26.06.2024

Informationen zu den Kriegen in der Ukraine und in Westasien.      (II von III)

6. IPG: Wiederaufbau „Made in Ukraine“



https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/wiederaufbau-made-in-ukraine-7598/?utm_campaign=de_40_20240625&utm_medium=email&utm_source=newsletter


Europa 24.06.2024


Brian Milakovsky


Brian Milakovsky ist Gastforscher bei der Denkfabrik LSE Ideas. Zuvor

arbeitete er von 2015 bis 2022 an humanitären Programmen und in der

Entwicklungszusammenarbeit zur wirtschaftlichen Erholung in der

Ostukraine und konzentriert sich nun auf den industriellen

Wiederaufbau der gesamten Ukraine.



Wiederaufbau „Made in Ukraine“


Ausländische Investitionen reichen nicht, um die Ukraine zu retten.

Warum es eine ukrainische Entwicklungsbank braucht.


Investitionen in die ukrainische Produktionswirtschaft tragen

entscheidend zur Widerstandsfähigkeit des Landes in Kriegszeiten und

zur Nachhaltigkeit seines Wiederaufbaus bei.


Auf der kürzlich in Berlin abgehaltenen Ukraine Recovery Conference

erklärte die ukrainische Wirtschaftsministerin Julija Svyrydenko, ihr

Land benötige ein jährliches Investitionsvolumen von 10 bis 30

Milliarden Dollar, um das BIP-Wachstum zu erreichen, das nötig ist, um

sich von der verheerenden Invasion Russlands zu erholen.


Das hochkarätige Auditorium westlicher Führungskräfte und

Entwicklungsbanker ging vermutlich davon aus, dass Svyrydenko damit

ausländische Direktinvestitionen (ADI) meinte, denn die Frage der

Gewinnung externer Investoren für die am Boden liegende ukrainische

Wirtschaft war mit Abstand das beherrschende Thema der Konferenz.


Dass ausländische Direktinvestitionen wichtig sind, kann niemand

leugnen. Wer sich allzu stark darauf fokussiert, läuft allerdings

Gefahr, die wirtschaftspolitischen Perspektiven für einheimische

Unternehmen und Investoren zu verengen.


Häufige ideologische Begleiterscheinungen einer „ADI-freundlichen“

Politik sind eine maximale Marktöffnung und das Vermeiden von Local

Content – also des im Zielland erbrachten Anteils an der

Gesamtwertschöpfung – und industriepolitischen Maßnahmen. Die

ukrainischen Unternehmen sind jedoch mit massiven kriegsbedingten

Markteinbrüchen konfrontiert und brauchen eine wirksame staatliche

Politik, um ihre Wettbewerbsposition gegenüber den EU-Ländern

zurückzugewinnen.


Selbst unter den furchtbaren Rahmenbedingungen des Krieges investieren

ukrainische Unternehmen derzeit offenbar aktiver in die Wirtschaft

ihres Landes als ausländische Unternehmen. Ministerin Swyrydenko gab

bekannt, dass ihr Land 2023 ausländische Direktinvestitionen im Umfang

von 4,3 Milliarden US-Dollar erhalten hat – ein enormer Anstieg

gegenüber den mageren 250 Millionen US-Dollar von 2022 und ein großer

Schritt in Richtung des Vorkriegsniveaus von 7,95 Milliarden

US-Dollar.


Für 2023 liegen zwar keine Angaben zu inländischen Investitionen vor,

aber für 2022 meldeten ukrainische Unternehmen Kapitalinvestitionen in

Höhe von 10,5 Milliarden  US-Dollar – 2021 lagen sie noch bei 20

Milliarden US-Dollar.


Dass ukrainische Unternehmen eher bereit sind, weitere Investitionen

im Inland zu tätigen, ist wenig überraschend, denn sie haben

jahrzehntelang in ihre bestehenden Anlagen investiert und verfügen

über deutlich weniger Alternativen, wie sie ihr Kapital einsetzen

können. Und ihre Risikobereitschaft ist wirklich beachtlich: Im von

Raketen zerstörten Charkiw und in Nikopol – unweit eines russisch

besetzten Atomkraftwerks auf der anderen Seite des Flusses Dnipro –

investieren Fabriken derzeit in neue Produktionsanlagen.


Auch unter den ausländischen Direktinvestoren waren 2023 diejenigen

Unternehmen die größten, die bereits Anlagen in der Ukraine hatten,

wie Kronospan Wood Panels oder Carlsberg Brewing. Das wichtigste in

Berlin vorgestellte ADI-Projekt wurde bereits bei der Ukraine Recovery

Conference in London im vergangenen Jahr besonders gelobt: der vom

irischen Baustoffhersteller Kingspan in der Region Lwiw errichtete

Fabrikkomplex.


Die nächsten ADI-Erfolgsgeschichten dürfte es wohl im

Verteidigungssektor geben, aber die meisten Gelder existieren bisher

nur in Form von Zusagen.


Die Ukraine sollte unbedingt darüber nachdenken, wie sie attraktive

Bedingungen für künftige ausländische Direktinvestitionen schaffen

kann, und jede sich während des Krieges bietende Gelegenheit nutzen,

um neue Investoren anzuziehen. Aber wäre es angesichts der enormen

Herausforderungen nicht sinnvoll, vorrangig das Kapital der

einheimischen Unternehmen zu mobilisieren, die gegenwärtig den

Löwenanteil der Kriegsinvestitionen stemmen?


Die Bemühungen der ukrainischen Regierung, einheimischen Unternehmen

im Rahmen des Programms „Made in Ukraine“ mehr Mittel zur Verfügung zu

stellen, verdienen Anerkennung. Das von staatlichen Banken

subventionierte Kreditprogramm 5-7-9 (der Name bezieht sich auf die

angebotenen Vorzugszinssätze) ist in Kriegszeiten finanziell gut

ausgestattet.


Zudem ist Kiew dabei, in enger Zusammenarbeit mit Gebern und

internationalen Finanzinstitutionen mehr Finanzmittel in das

Bankensystem zu lenken. Zudem hat die Ukraine ähnlich wie ihre

EU-Nachbarn Anreize für die Errichtung von Industrieparks geschaffen

und bietet zusätzliche Anreize für Investoren, die mehr als zwölf

MillionenDollar investieren. Den ukrainischen Landwirten werden

Rabatte für den Kauf von Gerätschaften aus inländischer Produktion

gewährt.


Diese großartigen Anstrengungen sollten jedoch nur der Auftakt sein.

Es gibt eine enorme Finanzierungslücke für die großen Kapitalprojekte,

die erforderlich sind, um die ukrainische Industrie wiederzubeleben

und zu modernisieren und all das zu liefern, was für den Wiederaufbau

gebraucht wird.


Im Augenblick bemüht sich zum Beispiel ein ukrainischer Investor um

eine Finanzierung in Höhe von 180 Millionen US-Dollar, die er mit

seinen eigenen 80 Millionen US-Dollarzusammenlegen will, um in der

Ukraine die erste Flachglasfabrik seit Sowjetzeiten zu errichten. Vor

dem Krieg importierte die Ukraine den größten Teil ihres Flachglases

aus Russland und Belarus. Heute braucht sie riesige Mengen, um

beschädigte Häuser zu reparieren.


Die Metallurgie-Riesen Metinvest und Interpipe – Eigentümer sind die

ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow beziehungsweise Andrii

Pintschuk – haben einen Finanzierungsbedarf in Höhe von 3,6 Milliarden

Dollar für Investitionen in umweltfreundlichen Stahl angemeldet, um zu

verhindern, dass sie aufgrund des CO2-Grenzausgleichsmechanismus vom

EU-Markt ausgeschlossen werden.


Insgesamt beziffert der ukrainische Metallurgieverband den Bedarf an

solchen Dekarbonisierungsinvestitionen in der gesamten Branche auf 15

Milliarden US-Dollar.


Viele politische Entscheidungsträger und Analysten halten eine

ukrainische Entwicklungsbank für die geeignete Institution, um die für

so ehrgeizige Projekte benötigten „langfristigen“ Gelder

bereitzustellen. Kiew sollte mit seinen westlichen Partnern

zusammenarbeiten, um die Startmittel und Garantien zu beschaffen, die

benötigt werden, um ukrainische Unternehmen in dieser Größenordnung zu

finanzieren.


Neben der Bereitstellung von Finanzmitteln sollte die Regierung in

Kiew auch darüber nachdenken, welche politischen Hebel sie in Bewegung

setzen kann, um mehr Ressourcen zu den einheimischen Unternehmen zu

lenken. Untersuchungenhaben ergeben, dass ukrainische Hersteller 80

Prozent der für den Wiederaufbau des Landes benötigten Baumaterialien

(im Wert von fast 40 Milliarden Dollar) liefern könnten.


Doch mit der Zahl an staatlichen Ausschreibungen für den Wiederaufbau

steigt auch der Anteil der zugekauften Importgüter. Die ukrainischen

Hersteller sehen in der schwachen Verbrauchernachfrage eines der

Haupthindernisse für ihre wirtschaftliche Erholung. Deshalb sind

staatliche Ausschreibungen für ihr Überleben besonders wichtig.


Die radikalste Möglichkeit, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken,

bestünde für die Ukraine darin, eine sogenannte National Security

Exemption zu erklären, sich damit von ihren Verpflichtungen gegenüber

der Europäischen Union und der Welthandelsorganisation freizumachen

und zudem ein Gesetz zu erlassen, das alle ausländischen Unternehmen

zur Auftragserfüllung im ausschreibenden Land verpflichtet.


Ein solches einseitiges Vorgehen könnte jedoch die so wichtigen

Beziehungen der Ukraine zur EU zusätzlich belasten. Alternativ könnte

Kiew versuchen, für die Zeit des Krieges und der frühen

Wiederaufbauphase mit der EU eine befristete Local Content-Vorgabe

auszuhandeln.


Wenn man festlegt, dass ein bestimmter Mindestanteil (zum Beispiel 60

bis 70 Prozent) der Baustoffe und anderer Schlüsselgüter, die in der

Ukraine schon jetzt problemlos produziert werden, in der Ukraine

beschafft werden muss, würde dies das Vertrauen der ukrainischen

Unternehmen in den Marktzugang stärken und zu mehr inländischen

Investitionen anregen.


Es würde auch die Wiederherstellung der Steuerbasis beschleunigen, aus

der schließlich später die Mittel für die Rückzahlung der

Wiederaufbaukredite der Ukraine an die EU bezahlt werden.


Der neu entstehende ukrainische Rohstoffsektor braucht zum einen mehr

Finanzmittel und zum anderen eine zielgerichtete Industriepolitik. Auf

der Ukraine Recovery Conference äußerten sich EU-Vertreter begeistert

über die gewaltigen Rohstoffvorräte der Ukraine, die nach einer

Schätzung über 22 der 30 kritischen Mineralien auf der Brüsseler Liste

verfügt, und betonten, wie wichtig diese Vorräte für die „strategische

Autonomie“ der Union und gar für „die europäische Souveränität“ seien.


Alle Vortragenden waren sich einig, dass ein möglichst großer Teil der

Wertschöpfung in der Ukraine erwirtschaftet werden solle. Doch wie

lässt sich zuverlässig dafür sorgen, dass die notwendigen

Anreicherungs-, Verarbeitungs- und Produktionsanlagen gebaut werden?

Wird es genügend ausländische Direktinvestitionen geben, und werden

die Investoren motiviert sein, mehr zu tun, als nur den Transport von

rohem Erzüber die Grenze zu erleichtern?


Eine ukrainische Entwicklungsbank könnte dazu beitragen, dass

einheimische Unternehmen in diesem jungen Wirtschaftszweig zum Zuge

kommen und die wertschöpfungsintensive Verarbeitung Priorität erhält.

Außerdem braucht es Local Content-Vorgaben, damit bei ausländischen

Direktinvestitionen, die in diesen Sektor fließen, ukrainische

Zulieferer einbezogen werden und damit diese Investitionen in der

ukrainischen Wirtschaft eine Tiefenwirkung entfalten.


Die Ukraine strebt den Beitritt zum europäischen Binnenmarkt an und

sollte sich nicht auf unrealistische Modelle der autarken

Selbstversorgung verlegen. Den Schwerpunkt stärker auf inländische

Investoren und Unternehmen zu legen, ist obendrein angebracht und

folgerichtig in Zeiten, in denen Russland ausländische Investoren

rasch mit neuen Zerstörungsaktionen verschrecken kann.


Wenn man jetzt die inländischen Kapazitäten stärkt, trägt das dazu

bei, dass die ukrainischen Unternehmen für den Wettbewerb und die

Zusammenarbeit gerüstet sind, wenn ausländische Direktinvestoren

tatsächlich in dem von der Ukraine Recovery Conference geforderten

Umfang einsteigen.


Aus dem Englischen von Christine Hardung




7. FAZ: Krieg im Gazastreifen:  Guterres warnt vor einer Katastrophe in Nahost



https://www.faz.net/aktuell/politik/krieg-in-nahost/krieg-im-gazastreifen-guterres-warnt-vor-katastrophe-in-nahost-19807167.html


Krieg im Gazastreifen:  Guterres warnt vor einer Katastrophe in Nahost


22.06.2024, 05:05


Der UN-Chef fordert von Israel und der Hizbullah in Libanon ein Ende

der Feindseligkeiten, die Gefahr einer Eskalation sei real. Zugleich

beklagt er die „totale Gesetzlosigkeit“ in Gaza. Dort gab es abermals

Tote. Der Überblick.


UN-Generalsekretär António Guterres hat im Konflikt zwischen Israel

und der proiranischen Hizbullah-Miliz in Libanon eindringlich vor

einer Katastrophe gewarnt. „Eine unüberlegte Handlung - eine

Fehlkalkulation - könnte eine Katastrophe auslösen, die weit über die

Grenze hinausgeht und, offen gesagt, die Vorstellungskraft

übersteigt“, warnte Guterres am Freitag in New York.


Die Menschen in der Region und in aller Welt könnten es „sich nicht

leisten, dass Libanon ein weiteres Gaza wird“, sagte Guterres unter

Verweis auf den Krieg zwischen Israel und der mit der Hizbullah

verbündeten islamistischen Hamas im Gazastreifen. Dort starben am

Freitag nach palästinensischen Angaben bei einem Israel

zugeschriebenen Angriff auf ein Zeltlager mit Binnenflüchtlingen

mindestens 24 Menschen.


Das israelische Militär teilte auf Anfrage mit, erste Untersuchungen

deuteten darauf hin, dass der Angriff in Al-Mawasi nahe Rafah im Süden

Gazas nicht durch israelische Truppen erfolgt sei. Der Vorfall werde

noch weiter untersucht. Laut der von der Hamas kontrollierten

Gesundheitsbehörde in Gaza erlitten 47 Palästinenser bei dem Angriff

Verletzungen.


Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte auf der

Plattform X mit, dass das nahe gelegene Feldlazarett 22 Tote und 45

Verletzte aufgenommen habe, wobei es Berichte über weitere Opfer gebe.

In der Erklärung des Roten Kreuzes wurde nicht gesagt, wer dafür

verantwortlich war. Geschosse „schweren Kalibers“ seien nur wenige

Meter vom Büro des IKRK und seiner Unterkunft in Al-Mawasi entfernt

eingeschlagen. Das Bürogebäude, das „von Hunderten von in Zelten

lebenden Vertriebenen umgeben“ sei, sei beschädigt worden.


Die an Ägypten grenzende Stadt Rafah steht seit Anfang Mai im

Mittelpunkt einer israelischen Militäroffensive. Israel will dort die

letzten Bataillone der Hamas zerschlagen. Dort hatten etwa eine

Million Menschen auf engstem Raum Schutz vor Kämpfen in anderen Teilen

des Gazastreifens gesucht.


Als die Bodenoffensive der Israelis begann, flohen sie erneut. Viele

kamen nach Al-Mawasi, wo es jedoch nach Angaben von

Hilfsorganisationen an Unterkünften, sanitären Einrichtungen, Wasser

und Nahrungsmitteln mangelt. Augenzeugen berichteten am Freitag, dass

israelische Panzergranaten völlig überraschend in dem dortigen

Zeltlager eingeschlagen seien. Unabhängig ließen sich diese Angaben

nicht überprüfen.


„Extreme Schwierigkeiten bei Verteilung von Hilfsgütern“


UN-Generalsekretär Guterres beklagte, es herrsche „totale

Gesetzlosigkeit“ im Gazastreifen. Es gebe „extreme Schwierigkeiten bei

der Verteilung“ von Hilfsgütern in Gaza, Lastwagen würden geplündert.

Das Problem bestehe nicht nur darin, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.


„Es muss ein Mechanismus vorhanden sein, der ein Mindestmaß an Recht

und Ordnung garantiert, damit die Verteilung stattfinden kann“,

forderte Guterres. Der UN-Chef drängte daher einmal mehr auf eine

sofortige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.


Bei den indirekten Verhandlungen gibt es nach Aussagen des

Vermittlerstaats Katar einige Fortschritte. Es gebe allerdings

zwischen Israel und der Hamas „noch immer einige Lücken“, sagte Katars

Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Freitag bei

einem Besuch in Spanien. Katar setze seine Bemühungen fort, sagte er

weiter. Es habe einige Treffen mit Vertretern der Hamas gegeben.


Seit Monaten laufen Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten,

Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der noch rund

120 aus Israel verschleppten Menschen zu bewegen - bislang jedoch ohne

einen Erfolg.


Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, bekräftigte nach einem

Bericht der israelischen Nachrichtenseite „Ynet“ vom Freitagabend die

Position der Islamistenorganisation. Man sei „offen für jede

Verhandlungs- und Waffenstillstandsinitiative“, sofern diese die

Forderungen nach „Beendigung des Krieges“ erfülle.


Die Hamas halte an ihren Forderungen wie einem dauerhaften

Waffenstillstand und einem vollständigen Rückzug der israelischen

Truppen aus dem Gazastreifen fest, hieß es. Israel lehnt ein Ende des

Krieges jedoch bisher strikt ab.


Scharmützel an der Grenze zu Libanon


Unterdessen kam es an Israels Grenze zu Libanon am Freitag abermals zu

gegenseitigem Beschuss. In Reaktion auf wiederholte Angriffe auf

Gebiete im Norden Israels flog die israelische Armee nach eigenen

Angaben Luftangriffe gegen mehrere Stellungen der proiranischen

Schiitenmiliz Hizbullah im Süden Libanons, wie das Militär am Abend

mitteilte. Zuvor seien Angriffe aus Libanon auf Gebiete im Norden

Israels erfolgt.


Es habe dabei keine Berichte über Verletzte gegeben, hieß es. Die

Angaben ließen sich zunächst unabhängig nicht überprüfen. Seit Beginn

des Krieges im Gazastreifen kommt es täglich zu militärischen

Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hizbullah im

Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon. Auf beiden Seiten gab es

dabei Tote.


UN-Generalsekretär Guterres drückte seine „tiefe Besorgnis“ über die

jüngste Eskalation in dem Konflikt aus. Die Gefahr einer Ausweitung

sei „real“ und müsse vermieden werden. In Ortschaften beiderseits der

Grenze hat der gegenseitige Beschuss bereits schwere Zerstörungen

angerichtet.


Rund 150.000 Menschen wurden evakuiert oder verließen die Kampfzone.

Die Hizbullah ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger.


——



8. Die Zeit: Rafah: Benjamin Netanjahu kündigt baldiges Ende intensiver Kampfphase an



https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-06/gaza-krieg-rafah-intensive-kampfphase-vorbei-benjamin-netanjahu-israel


Rafah: Benjamin Netanjahu kündigt baldiges Ende intensiver Kampfphase an


Israels Ministerpräsident will einen Teil der Truppen aus Rafah nach

Norden verlegen. Das bedeute kein Ende des Krieges. Dieser ende erst,

wenn die Hamas besiegt sei.


24. Juni 2024, 8:46 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, als


Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Gaza-Krieg ein

baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt. "Die intensive

Phase der Kämpfe gegen die Hamas steht kurz vor dem Ende", sagte

Netanjahu am Sonntagabend dem israelischen Sender Channel 14. Dies

bedeute aber nicht, "dass der Krieg bald zu Ende ist".


Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die

Freilassung einiger Geiseln bereit, sagte Netanjahu. Doch der Krieg

ende erst, wenn die islamistische Terrororganisation Hamas den

Gazastreifen nicht mehr kontrolliere.


"Das Ziel ist es, die Verschleppten zurückzubringen und das

Hamas-Regime in Gaza zu entwurzeln", sagte der israelische

Regierungschef.


Israel verortet in Rafah an der Grenze zu Ägypten die letzten

verbliebenen Hamas-Bataillone im Gazastreifen und geht trotz

internationaler Kritik seit Wochen gegen Ziele in der Stadt vor.


Netanjahu kündigt Truppenverlegung nach Norden an


Nach dem Ende der intensiven Phase "werden wir in der Lage sein,

einige Kräfte zurück in den Norden zu verlegen", kündigte Netanjahu

an. Dies werde "in erster Linie" zu Verteidigungszwecken geschehen,

aber auch, um die von dort geflüchteten Bewohner zurückzubringen.

Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschießen sich Israel und die

libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die

Intensität der Gefechte deutlich zu.


Die Hamas teilte mit, Netanjahus Worte bestätigten, dass dieser die

Vorschläge von US-Präsident Joe Biden zu einer Waffenruhe ablehne, "im

Gegensatz zu dem, was die US-Regierung zu vermarkten versucht". Jedes

Abkommen müsse einen dauerhaften Waffenstillstand und einen

vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen

beinhalten.


"Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel", teilte das

Büro des Ministerpräsidenten gleich nach dem Interview mit. Netanjahu

habe deutlich gemacht, "dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir

alle 120 unserer Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben“.


Ende Mai hatte Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine

Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende

Feuerpause eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln

freikommen. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft

eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuß kommen.


In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des

Gazastreifens beginnen. Nach Darstellung der USA hat lediglich die

Hamas dem Plan bislang nicht zugestimmt.


——


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

26.06.2024

Informationen zu den Kriegen in der Ukraine und in Westasien.      (III von III)

9. LMD: Charlotte Wiedemann: Auf der Suche nach Palästina


Gespräche über Zukunftsvisionen und den brutalen Alltag unter der Besatzung



https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221


13.06.2024

Auf der Suche nach Palästina


Gespräche über Zukunftsvisionen und den brutalen Alltag unter der Besatzung


von Charlotte Wiedemann



Erleben wir gerade den entscheidenden Moment der jüngeren Geschichte

Palästinas? So ist es allenthalben zu hören, in einem Ton, so düster

wie hell, ein Doppelklang von Desaster und Triumph. Nie war das Leid

nach 1948 so bitter, die Gefahr völliger Vertreibung so groß. Zugleich

dieser weltweite Echoraum der Solidarität, vibrierend von

Siegesgewissheit: Palestine will be free.


Wo aber ist dieses Palästina, wenn es denn nicht nur eine Metapher

sein soll, nicht nur Symbol der Sehnsucht nach globaler Gerechtigkeit,

sondern ein reales Land für reale Menschen – und was definiert deren

Freiheit?


Die tägliche Wetterkarte der Jerusalem Post zeigt Israel vom Meer bis

zum Fluss, das Westjordanland einverleibt; rote Punkte markieren

israelische Städte, palästinensische existieren nicht. In den

Souvenirshops Israels findet sich keine andere Silhouette des Landes

als from the river to the sea. Palästinensische Läden verkaufen die

gleiche Silhouette, in den panarabischen Farben oder als Kalligrafie.


Birgt diese Beobachtung womöglich eine Lösung?


Zwei Völker betrachten dasselbe kleine Stück Erde als ihre Heimat und

erkennen dieses Heimatgefühl wechselseitig an – dies ist der

Grundgedanke von „A Land for All“ (Alfa), eine

israelisch-palästinensische Initiative von Wissenschaftlern,

Intellektuellen, Juristinnen, Journalisten. Sie gehen jetzt, in der

dunkelsten Stunde, mit ihrem Modell einer binationalen Föderation in

die Offensive:


Zwei souveräne Staaten mit offener Grenze zueinander erlauben

Freizügigkeit und Wohnrecht für alle zwischen Fluss und Meer. Ähnlich

wie in der Europäischen ­Union wären Staatsangehörigkeit und

Aufenthaltsrecht nicht identisch – die 700 000 jüdischen Siedler im

Westjordanland könnten im Staat Palästina bleiben, doch ohne

Wahlrecht. Im Gegenzug könnten sich Palästinenser, deren Vorfahren

1948 vertrieben wurden, in Israel ansiedeln, ohne dort Staatsbürger zu

sein.1


„Es ist für Palästinenser nicht leicht zu akzeptieren, dass Juden ein

Recht haben, hier zu sein und dass sie eine Bindung an das Land

haben“, sagt Rula Hardal, die palästinensische Co-Direktorin von Alfa.

Ich treffe die Politologin an einem Westjerusalemer

Forschungsinstitut; sie ist israelische Staatsangehörige und kommt aus

einer griechisch-orthodoxen Familie im Norden.


Gerade verabschiedet sie May Pundak, die jüdische Co-Direktorin. Die

beiden umarmen sich, sprechen Hebräisch, für Rula Hardal neben

Arabisch wie eine zweite Muttersprache, während ihre Kollegin sich

entschuldigt: sorry, nur wenig Arabisch. So ist es oft in binationalen

Projekten. Pundak hat zudem einen einschlägig bekannten Namen, ihr

Vater Ron war ein Architekt der Oslo-Friedensvereinbarungen, aus deren

Scheitern eine Aufgabe für die Tochter entstand.


Rula Hardal überdeckt jegliche Asymmetrie durch ihr Selbstbewusstsein.

Die 50-jährige Feministin stritt lange für Frauenrechte in der

israelischen Gesellschaft; ihr heutiges Selbstverständnis, sich nicht

als Angehörige einer Minderheit im jüdischen Staat zu betrachten,

sondern als Anwältin der Einheit aller Palästinenser, entstand erst

allmählich, auch während einiger Jahre in Deutschland, als sie an der

Universität Hannover Nahost- und Genderstudien lehrte und mit den

Sichtweisen der Diaspora vertraut wurde. Dass sie nun international

die palästinensische Seite des binationalen Projekts repräsentiert,

durchbreche die Schranke, die Israel stets zwischen den Palästinensern

errichte.


Ein Herzstück von „A Land for All“ ist die wechselseitige

Respektierung der Traumata, die auf beiden Seiten so prägend sind.

Holocaust und Nakba. „Die jüdischen Israelis müssen die Vertreibungen

von 1948 als Unrecht anerkennen und die Palästinenser das Leid der

Juden aus der europäischen Geschichte“, sagt Rula Hardal. Aber der

Holocaust legitimiere keinen Siedlerkolnilimus, der Zionismus müsse

sich von gewalttätigen Praktiken befreien.


In einem antizionistischen Protestcamp würde diese Formulierung

vermutlich als zu weich, zu liberal empfunden. Aber Hardal will weg

vom palästinensischen Selbstverständnis als Opfer. „Wir müssen als

Alteingesessene, als Eigentümer des Landes Verantwortung übernehmen

und dem anderen Volk eine gemeinsame Zukunft anbieten.“


So ist „A Land for All“ zugleich radikaler Kompromiss und radikale

Utopie. Sie verlangt von jüdischen Israelis und von Palästinensern,

nicht nur einander neu zu betrachten, sondern zugleich sich selbst.

Mehr als ein Jahrzehnt haben Forscher, Analystinnen und

Menschenrechtsaktivisten an dieser Vision gearbeitet, und dann traten

sie ausgerechnet drei Tage nach dem Hamas-Überfall vom 7. Oktober an

die Öffentlichkeit.


Eine Flucht nach vorn, in der wilden Hoffnung, aus der Katastrophe

eine Chance zu machen. Alle Beteiligten wissen: Dafür bedarf es

immensen Drucks von außen, vor allem auf das jüdische Israel.


Vom Herzl-Berg im Westen Jerusalems – Jad Vaschem ist nahebei – bis

nach Beit Hanina in den Ausläufern des besetzten Ostjerusalem braucht

der Light Rail nur 35 Minuten. Die Gleise der Stadtbahn kreuzen eine

unsichtbare Linie, die Waffenstillstandslinie von 1949, für den Rest

der Welt die Staatsgrenze Israels, auf den Landkarten seiner Schulen

nicht verzeichnet.


Jüdische Mitreisende in der Bahn scheinen meine Frage, wo Ostjerusalem

beginne, nicht zu verstehen. Die Annexion dessen, was Palästinensern

ihre künftige Hauptstadt ist, hat sich auch ins Bewusstsein gesenkt.

Vom Meer bis zum Jordan sei alles jüdisches Land, das ist die

Posi­tion der israelischen Regierung, weshalb es, wie Benjamin

Netanjahu sagt, logischerweise gar keine Besatzung gebe. Einer seiner

Minister, Eli Cohen, nahm gerade vorweg, was daraus folgen soll: „From

the river to the sea wird es einen Staat geben: den Staat Israel.“2



A Land for All – ein radikaler Kompromiss


Das binational verschränkte Leben, die demokratische Utopie von A Land

for All, ist in der Realität eine autoritäre Dystopie im Werden, die

Einstaatlichkeit wird der schwächeren Seite aufgezwungen durch

Enteignung, zweierlei Recht und Waffengewalt. Meter für Meter,

Grundstück für Grundstück schiebt sich die sogenannte Judaisierung

voran, religiös verbrämtes Landgrabbing im Osten Jerusalems wie in

seiner Altstadt.


Ich treffe dort armenische Aktivisten in ihrem Protestcamp,

Überwachungskameras nach allen Seiten: Wie andere christliche

Gemeinden zuvor kämpfen sie gegen aggressive Gangs von Siedlern, die

Geschäftsleute bedrohen und Priester bespucken.


Die Dystopie ist gefräßig. Im Westjordanland stellen die jüdischen

Siedler bereits ein Viertel der Bewohner, das hat die

Zweistaatenlösung systematisch unterhöhlt. Und gegen den Ausweg, den A

Land for All an dieser entscheidenden Stelle anbietet, gibt es unter

Palästinensern einen berechtigten Einwand:


Eine Gleichstellung von nach internationalem Recht illegalen Siedlern

und Flüchtlingen, deren Rückkehrrecht 1948 in der UN-Resolution 194

verankert wurde, sei moralisch wie juristisch unannehmbar. Während die

Siedler in ihren 250 Ortschaften Bestandsschutz bekämen, bliebe die

Rückkehr von Geflüchteten und ihren Nachkommen Verhandlungssache.


An einem Frühsommerabend treffen sich im Ostjerusalemer

Nashashibi-Kulturzentrum Intellektuelle und ausländische Diplomaten

zum nichtöffentlichen Austausch. Die Villa ist melancholisches Denkmal

einer palästinensischen Oberschicht, die mit der Nakba unterging: Die

umfangreiche Bibliothek von Issaf Nashashibi (1885–1948), Philosoph

und Literaturwissenschaftler, wurde 1948 geplündert, viele Bände

Israels Nationalbibliothek einverleibt.


Ein passender Rahmen für Gespräche über Gerechtigkeit für alle im

historischen Mandatsgebiet Palästina. Muss der ethnonationale jüdische

Staat für sakrosankt gehalten werden, wie in der westlichen Diplomatie

üblich? Oder wären Juden und Jüdinnen womöglich besser geschützt ohne

suprematistische Privilegien?


Dafür plädiert auf jüdischer Seite schon länger der Philosoph Omri

Boehm. Seine binationale „Republik Haifa“ möge vorerst ein Traum sein,

schrieb er, sei jedoch „ehrlicher als der Gedanke, ein System der

Apartheid könne jemals ein menschliches Antlitz haben“.3 Eine

Schnittstelle zur propalästinensischen Solidaritätsbewegung dieser Tage.


Wenn Demonstranten auf ihren Pappschildern Gleichheit für alle

zwischen Meer und Fluss verlangen, erneuern sie das alte

Lieblingsmodell der säkularen palästinensischen Linken: ein

demokratischer Einheitsstaat, one person, one vote. Denn Kern der

palästinensischen Frage sind Freiheit, gleiche Rechte,

Selbstbestimmung und nicht ein Separatstaat.


Edward Said forderte bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten, über die

„erbärmlichen Perspektiven, wie sie Teilung und Trennung zu bieten

haben“, hinauszublicken.4 Allerdings warnte er zugleich vor dem

gefährlichen Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu wollen und sich „ein

utopisches Land ohne aufdringliche jüdisch-israelische Präsenz“ zu

erträumen.


Wer Koexistenz allein auf Basis gleicher individueller Bürgerrechte

definiere, weiche der Frage nach einem legitimem jüdisch-israelischen

Nationalbewusstsein aus, argumentiert der palästinensische

Politikwissenschaftler Bashir Bashir, ein führender Experte im neuen

akademischen Diskurs über flexible Modelle von Souveränität.


Juden und Jüdinnen ausschließlich als Individuen zu betrachten, ließe

sie ohne kollektive Schutzrechte, wenn sie – demografisch absehbar –

zur Minderheit zwischen Meer und Fluss werden.


Der besonderen jüdischen Geschichte Rechnung zu tragen, in einer

egalitären Gesellschaft für alle, das bleibt die große Aufgabe der

Zukunft. Wenn für Zukunft noch Zeit ist.


Was bedeutet es, Palästinenser, Palästinenserin zu sein?


Abgesehen von Exil und Diaspora, abgesehen von den Lagern im Libanon,

in Jordanien, leben die Palästinenser allein auf dem kleinen Stück

Erde zwischen Fluss und Meer schon unter sechs verschiedenen

Rechtskonstruktionen: im Kernland Israel, in Gaza, in Ostjerusalem und

in den drei administrativen Zonen des Westjor­danlands. Nirgendwo sind

sie jüdischen Bürgern gleichgestellt, doch auch untereinander sind sie

ungleich – sozial, geografisch, politisch fragmentiert.


Wie groß ist allein die Kluft zwischen zwei palästinensischen

Protagonisten von „A Land for All“, der viel reisenden Rula Hardal und

– im Westjordanland – Awni al-Mashni, der die Gruppe vor zwölf Jahren

mitbegründete! Unsere erste Verabredung platzt; ich warte in Ramallah,

er kommt wegen geschlossener Checkpoints nicht aus Bethlehem heraus,

22 Kilometer, unüberwindbar.


Mit akkurat gebügeltem Streifenhemd, ergrautem Schnauzbart,

jordanische Zigaretten kettenrauchend hat Awni al-Mashni etwas von

alter Fatah-Garde, das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Die Autonomiebehörde von Mahmud Abbas betrachtet er sehr kritisch, sie

diene vor allem Israels Interesse.


Zu Beginn unseres Gesprächs stellt er sich vor mit den Worten „Ich bin

ein palästinensischer Flüchtling“, als sei dies das Entscheidende in

einem ereignisreichen Leben, und tatsächlich war es das wohl. Seine

Eltern flohen 1948 aus al-Qabu, einem Dorf westlich von Jerusalem.

Awni wurde im Dheisheh-Flüchtlingscamp bei Bethlehem geboren und lebte

dort die meiste Zeit, sofern er nicht gerade im Gefängnis saß, und das

war so für insgesamt 13 Jahre.


Wo einmal das Haus der Eltern stand, ist heute der Begin-Nationalpark,

für al-Mashni unerreichbar; er darf nicht nach Jerusalem.


Bei einem Deutschlandbesuch vor vielen Jahren war er in einer

KZ-Gedenkstätte. „Ich verstehe das Leid der Juden in Europa, das zu

verstehen ist nicht schwer, und so etwas darf nie wieder passieren.

Aber es geschah nicht in meiner Verantwortung und darf nicht auf meine

Kosten gelöst werden.“


Ob er sich durch die Anerkennung des jüdischen Traumas von vielen

seiner Landsleute unterscheide, frage ich. Er widerspricht, „aber die

Frage ist sehr provokativ für jemanden, dessen Haus gerade zerstört wird“.


Welcher inneren Kraft es bedarf, den Schmerz über ein seit Kindertagen

erlebtes Unrecht im Zaum zu halten und sich für Versöhnung

starkzumachen, kann ich nur erahnen. Al-Mashni macht sich keine

Illusionen, wie lange selbst im günstigsten Fall eine binationale

Gesellschaft von der Asymmetrie der Macht gezeichnet wäre. „Die

Mentalität der Apartheid zu überwinden, wird Generationen dauern.“


Während des Gesprächs mochte ich ihm die Frage, was ihn ins Gefängnis

gebracht hatte, nicht stellen. Sie erschien mir plötzlich anmaßend,

weil Gefängnis unter seinen Lebensumständen so normal ist. Die

Menschen, die ich während meiner Recherche traf, hinterließen in

meinem Notizbuch gemeinsam ein Jahrhundert Knast.


Ich frage al-Mashni im Nachhinein, über die sichere Distanz von

Whatsapp, und bekomme Details: Mit 17, als er einer bewaffneten Zelle

angehörte, die erste Haft; später, als er unbewaffnet kämpfte, mehrere

Jahre im Gefängnis. Darunter auch die berüchtigte Administrativhaft,

ohne Anklage, ohne Urteil. „Die Besatzung“, schreibt er mir, „duldet

keinerlei Widerstand, auch wenn er gewaltlos und friedlich ist.“


Die Besatzung – sie ist im palästinensischen Sprechen ein handelnder

Akteur, kein Zustand. Und tatsächlich diktiert die Besatzung auf

ständig sich ändernde Weise den Alltag.


Zwischen der Vorstellung von Freizügigkeit from the river to the sea

und dem blockierten Leben im zerstückelten Westjordanland lässt sich

kaum ein größerer Kontrast denken. Es gibt Statistiken über die sieben

Typen von Hindernissen, Barrieren, Checkpoints und Straßensperren, sie

summieren sich auf 565, auf einer Fläche so groß wie ein Viertel

Hessens. Und zwei Drittel davon stehen ohnehin unter Kon­trol­le Israels.


Die Armee verschließt einfach die Gitter und Gatter am Ausgang von

Ortschaften und Dörfern, so dass deren Bewohner gar nicht erst die

Landstraßen erreichen. Mancherorts stehen jetzt Siedler als

Reservisten in Uniform an Checkpoints. Der europäische Mitarbeiter

einer Stiftung erzählt mir, wie schnell auch er in Gewehrläufe blicke,

wenn er an einem Posten aus Versehen seinen Wagen zu weit vorgesetzt habe.


Kalandia, den größten Checkpoint zwischen dem besetzten Ostjerusalem –

alias „Israel“ – und dem Westjordanland5, kannte ich von einem

früheren Besuch. Betäubt von Lärm, Gedränge und bellenden Kommandos,

schob ich mich damals mit Massen von Werktätigen, Palästinas

Arbeitskräften für Israels Baustellen, durch die Kotrolen.


Seit dem 7. Oktober sind Arbeitsgenehmigungen und Passierscheine

annulliert, die erzwungene Ruhe erlaubt mir Beobachtungen. Wie sich

betagte Frauen mit arthritischen Knien langsam die viel zu hohen

Stufen einer Überführung hinaufquälen. Wie eng die Drehkreuze sind,

die Reisetasche muss gegen die Brust gepresst werden. Kleinigkeiten

nur; jede zielt auf Demütigung.


Etwas abseits dann das Flüchtlingslager Kalandia, vom umgebenden

Wirrwarr aus Betonklötzen, Zäunen und Sperren durch sichtbares Alter

unterschieden: enge Straßen, alte Gebäude, Graffiti, das Zuhause von

14 000 anerkannten Flüchtlingen. Sie bleiben, weil es anderswo zu

teuer wäre, und aus einem Gefühl der Zugehörigkeit. Die Liebe zur

Heimat, sie gilt zuerst dem Dorf der Vorfahren, dann dem Camp, wo die

Beziehungen aus dem längst zerstörten Dorf weiterbestehen.


Wandgemälde erzählen von Getöteten und Inhaftierten, meist an der

Mauer des Hauses, wo der Betreffende lebte. Israelische Soldaten

kommen oft bei Nacht, ihre Lärmgranaten versetzen Kinder in

Todesangst. Das Camp bringt bewaffnete Kämpfer hervor – was ist

Ursache, was Wirkung? Manche Märtyrer-Graffitis sind sonnenverblichen,

andere frisch. Ich denke an einen Satz von Awni al-Mashni: Gewalt ist

keine Lösung. Er wirkt hier fremd.


„Feuerwaffen verboten“ steht am Eingang zur Schule des

UNWRA-Hilfswerks. 1200 Schüler, Klasse 1 bis 9. Der Rektor der

Jungenschule, ein Mathematiker, wurde im Camp geboren und ging als

Kind selbst auf diese Schule. Was hatte ich erwartet vom Leiter einer

UNWRA-Schule? Dass er ein Außenstehender wäre, neutral – und nicht so

ein wütender, sarkastischer, verletzter Mensch?


Einer seiner Söhne, Jurastudent, ist im Gefängnis, auch andere jüngere

Verwandte sind in Haft. „Unseren Kindern kann jederzeit etwas

zustoßen, denn wir leben unter Besatzung!“ Ein zweiter Sohn sitzt bei

unserem Gespräch dabei, soll mir seine Deutschkenntnisse beweisen. Ein

stiller junger Mann, er zögert, legt sich die Worte zurecht und sagt

dann: „Dies ist keine fruchtbare Erde für menschliche Entwicklung.“


Besuch einer Klasse, 42 Jungs lernen gerade Prozentrechnung. Meine

Frage, was sie von der Zukunft erwarten, wird mit Berufswünschen

beantwortet wie Arzt oder Fußballer. Als ich nach politischen Wünschen

frage, steht ein Junge aus der letzten Reihe auf: Eine Gegenwart ohne

Gefängnis sei ihm wichtiger als irgendeine Zukunft.


Angst und Unsicherheit sind allgegenwärtig, selbst im Umland von

Ramallah, wo man die sicherste Zone vermuten könnte, weil hier die

Autonomiebehörde und internationale Institutionen ansässig sind. Und

den Terror der Siedler, Überfälle und Brandschatzung, fürchten

keineswegs nur die Ärmsten, die ihren Schafstall und ihren Olivenhain

so leicht verlieren können im zionistischen Monopoly um Land und Raum.


Jede Kleinigkeit eine Demütigung


Der Besitzer eines adretten Mittelschichthauses bringt mich auf die

Dachterrasse, wir können bis nach Jordanien sehen, nur dass mein

Gastgeber die Straße, die sich vor unseren Augen durch die Hügel

zieht, nicht benutzen darf, sie ist für die Siedler, er zeigt nach

links, und für die Armee, er zeigt auf eine andere Anhöhe.


Von unten höre ich ein leises Surren, die Dame des Hauses poliert die

Fenster mit einem elektrischen Gerät, und mein Gastgeber sagt in das

Surren hinein: „Ich habe so viele Jahre an diesem Haus gebaut, habe

gespart, mit dem Heiraten gewartet. Der Gedanke, dass die Siedler

morgen kommen könnten und alles ist vernichtet, macht mich wahnsinnig.

Niemand beschützt dich.“


Ein härteres Urteil lässt sich über die „Sulta“, wie die Nomenklatura

der Autonomiebehörde in der arabischen Kurzform heißt, kaum fällen.

Dennoch ist offen geäußerte Kritik mir, einer Fremden, gegenüber für

manche ein ethisches Problem, denn sie verstößt gegen den Kodex des

Widerstands: vereint gegen die Besatzung.


Auf den ikonischen Gemälden des Malers Sli­man Mansour ist Palästina

eine Frau, schön, erhaben und von unantastbarem Stolz. Mansour malte

die Hände seiner Figuren übergroß, Zeichen der Verbundenheit zum Land,

zur Arbeit mit der Erde. Zu dem vielen, was Palästinenser der

Autonomiebehörde vorwerfen, gehört dies:


Sie schützt nicht einmal das Wasser, schützt nicht die Quellen, die in

den palästinensischen Heimatmythen eine so große Rolle spielen; sie

lockt die Leute weg vom Land, in die unproduktiven Jobs ihrer

Bürokratenbubble, das synthetische Palästina der hohen Gehälter. Sie

entfremdet die Palästinenser von ihrer Erde, ihren Traditionen.


Die Birzeit-Universität empfängt mit einem einladenden Campus: viel

heller Stein, Bäume, Coffeeshops, Tischtennisplatten, sogar ein Raum

zum Schachspielen. Hier studieren die Klügsten einer Generation, die

in den Ruinen des Friedensprozesses aufwuchs, mit einer höhnisch

vorgegaukelten Autonomie.


Am Eingang zum Büro des Studentenrats hängen die Fotos der Gewählten;

die Hamas stellt die stärkste Fraktion. Sie setzten sich für die

Interessen der Studierenden ein, seien aktiv und nicht korrupt,

versichern die jungen Frauen, die mich auf dem Campus herumführen. Ich

habe sie zufällig kennengelernt, eine heterogene kleine Schar, mit und

ohne Kopftuch. Die Zusammensetzung des Rats, sagen sie, sei ein

Zeichen von Demokratie.


In seinem Büro spreche ich den Historiker Naz­mi al-Jubeh, ein

Säkularer in Opposition zum Islamismus, darauf an. Er könne in den

studentischen Debatten nach seinen Vorlesungen keinen klaren

Unterschied zwischen Hamas und Nicht-Hamas erkennen, sagt der

Professor. Und der Lehrplan der Birzeit-Uni reserviert viel Zeit für

Aussprache: „Die Studenten sollen lernen, mit verschiedenen Ideen zu leben.“


Al-Jubeh, knapp 70, ein eleganter Mann mit feinen Gesichtszügen, tritt

als Architekturhistoriker im Fernsehen auf, ist interna­tio­nal

renommiert – und war mehrfach im Gefängnis. „Natürlich!“ Er lacht mit

dem Sarkasmus, der mich durch alle Gespräche begleitet. „Durch den

Sarkasmus überleben wir“, bestätigt er, „sonst würden wir

explodieren.“ Seit 30 Jahren in Birzeit lehrend, hat er sich für die

Lebenszeit, die er mit dem Warten an Checkpoints vertat, eine ganze

Bibliothek in seinem Auto eingerichtet. „Ich habe mich hinter dem

Steuer in Bücher versenkt, um nicht verrückt zu werden.“


Auf meine Frage: Was ist heute Palästina?, lautet seine spontane

Antwort: „Viel mehr, als Palästina einmal war.“ Viele Tausende hätten

die verlorenen historischen Ortschaften zu Namen von Personen und

Geschäften gemacht, von Restaurants und Unternehmen, ob in Chicago

oder in Amman.


Er selbst hat über Lifta geforscht, das einzige palästinensische Dorf

in Israel, von dem Ruinen erhalten sind.6 „Ich habe nun Beziehungen zu

Lifta-Gemeinden weltweit, alle haben Websites mit Erzählungen und

Anekdoten, natürlich auch Romantisierungen. Die Dörfer werden virtuell

wiederhergestellt, das schafft über Kontinente hinweg Beziehungen

zwischen Menschen, die einander nie gesehen haben.“ Und die meisten,

sagt al-Jubeh, seien überzeugt: Eines Tages kehren wir nach Hause zurück.


Das Land der Erzählung. Neben der Zukunftsvision von Freizügigkeit

zwischen Fluss und Meer und dem blockierten, fragmentierten Alltag ist

dies ein drittes Palästina. Und aus dem Besitz der erzählten Heimat

entsteht, was für Außenstehende so erstaunlich ist, gerade jetzt:

Ausdauer, Beharrungsvermögen.


In Ostjerusalem treffe ich zum Schluss Mah­moud Muna, Essayist,

Verleger und Eigentümer zweier stadtbekannter Buchhandlungen für

englischsprachige Literatur zum Nahen Osten. Seit Januar arbeitet Muna

mit Hochdruck an einem Buch über Gaza, seine 4000-jährige Geschichte,

seine Menschen.


Der Titel „Daybreak in Gaza“7 klingt nach Aufbruch, und Muna sagt

tatsächlich: „Ich bin optimistisch.“ Das Buch werde die kulturelle

Größe der Region rehabilitieren, werde sie „rehumanisieren“, entgegen

dem Bild von Gaza als einem Streifen Sand, besiedelt von

Überflüssigen, die niemand wolle, von Unnützen, dazu bestimmt, als

Kollateralschaden zu enden. „Steine können zerstört werden; die

menschlichen Leistungen sind unzerstörbar. Und das ist, was für uns

zählt. Das ist die Tiefe, die andere uns immer nehmen wollten, die

Tiefe unserer Wurzeln und unserer Geschichte.“


Triumph und Desaster. Die Zivilgesellschaft in Gaza hat zu einem

entsetzlich hohen Preis den Kampf um die Gunst und die Herzen der Welt

gewonnen. Daneben steht der schwarze Schatten des nicht entschuldbaren

Hamas-Massakers; mir gegenüber wurde es meist beschwiegen. Die

Palästinenser haben sich mit Hingabe und mit Gewalt, mit unsäglichem

Leid und mit Terror wieder auf die globale Agenda katapultiert.


Gaza hat gezeigt, wie der Westen mit zweierlei Maß misst, doch die

Resonanz auf israelische Kriegsverbrechen hat auch mit dem Wandel der

internationalen Ordnung zu tun. Da kippt eine Ära. Werden die

Palästinenser ihren neuen großen Echoraum nutzen können, ohne

Einigkeit, ohne anerkannte Führung?


Viele sprechen nun vom Neuaufbau der PLO, als Organisation, die alle

repräsentiere, auch die Diaspora, die Jugend, die Frauen, mit einer

einigenden Vision von Befreiung. Die Hamas, meint selbst die moderate

Rula Hardal, werde Teil dieser Zukunft sein, in der Hoffnung, dass –

wie es bisher immer war – die Säkularen an Einfluss gewinnen, sobald

Schritte hin auf eine bessere Zukunft sichtbar werden.


Während meiner Reise las ich Mahmoud Darwischs Gespräche über

„Palästina als Metapher“. Darwisch wie Said, die beiden meistzitierten

Interpreten des palästinensischen Schicksals, überwanden auf je eigene

Weise immer wieder die Dichotomien von Identität und Nationalismus, an

einen namenlosen universalen Ort.


Im harten Sprechen dieser Tage wirkt die Mahnung Saids, es gelte zu

lernen, „wie man mit dem Anderen lebt statt gegen ihn“, wie aus ferner Zeit.


1 Zu den Details siehe „A Land for All. Two States, one homeland“, alandforall.org. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker1>

2 Post auf X am 22. Mai 2024. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker2>

3 Omri Boehm, „Israel – eine Utopie“, Berlin (Propyläen Verlag) 2020, S. 229. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker3>

4 Edward W. Said, „Das Ende des Friedensprozesses“, Berlin (Berlin Verlag) 2002, S. 225. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker4>

5 Siehe die Erzählung „Staub“ von Adania Shibli, LMd, Oktober 2006. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker5>

6 Siehe  „Das Trauma von 1948“, LMd, Januar 2023. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker6>

7 Mahmoud Muna und Matthew Teller (Hg.), „Daybreak in Gaza. ­Stories of Palestinian Lives and Culture“, London (Saqi Books) 2024. <https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221#anker7>


Charlotte Wiedemann ist Journalistin und Autorin.


Zuletzt erschien: „Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis“, Berlin (Propyläen) 2022.



——


10. IPG: Mehr, Mehr, Mehr


Trotz militärischer Überlegenheit gegenüber Russland herrscht eine Begeisterung

für Aufrüstung und Militarisierung. Warum?



Ernst Hillebrand Dr. Ernst Hillebrand ist Leiter des Büros der

Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest. Zuvor war er Referatsleiter der

Internationalen Politikanalyse, des Referats für Mittel- und Osteuropa

sowie Leiter der Büros in Warschau, Paris, London und Rom.



https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/mehr-mehr-mehr-7602/?utm_campaign=de_40_20240625&utm_medium=email&utm_source=newsletter


Außen- und Sicherheitspolitik 25.06.2024 |


Mehr, Mehr, Mehr



Trotz militärischer Überlegenheit gegenüber Russland herrscht eine Begeisterung

für Aufrüstung und Militarisierung. Warum?


Eine seltsame Begeisterung für das Militärische hat dieses Land

ergriffen und vor allem seinen politischen Betrieb. Der Berliner

„Blob“, wie Hans Kundnani den wissenschaftlich-medial-politischen

Hauptstadtkomplex vor kurzem nannte, kennt derzeit mehrheitlich nur

eine Message: mehr Waffen, mehr Soldaten, mehr Geld für Rüstung.

Stellt man dies nicht bereit, „kommt der Russe“.


Für an Fakten und Zahlen orientierte Staatsbürger sind diese

Forderungen nicht ganz einfach zu verstehen. Egal welchen Indikator

man sich anschaut, man kommt immer zu demselben Ergebnis: Die NATO ist

Russland um ein Vielfaches überlegen. Vor allem die Forderung nach

mehr Geld erscheint grotesk:


Die kombinierten Rüstungsausgaben der NATO-Mitgliedstaaten überstiegen

2023 – einem Jahr, in dem Russland sich mitten in einem massiven

konventionellen Krieg befand – die Russlands um knapp das

Dreizehnfache: Fast 1,3 Billionen US-Dollar für die NATO stehen circa

110 Milliarden Dollar für Russland gegenüber.


Auch wenn man den Anteil der USA abzieht, übersteigen die

Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder die Russlands immer

noch um das Dreifache. Seit Jahrzehnten besteht ein

Militärausgaben-Verhältnis in einer Größenordnung von zehn zu eins

zugunsten der NATO. Wenn das nicht zu genügend Sicherheit geführt hat

– was dann?


Denn es ist ja nicht so, als bildeten sich diese Ausgaben nicht in

militärischen Kapazitäten ab. Egal welche Indikatoren man heranzieht –

rein numerische oder auch qualitativ bewertende –, ist die NATO

Russland haushoch überlegen. Dies gilt, so das Webportal Global

Firepower Index, selbst für Szenarien, in denen die NATO lediglich 25

Prozent ihrer Kapazitäten zum Einsatz bringt, Russland aber 75

Prozent.


Das Argument, ein russischer Angriff auf NATO-Territorium wäre nach

einer Nicht-Niederlage in der Ukraine nur eine Frage der Zeit, wirkt

entsprechend freihändig. Mit der Ukraine hat Russland als global

zweitstärkste Militärmacht ein auf dem Papier militärisch vielfach

unterlegenes Land angegriffen (Rang 18 im Global Firepower Index). Ein

Angriff auf ein schwächeres Land hat eine innere militärische Logik:


Man kann einen solchen Krieg gewinnen. Ein Angriff auf einen vielfach

überlegenen Gegner hat sie nicht: Man kann diesen Krieg eigentlich nur

verlieren. Natürlich können sich politische Entscheider darüber

täuschen, welche Siegesaussichten sie im Falle eines militärischen

Konflikts haben, und der russische Überfall auf die Ukraine ist das

beste Beispiel dafür.


Aber angesichts der bestehenden kompletten Asymmetrie der

militärischen Arsenale der NATO und eines in der Ukraine ausblutenden

russischen Militärs erscheint dies als extrem unwahrscheinlich.


In vielerlei Hinsicht wirkt die gegenwärtige Berliner

Militarisierungsbegeisterung daher eher wie eine Art Überkompensation

für vergangene Fehleinschätzungen. Dies gilt gerade für die Grünen,

die in der Person Anton Hofreiters vor kurzem ein zusätzliches

100-Milliarden-Paket für Militärausgaben und die Aufhebung der

Schuldenbremse forderte.


Das ist derselbe Dr. Anton Hofreiter, der im Juli 2020 einen Antrag

der Grünen-Bundestagsfraktion unter dem Titel „Beitrag der Bundeswehr

gegen die Klimakrise stärken – CO2-Ausstoß der Streitkräfte deutlich

reduzieren und konsequent erfassen“ in den Bundestag einbrachte. Dort

wurde die Bundesregierung aufgefordert, „eine Strategie vorzulegen, um

den CO2-Ausstoß innerhalb der Bundeswehr in Gänze zu reduzieren und

sich auch innerhalb der NATO für eine generelle Reduktion des

CO2-Ausstoßes der Streitkräfte einzusetzen“.


Auch bei Waffenkäufen sollte das gelten. Es gelte „bei sämtlichen

Beschaffungsentscheidungen den CO2-Ausstoß stärker zu gewichten und,

wo es möglich ist, zu priorisieren“ sowie natürlich „Munitions-,

Raketentests sowie sonstige Schießübungen auf das notwendige Maß zu

reduzieren“.


Wir sprechen vom Juli 2020, mit Bundeswehrsoldaten in Mali und

Afghanistan, einem anhaltenden low intensity-Artilleriekrieg im

Donbass, einem anschwellenden Krieg zwischen Armenien und

Aserbaidschan und einem militärischen Konflikt in Syrien unter

direkter Beteiligung der NATO-Partner USA und Türkei.


Von ähnlicher militärischer Weitsicht zeugt auch der Antrag der

Grünen-Fraktion vom Dezember 2020, in der es um die Ablehnung von

bewaffnungsfähigen Drohnen ging – ein Antrag, dessen

verteidigungspolitische Klugheit man heute am Himmel über der Ukraine

täglich überprüfen kann.


Nicht unähnlich präsentiert sich das Bild aber auch bei der Union. Es

war die CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die ihre

vornehmste Aufgabe im Umbau der Bundeswehr zu einem

„familienfreundlichen Arbeitgeber“ gesehen hatte. Die damit

verbundenen Anpassungsmaßnahmen haben zeitweise die operativen

Fähigkeiten halber Waffengattungen gelähmt.


Und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik veröffentlichte im Mai

2021 – Verteidigungsministerin war damals die ehemalige

CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer – eine Studie mit dem

schönen Titel „Vom Leopard zum E-Opard: Die Bundeswehr sollte bei der

Klimaneutralität vorangehen“.


Vor einigen Jahren brachte ein polnischer Teilnehmer bei einer Tagung

deutscher und polnischer Verteidigungsexperten die deutsche

Stimmungslage der späten Merkel-Jahre so auf den Punkt: „Wenn wir von

Sicherheitsbedrohungen sprechen, sprechen wir von

Mittelstreckenraketen in Kaliningrad. Wenn die Deutschen von

Sicherheitsbedrohungen sprechen, dann sprechen sie vom Bienensterben.“


Tatsächlich brauchte die Bundesrepublik damals und braucht sie jetzt

eine Neubewertung ihrer Verteidigungspolitik. Aber der Grund dafür

liegt weniger an einem dringenden Aufrüstungsbedürfnis gegen einen

überlegenen Gegner, sondern in der Tatsache, dass das langjährige

Trittbrettfahren Deutschlands bei den Verteidigungsanstrengungen des

Westens bei unseren Partnern nicht mehr akzeptiert wird.


Als reichste Volkswirtschaft der EU haben wir uns drei Jahrzehnte lang

nicht nur auf die USA verlassen, sondern auch darauf, dass wesentlich

ärmere Staaten gemessen am BIP sehr viel höhere Anteile in die

kollektiven Verteidigungsanstrengungen des Westens investiert haben

als wir. Diese Zeiten sind vorbei.


Eine fairere Verteilung der Verteidigungslasten zwischen stärkeren und

schwächeren Schultern innerhalb des atlantischen Bündnisses ist aber

etwas anderes als die gegenwärtige Begeisterung für Aufrüstung und

gesellschaftliche Militarisierung, die auch Teile des liberalen und

„progressiven“ Milieus erfasst hat.


Deutschland hat noch ein paar andere Baustellen, auf denen Geld gut

gebraucht werden kann: Wohnungsbau, Bildung, Infrastruktur,

Energiewende, Integration, Pflege, Digitalisierung, um nur ein paar

der Großaufgaben zu nennen.


Die politische und soziale Destabilisierung, die von ungelösten

Hausaufgaben in diesen Bereichen ausgeht, könnte sich als deutlich

realer erweisen als ein sehr unwahrscheinlicher, im Kern suizidärer

Angriff Russlands auf die NATO.


Und auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dürfte von

Messerangriffen im öffentlichen Raum nachhaltiger gestört werden als

von der Angst, dass der russische Bär schon durchs Schlüsselloch

schnaubt.


Überkompensation für vergangene Fehleinschätzungen ist menschlich

verständlich. Sie ist aber keine rationale Politikbegründung. Für all

diejenigen, die es eher mit faktenbasierter Politik halten, bleibt

angesichts des Militarisierungsbegeisterung im Berliner „Blob“ der

gute alte Satz Joschka Fischers: „Sorry, but I am not convinced!“



------


11. Friedenskooperative: Veranstaltungsreihe: Combatants for Peace - Dialog statt Waffen



https://www.friedenskooperative.de/aktion/veranstaltungsreihe-combatants-for-peace-dialog-statt-waffen-0



Die Friedensaktivisten Osama Illiwat und Rotem Levin der

israelisch-palästinensischen Organisation "Combatants for Peace"

berichten auf ihrer Vortragsreise durch Deutschland wieder von ihrer

persönlichen Entwicklung und ihrem gemeinsamen gewaltfreien Einsatz

für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina.


Die Vortragsreihe von Ende Juni bis Ende Juli 2024 ist die Fortsetzung

der Termine von Anfang 2024.


Veranstaltungsreihe: Combatants for Peace - Dialog statt Waffen


Terminübersicht:


26.06.2024, Berlin <https://www.friedenskooperative.de/termine/talk-combatants-for-peace>

28.06.2024, Berlin <https://www.friedenskooperative.de/termine/fuer-frieden-in-israel-palaestina>

29.06.2024, Berlin <https://www.friedenskooperative.de/termine/combatants-for-peace-in-berlin-0>

01.07.2024, Hamburg <https://www.friedenskooperative.de/termine/combatens-for-peace-in-hamburg>

02.07.2024, Tüttendorf <https://www.friedenskooperative.de/termine/begegnung-mit-zwei-vertretern-von-combatants-for-peace-aus>

03.07.2024, Heide <https://www.friedenskooperative.de/termine/gewaltfrei-fuer-frieden-und-gerechtigkeit-in-israel-und>

04.07.2024, Köln <https://www.friedenskooperative.de/termine/gemeinsam-feindschaft-ueberwinden>

05.07.2024, Bonn <https://www.friedenskooperative.de/termine/fuer-hoffnung-und-menschlichkeit-1>

06.07.2024, Dortmund <https://www.friedenskooperative.de/termine/combatants-for-peace-in-dortmund>

07.07.2024, Bremen

08.07.2024, Bremen

09.07.2024, Hamburg

10.07.2024, Celle <https://www.friedenskooperative.de/termine/fuer-hoffnung-und-menschlichkeit-2>

11.07.2024, Frankfurt

12.07.2024, Bamberg

13.07.2024, München <https://www.friedenskooperative.de/termine/from-separation-to-collective-liberation>

15.07.2024, Landau

16.07.2024, Ludwigsburg <https://www.friedenskooperative.de/termine/frieden-ist-moeglich-1>

17.07.2024, Hirsau

18.07.2024, Esslingen

19.-21.07.2024, Reutlingen

22.07.2024, Tübingen

23.07.2024, Öhringen

24.07.2024, Stuttgart



Mit freundlichen Grüßen


Clemens Ronnefeldt

Referent für Friedensfragen beim deutschen

Zweig des internationalen Versöhnungsbundes


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

26.06.2024

Ukraine-Krieg: Sie reden wieder – über mögliche Eskalation

lostineu.eu, 26. Juni 2024

 

US-Verteidigungsminister L. Austin hat nach langer Pause wieder mit seinem russischen Amtskollegen gesprochen. Während des Gesprächs mit A. Beloussow habe Austin betont, dass es wichtig sei, die Kommunikation aufrechtzuerhalten, sagte ein Sprecher. Details nannte er nicht. Russland hatte zuvor die USA für einen ukrainischen Angriff auf Sewastopol verantwortlich gemacht und mit Konsequenzen gedroht. Die Attacke war mit US-Waffen ausgeführt worden, die offenbar auch von den USA mit Zieldaten versorgt werden. Nun droht eine Eskalation. Derweil plant die EU neue “Sicherheitsgarantien” für Kiew...

P.S. Eben kam auch das hier noch rein, von CNN: The Biden administration is moving toward lifting a de facto ban on American military contractors deploying to Ukraine, four US officials familiar with the matter told CNN, to help the country’s military maintain and repair US-provided weapons systems. Ich sag ja, Eskalation…

4 Comments

  1. Arthur Dent
    26. Juni 2024 @ 11:09

    Fritze M. hat jeden Tag ‘ne andere Meinung zu kleinen “Paschas”, Zahnarzt-Terminen, Wärmepumpen, den Grünen. Überhaupt sind alle, außer ihm, irgendwie extrem.
    ????

Reply

  • Michael
    26. Juni 2024 @ 09:52

    Ja, es wird wieder geredet! Aber die USA werden wieder nicht zuhören, nicht verstehen, verdrehen und ignorieren!

    Reply

    • exKK
      26. Juni 2024 @ 10:26

      Und die EUropäer am Ende in die Schützengräben schicken!

      Reply

  • european
    26. Juni 2024 @ 08:30

    CDU-Merz schlägt neue und ganz andere Töne an.

    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/cdu-landtagswahlen-100.html

    „Friedrich Merz wechselt seine ganze Tonlage. Wo der März-Merz noch sagte, wer der Ukraine stärkere Hilfe verweigere, erhöhe „nicht etwa die Friedenschancen, sondern erhöht die Kriegsgefahr“, sagt der Juni-Merz: „Wir müssen sehen, dass wir Möglichkeiten eröffnen, wie dieser Konflikt irgendwann mal beendet wird.“

    Im September wird I’m Osten gewählt und man braucht Koalitionspartner. Die AmpelmännerInnen sind eher chancenlos, aber das BSW schwingt sich zur starken Kraft auf. Aber das BSW will Verhandlungen.


  • Info: https://lostineu.eu/ukraine-krieg-sie-reden-wieder-ueber-moegliche-eskalation


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Fall Assange: Das Versagen der EU


    lostineu.eu, vom 25. Juni 2024

    Die ganze Welt freut sich über die Freilassung des Wikileak-Gründer Julian Assange. Die ganze Welt? Nein – die EU schweigt, wie seit Jahren.

    Eigentlich sollte die Nachricht von der Befreiung Julian Assanges lauten Jubel in Brüssel auslösen. Schließlich setzt sich die EU seit Jahren für den Schutz von Whistleblowern ein. Neuerdings hat sie sogar ein „Medienfreiheits-Gesetz“, das auch Journalisten den Rücken stärken soll.

    Doch als die Meldung um die Welt ging, kam aus der EU-Hauptstadt erstmal – nichts. Weder die für Medienpolitik zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova noch Behördenchefin Ursula von der Leyen hielten es für nötig, Assanges Freilassung und den offenbar zugrunde liegenden Deal mit den USA zu kommentieren.

    Das Schweigen der Europäer ist nicht neu. Die EU hat noch nie einen Finger für den wohl prominentesten und wichtigsten Whistleblower gekrümmt. Selbst als Großbritannien noch Mitglied war, taten die EU-Kommission und die meisten deutschen und europäischen Politiker so, als ginge sie der Fall nichts an.

    Man nahm Rücksicht auf die USA – und auf die schwedische Justiz, die Assange zunächst der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Doch als die Anklage schließlich in sich zusammenbrach, änderte sich die Haltung der EU nicht. Auch das Europaparlament konnte daran nichts ändern.

    Die EU-Abgeordneten haben Assange 2022 für den Sacharow-Preis nominiert – zusammen mit dem ukrainischen Volk und der Wahrheitskommission in Kolumbien. Gewonnen hat, wenig überraschend, die Ukraine und ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj. Danach herrschte wieder Funkstille in Brüssel.

    Für den „Fall Assange“ interessierten sich nur noch Abgeordneten der Linken, wie die Irin Clare Daly, die es bei der Europawahl nicht mehr ins Parlament geschafft hat – oder der durchaus ernst zu nehmende Satiriker Martin Sonneborn, der sogar die Prozesse in London besucht hat.

    Sonneborn war denn auch einer der ersten, die die Meldung von Assanges Freilassung weiterverbreitet hat. Zu Wort meldete sich auch Fabio De Masi, der für das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ins neue EU-Parlament einzieht – und Martina Michels, die medienpolitische Sprecherin der Linken.

    Man habe erfolgreich „politischen Druck“ aufgebaut und Assanges Partnerin Stella Assange immer wieder nach Straßburg und Brüssel geladen, so Michels. Doch die Türen der EU-Kommission und des Ministerrats blieben ihr und ihrem Mann verschlossen. Die EU macht zwar viele wohlklingende Gesetze – doch an der Umsetzung hapert es, wie das Versagen im Fall Assange zeigt.

    9 Comments

    1. european
      26. Juni 2024 @ 11:41

      Der Journalist, der schwerste Verbrechen aufgedeckt hat, muss sich schuldig bekennen, um aus insgesamt 12 Jahren Gefangenschaft, davon 5 Jahre Einzelhaft im Hochsicherheitsgefaengnis, endlich frei zu kommen. Er sieht nicht gesund aus und wird viel Zeit benötigen, um einigermaßen wieder auf die Füße zu kommen. Wenn überhaupt.

      Derweil genießen die Täter die Freiheit in höchsten Ämtern, werden von uns als “Freunde” angehimmelt und wir folgen ihren Anweisungen bedingungslos.

      Mir ist kotzuebel bei dem Gedanken. Wir haben nicht mal einen Funken Selbstachtung. Aber wir erzählen dem Rest der Welt etwas von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Freiheit der Presse. Und wir wundern uns, dass uns keiner mehr ernst nimmt oder sogar zuhören will.

      Ich wünsche Julian Assange und seiner Familie alles erdenklich Gute und bedanke mich für seinen Mut und sein Durchhaltevermögen. Wir Europäer werden die Quittung für unsere Rueckgratlosigkeit bekommen. Da bin ich sehr sicher.

    Reply

  • Stef
    26. Juni 2024 @ 10:04

    Ich freue mich für Assange und ich kann den Justizdeal verstehen, den er dafür eingehen musste.Anders wäre er vermutlich nicht frei gekommen.

    Das Urteil gegen ihn hinterlässt bei mir dennoch einen schalen Nachgeschmack. Mich würden die Details dazu interessieren. Ich vermute, dass dadurch die Pressefreiheit nicht gerade gestärkt wurde.

    Reply

    • exKK
      26. Juni 2024 @ 08:29

      Die Welt und alle Journalisten können nur hoffen, dass er sein durch Folter (Nils Melzer) erzwungenes „Geständnis“ widerruft, sobald er tatsächlich in Sicherheit – und genesen – ist.

      Reply

  • Helmut Höft
    26. Juni 2024 @ 09:31

    “Doch die Türen der EU-Kommission und des Ministerrats blieben ihr und ihrem Mann verschlossen. Die EU macht zwar viele wohlklingende Gesetze – doch an der Umsetzung hapert es, wie das Versagen im Fall Assange zeigt.”
    Ja, so geht’s zu beim “Friedens”nobelpreisträger. Die Politniki ist schon ein Fall für sich … und dann noch die EU, die europäischen “Werte”, das ist die Steigerung des völlig Bescheuerten ins Unendliche! So ist das: Schalmeien blasen aber nix tun! Ohne Worte!

    Reply

  • Ute Plass
    26. Juni 2024 @ 09:19

    Kommentar von Aya Velázquez:

    “Das dröhnende Schweigen deutscher Politiker zur Freilassung von Julian Assange zeigt einmal mehr, wie tief Deutschland im Rektum der USA steckt. Dass sie sich nicht einmal schämen, zu diesem weltbewegenden Ereignis zu schweigen, zeigt, dass sie sich schlichtweg für gar nichts mehr schämen. Keine Manieren, kein staatsmännisches Niveau, keine Souveränität, keine Charakterstärke, nichts. Nur noch Transatlantik-höriges, lakaienhaftes, schwanzwedelndes Kalkül.

    Was deutsche Politiker nicht verstehen wollen: Brav sein gegenüber den USA bringt Deutschland keine Pluspunkte. Brav sein gegenüber den USA führt nur dazu, dass die USA Deutschland keinen Deut mehr ernst nehmen und vollständig kannibalisieren. Sie fahren ihren rückgratbefreiten “Partner” wirtschaftlich an die Wand, sprengen ihm die Pipeline unterm Hintern weg, saugen die verbliebene Industrie ab, lassen Deutschland den letzten Rest seines Wohlstands im Ukraine-Krieg verheizen und ziehen Deutschland Stück für Stück, Tag für Tag, tiefer in diesen Krieg hinein. Wahrlich: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

    Dass der historische Tag der Assange-Freilassung seitens deutscher Politiker mit solch bodenloser Ignoranz quittiert wird, wirft einmal mehr ein erschreckendes Schlaglicht auf ein nahezu hirntotes Land.”

    Reply

    • Monika
      26. Juni 2024 @ 08:55

      Liebe Ute, diesem Kommentar von Aya Velázquez, wünsche ich von Herzen, dass er zum jetzigen Zeitpunkt schon auf bessere „Erde“ fallen möge als meine, fast wortgleichen Aus- und Einlassungen der vergangenen Jahre und somit kräftig auskeimen kann! Ich las heute morgen einen Artikel über die Angst unser politischen Akteure vor der „kritischen Masse“. Im Sinne von: wieviel % einer Bevölkerung müssen ein Narrativ anzweifeln oder aktiv dagegen anarbeiten, um das gängige Narrativ zum Bröckeln zu bringen.
      Dass die Herr- und Frauschaften der Hüter des gewünschten, machtsichernden Narrativs langsam aber sicher „Feuer unter dem Hinterrn“ verspüren, zeigt ihr „demokratiefördernder“ Furor mit undemokratischen Mitteln.
      Ja, auch ich finde, das erzwungene Schuldeingeständnis Assanges hinterlässt einen bitter-faden Geschmack im Mund, aber dieser ist der Beweis der fortschreitenden Zerstörung des Nimbus vom wertewestlichen Gutmenschentum durch den Wertewesten selbst.

      Reply

    • Michael
      26. Juni 2024 @ 09:59

      Das kann ich nur uneingeschränkt unterschreiben!

      Reply

      • Ute Plass
        26. Juni 2024 @ 11:47

        Liebe Monika, am “Prinzip Hoffnung” (E.Bloch) gilts weiter fest zu halten, auch wenn manche eher an den Weltuntergang glaubenm als an den Untergang des Kapitalismus. ????

  • MF
    26. Juni 2024 @ 07:39

    Besser kann man die Verfasstheit Deutschlands nicht beschreiben.


  • Info: https://lostineu.eu/fall-assange-das-versagen-der-eu


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Erweiterung: Die “Mission impossible” beginnt


    lostineu.eu, vom 25. Juni 2024

    Die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau haben begonnen. Man sollte davon nicht allzu viel erwarten – die Erweiterung ist bis auf Weiteres eine “Mission impossible”

    Das beginnt schon mit dem Termin: Der Start am 25. Juni wurde nur deshalb gewählt, damit Ungarns Regierungschef Viktor Orban die Verhandlungen nicht verschleppen kann – am 1. Juli beginnt der ungarische EU-Vorsitz, da wollte man auf Nummer sicher gehen.

    Nach dem 1. Juli wird aber voraussichtlich nicht mehr viel passieren. Das Ganze sei “ein rein politisch motivierter Prozess“, so Orban in einem Interview. Er ist sich offenbar seiner Macht bewußt – ein Veto genügt, um das gesamte Verfahren zu blockieren.

    Allerdings dürfte es nicht nur an Ungarn scheitern. Die beiden Kandidaten-Länder sind keineswegs bereit für den EU-Beitritt. Über angebliche “Fortschritte” hat die zuständige EU-Kommission nur mündlich berichtet, ein offizieller (und nachprüfbarer) Bericht liegt nicht vor.

    Das ist erstaunlich. Von sieben EU-Tests wurden Ende 2023, als der EU-Gipfel grünes Licht für Verhandlungen gab, nur vier bestanden. Und jetzt sollen plötzlich alle sieben erfüllt sein? Da bleibt wohl noch einiges zu tun, vor allem bei der Korruption.

    Kann man im Krieg verhandeln?

    Last but not least gibt es eigentlich gar nichts zu verhandeln. Die EU übergibt den Abgesandten aus Kiew und Moldau lediglich den Verhandlungsrahmen, der Prinzipien festlegt. Danach müssen die beiden Länder die Vorgaben der EU umsetzen.

    Mitten im Krieg dürfte das verdammt schwierig werden. Kann man mit einem Land im Krieg, das ohne europäische Hilfe längst pleite wäre, überhaupt sinnvoll über den Beitritt verhandeln? Dies ist eine der vielen Fragen, die nun geklärt werden müssen.

    Unklar ist auch, ob die EU auf den Beitritt der Ukraine, Moldaus und der Länder des Westbalkans vorbereitet ist. Bisher ist sie es definitiv nicht. Dennoch fordert Berlin, man müsse schon 2027 aufnahmefähig sein – und bis dahin alle nötigen inneren Reformen machen.

    Wenn das keine “Mission impossible” ist…

    Siehe auch unser gleichnamiges E-Book “Mission impossible” zur Krise der EU und der geplanten Erweiterung

    6 Comments

    1. palman
      25. Juni 2024 @ 19:57

      . . . und hatte P U T I N nicht auch schon mal “wg. BEI-Tritt” nachgefragt ?!? ????

    Reply

  • Arthur Dent
    25. Juni 2024 @ 18:32

    Die EU ist nicht vorbereitet tür Beitrittskandidaten – allein die dann fälligen Agrarsubventionen für die Ukraine würde die EU ruinieren.

    Reply

    • Michael
      25. Juni 2024 @ 19:02

      Verstehe was Sie meinen. Aber man darf den Erfindergeist der EU nicht unterschätzen. UvdL und Konsorten könnten z. B. virtuelle Zahlungen einführen!

      Reply

    • Skyjumper
      25. Juni 2024 @ 19:32

      Wir dürfen schon gespannt sein wie groß das Interesse, von z.B. Polen und Ungarn, an einer EU-Mitgliedschaft noch sein wird wenn sie plötzlich nicht mehr die großen Nettoempfänger von EU-Mittel sein sollten.

      „Popcorn und Cola long“.

      Reply

    • exKK
      26. Juni 2024 @ 01:08

      “Kann man mit einem Land im Krieg, das ohne europäische Hilfe längst pleite wäre…”
      Sobald Blackrock ernst macht, IST die Ukraine pleite. Oder die EU!

      BTW, heute im DLF haben sie sich echt erdreistet, und die Fortschrtitte der Ukraine auf diversen Feldern gelobt, und dabei insbesondere die jüngsten Fortschritte bei der Pressefreiheit hervorgehoben. Da ist mir fast der Kaffee aus dem Gesicht gefallen vor Lachen. Noch dreister gelogen hat wohl nur der Baron von Münchhausen.

      Reply

      • Michael
        26. Juni 2024 @ 09:49

        Angesichts der totalen Abhängigkeit der Ukraine von der EU ( und USA und UK) kann man davon ausgehen dass die Ukraine erpressbar ist und alle Vorgaben widerspruchslos schlucken wird! Gut für die EU, hat aber natürlich nichts mit Verantwortungsethik zu tun, dafür aber umso mehr mit der üblichen westlichen Gesinnungsethik: Doppelmoral und doppelten Standards.


  • Info: https://lostineu.eu/erweiterung-die-mission-impossible-beginnt


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Fremde Federn  Chinas Industriemonopole, künstliche Flaschenhälse, Googles Blackbox

    Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)


    makronom.de, 25. Juni 2024,  ,

    In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst Forum (früher piqd) eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. Formum.eu versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

    „Die Aufgabe Energiewende wird in Deutschland überschätzt“piqer:
    Rico Grimm

    Das sage nicht ich oder einer der anderen üblichen Verdächtigen, sondern Herbert Diess, ehemaliger CEO von Volkswagen. Genau deswegen ist das Interview lesenswert.

    Diess war bei Volkswagen dafür bekannt, sehr radikal auf E-Mobilität zu setzen, in Talkshows machte er sich auch mal öffentlich lustig über Menschen, die glaubten, Wasserstoff-Autos seien die Zukunft.

    Das Interview ist eine Erinnerung daran, dass die Energiewende längst zu einem globalen Projekt geworden ist, das unabhängig von Deutschland und zum Teil auch unabhängig von der Klimakrise durchgezogen wird.

    Diess sagt es im publizistischen Leitorgan der Grünen-Verachtung, im Focus, wo das Ressort „Earth“ tapfer weiter über Energiewende, Cleantech und Umweltschutz schreibt. An dieser Stelle auch mal Lob dafür!

    focus„Die Aufgabe Energiewende wird in Deutschland überschätzt“Interview: Florian Reiter

    Chinas Industriemonopole – heute: Schiffbaupiqer:
    Gabriel Koraus

    Zu den mittlerweile gefühlt unzähligen Industriesektionen, in denen chinesische Unternehmen aggregiert eine Vormachtstellung besitzen und ausbauen, gehört wohl auch die Sparte: Schiffbau.

    Analog zu anderen Bereichen, sei es E-Mobilität, EE’s, Akkutechnik oder Computing ist durch massive staatliche Subventionierung und Fokussierung auch in diesem Industriezweig eine Angebotsstruktur entstanden, deren aggressives Preis-Leistungsverhältnis zu einer massiven Marktdominanz chinesischer Anbieter führt.

    Die Tatsache, dass selbst große taiwanesische Firmen zur Kundschaft zählen, veranschaulicht, dass im Bereich von Industrie und Handel nach wie vor marktkapitalistische Automatismen stärker wiegen als langfristig-strategische Überlegungen. Der langfristige Preis für die weiterhin zementierten marktwirtschaftlichen Pfadabhängigkeiten dürfte demgegenüber schmerzlich hoch ausfallen.

    csisThe Threat of China’s Shipbuilding Empire Autor: Matthew P. Funaiole

    Wer hat die Macht, den Klimawandel zu stoppen?piqer:
    Thomas Wahl

    „Wir“ nicht, sagt Quico Toro auf Persuasion – einer Plattform, in der gewichtige Stimmen wie Yascha Mounk, Jonathan Haidt, Steven Pinker  oder auch Ivan Krastev publizieren.

    Also wer hat konkret „die Macht“ um den Klimawandel sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu stoppen? Und warum steigt der globale CO2-Ausstoß trotz der UN-Klimakonvention und der jährlichen Weltklimakonferenzen (COP, Conference of the Parties)?

    Quico Toro umschreibt das Problem der ersten Frage wie folgt:

    „Wir müssen jetzt handeln, um eine Klimakatastrophe abzuwenden“. Das ist eine Binsenweisheit des 21. Jahrhunderts, eine Binsenweisheit, die mantramäßig von so ziemlich jedem in der Klimabranche wiederholt wird. Es klingt wie Mutterschaft und Apfelkuchen, eine Binsenweisheit, der niemand widersprechen kann. Es gibt nur ein Problem mit ihr. Es ist nicht wahr. Das Problem versteckt sich schon im ersten Wort: wir. Wer ist das „wir“, das „jetzt handeln muss“?

    Dieses „wir“ bleibt entweder abstrakt oder es meint uns Menschen in den wohlhabenden, „fortgeschrittenen“ Demokratien. Wir könnten den Klimawandel stoppen, wenn „wir“ wirklich endlich handeln würden. Ein anschauliches Beispiel ist für mich die sicher gut gemeinte Schlußfolgerung in diesem Forum-Beitrag:

    Die SONAR-Publikation liest sich wie eine moderne Landkarte der globalen Krisen und der Unfähigkeit der meisten Menschen, diese Krisen wahrzunehmen und anzugehen. Es wird daher Zeit, dass die Menschen, die um diese Gefahren wissen, in Talkshows, auf Konferenzen, als RednerInnen in Panels, als AutorInnen den Mythos von der Entscheidung zwischen Klimaschutz und Wohlstand als das demaskieren, was es letztlich ist: Eine dreiste Lüge.

    Aber „die Menschen“ nehmen diese Poly-Krisen sehr wohl war. Nur sehr unterschiedlich, mit verschiedenen Gewichtungen. Und die westlichen Demokratien haben sich schon länger für den Klimaschutz entschieden. Der globale CO2-Ausstoß wächst allerdings weiter. Erschüttert werden aber Wachstum und Wohlstand in der westlichen Welt. Etwas stimmt also nicht an unseren westlichen Strategien oder Narrativen. Wir sind eben nicht allein auf der Welt und nicht mehr der Nabel der Welt. Dazu Toro:

    Wenn die weltweiten Emissionen weiter steigen, dann nicht, weil wir nicht handeln. Was das Emissionswachstum heutzutage antreibt, sind die Milliarden armer Menschen in den Entwicklungsländern, die nach der Sicherheit und dem Komfort eines Lebens in der Mittelschicht streben. Und der Armut zu entkommen, erweist sich als sehr kohlenstoffintensiv.

    Kamen 1970 noch 69% der Treibhausgasemissionen aus unseren reichen Ländern, sind es heute nur noch 33%. Hier nehmen die Emissionen langsam ab, dort zu.

    Nach Angaben der Internationalen Energieagentur werden 85 % des Anstiegs der Stromnachfrage in den nächsten drei Jahren von den Entwicklungsländern ausgehen.

    Das bedeutet,

    die Entscheidungen, die den größten Teil der künftigen Emissionen bestimmen, (werden) von Menschen getroffen, von denen Sie noch nie etwas gehört haben, die in Ländern leben, in denen Sie noch nie waren, und die versuchen, Ziele zu erreichen, die Sie nicht teilen, und die auf Druck reagieren, den Sie nicht verstehen.

    Quico Toro nennt diese Tatsache das große Tabu der westlichen Klimabewegten – der entscheidende Treiber ist nicht mehr der Westen. Es ist nicht die Frage, ob der kollektive Westen (den es so wohl auch nicht gibt) sich zwischen Klimaschutz oder Wohlstand entscheidet (was in der Tat die falsche Frage wäre).

    Die großen, wegweisenden Klimaentscheidungen werden von Politikern in Jakarta, von Beamten der öffentlichen Versorgungsbetriebe in São Paulo, von Führungskräften der Ölgesellschaften in Dubai und vor allem von Kabinettsministern in Neu-Delhi und Mitgliedern des Politbüros in Peking getroffen. Menschen, auf die wir so gut wie keinen Einfluss haben.

    Was für mich nicht heißt, dass wir hier gar nichts bewirken können, wie es Toro nahe legt. Aber strategisch müssen wir die sich verschiebenden Verhältnisse unbedingt beachten, in konkretes Handeln für unsere Zukunft einbauen. Was z.B. nicht geht, wäre etwa der Weg energieintensive Industrien hier zu schließen und dann deren Produkte aus Ländern zu importieren, die diese mit fossilen Energien herstellen.

    In einem anderen Beitrag versucht Toro, die Handlungszwänge der Politiker im globalen Süden verständlicher zu machen.

    Als Führer in den Entwicklungsländern werden Sie im Grunde nie eine Strafe für die Nichteinhaltung eines COP-Versprechens zahlen müssen. Aber Sie werden mit Sicherheit eine Strafe zahlen, wenn Sie nicht dafür sorgen, dass die Wirtschaft wächst und die Lichter brennen.

    Die Politiker der ärmeren Länder stehen unter dem enormen Druck, schnell Wohlstand zu schaffen, Wachstum zu beschleunigen.

    Wenn Sie in den Entwicklungsländern Macht ausüben, geht es für Sie um das Überleben Ihrer Karriere, wenn Sie für Wachstum sorgen. In demokratischen Ländern können Sie abgewählt werden. Aber selbst wenn Sie an der Führung einer Autokratie beteiligt sind, besteht Ihre beste Chance, an der Macht zu bleiben darin, für einen steigenden Lebensstandard zu sorgen. Und der einzige bekannte Weg, dies zu erreichen, ist die Schaffung von Wachstum. Die Realität sieht so aus, dass ab 2024 die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs in den Entwicklungsländern angesichts der realen Anreizstrukturen, mit denen sie konfrontiert sind, rationale Entscheidungen treffen wird, die zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen führen.

    Toro nennt auch Länder, in denen Gesellschaften und ihre Wirtschaften ruiniert wurden. Etwa Südafrika oder sein Herkunftsland Venezuela, in denen spektakulär inkompetente Regierungen zu wachsendem Elend bei sinkenden Emissionen geführt haben. Aber das ist Gott sei Dank nicht der Normalfall. Viel häufiger sehen wir Ergebnisse

    in Ländern wie Vietnam, Brasilien, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Ägypten und den Philippinen …., wo der Lebensstandard langsam, aber stetig steigt, wo Jahrzehnte lang arme Menschen zur Mittelschicht aufsteigen. In diesen Ländern wächst die Wirtschaft und wird weiter wachsen. Infolgedessen werden auch die Emissionen weiter ansteigen.

    Aber sicher nicht ewig und auch nicht ohne die erneuerbaren Energien. Diese werden ihre Zeit und ihren Platz dort haben. Oder wie es Toro formuliert:

    Es ist schön und gut, den Führern dieser Länder das Evangelium der erneuerbaren Energien zu predigen. Wir sollten auf jeden Fall alle weiter daran arbeiten, erneuerbare Energien für Entscheidungsträger in solchen Ländern attraktiv zu machen.

    Aber ohne Angst vor einer nahenden Apokalypse und mit möglichst klarem Blick auf die differenzierten Realitäten, auf die verteilte Macht in unserer Welt.

    persuasionNo, You Don’t Have the Power to Stop Climate ChangeAutor: Quico Toro

    Solar Boompiqer:
    René Walter

    Vor ein paar Tagen postete Forum-Mitpicker Rico Grimm auf Threads eine bemerkenswerte Grafik, die die Kapazitäten der tatsächlich installierten Solaranlagen mit den Vorhersagen der Experten verglich: „Im Durchschnitt liegen die tatsächlichen Solar-Installationen dreimal höher als ihre Fünfjahres-Prognose.“

    Diese Grafik stammt aus der jüngsten Ausgabe des Economist, der dem sich seit Jahren abzeichneten Solarboom eine Serie von Artikeln widmet. Der ausführliche Haupt-Essay über die „Sun Machines“ befindet sich hinter einer Bezahlschranke, der hier gepickte Lead-Text und die meisten flankierenden Texte allerdings nicht:

    Die Redaktion des Economist schreibt unter anderem, Solarzellen würden „aller Wahrscheinlichkeit nach die „single biggest source“ für Strom in den 2030ern darstellen, und in den 2040ern nicht nur die größte Quelle für Elektrizität, sondern sämtlichen Energiebedarf des Planeten decken.

    Damit liegen sie auf einer Linie mit einer 2023er Studie der Universität Exeter, die mutmaßte, die Welt hätte einen „Tipping Point“ der Solarwirtschaft überschritten und Solarenergie würde sich bis zum Jahr 2050 selbst ohne fördernde Klimapolitik zur dominanten Energieform aufschwingen. Die Forscher warnten allerdings vor vier Barrieren, die diese Vorhersage zunichte machen könnten: „creation of stable power grids, financing solar in developing economies, capacity of supply chains, and political resistance from regions that lose jobs.“

    Die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel und dem damaligen Wirtschaftsminister Altmeier bildete bereits in den 2010er Jahren ein herausragendes Beispiel für „political resistance from regions that lose jobs“ und hatte mit ihrer mangelnden Förderung die deutsche Solarwirtschaft zugrunde gerichtet, um 18.000 Arbeitsplätze in der Kohleförderung zu retten (wobei rund 80.000 Arbeitsplätze in der Photovoltaik vernichtet wurden). Zwar boomt die Solarwirtschaft derzeit auch in Deutschland, vor allem dank anhaltend starker Nachfrage bei Privathaushalten, dem nun Unternehmen nachziehen und sich immer stärker für PV-Installationen interessieren. Immerhin. Dennoch ist zu befürchten, dass eine mögliche konservativ geführte Regierung den Solarboom erneut zugunsten traditioneller Wirtschaftszweige abwirtschaftet. Der Gewinner in jedem Fall: China.

    Auch bleibt fraglich, in welchem Ausmaß AI-Techologien sich auf die Stabilität der Stromnetze auswirken werden. Bereits heute titelt die BBC „Electricity grids creak as AI demands soar“ und Bloomberg schreibt darüber, wie AI-Technologie „Chaos in globalen Stromnetzen anrichtet„. Die Gewinne durch billige erneuerbare Energien könnten einfach durch Rebound-Effekte durch explodierende Energienachfrage aufgefressen werden.

    Mir bleibt daher trotz des eigentlich tollen Solar Booms, der jetzt schon im neoliberalen Fachmagazin Economist landete, nur, den genauso lustigen wie ernüchternden viralen Blusky-Post von Lauren Keyes zu zitieren, der tödliche Hitzewellen, Energiebedarf, AI und Klimawandel zusammendenkt:

    It’s so cool that cities are like ‚pweeease only turn your (Air Conditioning) on if you’re actively dying and don’t go below 79 ????????????????‘ while the AI nobody asked for is slurping up the power grid to make 1 image of a girl with 5 tits.

    Dem ist, vorerst, nichts hinzuzufügen.

    economistThe exponential growth of solar power will change the world

    Big Tech gegen die Medien, nächste Runde mit KIpiqer:
    Jannis Brühl

    Dieser Artikel des Medienjournalisten Brian Morrissey ernüchtert den Leser – besonders, wenn er selbst Journalist ist. Auf wenigen Zeilen schafft Morrissey es, die nächste Phase der KI-Revolution und ihre Bedeutung für die Medien auf den Punkt zu bringen. Wer in der Branche arbeitet, sollte das lesen.

    Das Problem ist demnach, dass die Bestimmung der generativen KI offensichtlich nicht einfach automatisch erzeugte Artikel oder Bilder auf Medien-Webseiten sind, sondern die Integration von Artikeln in die Oberflächen der großen Plattformen. KI hilft den Plattformen demnach, die friction, also Reibung, weiter zu reduzieren. Aktuelles Beispiel war der Fall der KI-Suchmaschine Peplexity, die einen Forbes-Artikel zusammenfasste und mit Bild ausspielte – für Morrissey ein Beispiel, wie Medieninhalte in Zukunft Menschen erreichen werden – und dafür gibt es nicht einmal einen Klick des Lesers auf die Webseite (mehr Details dazu, wie Perplexity Webseiten ausliest, hat Wired recherchiert).

    Spracheingabe in eine KI-Suche statt Klicks auf Webseiten, dazu E-Mail-Anbieter, die Mails von KI sortieren und die Inhalte destillieren lassen: KI verteilt die Macht von Verlagen und anderen Medien weiter in Richtung der Flaschenhälse:

    The tech giants believe they should control the interface. Controlling the interface used to mean controlling the distribution. The zero-click vision that’s increasingly taking hold will mean publishers and their webpages are regarded as friction standing in the way of people getting what they want immediately, without wading through full-screen interstitial ads, endless pop-ups and autoplay video. That’s going to be a compelling proposition. It will also conveniently accrue all power to the interface and relegate publishers to content vendors.

    Die These: Medien werden vom Einzelhändler, der direkt an den Leser liefert, zum Großhändler, der KI-Firmen beliefert, die mit den Inhalten letztendlich machen, was sie wollen. Sie müssen sich also ganz genau überlegen, welche Deals sie mit den KI-Konzernen und -Aggregatoren eingehen, um sich langfristig nicht selbst zu gefährden.

    the rebootingThe war on frictionAutor: Brian Morrissey

    Google-Leak: Erster Blick in die Blackbox des Suchalgorithmuspiqer:
    Magdalena Taube

    Googles mysteriöser Suchalgorithmus hat eine ganze Industrie von Vermarktern hervorgebracht, die sich eng an Googles öffentliche Richtlinien halten und diese für Millionen von Unternehmen auf der ganzen Welt umsetzen. Diese allgegenwärtigen und oft ärgerlichen Taktiken haben zu der weit verbreiteten Behauptung geführt, dass die Suchergebnisse von Google immer schlechter werden, da sie mit Müll vollgestopft werden, den Website-Betreiber*innen für notwendig halten, um ihre Websites – gemäss den SEO-Vorgaben – sichtbar zu machen. Als Reaktion auf die Kritik an SEO-getriebenen Taktiken greifen Google-Vertreter*innen oft zu einer bekannten Verteidigung: „Das ist nicht das, was die Google-Richtlinien sagen.“

    Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir nicht wissen, wie der Suchalgorithmus funktioniert. Denn die konkrete Funktionsweise gehört zu den bestgehüteten Geschäftsgeheimnissen der Welt. Besser gesagt: gehörte. Kürzlich sind 2.500 Seiten interner Dokumente von Google durchgesickert. Der Leak erlaubt einen noch nie dagewesenen Blick in die Blackbox der Suchfunktion. Die durchgesickerten Dokumente behandeln Themen wie die Art der von Google gesammelten und verwendeten Daten, welche Websites Google bei sensiblen Themen wie Wahlen hervorhebt, wie Google mit kleinen Websites umgeht und vieles mehr.

    Einige Informationen in den Dokumenten scheinen im Widerspruch zu öffentlichen Erklärungen von Google-Vertreter*innen zu stehen. Beispielsweise haben Google-Vertreter*innen wiederholt betont, dass das Unternehmen keine Chrome-Daten für das Ranking von Seiten verwendet, aber Chrome wird ausdrücklich in Abschnitten erwähnt, die sich damit befassen, wie Websites in der Suche angezeigt werden.

    Die geleakten Dokumente werden zwar keinen Skandal auslösen, bieten aber einen tiefen und ungefilterten Einblick in die streng gehütete Blackbox. Journalist*innen und Forscher*innen, die versucht haben, sich einen Reim auf diese Blackbox zu bilden, müssen nun nicht mehr ausschließlich im Dunkeln tappen. Sie haben jetzt ein paar handfeste Hinweise darüber, wie der Suchalgorithmus von Google, der vielleicht das folgenreichste System im Internet ist, entscheidet, welche Websites „leben“ und welche nicht und wie die Inhalte im Netz aussehen.

    the vergeGoogle won’t comment on a potentially massive leak of its search algorithm documentationAutorin: Mia Sato


    Info: https://makronom.de/chinas-industriemonopole-kuenstliche-flaschenhaelse-googles-blackbox-46913?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=chinas-industriemonopole-kuenstliche-flaschenhaelse-googles-blackbox


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Nachrichten von Pressenza: Julian Assange ist frei!

    aus e-mail von  <newsletter@pressenza.com>, 26. Juni 2024, 7:30 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 26.06.2024


    Julian Assange ist frei!


    Der WikiLeaks-Gründer Julian Assange verließ das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh am Morgen des 24. Juni 2024, nachdem er dort 1901 Tage verbracht hatte. Er wurde vom High Court in London gegen Kaution freigelassen und am Nachmittag am Flughafen Stansted auf freien Fuß&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/julian-assange-ist-frei/


     -----------------------


    Dringender Spendenaufruf zur Unterstützung von Julian Assanges Ausreise und Genesung


    Julian Assange hat sich an Bord des Fluges VJT199 nach Saipan begeben. Wenn alles gut geht, wird dies seine langersehnte Rückkehr in die Freiheit und nach Australien bedeuten. Allerdings sind die Kosten für diesen Flug enorm: Julian wird der australischen&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/dringender-spendenaufruf-zur-unterstuetzung-von-julian-assanges-ausreise-und-genesung/


     -----------------------


    Feindbild zerbrochen: Ex-Soldat und Ex-Kämpfer aus Israel und Palästina


    Rotem Levin aus Tel Aviv und Osama Eliwat aus Jericho waren Feinde. Rotem war Soldat für Israel und Osama Widerstandskämpfer für Palästina. Aber sie haben der Gewalt abgeschworen, sind Freunde geworden und treten gemeinsam als Kämpfer für Frieden auf für&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/feindbild-zerbrochen-ex-soldat-und-ex-kaempfer-aus-israel-und-palaestina/


     -----------------------


    Die Organisation des 3. weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltlosigkeit ist in vollem Gange


    Im Vorfeld des 3. weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltlosigkeit am 2. Oktober nehmen die Vorbereitungen in Costa Rica &#8211; dem Land, in dem der Marsch beginnen und dann durch viele Länder der Welt wandern wird, um Anfang 2025 nach&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/die-organisation-des-3-weltweiten-marsches-fuer-frieden-und-gewaltlosigkeit-ist-in-vollem-gange/


     -----------------------


    Julian Assange ist frei &#8211; Unser Dank gilt allen UnterstützerInnen


    Mit großer Freude haben wir erfahren, dass Julian Assange frei ist. Pressenza, die sich seit Jahren für Assanges Freilassung einsetzt, dankt all jenen, die dieses Ereignis möglich gemacht haben, und erinnert uns daran, dass der menschliche Einsatz für Gerechtigkeit, Menschenrechte&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/julian-assange-ist-frei-unser-dank-gilt-allen-unterstuetzerinnen/


     -----------------------


    Julian Assange kommt nach Deal mit den USA frei


    Reporter ohne Grenzen feiert die Freilassung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange: Das juristische Tauziehen hat endlich ein Ende: Assange hat sich nach fünf Jahren Haft in London mit der US-amerikanischen Justiz auf einen Deal geeinigt. „Dies ist ein historischer Sieg für&hellip;

    https://www.pressenza.net/?l=de&track=2024/06/julian-assange-kommt-nach-deal-mit-den-usa-frei/


     -----------------------


    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Dmitri Trenin - Neue Definition der Abschreckung aus AKTUELLER russischer Sicht

    aus e-mail von Felix Weiland, 26. Juni 2024, 6:41 Uhr


    Liebe Friedensfreunde,


    so traurig es ist: Die Abschreckung wird wieder neu defniert, um den

    Krieg einzuhegen. Wir erleben als Friedensbewegung erbärmliche Zeiten,

    aber müssen uns mit dieser Realität auseinandersetzen.



    Mit bestem Gruß von Felix


    -----------------------------------------


    Der folgende Artikel von Dmitri Trenin beleuchtet die Abschreckung aus

    aktueller russischer Sicht. Trenin versucht, die nukleare Abschreckung

    neu zu definieren. Gäbe es heute einen Egon Bahr, so wäre Dmitri Trenin

    einer seiner Gesprächspartner.



    "Die gegenseitige nukleare Abschreckung funktioniert nur noch

    beschränkt" / Dmitri Trenin - aus GlobalBridge 21.6.24


    https://globalbridge.ch/die-gegenseitige-nukleare-abschreckung-funktioniert-nur-noch-beschraenkt/


    -----------------------


    Thesen aus dem Artikel:


    "Atomwaffen befinden sich zwar immer noch in den Arsenalen der

    Großmächte – auch wenn es weniger sind als auf dem Höhepunkt der

    Konfrontation – aber die Angst vor ihrem Einsatz hat nachgelassen. Noch

    gefährlicher ist, dass Generationen von Politikern an die Macht gekommen

    sind, die weder durch die Erinnerung an die jahrzehntelange

    Konfrontation noch durch ihr Verantwortungsbewusstsein belastet sind."


    Stichworte:


    "der europäische 'strategische Parasitismus' ohne Selbsterhaltungssinn"


    "Fünfzig Staaten nehmen an Treffen teil, um die Militärhilfe für Kiew im

    'Ramstein'-Format zu organisieren." Dabei der Idee folgend, es sei

    möglich, "eine Atommacht (Russland) zu besiegen, aber unter der

    Bedingung, dass sie nicht zu Atomwaffen greift."


    Die bisherige Rüstungskontrolle sei tot. Die Zukunft liege in der

    Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), also in Eurasien

    (China, Russland, Indien, Pakistan, Iran und weitere).


    Schluß:


    "Die Weltordnung befindet sich in einer akuten systemischen Krise. In

    früheren Zeiten führten solche Krisen unweigerlich zu Kriegen. Jetzt

    funktioniert die nukleare Abschreckung, wenn auch mit Fehlern. Um einen

    Weltkrieg zu verhindern, muss die Abschreckung gestärkt werden, indem

    der nukleare Faktor in der Außenpolitik aktiviert wird, die rettende

    Angst zurückgebracht wird und eine Eskalationsskala gültig wird – nicht

    um bis zum Abgrund zu gehen und dann hineinzufallen, sondern um eine

    katastrophale Entwicklung der Ereignisse zu verhindern. Atomwaffen haben

    die Welt schon einmal gerettet – indem sie drohten, sie zu zerstören.

    Diese Mission geht weiter."


    -------------------------


    Weiterlesen - Der vollständige Artikel:


    https://globalbridge.ch/die-gegenseitige-nukleare-abschreckung-funktioniert-nur-noch-beschraenkt/


    --------------

    Dmitri Trenin, 68 Jahre, Außenpolitik- und Sicherheitsexperte, heute

    Politologe in (den üblichen) Sicherheitsinstituten (zeitweise sogar an

    einem Institut der NATO), zuvor Laufbahn im Militär und Geheimdienst, zu

    sowjetischer Zeit Aufenthalte auch in West-Berlin, spricht fließend

    englisch und deutsch



    _______________________________________________

    Friedens-Initiativen mailing list

    Friedens-Initiativen@listi.jpberlin.de

    https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/friedens-initiativen


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Die gegenseitige nukleare Abschreckung funktioniert nur noch beschränkt


    Noam Chomsky im Jahr 2013: Der Weg in die Katastrophe

    Stufen der Eskalation: Wann begann der Krieg in der Ukraine?

    Man beachte auch die Empfehlungen von Berichten auf anderen Plattformen!


    globalbridge.ch, 21. Juni 2024 Von: in Geschichte, Medienkritik, Militär, Politik

    (Red.) Im Kalten Krieg hat es funktioniert: Angriffskriege waren undenkbar, weil alle wussten, dass ein Krieg mit nuklearen Waffen das Ende der Menschheit bedeuten kann. Doch dieser Mechanismus hat weitgehend ausgedient, sagt der russische Politologe Dmitri Trenin, und erklärt, warum. (cm)

    Die nukleare Abschreckung ist kein Mythos. Sie hat uns und der ganzen Welt während des Kalten Krieges Sicherheit gegeben. Abschreckung ist eine psychologische Kategorie. Man muss einen nuklear bewaffneten Gegner davon überzeugen, dass er seine Ziele nicht erreichen wird, wenn er uns angreift, und dass er im Falle eines Krieges sicher sein kann, selber vernichtet zu werden. Die gegenseitige nukleare Abschreckung der UdSSR und der USA während ihrer Konfrontation im Kalten Krieg wurde durch die Realität der gegenseitig zugesicherten Vernichtung im Falle eines massiven Austauschs von Atomschlägen verstärkt. Im Englischen sieht die Abkürzung für Mutual Assured Destruction übrigens aus wie MAD („Wahnsinn“).


    Für die „Mythologisierung“ der nuklearen Abschreckung gibt es mehrere Gründe. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist der Glaube weit verbreitet, dass jeder denkbare Grund, der zu einem Atomkrieg führen könnte, verschwunden ist. Eine neue Ära der Globalisierung mit ihrer Betonung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit war angebrochen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Hegemonie einer einzigen Macht, der USA, weltweit durchgesetzt. Atomwaffen befinden sich zwar immer noch in den Arsenalen der Großmächte – auch wenn es weniger sind als auf dem Höhepunkt der Konfrontation – aber die Angst vor ihrem Einsatz hat nachgelassen. Noch gefährlicher ist, dass Generationen von Politikern an die Macht gekommen sind, die weder durch die Erinnerung an die jahrzehntelange Konfrontation noch durch ihr Verantwortungsbewusstsein belastet sind.

    Die amerikanische Überzeugung von der eigenen Freizügigkeit und der europäische „strategische Parasitismus“ ohne Selbsterhaltungssinn bilden eine gefährliche Kombination. In einem solchen Umfeld kam die Idee auf, der Atommacht Russland in einem konventionellen Stellvertreterkrieg in der Ukraine eine strategische Niederlage zuzufügen. Russische Nuklearkapazitäten wurden dadurch aus dem Spiel genommen. Die Parallelen, die Moskau mit der Kubakrise von 1962 zu ziehen versuchte, als Washington als Reaktion auf die Stationierung sowjetischer Raketen in der Nachbarschaft der USA die Möglichkeit eines Atomkriegs mit der UdSSR in Betracht zog, wurden von den Amerikanern als weit hergeholt zurückgewiesen.

    Moskau war daraufhin gezwungen, den Abschreckungsfaktor zu reaktivieren. Im Einvernehmen mit Minsk wurden russische Atomwaffen in Weißrussland stationiert. Vor kurzem haben auch Übungen der russischen nicht-strategischen Atomstreitkräfte begonnen. Dennoch verfolgen die westlichen Länder weiterhin eine Eskalationslinie im Ukraine-Konflikt, die, wenn sie nicht durchbrochen wird, zu einem frontalen militärischen Zusammenstoß zwischen der NATO und Russland und damit zu einem allgemeinen Atomkrieg führen könnte. Dieses Szenario kann durch eine weitere Verschärfung der nuklearen Abschreckung – genauer gesagt durch eine „nukleare Ausnüchterung“ unserer Gegner – verhindert werden. Sie müssen erkennen, dass es unmöglich ist, einen konventionellen Krieg zu gewinnen, der die lebenswichtigen Interessen einer Atommacht berührt, und dass der Versuch, dies zu tun, zu ihrer eigenen Vernichtung führen wird. Das ist der Klassiker der nuklearen Abschreckung.

    Das Wort „Abschreckung“ selbst hat einen defensiven Beiklang (eine zusätzliche emotionale Färbung, die die Grundbedeutung des Wortes – WENN – ergänzt), aber theoretisch kann die Strategie der Abschreckung auch in einem „offensiven“ Sinne eingesetzt werden. Das kann passieren, wenn es einer Partei gelingt, dem Feind den ersten Entwaffnungsschlag zu versetzen und mit den verbleibenden Kräften dem geschwächten Feind mit der totalen Vernichtung zu drohen, falls er zurückschlägt. Besser geeignet ist hier das angloamerikanische Äquivalent der Abschreckung, das wörtlich „Einschüchterung“ bedeutet. Die Franzosen verwenden übrigens den Begriff „Dissuasion“ für ihr Konzept der nuklearen Abschreckung.


    Der Einfluss von nicht-nuklearen Waffen auf die nukleare Abschreckungspolitik

    Nicht-nukleare Waffen haben zweifellos Einfluss auf die Politik der nuklearen Abschreckung. Das ist eine Tatsache. Viele Aufgaben, die in der Vergangenheit nur durch Atomschläge gelöst werden konnten, werden heute mit nicht-nuklearen Systemen gelöst.

    Die USA haben ein riesiges Arsenal an nicht-nuklearen Mitteln aufgebaut. Sie haben ihre Militärbündnisse nicht nur nicht aufgelöst, sondern sie haben sie erweitert und neue geschaffen. In der gegenwärtigen Situation verlangt Washington von seinen Verbündeten immer mehr echtes Engagement – im Namen des Erhalts des von den USA geführten globalen Systems. Fünfzig Staaten nehmen an Treffen teil, um die Militärhilfe für Kiew im „Ramstein“-Format zu organisieren. Daraus resultiert die Idee, dass es möglich ist, eine Atommacht zu besiegen, aber unter der Bedingung, dass sie nicht zu Atomwaffen greift.

    Das Einzige, was noch zu tun ist, ist, die Atommacht davon zu überzeugen, unter keinen Umständen Atomwaffen einzusetzen und sich sogar selbst besiegen zu lassen – im Namen der Rettung der gesamten Menschheit usw. Dies ist eine äußerst gefährliche Illusion, die durch eine aktive Strategie der nuklearen Abschreckung ausgeräumt werden kann und muss, einschließlich der Senkung der Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen, die derzeit zu hoch ist. Anstelle von „Bedrohung der Existenz des Staates“ sollte eine der Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen „Bedrohung der lebenswichtigen Interessen des Landes“ sein!


    Eine neue Phase der Beziehungen zwischen den Atommächten hat begonnen

    Wir können sagen, dass eine neue Phase in den Beziehungen zwischen den Atommächten begonnen hat. Viele von uns befinden sich psychologisch noch irgendwo in der Zeit der 1970er-1980er Jahre. Dies ist eine Art Komfortzone. Die Beziehungen zwischen der UdSSR und den USA basierten damals auf der strategischen und politischen Parität der beiden Supermächte. Auf dem militärisch-strategischen Gebiet war Washington gezwungen, mit Moskau auf Augenhöhe zu verhandeln.


    Nach 1991 war es mit dieser Gleichheit vorbei. Für die USA ist Russland seit den 1990er Jahren eine aufgeschlossene Natur. Kämpfend, immer wieder an seine frühere Größe erinnernd, zurückschnellend, manchmal sogar gefährlich – aber es geht. Der erfolglose Start der SWO gab den Amerikanern die Hoffnung, dass die Ukraine ein Grab für die russische Größe werden würde. Inzwischen sind sie etwas nüchterner geworden, aber eine Gleichstellung von Russland und den USA in Amerika steht außer Frage.

    Das ist der Hauptunterschied zwischen dem aktuellen Stand der Beziehungen und der „goldenen“ Zeit des Kalten Krieges – den 1960er und frühen 80er Jahren. Russland muss den Amerikanern erst noch beweisen, wie falsch sie liegen.

    Wie man so schön sagt, ist es immer schwierig, etwas vorherzusagen, vor allem wenn es die Zukunft betrifft. Heute müssen wir davon ausgehen, dass wir eine lange Zeit der Konfrontation mit dem Westen, angeführt von den USA, vor uns haben. Der Ausgang dieser Konfrontation, deren Hauptfront nicht in der Ukraine, sondern innerhalb Russlands liegt: in der Wirtschaft, im sozialen Bereich, in Wissenschaft und Technik, in Kultur und Kunst, wird die Zukunft unseres Landes, seine Position und Rolle in der Welt sowie – in hohem Maße – den Zustand des Weltsystems insgesamt bestimmen.

    Intern, weil der Feind erkennt, dass es unmöglich ist, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen, aber sich daran erinnert, dass der russische Staat mehr als einmal aufgrund von inneren Unruhen zusammengebrochen ist. Diese Unruhen können, wie 1917, das Ergebnis eines erfolglosen Krieges sein. Daher setzt man auf einen langwierigen Krieg, in dem der Feind bekanntermaßen über mehr Ressourcen verfügt.


    Nukleare Polyzentralität ist ein Spiegelbild der wachsenden Multipolarität in der Welt

    Während des Kalten Krieges gab es fünf Atommächte, aber damals waren nur die USA und die UdSSR die wirklichen Pole, und China mit seinem kleinen Atomwaffenarsenal stand abseits. Heute ist China auf dem Weg, (mindestens) mit Amerika und Russland gleichzuziehen, während Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel unabhängige Akteure sind (im Gegensatz zu den NATO-Mitgliedern Großbritannien und Frankreich).

    Der klassische Begriff der strategischen Stabilität aus der Zeit des Kalten Krieges, d.h. das Fehlen von Anreizen für die Parteien, einen nuklearen Erstschlag zu führen, ist nicht nur unzureichend, sondern manchmal überhaupt nicht anwendbar, um die Beziehungen zwischen den Großmächten zu charakterisieren.

    Schau dir die Ukraine an: Washington erhöht die Waffenlieferungen an Kiew, ermutigt und unterstützt seine provokativen Angriffe auf die strategische Infrastruktur Russlands (Raketenfrühwarnsystemstationen, strategische Flugplätze) und bietet Moskau gleichzeitig einen neuen Dialog über strategische Stabilität an!

    In der entstehenden Weltordnung muss strategische Stabilität bedeuten, dass es keinen Grund für einen (auch indirekten) militärischen Konflikt zwischen den Atommächten gibt. Dies wiederum ist möglich, wenn die Mächte die Interessen der anderen respektieren und bereit sind, Probleme auf der Grundlage von Gleichheit und Unteilbarkeit der Sicherheit zu lösen.

    Die Gewährleistung strategischer Stabilität zwischen allen neun Nuklearmächten – USA, UK, Frankreich, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea – wird enorme Anstrengungen und die Bildung eines grundlegend neuen Modells der Weltordnung erfordern, aber sie (strategische Stabilität im weiten, d.h. echten Sinne des Wortes) ist zwischen Staatenpaaren (Russland-China, USA-Indien usw.) durchaus realistisch. Für Russland sind nur drei der anderen acht Atommächte – die USA, Großbritannien und Frankreich – weiterhin problematisch.


    Rüstungskontrolle ist tot und wird nicht wiederbelebt!

    Was die Rüstungskontrolle in der klassischen Form sowjetisch-russisch-amerikanischer Abkommen oder multilateraler Vereinbarungen in Europa (KSE-Vertrag) angeht, ist die Rüstungskontrolle tot und wird nicht wiederbelebt. Die Amerikaner haben bereits vor zwei Jahrzehnten damit begonnen, dieses System zurückzudrehen. Zuerst zogen sie sich aus dem ABM-Vertrag zurück, dann aus dem INF-Vertrag und dem Vertrag über den Offenen Himmel. Sie weigerten sich, den angepassten Vertrag über Streitkräfte und Rüstung in Europa in Kraft zu setzen. Im Bereich der strategischen Nuklearwaffen gibt es nur noch einen Vertrag – START-3, der aber 2026 ausläuft und dessen Inspektionen Moskau im Zuge des Ukraine-Konflikts eingestellt hat.

    In Zukunft werden nicht nur neue Verträge benötigt, sondern auch eine neue Grundlage für Verhandlungen und Vereinbarungen. Es wird notwendig sein, gemeinsam neue Konzepte zu entwickeln, neue Ziele zu setzen und sich auf die Formen und Methoden ihrer Umsetzung zu einigen. „Greater Eurasia“ – umgangssprachlich die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) – könnte eine Plattform für die Schaffung eines neuen Modells der internationalen Sicherheit in der Größenordnung eines riesigen Kontinents (oder zumindest des größten Teils davon) werden. Der SOZ gehören vier Atommächte an: Russland, China, Indien und Pakistan. Ein weiteres SOZ-Mitglied, der Iran, hat ein fortgeschrittenes Atomprogramm. Die SOZ-Mitglieder Russland und China haben enge Sicherheitsbeziehungen zu Nordkorea. Es gibt ein riesiges Feld für Arbeit, neue Ideen und originelle Lösungen.


    Eine Fortsetzung der Gespräche zur nuklearen Abrüstung zwischen Russland und den USA ist nicht in Sicht

    Verhandlungen über nukleare Abrüstung sind möglich, sie können sogar Ergebnisse bringen: 2017 wurde ein Vertrag über das Verbot von Atomwaffen verabschiedet. Dieser Vertrag trat 2021 in Kraft, nachdem 50 Staaten ihn ratifiziert hatten. Allerdings gibt es eine Sache zu bedenken. Unter den Unterzeichnerstaaten befindet sich keine einzige Atommacht. Außerdem erklärten die USA, Großbritannien und Frankreich gemeinsam sowie Russland bereits 2017, dass sie den Vertrag niemals unterzeichnen würden, weil er nicht ihren nationalen Interessen entspricht.

    Was die Frage der nuklearen Rüstungsreduzierung angeht, so ist die Fortsetzung dieser Praxis zwischen Moskau und Washington aufgrund ihrer langjährigen Konfrontation ausgeschlossen. China will seinerseits sein Atomwaffenarsenal nicht reduzieren, sondern vergrößern und strebt wahrscheinlich langfristig die Parität mit den USA und Russland an. Die Amerikaner, die Russland und China offiziell als die größten Bedrohungen für die Sicherheit ihres Landes bezeichnet haben, überlegen, wie sie das gemeinsame Nuklearpotenzial von Moskau und Peking ausgleichen können. Es gibt also keine Aussicht auf eine neue Reduzierung der Atomwaffen.

    Das Hauptproblem ist jedoch nicht die Quantität der Atomwaffen oder gar ihre Präsenz an sich, sondern die Qualität der Beziehungen zwischen den Staaten. Die Weltordnung befindet sich in einer akuten systemischen Krise. In früheren Zeiten führten solche Krisen unweigerlich zu Kriegen. Jetzt funktioniert die nukleare Abschreckung, wenn auch mit Fehlern. Um einen Weltkrieg zu verhindern, muss die Abschreckung gestärkt werden, indem der nukleare Faktor in der Außenpolitik aktiviert wird, die rettende Angst zurückgebracht wird und eine Eskalationsskala gültig wird – nicht um bis zum Abgrund zu gehen und dann hineinzufallen, sondern um eine katastrophale Entwicklung der Ereignisse zu verhindern. Atomwaffen haben die Welt schon einmal gerettet – indem sie drohten, sie zu zerstören. Diese Mission geht weiter.


    Zum Originalartikel von Dmitri Trenin in russischer Sprache, und auch hier auf Interfax.


    Info: https://globalbridge.ch/die-gegenseitige-nukleare-abschreckung-funktioniert-nur-noch-beschraenkt


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Russische Gegensanktionen: Verbreitung von "FAZ", "Spiegel" und "Die Zeit" eingeschränkt

    freedert.online, vom 25 Juni 2024 17:01 Uhr

    Am Montag hatte die EU im 14. Sanktionspaket mehrere renommierte russische Medien sanktioniert. Russland reagiert am Dienstag darauf mit der Verhängung von Gegensanktionen und Zugangsbeschränkungen für 80 Medienprodukte aus EU-Mitgliedsländern.


    Quelle: Gettyimages.ru © Alengo


    Symbolbild


    Russland hat als Reaktion auf die gegen russische Medien gerichteten Sanktionen und Restriktionen in der Europäischen Union die Verbreitung von mehr als achtzig Medien aus EU-Mitgliedstaaten eingeschränkt, teilte das Außenministerium in Moskau am Dienstag auf seiner Website mit. Wörtlich heißt es in der Mitteilung:

    "Als Vergeltungsmaßnahme für die Entscheidung des EU-Rates vom 17. Mai, drei russischen Medien (RIA Nowosti, Iswestija und Rossijskaja Gaseta) jegliche Sendetätigkeit zu verbieten, [...] werden Gegenbeschränkungen für den Zugang zu den Senderessourcen einer Reihe von Medien der EU-Mitgliedsstaaten und von Medienbetreibern der Europäischen Union auf dem Gebiet der Russischen Föderation verhängt, die systematisch ungenaue Informationen über die spezielle Militäroperation verbreiten", heißt es in der Mitteilung.

    Aus Deutschland sind die Webseiten des Spiegel (spiegel.de), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz.de) und Die Zeit (zeit.de) betroffen. Im Fall Österreichs treffen die Gegensanktionen das ORF (orf.at) und die Medienholding Österreich (oe24.at). Außerdem wird die als gesamteuropäisch geltende Plattform Politico in Russland gesperrt sein.

    Besonders zahlreich trifft es französische Medien. Hier umfasst die Liste der Sender und Zeitungen, deren Webseiten in Russland künftig nicht mehr zu erreichen sind, neun Produkte, darunter Arte, Le Monde und Radio France.

    Russlands Außenministerium nutzte die Gelegenheit dafür, in Erinnerung zu rufen, dass Moskau in der Vergangenheit wiederholt vor der Verfolgung russischer Medien und Journalisten gewarnt und Gegenmaßnahmen angekündigt hatte. Sollten die EU und die westlichen Länder ihre Sanktionen gegen russische TV-Sender und Zeitungen aufheben, werde auch Russland seine Gegegensanktion überdenken, heißt es in der Pressemitteilung weiter.


    Ex-ZDF-Redakteur: "Wer wissen will, was in Deutschland wirklich ist, braucht ausländische Medien"


    Ex-ZDF-Redakteur: "Wer wissen will, was in Deutschland wirklich ist, braucht ausländische Medien"





    Am Montag verhängte die EU das 14. Sanktionspaket gegen Russland, das unter anderem ein gemeinschaftsweites Verbot der Ausstrahlung bestimmter Medien, darunter RIA Nowosti, Iswestija und Rossijskaja Gaseta sowie Voice of Europe vorsieht. Die restriktiven Maßnahmen traten am 25. Juni in Kraft.

    Die Situation der russischen Medien im Westen ist in den vergangenen Jahren immer komplizierter geworden. Im November 2016 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der es die Notwendigkeit betonte, den russischen Medien entgegenzuwirken. Die größten Bedrohungen seien Sputnik und RT. Viele ausländische Politiker, darunter amerikanische Senatoren und Kongressabgeordnete, warfen diesen Veröffentlichungen eine Einmischung in die Wahlen in den USA und Frankreich vor, legten jedoch keine Beweise dafür vor. Darüber hinaus hat die EU kürzlich Sanktionen gegen die größten russischen Medien verhängt, und diese Entscheidung wurde getroffen, ohne sich an ein Gericht oder die nationalen Regulierungsbehörden der Gewerkschaftsmitglieder zu wenden, die für die Medienmärkte in ihren Ländern verantwortlich sind.

    Die Verbreitung von Inhalten von RT DE ist EU-weit seit über zwei Jahren verboten und wird mit technischen Mitteln eingeschränkt. Aufgrund von Sanktionen musste zudem die Produktionsgesellschaft von RT DE im Frühjahr 2023 ihre Tätigkeit in Deutschland einstellen.


    Mehr zum ThemaDas erzwungene Ende von RT DE Productions zeigt die Angst der EU vor alternativen Ansichten


    Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

    Info: https://freedert.online/russland/210282-russische-gegensanktionen-verbreitung-von-faz


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Russischer Coup   Was der von westlichen Medien kaum beachtete Vietnam-Besuch Putins bedeutet

    anti-spiegel.ru, 25. Juni 2024 12:00 Uhr, von Anti-Spiegel, 

    Deutsche Medien haben zwar ausführlich über Putins Nordkorea-Besuch berichtet, aber kaum über seinen Vietnam-Besuch einen Tag später, dabei war der geopolitisch nicht weniger interessant und hat der US-Regierung große Sorgen bereitet.


    Der Vietnam-Besuch des russischen Präsidenten Putin hat die US-Regierung in helle Aufregung versetzt. Vietnam ist geopolitisch nämlich weitaus wichtiger, als man gemeinhin meint. Der Grund dafür ist, dass die USA Vietnam bei ihrer anti-chinesischen Politik brauchen, weshalb sie das Land nicht verärgern und im Gegenteil in die Arme Chinas treiben wollen.

    Der Staatsbesuch Putins in Vietnam war ein Coup der Russen, denn er wurde erst sehr kurzfristig angekündigt und kam für die US-Regierung offenbar vollkommen überraschend, was den USA ihre Grenzen beim Einfluss auf Vietnam schmerzhaft aufgezeigt haben dürfte. Und das nur ein Jahr, nachdem US-Präsident Biden Vietnam besucht hat. Bei dem Besuch haben die beiden Länder ihre Beziehungen offiziell auf die höchstmögliche Stufe gehoben haben.

    Daher haben die USA schon einen Tag nach Putins Besuch ihren höchsten Vertreter für die asiatische Region nach Vietnam geschickt, damit er dort nach dem Rechten schaut. Viel Erfolg dürfte er dabei nicht gehabt haben, denn Vietnam nutzt seinen Status als neutrales Land geschickt aus und will sich formell an keine Großmacht binden.

    Der Vietnam-Korrespondent der russischen Nachrichtenagentur TASS hat die politische Lage nach Putins Besuch analysiert und ich habe seinen Artikel übersetzt, weil man in Deutschland nur wenig über Vietnam, seine geopolitische Bedeutung und seine aktuelle Politik erfährt.


    Beginn der Übersetzung:

    Nach Putins Besuch: Vietnam lässt sich von den USA nicht vorschreiben, wie es mit Russland umgehen soll

    Jurij Denissowitsch, TASS-Korrespondent in Vietnam, über die Ergebnisse der Reise des russischen Präsidenten nach Vietnam

    Kaum hatte der russische Präsident seinen zweitägigen Staatsbesuch in Vietnam am 20. Juni beendet und war nach Moskau zurückgekehrt, erschien am nächsten Tag der stellvertretende US-Außenminister für ostasiatische und pazifische Angelegenheiten Daniel Kritenbrink in Hanoi. Einfach nur ein Zufall?

    Bei der Ankündigung seines Besuchs am 20. Juni teilte das US-Außenministerium mit, dass Kritenbrink, der ranghöchste amerikanische Diplomat im ostasiatischen Raum und übrigens ein ehemaliger Botschafter in Vietnam, Hanoi am 21. und 22. Juni einen Arbeitsbesuch abstatten und sich dort mit „hohen Vertretern der vietnamesischen Führung“ treffen werde. Wie Voice of America anmerkte, geht es darum, „das starke Engagement der USA für die Umsetzung der Umfassenden Strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Vietnam und die Zusammenarbeit mit Vietnam zur Unterstützung einer freien und offenen indopazifischen Region zu unterstreichen“.

    Diese Formulierung war natürlich deutlich zurückhaltender als die Erklärung der US-Botschaft in Hanoi von letzter Woche, als das vietnamesische Außenministerium den bevorstehenden Besuch des russischen Präsidenten in ein paar Tagen ankündigte. Damals erlaubte sich die US-Botschaft kurzerhand, die vietnamesische Regierung dafür zu kritisieren, dass sie den russischen Präsidenten nur wenige Tage nach dem „Friedensgipfel“ zur Ukraine in der Schweiz zu empfangen gedenkt. Sollte Putin frei reisen können, könnte das „Russlands ungeheuerliche Verstöße gegen das Völkerrecht normalisieren“, so die US-Botschaft.

    Dass Putins Staatsbesuch in Vietnam „den USA missfallen hat“, berichtete auch CNN. Washington sei enttäuscht von der Politik Hanois, das eine neutrale Haltung einnehme und sowohl mit den USA als auch mit Russland zusammenarbeite, ohne sich auf eine Seite zu stellen. Der Staatsbesuch Wladimir Putins in Vietnam „hat die USA irritiert“, so CNN. Doch die Regierung von Vietnam ignorierte diese Irritation und Unzufriedenheit. Sie folgte der amerikanischen Regierung nicht, wie es immer der Fall ist, wenn russische Politiker Vietnam besuchen, sondern bereitete dem russischen Präsidenten einen äußerst herzlichen und aufrichtigen Empfang.


    Er ist nicht gekommen, um über Drittländer zu sprechen

    Allein die Tatsache, dass Kritenbrink weniger als einen Tag nach Putins Abreise in Hanoi eintraf, ist schon bemerkenswert. Bei einer Pressekonferenz für einen kleinen Kreis von Journalisten in der vietnamesischen Hauptstadt betonte der stellvertretende US-Außenminister, der von 2017 bis 2021 US-Botschafter in Vietnam war, dass er dieses Mal „nicht um über Drittländer zu sprechen“ nach Hanoi gekommen sei. „Ich bin hier, um über die umfassende strategische Partnerschaft zwischen den USA und Vietnam zu sprechen, über das, was wir gemeinsam tun, über gemeinsame Investitionen in den Erfolg Vietnams, in die Zukunft unserer beiden Länder und unserer beiden Völker“, sagte der stellvertretende US-Außenminister. Die USA seien entschlossen, ein starkes, unabhängiges, selbständiges und wohlhabendes Vietnam zu unterstützen, denn „ein erfolgreiches Vietnam liegt im nationalen Interesse der USA“.

    Kritenbrink bestätigte, dass er sich mit dem vietnamesischen Außenminister Bui Thanh Son und mehreren anderen Beamten getroffen hat. Im Mittelpunkt der Treffen standen vor allem die „bilateralen Beziehungen“. Die beiden Seiten tauschten sich auch über eine Reihe internationaler Themen von beiderseitigem Interesse aus.

    In Anbetracht des von der US-Seite gewählten Zeitpunkts für die Ankunft des stellvertretenden US-Außenministers wäre es naiv zu glauben, dass die Gespräche zwischen Kritenbrink und den hochrangigen vietnamesischen Beamten, die ihn empfingen, nicht das Thema des Putin-Besuchs und die Position Vietnams zu Russlands Militäroperation in der Ukraine berührt hätten. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Belehrungen des stellvertretenden US-Außenministers den Standpunkt von Hanoi in diesen Fragen ändern könnten. Gleichzeitig ist man sich hier im Klaren darüber, dass die Beziehungen Washingtons zu Vietnam trotz des amerikanischen Unmuts über Putins Besuch wahrscheinlich keine nennenswerten negativen Folgen haben werden, da die USA auf die amerikanisch-vietnamesische Zusammenarbeit angewiesen sind, um Chinas Einfluss in der Region entgegenzuwirken.


    Erfolg der „Bambusdiplomatie“

    Der Besuch Putins in Vietnam und die dabei getroffenen Vereinbarungen waren, wie Beobachter anerkennen, ein weiterer Erfolg der vietnamesischen „Bambusdiplomatie“. In einem Artikel der Financial Times heißt es, dass Vietnams „Bambusdiplomatie“ dank der Besuche von Biden, Xi Jinping und nun Putin triumphiert. Die Zeitung weist darauf hin, dass der Besuch des russischen Präsidenten weniger als ein Jahr nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Hanoi im September 2023 stattfindet, bei dem beide Seiten die bilateralen Beziehungen auf die Ebene einer umfassenden strategischen Partnerschaft erhoben haben. Damit steht Washington in einer Reihe mit Russland, China und vier weiteren ausländischen Partnern, mit denen Vietnam diese höchste Stufe zwischenstaatlicher Beziehungen unterhält. Drei Monate nach Bidens Besuch stattete auch der chinesische Präsident Xi Jinping Vietnam einen Besuch ab. Die beiden Länder vereinbarten, gemeinsam eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft und strategischer Bedeutung aufzubauen.

    Die Reihe der Besuche führender Politiker der weltweit führenden Mächte zeigt, dass Vietnam ein Land ist, das seine internationalen Beziehungen geschickt verwaltet und erfolgreich produktive Investitionen von Unternehmen aus Ländern anzieht, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen, so die Zeitung. Hanoi hat seinen außenpolitischen Kurs der Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und eines breiten Spektrums an Beziehungen bekräftigt, der darin zum Ausdruck kommt, dass es die Freundschaft mit allen bedeutenden Staaten sucht, aber ein direktes Bündnis mit einem von ihnen vermeidet. Der Besuch des russischen Präsidenten war die beste Bestätigung dafür, und jede Seite hat neben den hervorragenden Ergebnissen für die russisch-vietnamesischen Beziehungen auch das bekommen, was sie wollte. Insbesondere hat Russland die Begrenztheit der Versuche des Westens unterstrichen, unser Land zu isolieren und es seit dem Beginn der Militäroperation zu einem globalen Außenseiter zu machen.

    Für Vietnam war der Besuch insofern nützlich, als er dem Land die Gelegenheit bot, der Welt erneut zu signalisieren, dass Hanoi beabsichtigt, weiterhin ein Gleichgewicht in den Beziehungen zwischen den rivalisierenden Supermächten zu wahren. Die New York Times, eine der führenden amerikanischen Zeitungen, erkennt das an: „Vietnam wird nicht nur für die USA, sondern auch für China immer wichtiger, da die beiden Länder um Einfluss auf das Land wetteifern.“


    Statt Rivalität, Freundschaft und Respekt

    Im Gegensatz zur absichtlich eskalierenden Konfrontation des Westens mit Russland gibt es in der Zusammenarbeit zwischen Russland und Vietnam keinen Raum für unfaire Rivalität. Vielmehr verbindet unsere Länder aufrichtige Freundschaft, gegenseitiger Respekt und Unterstützung.

    Außenminister Bui Thanh Son wies darauf hin, dass der aktuelle Besuch des russischen Präsidenten der fünfte in Vietnam und eine der ersten Auslandsreisen von Wladimir Putin nach seiner Wiederwahl ist. Dies zeige, so der vietnamesische Außenminister, die Bedeutung, die Moskau Vietnam bei der Umsetzung seines außenpolitischen Kurses beimesse, wobei sein östlicher Vektor auf die Entwicklung der Beziehungen zur asiatisch-pazifischen Region ausgerichtet sei.

    Der russische Präsident bekräftigte bei allen Treffen in Hanoi, dass es für ihn eine große Ehre sei, Vietnam, einen zuverlässigen Freund und Partner, zu besuchen. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien in den Jahren des heldenhaften Kampfes des vietnamesischen Volkes für Freiheit und Unabhängigkeit entstanden und hätten sich im Laufe der Zeit bewährt.

    Bei dem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen sagte Präsident To Lam, dass die beiden Länder vor dem Hintergrund zahlreicher komplexer Prozesse in der Welt und der Region weiterhin Traditionen der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens entwickeln, Schulter an Schulter stehen und sich zum Wohle der beiden Völker gegenseitig bei der Überwindung von Schwierigkeiten und Herausforderungen unterstützen werden. To Lam sagte, trotz der geografischen Entfernung zwischen Vietnam und Russland sei das vietnamesische Volk an Russland interessiert und verfolge die dortigen Entwicklungen. „Wir wünschen Russland stets Wohlstand, eine zuversichtliche Entwicklung und die Überwindung aller Schwierigkeiten und Herausforderungen“, betonte er in seiner Ansprache an den russischen Präsidenten.

    Der gleiche Gedanke hat Vietnams oberstem Politiker, der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Nguyen Phu Trong, der Russisch spricht und in den 80er Jahren in Moskau an der Akademie für Sozialwissenschaften des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion studiert hat, bei dem Treffen mit Putin aufgegriffen. „Das vietnamesische Volk und ich denken, wie alle Menschen, die in Russland gelebt und studiert haben, immer an diese Jahre. Wir denken immer an die herzlichen Beziehungen zu unseren russischen Freunden. Ich erinnere mich immer mit Wärme an dieses große und schöne Land Russland“, sagte der Generalsekretär.


    Energie und Verteidigung als Grundlage der Zusammenarbeit

    Im Anschluss an Putins Besuch in Hanoi wurden mehr als ein Dutzend wichtiger bilateraler Dokumente unterzeichnet. Die Präsidenten beider Länder verabschiedeten eine Erklärung „Zur weiteren Vertiefung der umfassenden strategischen Partnerschaft“. Darin wird insbesondere die Absicht bekundet, die Beziehungen im Energiesektor erheblich auszubauen. So erhielt die russische Zarubezhneft eine Lizenz zur Entwicklung eines neuen Bereichs des vietnamesischen Festlandsockels, und Novatek unterzeichnete ein Memorandum über die Zusammenarbeit mit dem vietnamesischen Staatsunternehmen Petrovietnam.

    Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich „die Kommunistische Partei Vietnams und der Staat Russland nach wie vor als den wichtigsten strategischen Partner im Bereich der Verteidigung und Sicherheit betrachten“, wie es im Text des Dokuments heißt. Die Länder beabsichtigen, die Zusammenarbeit bei der Lieferung von Verteidigungsgütern und bei der Bewältigung nicht-traditioneller Sicherheitsherausforderungen auszubauen. Beide Seiten bekräftigten, dass sie ihre enge Koordinierung in multilateralen Foren fortsetzen werden, wobei Russland die zentrale Rolle der ASEAN in der regionalen Struktur des asiatisch-pazifischen Raums zum Nutzen beider Seiten sowie für Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Region und in der Welt unterstützen wird. Moskau und Hanoi sind bereit, zum Aufbau eines demokratischen und fairen Systems internationaler Beziehungen auf der Grundlage des Völkerrechts und der UN-Charta beizutragen.

    Im Hinblick auf die praktische Zusammenarbeit kamen der russische und der vietnamesische Präsident überein, den Masterplan für die Entwicklung der vietnamesisch-russischen Zusammenarbeit bis 2030 bald fertig zu stellen und mit seiner praktischen Umsetzung zu beginnen. Moskau und Hanoi werden ihre Schritte koordinieren, um die Vorteile des 2016 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens zwischen Vietnam und der Eurasischen Wirtschaftsunion zu maximieren, Handelshemmnisse weiter abzubauen und die Zusammenarbeit bei Investitionen, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Energie, zu fördern. Die beiden Seiten vereinbarten außerdem, die Zusammenarbeit im Bildungsbereich weiter auszubauen und die Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit in den Bereichen neue und saubere Energie, grüne Transformation und nachhaltige Entwicklung zu erkunden und zu erweitern.

    Ende der Übersetzung


    Info: https://anti-spiegel.ru/2024/was-der-von-westlichen-medien-kaum-beachtete-vietnam-besuch-putins-bedeutet

    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Hamas: Russland soll Garant für Waffenruhe im Gazastreifen sein

    freedert.online, vom 25 Juni 2024 15:14 Uhr

    Die palästinensische Bewegung Hamas drängt darauf, dass Russland die Gewähr für den Waffenstillstand im Gazastreifen übernimmt. Dies erklärte Moussa Abu Marzouk, ein Mitglied des Politbüros der Hamas, gegenüber RIA Nowosti.


    Hamas: Russland soll Garant für Waffenruhe im Gazastreifen seinQuelle: AP © Adel Hana


    Archivbild: Palästinensische Jugendliche schwenken ihre Nationalflaggen


    Laut Moussa Abu Marzouk, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Hamas-Politbüros, hält die palästinensische Bewegung daran fest, dass Russland der Garant des Friedens im Gazastreifen sein soll. Marzouk leitete eine Delegation der Hamas, die am Montag zu Gesprächen im russischen Außenministerium in Moskau eingetroffen war. In einem Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti führte er dazu aus:

    "Wir bestehen noch immer darauf, dass Russland der Garant für ein solches Waffenstillstandsabkommen ist, da die USA offensichtlich auf der Seite Israels stehen und ihre Position nicht eindeutig ist."

    Kreml: Unklarheit über eventuell vermisste Russen unter Hamas-Geiseln





    Kreml: Unklarheit über eventuell vermisste Russen unter Hamas-Geiseln






    Russlands Position sei gerechter und auch für alle Seiten akzeptabler, so der Hamas-Vertreter. Und Moskau sei bereit, dementsprechend zu handeln. Die Hamas strebe an, der Hegemonie der USA wie auch ihrem einseitigen Einfluss auf die Palästinenserfrage ein Ende zu setzen.

    Bei den Verhandlungen über ein Abkommen zur Waffenruhe im Gaza-Konflikt seien bisher keine Erfolge erzielt worden, fügte Marzouk hinzu. Hamas-Vertreter hätten bisher keine Antwort auf ihre Änderungsanträge zum Text erhalten.

    "Die Bemühungen unserer Freunde in Katar gehen weiter. Sie versuchen, den Stillstand im Prozess aufzubrechen, aber es gibt keine Fortschritte. Wir haben mehrere Änderungen vorgenommen, denen Israel nicht zugestimmt hat. Daher blieben sie unbeantwortet."

    Ferner betonte der Angehörige der Hamas-Führung, dass die Bewegung Russland nicht um militärische Unterstützung bitte. Der Krieg herrsche in Gaza und Gaza produziere seine eigenen Waffen für den Kampf. "Und wir glauben, dass wir diese Art von Kampfeinsätzen vorerst alleine bewältigen können", sagte Marzouk weiter. Bei einem Treffen mit dem russischen Vizeaußenminister Michail Bogdanow in Moskau dankte Marzouk Russland für seine Bemühungen zur Stärkung der Stabilität in der Region.


    Mehr zum Thema - RT-Exklusiv – Hamas: Alle westlichen Länder kontaktieren uns – aber heimlich


    Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

    Info: https://freedert.online/international/210271-hamas-russland-soll-garant-fuer


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Assange-Freilassung: Reaktion PEN-Berlin / Schachzug von Bidens Polittechnologen

    aus e-mail von Doris Pumphrey, vom 25. Juni 2024, 17:18 Uhr


    _Berliner Zeitung 25.6.2024


    _*PEN Berlin: Julian Assanges Deal bedeutet nichts Gutes für die

    Pressefreiheit im Westen


    *Mit „größtmöglicher Erleichterung“ begrüßt PEN Berlin die Freilassung

    <https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wikileaks-gruender-julian-assange-ist-frei-li.2228280

    seines Ehrenmitglieds Julian Assange

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/julian-assange>. Die

    Entscheidung der US-Justizbehörden, nach 15 Jahren Unrecht zu einem

    angemessenen Umgang mit Whistleblowern zurückzufinden, sei seit Jahren

    überfällig, die Verfolgung des Journalisten und Wikileaks-Gründers unter

    dubioser Beihilfe von Schweden

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/schweden> und Großbritannien

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/grossbritannien> habe einer

    modernen Hexenjagd geähnelt, teilt die Schriftstellervereinigung, deren

    Sprecher Eva Menasse und Deniz Yücel

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/deniz-yuecel> sind, am Dienstag mit.


    Bei aller Freude über die gute Nachricht und allem Verständnis für

    Assanges Entscheidung, sich auf diesen Deal mit den US-Behörden

    einzulassen, hält der Verband aber auch fest: „Einem Menschen wurden 14

    Jahre seines Lebens gestohlen, während gegen die Verantwortlichen für

    die Kriegsverbrechen in Afghanistan

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/afghanistan> und Irak

    <https://www.berliner-zeitung.de/topics/irak> niemals auch nur Anklage

    erhoben wurde. Dass nach all diesen Jahren von exzessiver

    Strafverfolgung ein Deal gemacht werden musste, um die USA ihr ‚Gesicht

    wahren‘ zu lassen, bedeutet nichts Gutes für den Stellenwert der

    Pressefreiheit auch in der westlichen Welt.“ (…)



    _RT DE 25.6.2024


    _*Assange-Freilassung: Schachzug von Bidens Polittechnologen als

    Wahlhilfe gegen Trump


    */Von Walentin Bogdanow


    /Wenn die Freilassung von Julian Assange je ein Triumph sein sollte,

    dann für Bidens Polittechnologen. Nun kann sich der

    Präsidentschaftskandidat der Demokraten als Kämpfer für Freiheit gegen

    seinen republikanischen Rivalen Trump profilieren. Bei dem Deal mit der

    Justiz wird auch der "Tiefe Staat" nicht geschlagen.


    Ein schwarz getönter Minibus verlässt das Belmarsh-Gefängnis, Julian

    Assange füllt Papiere aus, er besteigt am Londoner Flughafen Stansted

    einen Jet, um in Richtung seiner Heimat Australien zu fliegen – so sieht

    der Weg

    <https://freedert.online/international/210190-julian-assange-ist-frei/> zu

    einem glücklichen Ende für den Ex-Sträfling #A9379AY aus. Assanges Team

    hat Hunderttausende von geheimen Dokumenten über US-Kriegsverbrechen in

    Afghanistan und im Irak veröffentlicht. Und hier ist nun der Deal.


    In der erzielten Vereinbarung fordern die Staatsanwälte, die sich gegen

    die Auslieferung an die USA wehren, eine Haftstrafe von 62 Monaten – so

    viel hat Assange bereits in einem Hochsicherheitsgefängnis in einer 2 ×

    3 Meter großen Zelle verbüßt, isoliert 23 Stunden am Tag. Natürlich muss

    die Vereinbarung noch von einem Bundesrichter genehmigt werden, aber

    daran gibt es kaum Zweifel, denn das Weiße Haus und Joe Biden persönlich

    brauchen die Genehmigung. Sie brauchen es dringend.


    "Julian Assange stimmt einem Vergleich mit der Biden-Administration zu,

    der es ihm ermöglicht, eine Gefängnisstrafe in den USA zu vermeiden" –

    die Überschrift

    <https://edition.cnn.com/2024/06/24/politics/julian-assange-plea-deal-biden-administration/index.html> der

    /CNN/-Story macht deutlich, warum der WikiLeaks-Gründer schon so lange

    hinter Gittern sitzt, und erst jetzt aus dem Gefängnis entlassen wurde.

    Und das, obwohl Washington diese Option schon seit Monaten angedeutet

    hatte. Sie haben nur auf den für sie günstigsten Moment gewartet. Und

    nun ist er gekommen.


    Es sind noch genau zwei Tage bis zur Debatte zwischen Biden und Trump,

    und die Freilassung von Assange, die gerade noch rechtzeitig erfolgte,

    macht den Chef des Weißen Hauses im Streit mit seinem Gegner vom

    Verfolger der Freiheit (wie Trump ihn darzustellen versucht) zu ihrem

    Verteidiger. Was ist ein Verteidiger – ein echter Kämpfer gegen den

    tiefen Staat, der sich nicht einmal an das Böse erinnert. In den Köpfen

    der Amerikaner ist die Geschichte der schmutzigen Informationen über

    Hillary Clinton, die sie 2016 ihre Niederlage kostete, noch immer präsent.


    Es besteht kein Zweifel, dass durch die Bemühungen derselben Leute von

    CNN (sie stellen auch die Moderatoren für die Debatte) die Geschichte,

    dass Mike Pompeo 2017 als Trumps Außenminister mit hochrangigen

    CIA-Beamten die Möglichkeit der Entführung oder Tötung des Leiters von

    WikiLeaks erörterte, in der Debatte zur Sprache kommen wird. Schließlich

    war es unter Trump, dass Assange 2019 in 18 Anklagepunkten angeklagt

    wurde, die eine drakonische Haftstrafe von 175 Jahren vorsahen.


    Es ist auch klar, wen Bidens politische Technologen für sich gewinnen

    wollen. Sie können die Meinung der Trumpisten nicht ändern, aber der

    verzweifelte Kampf um die Libertären (von denen viele Trump nicht mögen)

    ist durchaus gerechtfertigt. Es ist unwahrscheinlich, dass gerade jetzt

    irgendjemand von ihnen Biden übelnimmt, dass er Assange nicht früher

    begnadigt hat, wie etwa Obama es mit Bradley (später Chalsey) Manning

    getan hat, der geheimes Material an den WikiLeaks-Gründer weitergegeben

    hat.


    Was ist also die Quintessenz? Die Einschätzung des

    US-Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy Jr. ist hart, aber

    nüchtern. Nachdem er die Macht des tiefen Staates selbst erfahren hat,

    räumte er bitter ein, dass der amerikanische "tiefe Staat" aus dem Fall

    Assange zumindest nicht geschwächt hervorgehen wird. Die Vereinigten

    Staaten haben ihr Ziel erreicht: Sie haben den Journalismus

    kriminalisiert und gleichzeitig unter Verletzung aller Normen des

    internationalen Rechts ihre Gerichtsbarkeit wieder einmal auf

    Nicht-Amerikaner ausgedehnt. In diesem Sinne steht der Fall Julian

    Assange auf einer Stufe mit den Fällen der Russen Viktor But und

    Konstantin Jaroschenko.


    Doch während sich der russische Staat für die eigenen Leute einsetzte

    und sie am Ende freibekommen konnte, musste Australien (als Amerikas

    untergeordneter Verbündeter) zusehen, wie Assange zwischen dem Tod im

    Gefängnis oder einer Einigung auf einen Vergleich wählen musste. Das

    Urteil soll am Dienstag um 9:00 Uhr Ortszeit (Berlin Mittwoch 1:00 Uhr)

    in Sainapa, der Hauptstadt der Nördlichen Marianen, verkündet werden.

    Die Inselgruppe gehört zwar zum US-Commonwealth, liegt aber viel näher

    an Assanges Heimat Australien als an den Vereinigten Staaten, von denen

    er sich nun immer fernhalten muss.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Österreich: Militärmanöver gegen den „inneren Feind“

    aus e-mail von Doris Pumphrey, vom 25. Juni 2024, 17: 17 Uhr


    https://tkp.at/2024/06/24/bundesheer-grossmanoever-gegen-aktivisten-die-mit-aggressor-sympathisieren/

    24.6.2024


    *[Österreich]:

    Bundesheer-Großmanöver gegen „Aktivisten, die mit Aggressor sympathisieren“


    *von Thomas Oysmüller


    *Das Bundesheer übte im größten Manöver seit Jahren auch die

    Aufstandsbekämpfung und den Bürgerkrieg. Aktivisten warnen vor einem

    kommenden Kriegsregime. *


    Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit fand vom 10.-21. Juni fand

    in Österreich eine der größten militärischen Manöver seit vielen Jahren

    statt. Fast 7.500 Soldaten nahmen daran teil. Geübt wurde aber nicht

    gegen den „äußeren Feind“ (Russland und China) sondern auch gegen den

    „inneren Feind“, also die eigene Bevölkerung, die im Szenario bewaffnet

    sein soll.


    *NATO-Anbiederung


    *Im News-Ticker des Bundesheeres hieß es während der Übung

    <https://www.bundesheer.at/news-ticker-schutzschild-24> (Hervorhebung

    TKP): „Das militärisch neutrale Österreich sagt einem völkerrechtswidrig

    angegriffenen Staat moralische Unterstützung zu, und beteiligt sich an

    Sanktionen. *Zeitgleich formieren sich Aktivisten, die mit dem Aggressor

    sympathisieren. Bewaffnete Untergrund-Milizen beginnen, unsere

    Gesellschaft zu infiltrieren und zu destabilisieren.* Österreich

    befindet sich aufgrund seiner geografischen Lage in einer Schlüsselrolle

    als Transitland – Truppen und militärisches Gerät müssen durch unser

    Land hindurch.“


    Scharf kritisiert wird die Übung von der Gruppe „Selbstbestimmtes

    Österreich“. Sie schreiben in einer Aussendung

    <:" rel="noopener">https://www.selbstbestimmtes-oesterreich.at/artikel/gefaehrliche-anzeichen-fuer-ein-abrutschen-ein-nato-kriegsregime>:


    Versuchen wir die Propaganda von der Realität zu trennen. Tatsache ist,

    dass sich Österreich immer enger an die NATO anlehnt und deren Krieg

    gegen Russland unterstützt, insbesondere durch Militärtransporte durch

    unser Land. Ein guter Teil der Bevölkerung jedoch will Frieden mit

    Russland und ist gegen die westlichen Kriegsanstrengungen.


    Das mit den „Untergrund-Milizen“ ist Phantasie. Tatsächlich geht es

    gegen alle, die an der Neutralität festhalten wollen. Diese werden zur

    Bedrohung und zu Helfern des Aggressors. Natürlich keine Rede davon,

    dass die tiefere Ursache des Konflikts der Alleinherrschaftsanspruch der

    USA ist, die in Form der NATO immer weiter gegen Russland vorrückte,

    sowohl geographisch als auch hinsichtlich der atomaren Bedrohung.


    Das brandgefährliche dabei: Der NATO geht es nicht gut in ihrem Krieg

    gegen Russland. Aber sie ist zu keinerlei Kompromiss oder

    Waffenstillstand bereit. Im Gegenteil, sie eskaliert mit allen zur

    Verfügung stehenden Mitteln. Das wird eine Kriegsmobilisierung auch in

    Europa und auch in Österreich erfordern. Für die Neutralität ist da kein

    Platz mehr. Daher die Anbiederung unserer Eliten an die NATO. Die

    demokratische Opposition im Land wird zu einem gefährlichen Feind und

    soll unterdrückt werden.


    Das Ziel dieses Manövers ist die weitere Einschränkung der

    demokratischen Grundrechte. Diese kamen schon in den letzten Jahren in

    arge Bedrängnis (nicht nur durch das Covid-Regime). Es ist ein

    Vorgeschmack darauf, was uns blüht.


    Daher brauchen wir eine ganz große Neutralitätsbewegung für den Frieden

    mit Russland und gegen die NATO. Nur das kann uns vom drohenden

    Kriegsregime schützen.


    Die Gruppe ruft dazu auf, am 9.8. an einer Aktion am Wiener

    Stephansplatz gegen den Beitritt von NATO-Skyshield teilzunehmen.


    Info: https://tkp.at/2024/06/24/bundesheer-grossmanoever-gegen-aktivisten-die-mit-aggressor-sympathisieren


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Frankreich: Keine wirklichen Veränderungen in Sicht

    aus e-mail von Doris Pumphrey, vom 25. Juni 2024, 17:17 Uhr


    _*Neuwahlen in Frankreich: Keine wirklichen Veränderungen in Sicht


    *Von Pierre Lévy

    Der französische Präsident Emmanuel Macron versuchte mit seiner

    überraschenden Ankündigung von vorgezogenen Parlamentswahlen seine

    politischen Gegner zu überrumpeln – doch das hat nicht funktioniert.

    Aber auch ein Sieg des Rassemblement National (RN) würde nicht viel ändern.


    Die Franzosen werden in wenigen Tagen, am 30. Juni und 7. Juli, an die

    Urnen gerufen, um ihre Abgeordneten neu wählen. Dies als Folge der

    Auflösung der Nationalversammlung, einer Überraschungsentscheidung, die

    der Präsident der Republik eine Stunde nach Abschluss der Europawahlen

    vom 9. Juni bekannt gegeben hatte.


    Diese hatten in Frankreich ein regelrechtes Debakel für das Lager von

    Emmanuel Macron bedeutet. Die Liste der Rassemblement National (RN), die

    als rechtsextrem eingestuft wird, eine Bezeichnung, die die Partei

    selbst bestreitet, erreichte 31,4 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt

    so viele wie das Lager des Präsidenten (14,6 Prozent). Der Herr des

    Élysée-Palasts hatte diesen Sieg zum Vorwand genommen, um seine

    Entscheidung zu rechtfertigen: Die braune Pest stehe vor der Tür. In

    Wirklichkeit hoffte er, die Karten neu mischen zu können, indem er auf

    eine kurze Frist setzte, um seine Gegner zu überrumpeln.


    Da hat er sich verkalkuliert: Die Linke war zwar sehr gespalten, konnte

    aber dennoch ein Wahlabkommen unterzeichnen, das auf einem

    Minimalprogramm und der Aufstellung eines einzigen Kandidaten in jedem

    Wahlkreis basiert. Die RN ihrerseits triumphierte und rechnet damit, am

    30. Juni von der drei Wochen zuvor entstandenen Dynamik profitieren zu

    können. Die "klassische" Rechte (Les Républicains, LR) schließlich

    explodierte zwischen einem Bündnis mit der RN, das von ihrem

    Vorsitzenden beschlossen worden ist, und der großen Mehrheit ihrer

    anderen Führer, die sich dafür entschieden, eigenständig zu kandidieren.


    In der Koalition, die bislang Emmanuel Macron unterstützte, herrscht

    nunmehr eine Mischung aus großem Durcheinander und "rette sich, wer

    kann". Während die Amtszeit des Präsidenten theoretisch bis 2027 läuft,

    sagen viele Persönlichkeiten, wie der ehemalige Premierminister Édouard

    Philippe, bereits "das Ende der Macronie" voraus.


    Zwar hat Frankreich in der Vergangenheit bereits mehrere Auflösungen der

    Nationalversammlung erlebt, aber die dadurch im Land entstandene

    politische Situation mit drei rivalisierenden Blöcken, die vorgeben,

    antagonistisch zu sein, ist buchstäblich beispiellos. Dies, in

    Verbindung mit dem Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen, macht

    Prognosen gänzlich unsicher.


    Das Erreichen einer absoluten Mehrheit durch das präsidiale Lager (das

    der liberalen europäischen Familie angehört), das ursprüngliche Ziel des

    Élysée-Palasts, erscheint als die unwahrscheinlichste aller Hypothesen.

    Der Staatschef ist so unpopulär, dass seine eigenen politischen Freunde

    ihn anflehen, zu schweigen, da jede weitere Äußerung die Chancen seiner

    Kandidaten zu schmälern scheint …


    Ein Sieg der "Linken", die unter dem Label "Neue Volksfront"

    zusammengeflickt wurde, ist nicht völlig ausgeschlossen, erscheint aber

    wenig wahrscheinlich. Wenn man die Stimmen der einzelnen Parteien

    zusammenzählt, kommt sie nicht über 30 Prozent der Stimmen hinaus, was

    ein historischer Tiefstand ist. Ihre Regierungszeiten – zuletzt während

    der fünfjährigen Amtszeit des sozialistischen Präsidenten François

    Hollande (2012 bis 2017) – haben in der Arbeiterklasse sehr schlechte

    Erinnerungen hinterlassen.


    Öffnet dies der RN, die ihren jungen Vorsitzenden Jordan Bardella schon

    als Premierminister sieht, einen triumphalen Weg, mit der Aussicht, dass

    Marine Le Pen bald in den Élysée-Palast gewählt wird? Einige

    Kommentatoren – oftmals, um sich selbst Angst einzujagen – sprechen von

    der "Chronik eines angekündigten Sieges". Das Problem mit angekündigten

    Siegen ist, dass oftmals nichts so eintritt, wie es geplant war.


    Ein erstes Handicap für die RN ist das Ausmaß und die Gewalt der

    Kampagnen, die ihren Machtantritt als Vorboten des Faschismus

    darstellen. Es gibt immer mehr Aufrufe, sie zu blockieren, von den

    großen Medien über Gewerkschaften, Künstler oder Sportler bis zu … der

    Vogelschutzliga. In der Wirklichkeit würde ein Wahlsieg dieser Partei

    wahrscheinlich eher eine Politik à la Meloni – eine Anpassung an die

    herrschende Ideologie auf sozialer, wirtschaftlicher und internationaler

    Ebene – als eine Flut von Braunhemden auslösen.


    Zumal die Partei seit Jahren versucht, sich zu "entdämonisieren", d. h.

    sich für die Eliten salonfähig zu machen. Die Idee ist, gemäßigte Wähler

    zu verführen. Dieser Trend hat sich seit dem 9. Juni beschleunigt. Es

    vergeht kaum ein Tag, an dem Herr Bardella nicht eine Zusage aufgibt

    oder ein Versprechen aus seinem Programm aufschiebt. Der emblematischste

    Fall ist das Aufheben der Rentenreform, die im vergangenen Jahr von

    Macron und seiner Regierung durchgesetzt wurde. Diese aufzuheben sei

    nicht mehr so dringend …


    Aber da die Führer der RN so sehr darauf bedacht sind, "verantwortlich"

    zu erscheinen, könnten sie am Ende die Volksschichten abschrecken, die

    den Erfolg der RN ausgemacht haben.


    Unter all diesen Umständen ist es am unwahrscheinlichsten, dass keine

    der drei Allianzen eine absolute Mehrheit erringt – und dass eine

    Nationalversammlung ohne Mehrheit gewählt wird, die also noch

    entscheidungsunfähiger ist als die vorherige. Denn vorerst schließt

    jeder der drei Blöcke ein Bündnis mit einem der beiden anderen Blöcke

    absolut aus.


    In dieser Konstellation würden die großen Manöver beginnen, um einen

    "zentralen Block" zu bilden, der die Macronisten, Abgeordnete aus dem

    linken Lager (vor allem Sozialisten) und andere aus dem rechten Lager

    (LR) vereinen würde. Zur großen Zufriedenheit der herrschenden Eliten –

    und Brüssels.


    Es ist natürlich noch zu früh, um in diese Richtung zu spekulieren.

    Hingegen kann man auf mindestens zwei Bereiche hinweisen, in denen sich

    die drei Blöcke trotz ihrer offen zur Schau gestellten Konfrontationen

    in einigen absichtlich "vergessenen"  Bereichen treffen.


    Der erste Bereich ist eben Europa und die von ihm auferlegten Zwänge,

    insbesondere die finanziellen. Auch wenn sie noch so minimal und ungenau

    sind, belaufen sich die Programme der einen und der anderen Seite auf

    zig Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen Ausgaben. Dies gilt

    sowohl für die RN als auch für die Linke.


    Paradoxerweise gilt dies auch für das Lager des Präsidenten, wenn auch

    in geringerem Umfang. Eine seltsame Haltung für diejenigen – die von

    Gabriel Attal geführte Regierung – die gerade eine erste Kürzung der

    Haushaltsausgaben um 20 Milliarden Euro angekündigt hatten und nicht

    verhehlten, dass sie demnächst noch weiter auf dem Weg der Austerität

    gehen wollten … denn Brüssel wacht.


    Am 12. Juni hat sich übrigens die Europäische Kommission in den

    Wahlkampf eingemischt und vorgeschlagen, gegen sieben Länder, darunter

    Frankreich, ein Verfahren wegen übermäßiger Defizite einzuleiten (der

    Europäische Rat wird dieses Verfahren Mitte Juli bestätigen). Wenn die

    politischen Parteien also konsequent wären, müssten sie klarstellen, ob

    ihre Versprechen nur für die Zeit der Wahlen gelten oder ob sie mit der

    Europäischen Union brechen wollen.


    Letzteres schließt das macronistische Lager natürlich aus, wird aber

    auch sowohl von der RN als auch von der Linken abgelehnt. Zwar spricht

    die von Jean-Luc Mélenchon gegründete Partei La France insoumise (LFI,

    die Mitglied der linken Koalition ist) von der Möglichkeit, "Brüssel

    nicht zu gehorchen", aber nicht davon, diesen Klub und seine Regeln zu

    verlassen. Dieses Schweigen stellt eine rechtlich und politisch

    unhaltbare Zweideutigkeit dar.


    Was die RN betrifft, so hat sie sich schon vor langer Zeit der

    europäischen Integration angeschlossen (mit der Begründung, sie hoffe,

    die EU von innen heraus verändern zu können). Das hindert sie jedoch

    nicht daran, Maßnahmen vorzuschlagen, die mit dem europäischen Rahmen

    unvereinbar sind, und zwar nicht nur haushaltspolitischer Art. Dies gilt

    beispielsweise für Vorschläge zur Einwanderung oder zu Grenzkontrollen.


    Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass sowohl die einen wie

    die anderen sehr zurückhaltend sind, sobald es darum geht, die

    europäische Integration in die Debatte einzubringen.


    Was den zweiten Bereich, den Krieg in der Ukraine, betrifft, so herrscht

    zwischen den drei Blöcken Konsens. Es gibt natürlich Nuancen, aber alle

    befürworten die Fortsetzung der aktiven Unterstützung Kiews,

    einschließlich der militärischen.


    Für den macronistischen Block versteht sich das natürlich von selbst:

    Der französische Präsident ist einer der kriegslüsternsten westlichen

    Politiker, und er hat nicht vor, diese Haltung zu ändern. Was die RN

    betrifft, so hält sie angesichts der Anschuldigungen ihrer Gegner, sie

    sei ein traditioneller Verbündeter Moskaus, immer wieder "beruhigende"

    Worte bereit. Auch hier schließt sie sich aus Gründen der Salonfähigkeit

    und unter Einhaltung bestimmter "roter Linien" dem atlantischen Lager

    an, indem sie darauf verzichtet, aus dem integrierten NATO-Kommando

    auszusteigen, wie sie es einst versprochen hatte.


    Die "neue Volksfront" plant auch keinen Bruch mit der westlichen

    Solidarität (ihr Programm will "die Souveränität und Freiheit des

    ukrainischen Volkes (…) durch die Lieferung der notwendigen Waffen

    unerschütterlich verteidigen"). Natürlich hatte niemand erwartet, dass

    die Linke den russischen Standpunkt übernehmen würde. Aber hätte sie

    sich dem westlichen "Narrativ" eines russischen "Angriffskriegs" gegen

    die Ukraine anschließen müssen, als ob die Geschichte mit dem Einmarsch

    russischer Truppen im Nachbarland im Jahr 2022 begonnen hätte? Als ob

    die EU und die NATO nicht schon seit 2004 (und sogar noch früher)

    versucht hätten, die Ukraine in ihren Schoß zu holen?


    Es wäre für die Linke (oder zumindest einige ihrer

    Mitgliederorganisationen) nicht unwürdig gewesen, die

    Verantwortlichkeiten zu differenzieren; und vor allem an ihre alten

    pazifistischen Traditionen anzuknüpfen, die sich kaum mit der

    Finanzierung von Flugzeugen und Kanonen für Kiew vereinbaren lassen.


    Europa? Krieg? Solche Debatten scheinen nicht auf der Tagesordnung zu

    stehen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Wahlen in Frankreich zu

    wirklichen Veränderungen führen werden. Für den Moment.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Schlagzeile



    Info:


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    26.06.2024

    Kolonien im 21. Jahrhundert (III)Assange-Freilassung wirft Schlaglicht auf beschränkte Medienfreiheit und Kolonialismus: Assange muss sich auf Saipan schuldig bekennen, einer US-Insel ohne Wahlrecht, deren Nachbarinsel bis heute US-Kolonie ist.

    german-foreign-policy.com, 26. Juni 2024

    BERLIN/WASHINGTON/SAIPAN (Eigener Bericht) – Die Freilassung von Julian Assange wirft ein Schlaglicht nicht nur auf den Zustand der Medienfreiheit im Westen, sondern auch auf die bis heute andauernde westliche Kolonialherrschaft in Teilen des Globalen Südens. Bedingung für die Einstellung des Verfahrens gegen Assange ist, dass sich der Gründer von WikiLeaks eines Verstoßes gegen den U.S. Espionage Act aus dem Jahr 1917 schuldig bekennt; dieser wird damit erstmals auf die journalistische Veröffentlichung geheimer US-Informationen angewandt – ein Präzedenzfall. Assange muss dies vor einem Gericht in Saipan tun, der Hauptstadt der Nördlichen Marianen, einer Inselgruppe im Pazifik. Diese ist ein US-Gebiet, dessen Bewohner nicht an Präsidentenwahlen teilnehmen dürfen und keine stimmberechtigten Abgeordneten in den Kongress entsenden. Dies gilt auch für Guam, die südlichste der Marianen-Inseln, die verwaltungstechnisch abgetrennt wurde und von den Vereinten Nationen bis heute als „Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung“ gelistet ist. Dies sind bis heute weiterbestehende Kolonien. Guam ist ein zentraler US-Militärstützpunkt für den Aufmarsch gegen China und wird auch von der Bundeswehr genutzt.


    Zitat: Die Kolonialisierung der Marianen

    Die Kolonialisierung der Marianen, zunächst durch Spanien, begann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Bereits im März 1521 hatte der Portugiese Fernão de Magalhães, als er im Auftrag der spanischen Krone einen Seeweg an Amerika vorbei nach Südostasien suchte, die Inseln erreicht, hatte seine Fahrt aber umgehend fortgesetzt und war bald auf den Philippinen eingetroffen, wo er am 27. April 1521 in Kämpfen gegen die Einwohner umkam. Seit 1565 erhob Spanien Anspruch auf die Marianen: Es nutzte seither vor allem Guam als Zwischenstation für Handelsschiffe, die zwischen seinen Kolonien auf beiden Seiten des Pazifiks, zwischen Mexiko und den Philippinen, pendelten. 1668 begann Spanien, sich die Marianen gleichfalls in vollem Umfang als Kolonien zu unterwerfen; die Kriege, die es dazu gegen die indigene Bevölkerung, die Chamorro, führte, dauerten bis zum Jahr 1699 an und kosteten in Verbindung mit aus Europa eingeschleppten ansteckenden Krankheiten große Teile der Chamorro-Bevölkerung das Leben.[1]


    Spielball der Kolonialmächte

    Zum Spielball gleich mehrerer Kolonialmächte wurden die Marianen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zum einen hatte das Deutsche Kaiserreich ein Auge auf sie geworfen; es sicherte sich im Jahr 1885 Rechte im Handel mit ihnen.[2] Zum anderen gerieten sie ins Visier der Vereinigten Staaten, die sich nach ihrem Krieg gegen Spanien im Jahr 1898 nicht zuletzt dessen pazifische Kolonien unterwarfen – die Philippinen und die Marianen. Nach einer Machtdemonstration der deutschen Kriegsmarine im Jahr 1898 vor der Küste der philippinischen Hauptstadt Manila, dem „Manila-Zwischenfall“, traten die Vereinigten Staaten im Jahr 1899 die Nördlichen Marianen an das Deutsche Reich ab und behielten nur Guam, die südlichste – und größte – Insel der Marianen. Die strukturelle Spaltung zwischen den beiden Regionen der Inselgruppe, die die Kolonialmächte damit vornahmen, dauert bis heute an. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Nördlichen Marianen Japan zugeschlagen, das sie nach seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg seinerseits abtreten musste – an die USA. Diese hatten ihre Kolonialherrschaft über Guam die ganze Zeit über behalten.


    Bürger ohne Wahlrecht

    Die Nördlichen Marianen wurden im Jahr 1978 den Vereinigten Staaten als Commonwealth of the Northern Mariana Islands (CNMI) eingegliedert. Da dies nach einem Referendum mit hoher Zustimmung geschah, strichen die Vereinten Nationen sie im Jahr 1990 von der Liste der „Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung“, die die noch heute fortbestehenden Territorien unter fremder Kolonialherrschaft umfasst. Die Bewohner der Nördlichen Marianen sind US-Bürger, dürfen jedoch, da der Inselgruppe der Status eines vollwertigen US-Bundesstaates verweigert wird, nicht an US-Präsidentenwahlen teilnehmen. Seit dem Jahr 2008 entsenden sie einen Delegierten in das US-Repräsentantenhaus; dieser hat dort jedoch kein Stimmrecht. US-Bezirksgerichte sind in Saipan präsent, weshalb das formale Gerichtsverfahren gegen Julian Assange dort stattfinden kann.[3]


    „Neokolonialer Anachronismus“

    Anders verlaufen ist die Entwicklung Guams. Im Jahr 1969 lehnten die Inselbewohner die Vereinigung mit den Nördlichen Marianen per Referendum ab. Bemühungen, Guams Status ebenfalls per Referendum zu klären, scheiterten mehrfach. Die Vereinten Nationen führen die Insel daher weiterhin auf ihrer Liste der „Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung“ und setzen sich, im Sinne einer Dekolonialisierung, für größere Selbstbestimmung ein. Ähnlich wie die Einwohner der Nördlichen Marianen haben auch die Einwohner Guams zwar die US-Staatsbürgerschaft, dürfen aber nicht an US-Präsidentenwahlen teilnehmen. Auch senden sie ebenfalls nur einen Delegierten ohne Stimmrecht in das US-Repräsentantenhaus. Dies löst Unzufriedenheit aus. Forderungen, vollständige Unabhängigkeit zu erlangen oder doch wenigstens zum regulären US-Bundesstaat mit regulärem Wahlrecht aufgewertet zu werden, verhallten immer wieder ungehört. Kritiker bezeichnen Guams Status ganz offen als einen „neokolonialen Anachronismus“.[4]


    Teil der zweiten Inselkette

    Dabei besitzen Guam und die Nördlichen Marianen für die Vereinigten Staaten wie für den Westen insgesamt eine herausragende geostrategische Bedeutung. Sie sind Teil der sogenannten zweiten Inselkette, die von Japan über die Marianen und Palau bis nach Papua-Neuguinea reicht und hinter der ersten Inselkette (Japan inklusive der Ryukyu-Inseln – Taiwan – Philippinen – Borneo) eine Art Rückfallbasis für eine Einkreisung Chinas vom Pazifik her bildet. Die US-Streitkräfte sind auf Guam massiv präsent, mit einer Luftwaffen- (Anderson Air Force Base) und mit einer Marinebasis (Naval Base Guam), die sie tatkräftig ausbauen. Die Stützpunkte dienen dabei einerseits als Zwischenstation für Truppen und Material, die vom US-Hauptterritorium über den Pazifik in Richtung Asien verlegt werden. Andererseits kann man von Guam aus Luftangriffe auf China starten (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Weil damit gerechnet wird, dass die großen US-Militärbasen auf Guam im Kriegsfalle zu den ersten Zielen chinesischer Abwehrraketen gehören, haben die US-Streitkräfte begonnen, ihre Stützpunkte auf den Marianen zu diversifizieren. Unter anderem bauen sie die Insel Tinian, eine der Nördlichen Marianen südlich Saipan, zu einem neuen strategischen Stützpunkt aus.[6]


    Bundeswehr im Pazifik

    In der Region sind seit geraumer Zeit auch deutsche Militärpolitiker und die Bundeswehr unterwegs. Ende Mai 2021 – damals wurde die erste ausgedehnte Asien-Pazifik-Fahrt eines deutschen Kriegsschiffs vorbereitet, der Fregatte Bayern – hielt sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu einem Besuch auf Guam auf. Sie tauschte sich dabei über eine „gesteigerte deutsche Verantwortung und Präsenz in der Indo-Pazifik-Region“ und über die „Bedeutung der deutsch-US-amerikanischen Militärkooperation“ aus.[7] Mitte Oktober 2021 traf die Fregatte Bayern, aus Australien kommend, in der Naval Base Guam ein, um gemeinsam mit den US-Streitkräften Kriegsübungen abzuhalten.[8] Ob die Fregatte Baden-Württemberg und der Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main auf der diesjährigen Asien-Pazifik-Fahrt der Deutschen Marine ebenfalls in Guam anlegen werden, ist bislang noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass drei Eurofighter der deutschen Luftwaffe während der Großübung Pacific Skies einen rund zehneinhalb Stunden dauernden Direktflug aus Japan nach Hawaii unternehmen sollen, der sie unter anderem über Guam führen wird.[9] Die Eurofighter sollen dabei in der Luft von der U.S. Air Force betankt werden.

     

    Mehr zum Thema: Kolonien im 21. Jahrhundert (I) und Kolonien im 21. Jahrhundert (II).

     

    [1], [2] S. dazu Die Fregatte Bayern auf Kolonialfahrt.

    [3] Welche Rolle spielt die Insel Saipan? tagesschau.de 25.06.2024.

    [4] Robert F. Rogers: Destiny’s Landfall. A History of Guam. Revised edition. Hawaii 2011.

    [5] S. dazu Die Fregatte Bayern auf Kolonialfahrt (II).

    [6] Mark Rabago: US to spend billions on Northern Marianas island to boost military power. rnz.co.nz 12.04.2023.

    [7] Germany’s Defense Minister made a brief visit to Guam recently. guam.com 01.06.2021.

    [8] Fregatte Bayern auf Guam. marineforum.online 21.10.2021.

    [9] Das wird der längste Eurofighter-Flug aller Zeiten. t-online.de 16.06.2024. S. auch Die Vereinigte Front gegen China.


    Info: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9597


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    Charlotte Wiedemann: Rassistischer, verzerrender Blick auf palästinensische Kinder

    aus e-mail von Ingrid Rumpf, 25. Juni 2024, 16:39 Uhr


    Und noch ein Artikel von Charlotte Wiedemann:


    https://taz.de/!6011768/


    *Feinde in Windeln*


    *Ein rassistischer, verzerrender Blick auf palästinensische Kinder trägt

    dazu bei, ihr tausendfaches Sterben in Gaza hinzunehmen*



    Es war eine Zeremonie der leisen Töne, als am vergangenen Sonnabend, dem

    Internationalen Tag des Kindes, in Berlin die Namen von mehr als 10.000

    in Gaza getöteten Kindern verlesen wurden. Nebenan die Neue Wache; dort

    steht die Pietà von Käthe Kollwitz

    <https://www.kollwitz.de/bronzeplastik-pieta>, die Skulptur der

    trauernden Mutter. Die Lesung dauerte 20 Stunden, bis nach Mitternacht.



    Es ist nicht leicht, die Namen toter Kinder vorzutragen, mitsamt ihrem

    Alter; ich habe es mir nicht zugemutet. Nachdem ich später ein Foto der

    Zeremonie ins Netz gestellt hatte, gab es solche Reaktionen: Erstens sei

    dies der klassisch antisemitische Kindermord-Topos, zweitens seien die

    Toten keine Kinder, sondern heranwachsende Terroristen.



    Dass Kinder ein Kriegsgebiet nicht verlassen dürfen, stellt an sich eine

    Besonderheit dar. Die Flüchtlingslager der Welt sind voller Mütter mit

    Kindern, die bewaffneten Konflikten zu entkommen suchten; bei uns fanden

    zum Glück viele Ukrainerinnen mit Kindern Zuflucht. Anders als die

    Ukraine ist das Gebiet von Gaza gänzlich von Kriegshandlungen

    durchdrungen. Auf einer Fläche, die etwas kleiner ist als das

    Stadtgebiet von Köln, irren seit acht Monaten eine Million Kinder und

    Jugendliche umher, davon 335.000 unter fünf Jahren. Dies sind Zahlen von

    UNICEF.



    Kinder sind ein Spiegel, in diesem wie in anderen Kriegen; ihr Leid

    spiegelt das Versagen der Verantwortlichen. Dies zu sagen, ist nicht

    trivial. Im Sudan droht gemessen an der Zahl Geflüchteter gegenwärtig

    die größere humanitäre Katastrophe. Aber in den Gaza-Krieg sind Deutsche

    involviert, haben Waffen und ideelle Unterstützung geliefert.



    Mächtig ist der Impuls, vor den Folgen die Augen zu verschließen. Lieber

    die Kinder nicht sehen, die der Westen retten könnte, wenn USA und EU

    jetzt gemeinsam und in aller Klarheit sagen würden: Netanjahu, es

    reicht! (Immerhin liegt ein möglicher Deal mit der Hamas auf dem Tisch.)

    Stattdessen in Ersatzhandlungen schwelgen – erinnert sich noch jemand an

    den Chirurgen Ghassan Abu Sitta

    <https://taz.de/!6008435&SuchRahmen=Print/>, Augenzeuge der Verzweiflung

    in Gaza? Die Bundesregierung bewirkte für den Arzt ein EU-weites

    Einreiseverbot. Vor Gericht hatte das keinen Bestand; wie auch?



    Wer die Zahl von möglicherweise 14.000, gar 15.000 minderjährigen

    Kriegsopfern bezweifelt, mag das ruhig tun. Aber angesichts von 335.000

    Kindern unter fünf Jahren scheint mir eine solche Todesrate nach acht

    Monaten zwischen Geröll und Müll, mit chronischem Durchfall und

    Mangel­ernährung keineswegs außer Proportion. Als im März das

    SOS-Kinderdorf Rafah nach Bethlehem evakuiert

    <https://taz.de/!5998137&SuchRahmen=Print/> wurde und die 68 Kinder

    erstmals wieder vor gedeckten Frühstückstischen saßen, rührten sie

    nichts an. Sie konnten nicht glauben, dass all das Essen nur für sie sei.



    Gewiss: Auch jüdisch-israelische Kinder leiden unter dem Krieg, zumal

    da, wo Hamas und Hisbollah angreifen und oft die Sirenen gellen. Die

    Seelen vieler weiterer wurden beschädigt durch die Angst, die sie seit

    dem 7. Oktober bei ihren Eltern spüren. Elterliche Angst und

    Unsicherheit zu erleben, ist für jedes Kind ein tiefgreifendes Erlebnis.

    In der Westbank werfen palästinensische Kinder Steine auf

    Militärfahrzeuge im fatalen Glauben, sie könnten so ihr Zuhause, ihr

    Dorf beschützen. Ein Delikt, das mit bis zu zehn Jahren Gefängnis

    bestraft werden kann.



    Wie es sich anfühlt, unter Besatzung aufzuwachsen, nichts anderes zu

    kennen, lässt sich kaum erahnen/./ Aus Sicht israelischer

    Ethno­nationalisten sind die palästinensischen Kinder schlicht zu

    zahlreich – demografisch stellen Palästinenser in absehbarer Zeit die

    Mehrheit zwischen Fluss und Meer, also dort, wo es, wie Netanjahus

    Energieminister Eli Cohen gerade versicherte, nur einen Staat geben

    wird: den israelischen.



    Rassismus gegenüber Kindern wird gern geleugnet, aber natürlich gibt es

    ihn, und der Rassismus gegenüber palästinensischen Kindern ist von einer

    spezifischen Art: Ihnen fehlt die Unschuld, sie sind gefährlich – als

    würden sie von früh auf, schon in den Windeln, ein Terror-Gen in sich

    tragen. Die palästinensische Kriminologin Nadera Shalhoub-Kevorkian

    <https://www.palestine-studies.org/en/node/1650366> nennt dies die

    Politik des „Unchilding“, eine Art Vertreibung aus der Kindheit,

    ablesbar an der hohen Zahl Minderjähriger in Haft.



    Im besetzten Ostjerusalem können Eltern ihre Kinder oft nur aus dem

    Gefängnis herausbekommen, indem sie einem Hausarrest für sie zustimmen.

    Und dann geschieht zum Beispiel dies: Der 13-jährige Iyad will das

    Fenster zum Hof öffnen, um mit seinen Kameraden zu sprechen, aber es ist

    verriegelt, sein Vater hat ein Schloss angebracht, aus Angst, die

    Familie würde womöglich gegen die Auflagen des Gerichts verstoßen. Der

    Junge ist wütend und verletzt und wendet sich in seinem Schmerz gegen

    die Eltern, die nun Gefängniswärtern gleichen.



    Familien zu spalten, sei Bestandteil von Besatzungspolitik, schreibt

    Shalhoub-Kevorkian. Als ich kürzlich in Jerusalem war, wollte ich sie

    aufsuchen, aber die Professorin der Hebrew University wurde gerade

    selbst kurzzeitig inhaftiert. Ihr Buch über Unchilding ist bei Cambridge

    University Press erschienen.



    /Palästinensischen Kindern wird zugeschrieben, sie seien gefährlich –

    als würden sie ein Terror-Gen in sich tragen/


    /

    /


    Der rassistische, verzerrende Blick auf palästinensische Kinder trägt

    dazu bei, ihr tausendfaches Sterben in Gaza hinzunehmen. Und dann gibt

    es noch die typisch deutsche Kultivierung von Ratlosigkeit: Dies sei ja

    alles so kompliziert, was solle man da nur sagen … Aber was ist so

    schwierig daran, gegen das Sterben von Kindern aufzubegehren? Was ist so

    schwierig daran, zu sagen: Das muss aufhören, sofort?


    Das ganze Ausmaß des Unglücks in Gaza werden wir ohnehin erst sehen,

    wenn der Krieg beendet ist. Dann wird uns eine kindliche Heerschar von

    Traumatisierten, Verstümmelten und Amputierten erwarten. Und wir werden

    keine Antwort haben.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    Auf der Suche nach Palästina

    monde-diplomatique.de, 13.06.2024
    Gespräche über Zukunftsvisionen und den brutalen Alltag unter der Besatzung

    von Charlotte Wiedemann


    Audio: Artikel vorlesen lassen


    Erleben wir gerade den entscheidenden Moment der jüngeren Geschichte Palästinas? So ist es allenthalben zu hören, in einem Ton, so düster wie hell, ein Doppelklang von Desaster und Triumph. Nie war das Leid nach 1948 so bitter, die Gefahr völliger Vertreibung so groß. Zugleich dieser weltweite Echoraum der Solidarität, vibrierend von Siegesgewissheit: Palestine will be free.

    Wo aber ist dieses Palästina, wenn es denn nicht nur eine Metapher sein soll, nicht nur Symbol der Sehnsucht nach globaler Gerechtigkeit, sondern ein reales Land für reale Menschen – und was definiert deren Freiheit?

    Die tägliche Wetterkarte der Jerusalem Post zeigt Israel vom Meer bis zum Fluss, das Westjordanland einverleibt; rote Punkte markieren israelische Städte, palästinensische existieren nicht. In den Souvenirshops Israels findet sich keine andere Silhouette des Landes als from the river to the sea. Palästinensische Läden verkaufen die gleiche Silhouette, in den panarabischen Farben oder als Kalligrafie.

    Birgt diese Beobachtung womöglich eine Lösung?

    Zwei Völker betrachten dasselbe kleine Stück Erde als ihre Heimat und erkennen dieses Heimatgefühl wechselseitig an – dies ist der Grundgedanke von „A Land for All“ (Alfa), eine israelisch-palästinensische Initiative von Wissenschaftlern, Intellektuellen, Juristinnen, Journalisten. Sie gehen jetzt, in der dunkelsten Stunde, mit ihrem Modell einer binationalen Föderation in die Offensive: Zwei souveräne Staaten mit offener Grenze zueinander erlauben Freizügigkeit und Wohnrecht für alle zwischen Fluss und Meer. Ähnlich wie in der Europäischen ­Union wären Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht nicht identisch – die 700 000 jüdischen Siedler im Westjordanland könnten im Staat Palästina bleiben, doch ohne Wahlrecht. Im Gegenzug könnten sich Palästinenser, deren Vorfahren 1948 vertrieben wurden, in Israel ansiedeln, ohne dort Staatsbürger zu sein.1

    „Es ist für Palästinenser nicht leicht zu akzeptieren, dass Juden ein Recht haben, hier zu sein und dass sie eine Bindung an das Land haben“, sagt Rula Hardal, die palästinensische Co-Direktorin von Alfa. Ich treffe die Politologin an einem Westjerusalemer Forschungsinstitut; sie ist israelische Staatsangehörige und kommt aus einer griechisch-orthodoxen Familie im Norden. Gerade verabschiedet sie May Pundak, die jüdische Co-Direktorin. Die beiden umarmen sich, sprechen Hebräisch, für Rula Hardal neben Arabisch wie eine zweite Muttersprache, während ihre Kollegin sich entschuldigt: sorry, nur wenig Arabisch. So ist es oft in binationalen Projekten. Pundak hat zudem einen einschlägig bekannten Namen, ihr Vater Ron war ein Architekt der Oslo-Friedensvereinbarungen, aus deren Scheitern eine Aufgabe für die Tochter entstand.

    Rula Hardal überdeckt jegliche Asymmetrie durch ihr Selbstbewusstsein. Die 50-jährige Feministin stritt lange für Frauenrechte in der israelischen Gesellschaft; ihr heutiges Selbstverständnis, sich nicht als Angehörige einer Minderheit im jüdischen Staat zu betrachten, sondern als Anwältin der Einheit aller Palästinenser, entstand erst allmählich, auch während einiger Jahre in Deutschland, als sie an der Universität Hannover Nahost- und Genderstudien lehrte und mit den Sichtweisen der Diaspora vertraut wurde. Dass sie nun international die palästinensische Seite des binationalen Projekts repräsentiert, durchbreche die Schranke, die Israel stets zwischen den Palästinensern errichte.

    Ein Herzstück von „A Land for All“ ist die wechselseitige Respektierung der Traumata, die auf beiden Seiten so prägend sind. Holocaust und Nakba. „Die jüdischen Israelis müssen die Vertreibungen von 1948 als Unrecht anerkennen und die Palästinenser das Leid der Juden aus der europäischen Geschichte“, sagt Rula Hardal. Aber der Holocaust legitimiere keinen Siedlerkolo­nia­lis­mus, der Zionismus müsse sich von gewalttätigen Praktiken befreien. In einem antizionistischen Protestcamp würde diese Formulierung vermutlich als zu weich, zu liberal empfunden. Aber Hardal will weg vom palästinensischen Selbstverständnis als Opfer. „Wir müssen als Alteingesessene, als Eigentümer des Landes Verantwortung übernehmen und dem anderen Volk eine gemeinsame Zukunft anbieten.“

    So ist „A Land for All“ zugleich radikaler Kompromiss und radikale Utopie. Sie verlangt von jüdischen Israelis und von Palästinensern, nicht nur einander neu zu betrachten, sondern zugleich sich selbst. Mehr als ein Jahrzehnt haben Forscher, Analystinnen und Menschenrechtsaktivisten an dieser Vision gearbeitet, und dann traten sie ausgerechnet drei Tage nach dem Hamas-Überfall vom 7. Oktober an die Öffentlichkeit. Eine Flucht nach vorn, in der wilden Hoffnung, aus der Katastrophe eine Chance zu machen. Alle Beteiligten wissen: Dafür bedarf es immensen Drucks von außen, vor allem auf das jüdische Israel.

    Vom Herzl-Berg im Westen Jerusalems – Jad Vaschem ist nahebei – bis nach Beit Hanina in den Ausläufern des besetzten Ostjerusalem braucht der Light Rail nur 35 Minuten. Die Gleise der Stadtbahn kreuzen eine unsichtbare Linie, die Waffenstillstandslinie von 1949, für den Rest der Welt die Staatsgrenze Israels, auf den Landkarten seiner Schulen nicht verzeichnet.

    Jüdische Mitreisende in der Bahn scheinen meine Frage, wo Ostjerusalem beginne, nicht zu verstehen. Die Annexion dessen, was Palästinensern ihre künftige Hauptstadt ist, hat sich auch ins Bewusstsein gesenkt. Vom Meer bis zum Jordan sei alles jüdisches Land, das ist die Posi­tion der israelischen Regierung, weshalb es, wie Benjamin Netanjahu sagt, logischerweise gar keine Besatzung gebe. Einer seiner Minister, Eli Cohen, nahm gerade vorweg, was daraus folgen soll: „From the river to the sea wird es einen Staat geben: den Staat Israel.“2


    A Land for All – ein radikaler Kompromiss

    Das binational verschränkte Leben, die demokratische Utopie von A Land for All, ist in der Realität eine autoritäre Dystopie im Werden, die Einstaatlichkeit wird der schwächeren Seite aufgezwungen durch Enteignung, zweierlei Recht und Waffengewalt. Meter für Meter, Grundstück für Grundstück schiebt sich die sogenannte Judaisierung voran, religiös verbrämtes Landgrabbing im Osten Jerusalems wie in seiner Altstadt. Ich treffe dort armenische Aktivisten in ihrem Protestcamp, Überwachungskameras nach allen Seiten: Wie andere christliche Gemeinden zuvor kämpfen sie gegen aggressive Gangs von Siedlern, die Geschäftsleute bedrohen und Priester bespucken.

    Die Dystopie ist gefräßig. Im Westjordanland stellen die jüdischen Siedler bereits ein Viertel der Bewohner, das hat die Zweistaatenlösung systematisch unterhöhlt. Und gegen den Ausweg, den A Land for All an dieser entscheidenden Stelle anbietet, gibt es unter Palästinensern einen berechtigten Einwand: Eine Gleichstellung von nach internationalem Recht illegalen Siedlern und Flüchtlingen, deren Rückkehrrecht 1948 in der UN-Resolution 194 verankert wurde, sei moralisch wie juristisch unannehmbar. Während die Siedler in ihren 250 Ortschaften Bestandsschutz bekämen, bliebe die Rückkehr von Geflüchteten und ihren Nachkommen Verhandlungssache.

    An einem Frühsommerabend treffen sich im Ostjerusalemer Nashashibi-Kulturzentrum Intellektuelle und ausländische Diplomaten zum nichtöffentlichen Austausch. Die Villa ist melancholisches Denkmal einer palästinensischen Oberschicht, die mit der Nakba unterging: Die umfangreiche Bibliothek von Issaf Nashashibi (1885–1948), Philosoph und Literaturwissenschaftler, wurde 1948 geplündert, viele Bände Israels Nationalbibliothek einverleibt. Ein passender Rahmen für Gespräche über Gerechtigkeit für alle im historischen Mandatsgebiet Palästina. Muss der ethnonationale jüdische Staat für sakrosankt gehalten werden, wie in der westlichen Diplomatie üblich? Oder wären Juden und Jüdinnen womöglich besser geschützt ohne suprematistische Privilegien?

    Dafür plädiert auf jüdischer Seite schon länger der Philosoph Omri Boehm. Seine binationale „Republik Haifa“ möge vorerst ein Traum sein, schrieb er, sei jedoch „ehrlicher als der Gedanke, ein System der Apartheid könne jemals ein menschliches Antlitz haben“.3 Eine Schnittstelle zur propalästinensischen Solidaritätsbewegung dieser Tage. Wenn Demonstranten auf ihren Pappschildern Gleichheit für alle zwischen Meer und Fluss verlangen, erneuern sie das alte Lieblingsmodell der säkularen palästinensischen Linken: ein demokratischer Einheitsstaat, one person, one vote. Denn Kern der palästinensischen Frage sind Freiheit, gleiche Rechte, Selbstbestimmung und nicht ein Separatstaat.

    Edward Said forderte bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten, über die „erbärmlichen Perspektiven, wie sie Teilung und Trennung zu bieten haben“, hinauszublicken.4 Allerdings warnte er zugleich vor dem gefährlichen Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu wollen und sich „ein utopisches Land ohne aufdringliche jüdisch-israelische Präsenz“ zu erträumen.

    Wer Koexistenz allein auf Basis gleicher individueller Bürgerrechte definiere, weiche der Frage nach einem legitimem jüdisch-israelischen Nationalbewusstsein aus, argumentiert der palästinensische Politikwissenschaftler Bashir Bashir, ein führender Experte im neuen akademischen Diskurs über flexible Modelle von Souveränität. Juden und Jüdinnen ausschließlich als Individuen zu betrachten, ließe sie ohne kollektive Schutzrechte, wenn sie – demografisch absehbar – zur Minderheit zwischen Meer und Fluss werden.

    Der besonderen jüdischen Geschichte Rechnung zu tragen, in einer egalitären Gesellschaft für alle, das bleibt die große Aufgabe der Zukunft. Wenn für Zukunft noch Zeit ist.

    Was bedeutet es, Palästinenser, Palästinenserin zu sein?

    Abgesehen von Exil und Diaspora, abgesehen von den Lagern im Libanon, in Jordanien, leben die Palästinenser allein auf dem kleinen Stück Erde zwischen Fluss und Meer schon unter sechs verschiedenen Rechtskonstruktionen: im Kernland Israel, in Gaza, in Ostjerusalem und in den drei administrativen Zonen des Westjor­danlands. Nirgendwo sind sie jüdischen Bürgern gleichgestellt, doch auch untereinander sind sie ungleich – sozial, geografisch, politisch fragmentiert.

    Wie groß ist allein die Kluft zwischen zwei palästinensischen Protagonisten von „A Land for All“, der viel reisenden Rula Hardal und – im Westjordanland – Awni al-Mashni, der die Gruppe vor zwölf Jahren mitbegründete! Unsere erste Verabredung platzt; ich warte in Ramallah, er kommt wegen geschlossener Checkpoints nicht aus Bethlehem heraus, 22 Kilometer, unüberwindbar.

    Mit akkurat gebügeltem Streifenhemd, ergrautem Schnauzbart, jordanische Zigaretten kettenrauchend hat Awni al-Mashni etwas von alter Fatah-Garde, das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Die Autonomiebehörde von Mahmud Abbas betrachtet er sehr kritisch, sie diene vor allem Israels Interesse. Zu Beginn unseres Gesprächs stellt er sich vor mit den Worten „Ich bin ein palästinensischer Flüchtling“, als sei dies das Entscheidende in einem ereignisreichen Leben, und tatsächlich war es das wohl. Seine Eltern flohen 1948 aus al-Qabu, einem Dorf westlich von Jerusalem. Awni wurde im Dheisheh-Flüchtlingscamp bei Bethlehem geboren und lebte dort die meiste Zeit, sofern er nicht gerade im Gefängnis saß, und das war so für insgesamt 13 Jahre. Wo einmal das Haus der Eltern stand, ist heute der Begin-Nationalpark, für al-Mashni unerreichbar; er darf nicht nach Jerusalem.

    Bei einem Deutschlandbesuch vor vielen Jahren war er in einer KZ-Gedenkstätte. „Ich verstehe das Leid der Juden in Europa, das zu verstehen ist nicht schwer, und so etwas darf nie wieder passieren. Aber es geschah nicht in meiner Verantwortung und darf nicht auf meine Kosten gelöst werden.“ Ob er sich durch die Anerkennung des jüdischen Traumas von vielen seiner Landsleute unterscheide, frage ich. Er widerspricht, „aber die Frage ist sehr provokativ für jemanden, dessen Haus gerade zerstört wird“.

    Welcher inneren Kraft es bedarf, den Schmerz über ein seit Kindertagen erlebtes Unrecht im Zaum zu halten und sich für Versöhnung starkzumachen, kann ich nur erahnen. Al-Mashni macht sich keine Illusionen, wie lange selbst im günstigsten Fall eine binationale Gesellschaft von der Asymmetrie der Macht gezeichnet wäre. „Die Mentalität der Apartheid zu überwinden, wird Generationen dauern.“

    Während des Gesprächs mochte ich ihm die Frage, was ihn ins Gefängnis gebracht hatte, nicht stellen. Sie erschien mir plötzlich anmaßend, weil Gefängnis unter seinen Lebensumständen so normal ist. Die Menschen, die ich während meiner Recherche traf, hinterließen in meinem Notizbuch gemeinsam ein Jahrhundert Knast. Ich frage al-Mashni im Nachhinein, über die sichere Distanz von Whatsapp, und bekomme Details: Mit 17, als er einer bewaffneten Zelle angehörte, die erste Haft; später, als er unbewaffnet kämpfte, mehrere Jahre im Gefängnis. Darunter auch die berüchtigte Administrativhaft, ohne Anklage, ohne Urteil. „Die Besatzung“, schreibt er mir, „duldet keinerlei Widerstand, auch wenn er gewaltlos und friedlich ist.“

    Die Besatzung – sie ist im palästinensischen Sprechen ein handelnder Akteur, kein Zustand. Und tatsächlich diktiert die Besatzung auf ständig sich ändernde Weise den Alltag.

    Zwischen der Vorstellung von Freizügigkeit from the river to the sea und dem blockierten Leben im zerstückelten Westjordanland lässt sich kaum ein größerer Kontrast denken. Es gibt Statistiken über die sieben Typen von Hindernissen, Barrieren, Checkpoints und Straßensperren, sie summieren sich auf 565, auf einer Fläche so groß wie ein Viertel Hessens. Und zwei Drittel davon stehen ohnehin unter Kon­trol­le Israels.

    Die Armee verschließt einfach die Gitter und Gatter am Ausgang von Ortschaften und Dörfern, so dass deren Bewohner gar nicht erst die Landstraßen erreichen. Mancherorts stehen jetzt Siedler als Reservisten in Uniform an Checkpoints. Der europäische Mitarbeiter einer Stiftung erzählt mir, wie schnell auch er in Gewehrläufe blicke, wenn er an einem Posten aus Versehen seinen Wagen zu weit vorgesetzt habe.

    Kalandia, den größten Checkpoint zwischen dem besetzten Ostjerusalem – alias „Israel“ – und dem Westjordanland5, kannte ich von einem früheren Besuch. Betäubt von Lärm, Gedränge und bellenden Kommandos, schob ich mich damals mit Massen von Werktätigen, Palästinas Arbeitskräften für Israels Baustellen, durch die Kon­trol­len. Seit dem 7. Oktober sind Arbeitsgenehmigungen und Passierscheine annulliert, die erzwungene Ruhe erlaubt mir Beobachtungen. Wie sich betagte Frauen mit arthritischen Knien langsam die viel zu hohen Stufen einer Überführung hinaufquälen. Wie eng die Drehkreuze sind, die Reisetasche muss gegen die Brust gepresst werden. Kleinigkeiten nur; jede zielt auf Demütigung.

    Etwas abseits dann das Flüchtlingslager Kalandia, vom umgebenden Wirrwarr aus Betonklötzen, Zäunen und Sperren durch sichtbares Alter unterschieden: enge Straßen, alte Gebäude, Graffiti, das Zuhause von 14 000 anerkannten Flüchtlingen. Sie bleiben, weil es anderswo zu teuer wäre, und aus einem Gefühl der Zugehörigkeit. Die Liebe zur Heimat, sie gilt zuerst dem Dorf der Vorfahren, dann dem Camp, wo die Beziehungen aus dem längst zerstörten Dorf weiterbestehen.

    Wandgemälde erzählen von Getöteten und Inhaftierten, meist an der Mauer des Hauses, wo der Betreffende lebte. Israelische Soldaten kommen oft bei Nacht, ihre Lärmgranaten versetzen Kinder in Todesangst. Das Camp bringt bewaffnete Kämpfer hervor – was ist Ursache, was Wirkung? Manche Märtyrer-Graffitis sind sonnenverblichen, andere frisch. Ich denke an einen Satz von Awni al-Mashni: Gewalt ist keine Lösung. Er wirkt hier fremd.

    „Feuerwaffen verboten“ steht am Eingang zur Schule des UNWRA-Hilfswerks. 1200 Schüler, Klasse 1 bis 9. Der Rektor der Jungenschule, ein Mathematiker, wurde im Camp geboren und ging als Kind selbst auf diese Schule. Was hatte ich erwartet vom Leiter einer UNWRA-Schule? Dass er ein Außenstehender wäre, neutral – und nicht so ein wütender, sarkastischer, verletzter Mensch? Einer seiner Söhne, Jurastudent, ist im Gefängnis, auch andere jüngere Verwandte sind in Haft. „Unseren Kindern kann jederzeit etwas zustoßen, denn wir leben unter Besatzung!“ Ein zweiter Sohn sitzt bei unserem Gespräch dabei, soll mir seine Deutschkenntnisse beweisen. Ein stiller junger Mann, er zögert, legt sich die Worte zurecht und sagt dann: „Dies ist keine fruchtbare Erde für menschliche Entwicklung.“

    Besuch einer Klasse, 42 Jungs lernen gerade Prozentrechnung. Meine Frage, was sie von der Zukunft erwarten, wird mit Berufswünschen beantwortet wie Arzt oder Fußballer. Als ich nach politischen Wünschen frage, steht ein Junge aus der letzten Reihe auf: Eine Gegenwart ohne Gefängnis sei ihm wichtiger als irgendeine Zukunft.

    Angst und Unsicherheit sind allgegenwärtig, selbst im Umland von Ramallah, wo man die sicherste Zone vermuten könnte, weil hier die Autonomiebehörde und internationale Institutionen ansässig sind. Und den Terror der Siedler, Überfälle und Brandschatzung, fürchten keineswegs nur die Ärmsten, die ihren Schafstall und ihren Olivenhain so leicht verlieren können im zionistischen Monopoly um Land und Raum.


    Jede Kleinigkeit eine Demütigung

    Der Besitzer eines adretten Mittelschichthauses bringt mich auf die Dachterrasse, wir können bis nach Jordanien sehen, nur dass mein Gastgeber die Straße, die sich vor unseren Augen durch die Hügel zieht, nicht benutzen darf, sie ist für die Siedler, er zeigt nach links, und für die Armee, er zeigt auf eine andere Anhöhe. Von unten höre ich ein leises Surren, die Dame des Hauses poliert die Fenster mit einem elektrischen Gerät, und mein Gastgeber sagt in das Surren hinein: „Ich habe so viele Jahre an diesem Haus gebaut, habe gespart, mit dem Heiraten gewartet. Der Gedanke, dass die Siedler morgen kommen könnten und alles ist vernichtet, macht mich wahnsinnig. Niemand beschützt dich.“

    Ein härteres Urteil lässt sich über die „Sulta“, wie die Nomenklatura der Autonomiebehörde in der arabischen Kurzform heißt, kaum fällen. Dennoch ist offen geäußerte Kritik mir, einer Fremden, gegenüber für manche ein ethisches Problem, denn sie verstößt gegen den Kodex des Widerstands: vereint gegen die Besatzung.

    Auf den ikonischen Gemälden des Malers Sli­man Mansour ist Palästina eine Frau, schön, erhaben und von unantastbarem Stolz. Mansour malte die Hände seiner Figuren übergroß, Zeichen der Verbundenheit zum Land, zur Arbeit mit der Erde. Zu dem vielen, was Palästinenser der Autonomiebehörde vorwerfen, gehört dies: Sie schützt nicht einmal das Wasser, schützt nicht die Quellen, die in den palästinensischen Heimatmythen eine so große Rolle spielen; sie lockt die Leute weg vom Land, in die unproduktiven Jobs ihrer Bürokratenbubble, das synthetische Palästina der hohen Gehälter. Sie entfremdet die Palästinenser von ihrer Erde, ihren Traditionen.

    Die Birzeit-Universität empfängt mit einem einladenden Campus: viel heller Stein, Bäume, Coffeeshops, Tischtennisplatten, sogar ein Raum zum Schachspielen. Hier studieren die Klügsten einer Generation, die in den Ruinen des Friedensprozesses aufwuchs, mit einer höhnisch vorgegaukelten Autonomie. Am Eingang zum Büro des Studentenrats hängen die Fotos der Gewählten; die Hamas stellt die stärkste Fraktion. Sie setzten sich für die Interessen der Studierenden ein, seien aktiv und nicht korrupt, versichern die jungen Frauen, die mich auf dem Campus herumführen. Ich habe sie zufällig kennengelernt, eine heterogene kleine Schar, mit und ohne Kopftuch. Die Zusammensetzung des Rats, sagen sie, sei ein Zeichen von Demokratie.

    In seinem Büro spreche ich den Historiker Naz­mi al-Jubeh, ein Säkularer in Opposition zum Islamismus, darauf an. Er könne in den studentischen Debatten nach seinen Vorlesungen keinen klaren Unterschied zwischen Hamas und Nicht-Hamas erkennen, sagt der Professor. Und der Lehrplan der Birzeit-Uni reserviert viel Zeit für Aussprache: „Die Studenten sollen lernen, mit verschiedenen Ideen zu leben.“ Al-Jubeh, knapp 70, ein eleganter Mann mit feinen Gesichtszügen, tritt als Architekturhistoriker im Fernsehen auf, ist interna­tio­nal renommiert – und war mehrfach im Gefängnis. „Natürlich!“ Er lacht mit dem Sarkasmus, der mich durch alle Gespräche begleitet. „Durch den Sarkasmus überleben wir“, bestätigt er, „sonst würden wir explodieren.“ Seit 30 Jahren in Birzeit lehrend, hat er sich für die Lebenszeit, die er mit dem Warten an Checkpoints vertat, eine ganze Bibliothek in seinem Auto eingerichtet. „Ich habe mich hinter dem Steuer in Bücher versenkt, um nicht verrückt zu werden.“

    Auf meine Frage: Was ist heute Palästina?, lautet seine spontane Antwort: „Viel mehr, als Palästina einmal war.“ Viele Tausende hätten die verlorenen historischen Ortschaften zu Namen von Personen und Geschäften gemacht, von Restaurants und Unternehmen, ob in Chicago oder in Amman. Er selbst hat über Lifta geforscht, das einzige palästinensische Dorf in Israel, von dem Ruinen erhalten sind.6 „Ich habe nun Beziehungen zu Lifta-Gemeinden weltweit, alle haben Websites mit Erzählungen und Anekdoten, natürlich auch Romantisierungen. Die Dörfer werden virtuell wiederhergestellt, das schafft über Kontinente hinweg Beziehungen zwischen Menschen, die einander nie gesehen haben.“ Und die meisten, sagt al-Jubeh, seien überzeugt: Eines Tages kehren wir nach Hause zurück.

    Das Land der Erzählung. Neben der Zukunftsvision von Freizügigkeit zwischen Fluss und Meer und dem blockierten, fragmentierten Alltag ist dies ein drittes Palästina. Und aus dem Besitz der erzählten Heimat entsteht, was für Außenstehende so erstaunlich ist, gerade jetzt: Ausdauer, Beharrungsvermögen.

    In Ostjerusalem treffe ich zum Schluss Mah­moud Muna, Essayist, Verleger und Eigentümer zweier stadtbekannter Buchhandlungen für englischsprachige Literatur zum Nahen Osten. Seit Januar arbeitet Muna mit Hochdruck an einem Buch über Gaza, seine 4000-jährige Geschichte, seine Menschen. Der Titel „Daybreak in Gaza“7 klingt nach Aufbruch, und Muna sagt tatsächlich: „Ich bin optimistisch.“ Das Buch werde die kulturelle Größe der Region rehabilitieren, werde sie „rehumanisieren“, entgegen dem Bild von Gaza als einem Streifen Sand, besiedelt von Überflüssigen, die niemand wolle, von Unnützen, dazu bestimmt, als Kollateralschaden zu enden. „Steine können zerstört werden; die menschlichen Leistungen sind unzerstörbar. Und das ist, was für uns zählt. Das ist die Tiefe, die andere uns immer nehmen wollten, die Tiefe unserer Wurzeln und unserer Geschichte.“

    Triumph und Desaster. Die Zivilgesellschaft in Gaza hat zu einem entsetzlich hohen Preis den Kampf um die Gunst und die Herzen der Welt gewonnen. Daneben steht der schwarze Schatten des nicht entschuldbaren Hamas-Massakers; mir gegenüber wurde es meist beschwiegen. Die Palästinenser haben sich mit Hingabe und mit Gewalt, mit unsäglichem Leid und mit Terror wieder auf die globale Agenda katapultiert. Gaza hat gezeigt, wie der Westen mit zweierlei Maß misst, doch die Resonanz auf israelische Kriegsverbrechen hat auch mit dem Wandel der internationalen Ordnung zu tun. Da kippt eine Ära. Werden die Palästinenser ihren neuen großen Echoraum nutzen können, ohne Einigkeit, ohne anerkannte Führung?

    Viele sprechen nun vom Neuaufbau der PLO, als Organisation, die alle repräsentiere, auch die Diaspora, die Jugend, die Frauen, mit einer einigenden Vision von Befreiung. Die Hamas, meint selbst die moderate Rula Hardal, werde Teil dieser Zukunft sein, in der Hoffnung, dass – wie es bisher immer war – die Säkularen an Einfluss gewinnen, sobald Schritte hin auf eine bessere Zukunft sichtbar werden.

    Während meiner Reise las ich Mahmoud Darwischs Gespräche über „Palästina als Metapher“. Darwisch wie Said, die beiden meistzitierten Interpreten des palästinensischen Schicksals, überwanden auf je eigene Weise immer wieder die Dichotomien von Identität und Nationalismus, an einen namenlosen universalen Ort. Im harten Sprechen dieser Tage wirkt die Mahnung Saids, es gelte zu lernen, „wie man mit dem Anderen lebt statt gegen ihn“, wie aus ferner Zeit.


    1 Zu den Details siehe „A Land for All. Two States, one homeland“, alandforall.org.

    2 Post auf X am 22. Mai 2024.

    3 Omri Boehm, „Israel – eine Utopie“, Berlin (Propyläen Verlag) 2020, S. 229.

    4 Edward W. Said, „Das Ende des Friedensprozesses“, Berlin (Berlin Verlag) 2002, S. 225.

    5 Siehe die Erzählung „Staub“ von Adania Shibli, LMd, Oktober 2006.

    6 Siehe  „Das Trauma von 1948“, LMd, Januar 2023.

    7 Mahmoud Muna und Matthew Teller (Hg.), „Daybreak in Gaza. ­Stories of Palestinian Lives and Culture“, London (Saqi Books) 2024.

    Charlotte Wiedemann ist Journalistin und Autorin. Zuletzt erschien: „Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis“, Berlin (Propyläen) 2022.

    © LMd, Berlin

    Le Monde diplomatique vom 13.06.2024, von Charlotte Wiedemann


    Info: https://monde-diplomatique.de/artikel/!6015221


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    „Wiki-Gate“: Julian Assange wurde von den Leuten hereingelegt, die ihn unterstützten

    Global Research, 25. Juni 2024, Von Prof. Michel Chossudovsky Region:

    Thema: , ,


    ***


    Anmerkung des Autors und Update

    Julian Assange ist frei. Der jüngste Bericht bestätigt, dass er das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh am Morgen des 24. Juni verlassen hat.

    „Er wurde vom High Court in London gegen Kaution freigelassen und am Nachmittag am Flughafen Stansted freigelassen, wo er ein Flugzeug bestieg und das Vereinigte Königreich verließ.

    Dies ist das Ergebnis einer weltweiten Kampagne, an der Basisaktivisten, Aktivisten für Pressefreiheit, Gesetzgeber und Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum bis hin zu den Vereinten Nationen teilnahmen. Dies schuf den Raum für eine lange Verhandlungsphase mit dem US-Justizministerium, die zu einem Abkommen führte, das noch nicht offiziell abgeschlossen ist.“

    An dieser Stelle müssen wir in Solidarität mit Julian die Art der Verhandlungen mit dem US-Justizministerium verstehen: Die am 24. Juni erzielte Vereinbarung sieht vor, dass Assange  sich bereit erklärt, „sich eines Verbrechens im Zusammenhang mit der Offenlegung von Informationen zur nationalen Sicherheit schuldig zu bekennen, im Austausch für seine Freilassung aus dem Belmarsh-Gefängnis im Vereinigten Königreich“ (Common Dreams, 24. Juni 2024). 

    Laut CBS: „Assange wird keine Zeit in US-Gewahrsam verbringen und die Zeit, die er in Großbritannien inhaftiert war, wird ihm angerechnet. Laut einem Brief des Justizministeriums wird Assange nach Australien zurückkehren.“ Nachdem er sich in einer Anklage schuldig bekannt hat, „  wird sein Urteil voraussichtlich am Mittwoch, dem 26. Juni, vor einem Gericht auf den Nördlichen Marianen verkündet.“ (Consortium News)


    Wir müssen die Geschichte verstehen:  Wie Assange von seinen angeblichen Unterstützern verraten und in die Irre geführt wurde. 

    Im Oktober 2021 leitete die US-Regierung ein Gerichtsverfahren gegen Julian Assange aus Großbritannien ein , um ihn „wegen Verstoßes gegen das Spionagegesetz“ auszuliefern.

    Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs lehnte Assanges Berufung ab, „seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten zu verhindern“.

    Am 20. April 2022 genehmigte ein britisches Amtsgericht offiziell die Auslieferung von Julian Assange an die USA „wegen Spionagevorwürfen“.

    Laut Paul C. Roberts: 

    Das Außergewöhnlichste an Julian Assange ist, dass er behandelt wird, als wäre er ein amerikanischer Staatsbürger. „Verrat“ war der ursprüngliche Vorwurf, heute heißt es „Spionage“.

    Es gab keine Spionage. Wikileaks hat die Informationen veröffentlicht und sie der New York Times, The Guardian und anderen Medien zur Verfügung gestellt. Die Medien haben die Informationen veröffentlicht, genau wie Wikileaks, aber sie wurden nicht angeklagt.“

    Im Februar 2024  bestätigten  die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) und die Europäische Journalisten-Föderation (EFJ), dass „die Strafverfolgung von Assange eine globale Bedrohung für die Medienfreiheit darstellt “.

    „Die anhaltende Strafverfolgung gegen Julian Assange gefährdet die Pressefreiheit überall auf der Welt“, sagten IFJ und EFJ in einer gemeinsamen Erklärung.

    Diese Aussage ist widersprüchlich. Die Mainstream-Medien sind nach wie vor die Quelle umfassender Desinformation.

    Sie unterstützt die Lügen rund um die Covid-Krise und den mRNA-Impfstoff, die zu einem Aufwärtstrend bei der Übersterblichkeit geführt haben.

    Sie unterstützt regelmäßig die Kriegsagenda der USA und der NATO und beschreibt das Neonazi-Regime in Kiew gleichzeitig als blühende Demokratie.

    Und jetzt kommen sie ihm angeblich zu Hilfe.


    Julian Assanges Verhältnis zu den Mainstream-Medien

    Julian Assange wurde zunächst von den Mainstream-Medien gelobt und unterstützt. Im Jahr 2008   verlieh The Economist,  dessen Teilhaber die Familie Rothschild ist, Assange den New Media Award.  

    War dies eine echte Unterstützung von Assanges Engagement für die „Pressefreiheit“? Oder war es ein PR-Trick? 

    Assange wurde  von denen, die ihn unterstützten, hereingelegt:

    The Guardian, The New York Times, The Economist, Vaughan Smith, George Soros, die Rothschilds, der Council on Foreign Relations usw.

    Die Anschuldigungen gegen Assange wurden von denselben Mainstreammedien erhoben, die seine Leistungen lobten.

    Rückblickend war es eine sorgfältig geplante Operation. Die Wiki-Leaks wurden selektiv „überwacht“.  

    Hier sind Einzelheiten zu einigen der Hauptakteure. Unten finden Sie meinen Artikel aus dem Jahr 2019 mit dem Titel  „Wiki-Gate“: Julian Assange wurde hereingelegt, und zwar  von den Leuten, die ihn unterstützten


    Henry Vaughan Lockhart Smith

    Vaughn Smith, ein ehemaliger Hauptmann der britischen Grenadier Guards, kam ihm zu Hilfe. Assange wurde in seinem Haus in Norfolk Zuflucht gewährt. Die beiden verband eine enge Freundschaft. 

    Vaughn Lockhart Smith war der Gründer des in London ansässigen Frontline Clubs (der von George Soros‘ Open Society Institute unterstützt wird) .

    Im Jahr 2010 diente der Frontline Club als De-facto-„Hauptquartier“ von Julian Assange in Großbritannien. 

    Vaughan Smith ist kein „unabhängiger Journalist“. Er  arbeitete aktiv mit der NATO zusammen , als eingebetteter Reporter und Kameramann in mehreren Kriegsschauplätzen der USA und der NATO, darunter im Irak, in Afghanistan, Bosnien, Tschetschenien und im Kosovo. 

     Im Jahr 1998, vor dem Beginn des NATO-Krieges gegen Jugoslawien, arbeitete er als Videojournalist im Kosovo an einer Produktion mit dem Titel „ The Valley “, in deren Rahmen im Auftrag der USA und der NATO, die am 24. März 1999 in Jugoslawien einmarschierten, mutmaßliche serbische Gräueltaten an Kosovo-Albanern „dokumentiert“ wurden. 

    Die Produktion des Videos erfolgte mit Unterstützung der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), deren Anführer Hashim Thaci Präsident des Kosovo wurde. 1998 stand Thaci auf der Interpol-Liste . 22 Jahre später wurde Thaci vom Haager Tribunal des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, darunter „Mord, erzwungenes Verschwindenlassen, Verfolgung und Folter“.


    David E. Sanger, New York Times

    Die New York Times war mitschuldig: David E. Sanger, Chefkorrespondent der New York Times in Washington, war in Absprache mit dem US-Außenministerium an der Schwärzung von Wikileaks beteiligt:

    „Wir haben [die Depeschen] sehr sorgfältig durchgesehen und versucht, Material zu streichen, das unserer Meinung nach Einzelpersonen schaden oder laufende Operationen untergraben könnte. Und wir haben sogar den sehr ungewöhnlichen Schritt unternommen, der US-Regierung die etwa 100 Depeschen zu zeigen, von denen wir geschrieben haben, und sie zu fragen, ob sie weitere Streichungen vorschlagen könnten.“ (Siehe PBS-Interview; Die Redigierung und Auswahl von Wikileaks-Dokumenten durch die Unternehmensmedien , PBS-Interview bei „Fresh Air“ mit Terry Gross: 8. Dezember 2010, Hervorhebung hinzugefügt).

    David E. Sanger ist Mitglied des Council on Foreign Relations (CFR) und der Aspen Group. Die NYT hat zudem Verbindungen zum US-Geheimdienst.

    Es ist erwähnenswert, dass mehrere amerikanische Journalisten, Mitglieder des Council on Foreign Relations, Wikileaks interviewt hatten, darunter Richard Stengel vom Time Magazine (30. November 2010) und Raffi Khatchadurian vom New Yorker. ( WikiLeaks und Julian Paul Assange: The New Yorker , 11. Juni 2007)


    Die heimtückische Rolle des US-Außenministeriums 

    In einem Bericht vom 20. Februar 2024: 

    „Der Versuch der Vereinigten Staaten, Julian Assange strafrechtlich zu verfolgen  , ist eine ‚staatliche Vergeltung‘“, urteilte der Oberste Gerichtshof in seinem letzten Versuch, der Auslieferung zu entgehen.

    Dem Wikileaks-Gründer droht die Auslieferung an die USA wegen einer mutmaßlichen Verschwörung zur Erlangung und Weitergabe von Informationen zur Landesverteidigung nach der Veröffentlichung Hunderttausender durchgesickerter Dokumente im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und dem Irak.

    In einem Urteil vom Januar 2021 erklärte die damalige Bezirksrichterin Vanessa Baraitser, dass Assange nicht in die USA überstellt werden sollte, da dort eine reale und „bedrückende“ Selbstmordgefahr bestehe, entschied aber in allen anderen Punkten gegen ihn.“

    Die Redaktion der New York Times hat vertrauliches Material in enger Abstimmung mit dem US-Außenministerium geschwärzt (siehe oben die Erklärung von David Sanger).

    Es ist eine Bombe: Das Außenministerium hat mit der New York Times zusammengearbeitet, um die Veröffentlichung geheimer Dokumente zu ermöglichen. Das allein wirft rechtliche Fragen auf.

    In einem Bericht vom 21. Februar 2024: 

    „Der Versuch der Vereinigten Staaten, Julian Assange strafrechtlich zu verfolgen  , ist eine ‚staatliche Vergeltung‘“, urteilte der Oberste Gerichtshof in seinem letzten Versuch, der Auslieferung zu entgehen.

    Dem Wikileaks-Gründer droht die Auslieferung an die USA wegen einer mutmaßlichen Verschwörung zur Erlangung und Weitergabe von Informationen zur Landesverteidigung nach der Veröffentlichung Hunderttausender durchgesickerter Dokumente im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und dem Irak.

    In einem Urteil vom Januar 2021 erklärte die damalige Bezirksrichterin Vanessa Baraitser, dass Assange nicht in die USA überstellt werden sollte, da dort eine reale und „bedrückende“ Selbstmordgefahr bestehe, entschied aber in allen anderen Punkten gegen ihn.“

    Aus rechtlicher Sicht handelt es sich nicht um „ staatliche Vergeltung“ , sondern im Gegenteil um „ staatliche Kollusion“:

    Das US-Außenministerium hat offiziell erklärt: Es gab der New York Times grünes Licht für die Veröffentlichung redigierter Geheimdokumente.

    Gab es nicht irgendwo einen Interessenkonflikt? Aus rechtlicher Sicht verstieß das US-Außenministerium gegen den Spionage-Act.


    Der offene Brief von NYT, Guardian, Der Spiegel, Le Monde, El Pais 

    Die fünf großen Nachrichtenmedien, die maßgeblich an der Veröffentlichung und „Redaktion“ der WikiLeaks-Dokumente beteiligt waren, veröffentlichten 2019 eine etwas widersprüchliche gemeinsame Erklärung (Offener Brief), in der sie die Freilassung von Julian Assange forderten.

    Sie werfen Assange vor, geheime Dokumente über Korruption und Betrug durch die US-Regierung veröffentlicht zu haben, und räumen gleichzeitig ein, dass sie an der Veröffentlichung redigierter Texte geheimer Dokumente beteiligt waren. Verletzen sie damit nicht auch das Spionagegesetz?

    Nachfolgend der Text des Briefes.


    Ein offener Brief von Redakteuren und Verlegern: Veröffentlichen ist kein Verbrechen

    Diejenigen, die geheime Regierungsdokumente durchsickern lassen, die unwiderlegbare Beweise für umfangreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit liefern, oder die Politiker in hohen Ämtern, die die Morde und Gräueltaten anordnen?

    Es kommt nicht nur zu einer „Kriminalisierung des Staates“, auch das Justizsystem wird kriminalisiert, um die Legitimität der Kriegsverbrecher in hohen Ämtern aufrechtzuerhalten.

    Und die kommerziellen Medien behaupten durch Auslassungen, Halbwahrheiten und glatte Lügen, dass Krieg ein friedensstiftendes Unterfangen sei.

    Wenn die Lüge zur Wahrheit wird, gibt es kein Zurück mehr

    Wir stehen solidarisch an der Seite von Julian Assange.

     

    Der folgende Artikel, der erstmals im April 2019, 2022 veröffentlicht wurde, konzentriert sich darauf, wie Julian Assange von den Mainstream-Medien verraten wurde.

    Michel Chossudovsky , Global Research, 3. Dezember 2022, 21. Februar 2024, 25. Juni 2024

     

     

    ***


    April 2019

    „Wiki-Gate“: Julian Assange wurde hereingelegt von den Menschen, die ihn unterstützt haben. von Michel Chossudovsk y


    Die Verhaftung von Julian Assange (nach fast sieben Jahren in der ecuadorianischen Botschaft) ist eine abscheuliche und illegale Tat. Er sitzt im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh und wartet auf seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten. 

    Aussagen von US-Staatsanwälten legen nahe, dass Assange nicht nach dem Spionagegesetz von 1917 angeklagt werden würde. Erwägt werden Vorwürfe der Verschwörung „zu einem unrechtmäßigen Eindringen in den Computer, basierend auf seiner angeblichen Vereinbarung, Frau Manning dabei zu helfen, einen verschlüsselten Teil eines Passcodes zu knacken, der es ihr ermöglicht hätte, sich unter der Identität eines anderen Benutzers in ein geheimes Militärnetzwerk einzuloggen.“ (NYT, 11. April 2019).

    Die Vorwürfe können natürlich geändert und verschoben werden. Bolton-Pompeo wird zweifellos eine Rolle spielen. In einer Erklärung aus dem Jahr 2017, als er CIA-Direktor war, bezeichnete Mike Pompeo  „WikiLeaks als einen ‚nichtstaatlichen feindlichen Geheimdienst‘, der ausgelöscht werden müsse.“  

    Assange wird von den etablierten Medien unablässig des Verrats beschuldigt, da er im Auftrag des Kremls handelt.  Eine Anklage auf Grundlage des  Spionagegesetzes von 1917  bleibt weiterhin möglich, um den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert, außer Kraft zu setzen.

    Assange ist ein neues Mediennarrativ zum Thema Russiagate? Seine Verhaftung fällt mit der Veröffentlichung der redigierten Version des Mueller-Berichts zusammen.

    Bereiten Sie sich auf WikiGate vor: ein langes und langwieriges Rechtsverfahren, das Gegenstand einer umfassenden Medienberichterstattung sein wird, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit letztlich in die Irre zu führen.  

    Das unausgesprochene Ziel der Anklage gegen Assange besteht darin, einen Präzedenzfall zu schaffen, der es Washington und seinen Verbündeten ermöglicht, unabhängige und kriegskritische Journalisten wahllos zu verhaften.

    Was auf dem Spiel steht, ist – wie Wikileaks enthüllte –, dass Politiker in hohen Ämtern die Architekten von Kriegsverbrechen sind. Um sie zu schützen und ihre Legitimität aufrechtzuerhalten, müssen sie die Meinungsfreiheit unterdrücken, was wiederum „die Kriminalisierung der Justiz“ erfordert.

    Ironischerweise gab es von Anfang an (über einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren) seitens Washingtons (und seines nationalen Geheimdienstes) nie konzertierte Anstrengungen, die Veröffentlichung geheimer US-Regierungsinformationen zu unterdrücken oder das Wikileaks-Projekt zu beenden. Im Gegenteil.

    Warum?

    Weil die von den Mainstream-Medien sorgfältig ausgewählten und redigierten Wikileaks-Zitate dazu verwendet wurden, der US-„Außenpolitik“ Legitimität zu verleihen und (durch Auslassung) viele der von den US-Geheimdiensten und dem Pentagon begangenen Verbrechen zu verschleiern.


    Wikileaks und die Mainstream-Medien

    Es ist wichtig zu beachten, dass Julian Assange von Anfang an von den Mainstream-Medien unterstützt wurde, die an der Veröffentlichung ausgewählter und redigierter Versionen der Leaks beteiligt waren. Und trotz Assanges Festnahme und Inhaftierung veröffentlicht Wikileaks weiterhin kompromittierende diplomatische Depeschen der USA, von denen das jüngste (von McClatchy am 17. April 2019 berichtet ) „Beweise dafür enthält, dass US-Truppen mindestens 10 irakische Zivilisten hingerichtet haben“, darunter ein fünf Monate altes Baby. 

    Zu Beginn des Wikileaks-Projekts lobten die Mainstream-Medien, darunter die New York Times, The Guardian und The Economist, Julian Assange. Die britische Elite unterstützte ihn. Assange wurde zu einer Persönlichkeit. Es war eine riesige PR-Kampagne. Es war ein lukratives Unterfangen für die etablierten Medien.

    Im Jahr 2008 verlieh The Economist (das teilweise der Familie Rothschild gehört) Assange den New Media Award.

    Kehrtwende? Wandel in der Erzählung der Mainstream-Medien.


    Ironischerweise beschuldigen ihn heute dieselben Massenmedien, die Assange einst lobten, (ohne auch nur den geringsten Beweis), an Verschwörungen im Auftrag des Kremls beteiligt gewesen zu sein. John Pilger schreibt:

    „Der Guardian hat seitdem eine Reihe von Unwahrheiten über Assange veröffentlicht, darunter die diskreditierte Behauptung, eine Gruppe Russen und Trumps Mann Paul Manafort hätten Assange in der [ecuadorianischen] Botschaft besucht. Die Treffen haben nie stattgefunden; es war eine Fälschung.“

    Assange ist das Ziel einer umfassenden Verleumdungskampagne seiner Unterstützer.

    Laut Pilger :

    „In einem streng geheimen Dokument vom 8. März 2008 legte die Abteilung für Cyber-Gegenspionageabwehr des US-Verteidigungsministeriums einen Plan zur Zerstörung von WikiLeaks und Assange vor … Ihre Hauptwaffe wäre die Verleumdung persönlicher Informationen. Ihre Stoßtruppen würden in den Medien eingesetzt werden.“

    Der Economist , der Assange 2008 mit dem New Media Award ausgezeichnet hat, deutet nun an, dass er ein feindlicher Agent sei, der für „Informationsanarchie … verantwortlich sei, die in der Destabilisierung der amerikanischen Demokratie gipfelt“.

    Andere wiederum meinen, es sei eine längst überfällige Abrechnung mit der Gerechtigkeit für einen Mann, der im Westen eine Informationsanarchie entfesselt hatte, die in der Destabilisierung der amerikanischen Demokratie gipfelte. Ist Herr Assange ein heldenhafter Journalist, ein rücksichtsloser Aktivist oder gar ein feindlicher Agent? (The Economist, 12. April 2019, Hervorhebung hinzugefügt)

    Die Verleumdungskampagne ist im Gange:

    Screenshot der Schlagzeile des Economist, 17. April 2019

    Ab Anfang 2017, zeitgleich mit der RussiaGate-Affäre, wird Assange als „Putins Handlanger“ dargestellt, der für den Kreml arbeitet. Warum?

    Im Jahr 2016 wandten sich einige von Assanges ehemaligen amerikanischen Sympathisanten scharf gegen ihn, nachdem er WikiLeaks zu einem enthusiastischen Instrument der russischen Einmischung in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gemacht hatte, indem er gehackte E-Mails der Demokraten verteilte, um ihre politische Wirkung zu maximieren, auf Twitter Wahlkampf gegen Hillary Clinton führte und eine falsche Tarngeschichte über die Quelle der Leaks verbreitete. (NYT, April 2019, Hervorhebung hinzugefügt)

    Und dann startet der Guardian (20. April), mit dem Assange aktiv zusammengearbeitet hat, auf Hochtouren eine Verleumdungs- und Rufmordkampagne: „billiger Journalismus“ des Guardian (lesen Sie den Auszug unten):

    Wurde Julian Assange von seinen Unterstützern hereingelegt? 

    In der neuesten Meldung vom 15. April 2019 der New York Times, die zuvor mit Assange zusammengearbeitet hatte, wird dieser als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit beschrieben, da er im Auftrag der Russen arbeite.

    Rückblick auf 2010:

    WikiLeaks veröffentlichte eine Reihe umstrittener Geheimdienst-Leaks, darunter rund 400.000 geheime Dokumente zum Irak-Krieg, die Ereignisse aus den Jahren 2004 bis 2009 abdecken (siehe Tom Burghardt, „ The WikiLeaks Release: US Complicity and Cover-Up of Iraq Torture Exposed“ , Global Research, 24. Oktober 2010).

    Diese in den Irak-Kriegsprotokollen von Wikileaks enthaltenen Enthüllungen lieferten „weitere Beweise für die Rolle des Pentagons bei der systematischen Folterung irakischer Bürger durch das von den USA eingesetzte Regime nach Saddam Hussein.“ (ebenda).

    Die Rolle des Frontline Clubs. Assanges soziales Umfeld

    Während Assange sich (durch die Veröffentlichung durchgesickerter Regierungsdokumente) dazu verpflichtet fühlte, die „unausgesprochene Wahrheit“ über Korruption und Kriegsverbrechen aufzudecken, gehören viele der Menschen (und Journalisten), die ihn „unterstützten“, größtenteils dem „Establishment“ an: Nach seiner Freilassung auf Kaution im Dezember 2010 (schwedischer Auslieferungsbefehl wegen des Vorwurfs sexueller Straftaten)  kam ihm Henry Vaughan Lockhart Smith zu Hilfe, ein Freund Assanges, ehemaliger Hauptmann der britischen Grenadier Guards und Mitglied der britischen Aristokratie. Assange fand Zuflucht in Vaughan Smiths Ellingham Manor in Norfolk.

    Vaughn Lockhart Smith ist der Gründer des in London ansässigen Frontline Clubs (der von George Soros‘ Open Society Institute unterstützt wird). Im Jahr 2010 diente der Frontline Club als faktisches britisches „Hauptquartier“ für Julian Assange.

    Vaughan Smith ist ein Journalist, der mit den Mainstream-Medien in Verbindung steht. Er hat  mit der NATO zusammengearbeitet und war als eingebetteter Reporter und Kameramann in verschiedenen Kriegsschauplätzen der USA und der NATO tätig, darunter in Afghanistan und im Kosovo. 1998 arbeitete er als Videojournalist im Kosovo an einer Produktion mit dem Titel The Valley, bei der es darum ging, angebliche serbische Gräueltaten an Kosovo-Albanern zu „dokumentieren“. Die Videoproduktion wurde mit Unterstützung der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) durchgeführt.

    Nach Assanges Verhaftung am 10. April 2019 räumte Vaughn Smith zwar seine Meinungsverschiedenheiten mit Assange ein, brachte jedoch dennoch seine uneingeschränkte Unterstützung und Sorge für Assange zum Ausdruck:

    Smith sagte, er stimme zwar nicht damit überein, dass alles, was Assange veröffentlicht habe, hätte veröffentlicht werden sollen, glaube aber, dass der Wikileaks-Gründer „eine Diskussion über Transparenz ausgelöst habe, die unglaublich wichtig ist“.

    „Ich unterstütze Julian, weil ich glaube, dass seine Rechte als Individuum sich auf uns, seine Mitbürger, auswirken“, sagte er zu Tremonti.

    „Ich denke, die Art und Weise, wie wir jemanden behandeln, mit dem wir möglicherweise nicht einer Meinung sind und der uns Wahrheiten erzählt, die wir vielleicht nicht wissen möchten … sagt viel über uns aus.“ (CBC, 10. April 2019)

    Die Rolle der kommerziellen Medien: Die zentrale Rolle der New York Times

    Die New York Times, der Guardian, Der Spiegel und El Pais (Spanien) waren direkt an der Bearbeitung, Schwärzung und Auswahl der durchgesickerten Dokumente beteiligt.

    Im Fall der New York Times wurden die redigierten Versionen unter der Koordination des Washingtoner Büroleiters David Sanger in Absprache mit dem US-Außenministerium vorgenommen.

    Schon bevor das Wikileaks-Projekt überhaupt in Gang kam, waren die Mainstream-Medien involviert. Die Rolle der kommerziellen Medien wurde nicht nur bei der Veröffentlichung, sondern auch bei der Auswahl und Bearbeitung der Leaks definiert und vereinbart. Die „professionellen Medien“, um Julian Assanges Worte in einem Interview mit The Economist zu verwenden, hatten von Anfang an mit dem Wikileaks-Projekt zusammengearbeitet.

    Darüber hinaus haben führende Journalisten mit Verbindungen zum außenpolitischen und nationalen Geheimdienstapparat der USA bei der Verbreitung und Weiterverbreitung der durchgesickerten Dokumente eng mit Wikileaks zusammengearbeitet.

    Es ist eine bittere Ironie, dass die New York Times, die konsequent Desinformation in den Medien verbreitet hat, 2010 der Verschwörung beschuldigt wurde. Wofür? Weil sie die Wahrheit enthüllte? Oder weil sie die Wahrheit manipulierte? Mit den Worten von Senator Joseph L. Lieberman:

    „Ich bin überzeugt, dass WikiLeaks gegen das Spionagegesetz verstoßen hat. Aber was ist mit den Nachrichtenagenturen – einschließlich der New York Times –, die die Informationen akzeptiert und verbreitet haben?“, sagte Lieberman und fügte hinzu: „Meiner Ansicht nach hat die New York Times zumindest ein schlechtes bürgerliches Verhalten an den Tag gelegt. Und ob sie ein Verbrechen begangen haben, muss meiner Meinung nach vom Justizministerium eingehend untersucht werden.“ ( Justizministerium untersucht Strafverfolgung von WikiLeaks – NYTimes.com , 7. Dezember 2010)

    Diese „redaktierende“ Rolle der New York Times wurde von David E. Sanger, dem Chefkorrespondenten der New York Times in Washington, offen eingestanden:

    „Wir haben [die Depeschen] sehr sorgfältig durchgesehen und versucht, Material zu streichen, das unserer Meinung nach Einzelpersonen schaden oder laufende Operationen untergraben könnte. Und wir haben sogar den sehr ungewöhnlichen Schritt unternommen, der US-Regierung die etwa 100 Depeschen zu zeigen, von denen wir geschrieben haben, und sie zu fragen, ob sie weitere Streichungen vorschlagen könnten.“ (Siehe PBS-Interview; Die Redigierung und Auswahl von Wikileaks-Dokumenten durch die Unternehmensmedien , PBS-Interview bei „Fresh Air“ mit Terry Gross: 8. Dezember 2010, Hervorhebung hinzugefügt).

    Doch Sanger sagte später im Interview auch:

     „Seit der Gründung dieses Landes ist es die Verantwortung des amerikanischen Journalismus, sich mit den schwierigsten Themen der Gegenwart auseinanderzusetzen und dies unabhängig von der Regierung zu tun.“ (ebenda, Hervorhebung hinzugefügt)

    „Machen Sie es unabhängig von der Regierung“ und fragen Sie sie [die US-Regierung] gleichzeitig, „ob sie weitere Streichungen vorschlagen können“?

    David E. Sanger ist kein Musterbeispiel für einen unabhängigen Journalisten. Er ist Mitglied des Council on Foreign Relations (CFR) und der  Strategy Group des Aspen Institute  , zu der unter anderem Madeleine K. Albright, Condoleeza Rice, der ehemalige Verteidigungsminister William Perry, der ehemalige CIA-Chef John Deutch und andere prominente Persönlichkeiten des Establishments gehören.

    Es ist erwähnenswert, dass mehrere amerikanische Journalisten, Mitglieder des Council on Foreign Relations, Wikileaks interviewt hatten, darunter Richard Stengel vom Time Magazine (30. November 2010) und Raffi Khatchadurian vom New Yorker. ( WikiLeaks und Julian Paul Assange: The New Yorker , 11. Juni 2007)

    Historisch gesehen hat die New York Times im Rahmen einer langjährigen Beziehung die Interessen der Rockefeller-Familie vertreten. Die Rockefellers wiederum besitzen als Aktionäre mehrerer US-amerikanischer Unternehmensmedien einen wichtigen Anteil.

    Abschließende Bemerkungen 

    Wer sind die Verbrecher?

    Diejenigen, die geheime Regierungsdokumente weitergeben, die unwiderlegbare Beweise für umfangreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit liefern, oder die Politiker in hohen Ämtern, die die Morde und Gräueltaten anordnen.

    Es kommt nicht nur zu einer „Kriminalisierung des Staates“, auch das Justizsystem wird kriminalisiert, um die Legitimität der Kriegsverbrecher in hohen Ämtern aufrechtzuerhalten.

    Und die kommerziellen Medien behaupten durch Auslassungen, Halbwahrheiten und glatte Lügen, dass Krieg ein friedensstiftendes Unterfangen sei.

    siehe unten 

    Globe und Mail 

    Geschäftseingeweihter

    Washington Post

    Und viele mehr…

     

    Die Originalquelle dieses Artikels ist Global Research

    Copyright © Prof. Michel Chossudovsky , Global Research, 2024



    Info: https://www.globalresearch.ca/wiki-gate-julian-assange-was-framed-by-the-people-who-supported-him/5660128


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    Wie werden die in den USA hergestellten ATACMS-Raketen von den ukrainischen Streitkräften eingesetzt?

    seniora.org, 25. Juni 2024, Von Gilbert Doctorow 24.06.2024 - übernommen von gilbertdoctorow.com

    Gestern haben wir in Sewastopol auf der Krim gesehen, wie Kiew die Wunderwaffen [sic!], die taktischen Boden-Boden-Raketen mit einer Reichweite von 300 km, einsetzt, die die Vereinigten Staaten an sie geliefert haben.


    In der vergangenen Woche hat Washington alle Beschränkungen für den Einsatz dieser Waffen durch die Ukrainer aufgehoben, obwohl dies an sich schon eine Desinformation ist, da das Zielen nur mit Hilfe amerikanischer Militärexperten möglich ist, die auf Aufklärungsdaten zurückgreifen, über die die Ukrainer selbst nicht verfügen.

    Der letzte Punkt beruht nicht auf meiner persönlichen Sachkenntnis, die gleich Null ist, sondern auf den Aussagen der Russen im Staatsfernsehen, die, ob sie nun wahr sind oder nicht, von großer Bedeutung für die Entscheidungen sind, die der Kreml jetzt treffen wird, um auf das zu reagieren, was er als "terroristische Akte" anprangert.

    Warum Terrorismus? Weil das Ziel des gestrigen Angriffs auf Sewastopol, dem Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte, nicht eine der vielen möglichen Marineeinrichtungen war. Nein, es war der städtische Strand, an dem sich an einem schönen Sommerwochenende Eltern und Kinder im Freien aufhielten.

    Diese ATACMS waren für den Einsatz von Streubomben konfiguriert und sollten gegen Feldsoldaten in ihren Schützengräben eingesetzt werden. Im vorliegenden Fall feuerten die Ukrainer fünf ATACMS auf Sewastopol ab, von denen vier von der russischen Luftabwehr abgeschossen wurden, während die fünfte, wie beabsichtigt, das System überwältigte und zum Ziel gelangte, wo sie Chaos anrichtete.

    Jüngsten Berichten des Gouverneurs von Sewastopol zufolge wurden mehr als 150 Zivilisten verletzt, einige von ihnen schwer und werden auf der Intensivstation behandelt, während eine Reihe von Erwachsenen und mehrere Kinder ums Leben kamen.

    Nach Ansicht russischer Nachrichtenkommentatoren bestand das Ziel des Angriffs genau darin, die lokale, regionale und nationale Bevölkerung in Russland zu terrorisieren und einen überdimensionalen Racheangriff Russlands auszulösen, der dann von der Welt verurteilt werden kann und uns alle auf die nächste Eskalationsstufe in diesem Krieg führt. Zumindest sollte damit die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von der Zerstörung der ukrainischen Armee auf dem Schlachtfeld abgelenkt werden, wo der kürzlich von den Russen eingeführte tägliche Einsatz von mehreren hundert 300 kg schweren, von "dumb bombs" [nicht lenkbaren Bomben] umgerüsteten manövrierfähigen Gleitbomben jeden Tag das Äquivalent von zwei Brigaden ukrainischer Infanterie getötet hat   – ein Verlust, der zu den verheerenden Verlusten hinzukommt, die sie durch die russische Artillerie erleiden.

    Kurz gesagt, je näher wir der völligen Zerstörung der ukrainischen Streitkräfte kommen, desto verzweifelter versuchen die USA und die Ukraine, die Aufmerksamkeit vom Schlachtfeld abzulenken, indem sie die russische Zivilbevölkerung mit Terror überziehen.


    Was können wir nun von der russischen Seite erwarten?

    Dies war das Hauptthema der gestrigen Ausgabe der Talkshow von Wladimir Solowjow.

    Zunächst wird die ukrainische Stadt Charkow dem Erdboden gleichgemacht. Warum Charkow? Weil die Ukrainer von dieser Stadt und ihrem Umland aus täglich Raketenangriffe auf die Zivilbevölkerung der benachbarten Region Belgorod in der Russischen Föderation starten. Solowjow zufolge sollte dies auf zivilisierte Weise geschehen, indem den Einwohnern der Stadt drei Tage Zeit gegeben wird, die Stadt zu verlassen, bevor die Bomben fallen.

    Aber das ist noch nicht alles. Der in Russland viel beachtete Solowjow fordert, Odessa dem Erdboden gleichzumachen, von wo aus der ATACMS-Angriff auf Sewastopol gestartet worden sein könnte, und auch Kiew, wo die Entscheidungen für den Abschuss getroffen wurden.

    Was die Vergeltung an den amerikanischen Hintermännern des ATACMS-Angriffs angeht, so ist noch nicht bekannt, was die Russen für sie planen, aber Solowjow sprach sicherlich nicht nur für sich selbst, als er sagte, es sei höchste Zeit für Russland, die Global Hawk-Aufklärungsdrohnen abzuschießen, die die USA im Schwarzen Meer fliegen lassen, um die für den Angriff mit den ATACMS-Raketen erforderlichen Informationen zu liefern. Es gab auch eine starke Andeutung, dass der kürzlich unterzeichnete gegenseitige Verteidigungspakt mit Nordkorea aktiviert wird, um asymmetrisch gegen amerikanische militärische Einrichtungen vorzugehen.

    Außerdem wurden die Maßnahmen erörtert, die ergriffen werden sollen, wenn die F-16 früher als erwartet in den ukrainischen Krieg geschickt werden, nämlich bereits in diesem Sommer. Zu den ersten Schritten gehört die Verbunkerung der Flugplätze in Russland, von denen aus die Angriffe auf ukrainische Stellungen gestartet werden. Das bedeutet, dass die geparkten Flugzeuge mit Betonschutzwänden abgedeckt werden. Zweitens geht es um die Vorbereitung der Bombardierung von Flugplätzen außerhalb der Ukraine, die dazu genutzt werden, F-16-Flugzeuge in kürzester Zeit zu einem ukrainischen Flugplatz zu schicken, damit die USA behaupten können, dass die Flüge von innerhalb der Ukraine ausgingen. Die Russen halten Moldawien für den wahrscheinlichsten Luftwaffenstützpunkt für diesen Zweck, da das Land nicht der NATO angehört, aber an die Ukraine grenzt und über befestigte Flugplätze aus der Sowjetära verfügt, auf denen die F-16 unterirdisch gelagert werden können, scheinbar sicher vor russischen Angriffen.

    Ich schließe diesen kurzen Bericht mit einem Lob an Herrn Jake Sullivan für seine gute Arbeit, die Europa einem blutigen Finale einen großen Schritt näher bringt, indem er den ukrainischen Laufburschen die Freiheit gibt, mit amerikanischen Waffen zu tun, was sie wollen.

    Quelle:https://gilbertdoctorow.com/
    Mit freundlicher Genehmigung von Gilbert Doctorow
    Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


    Info: https://seniora.org/index.php?option=com_acymailing&ctrl=url&subid=3998&urlid=5968&mailid=2240


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    Julian Assange ist frei

    nachdenkseiten.de, 25. Juni 2024 um 9:02 Ein Artikel von: Tobias Riegel

    Der Gründer von WikiLeaks, Julian Assange, wurde aus dem Gefängnis entlassen. Aufgrund einer Vereinbarung mit US-Behörden gelte seine Strafe nun als „verbüßt“ und er könne nach Australien zurückkehren. Diese sehr gute Nachricht sollte nicht die schlimme Behandlung vergessen machen, mit der der hochverdiente Publizist und Journalist dafür bestraft wurde, dass er Kriegsverbrechen öffentlich machte. Seine Freiheit ist kein Verdienst deutscher Diplomatie, sondern das Ergebnis des Engagements von Menschen auf der ganzen Welt.


    Julian Assange befindet sich auf freiem Fuß. Wie Medien etwa hier oder hier berichten, hat der Publizist, Journalist und Gründer von WikiLeaks Großbritannien per Flugzeug bereits verlassen:

    In London war Assange laut einer aktuellen Nachricht von WikiLeaks einer 1.901 Tage währenden Gefangenschaft ausgesetzt gewesen, „in einer 2×3-Meter-Zelle, isoliert 23 Stunden am Tag“. Das „Verbrechen“, das mit dieser skandalösen Behandlung bestraft werden sollte: Assange hatte es gewagt, unter anderem Kriegsverbrechen auch westlicher Akteure öffentlich zu machen. Es ist gut, dass die Haft für den hochverdienten und in der Haft schwer erkrankten Assange nun vorbei ist – es sollte aber nie vergessen werden, wie am Beispiel des schlimmen Umgangs mit dem mutigen Mann viele Phrasen von den „westlichen Werten“ als pure Heuchelei offenbart wurden.

    Es sollte auch nicht vergessen werden, dass es kein Verdienst deutscher Diplomatie ist, dass das Martyrium von Assange nun beendet zu sein scheint. Es ist das Ergebnis des Engagements von Menschen auf der ganzen Welt, die sich jahrelang und unnachgiebig für Assanges Freiheit eingesetzt hatten – in dem Zusammenhang muss auch Moritz Müller von den NachDenkSeiten genannt werden.

    Insgesamt war Assange zwölf Jahre eingesperrt: Sieben Jahre lang konnte er sein Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London nicht verlassen, fünf Jahre saß er anschließend im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Der Sonderberichterstatter der UNO hatte die Haftbedingungen von Assange als Folter bezeichnet.


    „Julians Freiheit ist unsere Freiheit“

    Nach übereinstimmenden Meldungen wird Assange nun einen Deal mit den US-Behörden eingehen. Das berichten die Nachrichtenagenturen AP und Reuters unter Berufung auf US-Gerichtsunterlagen. Dabei soll Assange in einem Punkt einen Verstoß gegen US-Spionage-Gesetze einräumen. Die Strafe dafür würde als verbüßt gelten. Der Australier könnte dann in seine Heimat zurückkehren.

    Der britische Guardian erklärt in diesem Artikel, dass Assange Berichten zufolge nun zu einer Anhörung auf der Insel Saipan auf den Nördlichen Marianen reisen würde, wo er am Mittwoch verurteilt werde. Er werde von Australiens Hochkommissar in Großbritannien, Stephen Smith, begleitet.

    Thomas Röper hat in diesem Artikel eine aktuelle Botschaft von WikiLeaks auf X übersetzt:

    Julian Assange ist frei. Am Morgen des 24. Juni verließ er das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, nachdem er dort 1901 Tage verbracht hatte. Der High Court in London gewährte ihm Kaution und er wurde am Nachmittag am Flughafen Stansted freigelassen, wo er ein Flugzeug bestieg und Großbritannien verließ.

    Dies ist das Ergebnis einer globalen Kampagne, die Basisorganisatoren, Aktivisten für Pressefreiheit, Abgeordnete und Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum bis hin zu den Vereinten Nationen umfasste. Das schuf den Raum für eine lange Verhandlungsphase mit dem US-Justizministerium, die zu einem Abkommen führte, das noch nicht offiziell abgeschlossen ist. Wir werden so bald wie möglich weitere Informationen bereitstellen.

    Nach mehr als fünf Jahren in einer 2×3 Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war, wird er bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und ihren Kindern vereint sein, die ihren Vater nur aus dem Gefängnis kennen.

    WikiLeaks veröffentlichte bahnbrechende Geschichten über Regierungskorruption und Menschenrechtsverletzungen und zog die Mächtigen für ihre Taten zur Rechenschaft. Als Chefredakteur musste Julian für diese Prinzipien und für das Recht der Menschen auf Information einen hohen Preis zahlen.

    Bei seiner Rückkehr nach Australien danken wir allen, die uns zur Seite standen, für uns kämpften und sich mit vollem Einsatz für seine Freiheit einsetzten.

    Julians Freiheit ist unsere Freiheit.“

    Titelbild: Katherine Da Silva / Shutterstock


    Rubriken: einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte

    Schlagwörter:


    Info: https://www.nachdenkseiten.de/?p=117180


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    25.06.2024

    Ökonomenszene Das Leben des Maynard K.

    makronom.de, vom 24. Juni 2024, Ökonomenszene, BRANKO MILANOVIC

    Manche mögen John Maynard Keynes als Tausendsassa ohne klaren Kompass bezeichnen. Und tatsächlich zeichnete ihn eine bemerkenswerte Flexibilität aus – allerdings gepaart mit einer ebenso bemerkenswerten Fixierung auf ein Ziel. Ein Beitrag von Branko Milanovic.


    Screenshot_2024_06_25_at_13_24_03_Das_Leben_des_Maynard_K._Keynes_Biografie

    Wikimedia Commons


    Zach Carters Keynes-Biografie Der Preis des Friedens ist keine typische Biografie. Sie beginnt im Sommer 1914, als Keynes 31 Jahre alt war und an der Prävention einer Bankenkrise in England nach dem Attentat von Sarajevo und dem fast sicheren Abgleiten Europas in den Krieg arbeitete. Das Buch endet weit nach Keynes‘ Tod, als es den Aufstieg des Keynesianismus in den Vereinigten Staaten behandelt. Keynes‘ posthumer Ruhm übertraf bei weitem den nicht unbedeutenden Ruhm, den er zu Lebzeiten erlangt hatte. Möglich wurde dies durch die Adaptierung seiner Politik in den USA.

    Dass Carter diese ausgedehnte Perspektive weit über Keynes‘ physisches Ende hinaus wählt, ist durchaus gerechtfertigt. Hätte es die Große Depression und den New Deal nicht gegeben, wäre Keynes‘ Einfluss, selbst unter der Annahme, dass er die General Theory dennoch geschrieben hätte, begrenzt gewesen. Trotz seiner zahlreichen politischen Verbindungen war er in seinem eigenen Land kein großer politischer Prophet. Doch mit dem New Deal und der Politik Roosevelts war ihm der Ruhm sicher.

    Tatsächlich spielte Roosevelt für Keynes die gleiche Rolle wie Lenin für Marx. Ohne die Politiker wären sowohl Marx als auch Keynes nur mäßig bekannte politische Ökonomen, Agitatoren und Pamphletisten gewesen. Doch als sie von den Machthabern aufgegriffen wurden (im Fall von Keynes ging dies bis hin zu Reagan), rechtfertigte ihr Schicksal Keynes‘ eigene Ansicht über den Wert von Ideen, die er gegen Ende der General Theory zum Ausdruck brachte:

    “Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist.”

    Auch wenn Carter es nicht ausspricht, zeigt das Buch die grundlegende philosophische Unvereinbarkeit zwischen Keynes und den Österreichern wie Hayek und Mises auf. Beide spielen in dem Buch fast keine Rolle, aber die Unvereinbarkeit zwischen Keynes und ihnen und später der Mont-Pèlerin-Gesellschaft und den Neoliberalen ist für das Verständnis von Keynes grundlegend.

    Die Unvereinbarkeit beruht auf dem Unterschied in den Wertesystemen. Für Hayek war der wirtschaftliche Mechanismus des Laissez-faire ein Wert an sich. Die Freiheit des Handels, des Einstellens und Entlassens, die Unantastbarkeit des Privateigentums waren Werte als solche und unabhängig von den Ergebnissen, zu denen sie führten. Tatsächlich glaubten Hayek und Mises, dass sie zu höherem Einkommen und damit zu größerer Zufriedenheit führen würden. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall wäre und sie, wie so oft, zu Monopol und Monopolstellung, Depression und Arbeitslosigkeit, politischer Korruption und sozialer Schichtung führten, waren sie dennoch zu verteidigen, weil sie als solche wertvoll waren. Das war Freiheit für Hayek.

    Das Ziel der Ökonomik ist es, über sich selbst hinauszuwachsen

    Aber nicht für Keynes. Für Keynes war die Wirtschaftstätigkeit, ob Freihandel, gelenkter Handel, staatlich gelenkt oder was auch immer, kein Wert an sich. Sie war ein Werkzeug. Die Wirtschaftspolitik und sogar der wirtschaftliche Fortschritt waren lediglich die Werkzeuge, die der Menschheit das Ende des Mangels und den allgemeinen Überfluss bringen sollten. Überfluss war das Ziel, denn nur unter Bedingungen, in denen materielle Güter keine große Rolle mehr spielen, können wir uns den schönen Dingen des Lebens widmen: Romane schreiben, in die Oper gehen, Filme sehen oder Gedichte komponieren.

    Das Ziel der Wirtschaft war es, über sich selbst hinauszuwachsen. Je erfolgreicher die Ökonomik ist, desto weniger brauchen wir sie. Der ultimative Erfolg der Ökonomie als Wissenschaft ist dann gegeben, wenn sie überflüssig wird, wenn die Gesellschaft wie ein gleichmäßiger Zug, der auf einem vorgegebenen Gleis rollt, mühelos Reichtum schafft, ohne dass es jemand merkt. Die Irrelevanz der Ökonomie erlaubt es uns, uns den Dingen zu widmen, die im menschlichen Leben wirklich wichtig sind: Schönheit, Lernen, Kunst und Wissenschaft.

    Das Ziel der Ökonomik ist es also, über sich selbst hinauszuwachsen. Diese Sicht der Welt ist Hayek völlig fremd. Wenn die ökonomische Wissenschaft nur ein Werkzeug ist und dieses Werkzeug dann effizienter ist, wenn es vom Staat eingesetzt wird, dann soll es so sein; wenn die privaten Kapitalisten es besser können, dann soll ihnen das Feld offen stehen. Daraus ergibt sich Keynes‘ bemerkenswerter Mangel an dogmatischem Geist: Die Wirtschaftswissenschaft wird nach ihren Ergebnissen beurteilt, nicht nach ihrer inneren Konsistenz.

    Nur dank seines Leitmotivs – des Überflusses – konnte Keynes mit bemerkenswerter Leichtigkeit zwischen den verschiedenen Positionen wechseln, die er im Laufe seines Lebens vertrat. Er unterstützte Freihandel, Laissez-faire und den Goldstandard, wenn er der Meinung war, dass dies die beste Kombination für ein zivilisiertes Leben war. Aber er befürwortete auch staatliche Investitionen, die Euthanasie des Rentiers und hohe Zölle, wenn er glaube, dass diese Politiken am effizientesten waren. Was Keynes auszeichnete, war eine bemerkenswerte Flexibilität in Bezug auf die Politik und eine ebenso bemerkenswerte Fixierung auf ein Ziel.

    Während die Österreicher dogmatisch waren, war er flexibel, aber seine Flexibilität beruhte nicht auf Unbeständigkeit oder Wankelmütigkeit. Sie beruhte auf der Auffassung, dass die Ökonomik ein Instrument zur Erreichung eines „guten Lebens“ ist.

    In marxistischen Begriffen ausgedrückt war dieses Ziel der „Eintritt“ in das „Reich der Freiheit“. Es besteht eine große Ähnlichkeit zwischen Keynes‘ Beschreibung der Post-Knappheitsgesellschaft in Economic possibilities for our grandchildren aus dem Jahr 1936 und Marx‘ Deutscher Ideologie, die ein Jahrhundert zuvor geschrieben, aber erst 1932 in Moskau veröffentlicht wurde (und Keynes nicht bekannt war). Beide waren der Meinung, dass die wirkliche Freiheit erst dann beginnt, wenn die Plackerei der Arbeitsteilung und die Sklaverei gegenüber dem Mammon aufhören. Keynes sagt:

    „Die emsigen und zielbewussten Geschäftsmänner mögen uns alle mit sich in den Schoß des wirtschaftlichen Überflusses ziehen. Aber es werden nur solche Menschen sein, die am Leben bleiben können und eine höhere Perfektion der Lebenskunst kultivieren, sich nicht für die bloßen Mittel des Lebens verkaufen, die in der Lage sein werden, den Überfluss zu genießen, wenn er kommt.“

    Marx sagt:

    „Wo niemand ein ausschließliches Betätigungsfeld hat, sondern jeder sich in jedem Zweig, den er will, verwirklichen kann, regelt die Gesellschaft die allgemeine Produktion und macht es mir so möglich, heute das eine und morgen das andere zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Vieh zu züchten, nach dem Essen zu kritisieren, wie es mir gerade in den Sinn kommt, ohne je Jäger, Fischer, Hirte oder Kritiker zu werden.“

    Es ist nicht möglich, unsere Sklaverei gegenüber dem Mammon zu beenden, solange wir nicht alle ausreichend reich oder zumindest ausreichend glücklich mit dem sind, was wir haben, so dass wir nur ein Minimum an Zeit arbeiten und den Rest mit viel schöneren und unterhaltsameren Beschäftigungen verbringen können. Keynes‘ eigenes Leben ist ein Beispiel dafür, wie dieses bessere, großartigere Leben aussehen sollte. Er war Kunstkritiker, Beamter, Journalist, Statistiker, Gestalter internationaler Organisationen und deren schärfster Kritiker, Kunstmäzen, akademischer Wirtschaftswissenschaftler, Börsenjournalist, Gesellschaftspolitiker, Essayist und schließlich Autor der General Theory.

    Manche mögen ihn als Tausendsassa bezeichnen. Aber in Wahrheit war Keynes ein Mann der Renaissance, und er war der Meinung, dass die Menschheit erst dann frei sein wird, wenn sich jeder ein Leben leisten kann, das dem entspricht, das er zu leben das Glück hatte.

     

    Zum Autor:

    Branko Milanovic ist Professor an der City University of New York und gilt als einer der weltweit renommiertesten Forscher auf dem Gebiet der Einkommensverteilung. Milanovic war lange Zeit leitender Ökonom in der Forschungsabteilung der Weltbank. Er ist Autor zahlreicher Bücher und von mehr als 40 Studien zum Thema Ungleichheit und Armut. Außerdem betreibt er den Blog Global Inequality, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.


    Info:


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    Seite 138 von 692

    < 1 2 3 4 .. 10 .. 20 .. 30 .. 100 .. 110 .. 120 .. 130 .. 135 136 137 138 139 140 141 .. 150 .. 160 .. 170 .. 200 .. 300 .. 400 .. 500 .. 600 .. 660 .. 670 .. 680 .. 689 690 691 692 >
    Diese Webseite verwendet Cookies. Hier erfahren Sie alles zum Datenschutz ok