aus e-mail vom Versöhnungsbund, C. Ronnefeldt, vom 18. Oktober, 21:44 Uhr
Liebe Friedensinteressierte,
beiliegend sende ich sowohl zum Ukraine-Krieg
als auch zum Nahostkrieg einige ausgewählte Beiträge -
heute mit Schwerpunkt Nahost:
1. n tv: Ukraine-Krieg im Liveticker
2. NZZ: Die Ukraine führt einen Überraschungsangriff aus – mit heimlich gelieferten Raketen der USA
3. NZZ: Die ukrainischen Angriffe auf die Krim zeigen Folgen:
Russland zieht den Grossteil der Kriegsflotte aus Sewastopol ab
4. SZ: Krieg in Nahost: Raketen und Kämpfer lauern in der "Metro"
5. IPPNW: Ärzt*innenorganisation fordert Waffenstillstand und unabhängige Untersuchung
6. SZ: Warten auf den großen Knall
7. SZ: Natalie Amiri über Israel: Die Hamas ist nicht allein
8. Gero von Randow und Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen Gefahr
9. Buchladen / F.A.Z.: Interview mit Lizzie Doron - Die Gewalt muss enden
10. Avraham Burg: Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss
11. Stellungnahme des geschäftsführenden Vorstandes des deutschen Zweiges des
Internationalen Versöhnungsbundes zur aktuellen Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt
12. Zivilcourage: C. Ronnefeldt: Der Gaza-Krieg: Hintergründe jenseits von Kassam-Raketen (2009)
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1. n tv: Ukraine-Krieg im Liveticker
https://www.n-tv.de/politik/19-29-Ukraine-und-Norwegen-vereinbaren-Gespraeche-ueber-Sicherheitsgarantien--article23143824.html
18.10.2023
Ukraine-Krieg im Liveticker
19:29 Ukraine und Norwegen vereinbaren Gespräche über Sicherheitsgarantien
Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj wollen die Ukraine und
Norwegen Verhandlungen über Sicherheitsgarantien starten. Zugleich
dankt Selenskyj der norwegischen Regierung für die Unterstützung der
Ukraine.
"Wir haben vereinbart, Verhandlungen über ein bilaterales Dokument
über Sicherheitsgarantien auf der Grundlage der G7-Erklärung von
Vilnius aufzunehmen", schreibt Selenskyj auf X.
(…)
16:03 Militär trägt Putins Atomkoffer komplett unversteckt
Dass Putins Begleiter bei seinen Reisen einen Atomkoffer mitführen,
der die russischen Nuklearwaffen kontrolliert, ist kein Geheimnis.
Normalerweise aber wird der sogenannte "Tscheget" versteckt. Bei
Putins Besuch in Peking aber ist der Koffer ungewöhnlich offen sichtbar.
(…)
13:32 Wladimir Putin will eine "weniger aggressive Haltung des Westens" ausgemacht haben
Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach eigenen Angaben eine
weniger aggressive Haltung des Westens im Zusammenhang mit der Ukraine
ausgemacht. Er begrüße dies und stimme Erklärungen über die
Notwendigkeit einer Lösung des Konflikts durch Gespräche zu, sagt
Putin nach einem Gespräch Chinas Staatschef Xi Jinping in Peking.
Dazu müsse die Ukraine aber ihr Verbot jeglicher Verhandlungen mit
Moskau aufheben. Kiew fordert vom Kreml den Abzug aller
Invasionstruppen, die seit 2014 in das Land eingefallen sind und es
teilweise besetzt haben. Russland aber versucht in seinem groß
angelegten Angriffskrieg immer weiter Teile des Landes zu erobern.
Er sehe bei westlichen Politikern einen Verzicht auf Aussagen,
Russland eine strategische Niederlage in dem Krieg zufügen zu wollen,
so Putin. "Das ist eine richtige Transformation.“
(…)
00:29 Biden will Kongress um 100 Milliarden Dollar für Israel, Ukraine und Grenze bitten
US-Präsident Joe Biden will den Kongress um 100 Milliarden Dollar für
Israel, die Ukraine, Taiwan und die Sicherung der US-Grenze bitten.
Einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg
bestätigen informierte Kreise der Nachrichtenagentur AFP. Ein solches
Paket im Umfang von umgerechnet rund 95 Milliarden Euro wäre
gewissermaßen ein Kompromiss zwischen Bidens Demokraten und den
oppositionellen Republikanern.
Während die Demokraten auf neue Hilfen für die von Russland
angegriffene Ukraine pochen, was bei den Republikanern auf Widerstand
stößt, fordern die Konservativen mehr Mittel zur Sicherung der
US-Grenze zu Mexiko.
In beiden Parteien gibt es großen Rückhalt für neue Hilfen für das von
der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas attackierte
Israel. Auch hinter der Unterstützung Taiwans, das eine Invasion
Chinas befürchtet, stehen Demokraten und Republikaner.
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2. NZZ: Die Ukraine führt einen Überraschungsangriff aus – mit heimlich gelieferten Raketen der USA
https://www.nzz.ch/international/ukraine-angriff-mit-heimlich-gelieferten-atacms-raketen-der-usa-ld.1761243?utm_source=pocket-newtab-de-de
Die Ukraine führt einen Überraschungsangriff aus –
mit heimlich gelieferten Raketen der USA
Erstmals hat die Ukraine Raketen des Typs Atacms gegen die russischen
Besatzer eingesetzt. Mehr als ein Jahr lang hatte Kiew um diese
Langstreckenwaffen gebettelt – nun wurden sie heimlich geliefert und
zur Zerstörung einer Helikopterbasis genutzt.
Andreas Rüesch 17.10.2023, 17.52 Uhr
Die Ukraine hat frustrierende Wochen hinter sich. Zuerst kam die
Hiobsbotschaft, dass der amerikanische Kongress vorläufig keine
weitere Militärhilfe finanziert. Dann folgte die Terrorattacke der Hamas
mit der Konsequenz, dass sich die Aufmerksamkeit der westlichen
Verbündeten mit einem Schlag von der Ukraine auf den Nahen Osten
verlagerte.
Fast gleichzeitig lancierte Russland überraschend eine Offensive im
Donbass und demonstrierte damit, dass es noch immer Reserven für neue
Angriffe mobilisieren kann. Die grösste Enttäuschung der Ukrainer
besteht jedoch darin, dass ihre eigene Offensive im Süden des Landes
seit rund einem Monat festgefahren ist.
Angeblich neun Helikopter getroffen
Am Dienstag konnte Kiew aber wieder einmal einen grossen Erfolg
melden: Bei einem nächtlichen Angriff auf zwei russische
Militärflugplätze bei den besetzten Städten Berdjansk und Luhansk
seien neun Helikopter, eine Flugabwehreinrichtung und Munitionsdepots
zerstört worden, teilten die Streitkräfte mit.
Die genauen Zahlen lassen sich vorerst nicht überprüfen, aber sie
wirken plausibel, da auch russische Quellen den Grossangriff
bestätigen. Sie sprechen ebenfalls von einer Reihe beschädigter
Helikopter sowie der Explosion eines Munitionslagers. Ein Video aus
Berdjansk, einer am Asowschen Meer in der besetzten Südukraine
gelegenen Stadt, deutet auf ein eigentliches Inferno hin.
Bedeutsam sind aber nicht allein die russischen Verluste, sondern vor
allem die dabei verwendeten Waffen: Wie am Abend der ukrainische
Präsident Wolodimir Selenski in einer Videoansprache bekanntgab, haben
seine Streitkräfte erstmals mit Raketen des Typs Atacms angegriffen.
Dabei handelt es sich um ein amerikanisches System mit grosser
Reichweite, dessen Lieferung viele Militärexperten und Politiker schon
seit letztem Jahr gefordert hatten. Die Regierung Biden sperrte sich
aber bis vor kurzem dagegen. Noch vor einem Monat beim Besuch
Selenskis im Weissen Haus hatte die amerikanische Seite betont, die
Atacms-Raketen seien nicht für eine baldige Lieferung vorgesehen.
Das scheint jedoch eine List gewesen zu sein. In der Zwischenzeit
haben die USA eine unbekannte Zahl dieser Waffen heimlich in die
Ukraine transferiert. Für die Amerikaner ist dies ein ungewöhnliches
Vorgehen, da sie normalerweise ihre Lieferungen lange im Voraus
offiziell ankündigen. In diesem Fall wollte man offenkundig den Gegner
überrumpeln.
Der Einsatz von Atacms zeigt sich an den auf dem Militärflughafen
Berdjansk gefundenen Munitionsresten. Es handelt sich um sogenannte
Bomblets (Streumunition), die nur bei bestimmten Atacms-Typen zum
Einsatz kommen.
(…)
Die Russen dürften sich nun gezwungen sehen, ihre Helikopter und
Flugzeuge zu verteilen, zu verstecken oder weiter weg von der Front zu
stationieren. Das verschafft den Ukrainern einen gewissen Vorteil bei
ihrer Gegenoffensive im Süden, da Moskau bei der Abwehr stark auf
Kampfhelikopter setzt.
Von entscheidender Bedeutung ist es allerdings kaum, zumal unklar
bleibt, wie viele der neuen Waffen die Ukraine erhalten hat. Wirksamer
wären nach Ansicht von Militärexperten die Atacms-Versionen mit
grossem Gefechtskopf und höherer Reichweite sowie Marschflugkörper wie
die deutschen Taurus. Auf diese Waffen wartet die Ukraine aber noch immer.
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3. NZZ: Die ukrainischen Angriffe auf die Krim zeigen Folgen:
Russland zieht den Grossteil der Kriegsflotte aus Sewastopol ab
https://www.nzz.ch/international/ukraine-krieg-russland-zieht-kriegsschiffe-aus-sewastopol-ab-ld.1759483
Die ukrainischen Angriffe auf die Krim zeigen Folgen:
Russland zieht den Grossteil der Kriegsflotte aus Sewastopol ab
Der Hafen ist für die Besetzer zu gefährlich geworden. Das ist ein
Rückschlag für den Kreml, der diesen Stützpunkt stets als Schlüssel
für Russlands Macht in der Region betrachtet hatte.
Andreas Rüesch 05.10.2023, 16.56 Uhr
(…)
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4. SZ: Krieg in Nahost: Raketen und Kämpfer lauern in der "Metro"
https://www.sueddeutsche.de/politik/gazastreifen-hamas-tunnel-palaestinenser-israel-bodenoffensive-1.6288712?reduced=true
Krieg in Nahost: Raketen und Kämpfer lauern in der "Metro"
17. Oktober 2023, 4:11 Uhr
Das riesige Tunnelsystem der Hamas unter dem Gazastreifen funktioniert
als Rückzugsraum und Ausgangspunkt für Angriffe.
Es stellt das wohl größte Problem für Israels Armee dar.
Von Alexandra Föderl-Schmid
(…)
—
In der SZ-Printausgabe vom 18.10.2023 steht dieser Artikel auf Seite 3 unter der
Überschrift: "Sie lauern in der ‚Metro‘“
(…) „Die israelische Armee glaubt sogar zu wissen, wo sich die
Kommandozentrale der Hamas befindet: Unter dem Al-Shifa- Krankenhaus
im Zentrum von Gaza-Stadt. Denn die Hamas kalkuliere damit, die
israelische Armee werde es nicht wagen, ein Krankenhaus anzugreifen,
meinen Militärexperten“. (…)
———
5. IPPNW: Ärzt*innenorganisation fordert Waffenstillstand und unabhängige Untersuchung
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/aerztinnenorganisation-fordert-waffe.html
IPPNW-Pressemitteilung vom 18. Oktober 2023
Ärzt*innenorganisation fordert Waffenstillstand und unabhängige Untersuchung
Angriff auf Krankenhaus in Gaza-Stadt
Mindestens 500 Menschen sind bei dem Angriff auf das christliche
Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza-Stadt laut palästinensischen Quellen
ums Leben gekommen oder verletzt worden.
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert die Bundesregierung
auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen und für
eine unabhängige Untersuchung des Raketenangriffs auf die zivile
Infrastruktur, der gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt.
Die Feuerpause solle auch genutzt werden, um über die Freilassung der
israelischen Geiseln im Gazastreifen zu verhandeln. Die IPPNW fordert
zudem die sofortige Öffnung des Grenzübergangs in Rafah, um
Medikamente, Lebensmittel, Wasser und humanitäre Hilfe nach Gaza zu
bringen und die katastrophale humanitäre Situation vor Ort zu lindern.
„Wir sind schockiert und zutiefst betrübt über die Bombardierung des
Krankenhauses, den Tod zahlreicher unschuldiger Zivilist*innen,
Mediziner*innen und Rettungskräfte.
Wir unterstützen die Forderung des UN-Hochkommissars für
Menschenrechte, Volker Türk, die Verantwortlichen dieses Angriffs zur
Rechenschaft zu ziehen.
Wir appellieren an die Bundesregierung, gegenüber den Konfliktparteien
die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einzufordern. Das Leben
der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und der israelischen Geiseln muss
oberste Priorität haben.
Es gibt keine Rechtfertigung für den Angriff auf Zivilist*innen“,
erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.
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6. SZ: Warten auf den großen Knall
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/westjordanland-gaza-palaestinenser-ramallah-nahostkonflikt-e644452/?reduced=true
Warten auf den großen Knall
Wer durch das palästinensische Westjordanland reist, begegnet Menschen
in Wut, in Trauer und in großer Angst – vor dem israelischen Militär
und davor, dass sich die Spannungen in einer Gewaltexplosion entladen
könnten.
Von Peter Münch, Ramallah/Qusra
17. Oktober 2023
(…)
—
In der SZ- Print-Ausgabe vom 18.10.2023 steht dieser Artikel auf
Seite 2 unter der gleichen Überschrift „Warten auf den großen Knall“:
(…) Seit Kriegsbeginn am 7. Oktober sind bei Auseinandersetzungen mit
der israelischen Armee im Westjordanland schon mehr als 50 Palästinenser
getötet und mehr als 1100 verletzt worden. Die erste Kriegswoche ist auch
dort die blutigste Woche seit zwei Jahrzehnten gewesen - und das in einem
Jahr, das zuvor schon als das gewalttätigste Jahr seit der Zweiten Intifada
der Jahre 2000 bis 2005 gegolten hat. (…)
—————
7. SZ: Natalie Amiri über Israel: Die Hamas ist nicht allein
Vorbemerkung von C. Ronnefeldt:
Der nachfolgende Beitrag von Natalie Amiri beschreibt
in detaillierter Offenheit die vermeintlich positiven Folgen
eines Regimesturzes in Iran.
Dass die Vision eines Regime-Wechsels "zum Guten" das Nachbarland
Irak 2003 und die gesamte Region in ein bis heute nachwirkendes
Chaos gestürzt hat, erwähnt die Autorin nicht.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/nahost-konflikt-hamas-islamische-republik-iran-einfluss-israel-natalie-amiri-1.6289167?reduced=true
Natalie Amiri über Israel: Die Hamas ist nicht allein
17. Oktober 2023, 16:49 Uhr
Der Terror gegen Israel ist international organisiert, unter der Leitung der Islamischen Republik Iran.
Ihr Ziel geht uns alle an.
Gastbeitrag von Natalie Amiri
(…)
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In der Printausgabe der SZ vom 18.10.2023 schreibt Natalie Amiri
unter der gleichen Überschrift "Die Hamas ist nicht allein“ auf S. 9:
Ein Sprecher der Hamas in Teheran hat gerade in der ARD Folgendes
verkündet.: Die islamische Republik und die Hamas hätten ihre
Partnerschaft vertieft, Iran habe seine Unterstützung ausgeweitet.
Ein Sprecher der Hamas in Teheran kündet: Die Islamische Republik und
die Hamas hätten ihre Partnerschaft vertieft, Iran habe seine
Unterstützung ausgeweitet. Er erzählte von Kampfschwimmern, die samt
Ausrüstung kilometerweit schwimmen können, von ausgebauten Tunneln und
weiterentwickelten Kommunikationssystemen.
In solchen Momenten muss ich an die Nachricht einer Frau denken, die
mich während der Proteste in Iran über Instagram erreicht hat. Was
wäre, schrieb die iranische Frau, wenn es die Islamische Republik
nicht mehr gäbe? Was, wenn wir es schaffen, das Regime zu stürzen? Die
Antworten auf ihre Fragen zielen mitten ins Heute.
Dann würden wir in einem Land leben, das befreundet wäre mit Israel.
Dann bräuchte Israel weniger Waffen und Saudi-Arabien auch. Es gäbe
keinen Krieg im Jemen. Irak könnte seine Politik bestimmen.
Die Hisbollah und die Hamas hätten keinen Finanzierer mehr. Russland würde
keine Drohnen und Mittelstreckenraketen mehr geliefert bekommen, die
sie im Krieg gegen die Ukraine einsetzen.
Putin hätte keinen mächtigen Verbündeten mehr in der Region. Assad
hätte einen Unterstützer weniger. Die Gefängnisse, in denen politische
Gefangenen sitzen, wären leer. Man müsste sich nicht mehr fürchten vor
einer Atombombe in den Händen der Mullas.
Es gäbe einen neuen Markt, der offen wäre für einen enormen
Nachholbedarf an Investitionen. Allein für Deutschland 20 Milliarden
Investitionen - pro Jahr.
Und vielleicht wäre eine Frau Präsidentin, die als ersten Amtstakt
nach Yad Vashem ginge. Gute Vorstellung. Die bittere Wahrheit ist:
Statt das Problem in Iran anzugehen, hilft der Westen dem Brandstifter
noch, Holz zu holen“. (…)
——
8. Gero von Randow und Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen Gefahr
In ihrem Buch „Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen
Gefahr“, Hamburg 2006, schreiben die beiden damaligen Journalisten
der Wochenzeitung „Die Zeit“, Gero von Randow und Ulrich Ladurner:
„Der Iran trägt immerzu Trauerflor. Man muss nicht lange suchen, um
Gründe dafür zu finden. Ob in dem Kult um Ali und Hussein, den
ermordeten Propheten der Schiiten, ob in dem Krieg gegen den Aggressor
Irak, ob im Putsch der CIA gegen den Ministerpräsidenten Mossadegh, ob
in den Friedhöfen vor den Toren Teherans, ob in den Machinationen
(lat.: tückische Anschläge, Umtriebe, Ränke, Anm.: C.R.) der
Kolonialmächte, ob in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um die
Atomenergie, ob in der dauernden Gegnerschaft zu den USA.
Wohin auch immer man schaut, überall finden Iraner Beweise für das
Unglück, das durch fremde Hand herbeigeführt wird. Der Iran ist
übersät mit Hunderttausenden Opfern eines fortgesetzten Verrats, der
nicht enden will und nie enden wird, denn er ist eine
existenzbegründende Begleiterscheinung des Iran. Es gibt dieses Land,
solange es Verrat gibt, ohne ihn scheint es nicht existieren zu können.
Oder wie sonst könnte man den tief verankerten Glauben der Iraner
erklären, dass draußen vor den Grenzen immer jemand am Werk ist, um
ihrem Land zu schaden, dass immer jemand das Land hindert, zur
Entfaltung zu kommen? Überall lauern böse Geister, Imperialisten,
Kolonialisten, Ausbeuter.
Der Iran ist Opfer, war Opfer und wird es immer sein. Nie wird er
verstanden sein, nie wird er akzeptiert werden. Darf man so die
Gefühlslage einer Nation zusammenfassen? Darf man auf diese Weise
vereinfachen? Man darf. Denn um Politik zu machen, müssen Einsichten
verdichtet werden“ ( S. 70f).
—————
9. Buchladen / F.A.Z.: Interview mit Lizzie Doron - Die Gewalt muss enden
https://www.buchladen46.de/interview-mit-lizzie-doron/
Interview mit Lizzie Doron
Die Gewalt muss enden
Nichts ist mehr wie zuvor: Die israelische Schriftstellerin Lizzie
Doron spricht über das Grauen dieser Tage – und darüber, was sie sich
von Deutschland wünscht
Frau Doron, Sie leben in Tel Aviv. Wo erreichen wir Sie gerade?
Jetzt bin ich in meinem Haus. Das hat einen Schutzraum, in den wir uns
zurückziehen, wenn der Alarm losgeht. Im Moment schweigen die Sirenen,
aber das kann sich jederzeit wieder ändern.
Geht in Tel Aviv noch irgendetwas seinen gewohnten Gang?
Nein, überhaupt nicht – und das bricht mir das Herz. Wir sind
eingeschlossen, wir haben Angst, wir sind nicht mehr sicher. Freunde
kamen am Morgen, und wir haben gemeinsam geweint.
Ich habe Israel in so vielen Aspekten kritisiert, aber ich war mir
immer sicher, dass es trotz allem eine sichere Heimat für uns Juden
sein kann. Anlässlich dessen, was in den letzten Tagen passiert ist,
fürchte ich, dass ich mich geirrt habe. Ich denke an die Diaspora. Ich
verliere die Hoffnung, dass Israel meine Heimat sein kann. Wir
verlieren unser Land.
(…)
Was erhoffen Sie sich von Deutschland?
Ich wünsche mir, dass wir unterstützt werden. Nicht das Land, sondern
die Menschen, die ihr Zuhause verlieren und aus ihrer Heimat flüchten
müssen. Auf längere Sicht wünsche ich mir, dass die Menschen erkennen,
dass unsere derzeitige Regierung keine legitime ist. Ich will, dass
die Deutschen ihre Stimme erheben. Nicht gegen Israel als Staat,
sondern gegen die Politiker hier: gegen Netanjahu, Smotrich und
Ben-Gvir. Ich unterstütze mein Land, aber bin gegen meine Regierung.
Iran lobt das Vorgehen der Hamas, Erdogan will die Palästinenser um
jeden Preis verteidigen, während die USA weitere Einheiten ins
östliche Mittelmeer verlegen. Befürchten Sie eine Eskalation?
Ich möchte Ihnen eine kurze Anekdote erzählen. Als ich 15 war, kam ich
von der Schule nach Hause. Meine Mutter, eine Holocaust-Überlebende,
stand in der Küche. Sie sah mich an und sagte: “Weißt du was, Lizzie?
Auschwitz war voll mit optimistischen Juden. Es war ein Lager der Optimisten.”
Und ich dachte nur bei mir: Oh, nicht schon wieder, die Frau ist
verrückt! Also bin ich in mein Zimmer gegangen, und meine Mutter kam
hinterher. Sie sagte: “Alle pessimistischen Menschen haben Deutschland
früh genug verlassen. Du solltest dein Leben lang Pessimistin sein.”
Bis vor einigen Tagen hatte ich das völlig vergessen. Und plötzlich
kam es mir wieder in den Sinn: Ich sollte pessimistisch sein. Denn
wenn der Tag da ist, die Koffer zu packen, um dieses Land zu
verlassen, dann will ich ihn nicht verpassen. Israel bewegt sich in
die falsche Richtung.
Nicht erst seit einer Woche, sondern seit 20 Jahren. Ich habe Bücher
darüber geschrieben, über 1973 und über die Notwendigkeit, Frieden zu
schließen mit den Palästinensern. Aber es wurde nicht gehört, und
meine Bücher werden in Israel nicht mehr gedruckt. Also wenn Sie mich
fragen: Wird die Situation eskalieren? Dann sage ich: Das passiert längst.
(…)
Wird es jemals Frieden geben in Israel?
Die Frage sollte lauten: Wird Israel diesen Krieg überstehen? Sicher
ist, dass Israel nicht mehr das gleiche Land sein wird, das es vor dem
Krieg war. Bevor es Frieden geben kann, müssen wir, die Menschen, die
hier leben, einen inneren Kampf um unsere Identität ausfechten.
Wir müssen herausfinden, wer wir sein wollen. Es wird ein harter Kampf
zwischen den liberalen Juden und den Ultraorthodoxen. Aber es muss der
nächste Schritt sein. Erst danach können wir über Frieden mit den
Arabern reden. Aber so weit kann ich im Moment nicht sehen.
Das Gespräch führte Kira Kramer. (…)
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Das Interview erschien am 10.10.2023 in der F.A.Z.:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/krieg-in-israel-warum-netanjahu-das-land-fehlgeleitet-hat-19233453.html
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10. Avraham Burg: Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss
In der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung, 14./15.10.2023 schrieb Sonja Zekri
auf der Meinungsseite (Seite 4) unter der Überschrift „Naher Osten - So verheerend“:
(…) Israels Ex-Premier Naftali Bennett verwahrte sich auf Sky News
ungehalten gegen die Frage nach palästinensischen Opfern, Israel
kämpfe gegen „Nazis“. Die Likud-Abgeordnete Revital Gotliv redete in
sozialen Netzwerken dem Einsatz von Atomwaffen in Gaza das Wort. (…)
———
In seinem Buch „Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom
Holocaust lösen muss“, Frankfurt, 2009, schreibt der ehemalige Berater
von Shimon Peres, Vorsitzende der Jewish Agency und Sprecher der
Knesset, Avraham Burg, Sohn des früheren israelischen Innenministers
Josef Burg, über den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten
Menachem Begin:
„Sein damaliger Kabinettssekretär Arye Naor erklärte, Begin habe sein
Kabinett mit folgenden Worten überzeugt, den Libanonkrieg anzufangen:
`Sie wissen, was ich selbst und was wir alle unternommen haben, um
einen Krieg und Verluste an Leben zu verhindern. Doch in Israel ist
dies nun einmal unser Schicksal. Es gibt keine andere Möglichkeit, als
selbstlos zu kämpfen. Glauben Sie mir, die Alternative ist Treblinka,
und wir haben uns entschieden, dass es kein Treblinka mehr geben wird.´
Zwei Wochen nach Beginn dieses unnötigen Krieges erwiderte der
Schriftsteller Amoz Oz darauf in der Zeitschrift Yediot Aharonot:
`Hitler ist schon tot, Herr Ministerpräsident ... Immer wieder, Herr
Begin, legen Sie vor den Augen der Öffentlichkeit ein merkwürdiges
Bedürfnis an den Tag, Hitler wiederzuerwecken, um ihn dann in der
Gestalt von Terroristen täglich neu zu töten ... Dieses Bedürfnis,
Hitler wiederzubeleben und ihn dann auszulöschen, ist das Ergebnis
einer Melancholie, der von Dichtern Ausdruck verliehen werden kann.
Unter Staatsmännern aber ist sie ein Risiko, das leicht zu einer
tödlichen Gefahr werden kann´“ (S. 72)
(…)
„Wenn wir aufwachen, wird die Geschichte wieder weitergehen. Das Leben
wird zum Leben zurückkehren, und es wird klar werden, dass es
unmöglich ist, sich für immer in den Gräben zu verschanzen, die sich
zwischen den Friedhöfen erstrecken. Jemand wird erklären: `Das war´s.
Es ist vorbei´.
Ein anderer wird erklären: `Wir können Hitler besiegen´. Weil es
möglich ist, müssen wir es tun. Wir müssen das Tal der Tränen, die
Schatten des Todes hinter uns lassen und den Berg der Hoffnung und des
Optimismus erklimmen. Wir werden uns erinnern, aber heil sein. Narben
haben, aber ganz und ausgeglichen sein“ (S. 264).
—-------------
Anmerkung von C. Ronnefeldt:
Es wird sehr viel diplomatisches Können notwendig sein in den
nächsten Wochen und Monaten, die neuen Traumata der israelischen
Gesellschaft und die Wahrnehmungen der iranischen Gesellschaft
sowie die Sicherheitsbedürfnisse beider Staaten so auszutarieren,
dass es nicht zu einem größeren regionalen Krieg kommt.
———————
11. Stellungnahme des geschäftsführenden Vorstandes des deutschen Zweiges des
Internationalen Versöhnungsbundes zur aktuellen Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt
Pressemitteilung
18.10.2023
Stellungnahme des geschäftsführenden Vorstandes des deutschen Zweiges des
Internationalen Versöhnungsbundes zur aktuellen Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt
Der geschäftsführende Vorstand des deutschen Zweiges des
Internationalen Versöhnungsbundes hat sich auf seiner heutigen Sitzung
mit der aktuellen Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt befasst.
Der Versöhnungsbund ist entsetzt über das von der Hamas ausgeführte
Massaker vom 7. Oktober 2023 und die Verschleppung von israelischen
Geiseln. Nichts kann diesen Terror und dieses unfassbare Leid
rechtfertigen. Der Versöhnungsbund ruft die Hamas-Verantwortlichen
auf, alle Raketenangriffe auf Israel umgehend einzustellen und alle
Geiseln freizulassen.
Der Versöhnungsbund ist entsetzt über die massiven Angriffe der
israelischen Regierung im Gazastreifen, die unterschiedslos töten und
zu unfassbarem Leid geführt haben und ruft die israelische Regierung
auf, diese Bombardierungen umgehend einzustellen.
Nach der Bombardierung eines Krankenhauses sowie einer UN-Schule im
Gazastreifen sind internationale Untersuchungen einzuleiten bezüglich
der Verantwortlichkeiten.
Die deutsche Bundesregierung, die in der Vergangenheit bereits
zwischen Hamas und Israel vermittelt hat, fordert unser Verband auf,
alle ihre Kanäle zu nutzen, um die Freilassung der israelischen
Geiseln zu erwirken und eine Ausweitung der Eskalation zu verhindern.
Der Versöhnungsbund ruft die Verantwortlichen im Libanon auf, den
Beschuss Israels einzustellen, ebenso die israelische Regierung, keine
Militäraktionen auf libanesischem Gebiet durchzuführen.
Der Versöhnungsbund fordert die iranische Regierung auf, jegliche
weitere finanzielle und militärische Unterstützung für Hamas und
Hizbollah einzustellen.
Von der US-Regierung fordert der Versöhnungsbund, eine Ausweitung der
Gewalt zu verhindern und unverzüglich Schritte zur Deeskalation durch
diplomatische Maßnahmen einzuleiten.
Um einen Flächenbrand in der Region zu vermeiden, fordert der
Versöhnungsbund den UN-Generalsekretär auf, durch geeignete
Deeskalations-Maßnahmen unverzüglich ein Ende der Gewalt in der Region
anzustreben.
Der Nahost-Konflikt braucht endlich eine dauerhafte Lösung, welche das
Lebensrecht aller zwischen Mittelmeer und Jordan lebenden Menschen achtet.
Seit 1914 ist der Internationale Versöhnungsbund aktiv gegen Unrecht
und Krieg und für Gerechtigkeit und Frieden. Darum unterstützen wir
seit vielen Jahrzehnten Menschen in Israel und Palästina, die sich
gemeinsam für Gerechtigkeit, Frieden und die gleiche Würde aller
Menschen einsetzen.
Wir stehen weiterhin an der Seite derer, die trotz ihrer Trauer und
Verzweiflung auch jetzt die Hoffnung auf eine Zukunft in gegenseitigem
Respekt, Gerechtigkeit und Frieden nicht aufgegeben haben.
Frieden im Nahostkonflikt wird die Frucht der Gerechtigkeit sein.
Minden, den 18.10.2023
———
12. Zivilcourage: C. Ronnefeldt: Der Gaza-Krieg: Hintergründe jenseits von Kassam-Raketen (2009)
Die Redaktion der Zeitschrift „Zivilcourage“, hg. von der Deutschen
Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V., hatte
mich Anfang des Jahres 2009 gebeten, einen längeren Artikel zu
Hintergründen des Gaza-Israel-Krieges 2008/2009 zu schreiben.
Hier das damalige Ergebnis aus dem Jahre 2009:
https://versoehnungsbund.de/sites/default/files/2020-06/cr-gazakrieg.pdf
Als gekürzte Fassung auch unter:
https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/hintergruende-des-gazakrieges
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P.S. Bei meiner Zusendung vom letzten Montag fehlten zwei Zeilen unten auf S. 1;
hier der vollständige Text von Daniel Barenboims Friedensbotschaft:
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Ronnefeldt
Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes
C.Ronnefeldt@t-online.de
www.versoehnungsbund.de
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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.