Vietnam gelingt es zunehmend, attraktive High-Tech-Investitionen ins Land zu holen und damit seinem weiteren Aufstieg den Weg zu bahnen. Allerdings stoßen Pläne der Regierung in Hanoi, Privatunternehmen scharf zu kontrollieren, im Westen auf Protest; in Vietnam wiederum herrscht Unmut darüber, dass ein Investitionsschutzabkommen mit der EU noch nicht ratifiziert ist – unter anderem auf Betreiben der Grünen, obwohl diese das Chinageschäft raschestmöglich reduzieren wollen. Davon abgesehen: Vietnams Wirtschaft ist eng mit derjenigen Chinas verflochten, von der Berlin die deutsche Industrie eigentlich lösen will.
Zitat: Zukunftsmarkt China
Hintergrund der Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Vietnam und Singapur ist der Versuch, das Geschäft der deutschen Industrie auf dem Wachstumsmarkt Asien auszuweiten und zugleich die weiterhin zunehmende Abhängigkeit der deutschen Industrie von China zu durchbrechen. Die Volksrepublik ist für die deutsche Wirtschaft mittlerweile nicht mehr nur ein herausragender Absatzmarkt; die deutschen Autohersteller etwa verkaufen dort mit klarem Abstand mehr Fahrzeuge als in jedem anderen Land. Es kommt nun aber auch hinzu, dass China zu einem immer wichtigeren Forschungs- und Entwicklungsstandort wird – etwa bei der Entwicklung von Elektroautos und autonomem Fahren, wo sich die Bundesrepublik inzwischen im Rückstand befindet.[1] Auch die Automatisierung und die Vernetzung der Industrie („Industrie 4.0“) schreiten in der Volksrepublik in äußerst schnellem Tempo voran; Berichten zufolge wird heute schon jeder zweite neue Roboter weltweit in China in Betrieb genommen.[2] Das motiviert etwa den Siemens-Konzern, seine Sparte Digital Industries vor allem in der Volksrepublik auszubauen und auch Teile seiner Forschung und Entwicklung dorthin zu verlagern. Digital Industries ist die zweitgrößte Konzernsparte; sie wächst nirgends so schnell wie in China.
„Klug diversifizieren“
Die Bundesregierung ist nun bestrebt, das deutsche Asiengeschäft außerhalb Chinas zu stärken, um es zu einem Gegengewicht zum Geschäft mit der Volksrepublik auszubauen. Kanzler Scholz hat Anfang des Monats – unmittelbar vor seiner ungewöhnlich scharf kritisierten Reise nach Beijing [3] – erklärt, „einseitige Abhängigkeiten ... im Sinne einer klugen Diversifizierung“ abbauen zu wollen.[4] Dem dient die Reise nach Vietnam und Singapur, bei der Scholz von einer Wirtschaftsdelegation begleitet wird. In Singapur nimmt der Kanzler außerdem an der 17. Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft teil, zu der auch Wirtschaftsminister Robert Habeck angereist ist. Der Gedanke, mit Handel und Investitionen in anderen Regionen Asiens, insbesondere in Süd- und Südostasien, den dominanten Einfluss des Chinageschäfts zu relativieren, ist nicht neu; tatsächlich bemühten sich deutsche Politiker bereits in den 2000er Jahren, deutschen Unternehmen sowohl in Indien [5] wie auch in den Mitgliedstaaten des südostasiatischen Bündnisses ASEAN [6] Türen zu öffnen, um die deutsche Wirtschaft dort stärker zu verankern. Der Erfolg blieb bisher jedoch mäßig: Die deutschen Investitionen etwa in Vietnam beliefen sich 2020 auf rund 1,3 Milliarden Euro; in China lagen sie bei gut 90 Milliarden Euro.
Hoffnungen und Vertrauensverlust
Dies ist deshalb keine Randnotiz, weil Berlin speziell auf Vietnam Hoffnungen setzt. Das Land ist bereits zweitgrößter Handelspartner Deutschlands in Südostasien und strebt danach, einen Aufschwung ähnlich demjenigen Chinas zu erreichen. Tatsächlich zieht es inzwischen allerlei High-Tech-Investitionen an.[7] Dass die Hoffnungen, das Vietnamgeschäft rasant auszuweiten, jedoch zumindest kein Selbstläufer sind, zeigen jüngste Unstimmigkeiten, über die am Wochenende berichtet wurde. So beschwert sich die Europäische Handelskammer in Vietnam, eine dortige Gesetzesinitiative sehe vor, dass bei Unternehmen in Zukunft sogenannte Inspektionskomitees eingesetzt werden; diese sollen umfassenden Zugriff auf interne Informationen erhalten. Das Vorhaben wecke „erhebliche Bedenken hinsichtlich des Schutzes von geistigem Eigentum“, protestiert die Handelskammer. Umgekehrt verzögert sich das Inkrafttreten eines bilateralen Investitionsschutzabkommens, das bereits 2019 geschlossen wurde, weil einige EU-Staaten es bislang nicht ratifiziert haben. In Vietnam ruft dies einigen Unmut hervor; in Wirtschaftskreisen ist von einem ernsten „Vertrauensverlust“ die Rede. Zu den Staaten, in denen die Ratifizierung stockt, gehört Deutschland – unter anderem auf Betreiben der Grünen, der schärfsten Gegner des Chinageschäfts.[8]
Vom Regen in die Traufe
Ohnehin werfen Beobachter längst die Frage auf, inwiefern es mit Investitionen in Vietnam gelingen kann, von China ökonomisch unabhängig zu werden. Zum einen kann Vietnam, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anbelangt, noch längst nicht mit der Volksrepublik mithalten: Deren riesiges, gut ausgebildetes Arbeitskräftepotenzial, ihre außerordentlich hohe Dichte an High-Tech-Firmen und ihre neue, gut funktionierende Infrastruktur sind wichtige Standortvorteile Chinas, mit denen Vietnam noch nicht zu rivalisieren vermag. Es kommt hinzu, dass die vietnamesische Wirtschaft teils eng mit der chinesischen verflochten ist – ein Resultat nicht zuletzt der intensiven Kooperation zwischen der Volksrepublik und ASEAN. Erst kürzlich kam Oxford Economics zu dem Schluss, wolle Vietnam wirklich von China unabhängig werden, dann sei eine groß angelegte Entflechtung vonnöten; darauf aber, dass dies womöglich angestrebt werde, gebe es zur Zeit keinerlei Hinweise.[9] Im Gegenteil: Am Wochenende teilten die Volksrepublik und die ASEAN-Staaten nach einem gemeinsamen Gipfeltreffen in Phnom Penh mit, sie würden Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, ihr Freihandelsabkommen weiter zu vertiefen.[10] Das würde es der chinesischen Industrie erlauben, ihre Verflechtung mit der südostasiatischen Wirtschaft – auch mit der vietnamesischen – noch weiter auszubauen.
Längst abgehängt
Sowohl die EU als auch die USA versuchen dem entgegenzuwirken – bislang allerdings ohne Erfolg. Die EU hat im Jahr 2019 ein Freihandelsabkommen mit Vietnam geschlossen, das zum 1. August 2020 in Kraft getreten ist. Dennoch lag der deutsch-vietnamesische Handel im Jahr 2021 kaum oberhalb desjenigen im Jahr 2019. Für den 14. Dezember ist nun ein EU-ASEAN-Gipfel geplant, der unter anderem die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen verbessern soll. US-Präsident Joe Biden wiederum hat am Wochenende in Phnom Penh am Rande des ASEAN-Gipfels und diverser begleitender Treffen erklärt, das ASEAN-Bündnis stehe „im Mittelpunkt der Indo-Pazifik-Strategie“ der US-Administration: Man befinde sich am Anfang einer „neuen Ära der Kooperation“.[11] Konkrete Maßnahmen dazu wurden freilich nicht bekannt. Die Wirtschaftsdynamik der vergangenen Jahre lässt keine großen Einflussgewinne der transatlantischen Staaten erwarten. China ist seit 2009 größter ASEAN-Handelspartner und lag im Vorkrisenjahr 2019 mit einem Handelsvolumen von 507,9 Milliarden US-Dollar weit vor den USA mit 294,6 Milliarden US-Dollar sowie der EU mit 280,6 Milliarden US-Dollar. Einschließlich Dienstleistungen erreichte der Handel zwischen den USA und ASEAN im vergangenen Jahr 441,7 Milliarden US-Dollar; der Güterhandel zwischen ASEAN und China war 2021 allerdings bereits auf 878,2 Milliarden US-Dollar in die Höhe geschnellt.[12] Die Volksrepublik lässt den Westen in Südostasien – auch in Vietnam – mittlerweile weit hinter sich.
[2] Martin Murphy, Axel Höpner, Sönke Iwersen: Siemens will China-Geschäft massiv ausbauen – und riskiert neue Abhängigkeit. handelsblatt.com 28.10.2022.
Zitat: Ein großes Lob an die Los Angeles Times für ihren heutigen Leitartikel über Brittney Griner, den US-Basketballstar, der in Russland eine neunjährige Haftstrafe wegen des Besitzes einer kleinen Menge Marihuana verbüßt. Griner wurde vor kurzem in eine russische Strafkolonie verlegt, um ihre Strafe zu verbüßen. Nach Aussagen von Menschen, die in solchen Kolonien waren, sind dies äußerst unangenehme Orte.
Als ich den Leitartikel las, dachte ich mir, dass dies nur ein weiterer Artikel der US-Mainstream-Medien sein würde, in dem diese bösen Russen aufgefordert werden, Griner freizulassen und sie nach Hause zu schicken. Aber dann kam ich zum Ende des Leitartikels und war fassungslos.
Hier sind die letzten beiden Absätze des Leitartikels:
Griners Verurteilung ist auch eine Erinnerung daran, dass die USA in dieser Angelegenheit keine sauberen Hände haben. Tausende von Amerikanern wurden in Amerika wegen ähnlich geringfügiger Anklagen wegen Drogenbesitzes verhaftet, vor Gericht gestellt und inhaftiert, darunter Allen Russell, der in Mississippi wegen des Besitzes von 1,5 Unzen Marihuana lebenslänglich ohne Bewährung sitzt.
Die USA sollten Griner nicht vergessen - oder die Tausenden von anderen, die im Gefängnis schmachten, weil ihre Strafen nicht ihren Verbrechen entsprechen.
Ich finde diese beiden Absätze absolut erstaunlich. Hier ist ein US-Mainstream-Medienorgan, das tatsächlich die US-Drogengesetze kritisiert und im Zusammenhang mit dem Fall Griner implizit die große Heuchelei hinter diesen Gesetzen aufdeckt.
Wie oft sieht man so etwas? Ich wage zu behaupten, nicht sehr oft.
Seit Griner verhaftet wurde, haben US-Vertreter, von Präsident Biden an abwärts, zusammen mit ihren Gefolgsleuten in den Mainstream-Medien gefordert, dass Russland sie freilässt. Aber mit welcher Begründung? Schließlich hat sie sich der Straftat schuldig bekannt! Biden und andere US-Politiker haben den russischen Politikern im Wesentlichen Folgendes gesagt: "Ihr müsst sie freilassen, weil wir sagen, dass ihr sie freilassen müsst. Wir sind die U.S.-Regierung. Es ist uns egal, dass sie sich der Straftat schuldig bekannt hat. Es ist uns egal, dass ihr Drogengesetze habt. Wir scheren uns einen Dreck um euer Justizsystem. Und, oh, übrigens, wir hassen euch auch. Also, lasst sie gehen."
Sehr zur Überraschung von Biden, seinen Drogenkriegskollegen und den US-Mainstream-Medien ist diese arrogante, widerwärtige Botschaft in Russland nicht besonders gut angekommen. Sie könnte sogar dazu geführt haben, dass Griner noch schlechter behandelt wurde, als sie es ohnehin schon wurde.
In der Zwischenzeit tun Biden und seine republikanisch-demokratischen Drogenkriegs-Kohorten weiterhin genau das, was sie den bösen Russen vorwerfen. Sie halten weiterhin Menschen für lange Zeiträume ihres Lebens wegen gewaltfreier Drogendelikte im Gefängnis, sowohl auf staatlicher als auch auf Bundesebene. Und sie fahren fort, ihre eigenen Drogengesetze hier zu Hause durchzusetzen, genau wie die bösen Russen es tun.
Die Times erwähnt Allen Russell, der wegen des Besitzes von 1,5 Unzen Marihuana eine lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit der Bewährung verbüßt. Ich denke, es ist erwähnenswert, dass Russell schwarz ist, genau wie Griner. Der Grund, warum ich das für erwähnenswert halte, ist, dass der Drogenkrieg hier in den Vereinigten Staaten das rassistischste Regierungsprogramm seit der Rassentrennung ist, da seine Folgen unverhältnismäßig stark Schwarze treffen.
Ich habe eine Idee für Präsident Biden. Anstatt arrogante und unausstehliche Forderungen an die bösen Russen zu stellen, sollten Sie stattdessen Folgendes tun:
1. Erlassen Sie eine sofortige Begnadigung für alle nicht-gewalttätigen Drogenstraftäter im Bundessystem und fordern Sie öffentlich alle Gouverneure der Bundesstaaten auf, dasselbe zu tun. Entschuldigen Sie sich für das, was Sie allen Opfern Ihres geliebten Krieges gegen Drogen angetan haben.
2. Fordern Sie den Kongress auf, den Drogenkrieg auf Bundesebene zu beenden, indem er alle Gesetze aufhebt, die den Besitz und Vertrieb illegaler Drogen kriminalisieren - alle Drogen, nicht nur Marihuana. Fordern Sie alle Bundesstaaten auf, das Gleiche in Bezug auf die staatlichen Drogengesetze zu tun.
3. Entschuldigen Sie sich für die Arroganz und Heuchelei der USA im Drogenkrieg.
4. Bitten Sie dann den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Griner zu begnadigen und sie nach Hause zu schicken. Sagen Sie ihm gleichzeitig, dass die US-Regierung ihre 60 Jahre alte Mentalität der extremen Feindseligkeit gegenüber Russland beendet und nach Wegen sucht, eine friedliche und harmonische Beziehung zu Russland aufzubauen.
Ich denke, diese Schritte würden mit ziemlicher Sicherheit zu einer Freilassung von Brittney Griner führen. Sie würden auch unzähligen anderen Opfern von Drogengesetzen helfen. Solche Schritte würden auch einen großen Beitrag zur Wiederherstellung von Freiheit, Frieden, Menschlichkeit, Aufarbeitung und Zivilisiertheit in unserem Land leisten.
Westen täuscht vor ASEAN-Gipfel in Phnom Penh, Von Jörg Kronauer
Dreierlei kann man nach dem ASEAN-Gipfelreigen Ende vergangener Woche festhalten. Der erste und wohl wichtigste Punkt: Die Staaten Südostasiens sind nach wie vor nicht bereit, sich in den Machtkämpfen des Westens gegen Russland und China auf eine Seite zu schlagen. Sie sprechen sich zwar seit je entschieden dagegen aus, die Souveränität und die territoriale Integrität von Staaten zu verletzen, nehmen jedoch – Ausnahme: Singapur – bis heute nicht an den transatlantischen Russland-Sanktionen teil. Was ihre Haltung zu China anbelangt, ist in Phnom Penh mit starkem Interesse vermerkt worden, dass vor zwei Wochen Nguyen Phu Trong, Generalsekretär der KP Vietnams, Beijing besuchte und sich für gedeihliche Zusammenarbeit aussprach. Vietnam ist eines der Länder, deren traditionelle Rivalität mit China sich die Vereinigten Staaten gerne zunutze machen würden. Hanoi hat nun mit Trongs Aufenthalt in dem nördlichen Nachbarland klargestellt: Sich von Washington gegen Beijing einspannen zu lassen – dazu ist es nicht bereit.
Zweitens zeigt sich: Die Vereinigten Staaten treten in Südostasien mit großspurigem Gehabe auf, das allerdings Interesse und Stärke mehr vortäuscht als beweist. Ein Beispiel: China wird sein Freihandelsabkommen mit der ASEAN intensivieren. Die USA, aufgrund – berechtigter – innerer Widerstände nicht zu einem Ausbau ihres Freihandelsnetzes in der Lage, versuchen es mit einem alternativen Handelsvertrag (Indo-Pacific Economic Framework, IPEF), der aber Chinas weiter wachsenden Wirtschaftseinfluss in Südostasien kaum abbremsen können wird. Dass US-Präsident Joseph Biden Ende dieser Woche das wichtige Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in Bangkok schwänzen will, nehmen ihm viele in der Region übel: Der US-Präsident misst seiner Anwesenheit bei der Hochzeit seiner Enkelin größeres Gewicht bei als seiner Präsenz bei zentralen Weichenstellungen in der Asien-Pazifik-Region. Das spricht aus südostasiatischer Sicht Bände. Nicht wirklich besser wurden die Dinge, als Biden am Wochenende Kambodschas Regierungschef Hun Sen als »Premierminister Kolumbiens« ansprach.
Drittens schließlich fiel in den vergangenen Tagen auf, wer in Phnom Penh nicht vertreten war, als sich dort Repräsentanten großer Mächte und einflussreicher Pazifikanrainer von den USA über China, Russland und Indien bis zu Japan und Korea die Klinke in die Hand gaben: die Bundesrepublik und die EU. Das absteigende Europa, dessen Eliten sich vielleicht mehr denn je als Avantgarde des globalen Fortschritts fühlen, ist dort, wo künftig die Musik der Weltwirtschaft und der Weltpolitik spielt, bei einem mehrtägigen Gipfelreigen nicht präsent. Es stimmt: Die EU wird im Dezember ihr eigenes Gipfeltreffen mit der ASEAN haben; Kanzler Olaf Scholz verhandelte am Sonntag in Vietnam und führt heute in Singapur Gespräche. In Phnom Penh aber konnte man anderes wahrnehmen: das Marginalwerden Europas, das sich noch stark mit Belehrungen hervortut, aber immer weniger mit realer Präsenz.
Der Kanzler mit dem kurzen Gedächtnis: Olaf Scholz in Vietnam
In der Bundesregierung muss es einen internen Wettbewerb geben, wer peinlichere Auftritte hinlegen kann als Außenministerin Annalena Baerbock. Bundeskanzler Olaf Scholz jedenfalls hat in China schon Anlauf genommen, bei seinem Besuch in Vietnam aber noch weiter Punkte gesammelt.
Zitat: Olaf Scholz hätte es besser wissen müssen. Aber vermutlich hatte er gehofft, wenn ihn die Chinesen schon nicht lieben, dann wenigstens die Vietnamesen, schon allein, weil deren Verhältnis untereinander nicht ganz frei von Komplikationen ist.
Jedenfalls hat er, Pressemeldungen zufolge, in Vietnam erklärt, er wünsche sich eine "klare Positionierung" Vietnams gegen Russland. "Es handelt sich bei dem russischen Angriffskrieg um einen Bruch des Völkerrechts mit gefährlicher Präzedenzwirkung. Kleine Länder können nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn."
Er hätte es besser wissen können, weil er alt genug ist, sich daran zu erinnern, dass es einen Krieg der Vereinigten Staaten gegen Vietnam gab. Vielleicht erinnert er sich sogar noch daran, dass die Vereinigten Staaten dieses Land mit einem Gift besprühten, durch das noch heute unzählige missgebildete Kinder geboren werden, Agent Orange; ein Gift übrigens, an dessen Herstellung auch der deutsche Chemiekonzern Bayer in Zusammenarbeit mit Monsanto beteiligt war. Scholz hätte auch wissen können, dass es nie irgendwelche Entschädigungen der Vereinigten Staaten an Vietnam gab, und dass Vietnam ebenfalls ein "kleineres Land" war, und der vermeintliche Überfall auf ein US-amerikanisches Patrouillenboot, der sogenannte "Golf von Tonkin"-Zwischenfall, eine absolute Vortäuschung.
Er hätte auch wissen können, dass das Deutschland, dem bis heute viele Vietnamesen wohlgesinnt sind, das andere war, das auf der Landkarte nicht mehr zu finden ist. Es war die DDR, die beispielsweise half, in Vietnam den Anbau von Kaffee zu entwickeln, der heute eines der wichtigsten Exportprodukte ist; ein Projekt zum beiderseitigen Vorteil, dessen Früchte aber für die DDR zu spät kamen. Die Bundesrepublik hingegen war das Land, aus dem sich die meisten US-Soldaten auf den Weg nach Vietnam machten.
Aber vermutlich hat Scholz sein Gedächtnis irgendwo auf dem Weg vom Juso zum Bundeskanzler komplett gelöscht. Dass er keinen Blick für die globale Entwicklung hat, zeigte sich auch bei seinem Besuch in China, bei dem er tatsächlich versuchte, die Chinesen zu belehren.
Dabei ergeht es schon US-Präsident Joe Biden zurzeit nicht allzu gut bei seinen Besuchen. Selbst in Saudi-Arabien zeigte man ihm die kalte Schulter. Im Internet kursieren Bilder, die Biden und den russischen Außenminister Sergei Lawrow bei der Ankunft in Kambodscha zeigen sollen; die Gangway für Lawrow mit einem roten Teppich belegt, die für Biden nicht. Selbst wenn diese Bilder nicht stimmen sollten – sie symbolisieren recht deutlich, wie sich die Verhältnisse auf der Welt augenblicklich verschieben.
Das Handelsblattergänzt seine Meldung zu den Äußerungen von Scholz mit der Aussage, Russland sei der wichtigste Waffenlieferant Vietnams und sei zudem an der Erschließung vietnamesischer Öl- und Gasfelder beteiligt. Mal abgesehen davon, dass kein EU-Staat, Deutschland eingeschlossen, noch an einer solchen Erschließung beteiligt sein dürfte, weil das dem Klimaglauben widerspricht und daher verboten ist – auch das ist nur die halbe Wahrheit.
In Wirklichkeit dürfte Scholz es nur der asiatischen Höflichkeit zu verdanken haben, dass sein vietnamesisches Gegenüber nicht an Ort und Stelle in lautes, hemmungsloses Lachen ausgebrochen ist. Er wird sich daran gewöhnen müssen, dass es ihm in vielen weiteren Ländern ebenso ergehen wird. Und es ist nicht das Wissen darum, dass die wirtschaftliche Stärke Deutschlands mit einem Zeitzünder versehen wurde, das dieses Lachen auslöst und sein oberlehrerhaftes Auftreten zur Farce macht. Es ist Nord Stream.
Vietnam hat einen langen, blutigen Krieg hinter sich, in dem es seine Souveränität errungen hat. Er liegt zwar bereits bald fünfzig Jahre zurück, aber seine Spuren zeichnen das Land bis heute. Es ist eine Sache, irgendwie mit den USA zu kooperieren; das tut Vietnam seit einiger Zeit, allerdings eher, um ein wenig Distanz zu China zu halten, als um sich tatsächlich mit dem ehemaligen Feind zu verbünden. Es ist etwas völlig Anderes, sich vom Vertreter eines Landes Vorhaltungen machen zu lassen, das auf einen Angriff auf seine Souveränität mit – nichts – reagiert hat.
Seit der Sprengung von Nord Stream könnte man eigentlich die gesamten Ausgaben für das Auswärtige Amt einsparen. Welches Land auf diesem Planeten soll ein Gegenüber ernst nehmen, das sich von einem vermeintlichen Verbündeten seine Energieversorgung zerschießen lässt und keinen Mucks dazu sagt, und das freiwillig seine Lebensgrundlage preisgibt? Es ist egal, ob Scholz oder Baerbock oder Habeck oder Lindner irgendwo auftauchen, und es ist egal, wohin sie gehen – ein Land, das seine Souveränität derart preisgegeben hat, hat keine Außenpolitik mehr.
Und jeder auf diesem Globus, der zwei und zwei zusammenzählen kann, weiß, dass Deutschland auch nichts mehr zu bieten hat. Nicht nur die industrielle Stärke, auch der Wohlstand beruhten auf der sicheren Energieversorgung, und selbst wenn es möglich wäre, das gekappte russische Gas durch US-LNG zu ersetzen – warum sollte man dann mit einem deutschen Gegenüber sprechen, wenn die USA doch in der Hand haben, diese Versorgung jederzeit zu kappen? Als in der BRD der Bau von Atomkraftwerken begann, als die ersten Pipelines nach Russland gelegt wurden, ging es nur an der Oberfläche darum, nicht mehr von der OPEC erpressbar zu sein. In Wirklichkeit ging es darum, sich nicht den Vereinigten Staaten auszuliefern. Vergangene deutsche Regierungen wussten, dass das Freunde sind, die man sich am besten auf Armeslänge vom Leib hält, gleich, was offiziell erklärt wurde. Und sei es, weil es industriell immer wieder zu Konkurrenz kam; berühmtes Beispiel ist der brasilianische Atommeiler Angra II.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, und wenn Scholz es nun für nötig hält, weiter so zu tun, als wäre nichts, wird er das internationale Ansehen des Landes mindestens ebenso beschädigen, wie es Bundesaußenministerin Annalena Baerbock tut (bei der schon aus Kompetenzgründen niemand erwarten würde, dass sie Feinheiten wie Souveränität versteht).
Es mag ja sein, dass sich große Teile der deutschen Öffentlichkeit an der Nase herumführen lassen, was den Anschlag auf Nord Stream betrifft. Aber der Rest der Welt hat eigene Zeitungen, weiß genau, was da passiert ist, und wird daraus die Konsequenz ziehen, dass man bedeutend Zeit und Energie sparen kann, wenn man gleich mit den USA verhandelt.
Andererseits – eine längere Reihe demütigender Erfahrungen ist Scholz für sein Schweigen durchaus zu gönnen. Vietnam ist da fast noch viel zu groß, um die richtige Wirkung zu erzielen. Ein kleinerer lateinamerikanischer Staat wäre nicht schlecht, oder ein Inselstaat, Aruba oder Kiribati. Oder Bhutan. Nichts jedenfalls, das die Größe der Hansestadt Hamburg übersteigt, damit das auch in jenem Teil von Olaf Scholz ankommt, der sich allein deshalb schon groß und stark fühlt, weil Deutschland größer ist als der Stadtstaat, aus dem er kommt.
Wie gesagt, er ist alt genug, um sich daran zu erinnern, wieviel Vietnam seine Souveränität wert war. Wenn er es schon in seiner politischen Karriere nicht gelernt hat, wann er die Klappe aufreißen müsste (in jenem Moment, da Biden erklärte, man werde dafür sorgen, dass Nord Stream 2 nicht in Betrieb ginge), lernt er jetzt vielleicht wenigstens, wann er sie halten sollte.
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