10.11.2023

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unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

10.11.2023

Krieg in Nahost: Netanjahu: Israels Militär soll Gazastreifen nach Kriegsende kontrollieren

freedert.online, 10 Nov. 2023 19:53 Uhr

Die Bilder und Videos aus dem Grenzgebiet des Gazastreifens und Israel schockieren die Welt. Mit dem Angriff der Hamas auf Israel kam es nun zu einer neuen Eskalation der Gewalt. Die israelische Armee startete am 9. Oktober eine unbarmherzige Militäroperation gegen den Gazastreifen.


Benjamin Netanjahu während einer Rede am 28. Oktober 2023

Quelle: AFP © Abir SULTAN / POOL



  • 10.11.2023 19:48 Uhr


  • 19:48 Uhr

    Netanjahu: Israels Militär soll Gazastreifen nach Kriegsende kontrollieren

    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Pläne angekündigt, wonach Israels Armee nach dem Krieg die Kontrolle über den Gazastreifen haben solle. Die israelische Armee werde "die Kontrolle über den Streifen behalten, wir werden sie nicht internationalen Kräften überlassen", sagte Netanjahu Medienberichten zufolge bei einem Treffen mit Vertretern israelischer Grenzstädte.

    Zuvor hatte Netanjahu in einem Interview mit dem US-Sender Fox noch behauptet, Israel versuche nicht, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. Doch man wolle "ihm und uns eine bessere Zukunft im gesamten Nahen Osten geben. Und dazu muss die Hamas besiegt werden." Er habe keinen Zeitplan festgelegt, "denn es kann längere Zeit in Anspruch nehmen", sagte Netanjahu. Der Gazastreifen müsse "entmilitarisiert, deradikalisiert und wiederaufgebaut" werden.

  • 19:22 Uhr

    Mehr als 100 UN-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet

    Seit Beginn des Gaza-Krieges sind nach Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) bereits mehr als 100 UNRWA-Mitarbeiter getötet worden. Er sei "erschüttert" über die Zahl der getöteten Mitarbeiter, erklärt UNRWA-Chef Philippe Lazzarini auf X (vormals Twitter).

    "Das UNRWA trauert, die Palästinenser trauern, die Israelis trauern", schrieb Lazzarini weiter.

    Um die "Tragödie" zu beenden, sei eine "humanitäre Waffenruhe" erforderlich. Unter den getöteten UNRWA-Kollegen seien "Eltern, Lehrer, Krankenpfleger, Ärzte, Hilfskräfte". UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte auf X, die Nachricht mache ihn zutiefst traurig. Die getöteten UN-Mitarbeiter seien "Flammen der Hoffnung und der Menschlichkeit" gewesen.

  • 18:34 Uhr

    Krankenhausdirektor: 50 Tote nach Beschuss von Schule

    In das Al-Shifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza sind nach Angaben seines Direktors "nach dem Beschuss einer Schule etwa 50 Tote" gebracht worden. Die Al-Burak-Schule sei mit "Raketen und Artilleriefeuer" angegriffen worden, sagt Mohammed Abu Salmija. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die Angaben zunächst nicht verifizieren. Das Medienbüro der palästinensischen Regierung im Gazastreifen erklärte seinerseits, dass Israel "viele Panzer in etwa 200 Meter Entfernung von der Al-Burak-Schule positioniert" habe. Zudem seien in dem Stadtviertel Al-Nasr, in dem die Schule liegt, vier Krankenhäuser eingekreist worden.

  • 16:39 Uhr

    Netanjahu lehnt Option der Stationierung einer internationalen Truppe in Gaza ab

    Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat erklärt, dass die israelischen Streitkräfte auch nach dem Krieg die Kontrolle über den Gazastreifen behalten werden. Diese Äußerung dürfte in der internationalen Gemeinschaft für Aufsehen sorgen, nachdem Netanjahu zuvor gegenüber Fox News erklärt hatte, dass Israel den Gazastreifen weder besetzen noch regieren wolle.

    Anfang dieser Woche hatte Netanjahu gegenüber ABC News erklärt, dass Israel nach dem Ende des Krieges gegen die Hamas "auf unbestimmte Zeit" die "Gesamtverantwortung für die Sicherheit" im Gazastreifen übernehmen werde.

    Die jüngsten Äußerungen erfolgten bei einem Treffen mit den Bürgermeistern der Grenzstädte des Gazastreifens – dem ersten Gruppentreffen, das Netanjahu seit dem Beginn des Krieges mit ihnen abhielt. Dafür war er Anfang der Woche in die Kritik geraten, als er sich zunächst mit einer Gruppe von Bürgermeistern der Siedlungen traf.

    "Die IDF-Kräfte werden die Kontrolle über den Gazastreifen behalten, wir werden ihn nicht an internationale Kräfte abgeben", sagte Netanjahu den Bürgermeistern des Südens laut einer Mitteilung seines Sprechers.

    US-Beamte hatten in den vergangenen Wochen die Idee geäußert, dass eine Art internationale Truppe, möglicherweise mit Truppen von benachbarten arabischen Verbündeten, für eine Übergangszeit die Sicherheit im Gazastreifen gewährleisten könnte, bis dieser an eine funktionierende palästinensische Regierung zurückgegeben werden kann. Washington präferiert für diese Funktion die Palästinensische Autonomiebehörde.

  • 14:51 Uhr

    US-Diplomaten warnen Biden: USA verlieren die Unterstützung der Araber für eine Generation

    Die US-Botschaft in Oman hat in dieser Woche ein diplomatisches Telegramm an das Weiße Haus geschickt, in dem sie davor warnt, dass Präsident Bidens unerschütterliche Unterstützung für die ethnische Säuberung der Palästinenser in Gaza "uns die arabische Öffentlichkeit für eine Generation kosten wird".

    "Wir verlieren auf dem Schlachtfeld der Nachrichtenübermittlung", heißt es laut CNN in dem von dem zweithöchsten US-Beamten in der Hauptstadt Muscat verfassten Brief. Es fügte hinzu, dass die Unterstützung der USA für Israels Aktionen "als materielle und moralische Schuld an dem, was [Araber] als mögliche Kriegsverbrechen betrachten", angesehen wird.

    Das Telegramm wurde an den Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses, die CIA und das FBI gesandt.

    In der gesamten arabischen Welt wächst die Wut auf die USA wegen ihrer Rolle bei der Bewaffnung, der Finanzierung und dem Schutz Israels seit Beginn des Krieges im Gazastreifen im vergangenen Monat. US-Botschaften in der gesamten Region sind zu Zielen wütender Demonstranten geworden, während US-Stützpunkte im Irak und in Syrien in den vergangenen drei Wochen Dutzende Male bombardiert wurden.

    In dieser Woche musste die US-Botschafterin im Libanon, Dorothy Shea, einen geplanten Besuch in Dar al-Fatwa absagen, wo sie mit dem Großmufti der Republik, Scheich Abdul Latif Derian, zusammentreffen wollte, da ihre Anwesenheit auf große Empörung stieß.

    Ebenso wurde US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Besuch in mehreren westasiatischen Ländern Anfang des Monats kalt empfangen, während Diplomaten den hochrangigen US-Beamten auf die Notwendigkeit hinwiesen, den Völkermord im Gazastreifen zu beenden.

  • 14:34 Uhr

    Saudischer Kronprinz verurteilt erneut israelische Angriffe auf Gaza und Zwangsumsiedlung der Palästinenser

    Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman verurteilt die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen und die Zwangsvertreibung der Palästinenser in diesem Gebiet.

    "Wir verurteilen die Verletzung des Völkerrechts durch die israelischen Besatzungsbehörden im Gazastreifen", sagte der Kronprinz in seiner Eröffnungsrede auf dem saudisch-afrikanischen Gipfel.

    Das Treffen, mit dem die strategischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Königreich und den afrikanischen Ländern gestärkt werden sollen, wurde am Freitag in Riad eröffnet.

    Bezüglich der Beziehungen zwischen dem Königreich und den afrikanischen Ländern wies Bin Salman darauf hin, dass Saudi-Arabien mehr als 45 Milliarden Dollar zur Unterstützung von Entwicklungs- und humanitären Projekten in 54 afrikanischen Ländern bereitgestellt hat.

  • 13:41 Uhr

    Hamas feuert Raketen auf Tel Aviv ab, zwei Verletzte
    Aus dem Gazastreifen wurde zum ersten Mal seit Dienstagabend ein Raketenhagel auf das Gebiet von Tel Aviv abgefeuert. Die Hamas bestätigte den Angriff auf ihrem Telegramm-Kanal und bekannte sich zu den Angriffen. Nach Angaben eines israelischen Rettungsdienstes wurden zwei Menschen verletzt.

    Am Himmel über der Stadt sind mehrere Abfangmanöver von Iron Dome zu sehen. Warnsirenen ertönen in Tel Aviv, Ramat Gan, Bnei Brak, Holon, Aschdod, Ganot, Rischon LeZion, Petach Tikwa, Ra'anana Herzliya und den umliegenden Gemeinden.

  • 13:15 Uhr

    Erdogan wirft Israel Expansionismus vor

    Der türkische Präsident hat Israel angesichts des Kriegs gegen die palästinensische Hamas-Organisation in Gaza Expansionismus vorgeworfen. Tel Aviv versuche, "einen Staat aufzubauen, den es erst seit 75 Jahren gibt und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus fraglich geworden ist", sagte er am Freitag auf einer Gedenkveranstaltung zum Todestag des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk in Ankara.

    Angesichts der andauernden Bombardierungen des Gazastreifens durch Israels Militär sprach Erdogan von "Faschismus".

    Israel habe sich "mit Gewalt das Land angeeignet, in dem das palästinensische Volk seit Tausenden von Jahren lebte", unterstrich Erdogan. Der türkische Präsident warf Israel zudem vor, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Anschließend fügte er hinzu, Israel habe die "Illusion eines gelobten Landes". Dies sei aber "Wunschdenken". 

  • 11:50 Uhr

    Kinderkrankenhäuser in Gaza nach brutalen Luftangriffen von israelischen Panzern umzingelt

    Israelische Panzer belagern die pädiatrischen Krankenhäuser Al-Rantisi und Al-Nasr im Gazastreifen nach einer Nacht heftiger Luftangriffe, in der israelische Jets mehrere Gesundheitseinrichtungen in der belagerten Küstenenklave wahllos getroffen haben.

    Nach Angaben von Beamten in den Kinderkrankenhäusern sind noch Hunderte von Zivilisten in den Gebäuden eingeschlossen, da die Panzer verschiedene Bereiche der Gebäude beschossen haben.

    Da die Krankenhäuser Al-Rantisi und Al-Nasr außer Betrieb sind, können rund 3.000 Kinder keine Behandlung und Dialyse erhalten. Die beiden Kinderkrankenhäuser wurden in der Nacht zum Donnerstag von israelischen Luftangriffen getroffen.

    Dutzende von Menschen wurden in der Nacht getötet, nachdem israelische Jets mehrere Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen angegriffen hatten, darunter das indonesische Krankenhaus und die Krankenhäuser Al-Aqwdah und Al-Shifa.

  • 10:52 Uhr

    Iran droht erneut Israel: Ausweitung des Kriegsausmaßes ist nun "unvermeidlich"

    Irans Außenminister Hussein Amir-Abdollahian hat mit seinen bisher schärfsten Worten im Gaza-Krieg vor einer Eskalation des Konflikts gewarnt. "Wegen der massiven Ausweitung des Kriegs gegen die zivilen Bewohner Gazas ist die Ausweitung des Kriegsausmaßes nun unvermeidlich", sagte er am Donnerstag laut einer Mitteilung des Außenministeriums. Zuvor hatte sich Amir-Abdollahian mit seinem katarischen Kollegen Mohammed bin Abdulrahman Al Thani per Telefon ausgetauscht.

    "Aufgrund der zunehmenden Intensität des Krieges gegen die Zivilbevölkerung des Gazastreifens ist eine Ausweitung des Krieges unvermeidlich geworden", zitiert der iranische Fernsehsender Press TV Amir-Abdollahian.

    Der Iran und seine Stellvertreter im Libanon, Jemen, Syrien und Irak drohen seit Beginn des Israel-Krieges gegen Gaza mit einem regionalen Konflikt.

    Die USA haben zwei Flugzeugträgergruppen und ein atomgetriebenes U-Boot in die Region entsandt, um Teheran abzuschrecken. Katar, das enge Beziehungen zur Hamas unterhält, hat sich um einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln bemüht.

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Info: https://freedert.online/international/182960-updates-zur-gaza-israel-eskalation


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10.11.2023

Das Unrechtsregime – wie der Westen das Völkerrecht zur Makulatur machte

Patrick Gruban, cropped and downsampled by Pine, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons


neulandrebellen.de10. November 2023 Gert-Ewen Ungar 3 Kommentare , , , , , , , , gesellschaft politik


In einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates am 8. November, die von der russischen Delegation eingefordert wurde, ging es um den Beschuss von Donezk durch das Kiewer Regime. Kiew nutzt Terror als Mittel, indem es zivile Infrastruktur bombardiert. Uhrzeit und Ort des Beschusses lassen zudem den Schluss zu, dass Kiew darauf abzielte, eine möglichst große Zahl an Zivilisten zu töten und zu verletzen. Das Kiewer Regime hat am 7. November um 16:25 das Arbeits- und Sozialamt in Donezk angegriffen, zu einer Zeit, zu der das Amt gut besucht ist. Zwei Stunden nach dem ersten Angriff wurde der Ort noch einmal bombardiert, offenkundig in der Absicht, die inzwischen eingetroffenen Hilfskräfte – Feuerwehr, Bergungs- und Rettungskräfte – zu töten.

Nun hat man in den deutschen Medien weder vom Beschuss des Sozialrathauses in Donezk, noch von der von Russland eingeforderten Sitzung des UN-Sicherheitsrates etwas gelesen. Die Information wird verschwiegen, wie viele andere, ähnliche Informationen über die Verbrechen des Kiewer Regimes auch. Mit dem Verschweigen von Unrecht stellt sich der deutsche Mainstream ebenfalls ins Unrecht.

Medial nicht verschweigen lassen sich die israelischen Angriffe auf Gaza. Sie erschüttern die Welt. Die israelische Armee geht mit äußerster Brutalität vor. Zivilisten werden kaum geschont. Das Elend nimmt mit jeder Stunde zu. Die Zahl der zivilen Opfer im Nahostkonflikt übersteigt nach gerade einem Monat Kampfhandlungen bereits die Zahl der zivilen Opfer im zwanzig Monate andauernden Ukraine-Krieg. Deutsche Medien relativieren das Morden und erklären ihren Lesern spitzfindig und mit deutscher Bauernschläue, ab wann man politisch korrekt von Genozid sprechen darf und wann nicht.

Deutsche Staatsraison steht über Menschenleben und Völkerrecht

Die Weltgemeinschaft außerhalb der deutschen Medienbubble ist entsetzt über die israelische Gewalt, zahlreiche Länder außerhalb des kollektiven Westens haben inzwischen aus Protest die diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen. Die UN-Generalversammlung hat die Gewalt verurteilt und die Parteien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufgerufen. 120 Länder haben dem zugestimmt, Deutschland hat sich wie viele andere westliche Länder enthalten, andere westliche Vertreter haben mit „Nein“ gestimmt. In Deutschland gíbt es eine Diskussion darüber, warum Deutschland nicht auch mit “Nein” gestimmt hat. Es wäre moralisch geboten gewesen, wird argumentiert. Die deutsche Staatsraison steht über Menschenleben. Sie steht anscheinend auch über internationalem Recht.

Beide Vorgänge zeigen, die UN wird nicht mehr gehört, sie hat als Institution ihre Autorität verloren. Der Westen instrumentalisiert das Völkerrecht, legt es für seine Zwecke und gegen seinen Sinn aus oder ignoriert es einfach völlig. Es wird dadurch seines rechtlichen Charakters entkleidet und zur Makulatur. Dem kollektiven Westen gilt eben nicht, „gleiches Recht für alle“ als gesetztes Prinzip, sondern “Recht ist das, was wir dazu erklären”. Die westliche, sogenannte „regelbasierte Ordnung“ steht damit für Willkür und Ungerechtigkeit. Die nach dem 2. Weltkrieg etablierte Ordnung wurde zum Unrechtsregime und zum Joch für die Welt. Die Welt außerhalb des kollektiven Westens will sie daher beenden, besser gestern als heute. Ersetzen soll die westliche Unrechtsherrschaft eine Ordnung der demokratischen internationalen Beziehungen.

Agonie des Westens

Nun mag man einwenden, dass es Verstöße gegen das Völkerrecht immer gegeben hat. Das ist richtig. Irak, Libyen, Syrien – all das waren Brüche unter vielen anderen. Aber dass der kollektive Westen, angeführt von den USA in immer kürzerer Abfolge und in immer größerem Umfang gegen die Ordnung verstößt, die er eigentlich gemeinsam mit den Ländern der Welt schützen sollte, ist eine neue Qualität.

Neu ist auch, wie unverfroren er dabei vorgeht. Neu ist zudem die deutsche Position zu all den offenen Verstößen gegen internationales Recht. Deutsche Politik deckt sowohl die Verbrechen Israels als auch die der Ukraine. Deutsche Medien legitimieren und relativieren grausamste Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, wenn sie sich nicht ganz verschweigen lassen. Mit der Verkürzung der Losung „nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ auf „nie wieder“ gelingt der Bundesregierung ein dreistes Propaganda-Stück, denn sie verkehrt die ursprüngliche Bedeutung in ihr Gegenteil. Sie legitimiert damit Krieg, relativiert den Massenmord eines rechten Regimes und begründet damit die Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Mit dem Sturz ins Unrecht der bestehenden Ordnung wandelt sich auch Deutschland zu einem immer repressiveren Regime, das immer größere Teile der Gesellschaft von der politischen Teilhabe nicht nur ausschließt, sondern den eigenen Bürgern schlicht den Mund verbietet – per Strafrecht.

Der Westen ist in seinem finalen, totalitären Stadium angekommen. Es ist zu hoffen, dass sich der Wandel zu einer neuen, demokratischen Weltordnung durch all die ausgelösten eruptiven Prozesse schnell gestaltet und der Westen als Hegemon abgelöst wird. Es ist deshalb zu hoffen, weil er die Absicht zeigt, sich an seine Macht zu klammern und unter Inkaufnahme hoher Verluste zu verteidigen. Seine Agonie jedenfalls wird mit jedem Tag blutiger und im innern wird er mit jedem Tag autoritärer. Gesetzt ist das aber nicht. Das vom Westen legitimierte Töten und seine unmenschliche Grausamkeit kann sich noch lange hinziehen, bis er schließlich als das in die Geschichtsbücher eingeht, was er war: Ein Regime globaler Ungleichheit und Ungerechtigkeit, das sich nicht wiederholen darf.



Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.


Info: https://www.neulandrebellen.de/2023/11/das-unrechtsregime-wie-der-westen-das-voelkerrecht-zur-makulatur-machte


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10.11.2023

Zur herrschenden Unvernunft  Staatsräson

unsere-zeit.de, , Categories Positionen,


Die Bevölkerung Deutschlands widersetzt sich zunehmend staatlich verordnetem Denken und Gebot. Da bedarf es kräftiger Zurechtweisung. Vom Präsidenten, vom Kriegskanzler. Und vom ganzen Hofstaat und seinen Trompetern. Spätestens nach dem 7. Oktober, der, so auch der UN-Generalsekretär António Guterres, nicht aus dem „Vakuum“ kam. Also wird „Staatsräson“ gepredigt und gefordert. „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, posaunt Scholz. Die Sicherheit der Palästinenser, seit Jahrzehnten unter israelischer Repression leidend, ist kein Thema. War es für die alte Bundesrepublik nie. Sie stand zu keiner Zeit auf der Seite der Unterdrückten. Weder in Südafrika oder in Chile und auch nicht im Nahen Osten. Und das nach Weltmacht strebende Großdeutschland schon gar nicht. Völkerfrieden war in der Bundesrepublik nie Staatsräson. Im Gegensatz zum anderen Deutschland. In der DDR war Solidarität mit dem gerechten Kampf der PLO, der palästinensischen Befreiungsbewegung, selbstverständlich. Friedensnobelpreisträger Jassir Arafat stand über viele Jahre als Symbol ­dafür.

Diese Parteinahme der Deutschen Demokratischen Republik für die Menschlichkeit richtete sich nicht gegen Juden, gegen das Volk Israels. Nein, die unmenschlichen Verbrechen mit 6 Millionen ermordeten Juden begründeten hier besondere Verantwortung für die Überlebenden. Das ist an vielen Beispielen belegbar. Aber sie waren keine Rechtfertigung für Verbrechen des israelischen Regimes an den Palästinensern. Ebensolche historische Verantwortung sah die DDR gegenüber den Völkern der Sowjetunion mit 27 Millionen Opfern. Darin begründet sich auch das Verständnis vieler für die Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation heute.

Es ist aber nicht nur verleugnete historische Verantwortung des imperialistischen Deutschlands, es ist auch die Wahrheit, die auf der Strecke bleibt. Deutsche Politiker sprechen von Demokratien in Israel und in der Ukraine, die es angeblich zu verteidigen gilt. Das Israel Netanjahus hat mit Demokratie nichts zu tun. Und das Regime der Ukraine, in der ein Faschist Bandera Nationalheld ist, kann für sich „Demokratie“ schon gar nicht in Anspruch nehmen.

Für die „nationale Sicherheit“ der USA sei es von entscheidender Bedeutung, dass Israel in seinem Krieg gegen die Hamas und die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland Erfolg haben, gibt Joseph Biden vor. „Wir können nicht zulassen, dass Terroristen wie die Hamas und Tyrannen wie Putin gewinnen“, so der US-Präsident.

Die Haltung Deutschlands zu internationalen Konflikten entspricht grundsätzlich dieser Vorgabe. Eben Kriegs-Bündnistreue. Innenpolitisch legt Deutschland nach. Mit restriktiven Maßnahmen gegen Andersdenkende. Mit Verboten, Disziplinierung und Strafen. Mit einer Atmosphäre der Einschüchterung und Denunziation. Mit Meinungsdiktatur statt Meinungsfreiheit. Deutschland muss „kriegstüchtig“ werden, verkündet der Kriegsminister. Wer gegen diese Politik ist, macht sich verdächtig, wer gegen Israels Rassismus ist, wird als Antisemit diffamiert.

Räson bedeutet Vernunft. Was für ein Irrsinn. Die Macht habende Unvernunft ruft zur Staatsvernunft auf.
Das Gebot der Stunde ist ein sofortiges bedingungsloses Schweigen der Waffen. Verhandlungen über Sicherheit und gleiche Rechte aller im Nahen Osten wie auch in Europa – sich dafür einzusetzen, wäre deutsche Staatsvernunft.
Es wird Zeit, dass das Volk die Unvernünftigen, die Kriege führen und unterstützen, zur Räson bringt, zur Staatsräson zwingt.

Categories Positionen

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Info: https://www.unsere-zeit.de/staatsraeson-2-4785390


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10.11.2023

Zum 100. Jahrestag des Hitlerputsches setzt die Ampel die Stahlhelme auf   Befreiungsschlag nach rechts

unsere-zeit.de, , Categories Politik


Vizekanzler Habeck fordert einen Freibrief für Israel. Alles andere sei Antisemitismus. (Foto: Montecruz Foto / CC BY-SA 3.0 DEED / Bearb. UZ)


Auf den Straßen der Welt gibt es einen hunderttausendfachen Aufschrei der Empörung über den Völkermord, den die israelische Regierung mit Unterstützung der USA und in Europa vor allem Deutschlands in Gaza verübt. In Düsseldorf, Essen, Berlin und anderswo trotzen zehntausende vor allem junge Menschen den Versuchen, die Flagge Palästinas, das Tragen von Palästina-Tüchern und jegliche kritische Äußerung zu Israels Apartheidpolitik gesellschaftlich zu ächten oder sogar unter Strafe zu stellen.

Am 9. Mai wurde das Zeigen der Fahne der Sowjetunion, der Fahne der Befreiung Europas vom Faschismus, in Berlin mit polizeilicher Gewalt unterbunden. Jetzt wird der Krieg um Gaza zum Anlass genommen, die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht nicht nur durch mediales Dauerfeuer, sondern durch Verbote noch mehr einzuschnüren. Die juristische Verfolgung von Meinungen erreicht einen neuen Höhepunkt – mit dazu beigetragen haben die Gesetzesverschärfungen der letzten Monate.

Das Ampel-Kabinett heizt die kriegerische Atmosphäre im Land an: Bundeskriegsminister Boris Pistorius (SPD) fordert mehr Kriegsbereitschaft. Der Ukraine wird zugesichert, dass der Strom von Waffen nicht abreißen werde. Sowohl die Bundeswehr als auch die Bundespolizei haben ihre Elitetruppen in den Nahen Osten beordert – ausdrücklich nicht nur zur „Geiselbefreiung“, sondern, in den Worten des Ministers: „Sowohl die GSG 9 als auch das KSK können grundsätzlich mehr als das.“

Das alles geschieht vor dem Hintergrund zunehmender innenpolitischer Spannungen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung wies letzte Woche auf die „wachsende Ungleichheit“ in der Republik hin. Seit Ende der 1990er Jahre – also mit ein wenig Verzögerung nach der Konterrevolution in der DDR – hätten sich die Einkommen immer stärker auseinanderentwickelt. Rund die Hälfte der dauerhaft in die Armut Gestoßenen hätten ihr „Vertrauen in den Bundestag“ verloren. Die vor allem bei Nahrungsmitteln, Mieten und Heizkosten weiter an den spärlichen Einkommen nagende Inflation vertieft diese Kluft und den Frust.

Den am 9. November 1923 noch dilettantisch vorgetragenen Putsch Adolf Hitlers nutzten die Herrschenden, um das Krisenjahr 1923 zu überwinden. Die linkssozialdemokratischen Landesregierungen von Sachsen und Thüringen waren zerschlagen, der Aufstand der Hamburger Arbeiter liquidiert. Es folgten der Abbau demokratischer und sozialer Rechte, die Aushöhlung der Weimarer Republik im Interesse des Monopolkapitals. Kurze Zeit später, 1925, wurde Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt. Er übergab 1933 die Regierung an den gescheiterten Putschisten Adolf Hitler.

Knapp 100 Jahre später veröffentlicht Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ein viel gelobtes Video. Mit staatstragendem Blick liest Habeck im schwarzen Anzug die neue deutsche Staatsräson vor. Er erteilt der reaktionären israelischen Regierung nicht nur einen Freibrief für die Auslöschung der Palästinenser. Jeglicher Kritik daran drückt er das Stigma „Antisemitismus“ auf. Habeck stellt fest, der Zweite Weltkrieg sei „ein Vernichtungskrieg gegen Juden, für das Naziregime war die Vernichtung des europäischen Judentums das Hauptziel“. Die Reduzierung des deutschen Faschismus auf den Holocaust relativiert die Welteroberungsabsichten und die Vernichtung von 27 Millionen Sowjetbürgern. Auch für Habeck zählt nur, die Kriegsbereitschaft zu erhöhen.

Es naht der Moment, wo sich die Mitglieder der Ampel kamerawirksam bei Sitzungsbeginn Stahlhelme aufsetzen, um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren.

Die politisch durch den Sanktionskrieg gegen Russland und die Aufrüstung beschleunigte Massenverarmung in Deutschland und der aus dem politischen Zentrum heraus forcierte Abbau demokratischer Rechte unterspült immer spürbarer die Grundlagen dieser Republik. Immer dringender wird die Stärkung klassen- und geschichtsbewusster politischer Kräfte, die den Widerstand gegen diesen Wahnsinn organisieren.

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Info: https://www.unsere-zeit.de/befreiungsschlag-nach-rechts-4785467


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

10.11.2023

Beiträge von Andreas Zumach


Liebe Friedensinteressierte,


beiliegend drei Beiträge von Andreas Zumach:



1. YouTube: Andreas Zumach – Wege zu einer gerechten Weltordnung?


2. SWR: Gespräch: Anwalt für Völkerrecht und Menschenrechte – Der Journalist Andreas Zumach


3. Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen Herrn Antonio Guterres


——



1. Andreas Zumach – Wege zu einer gerechten Weltordnung?



https://www.youtube.com/watch?v=-dTjt-YJLZM



————


2. SWR: Gespräch: Anwalt für Völkerrecht und Menschenrechte – Der Journalist Andreas Zumach


Stand 6.11.2023



https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/anwalt-fuer-voelkerrecht-und-menschenrechte-der-journalist-andreas-zumach-swr2-tandem-2023-11-07-100.html


----



3. Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen Herrn Antonio Guterres


Andreas Zumach hat mich gebeten, einen Brief

an den Generalsekretär der UNO weiter zu verbreiten,

was ich hiermit gerne tue:


Brief an Secretary General Antonio Guterres


An seine Exzellenz
den Generalsekretär der Vereinten Nationen
Herrn Antonio Guterres
UN-Headquarters
405 East 42nd Street
New York, N.Y. 10017, USA


Ein Vorschlag für eine von UN-Truppen bewachte Schutzzone für
Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Gazastreifen


Sehr geehrter Herr Generalsekretär Guterres,
dieser Brief erreicht Sie aus Berlin. Von einem Kreis von Menschen,
die tief beunruhigt und besorgt sind über die Situation in Israel und
Palästina, und die sich seit Jahrzehnten für die Werte und Normen
engagieren, die in der UN-Charta und in der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte als universell gültig festgeschrieben wurden.
Ihre Rede vor dem UN-Sicherheitsrat im Oktober 2023 zum
Gewaltkonflikt zwischen der Hamas und Israel unterstützen wir
uneingeschränkt. Wir solidarisieren uns mit Ihrer Haltung in dieser
Krise. Die Kritik an Ihrer Rede und die gegen Sie erhobenen
Rücktrittsforderungen halten wir für unberechtigt. Die Kritiker haben
Ihre Äußerungen falsch und unvollständig zitiert und aus dem
Zusammenhang gerissen.
Oberste Priorität der internationalen Staatengemeinschaft sollte es
jetzt sein, das Leben und die körperliche Unversehrtheit möglichst
vieler Menschen zu bewahren.Sowohl in Israel wie auch im Gaza-
Streifen und in der Westbank.
Ihr dringender Aufruf für einen humanitären Waffenstillstand und für
die Freilassung der über 200 israelischen Geiseln ist bislang bei allen
Beteiligten auf taube Ohren gestoßen. Die Hamas setzt nach ihrem
entsetzlichen Massaker vom 7.Oktober 23 ihren Raketenbeschuss
gegen israelisches Territorium fort. Die israelische Regierung hat Ihre
2
Aufforderung zu einem Waffenstillstand bisher kategorisch
zurückgewiesen. Auch die Aufforderung der EU zu humanitären
Pausen/Unterbrechungen bei israelischen Luft-und
Bodenkriegseinsätzen wurde abgelehnt. Eine Zustimmung der
israelischen Regierung zu ausreichenden Lieferungen von Treibstoff,
Nahrungsmitteln, Medikamenten und weiteren
überlebensnotwendigen Gütern in den Gaza-Streifen ist nicht in Sicht.
Die Regierung scheint entschlossen, ihre Kriegseinsätze fortzusetzen.
Ihr Ziel: die Ausschaltung aller Waffensysteme und Infrastruktur der
Hamas und der Vernichtung ihrer Kämpfer. Bei einer solchen
Kriegsführung und angesichts der dichten Besiedlung des
Gazastreifens - insbesondere von Gaza-Stadt - ist die von Ihnen zu
Recht immer wieder angemahnte Einhaltung des humanitären
Völkerrechts überhaupt nicht möglich.
Israels Krieg gegen die Hamas kann noch viele Wochen dauern.
Zehntausende Zivilisten im Gazastreifen können dabei ihr Leben
verlieren oder verwundet werden. Dieses worst case Szenario würde
zu einer weiteren Radikalisierung führen. Zu noch mehr Hass und
noch mehr Gewaltbereitschaft gegen Israel und gegen Juden.
Nicht nur im Gazastreifen, sondern auch im besetzen Westjordanland
wie wohl auch in den arabischen Staaten.
Die ägyptische Regierung ist trotz Ihrer beharrlichen Bemühungen
weiterhin nicht bereit, einer Evakuierung der an Leib und Leben
bedrohten BewohnerInnen des Gazastreifens auf ägyptisches
Territorium zuzustimmen. Wohl aus Sorge, es könnte ein dauerhaftes
Flüchtlingslager mit bis zu zwei Millionen PalästinenserInnen
entstehen. Und aus Sorge, aus diesem Lager könnten sich Mitglieder
der Hamas oder anderer islamistischen Gruppierungen auf das
Territorium Ägyptens begeben.
In dieser für die Zivilbevölkerung des Gazastreifens
lebensbedrohlichen und aussichtslosen Lage bitten wir Sie dringend,
die Initiative für die Schaffung einer temporären UNO-Schutzzone für
diese Menschen auf ägyptischem Territorium südlich des
3
Gazastreifens zu ergreifen. Diese Zone sollte durch einen Beschluss
des UNO-Sicherheitsrates und mit Zustimmung der ägyptischen
Regierung geschaffen und nach außen und nach innen durch eine
Blauhelmtruppe der UNO gesichert werden. Der ungehinderte
Zugang humanitärer Organisationen der UNO zur Versorgung der
Menschen in der Schutzzone muss gesichert sein. Die UNO sollte eine
Vereinbarung mit der israelischen Regierung anstreben, wonach die in
diese Schutzzone evakuierten Menschen nach Abschluss der
Kriegseinsätze des israelischen Militärs wieder in den Gazastreifen
zurückkehren dürfen.
Eine Schutzzone auf ägyptischen Boden für die bedrohten Menschen
im Gaza-Streifen wird möglicherweise als Fortsetzung der
historischen Vertreibung von Palästinensern aus ihrer Heimat
angesehen, aber was Zivilisten im Augenblick im Gazastreifen
erleiden: Tod und Zerstörung müssen ein Ende finden.
Diesem Ziel alleine dient unser Vorschlag für eine Schutzzone.
Wir erlauben uns, diesen Vorschlag auch an die deutsche
Bundesregierung weiterzuleiten. Mit der Bitte um Unterstützung.
Almuth Berger, Berlin
Heino Falcke, Erfurt
Joachim Garstecki, Magdeburg
Heiko Lietz, Schwerin
Hans Misselwitz
Konrad Raiser
Gerhard Rein

Andreas Zumach, 


Berlin

Am 2.November 2023





Mit freundlichen Grüßen


Clemens Ronnefeldt

Referent für Friedensfragen beim deutschen

Zweig des internationalen Versöhnungsbundes


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

10.11.2023

Spielchen mit den Wörtern „Waffenstillstand“ und „Pausen“ geraten ins Schlingern!!!

aus e-mail von Irene Eckert, 10. November 2023, 18:07 Uhr


In Anlehnung an die frühere Hypothese des großen Dichters Percy B. Shelley

scheint es als würden die Menschen in Momenten großer Krisen plötzlich mit

dem konfrontiert, was wirklich wichtig ist, und können ihre alten

Identitäten im Handumdrehen ablegen. Ähnliches könnte man über

UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagen, der nicht gerne etwas riskiert

und sich von einem höheren Prinzip leiten lässt, der aber am Mittwoch eine

offensichtliche und tiefgreifende Aussage machte. In Bezug auf die

scheinbare Gleichgültigkeit Israels bei der notwendigen Unterscheidung

zwischen palästinensischen Kindern und Hamas-Kämpfern sagte er: „Wenn wir

diese Unterscheidung nicht treffen, wird die Menschheit selbst ihre

Bedeutung verlieren.“ Das ist in der Tat genau die Herausforderung, vor der

die Welt jetzt steht. Auch wenn sich nicht jeder Teilnehmer an den

weltweiten Demonstrationen dieser Herausforderung bewusst ist, so ist dies

doch die herausragende unausgesprochene Frage, die denjenigen, die sie zu

ignorieren versuchen, einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. Es werden

alle möglichen *Spielchen mit den Wörtern „Waffenstillstand“ und „Pausen“*

gespielt, was tatsächlich letztlich nur eine versuchte Vertuschung des

rassistischen Glaubens darstellt, dass palästinensische Leben entbehrlich

seien, auch wenn das nur wenige zugeben werden. Dennoch gibt es bereits

Risse. Belgien hat sich von dieser verlogenen Scharade losgesagt und erwägt

nun, Sanktionen gegen israelische „Extremisten“ zu verhängen, die in

Palästina Verbrechen verüben. *In Frankreich ist sogar Präsident Macron

davon betroffen und forderte am Donnerstag einen sofortigen

Waffenstillstand. *Werden die europäischen Nationen endlich aus ihrer

Knechtschaft des sterbenden und kriegslüsternen transatlantischen Systems

ausbrechen? Dieser Prozess muss weiter beschleunigt werden. *Die

zunehmenden Forderungen nach einem Waffenstillstand und einer dauerhaften

Lösung dieser Krise müssen durch den einzigartigen Beitrag der

Internationalen Friedenskoalition verstärkt werden.* Die grundlegende

Herausforderung des Friedens ist nicht die Einstellung der Kämpfe, sondern

die positive Absicht, etwas Gutes zu schaffen – etwas Menschliches. Nur

eine Lösung, die auf diese Weise begründet wird – zum Nutzen von

Palästinensern und Israelis – wird funktionieren, alle gegenteiligen

Überlegungen dagegen nicht

 E.I.R. DAILY ALERT

https://www.dailyalert.de/?mailpoet_router&endpoint=view_in_brow... 1 von

13 10.11.2023, 15:12 Page of


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

10.11.2023

IALANA Broschüre „Richter-Blockade 1987 in Mutlangen“

aus e-mail von Marion Küpker, 10, November 2023, 16:21 Uhr



Sehr geehrte Damen und Herren,


Liebe Freundinnen und Freunde der IALANA,


bitte finden Sie in folgendem Link die Broschüre „Richter-Blockade 1987

in Mutlangen“:


https://www.ialana.info/wp-content/uploads/2023/11/Richterblockade_lv.pdf


Sie soll einen Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Friedensbewegung

leisten und Mut machen für aktuelle Herausforderungen.


Nach einer jahrelangen Vorgeschichte richterlichen Protestes gegen die

Stationierung von atomaren Pershing II-Raketen und Cruise Missiles

blockierten am 12.01.1987 zwanzig Richterinnen, Richter auf der Fahrbahn

sitzend zwei Stunden die Zufahrt zum Raketenstandort in Mutlangen.


Es folgten ein medialer Shitstorm, politische Diffamierungen sowie

Straf- und Disziplinarverfahren. Erst als 504 Richter:innen und

Staatsanwält:innen in einer Zeitungsanzeige Respekt vor dem Verhalten

der „Blockierer“ bekundeten, rückte das Thema der Stationierung von

atomaren Mittelsstreckenraketen in Deutschland in den Vordergrund.


Die Broschüre zeigt die Entstehung dieses zivilen Widerstandes der

JustizjuristInnen, den Ablauf der Aktion, ihre Folgen sowie die

obergerichtliche Rechtsprechung zu derartigen Blockade-Aktionen.


*Eine Druckversion der Broschüre kann über das IALANA Büro bestellt

werden: info [at] ialana . de*


Mit freundlichen Grüßen,


für den Vorstand der IALANA,


Bernd Hahnfeld


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

10.11.2023

Interview Ex-Botschafter Israels: "Dann gibt es nur noch den Ausweg Apartheid"

augsburger-allgemeine.de, vom 27.11.2019, Von



Avi Primor kritisiert seit vielen Jahren die Politik seiner Regierung in den besetzten Gebieten.
Foto: Till Hofmann (Archiv)

Exklusiv Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, spricht über die langfristigen Folgen eines ungebremsten Siedlungsbaus im Westjordanland.

Herr Primor, im Mai 2015 habe ich mit Ihnen in Augsburg ein Gespräch geführt. Damals sorgten Sie sich um eine Entfremdung zwischen Israel und Deutschland. Wie sehen Sie das Verhältnis heute?

Avi Primor: Ich fühle mich in meiner Sorge bestätigt. Allerdings hat sich die Entfremdung langsamer entwickelt, als ich geglaubt habe. Das liegt daran, dass Deutschland heute andere Sorgen hat – das gilt übrigens für ganz Europa. Das Interesse am Nahen Osten ist geringer geworden. Paris oder Berlin sind keine wichtigen Spieler mehr in dem Konflikt. Das wiederum liegt nicht zuletzt an den Schwierigkeiten mit dem US-Präsidenten.


Hat sich der Blick der Deutschen auf Israel verändert?


Primor: Wenn ich mir die Meinungsumfragen in Deutschland anschaue, dann verlieren wir seit Jahren viel Sympathie wegen der Situation im Nahen Osten. Und zwar nicht, weil die Deutschen anti-israelisch geworden sind, sondern wegen der Besatzung des Westjordanlandes, wegen der Verstöße gegen die Menschenrechte dort und wegen der blockierten Friedensgespräche.


In Deutschland wird seit Jahren ein Anstieg antisemitischer Gewalttaten registriert. Trauriger Höhepunkt war der Anschlag in Halle. Wie ist die Reaktion in Israel darauf?


Primor: In Israel kümmert man sich derzeit fast ausschließlich um eigene Probleme. Die meisten Israelis glauben nicht, dass Deutschland antisemitisch wird. Viele bei uns gehen davon aus, dass Antisemitismus dort meistens von Ausländern ausgeht – auch wenn die Berichte, die uns erreichen, etwas anderes aussagen. Die neue Rechte und neonazistische Tendenzen werden zwar registriert, aber nicht als ein großes Problem in der deutschen Bevölkerung gesehen.


In Ihrer Heimat gibt es ein schier endloses politisches Patt. Kann ein wegen Korruption angeklagter Premierminister das Land überhaupt aus der Krise führen?


Primor: In Wirklichkeit sind die Verdachtsmomente gegen Benjamin Netanjahu viel gravierender, als öffentlich bekannt ist. Der Staatsanwalt, der eigentlich als Mann Netanjahus galt, hat das Verfahren immerhin vorangetrieben. Die Anklagepunkte sind aber nicht so schwerwiegend, wie der Regierungschef befürchten musste. Dennoch, es geht dabei ganz klar um Korruption. Das ist natürlich mit dem Posten eines Premierministers nicht vereinbar.


Das scheint Netanjahu nicht zu stören.

 

Primor: Für ihn ist entscheidend, dass er, so lange er Premierminister ist – anders als die einfachen Minister – Immunität besitzt und nicht vor Gericht gestellt werden kann.


Sie glauben also, dass er alles tun wird, um im Amt zu bleiben?


Primor: Er ist zweimal damit gescheitert, eine Regierung zu bilden. Seit der letzten Wahl ist Netanjahu nicht mehr Chef der größten Partei. Das blau-weiße Bündnis von Benny Gantz hat einen Sitz mehr in der Knesset. Aber auch Gantz konnte keine Regierungsmehrheit organisieren. Bliebe die Möglichkeit einer Großen Koalition zwischen Likud und Blau-Weiß mit einem Wechsel auf dem Posten des Regierungschefs nach zwei Jahren. Allerdings hat Gantz die Bedingung gestellt, dass er die ersten beiden Jahre amtiert. Dann allerdings würde Netanjahu für zwei Jahre seine Immunität verlieren. Er müsste vor Gericht.


Und nun?


Primor: In wenigen Tagen endet die Frist zur Regierungsbildung. Ich halte Neuwahlen im März für wahrscheinlich. Bis danach eine Regierung steht, hätte Netanjahu mindestens sechs Monate Ruhe vor einer Strafverfolgung. Das ist gut für ihn, aber schlecht für seine Likudpartei. Analysten gehen davon aus, dass viele Wähler sie für Neuwahlen verantwortlich machen würden.


Tatsächlich regt sich im Likud Widerstand. Netanjahus innerparteiliche Konkurrent Gideon Saar hat die Machtfrage in der Partei gestellt. Hat er eine Chance?


Primor: Das glaube ich nicht. Netanjahu hat sich in den letzten Jahren eine stabile Machtposition in der Partei aufgebaut. Außerdem hat der Likud noch nie seinen Vorsitzenden entmachtet.


Was bedeutet die Blockade für Israel?


Primor: Eine echte Katastrophe. Die Bevölkerung ist tief gespalten. Die Anhänger von Netanjahu und dem Likud glauben an den Premierminister wie an einen Propheten. Ob er etwas richtig oder falsch gemacht hat, ob er Verbrechen begangen hat – er ist der König, er hat alle Rechte. Das hat religiöse Züge. Aber so denken seine Stammwähler.


Was muss geschehen, damit die Politik wieder effektiver wird?


Primor: Es gibt Überlegungen, das Wahlrecht zu ändern. Da wird auf die Systeme in Deutschland oder Frankreich geschaut. Leider bedarf es meist einer existenziellen nationalen Krise, bis solche Reformen kommen. Doch ich hoffe, dass es in Israel auch ohne eine solche Notlage passiert, weil wirklich jeder in der Bevölkerung – wie man in Deutschland sagt – "die Schnauze derartig voll hat" von diesem Wahlsystem.


Sie kritisieren den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland schon seit vielen Jahren. Jetzt hat Washington erklärt, dass es diese Praxis nicht mehr für völkerrechtswidrig hält. Welche Folgen erwarten Sie?


Primor: Das hat überhaupt keine Bedeutung für die verfahrene Lage. Es ist nur für die israelische Innenpolitik relevant, wenn es zu Neuwahlen kommt: Denn es ist Ausdruck einer bedingungslosen Unterstützung des US-Präsidenten für die Politik von Netanjahu. Und das kommt dem Premierminister zugute, da in Israel fast alle davon überzeugt sind, dass das Land vollständig von den USA abhängig ist.


Die Situation ist völlig verfahren. Wie kann es weitergehen?


Primor: Die israelische Regierung macht sich keine großen Sorgen. Warum? Weil unsere arabischen Nachbarn ganz andere Probleme haben. Wir haben Ruhe, weil sie sich derzeit nicht um Israel oder die besetzten Gebiete kümmern. Wir haben zwar ein großes Problem mit Teheran. Ich glaube aber nicht, dass der Iran – auch wenn das Land extremistische Gruppen mit Waffen unterstützen – Interesse an einem direkten Angriff auf Israel hat.


Sie sind weltweit unterwegs, um für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu werben. Am Donnerstagabend sprechen Sie um 19 Uhr im Augsburger Zeughaus bei einer Veranstaltung der Volkshochschule und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über das Thema. Befällt Sie angesichts der Rückschritte nicht Resignation?


Primor: Resignation ist das richtige Wort. Ich glaube, dass das rechte Lager – also der Likud und viele kleinere, zum Teil extreme Parteien – in Israel eine strukturelle Mehrheit hat. Eine Mehrheit wiederum unter denen, die rechts wählen, ist gegen eine Annexion der besetzten Gebiete. Gleichzeitig sagen sie, dass eine Übereinkunft nicht möglich sei, weil die Palästinenser Krieg wollen und zu gefährlich sind. Das ist ein echter Quatsch, weil die Palästinenser so viel schwächer sind als Israel. Aber eine Mehrheit glaubt das.


Aber ist eine Räumung der Gebiete angesichts des ungebremsten Siedlungsbaus nicht längst unmöglich?


Primor: Wenn wir Ostjerusalem und die besetzten Gebiete zusammenzählen, dann wohnen dort bereits 500.000 Juden. Ihnen stehen rund 2,5 Millionen Araber gegenüber. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird Israel irgendwann annektieren müssen. Dort gibt es seit über 50 Jahren eine militärische Besatzung, das kann man nicht ewig so weiterführen. Das wünschen sich ja viele im rechtsextremistischen Lager in Israel. Doch dann hätten wir zusammen zu den 2,5 Millionen Arabern, die jetzt schon in Israel leben, weitere 2,5 Millionen. Angesichts der Geburtenrate in den besetzten Gebieten stellen die Araber dann in absehbarer Zeit die Mehrheit. Dann können wir den Staat Israel im Parlament in Jerusalem abschaffen.


Das würden doch die rechten Parteien kaum zulassen.


Primor: Dann gibt es nur noch den Ausweg Apartheid mit weniger Rechten für einen Teil der Bevölkerung. Um das zu verhindern, bräuchte man eine Regierung, die den Mut zu einem Gebietsaustausch im Westjordanland entlang der Grenze zu Israel hat. Dazu wären die Palästinenser bereit. Es geht um zwei bis fünf Prozent des Gebietes, in denen sehr viele Siedler leben. Die Siedlungen im Innern des Westjordanlandes müssten geräumt werden. Das beträfe rund 140.000 Siedler. Das wäre heute technisch noch machbar. Ich sehe allerdings nicht den politischen Willen dazu. Aber ich zitiere – mit einem Lächeln – Staatsgründer Ben Gurion: "Wer an Wunder nicht glaubt, ist kein Realist."


Zur Person: Avi Primor, 84, wurde 1935 in Tel Aviv geboren. Von 1993 bis 1999 war er israelischer Botschafter in Deutschland. Primor ist heute als weltweit renommierter Publizist, Buchautor und Wissenschaftler tätig. Er lebt in Tel Aviv.


Info: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Interview-Ex-Botschafter-Israels-Dann-gibt-es-nur-noch-den-Ausweg-Apartheid-id56070241.html


unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




Weiteres:      




Apartheid (Recht) (wiki I von II)


de.wikipedia.org, abgerufen am 10. November 2023, 11:00 Uhr

Apartheid ist ein im Völkerrecht definiertes Verbrechen gegen die Menschlichkeit (englisch crime of apartheid). Die Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid (Anti-Apartheidkonvention, abgekürzt AAK) vom 30. November 1973 definiert es in Artikel II als „unmenschliche Handlungen, die zu dem Zweck begangen werden, die Herrschaft einer rassischen Gruppe über eine andere rassische Gruppe zu errichten und aufrechtzuerhalten und diese systematisch zu unterdrücken“. Dies schließe „die Politik und Praxis der Rassentrennung und -diskriminierung, wie sie im südlichen Afrika betrieben werden“, mit ein.

Die Konvention richtete sich primär gegen das damals noch bestehende Apartheid-System in Südafrika und Südrhodesien, sollte auch gleichartige Verbrechen ächten und die Unterzeichnerstaaten zur Strafverfolgung der Betreiber verpflichten. Nach dem Ende der Apartheid Südafrikas in den Jahren 1990 bis 1994 nahm das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 das Apartheidverbrechen in das Völkerstrafrecht auf. Bisher hat jedoch kein nationales oder internationales Gericht eine Person oder Gruppe dieses Verbrechens angeklagt und verurteilt.

Inhaltsverzeichnis


Entstehung der Anti-Apartheidkonvention

Die AAK entstand aus dem jahrzehntelangen Kampf der UNO gegen die rassistische Unterdrückungspolitik der Buren gegenüber dunkelhäutigen, vor allem einheimischen schwarzen Bevölkerungsgruppen in Südafrika. Seit 1944 nannte Premierminister Daniel François Malan das von seiner Regierung dann eingeführte System der Rassentrennung auf Afrikaans apartheid („Getrenntheit“).[1] Die UN-Generalversammlung verurteilte dieses System von 1952 bis 1990 jedes Jahr als Widerspruch zu den Artikeln 55 und 56 der UN-Charta. Auch der UN-Sicherheitsrat verurteilte Südafrikas Apartheid seit 1960 regelmäßig.[2]

1965 beschloss die UN-Generalversammlung ein Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (englisch abgekürzt ICERD), das 1969 in Kraft trat. Dieses definiert Apartheid als „Regierungspolitik, die mit rassischer Überlegenheit oder Hass begründet ist“. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, „rassische Segregation und Apartheid zu verurteilen und alle Praktiken dieser Art in Gebieten unter ihrer Gesetzgebung zu verhüten, zu verbieten und zu beseitigen.“[3] Die Konvention definierte Apartheid nur vage und erwähnte Südafrika nicht, richtete sich aber eindeutig gegen das dortige System und Rassentrennung anderswo. Schon 1962 hatte die UN-Resolution 1761 Sanktionen gegen Südafrika verlangt, und die UNO hatte ein „Spezialkomitee zur Apartheidpolitik der Regierung Südafrikas“ eingerichtet. Bei einer UN-Tagung über Apartheid im August/September 1966 wurde der Begriff auch auf Südwestafrika, Rhodesien, die damaligen afrikanischen Kolonien Portugals (Angola, Kap Verde, Guinea-Bissau, Mosambik, São Tomé und Príncipe) sowie auf Basutoland, Betschuanaland und Swaziland bezogen.[4]

Die ICERD entstand aus der Debatte um die Definition von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in der UNO. Die Sowjetunion wollte diese von ihrer Begrenzung auf Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg lösen und Rassentheorien international strafbar machen. Dies war Bestandteil ihrer Strategie im Kalten Krieg, mit Mitteln des Völkerrechts ihre Zusammenarbeit mit Staaten Afrikas zu verstärken. Der Ostblock und Staaten des Südens wollten auch „Verbrechen gegen den Frieden“ und „Kolonialismus“ in die Definition aufnehmen. Diskutiert wurde, ob die ICERD auch spezifische Formen von Rassismus wie Nazismus, Antisemitismus und Apartheid erwähnen sollte. Staaten Afrikas wollten „unmenschliche Handlungen, die sich aus der Politik der Apartheid ergeben“, in die ICERD aufnehmen. Der Mehrheitskonsens war, darin nur die Ausdrücke „Apartheid“ und „rassische Segregation“ zu nennen.[5]

Die UN-Resolution 2202/A vom 16. Dezember 1966 nannte Apartheid erstmals ein „schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Darum führte die „Konvention über die Nichtanwendbarkeit von Verjährungsfristen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ von 1968 unter letzteren auch Apartheid auf. Jedoch schrieb sie keine individuelle Haftung dafür fest.[6]

Daher beauftragte die UN-Generalversammlung ein Komitee damit, eine Konvention gegen Apartheid zu formulieren. Die meisten Komiteemitglieder sahen darin ein nur gegen Südafrika anzuwendendes Mittel. Für andere erfasste der Textentwurf auch Rassendiskriminierung in anderen Staaten.[2] Der Entwurf stammte von der Sowjetunion und Guinea.[7] Er definierte Apartheid bewusst weit, um auch westliche Staaten dieses Verbrechens anklagen zu können. Er wurde von den westlichen Staaten damals abgelehnt, aber von den Ostblockstaaten und den blockfreien Staaten inklusive der arabischen und afrikanischen Staaten gemeinsam durchgesetzt.[8] Im Ergebnis definierte der Entwurf Apartheid nicht nur als Bruch der UN-Charta durch Mitgliedsstaaten, sondern als Verbrechen durch „rassische Personengruppen“. Am 30. November 1973 nahm die UN-Generalversammlung die Konvention mit 91 Ja-Stimmen gegen vier Nein-Stimmen (Großbritannien, Portugal, Südafrika, USA) und 26 Enthaltungen an. Am 18. Juli 1976 trat die Konvention in Kraft. 1984 übernahm der Sicherheitsrat ihre Definition.[2]


Aufnahme in das Völkerstrafrecht

Die AAK umfasst nach Artikel II rassistisch begründete Morde; Folter; unmenschliche Behandlung und willkürliche Verhaftung von Mitgliedern einer rassischen Gruppe; aufgezwungene Lebensumstände, die ihre physische Vernichtung beabsichtigen; Gesetze, die die Gruppe politisch, sozial, ökonomisch und kulturell benachteiligen; Trennen der Bevölkerung entlang rassischen Linien, etwa durch separate Wohnbereiche; das Verbot von interrassischen Ehen; die Verfolgung von Gegnern der Apartheid. Nach Artikel III sollen Einzelne, Mitglieder von Organisationen und Vertreter von Staaten, die Apartheid verüben, dazu aufrufen oder sich dazu verabreden, international strafverfolgt werden. Nach Artikel IV und V dürfen Staaten auch Apartheidverbrechen strafverfolgen, die Nichtstaatsbürger außerhalb ihres Gebiets begangen haben.

Weil Artikel V ausdrücklich ein internationales Straftribunal für die in der Konvention aufgeführten Verbrechen verlangte, verfasste der Völkerrechtsexperte Cherif Bassiouni im Auftrag der UNO dazu 1980 eine ausführliche Studie. Diese war zugleich der erste Entwurf für den späteren Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).[9] Bassiounis Empfehlungen wurden jedoch erst 1998 umgesetzt.[10] Bis dahin blieb es den Staaten überlassen, Gesetze zur Strafverfolgung des Apartheidverbrechens zu erlassen. Vor und nach dem Ende der Apartheid in Südafrika 1990 wurde dort niemand dafür angeklagt, weil deren Betreiber und Gegner den Übergang zu einer demokratischen Regierung miteinander friedlich aushandelten. Die 1994 eingerichtete Wahrheits- und Versöhnungskommission überwachte die Amnestiegarantie für die Täter der Apartheidverbrechen. Darum trat Südafrika der AAK weiterhin nicht bei, ebenso wenig die meisten westlichen Staaten.

Andere Völkerrechtsverträge kodifizieren Apartheid als internationales Verbrechen. So bezeichnet das Zusatzprotokoll I von 1977 zu den Genfer Konventionen von 1949 Apartheid ohne geografische Begrenzung als „schweren Bruch“ dieses Protokolls. Die Völkerrechtskommission nannte Apartheid 1991 in ihrer ersten Lesung des Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind ohne Bezug zu Südafrika. 1996 nahm die Kommission „institutionalisierte rassische Diskriminierung“ in ihren Code-Entwurf für Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf. Eine Fußnote dazu erläuterte, das sei faktisch eine allgemeinere Bezeichnung des Apartheidverbrechens.

Die UN-Konferenz zur Einrichtung des IStGH 1998 nahm Apartheid zunächst nicht in das Römische Statut auf. Viele ihrer spezifischen Merkmale waren mit Abs. 1 des Statuts abgedeckt, die fast wörtlich aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 übernommen wurde. Südafrikas Delegation bestand jedoch darauf, Apartheid zu ergänzen.[11] Einige Delegationen fanden dies überflüssig, da jede systematische Apartheidpolitik ohnehin unter das Verbot rassisch begründeter Verfolgung fiele. Andere meinten, da Apartheid unter „ähnliche unmenschliche Taten“ im Statut falle, könne man sie ebenso gut explizit nennen. Konsens war zuletzt, dass Apartheid nach Art und Schwere mit anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichrangig sei und ein eigenes Verbot verdiene.[12] Das Römische Statut zählt Apartheid daher zu den strafbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Abs. 7,1) und definiert es (Abs. 7,2) als „unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten.“[13]

Am 17. Juli 1998 nahm die UN-Generalversammlung das Statut an; nur sieben Staaten (Volksrepublik China, Irak, Israel, Jemen, Katar, Libyen, USA) lehnten es ab. Nach ausreichender Ratifizierung trat das Statut am 11. April 2002 in Kraft.[14] Am 4. Dezember 2000 stimmte der Deutsche Bundestag dem Statut per Gesetz zu.[15] Argentinien, Deutschland, Italien, Kanada, die Niederlande, Neuseeland, die Schweiz, Spanien und Südafrika haben Apartheid als Kriegsverbrechen in ihr Militärstrafrecht aufgenommen. Australien, Großbritannien, Kanada, die Republik Kongo, Mali und Neuseeland haben Apartheid per Gesetz strafbar gemacht. Burundi, Trinidad und Tobago haben Gesetzesentwürfe dazu beschlossen.[16]

Das Völkerstrafgesetzbuch ordnet das Apartheidverbrechen (§ 7, Abs. 5) nicht als selbstständigen Tatbestand, sondern nähere Qualifikation der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein, hier des „Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung“.[17] Weil das Tatbestandsmerkmal „unmenschliche Handlungen ähnlicher Art“ im Römischen Statut dem Bestimmtheitsgrundsatz widersprach, wurde es nicht in das VStGB aufgenommen.[18] Nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB ist das Apartheidverbrechen individuell zurechenbar, unabhängig davon, wo es begangen wurde. Danach macht sich eine Person strafbar, die „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung“ eine „identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt“.[19]


Tatbestandsmerkmale

Das Römische Statut definiert „unmenschliche Taten“ der Apartheid in Abs. 7,2 (h) nur durch den Verweis „vom gleichen Charakter wie die in Abs. 7,1 genannten Taten“. Gemeint sind Taten eines bestimmten Schweregrads, die außergewöhnliche Leiden und Verletzung bewirken, wie in Art. II der AAK.[20] Der Verweis öffnet die Definition für gleichartige wie die in Abs. 7,1 genannten Verbrechen.[21] Praktisch decken sich viele Merkmale von Apartheidverbrechen mit denen anderer unmenschlicher Taten, die laut Abs. 7,1 (k) absichtlich großes Leiden oder ernste Verletzung von Körper, Geist oder Psyche bewirken. Sie können auch unter die in Abs. 7, 1 (h) definierten Verfolgungsverbrechen fallen, sofern sie eine diskriminierende Absicht enthalten, etwa gegen eine rassische Gruppe.[22] Daher kann Apartheid leicht unter irgendeine andere der in Abs. 7,1 genannten Taten subsumiert werden. Somit bestreiten manche, dass das Statut Apartheid überhaupt als eigenes unterscheidbares Verbrechen definiert.[23] Damit fehlt ihrer Definition die nach dem Gesetzlichkeitsprinzip notwendige präzise Besonderheit. Einige Völkerrechtler begrüßen den Verweis auf Abs. 7,1 als ausreichend und sehen die lange und vage Tatenliste in Art. II der AAK als bloße Illustration oder Interpretationshilfe für den IStGH. Der bloße Verweis solle das Überschreiten bestehender Gesetze vermeiden und biete daher nur eine knappe Anerkennung des Apartheidverbrechens.[24] Andere sehen Art. II der AAK als inhaltliche Näherbestimmung für „unmenschliche Taten vom gleichen Charakter“.[25]

Der Ausdruck „institutionalisiertes Regime“, übernommen aus dem Code-Entwurf von 1996, bildet den wichtigsten Unterschied des Römischen Statuts zur AAK. Danach liegt Apartheid vor, wenn ein Plan oder eine Politik dazu institutionalisiert wurde.[24] Ob eine gesetzliche (de jure) oder nur faktische (de facto) Diskriminierung gemeint ist, bleibt offen. „Regime“ verstand Christopher Keith Hall nicht nur als Regierungsform, sondern als organisierte Methode oder System, einschließlich einer militärischen Kontrolle eines bestimmten Gebiets.[20] Ariel Bultz dagegen begrenzt „institutionalisiertes Regime“ auf erkennbare Staaten. Eine Gebietskontrolle nichtstaatlicher Milizen oder Rebellen wäre nicht institutionalisiert. Diskriminierungspolitik solcher Gruppen erfasse das Statut schon als Verfolgungsverbrechen.[26] Für andere meint das Kriterium eine effektive Regierungspolitik der Apartheid,[27] die als Gesetz und/oder Praxis der herrschenden Ordnung etabliert ist.[21] Ein Apartheidregime läge unbestreitbar vor, wenn es rassistische Unterdrückung und Dominierung wie das frühere Südafrika im einheimischen Gesetz verankert.[28]

Das Merkmal „systematische Unterdrückung und Dominierung“ erfordert Kontrolle und harte Behandlung der unterdrückten rassischen Gruppe. Diese Systematik verlangt der übergeordnete Abs. 7,1 jedoch nicht für alle dort genannten Verbrechen. Das Fallrecht hatte die Systematik schon als nicht notwendiges Merkmal von Verbrechen gegen die Menschlichkeit beurteilt. Auch den Unterschied zwischen „Unterdrückung“ und „Dominierung“ halten einige Völkerrechtler für unklar und unwesentlich. Andernfalls trüge die Strafverfolgung die Beweislast für beides.[20]

Die Tatbegehung durch „eine rassische Gruppe über eine andere“ ist das zentrale Merkmal von Apartheid; ohne dieses wäre jede Anklage dazu unhaltbar.[29] Die UN-Konvention gegen Völkermord nennt eine „rassische Gruppe“ als eine von vier zu schützenden Gruppen; Abs. 6 des Römischen Statuts griff diese Völkermorddefinition auf.[30] Die Völkermordkonvention lehnte ihren Rassebegriff noch an den Nationalsozialismus an, verstand also dessen Opfergruppen als Gruppen mit angeblich unveränderlichen inneren und äußeren Merkmalen.[31] Dieser Rassebegriff ist als pseudowissenschaftliche und rassistische Zuschreibung erwiesen, um soziale Herrschaft und Ungleichheit zu rechtfertigen.[32] Damit wurde „Rasse“ als Kategorie zur Unterteilung menschlicher Unterarten praktisch unbrauchbar.[33] Folglich mussten Strafprozesse zu Völkermorden das Merkmal „rassische Gruppe(n)“ jeweils fallbezogen definieren.[34] Um das Merkmal objektiver zu fassen, schlugen Juristen eine an Sozialwissenschaft und Anthropologie angelehnte Definition vor: Apartheid sei ein ganz besonderes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das allein auf rassistischer Diskriminierung beruhe.[35] Dann müssen nicht „Rassen“ bewiesen werden, sondern dass soziale Akteure sie für real halten, also eine Gruppe als „andersartig“ imaginieren und definieren, sie so stigmatisieren und danach ihren Ausschluss organisieren. Dass eine Gruppe als „fremde Rasse“ gesehen und behandelt wird, würde das Tatbestandsmerkmal erfüllen, auch wenn jeder objektive Unterschied zwischen Tätern und Opfern der Apartheid fehlt.[36]

Nach Abs. 30 des Römischen Statuts müssen die Täter das Verbrechen mit dem Wissen (Mens rea) um seine Art, Schwere und reale Umstände verüben, hier mit der besonderen Absicht, ihr Unterdrückungsregime über eine andere rassische Gruppe systematisch aufrechtzuerhalten, also zu institutionalisieren. Anders als bei Völkermord muss nicht das Zerstören der Gruppe beabsichtigt sein.[37] Dass Apartheidpolitik auch genozidale Tendenzen enthalten kann, wie es eine UN-Expertenkommission für Südafrika festgestellt hatte, berücksichtigte die Definition nicht.[38] Das Verb „Aufrechterhalten“ umfasst anders als Art. II der AAK nicht das Errichten oder Ersetzen eines Apartheidsystems.[20][26]


Status im Völkergewohnheitsrecht

Bisher hat kein nationales oder internationales Gericht das Apartheidverbrechen verfolgt, keine Person wurde je dafür angeklagt und verurteilt.[39] Weil der Tatbestand unklar definiert ist, das Fallrecht fehlt und viele westliche Staaten die AAK nicht ratifiziert haben, streiten Völkerrechtler über die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Verbrechen und ob es den Status von Völkergewohnheitsrecht erreicht hat.[40] Manche bestreiten das und betrachten die Nennung im Römischen Statut eher als symbolische Erinnerung an Südafrikas Apartheidsystem ohne aktuelle Relevanz.[41]

Da nicht alle Staaten das Statut ratifizierten, fällt dem Völkergewohnheitsrecht umso mehr Gewicht für etwaige Anklagen auf Apartheid zu.[42] Der IGH urteilte 1966 in Bezug auf Südwestafrika, die Norm der Nichtdiskriminierung oder Nichttrennung auf der Basis von „Rasse“ sei zur Regel des Völkergewohnheitsrechts geworden.[43] Der IGH erklärte 1970 in seinem Urteil zur Barcelona Traction, neben dem Völkergewohnheitsrecht verbiete auch die Norm erga omnes (Absolutes Recht) die Rassendiskriminierung. Damit hätten alle Staaten eine Pflicht, diese Norm zu befolgen und durchzusetzen.[44] Das American Law Institute bestätigte 1986 in seinem Restatement of the law für Auslandsbeziehungen der USA: Rassendiskriminierung sei ein Verstoß gegen Gewohnheitsrecht, wenn sie systematisch als Mittel der Staatspolitik praktiziert werde.[45] Daraus folgern einige Völkerrechtler, Apartheid als besondere Form der Rassendiskriminierung sei nicht nur als Norm, sondern auch als Staatspolitik verboten und das Verbot habe zweifelsfrei den Status von Völkergewohnheitsrecht erreicht,[46] spätestens mit der Aufnahme des Apartheidverbrechens in das Römische Statut.[47] Dieses habe die Geltung des Verbots erweitert.[48]

Von 1946 bis 1993 verurteilte die UN-Generalversammlung Apartheid mindestens 14 mal, der UN-Sicherheitsrat zweimal als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Schon 1972 verurteilten die meisten UN-Mitgliedsstaaten Apartheid als Affront gegen die Menschenwürde. Zwar waren diese Resolutionen nur gegen Südafrika gerichtet, blieben aber relevant für die Rechtsdefinition des Verbrechens und das UN-Ziel, es auszumerzen. Diese jahrzehntelange Rechtsüberzeugung (opinio juris) gilt als weiterer starker Hinweis, dass das Apartheidverbrechen den Status des Völkergewohnheitsrechts erreicht hat. Bis 2015 haben 176 Staaten die ICERD, 109 die AAK, 173 das Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention und 122 das Römische Statut ratifiziert.[49]

Zudem sind die Verbote von rassistischer Diskriminierung und Apartheid laut der Völkerrechtskommission zwingende Normen, die aus breiter Anerkennung der gesamten Weltgemeinschaft hervorgingen. Sie haben demnach den Status des Jus cogens.[50]

Da im Römischen Statut jeder Hinweis auf Südafrika fehlt, kann und muss die historische Apartheid nicht mehr zum Feststellen des Verbrechens herangezogen werden. Das Statut kann auf jeden Staat angewandt werden, der den IStGH akzeptiert oder für dessen Gebiet der UN-Sicherheitsrat Ermittlungen autorisiert. Da viele Staaten systematische Unterdrückung praktizieren, erwartete Christopher Keith Hall eine Zunahme von Anklagen beim IStGH, auch für das Apartheidverbrechen.[51]


Apartheidvorwürfe

Der Ausdruck „Apartheid“ wird seit 1990 auf viele verschiedene Sachverhalte bezogen. Oft dient das Wort als Metapher zur moralischen Beschreibung, Warnung oder zum Vergleich mit dem Fall Südafrika, und wird nicht in irgendeinem rechtlichen Wortsinn verwendet. In einigen Fällen haben Wissenschaftler, Menschenrechtsorganisationen oder UN-Gremien zu zeigen versucht, dass die Tatbestandsmerkmale des Verbrechens erfüllt sind, um Anklagen vor dem IStGH anzuregen oder vorzubereiten.[52]

Myanmar

Seit 1982 entzog die damalige Militärregierung von Myanmar den Rohingya, einer ethnisch-religiösen Minderheit von Muslimen, ihre Staatsbürgerschaft. Damit begannen die Staatsmacht und die übrige Bevölkerung sie schubweise zu diskriminieren, zu verfolgen und zu unterdrücken. 2012 konzentrierte die Regierung mehr als 130.000 Rohingya willkürlich und unbefristet in Lagern und versorgte sie mangelhaft, entzog ihnen Bildung, Mobilität und Selbstbestimmungsrechte. Ab 2016 verschärfte die Regierung diese Politik nochmals drastisch. Human Rights Watch (HRW) beschrieb Myanmars Regime in einem Bericht vom Oktober 2020 als „System diskriminierender Gesetze und Politiken, die die Rohingya wegen ihrer Ethnizität und Religion zur dauernden Unterklasse macht“. Dieses System laufe auf Apartheid im Sinne eines Völkerrechtsbruchs hinaus. Die verantwortlichen Regierungsvertreter müssten dafür angemessen strafverfolgt werden.[53]

Nordkorea

2004 setzte die UN-Menschenrechtskommission einen Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Nordkorea ein und erneuerte dessen Mandat jedes Jahr. Im April 2013 setzte der UN-Menschenrechtsrat eine Untersuchungskommission ein, die systematische, verbreitete und schwere Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea ermitteln sollte. Im März 2014 gab der Kommissionsvorsitzende Michael Kirby seinen Bericht dazu bekannt und erklärte dabei vor dem UN-Menschenrechtsrat, Nordkoreas Regierung habe ein System der Apartheid geschaffen. Das Klassensystem des Songbun sei eine diskriminierende Apartheid, die sofort und gänzlich abzuschaffen sei.[54] Kirbys Bericht enthielt keinen Apartheidvorwurf an Nordkorea und keine rechtsverbindliche Analyse der beobachteten Verbrechen, drängte den Rat aber, Nordkoreas Regierung zur Verantwortung dafür zu ziehen und den Bericht dem IStGH vorzulegen.[55] Medien berichteten vor allem über Kirbys Vergleich des Songbun mit Südafrikas Apartheid, dem Nazismus und dem Regime der Roten Khmer.[56]

Im Oktober 2015 forderte die UN-Generalversammlung den UN-Sicherheitsrat auf, die Lage in Nordkorea dem IStGH vorzulegen. Dabei bezeichnete auch die frühere Hochkommissarin Navi Pillay das nordkoreanische Kastensystem des Songbun als neues Beispiel der Apartheid.[57] Zwar wurde ein Verfahren des IStGH zu Nordkorea damit wahrscheinlicher, doch da dort keine „rassischen“ Gruppen einander gegenüberstehen, gilt eine Anklage des IStGH auf ein Apartheidverbrechen als unwahrscheinlich.[58]


10.11.2023

Apartheid (Recht)   ( wiki II von II)

Israel/Palästina

Im Sechstagekrieg von 1967 besetzte Israel das Westjordanland und den Gazastreifen. Die UN-Resolution 3379 vom 10. November 1975 bezeichnete Zionismus als Form des Rassismus und stellte Israel explizit in eine Reihe mit Südafrikas Apartheidsystem. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks nahm die UN-Generalversammlung diese Resolution 1991 mit Resolution 46/86 zurück. Die NGO-Erklärung bei der dritten Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 nannte Israel einen „rassistischen Apartheidstaat“ und als solchen ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Damit eröffnete ein organisiertes Netzwerk anti-israelischer NGOs die Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BDS). Deren Zentralbegriff „Apartheidstaat“ soll Israel delegitimieren, sein Existenzrecht bestreiten und wie das frühere Südafrika international als „Paria“ brandmarken und isolieren.[59] Dazu benutzt BDS bewusst eine legalistische Terminologie und spricht etwa von Israels „andauernden Verletzungen des Völkerrechts“.[60]

Der 2006 gegründete UN-Menschenrechtsrat verurteilte Israel bis Ende 2015 mit 62 von 107 Resolutionen öfter als alle anderen Staaten zusammen. Strukturelle Gründe dafür sind die geografisch-proportionale Sitzverteilung, das gemeinsame Abstimmen der arabischen, islamischen und blockfreien Staaten und der festgelegte eigene Tagesordnungspunkt nur für die Menschenrechtslage in Palästina. Dies bewirkte, dass sich die Staaten, die selbst schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen, absprechen und Israel bei jeder Sitzung mit stereotypen Anklagen von „Apartheid“, „Kolonialismus“, „ethnischen Säuberungen“, „Staatsterrorismus“ und „Judaisierung“ der besetzten Gebiete überziehen.[61]

Um derartige Vorwürfe zu prüfen, setzte der UN-Generalsekretär den südafrikanischen Völkerrechtler John Dugard zum Sonderberichterstatter für israelische Menschenrechtsverstöße in den besetzten Gebieten Palästinas ein. Sein Bericht vom Februar 2007 verglich Israels Militärverwaltung mit Südafrikas Apartheid: Sie sei darauf angelegt, die besetzte Bevölkerung zu dominieren und systematisch zu unterdrücken. In der Westbank würden jüdische Siedler mit eigenen Straßen, Hausbau, Schutz durch die Armee und Familienzusammenführung durchweg gesetzlich bevorzugt. Häuserabrisse in der Westbank und Ostjerusalem würden auf diskriminierende Weise gegen Palästinenser ausgeführt. Viele Gesetze und Praktiken Israels ähnelten „Aspekten der Apartheid“ und verstießen gegen die ICERD von 1966[62] sowie die AAK von 1973.[63]

2010 hatte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht über Diskriminierungen der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten und den Umgang der Justiz Israels mit Klagen dazu veröffentlicht. Zum Apartheidvorwurf zitierte der Bericht eine Richterin am Obersten Gericht Israels: Die Darstellung von Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Straßenbenutzern als Segregation aus rassischen und ethnischen Gründen und von Blockaden einer Straße als Apartheidverbrechen sei derart extrem und radikal, dass für diese Anklage keinerlei Basis gegeben sei. HRW resumierte, insgesamt hätten israelische Gerichte das Diskriminierungsverbot der ICERD von 1966 noch kaum strafverfolgt.[64]

2008 berief der UN-Menschenrechtsrat den emeritierten Rechtsprofessor Richard A. Falk für sechs Jahre zum Sonderberichterstatter für Palästina.[65] Bis 2011 verglich Falk Israels Politik mehrmals öffentlich mit der des NS-Regimes, verharmloste das Regime des Iran, veröffentlichte eine antisemitische Karikatur[66] und unterstützte Verschwörungstheorien zum 11. September 2001[66][67]. Wegen letzterem wurde er von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gerügt, blieb aber im Amt.[67] In seinem Bericht vom Januar 2014 führte Falk aus: Da der IStGH die Vorwürfe von „Kolonialismus“, „Apartheid“ und „ethnischer Säuberung“ in Israel/Palästina bisher nicht überprüft habe, habe er selbst diese legale Analyse möglicher Verstöße gegen das Völkerrecht übernommen.[68] Er führte eine Reihe von Verstößen auf und resumierte: Gemessen an der Definition der AAK habe Israels verlängerte Besatzung „Praktiken und Politiken eingeführt, die Apartheid und Segregation herzustellen scheinen.“ Eine künftige Untersuchung durch den IStGH sei erforderlich.[69]

Um diese zu ermöglichen, trat die PA als „Staat Palästina“ am 2. April 2014 der AAK bei.[70] Am 1. Januar 2015 akzeptierte die PA die Rechtsprechung des IStGH nach dem Römischen Statut für mutmaßliche Verbrechen, die in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ostjerusalems seit 13. Juni 2014 begangen worden seien. Am 16. Januar 2015 eröffnete die Chefermittlerin des IStGH Fatou Bensouda eine „vorläufige Prüfung der Situation in Palästina“. Diese sollte vor allem Klagen über israelische Kriegsverbrechen im Gazakonflikt von 2014 nachgehen. Daher unterstützte auch die Hamas den Beitritt zum Römischen Statut, obwohl ihre Raketenangriffe gegen israelische Zivilisten den Gazakonflikt ausgelöst hatten.[71] Die Prüfung sollte auch mögliche Verbrechen nach Art. 7 des Römischen Statuts umfassen, darunter Apartheid.[72] Im Ergebnisbericht der vorläufigen Prüfung vom 3. März 2021 taucht Apartheid zwar nicht auf, allerdings wird ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass die bei einer vorläufigen Prüfung festgestellten Straftaten als Beispiele für relevante Straftaten […] betrachtet werden sollten“, um den „Schwellenwert für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“ zu erreichen. Laut Bericht sind alle Kriterien für die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens erfüllt.[73]

Im März 2017 verfassten Richard Falk und Virginia Tilley[74] einen Bericht, der „die Frage der Apartheid“ im Titel trug, auch die Lage der arabischen Israelis umfasste und als Ergebnis behauptete: „Auf der Basis einer wissenschaftlichen Ermittlung und überwältigender Beweise“ komme man zu dem Schluss, dass „Israel des Verbrechens der Apartheid schuldig“ sei. Der Bericht nannte vor allem zwei diskriminierende Gesetze (Ehegattennachzug nur für jüdische Israelis; Rückkehrverbot für Palästinenser der besetzten Gebiete) als Beleg dafür. Die Gesetze waren jedoch mit Sicherheitsinteressen Israels begründet und unter bestimmten historischen Kriegsumständen eingeführt worden.[75] Die Exekutivsekretärin Rima Chalaf aus Jordanien veröffentlichte den Bericht als Gutachten der Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (ESCWA). Dem UN-Gremium gehören 18 arabische Staaten an, darunter Palästina als Vollmitglied. UN-Generalsekretär Antonio Guterres ließ den Bericht zurückziehen, weil dieser unter dem UN-Logo, aber ohne Absprache mit den zuständigen UN-Gremien und ihm selbst erschienen war. Daraufhin trat Chalaf von ihrem Amt zurück.[76]

Nach dem Beitritt der PA zum Römischen Statut reichten vier palästinensische NGOs 2017 einen umfangreichen Text beim Internationalen Strafgerichtshof ein, der Israel anklagte, „die Palästinenser zu verfolgen und den Verbrechen von Verfolgung und Apartheid zu unterwerfen“. Von November 2019 bis April 2021 warfen mindestens 18 NGOs Israel eine Apartheidpolitik vor und stellten es als Apartheidregime oder Apartheidstaat dar, darunter auch israelische NGOs wie Schovrim Schtika, Jesch Din und B’Tselem.[77]

Am 27. April 2021 warf ein HRW-Bericht Israel Apartheidverbrechen gegen die Palästinenser vor.[78] Er forderte internationale Ermittlungen und Strafverfolgung israelischer Regierungsbeamter, den Abbruch von ökonomischen Investitionen, staatliche Sanktionen, Reiseverbote nach Israel, das Einfrieren von Auslandskonten von an Apartheidverbrechen beteiligten Israelis. Er unterstützte damit die BDS-Kampagne, ohne diese zu nennen.[79] Autor des Berichts war der langjährige BDS-Aktivist Omar Shakir. Israel hatte sein Arbeitsvisum Ende 2018 nicht verlängert; bis April 2019 verlor er einen Rechtsstreit darum in letzter Instanz.[80][81] Der deutsche HRW-Pressereferent Wolfgang Büttner erklärte, man wolle „eine Rechtsdiskussion eröffnen“, den stockenden Friedensprozess und die Menschenrechtslage in Israel und den besetzten Gebieten wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Dabei sei HRW der Missbrauch des Apartheidbegriffs bewusst. HRW distanziere sich „eindeutig von denjenigen, die sich gegen das Existenzrecht Israels ausdrücken, die deutsche Vergangenheit leugnen oder antisemitische Ziele verfolgen.“[82]

Laut Gerald M. Steinberg gleichen die Argumentationsfiguren dieser Texte denen der NGO-Erklärung in Durban 2001, folgen deren Strategie und stützen sich aufeinander.[83] Emily Budick, Cary Nelson (beide Scholars for Peace in the Middle East), Alan Johnson (Britain Israel Communications and Research Centre), Benjamin Pogrund (Schriftsteller aus Südafrika) und andere weisen den Apartheidvorwurf gegen Israel mit folgenden Hauptargumenten zurück: Israel sei eine rechtsstaatlich verfasste, multi-ethnische Demokratie mit garantierten gleichen Staatsbürgerrechten für Nichtjuden. Es gebe dort keine Rassentrennung oder Segregation von Juden und Nichtjuden, sichtbar etwa an Arabern in der Knesset, im Obersten Gericht, in Leitungsämtern von Universitäten, Armeeeinheiten, Krankenhäusern und anderem. Bestehende Diskriminierungen seien nicht schwerer als in anderen Demokratien. Die rechtlich verschiedene Behandlung von Palästinensern und Israelis in der Westbank sei Teil der Militärbesatzung. Israels Sicherheitsmaßnahmen seien Folge der wiederholt gescheiterten Friedensverhandlungen und des täglichen Terrors gegen Israelis, keine systematisch institutionalisierte Apartheid zum Aufrechterhalten eines Unterdrückungsregimes. Das Apartheid-Label für Israel stamme aus der sowjetischen Diffamierungskampagne der 1970er Jahre, die seit 2001 von der „Durban-Strategie“ vieler NGOs wiederbelebt wurde. Weil es faktisch unzutreffend und diffamierend sei, erschwere es das politische Beenden der Besatzung zusätzlich.[59]

Mit ähnlichen Argumenten wiesen der israelische Thinktank Kohelet Policy Forum und Clifford D. May, Gründer der Foundation for Defense of Democracies, den HRW-Bericht vom April 2021 zurück. HRW maße sich mit dem Urteil, Israel sei nach Völkerrecht ein Apartheidregime, die Autorität von Strafverfolgern, Richtern und Jury an und liefere allen eine Rechtfertigung, die den einzigen mehrheitlich jüdischen Staat der Welt und damit den Fluchtort aller verfolgten Juden zerstören wollten. Der Bericht verdrehe die Definition von Apartheid ins Unkenntliche, indem er Bürgerrechte, Mehrheitswahlrecht und Minderheitenschutz in Israel ignoriere, die kein anderer Staat im Mittleren Osten seinen ethnischen und religiösen Minderheiten gebe. Somit wende HRW auf Israel einen anderen Standard als auf andere Staaten der Region an: Das sei Antisemitismus. Der Gazastreifen werde nicht von Apartheid, sondern von der Hamas regiert, die jede friedliche Koexistenz mit Israel ausschließe und mit täglichem Terror letztlich alle Juden aus Palästina vertreiben oder ermorden wolle. Die Westbank werde von der PA regiert. Diese habe reihenweise Angebote abgelehnt, die Palästinensern einen eigenen Staat gebracht hätten, und sei derzeit nicht einmal verhandlungsbereit. Nirgends könnten Gruppen, die einen Staat zu zerstören anstreben, von diesem Staatsbürgerrechte fordern. Für Israel wäre es selbstmörderisch, den Palästinensern des Gazastreifens und der Westbank diese Rechte zu gewähren. Israelische Gesetze enthielten keinerlei rassische Unterscheidungen, noch seien Juden und Palästinenser rassische Gruppen. Damit fehle das Tatbestandsmerkmal einer gesetzlichen rassischen Hierarchie. Weil es Diskriminierung von Minderheiten vielerorts gebe, sei seit 1994 kein anderer Staat als Apartheidregime bezeichnet worden. Das Nationalstaatsgesetz sei kritikwürdig, aber nicht entfernt ein Apartheidgesetz, sondern angelehnt an Verfassungsbestimmungen europäischer Demokratien. Es garantiere Arabern ihre Sprache. Andere Staaten der Region proklamierten sich stolz als arabisch oder muslimisch; doch nur beim jüdischen Staat sehe HRW darin ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Dies setze HRWs jahrzehntelange anti-israelische Haltung fort.[84] Auch Israels Außenministerium warf HRW eine „Anti-Israel-Agenda“ vor.[85]

Anfang 2022 erklärte ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), in Israel sei seit seiner Gründung ein Apartheidsystem entstanden. Es begehe im Umgang mit den Palästinensern das Verbrechen der Apartheid. Die deutsche Sektion von AI schloss sich erst mit Verzögerung an.[86] Israels Außenminister Jair Lapid wies den Vorwurf zurück und kritisierte, dass AI nur den demokratischen Rechtsstaat Israel beschuldige, aber weder Syrien noch den Iran oder „mörderische Regime“ in Lateinamerika und Afrika als Apartheidstaaten bezeichne. Josef Schuster, der den Zentralrat der Juden in Deutschland leitet, nannte den AI-Bericht antisemitisch und forderte die deutsche AI-Sektion auf, sich davon zu distanzieren.[87] Laut dem britischen Politikwissenschaftler Alan Johnson bestreitet der Bericht das Selbstbestimmungsrecht für Juden und ist damit gemäß der IHRA-Antisemitismusdefinition antisemitisch.[88]

Literatur

  • Kevin Heller, Frédéric Mégret, Sarah Nouwen: The Oxford Handbook of International Criminal Law. Oxford University Press, Oxford 2020, ISBN 0-19-882520-X

Weblinks

Einzelnachweise

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  • John Dugard: Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid: Introduction. Un.org, August 2008
  • Human Rights Office of the High Commissioner: International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination.
  • Natan Lerner: The UN Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination. Revidierte Neuausgabe, Brill, Leiden 2014, ISBN 978-90-04-27991-9, S. 45f und 125f (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Sebastian Gehrig, James Mark, Paul Betts, Kim Christiaens, Idesbald Goddeeris: The Eastern Bloc, Human Rights, and the Global Fight against Apartheid in East Central Europe. In: East Central Europe Band 46, Ausgabe 2–3, Brill, Leiden 2019, S. 290–317 (PDF), hier S. 300 f.
  • Eckart Klein (Hrsg.): Rassische Diskriminierung - Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten. Berlin-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8305-0263-X, S. 88
  • I. P. Blishchenko: Study of the International Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid. UN Department of Political and Security Council Affairs, März 1974 (PDF)
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  • Kevin Heller et al.: The Oxford Handbook of International Criminal Law. Oxford 2020, S. 177 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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  • Gerhard Werle, Florian Jessberger: Völkerstrafrecht. 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2020, ISBN 3-16-155926-6, S. 365 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Gerhard Werle, Florian Jessberger: Völkerstrafrecht. Tübingen 2020, S. 65 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Gesetz zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (IStGH-Statutgesetz) vom 4. Dezember 2000. Bundesgesetzblatt, 7. Dezember 2000 (PDF)
  • Internationales Rotes Kreuz: Customary IHL Database Rule 88. Non-Discrimination, Fußnoten 13 und 16
  • Stefan Kirsch: Der Begehungszusammenhang der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-631-59234-2, S. 23
  • Sascha Rolf Lüder, Thomas Vormbaum (Hrsg.): Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch. Dokumentation des Gesetzgebungsverfahrens. LIT Verlag, Münster 2002, ISBN 3-8258-6392-1, S. 39
  • Sascha Rolf Lüder, Thomas Vormbaum (Hrsg.): Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, Münster 2002, S. 126 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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  • Jörg Paul Müller, Luzius Wildhaber: Praxis des Völkerrechts. 3. Auflage, Stämpfli, Bern 2001, ISBN 3-7272-9461-2, S. 90
  • Walter Kälin et al.: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes. Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht, Jura-Verlag Müller, Heidelberg 1994, ISBN 3-8114-1894-7, S. 88
  • Steven Wheatley: The Idea of International Human Rights Law. UK Import, London 2019, ISBN 0-19-874984-8, S. 313 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Walter Kälin, Jörg Künzli: The Law of International Human Rights Protection. Oxford 2009, S. 70
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  • Carola Lingaas: The Crime against Humanity of Apartheid in a Post-Apartheid World, Abs. 4: The Status of Apartheid in Customary Law. Oslo Law Review Band 2, 2015
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  • Christopher Keith Hall: The Crime of Apartheid. In: Kai Ambos, Otto Triffterer (Hrsg.): The Rome Statute of the International Criminal Court: A Commentary. München 2016, S. 229
  • Carola Lingaas: The Crime against Humanity of Apartheid in a Post-Apartheid World, Abs. 2.3: The Use of the Apartheid Terminology. Oslo Law Review Band 2, 2015
  • Shayna Bauchner: “An Open Prison without End”: Myanmar’s Mass Detention of Rohingya in Rakhine State. HRW.org, 8. Oktober 2020
  • Statement by Michael Kirby, Chair of the Commission of Inquiry on Human Rights in the Democratic People’s Republic of Korea. OHCHR, 17. März 2014
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  • UN declares North Korea’s crimes on par with Nazism, apartheid and Khmer Rouge. The Journal.ie, 17. März 2014
  • Elizabeth Shim: Ex-UN official: North Korean caste system is the new apartheid. United Press International, 22. Oktober 2015
  • Carola Lingaas: The Crime against Humanity of Apartheid in a Post-Apartheid World, Abs. 5.1: North Korea. Oslo Law Review Band 2, 2015
  • Cary Nelson et al.: Apartheid. In: Cary Nelson (Hrsg.): Dreams Deferred: A Concise Guide to the Israeli-Palestinian Conflict and the Movement to Boycott Israel. Indiana University Press, Bloomington 2016, ISBN 978-0-253-02517-3, S. 49–55
  • Orde F. Kittrie: Lawfare: Law as a Weapon of War. Oxford University Press, Oxford 2016, ISBN 0-19-026357-1, S. 197–282, hier S. 240 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Alex Feuerherdt, Florian Markl: Vereinte Nationen gegen Israel. Wie die UNO den jüdischen Staat delegitimiert. Hentrich & Hentrich 2018, ISBN 978-3-95565-249-4, S. 193–196
  • Alan Johnston: UN envoy hits Israel 'apartheid'. BBC, 23. Februar 2007
  • Stefan August Lütgenau: Human Rights and a Middle East Peace Process. Analyses and Case Studies from a New Perspective. Studien Verlag, Innsbruck 2007, ISBN 3-7065-4479-2
  • Bill Van Esveld: Separate and Unequal: Israel’s Discriminatory Treatment of Palestinians in the Occupied Palestinian Territories. HRW, ISBN 978-1-56432-729-1, 19. Dezember 2010; Zitat und Quelle: Fn. 44
  • Marc Perelman: U.N. Taps American Jewish Critic of Israel as Rights Expert. Forward.com, 27. März 2008
  • Daniel Sugarman: UN’s ‘Israel apartheid’ report written by 9/11 truther who promotes antisemitism. The JC, 16. März 2017
  • U.N. chief condemns rights expert's 9/11 comments. Reuters, 25. Januar 2011
  • Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967, Richard Falk. UN Doc. A/HRC/25/67, 13. Januar 2014 (PDF); Abs. V, Nr. 51
  • Annalisa Ciampi (Hrsg.): History and International Law: An Intertwined Relationship. Edward Elgar Publishing, Cheltenham 2019, ISBN 978-1-78897-748-7, S. 149 und Fn. 94–100 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Carola Lingaas: The Crime against Humanity of Apartheid in a Post-Apartheid World, Abs. 5.2: The Occupied Palestinian Territories. Oslo Law Review Band 2, 2015
  • Orde F. Kittrie: Lawfare: Law as a Weapon of War. Oxford 2016, S. 197–282, hier S. 208 und 219 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • ICC Prosecutor’s Annual Report on Preliminary Examination Activities (2018) – Situation in Palestine, Nr. 251 und 271. UN.org, 5. Dezember 2018
  • Situation in Palestine: Summary of Preliminary Examination Findings. ICC-CPI, 3. März 2021; Statement of ICC Prosecutor, Fatou Bensouda, respecting an investigation of the Situation in Palestine. ICC-CPI, 3. März 2021
  • Virginia Tilley vertrat 2005 als erste Akademikerin eine Ein-Staat-Lösung und unterstützte damit die BDS-Kampagne, siehe Alan Johnson: What a one-state solution really means. TheJC, 17. Oktober 2012
  • Zeina M. Barakat, Mohammed S. Dajani Daoudi: Israel and Palestine: Occupation Not Apartheid. In: Aaron J. Hahn Tapper, Mira Sucharov (Hrsg.): Social Justice and Israel/Palestine: Foundational and Contemporary Debates. University of Toronto Press, Toronto 2019, ISBN 1-4875-8806-2, S. 188–200, hier S. 189 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Verfasserin von UN-Bericht über „Apartheid-System“ in Israel tritt zurück. Deutsche Welle, 18. März 2017.
  • NGOs Intensify Apartheid Demonization Campaign. NGO-Monitor, 25. April 2021; A regime of Jewish supremacy from the Jordan River to the Mediterranean Sea: This is apartheid. B’Tselem, 12. Januar 2021
  • Israel committing crimes of apartheid and persecution - HRW. BBC, 27. April 2021; Rechteverletzende israelische Politik stellt Verbrechen der Apartheid und Verfolgung dar. HRW, 27. April 2021
  • Kaleem Hawa: Human Rights Watch: Israel Is an Apartheid State. The Nation, 28. April 2021
  • Gerald M. Steinberg: Human Rights Watch dämonisiert Israel durch den Vorwurf der Apartheid. Audiatur.ch, 30. April 2021
  • The BDS Life and Times of Omar Shakir. NGO Monitor, 18. April 2019
  • Judith Poppe: Israels Palästinenser-Politik: Human Rights Watch wagt das A-Wort. In: taz, vom 27. April 2021.
  • Gerald M. Steinberg: Human Rights Watch demonizes Israel via propaganda of apartheid - opinion. In: Jerusalem Post, vom 27. April 2021
  • Clifford D. May: Human Rights Watch crosses the line with latest attack on Israel. Washington Times, 4. Mai 2021; HRW Crosses the Threshold into Falsehoods and Anti-Semitic Propaganda. Kohelet.org.il, 26. April 2021
  • Peter Münch: Umgang mit den Palästinensern: Human Rights Watch wirft Israel Apartheid vor. Süddeutsche Zeitung, 27. April 2021
  • Jetzt spricht auch Amnesty Deutschland von „Apartheid“ in Israel. In: Die Welt. 4. Februar 2022.
  • dpa: Nahost: Amnesty International wirft Israel Apartheid vor. In: zeit.de. 1. Februar 2022 abgerufen am 25. November 2022.

  • Diese Seite wurde zuletzt am 9. November 2023 um 02:27 Uhr bearbeitet.


    Info: https://de.wikipedia.org/wiki/Apartheid_(Recht)

    10.11.2023

    Das fehlende Assessment: Die Ukraine kann nicht siegen

    lostineu.eu, vom 9. November 2023

    Die EU will Beitrittsgespräche mit der Ukraine führen – mitten im Krieg. Dafür hat sie alle möglichen Kriterien geprüft – nur nicht die Frage, wie es um den Krieg steht. Dieser Test würde negativ ausgehen.

    Kein einziges der zentralen Kopenhagener Kriterien wurde erfüllt, nur vier von sieben spezifischen Länder-Vorgaben hat die Ukraine bisher erreicht. Dennoch will die EU-Kommission nun Beitrittsgespräche führen.

    Zur Begründung führt Behördenchefin von der Leyen den „russischen Angriffskrieg“ an. Man dürfe das Land nicht allein lassen, sondern müsse es durch die EU-Perspektive unterstützen.

    Ein hehres Motiv, sogar die Linke hat die nun geplanten Verhandlungen begrüßt. Doch wie steht es eigentlich um diesen Krieg? Kann die Ukraine siegen, kann sie alle Gebiete zurückerobern?

    Nein, das kann sie nicht. Nicht mit Hilfe der USA, die wichtige Waffen zurückhalten und sich nach und nach zurückziehen. Und erst recht nicht mit der EU, die ihre eigenen Zusagen nicht erfüllt.

    Sowohl bei den Waffen als auch bei der Munition liegt Brüssel hinter dem Plan. Eine militärische Strategie hat man auch nicht. Es gibt noch nicht einmal eine Debatte über den Stillstand an der Front.

    Die jüngsten Aussagen des ukrainischen Generalsstabschefs sind ebenso wenig in die Bewertung der EU-Kommission eingegangen wie die Warnungen aus der Nato vor leeren Arsenalen.

    Die EU-Behörde schweigt auch zu den Gerüchten, dass hinter den Kulissen längst Verhandlungen mit Russland vorbereitet werden. Ihr Assessment ist nicht nur unvollständig, sondern wohl auch unehrlich…

    P.S. Der frühere Chef des Nato-Militärkommitees, Tschechiens Präsident Pavel, soll nicht mehr an den Sieg der Ukraine glauben. Die Zeit spiele für Russland, deshalb müsse man nun Verhandlungen einleiten…

    P. S. Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ warnt vor einem EU-Beitritt der Ukraine. Die EU solle sich lieber für ein Ende des Krieges einsetzen, schreibt der „Tagesspiegel

    4 Comments

    1. Thomas Damrau
      10. November 2023 @ 08:57

      Die militärische Lage ist irrelevant – es geht hier um ein weil-nicht-sein-kann-was-nicht-sein-darf. Man muss sich nur das Interview mit Roderich Kiesewetter (CDU) heute früh im DLF anhören ( https://www.deutschlandfunk.de/ist-die-ukraine-eu-reif-interview-mit-cdu-aussenpolitiker-roderich-kiesewetter-dlf-f72109eb-100.html ).

      Kiesewetter wird vom Moderator groß als Militär-Experte angekündigt (hat jädient, war sogar Bundeswehr-Offizier). Was dann kommt, hätte auch vom Wehrdienstverweigerer Habeck kommen können:
      – keinerlei Einschätzung der militärischen Lage, lediglich die Behauptung, dass die Ukraine ihre eigenen Soldaten schone, während Russland die seinen verheize
      – die wie immer vage Andeutung, mehr Waffen und neue Waffensysteme könnten …
      – die Forderung, die Waffen, die Bundeswehr an die Ukraine geliefert hat, schleunigst nachzubestellen
      – das Zögern des Westens, das Putin immer wieder ermutige
      – die Ukraine als Leuchtturm-Projekte, das am Ende sogar Russland und Belarus die Vorzüge der Demokratie vor Augen führen werde
      – die Ukraine als Präzedenzfall: Wenn die Ukraine nicht gewinne, werde Putin sich ermutigt fühlen, . Und China werde die durch eine Niederlage der Ukraine demonstrierte Schwäche des Westens als Ermutigung für einen Angriff auf Taiwan sehen.
      – die Bedeutung der EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine – weil sonst die UkrainerInnen in Richtung EU auswandern würden (ein Moment der Erkenntnis in diesem Interview)
      – aus all diesen Gründen kämen Friedensverhandlungen nicht Frage – Augen zu und durch.

      Es geht beim Thema Ukraine (zumindest in Deutschland) nicht um eine Analyse der militärischen Lage, sondern um Glaubensbekenntnisse. Und der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge – auch wenn es nur Geldberge sind, die auf den Konten der Rüstungsindustrie landen.

    Reply

  • Kleopatra
    10. November 2023 @ 08:23

    Das ist das einzige Argument, das man ernst nehmen kann. Allerdings ist aus grundsätzlichen Erwägungen ein Frieden mit Russland nicht denkbar, nur ein mit einem kalten Krieg verbundener Waffenstillstand. Für Rechtspositionen würde das zum Beispiel bedeuten, dass man mit den von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebieten ebenso umgeht wie z.B. mit Nordzypern: dieses ist nach EU-Auffassung Teil der Republik Zypern, was unter anderem bedeutet, dass Gerichte der Republik Zypern Urteile fällen können, die Grundstücke in Nordzypern betreffen, und diese können dann zivilrechtlich in den übrigen EU-Staaten vollstreckt werden (siehe das EuGH-Urteil von 2009 in der Rechtssache C-420/07, Apostolidis/Orams, ECLI:EU:C:2009:271); mit der absehbaren Folge dass kein in von Russland annektierten Gebieten ansässiges Unternehmen/keine dort ansässige Einzelperson mit der EU Handel treiben könnte. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass alle Vorstellungen von einer „Brückenfunktion“ der Ukraine zwischen der EU und Russland Spinnereien sind. Wenn es je eine Chance darauf gegeben haben sollte, hat Russland sie durch seine Aggressionspolitik gegen die Ukraine zerstört; und ohnehin ist es eine Anmaßung, anderen Völkern eine „Brückenfunktion“ vorschreiben zu wollen.

    Reply

  • Helmut Höft
    9. November 2023 @ 20:48

    … nur nicht die Frage, wie es um den Krieg steht. Dieser Test würde negativ ausgehen. Aber, aber wenn doch bald die V-Waffen eingesetzt werden, dann ist doch der unkrainische Endsieg® nicht mehr weit.

    Reply

  • Alexander Hort
    9. November 2023 @ 18:31

    Mir drängt sich bei diesem ganzen „Beitrittsaktionismus“ schon länger der Eindruck auf, dass es politisch, rhetorisch und symbolisch darum geht, den ungünstigen Kriegsverlauf zu kaschieren. Auch wenn der Osten des Landes de-facto russisch wird, kann man immer noch behaupten, dass die „regelbasierte Ordnung“ sich irgendwie durchgesetzt habe, denn dafür steht die EU doch nach eigener Auffassung.
    Ob das glaubwürdig ist, ist eine andere Frage.


  • Info: https://lostineu.eu/das-fehlende-assessment-die-ukraine-siegt-nicht


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.




    Weiteres:




    Wegen Kritik an Israel: Habeck „cancelt“ Portugal


    lostineu.eu, vom 9. November 2023

    Während sich Frankreich für eine Waffenruhe in Gaza einsetzt und Belgien über Sanktionen gegen Israel nachdenkt, sagt Wirtschafts-Minister Habeck eine Reise nach Portugal ab. Der Grund: Kritik an Israel!

    Die Nahost-Debatte läuft in Deutschland völlig anders als im Rest der EU. „Deutschland isoliert sich“, schrieben wir in diesem Blog, nachdem Berlin beim EU-Gipfel in Brüssel alle Rufe nach einer Waffenruhe in Gaza abgeblockt hatte.

    Nun erreicht die Isolierung ein neues Level – den Austausch auf Regierungsebene. Wirtschaftsminister Habeck hat eine Reise zu einer Konferenz in Portugal gestrichen, weil dort angeblich antisemitische Umtriebe drohen.

    Der Hintergrund: Der Geschäftsführer des Web Summit, an dem Habeck teilnehmen wollte, hatte mit Äußerungen zum Gazakrieg eine Kontroverse ausgelöst und war daraufhin zurückgetreten.

    Cosgrave hatte auf X (vormals Twitter) den Kurs der israelischen Regierung kritisiert und unter anderem geschrieben: „Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen, selbst wenn sie von Verbündeten begangen werden.

    Dies und der überraschende Rücktritt des portugisischen Regierungschefs Costa habe Habeck zur Absage bewegt, heißt es in Berlin. Dabei spricht sogar die Uno von Kriegsverbrechen durch Israel!

    In Belgien denkt man deshalb sogar über Sanktionen nach. Derweil fordert Frankreichs Staatschef Macron auf einer Gaza-Hilfskonferenz in Paris eine humanitäre Pause und Waffenruhe in Gaza.

    Muß Habeck als Nächstes auch eine Reise nach Paris canceln?

    7 Comments

    1. Arthur Dent
      9. November 2023 @ 22:45

      Es gibt keine Wagenknechtpartei. Über den Anteil von Wählerstimmen zu spekulieren hat was von Scholastik. Und politisch links im Sinne von Karl Marx ist in Deutschland niemand. Und das ist auch gut so.

    Reply

  • Godfried van Ommering
    9. November 2023 @ 20:29

    In schönen Sälen von Versailles (?) kommt die politische Elite zusammen für eine Geberkonferenz für Gaza…Teuflisch ist die Gewalt von jeder Seite, teuflisch ist der Zynismus der Wohltätigkeit während zu gleicher Zeit eine Wust von Bomben Menschenleben völlig zerstört. „Wir halten Geberkonferenz, vorzüglich bewirtet übrigens, den Krieg möchten wir nicht wirklich beenden, wie könnten wir auch? Das forderte ja Grundsätzliches von uns, Taten, unmissverständliche konsequente Politik, die Israel zwingt das Morden und Zerstören zu beenden! Undenkbar! Aber stattdessen werden wir wiederum die Milliönchen versprechen!“ Hilfe für Gaza! Geld! Vollkommener Bankrott der Politik.

    Reply

  • Godfried van Ommering
    9. November 2023 @ 16:39

    Aber Frau Baerbock reist, und zwar nach Israël, und das könnte sie gleich unterlassen, denn, hätte sie etwas Ernsthaftes, Dringliches, politisch Bedeutendes zu vermitteln, dann könnte sie daß sofort vom Auswärtigen Amt in Berlin aus vermitteln, dazu gibt es ja „die modernen Kommunikationsmittel“. Aber diese Reisen dienen statt echter Politik; man führt etwas vor, daß auf Tatkraft schließen sollte, wußten wir nicht daß es dazu dient Zeit zu gewinnen, um Israels Militär gewähren zu lassen. Ebenso die Reise, gestern, des niederländischen Herrn Rutte, um mit Freund Netanyahu reden zu können und ihn um „proportionalen Gewalt“ in Gaza bitten. Ich hasse diese verhüllenden, verlogenen Redeweisen, und dann: angesichts dessen was schon von Israel „ mit größtem Sorgfalt keine Zivilisten zu schädigen“ angerichtet worden ist! Aber unsere „Politiker“ kommen in den Medien damit ganz gut weg: sieht doch wie sie sich bemühen, wie sie reisen und reden. Ach, und nun hat der Stoltenberg auch humanitäre Pausen gefordert, Gütesiegel der NATO! Und Frankreich! Während die Menschen in Gaza gnadenlos bombardiert werden einen Friedenskonferenz halten. Nicht politisch maximalen Druck auf Israels Regierung ausüben, nein, konferieren! Mit dem Geldbeutel rasseln! Ich erblicke nur schlimme Darsteller einer Art „Humanität“, wie sie von der VS und der NATO auf den Flügeln der F-16 und F-35 weltweit verbreitet wird. Rutte leistet Vorarbeit für seinen nächsten „Job“.

    Reply

    • KK
      9. November 2023 @ 23:17

      „Aber Frau Baerbock reist…“
      Ja, sie will im Nahen Osten „diplomatisch vermitteln“. Ausgerechnet!
      Die Frau nimmt doch da unten (im „globalen Süden“, also den Resten vom Westen der Welt) sowieso keiner mehr ernst. Da kann man auch einen Elefant Inventur im Porzellanladen machen lassen.

      Reply

  • european
    9. November 2023 @ 15:26

    Es wird wirklich Zeit, dass diese Regierung abgesetzt und diese Politik ohne Sinn und Verstand, dafuer aber nach Gutduenken beendet wird. Eigentlich sollte man nicht einmal mehr warten, bis diese Legislaturperiode zu ende ist. Es ist das nackte Grauen zu beobachten.

    Interessant ist die aktuelle Sonntagsfrage fuer Brandenburg.

    https://youtu.be/WRtX6YobVuM?feature=shared

    Demnach kaeme die Wagenknecht-Partei aus dem Stand auf 21.5 Prozent, gleichauf mit der SPD, die AfD wuerde 10% verlieren, Gruene raus, Gelbe raus, Linke so gerade noch drin.

    Reply

    • KK
      9. November 2023 @ 16:55

      „Demnach kaeme die Wagenknecht-Partei aus dem Stand auf 21.5 Prozent, gleichauf mit der SPD, die AfD wuerde 10% verlieren, Gruene raus, Gelbe raus, Linke so gerade noch drin.“
      Wenn GRÜN und GELB raus wären, könnten die 43% von SPD und BSW für eine Sitz-Mehrheit reichen (ich fürchte, die LINKE würde aus Prinzip eher eine rote Regierung platzen lassen als ausgerechnet dem BSW eine stärkere Rolle in einer Regierung zuzubilligen als ihr selbst); vielleicht würde so die SPD wieder raus aus der neoliberalen und rein in die soziale Spur kommen.

      Reply

  • KK
    9. November 2023 @ 14:22

    Kann es sein, dass politische Diskurse nur noch unter Gleichgesinnten geführt werden und andere Meinungen noch nicht mal mehr gehört werden wollen? Wie soll so Demokratie funktionieren?

    Solche Minister sollten selbst aus der Regierung gecancelt werden, denn sie stehen offenbar nicht mehr auf dem Boden unserer FDGO!


  • Info:https://lostineu.eu/wegen-kritik-an-israel-habeck-cancelt-portugal


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.11.2023

    Nachrichten von Pressenza: „Nicht die Zeit, über Frieden zu reden“

    aus e-mail von <newsletter@pressenza.com>, 10. November 2023, 7.15 Uhr


    Nachrichten von Pressenza - 10.11.2023


    „Nicht die Zeit, über Frieden zu reden“


    Berlin ist mit Israel über sanitätsdienstliche Unterstützung im Gespräch. Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen steigt. US-Außenminister warnt, bei weiterer Eskalation fehlten künftig „Partner für den Frieden“. Die Bundesregierung ist mit Israel über medizinische Hilfen für die in Gaza kämpfenden israelischen&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/nicht-die-zeit-ueber-frieden-zu-reden/


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    EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine


    Die EU-Kommission hat am Mittwoch Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldawien empfohlen. Von den sieben von der Kommission an die Ukraine gestellten Voraussetzungen sollen laut einem EU-Bericht vier vollständig erfüllt worden sein. In Bezug auf die Ukraine begrüßte die Kommission&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/eu-kommission-empfiehlt-beitrittsverhandlungen-mit-der-ukraine/


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    Eine gemeinsame jüdisch-arabische Erklärung für den Frieden


    Wir &#8211; Bewegungen, Organisationen, AktivistInnen, JüdInnen und AraberInnen &#8211; schreiben diese Worte aus tiefer Trauer um die Tausenden von Menschen, die in den letzten Wochen getötet wurden, und aus schrecklicher Sorge um die Sicherheit der Entführten und derer, die in&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/eine-gemeinsame-juedisch-arabische-erklaerung-fuer-den-frieden/


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    Hinrichtungen in den USA: Stickstoff statt Giftspritze


    Gibt es eine »humane« Hinrichtungsmethode? Gegner der Todesstrafe halten die Formulierung für paradox. Jetzt soll im US-Bundestaat Alabama erstmals ein Delinquent durch das Einatmen von Stickstoff „auf sanfte Art“ exekutiert werden. Von Helmut Ortner Der Oberste Gerichtshof in Alabama hatte&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/hinrichtungen-in-den-usa-stickstoff-statt-giftspritze/


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    Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder


    ‚Kriegstüchtig‘ müsse das Land werden, forderte Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Beginn der Woche und meinte damit explizit nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die gesamte Gesellschaft. Er begründet das damit, dass auch Deutschland sich bei einem ganz Europa betreffenden Krieg&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/nie-wieder-krieg-die-waffen-nieder/


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    Tomaso Montanari: &#8222;Frieden wird durch Frieden verteidigt, nicht durch Gewalt&#8220;


    Wir teilen die Überlegungen von Tomaso Montanari auf x (früher twitter). Wir Westler, die von einem Großteil der übrigen Menschheit zu Recht für die Arroganz unserer angeblichen kulturellen Vormachtstellung gehasst werden, sollten endlich die Kleidung des Kolonialismus ablegen und diejenige&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/tomaso-montanari-frieden-wird-durch-frieden-verteidigt-nicht-durch-gewalt/


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    Abschieben und abwerben


    Kanzler Scholz dringt in Nigeria auf die Belieferung Deutschlands mit Flüssiggas und die beschleunigte Rücknahme von Flüchtlingen. Austeritätsmaßnahmen drohen Nigeria schwer in Armut zu stürzen. Bundeskanzler Olaf Scholz wünscht von Nigeria eine stärkere Belieferung Deutschlands mit Flüssiggas und verlangt die&hellip;

    http://www.pressenza.net/?l=de&track=2023/11/abschieben-und-abwerben/


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    Pressenza - ist eine internationale Presseagentur, die sich auf Nachrichten zu den Themen Frieden und Gewaltfreiheit spezialisiert hat, mit Vertretungen in Athen, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Florenz, Lima, London, Madrid, Mailand, Manila, Mar del Plata, Montreal, München, New York, Paris, Porto, Quito, Rom, Santiago, Sao Paulo, Turin, Valencia und Wien.


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.11.2023

    Chris Hedges: Brief an die Kinder in Gaza

    seniora.org, 09. November 2023,  Von Chris Hedges, 8.11.2023 - übernommen von chrishedges.substack.com

    Du wirst erwachsen werden und Kinder haben. Du wirst alt werden. Du wirst Dich an dieses Leid erinnern, aber Du wirst wissen, dass es bedeutet, anderen zu helfen, die leiden. Das ist meine Hoffnung.


    Liebes Kind, es ist nach Mitternacht. Ich fliege mit einer Geschwindigkeit von Hunderten Meilen pro Stunde durch die Nacht.Tausende Meter über dem Atlantischen Ozean. Ich reise nach Ägypten. Ich will dort zur Grenze nach Gaza, bei Rafah. Wegen Dir.

    Du warst nie in einem Flugzeug. Du hast Gaza nie verlassen. Du kennst nur das dichte Gedränge in den Straßen und Gassen. Die Betonverschläge. Du kennst nur die Sicherheitsbarrieren und Zäune, die Gaza umgeben und an denen Soldaten entlang patrouillieren. Flugzeuge machen Dir Angst. Kampfjets. Kampfhubschrauber. Drohnen. Sie kreisen über Dir. Sie schießen Raketen ab, werfen Bomben. Ohrenbetäubende Explosionen. Die Erde bebt. Gebäude fallen zusammen. Die Toten. Die Schreie. Die dumpfen Hilferufe aus den Trümmern. Es hört nicht auf. Nacht und Tag. Gefangen unter Bergen von zertrümmertem Beton. Deine Spielkameraden. Deine Schulkameraden. Deine Nachbarn. In Sekunden verschwunden. Du siehst die kreideweißen Gesichter und Körperteile, die ausgegraben werden. Ich bin Reporter. Es gehört zu meinem Beruf, das zu sehen. Du bist ein Kind. Du solltest das nie sehen.

    Der Geruch des Todes. Verwesende Körper unter zerbrochenem Beton. Du hältst den Atem an. Du bedeckst Deinen Mund mit einem Tuch. Du gehst schneller. Dein Viertel ist ein Friedhof geworden. Alles was so vertraut war gibt es nicht mehr. Du blickst ungläubig um Dich. Du fragst Dich, wo Du bist.

    Du hast Angst. Eine Explosion nach der anderen. Du weinst. Du klammerst Dich an Deine Mutter oder an Deinen Vater. Du hältst Dir die Ohren zu. Du siehst das weiße Licht der Rakete und wartest auf die Explosion. Warum töten sie Kinder? Was haben sie getan? Warum kann Dich niemand beschützen? Wirst Du verletzt werden? Wirst Du ein Bein oder einen Arm verlieren? Wirst Du blind werden oder in einem Rollstuhl sitzen? Warum wurdest Du geboren? War es, um Schönes zu erleben? Oder war es um das hier zu erleben? Wirst Du groß werden? Wirst Du glücklich? Wie wird es sein, ohne Deine Freunde? Wer wird als nächstes sterben? Deine Mutter? Dein Vater? Deine Brüder und Schwestern? Irgendjemand den Du kennst wird verletzt. Bald. Jemand den Du kennst wird sterben. Bald.

    Nachts liegst Du im Dunkel auf dem kalten Zementboden. Die Telefone sind unterbrochen. Das Internet ist abgeschaltet. Du weißt nicht, was passiert. Es gibt Lichtblitze. Es gibt Wellen von Erschütterungen durch Explosionen. Es gibt Schreie. Es hört nicht auf.

    Du wartest, wenn Dein Vater oder Deine Mutter auf der Suche nach Essen oder Wasser sind. Das schreckliche Gefühl im Magen. Werden sie zurückkommen? Wirst Du sie wiedersehen? Wird Dein kleines Zuhause das nächste sein? Werden die Bomben Dich finden. Sind dieses Deine letzten Momente auf dieser Welt?

    Du trinkst salziges, schmutziges Wasser. Es macht Dich sehr krank. Dein Magen tut weh. Du hast Hunger. Die Bäckereien sind zerstört. Es gibt kein Brot. Du ißt einmal am Tag. Nudeln. Eine Gurke. Bald wird es wie ein Festmahl sein.

    Du spielst nicht mit Deinem Fußball aus Lumpen. Du läßt Deinen Drachen nicht fliegen, der aus altem Zeitungspapier gebaut ist.

    Du hast ausländische Reporter gesehen. Wir tragen Schutzwesten auf denen das Wort „Presse“ steht. Wir haben Helme. Wir haben Kameras. Wir fahren in Jeeps. Wir tauchen immer nach der Bombardierung auf oder nach einer Schießerei. Wir sitzen lange bei Kaffee und reden mit den Erwachsenen. Dann verschwinden wir. Normalerweise interviewen wir keine Kinder. Aber ich habe Interviews mit Euch gemacht, als Ihr uns umringt habt. Es wurde gelacht. Gestikuliert. Ihr habt uns gebeten, Fotos von Euch zu machen.

    Ich bin in Gaza von Kampfjets bombardiert worden. Ich wurde in anderen Kriegen bombardiert. Das war, bevor Du geboren wurdest. Ich hatte sehr große Angst. Ich träume immer noch davon. Wenn ich heute die Bilder aus Gaza sehe, kehren die Kriege mit großer Wucht wie Donner und Blitze zu mir zurück. Ich denke an Euch.

    Alle von uns, die im Krieg waren, hassen den Krieg vor allem wegen dem, was er Kindern antut.

    Ich habe versucht Deine Geschichte zu schreiben. Ich habe versucht der Welt zu sagen, wenn man grausam zu Menschen ist, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr, Jahrzehnte lang, wenn man den Menschen ihre Freiheit und ihre Würde nimmt, wenn man sie erniedrigt und in einem Gefängnis unter freiem Himmel einsperrt, wenn man sie tötet als seien sie wilde Tiere, dann werden sie zornig. Sie tun anderen das an, was man ihnen angetan hat. Ich habe das immer wieder gesagt. Ich habe das sieben Jahre lang gesagt. Kaum jemand hat zugehört. Und jetzt dies.

    Es gibt sehr mutige palästinensische Journalisten. 39 von ihnen wurden getötet, seit dieses Bombardement begann. Sie sind Helden. Auch die Ärzte und Krankenpfleger in Euren Krankenhäusern sind Helden. Auch die UN-Mitarbeiter. 89 von ihnen wurden getötet. Auch die Fahrer von Rettungswagen und das medizinische Personal. Auch Eure Mütter und Väter, die Euch vor den Bomben beschützen.

    Aber wir sind nicht dort. Nicht dieses Mal. Man läßt uns nicht hinein, man sperrt uns aus.

    Reporter aus aller Welt werden zum Grenzübergang Rafah gehen, weil wir diesem Abschlachten nicht zuschauen können, ohne etwas zu tun. Wir gehen, weil Hunderte Menschen jeden Tag sterben, darunter 160 Kinder. Wir gehen, weil dieser Völkermord aufhören muss. Wir gehen, weil wir Kinder haben. Kinder wie Du. Kostbar. Geliebt. Wir gehen, weil wir wollen, daß Du lebst.

    Ich hoffe, dass wir uns eines Tages treffen können. Du wirst erwachsen sein. Ich werde ein alter Mann sein. Obwohl, ich bin für Dich schon heute sehr alt. In meinen Traum über Dich wirst Du frei und sicher und glücklich sein. Niemand wird versuchen, Dich zu töten. Du wirst in Flugzeugen reisen, die mit Menschen gefüllt sind, nicht mit Bomben. (…)* Du wirst die Welt sehen. Du wirst erwachsen werden und Kinder haben. Du wirst alt werden. Du wirst Dich an dieses Leid erinnern, aber Du wirst wissen, dass es bedeutet, anderen zu helfen, die leiden. Das ist meine Hoffnung. Dafür bete ich.

    Wir haben dich im Stich gelassen. Das ist unsere furchtbare Schuld. Wir haben es versucht, aber wir haben nicht genug getan. Wir werden nach Rafah gehen. Viele von uns. Reporter. Wir werden vor der Grenze mit Gaza stehen und protestieren. Wir werden schreiben und filmen. Das ist, was wir tun. Nicht viel, aber etwas. Wir werden Deine Geschichte neu aufschreiben.

    Vielleicht reicht es, um das Recht zu verdienen, Dich um Vergebung zu bitten.

    Quelle: https://chrishedges.substack.com/p/letter-to-the-children-of-gaza?utm_source=post-email-title&publication_id=778851&post_id=138698489&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=12utvo&utm_medium=email

    Die Übersetzung besorgte Karin Leukefeld (leicht gekürzt). Die Kürzung betrifft diesen Satz:

    You will not be trapped in a concentration camp. *Du wirst nicht in einem Konzentrationslager gefangen sein.

    Die Übersetzerin schrieb uns: Auf redaktionellen Wunsch wegen des deutschen Kontexts wurde der Satz mit dem Begriff „concentration camp“ (s. Original in Englisch) ausgelassen. Die Auslassung ist so (…) markiert. Ich wollte es nicht umformulieren in „Freiluftgefängnis“.

    Mit Dank an Frau Leukefeld für die Übersetzung

    Diesen Brief finden Sie auch auf www.globalbridge.ch (mit der Übersetzung "Freiluftgefängnis".)

    Vielleicht nehmen sich Germanisten der Frage an, ob es im deutschen Sprachraum angebracht ist, das Wort concentration camp im Text im Zusammenhang mit Gaza wortgetreu mit Konzentrationslager zu übersetzen, es ganz wegzulassen oder durch Freiluftgefängnis zu ersetzen.


    Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/chris-heges-brief-an-die-kinder-in-gaza?acm=3998_1992

    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.11.2023

    Der OberlehrerEU-Freihandelsabkommen mit Australien ist gescheitert; Gespräche über Abkommen mit dem Mercosur, Indien und Indonesien stecken fest. Die deutsche Industrie protestiert, wirft der EU „Werteimperialismus“ vor.

    german-foreign-policy.com, 10. November 2023

    BRÜSSEL/CANBERRA/BRASÍLIA (Eigener Bericht) – Deutsche Wirtschaftskreise üben scharfe Kritik am Scheitern des EU-Freihandelsabkommens mit Australien und an der fortdauernden Verschleppung weiterer EU-Freihandelsgespräche. Canberra hatte die Verhandlungen mit der EU Anfang vergangener Woche abgebrochen – für Brüssel ein schwerer Schlag: Die EU will mit Hilfe australischer Ressourcen von China unabhängiger werden. Auch das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur ist vom Scheitern bedroht: Die Mitgliedstaaten des südamerikanischen Bündnisses sind nicht bereit, sich den klar als Schikane empfundenen Brüsseler Forderungen zum Schutz des Regenwaldes ohne weiteres zu beugen. Ob eine Annäherung möglich ist, gilt als ungewiss. Die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien und Indonesien stecken ebenfalls fest. Ursache für das Scheitern sind zum einen offenbar unüberbrückbare Interessensdivergenzen zwischen der deutschen Industrie und der französischen Landwirtschaft; zum anderen wird das Beharren der EU auf Umweltforderungen, wie Kommentatoren urteilen, als „Werteimperialismus“ wahrgenommen. Die Union, heißt es, führe sich gegenüber anderen Staaten „wie ein Oberlehrer“ auf.


    Zitat: Gescheitert

    Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Australien hatte die EU schon im Juni 2018 begonnen. Anlass war zum einen das Interesse der Industrie, einen neuen Absatzmarkt zu öffnen. Darauf gedrängt hatten vor allem deutsche Exporteure, auch wenn Australien mit nur knapp 27 Millionen Einwohnern begrenzte Abnahmekapazitäten hat. Wichtigstes Ziel war auf Seiten der EU allerdings, besseren Zugriff auf Australiens Ressourcen zu erlangen. Das Land verfügt unter anderem über riesige Lithiumvorkommen, über die zweitgrößten Vorräte an Kobalt und über umfangreiche Lagerstätten etwa von seltenen Erden, Nickel und Graphit. Dabei handelt es sich um Rohstoffe, die eine zentrale Bedeutung für wichtige Technologien der Energiewende besitzen. Zur Zeit sind die EU-Staaten bei ihrem Erwerb in hohem Maß auf China angewiesen. Ein Freihandelsabkommen mit Australien sollte helfen, die Abhängigkeit zu lindern. Als Gegenleistung forderte Canberra besseren Zugang für Australiens Landwirte in den Markt der EU. Daran sind die Verhandlungen jetzt gescheitert. Australiens Landwirtschaftsminister erklärte am Montag vergangener Woche, Brüssel sei nicht zu ernsthaften Zugeständnissen bereit gewesen; Canberra brach die Verhandlungen ab. Wegen der EU-Wahl 2024 und der Wahl in Australien 2025 werden weiteren Gesprächen keine Chance eingeräumt.[1]


    Vom Scheitern bedroht

    Vom Scheitern bedroht sind zudem die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay). Diese wurden bereits im Juni 1999 gestartet und konnten – nach mehreren Unterbrechungen – erst im Juni 2019 abgeschlossen werden. Allerdings steht bislang noch die Ratifizierung aus. Attraktiv ist das Abkommen vor allem für die EU-Industrie, der es den riesigen Mercosur-Absatzmarkt mit 260 Millionen Einwohnern öffnen würde. Sehr für das Abkommen stark gemacht hat sich die deutsche Industrie. Die Ratifizierung stockt, weil Länder mit starken Agrarinteressen – Frankreich, Irland, Österreich – sie unter dem Vorwand blockieren, eine Zusatzvereinbarung zum Schutz des Regenwaldes schließen zu wollen. Im Mercosur wird dies als willkürliche Schikane zurückgewiesen. Stattdessen verlangen Brasilien und Argentinien neue Schutzvorschriften für ihre von der EU-Konkurrenz bedrohte Industrie.[2] Zur Zeit stecken die Verhandlungen wieder einmal fest. Dabei ist inzwischen unklar, wie lange der Mercosur überhaupt noch zur Verfügung steht. In Argentinien droht der ultrarechte Präsidentschaftskandidat Javier Milei mit dem Austritt aus dem Bündnis. In Uruguay wird, da das EU-Abkommen ausbleibt, über ein Freihandelsabkommen mit China auf nationaler Ebene diskutiert; dies würde den Mercosur sprengen.


    Nicht erreichbar

    Allenfalls schleppende Fortschritte verzeichnet die EU in den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indien. Auch diese wurden bereits im Jahr 2007 aufgenommen und mussten 2013 wegen unzureichender Fortschritte abgebrochen werden; seit Juni 2022 wird nun weiterverhandelt. Eine besondere Bedeutung wird dem Abkommen beigemessen, weil die EU Indien als alternativen Produktionsstandort und als alternativen Absatzmarkt zu China nutzen will; ein Abbau von Handelsbarrieren würde dies erleichtern. Allerdings gilt Indien, ähnlich wie die EU, als schwieriger Verhandlungspartner. Im Februar hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch in New Delhi energisch für Fortschritte in den Verhandlungen stark gemacht [3]; im Juli hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ebenfalls während eines Aufenthalts in der indischen Hauptstadt versucht, die Gespräche zu beschleunigen [4]. Der ursprüngliche Plan, das Freihandelsabkommen noch in diesem Jahr unter Dach und Fach zu bringen, gilt inzwischen allerdings als nicht realisierbar. „Jeder, der einigermaßen bei Verstand ist und die Komplexität dieser Verhandlungen kennt, wird nicht für eine Sekunde daran glauben, dass dies ein erreichbares Ziel war“, erklärte Ende Oktober der EU-Botschafter in Indien, Hervé Delphin; die Verhandlungen über das Abkommen würden noch erheblich mehr Zeit verschlingen.[5]


    Feststeckend

    Schwierigkeiten gibt es auch bei den Bemühungen, Freihandelsabkommen mit den Staaten Südostasiens zu schließen. Das 2007 gestartete ehrgeizige Vorhaben, sich auf ein Abkommen mit dem Staatenbund ASEAN zu einigen, musste bereits 2009 abgebrochen werden. Seitdem ist die EU bemüht, ersatzweise Freihandelsvereinbarungen mit einzelnen ASEAN-Ländern zu schließen. Erfolgreich war das bisher lediglich bei der – strategisch freilich bedeutenden – Handelsdrehscheibe Singapur sowie bei Vietnam, das sich als Alternativstandort zu China zu profilieren sucht; Freihandelsabkommen mit den beiden Staaten traten im November 2019 bzw. im August 2020 in Kraft. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indonesien, die bereits im Juli 2016 aufgenommen wurden, stecken fest. Von Bedeutung sind sie, weil Indonesien zum einen mit seinen 280 Millionen Einwohnern der größte Markt des ASEAN-Bündnisses ist und zum anderen als aufstrebendes Schwellenland mit schnell steigendem Einfluss gilt, das die EU enger an sich zu binden sucht. Die Gespräche stocken nun vor allem, weil die EU die Palmölherstellung in Indonesien zurückdrängen will, die dort zur Reduzierung der Regenwaldbestände führt. Jakarta begreift dies als Diskriminierung indonesischer Produzenten zugunsten der Konkurrenz aus der EU; es setzt sich also entschlossen dagegen zur Wehr.[6]


    Werteimperialismus

    Aus der deutschen Wirtschaft kommt inzwischen scharfe Kritik. Für Exporteure wiegen die Fehlschläge in den Freihandelsbemühungen schwer. Zum einen suchen sie verzweifelt nach Auswegen aus der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise. Zum anderen ziehen konkurrierende Staaten an Deutschland und der EU vorbei. So ist etwa seit dem 31. Mai 2023 ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und Australien in Kraft; zudem ist es dem Vereinigten Königreich gelungen, dem asiatisch-pazifischen Freihandelsbündnis CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) beizutreten, das der britischen Industrie nun Absatzmärkte unter anderem in Südostasien öffnet. Das wiederholte Scheitern der EU wiederum wird einerseits darauf zurückgeführt, dass sich die divergierenden Interessen der Mitgliedstaaten nicht vereinen lassen: Die deutsche Industrie und die französische Landwirtschaft stehen sich regelmäßig im Weg. Zum anderen sind Drittstaaten immer weniger bereit, sich den immer umfassenderen Forderungen der EU vor allem in Klima- und Umweltbelangen zu beugen. Dies gelte als „Werteimperialismus“, konstatieren wirtschaftsnahe Kommentatoren [7]; die EU trete immer öfter „wie ein Oberlehrer auf“ [8]. Dabei müsse – spätestens seit der BRICS-Erweiterung [9] – „allen klar sein: Die Zeiten, in denen sich Europa dank seiner Wirtschaftsmacht hofieren lassen konnte, sind vorbei.“[10] Diese Erkenntnis aber sei in Brüssel offenbar noch nicht angekommen.

     

    [1] Mathias Peer, Olga Scheer: Australien lässt Freihandelsdeal mit der EU platzen. handelsblatt.com 30.10.2023.

    [2] S. dazu Die Lateinamerika-Offensive der EU (III).

    [3] S. dazu „Indien einbinden”.

    [4] S. dazu Keine Alternative.

    [5] Utpal Bhaskar, Shashank Mattoo: End-of-year deadline for India-EU FTA is unrealistic: EU ambassador. livemint.com 29.10.2023.

    [6] Mathias Peer, Olga Scheer: Australien lässt Freihandelsdeal mit der EU platzen. handelsblatt.com 30.10.2023.

    [7] Martin Greive: EU-Handelspolitik: Runter vom hohen Ross. handelsblatt.com 31.10.2023.

    [8] Jürgen Matthes, Samina Sultan: EU sollte gegenüber den Mercosur-Staaten kompromissbereiter sein. handelsblatt.com 22.10.2023.

    [9] S. dazu Strategien gegen die BRICS.

    [10] Martin Greive: EU-Handelspolitik: Runter vom hohen Ross. handelsblatt.com 31.10.2023.


    Info:  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9400


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    10.11.2023

    Der 7. Oktober – ein vorläufiges Resumée

    freedert.online, 9 Nov. 2023 19:01 Uhr, Von Dagmar Henn

    Unter den Bomben, die täglich auf Gaza fallen, sind die Ereignisse des 7. Oktober inzwischen für die einen völlig verschwunden, während die anderen selbst Tausende toter Kinder in Gaza nicht einmal wahrnehmen wollen. Aber nach wie vor liegen die ursprünglichen Ereignisse im Nebel.


    Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Omar Ashtawy apaimages


    Verletztes Kind in Gaza, 31. Oktober 2023


    So einfach, wie das in Deutschland erzählt wird, mit der bösen Terrororganisation Hamas gegen das gute Israel, ist die Geschichte nicht. Im Gegenteil, der erste Blick führt völlig in die Irre. Zumindest Teile der Geschichte werden in anderen Ländern durchaus benannt. In India Today beispielsweise, oder selbst im kanadischen Sender CBC, beide mit einer ganzen Fülle von Zitaten und Belegen. Allerdings kann man die Geschichte durchaus noch ein Stück weiter zurückverfolgen, wenn man die Ursprünge der Muslimbruderschaft betrachtet.


    Eine Berliner Erfindung

    Die Muslimbruderschaft ist der Ursprung einer ganzen Reihe politischer Organisationen in verschiedenen Ländern. Sie stellte in Ägypten nach dem "arabischen Frühling" die Regierung, bis sie vom Militär gestürzt wurde. Sie ist der Ursprung der türkischen AKP, der Partei des türkischen Regierungschefs Erdoğan. Eine der einflussreichsten Organisationen im Nahen Osten, aber keine Organisation, die ganz von alleine entstand.


    Land der Legenden, Land des Blutes: Wie Gaza zum ewigen Kriegsgebiet wurde




    Analyse

    Land der Legenden, Land des Blutes: Wie Gaza zum ewigen Kriegsgebiet wurde






    Tatsächlich war die Muslimbruderschaft ebenso sehr das Instrument des Auswärtigen Amtes in Berlin, wie die Wahabiten und das Haus Al-Saud das der Briten waren. Wenn beispielsweise gerne der Großmufti von Jerusalem aus den 1940ern zitiert wird, um arabischen Antisemitismus zu belegen, handelt es sich um einen Vertreter der Muslimbruderschaft mit engen Verbindungen nach Berlin, und nicht um einen durch und durch authentischen Vertreter seiner Glaubensgemeinschaft.

    Wer die unterschiedlichen Legenden kennt, weiß, dass sich vielfach solche Strukturen mit authentischen Bewegungen vermischt haben. Dazu genügt es, den Film "Lawrence von Arabien" anzusehen, der Anfang des 20. Jahrhunderts spielt. Die Aufstände, die er im britischen Auftrag anführte, hatten vor allem den Zweck, den Franzosen ihre Kolonien abzunehmen – und in britische zu verwandeln. Auf die gleiche Art und Weise nutzte das Auswärtige Amt die Muslimbrüder, um die britische Macht zu unterminieren. Nicht mit der Absicht, eine wirkliche Souveränität zu ermöglichen, sondern, sich die Herrschaft über diese Gebiete selbst anzueignen.

    Der Übergang der auswärtigen Kontrolle über die Muslimbrüder an die Vereinigten Staaten erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, und nicht vollständig. In der alten Bundesrepublik setzte Gerhard von Mende die Betreuung dieser Organisation fort, für die er bereits im Amt Rosenberg der Nazis zuständig gewesen war.


    Krieg in Nahost: Israel startet massive Luftangriffe im nördlichen Gazastreifen





    Krieg in Nahost: Israel startet massive Luftangriffe im nördlichen Gazastreifen






    Interessanterweise spielt bei der Internationalisierung dieser Organisation ausgerechnet eine Moschee in München-Freimann eine zentrale Rolle. Es gibt ein Buch eines US-amerikanischen Journalisten zu diesem Thema, "Die vierte Moschee" von Ian Johnson, das diese Geschichte nachzeichnet; auch wenn man, ähnlich wie bei den Bandera-Nazis, annehmen sollte, dass die deutsche Verbindung trotz der starken Beteiligung der CIA nie abgerissen ist.


    Netanjahus Spaltungsmanöver

    Als Teil der Muslimbruderschaft ist natürlich auch die Hamas Teil dieser Geschichte, auch wenn die neueren Details, die etwa India Today anführt, noch etwas bizarrer sind als die Verquickung mit Berliner Machtpolitik. Die indische Tageszeitung fragt:

    "Warum Netanjahu geholfen hat, die Hamas zu finanzieren, und wie das gegen Israel zurückschlug."

    Ja, es war der heutige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu persönlich, der im Vorlauf zu den Wahlen im Westjordanland und im Gazastreifen im Jahr 2006 alles dafür tat, die Hamas zu stärken. Erst vor einigen Monaten zitierte ihn die Jerusalem Post mit einer Aussage, die er damals in einer geschlossenen Sitzung eines israelischen Parlamentsausschusses machte:

    "Die palästinensischen Hoffnungen, einen souveränen Staat zu errichten, müssen ausgelöscht werden."

    Das Mittel der Wahl, um eine Umsetzung der Oslo-Abkommen, die Netanjahu immer abgelehnt hat, zu verhindern, war die Zerstörung der politischen Einheit der Palästinenser, indem in Gaza die Hamas als "Gegengewicht" zur PLO aufgebaut wurde. Hamas und Netanjahu, so schrieb selbst die New York Times noch im Mai 2021, "sind jeweils des anderen wertvollster Partner (…) seit Netanjahu 1996 zum ersten Mal gewählt wurde – im Gefolge einer Welle von Selbstmordanschlägen der Hamas."

    Der ehemalige Chef des saudi-arabischen Geheimdienstes, Prinz Turki-al-Faisal, erklärte Ende Oktober, selbst die heutige Finanzierung der Hamas aus Katar erfolge nicht nur mit Billigung, sondern unter aktiver Mitwirkung israelischer Behörden:

    "Die Gelder werden elektronisch nach Israel überwiesen, woraufhin israelische und UN-Beschäftigte sie zu Fuß über die Grenze nach Gaza tragen."

    Nun sollte man dabei nicht vergessen, dass es eine Rivalität zwischen Katar und Saudi-Arabien gibt, die letztlich auf die alte Konkurrenz zwischen den Wahabiten und den Muslimbrüdern zurückgeht, seine Aussage also nicht unbeinflusst von eigenem Interesse ist. Aber es hat sich bis heute nichts daran geändert, dass Netanjahu und seine Bündnispartner ein aktives Interesse daran haben, zwar irgendwie eine Art politischer Vertretung der Palästinenser sowohl im Westjordanland als auch in Gaza aufrechtzuerhalten, weil ihr Verschwinden die ganze Frage eines Endes der Besatzung neu aufwerfen würde, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass diese Vertretung möglichst schwach bleibt.

    Ähnlich berichtet das aber auch die Times of Israel:

    "Israel hat es seit 2018 erlaubt, das Koffer mit Millionen aus Katar die Grenze nach Gaza überqueren, um seinen fragilen Waffenstillstand mit der Hamas, die dort regiert, zu bewahren."

    Und zieht dann ein Fazit, bezogen auf den 7. Oktober:

    "Eines ist klar: das Konzept, die Hamas indirekt zu stärken – während man gelegentliche Angriffe und kleinere Militäreinsätze alle paar Jahre hinnimmt – ging am Samstag in Rauch auf."

    Die Grenzen politischer Einflussnahme

    Niemanden dürfte es mehr wundern, dass sich gerade im Nahen Osten, mit seiner Bedeutung als Ölquelle, die Fäden politischer Einflussnahme vielfach kreuzen und verknoten, und dass sich dort genau das gleiche Phänomen externer politischer Kontrolle findet, das man auch in Deutschland in Gestalt von Astroturfing und dutzenden Stiftungen beobachten kann, nur in anderer Gestalt. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, den man berücksichtigen muss, der den Bemühungen, auf diese Weise politische Entwicklungen zu kontrollieren und zu instrumentalisieren, entgegensteht.


    Zivilisten im Gazastreifen – eigentliches Ziel der israelischen Bomben?




    Meinung

    Zivilisten im Gazastreifen – eigentliches Ziel der israelischen Bomben?






    Es gibt eine ganze Reihe historischer Beispiele, wie solche Versuche scheitern oder manchmal sogar das Gegenteil bewirken können. Khomeinis Exil in Frankreich war auch ein französischer Schachzug gegen die damals den Iran kontrollierenden US-Amerikaner, aber es entstand dennoch eine reale Bewegung der iranischen Bevölkerung und am Ende eine Staatsgewalt, auf die die ursprünglichen Förderer keinen Einfluss mehr hatten. Ähnlich scheiterten 1917 die deutschen Versuche, den Briten ihre russische Beute abzujagen – am Ende von Oktoberrevolution und Bürgerkrieg stand ein tatsächlich souveräner Staat, und beide Räuber hatten verloren.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass Bemühungen, die der Absicht folgen, ein Land zu kontrollieren oder von der Konkurrenz zu übernehmen, scheitern und, gewissermaßen versehentlich, das Entstehen einer realen Bewegung der Bevölkerung fördern, steigt in Zeiten großer Krisen deutlich. Die Strategie, nach der vor dreizehn Jahren der "arabische Frühling" angezettelt wurde, ist heute um ein Vielfaches riskanter, als sie es damals war, weil die globalen Machtverhältnisse im Umbruch sind.

    Das, und nicht die Liste tatsächlicher oder vermeintlicher Sponsoren, macht es so schwierig, tatsächlich zu definieren, welche Rolle die Hamas derzeit einnimmt. Rechtlich und diplomatisch ist sie für jene, die den Staat Palästina anerkennen, die legitime Vertretung der Bevölkerung von Gaza, schlicht, weil sie 2006 die Wahlen gewonnen hat.

    Aber politisch kann sie sich durchaus im Übergang von einem israelischen Instrument zu einer echten Bewegung palästinensischen Widerstands befinden. Veränderungen verlaufen nicht nur in der Richtung, dass politische Bewegungen saturiert werden und ihre Ziele verraten; sie können auch so verlaufen, dass sich, aufgrund der Wucht, die die gesellschaftlichen Widersprüche angenommen haben, eine ursprünglich leere Hülle mit Inhalt füllt.


    Die Wahrheit ist unbekannt

    Augenblicklich sagt jedenfalls die Verwicklung von Benjamin Netanjahu in den Aufstieg der Hamas mehr über die israelische Politik aus als über die Hamas. Und so gut wie alle Fragen, wie und warum der 7. Oktober möglich war und was dabei wirklich geschehen ist, sind nach wie vor unklar. Die politische Führung der Hamas hat mittlerweile eine internationale Untersuchung gefordert.


    Israelischer Plan zur ethnischen Säuberung Palästinas – Hilfestellung durch Kanzler Scholz?




    Meinung

    Israelischer Plan zur ethnischen Säuberung Palästinas – Hilfestellung durch Kanzler Scholz?





    Es finden sich deutliche Hinweise, dass die israelische Führung nicht halb so ahnungslos gewesen sein konnte, wie sie es dargestellt hat. Dazu gehören sowohl die ägyptische Meldung, Netanjahu sei persönlich vom ägyptischen Geheimdienst gewarnt worden, als auch Berichte, dass die israelischen Stellungen an der Grenze des Gazastreifens ungewöhnliche Aktivitäten gemeldet hatten, aber keine Reaktion darauf erfolgte. Und darüber hinaus gibt es auch Zweifel daran, wie weit die Darstellung der Ereignisse durch die israelische Regierung zutrifft.

    Der Journalist Max Blumenthal hat Ende Oktober einen sehr ausführlichen Artikel auf The Grayzone veröffentlicht, in dem er unzählige Zeugenaussagen und Berichte bündelte, die aus der israelischen Presse stammen. Aussagen, wonach vielfach die israelische Armee für den Tod von Zivilisten verantwortlich war, für die die Hamas verantwortlich gemacht wurde.

    "Die zunehmenden Belege für freundliches Feuer, die von Kommandeuren der israelischen Armee weitergegeben werden, machen es sehr wahrscheinlich, dass die erschütterndsten Bilder verkohlter israelischer Leichen, israelische Häuser, die in Schutthaufen verwandelt wurden, und ausgebrannter Fahrzeuge, die den westlichen Medien präsentiert wurden, tatsächlich das Werk von Panzerbesatzungen und Hubschrauberpiloten waren, die israelisches Gebiet mit Granaten, Kanonenbeschuss und Hellfire-Raketen eindeckten.

    Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass am 7.Oktober das israelische Militär mit der gleichen Taktik reagierte, die es gegen die Zivilbevölkerung von Gaza einsetzt, und durch den unterschiedslosen Einsatz schwerer Waffen den Blutzoll unter den eigenen Bürgern in die Höhe trieb."

    Nachdem es keine internationale Untersuchung geben wird, zumindest nicht, solange die Regierung Netanjahu in Israel im Amt ist, gibt es keinen Weg, derzeit die vielen Zweifel zu klären. Vielleicht gibt es irgendwann einmal einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der dieses Dickicht durchdringen kann. Nicht nur die Bewertung der Organisation Hamas ist unklar, auch die tatsächlichen Ereignisse, die als Begründung für den Angriff auf Gaza dienen. Nur ein einziger Punkt ist sicher – das Bestreben, israelische Bürger als Geiseln zu nehmen, ist eine Reaktion auf tausende Palästinenser, darunter Kinder, die in israelischen Gefängnissen sitzen und oftmals auch nichts anderes sind als Druckmittel, um ihre Familien zu Gehorsam zu zwingen, also ebenfalls Geiseln.


    Ein Weg durch den Nebel

    Nun ist klar, dass man unter solchen Umständen nicht sagen kann: "Wir warten einfach so lange, bis in allen Punkten die Wahrheit klar ist." Gerade, wenn Handlungen stattfinden, die man zu Recht als Genozid bezeichnen kann. Klar ist aber ebenfalls, dass jede emotionale Reaktion in die Irre führen kann, weil sie notwendigerweise auf unvollständiger Information beruht.


    Hamas-Politiker Basem Naim: Wir wollen eine internationale Untersuchung des 7. Oktober






    Hamas-Politiker Basem Naim: Wir wollen eine internationale Untersuchung des 7. Oktober





    Die mögliche Handlung besteht tatsächlich darin, auf die Einhaltung des Völkerrechts und humanitärer Grundsätze zu drängen. Dabei würde ein Waffenstillstand (nicht die kleine Kampfpause, die sich die Führung der Vereinigten Staaten so vorstellt) auch, und das ist nicht unwichtig, die Möglichkeit schaffen, dass die israelische Öffentlichkeit die Gelegenheit erhält, sich mit den aufgelaufenen Zweifeln auseinanderzusetzen und von der Regierung Netanjahu Rechenschaft zu fordern; was allerdings einen weiteren Grund liefert, warum der bereits durch ein Korruptionsverfahren bedrängte Netanjahu genau daran kein Interesse hat.

    Was, wenn sich letztlich erweist, dass die Regierung Netanjahu die Ereignisse des 7. Oktober wissentlich gebilligt hat? Was, wenn sich herausstellen sollte, dass die zivilen Opfer in Israel weitgehend auf das Konto der israelischen Armee gehen? Was, wenn am Ende als Vorwurf gegen Hamas nur die Gefangennahme israelischer Bürger zum Zwecke des Austauschs übrig bleibt? Oder anders herum, wenn die alten Beziehungen zwischen Hamas und Netanjahu der Auslöser der ganzen Kette von Ereignissen waren, sie also gewissermaßen im Auftrag erfolgten? Oder es, über welche Verbindung auch immer, schlicht den Vereinigten Staaten darum ging, wieder einmal eine Runde Unruhe zu stiften? In jedem dieser Fälle führt eine Parteinahme für die politischen Strukturen, gleich auf welcher Seite, in die Irre.

    Aber übrig bleiben die Anforderungen der Humanität, und eine Unterstützung jedes Bestrebens, Klarheit zu schaffen. Wenn man diesen Regeln verpflichtet bleibt, kann man selbst in langen Phasen der Unklarheit so handeln, dass für die Zukunft kein Schaden angerichtet wird. Eine Haltung, die zwar Russland und China einzunehmen vermögen, für die dem Westen aber sowohl Wille als auch Einsicht abgehen.


    Mehr zum Thema - Die Weltgemeinschaft ist schockiert über die Heuchelei des Westens im Konflikt um Gaza


    RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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    Info: https://freedert.online/der-nahe-osten/186535-7-oktober-vorlaeufiges-resumee


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    09.11.2023

    Krieg in Nahost: Israel startet massive Luftangriffe im nördlichen Gazastreifen

    freedert.online, 9 Nov. 2023 17:59 Uhr

    Die Bilder und Videos aus dem Grenzgebiet des Gazastreifens und Israel schockieren die Welt. Mit dem Angriff der Hamas auf Israel kam es nun zu einer neuen Eskalation der Gewalt. Die israelische Armee startete am 9. Oktober eine unbarmherzige Militäroperation gegen den Gazastreifen.


    Dieses Bild, aufgenommen von der israelischen Seite der Grenze zum Gazastreifen am 9. November 2023, zeigt einen Feuerball, der während eines israelischen Bombardements im Gazastreifen ausbricht.


    Quelle: AFP © Kenzo TRIBOUILLARD











  • 9.11.2023 21:55 Uhr

    21:55 Uhr

    Huthi bekennen sich zu Angriff auf Gebäude in Eilat

    Vertreter der jemenitischen Huthi haben sich mittlerweile zu dem Angriff in der südisraelischen Stadt Eilat bekannt. Ein Sprecher der Organisation erklärte, die Huthi hätten am heutigen Tag mehrere Ziele in Israel mit ballistischen Raketen beschossen, darunter auch "militärische Ziele" in Eilat.

    Die israelische Armee hatte zuvor von einer Drohne unbekannter Herkunft gesprochen, die ein ziviles Gebäude in Eilat getroffen habe. Diese habe lediglich Sachschäden verursacht, hieß es weiter. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf das Militär, eine Schule sei beschädigt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

  • 21:39 Uhr

    Israelischer Abgeordneter: Fotojournalisten aus Gaza, die den Angriff vom 7. Oktober aufgenommen haben, werden eliminiert

    Der Likud-Politiker Danny Dannon, Mitglied der Knesset und Ständiger Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen, sagte, dass alle Fotojournalisten, die Fotos oder Videos von dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober gemacht haben, auf eine israelische Eliminierungsliste gesetzt werden, da sie als Teilnehmer des Angriffs gelten.

    Hintergrund seiner Aussage ist ein Medienbericht, in dem die Anwesenheit von Fotojournalisten am Grenzzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen am 7. Oktober infrage gestellt wurde. Dies warf die Frage auf, ob Journalisten im Vorfeld von dem Angriff der Hamas wussten. Mehrere israelische Politiker haben die Behauptungen aufgegriffen und den Journalisten eine Beteiligung unterstellt (RT DE berichtete).

    Die beschuldigten Journalisten und auch die betroffenen Zeitungen und Nachrichtenagenturen bestreiten dies teils vehement. Einige Journalisten erklärten, sie hätten nur ihre Arbeit gemacht. Die Nachrichtenorganisationen AP, Reuters und CNN haben die Zusammenarbeit mit den beschuldigten freiberuflichen Fotografen mittlerweile beendet. Die New York Times verteidigte unterdessen einen ihrer freiberuflichen Fotografen nachdrücklich und erklärte laut Al Jazeera, es seien "vage Anschuldigungen" gegen Yousef Masoud erhoben worden, für die es "keine Beweise" gebe.

    "Unsere Überprüfung seiner Arbeit zeigt, dass er das getan hat, was Fotojournalisten bei großen Nachrichtenereignissen immer tun, nämlich die Tragödie zu dokumentieren, während sie sich entfaltet", heißt es in einer Erklärung der New York Times. "Wir sind sehr besorgt darüber, dass unbegründete Anschuldigungen und Drohungen gegenüber freien Mitarbeitern diese gefährden und die Arbeit, die dem öffentlichen Interesse dient, untergraben."

  • 21:20 Uhr

    Menschen in Gaza-Stadt suchen während des schweren israelischen Bombardements Schutz im Krankenhaus

  • 20:53 Uhr

    Palästinensische Gesundheitsbehörde: Mindestens 15 Tote bei israelischen Razzien im Westjordanland

    Bei israelischen Razzien im besetzten Westjordanland sind nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde mindestens 15 Palästinenser getötet und mindestens 20 weitere verletzt worden. Die Razzien hatten unter anderem in der Stadt Dschenin und dem angrenzenden Flüchtlingslager sowie in anderen Ortschaften stattgefunden.

    Die israelische Armee bestätigte zunächst einen Einsatz in Dschenin, gab jedoch keine Details bekannt. Später erklärte sie, Ziel sei es, die "Sicherheit aller Bewohner der Region" zu schützen und "Terrorismus sowie Aktivitäten vorzubeugen, welche die Bürger Israels gefährden."

    Die Palästinensische Rothalbmondgesellschaft gab an, dass israelische Streitkräfte auf einen ihrer Krankenwagen geschossen hätten, als dieser versucht habe, einen Verletzten zu erreichen. Die Besatzung des Krankenwagens wurde am Eingang des Flüchtlingslagers Dschenin blockiert und daran gehindert, den Ort des Geschehens zu erreichen, hieß es.

    Seit Beginn des Gaza-Krieges eskaliert auch die Gewalt im besetzten Westjordanland. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtet, dass die Kämpfe dort auch am Nachmittag andauerten. Schwarzer Rauch sei über der Stadt Nablus und dem angrenzenden Flüchtlingslager aufgestiegen, Explosionen und Salven von Kleinwaffen zu hören gewesen. 

  • 20:11 Uhr

    US-Präsident Biden: Keine Chance für Waffenstillstand

    US-Präsident Joe Biden stellte klar, dass er keine Chance für einen baldigen Waffenstillstand im Gazakrieg sehe. Auf die Frage, ob es entsprechende Aussichten gebe, sagte Biden:

    "Keine. Keine Möglichkeit."

    In Bezug auf die von der Hamas festgehaltenen Geiseln sagte Biden, dass er noch optimistisch sei. Die US-Regierung lehnt mit Blick auf die Situation im Gazastreifen einen generellen Waffenstillstand ab und behauptet, dies würde nur der Hamas "in die Hände spielen".

  • 19:54 Uhr

    Israels Militär: Kein Waffenstillstand, lediglich "humanitäre Pausen"

    Ein Sprecher der israelischen Armee stellte nun klar, dass Israel keinem Waffenstillstand (englisch: "ceasefire") im Gazastreifen zugestimmt habe, sondern lediglich zeitlich und lokal begrenzten Pausen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sagte Richard Hecht:

    "Was wir tun, dieses Vier-Stunden-Fenster, das sind taktische, lokale Pausen für humanitäre Hilfe."

    Die USA hatten zuvor mitgeteilt, dass im Norden des Gazastreifens jeden Tag vier Stunden lang keine Einsätze ausgeführt werden sollen, um Palästinensern zu ermöglichen, sich in Sicherheit zu bringen. 

    Die israelische Regierung beharrt auf ihrer Forderung, dass es einen Waffenstillstand mit der Hamas nur gegen die Freilassung der von ihnen festgehaltenen Geiseln geben wird. Netanjahus Büro verwies zudem auf einen Fluchtkorridor für Zivilisten im Gazastreifen vom Norden in den Süden, für dessen Nutzung Israel den Menschen zurzeit täglich für einige Stunden eine "sichere Passage" zusagt. 

    Auf die Frage, ob es sich bei der Stellungnahme des Büros des Ministerpräsidenten um ein Dementi der US-Ankündigung handele, ging der Sprecher Netanjahus nicht ein. 

  • 19:27 Uhr

    Netanjahu wirft Pressefotografen vor, "Komplizen" des Hamas-Angriffs am 7. Oktober gewesen zu sein

    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wirft Fotografen internationaler Medien vor, beim Angriff der Hamas am 7. Oktober dabei gewesen zu sein und Bilder gemacht zu haben. Dies habe sie zu "Komplizen" der Hamas gemacht. Netanjahus Büros schreibt auf X/Twitter:

    "Diese Journalisten waren Komplizen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ihr Handeln verstieß gegen die Berufsethik."

    Zunächst hat die Webseite HonestReporting den Verdacht geäußert, dass freie Fotografen des US-Senders CNN, der New York Times sowie der Nachrichtenagenturen AP und Reuters bei den Massakern am 7. Oktober direkt dabei gewesen seien (RT DE berichtete). Die Nachrichtenagentur AP erklärte diesbezüglich:

    "AP nutzt Bilder von freien Mitarbeitern überall auf der Welt, auch in Gaza. Die Associated Press hatte keine Kenntnis von dem Angriff am 7. Oktober, bevor dieser passiert ist."

    Auch Reuters dementierte, im Vorfeld vom Angriff der Hamas gewusst zu haben. Der israelischen Nachrichtenseite ynet teilte CNN mit, angesichts des Berichts habe der Sender seine Zusammenarbeit mit einem der genannten Fotografen beendet. Wenig später folgte AP dem Beispiel.

  • 19:04 Uhr

    Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Ben-Gvir lehnt Feuerpausen ab

    Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir verurteilte die von den USA angekündigten Feuerpausen und bezeichnete sie als "schweren Fehler", wenn sie nicht mit der Freilassung der Gefangenen verbunden werden. Er bezweifelte auch, dass das israelische Kriegskabinett die Befugnis hat, diese Entscheidung zu treffen, und forderte, dass diese Entscheidung dem Sicherheitskabinett vorgelegt wird.

    Die Notstandsregierung war in den Tagen nach dem Überfall der Hamas auf Israel eingesetzt worden, nachdem Regierungschef Benjamin Netanjahu der Opposition eine vorläufige Zusammenarbeit angeboten hatte. Ben-Gvir gehört jedoch nicht zu den Politikern, die unter der Notstandsregierung als Minister vereidigt wurden.

  • 18:52 Uhr

    Drohne trifft Zivilgebäude im südisraelischen Eilat

    Nach Angaben der israelischen Armee hat eine Drohne in der südisraelischen Stadt Eilat ein ziviles Gebäude getroffen. Die Herkunft der Drohne sowie der Vorfall insgesamt würden überprüft, teilte das Militär mit. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf das Militär, eine Schule sei beschädigt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

    Bisher hat sich noch niemand für den Vorfall verantwortlich erklärt. In der vergangenen Woche hatten jemenitische Huthi allerdings bereits einen Angriff auf Eilat für sich beansprucht und warnten, dass weitere Attacken folgen würden, "bis die israelische Aggression aufhört" und die Palästinenser "siegreich" seien.

  • 18:04 Uhr

    Israel startet massive Luftangriffe im nördlichen Gazastreifen

    Nach Angaben des palästinensischen Innenministeriums habe Israel eine "Serie von gewaltsamen Angriffen" im östlichen Teil des nördlichen Gazastreifens begonnen, die als "Feuergürtel" bezeichnet werden. Zuvor hatte das Ministerium erklärt, Israel habe auch im Nordwesten des Gazastreifens "gewaltsame Angriffe" durchgeführt.


  • Info: https://freedert.online/international/182960-updates-zur-gaza-israel-eskalation


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    09.11.2023

    Die arabisch-iranische Freundschaft ist eine geopolitische Realität

    seniora.org, 09. November 2023, M. K. Bhadrakumar 9. November 2023 - übernommen von indianpunchline.com


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    Palästinenser arbeiten in den Trümmern von Gebäuden, die von israelischen Luftangriffen getroffen wurden, im Flüchtlingslager Jabalia im Norden des Gazastreifens, 1. November 2023

    Der bevorstehende erste Besuch des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in Saudi-Arabien am 13. November ist ein Meilenstein in der Annäherung zwischen den beiden Ländern, die im März von China vermittelt wurde. Im Zusammenhang mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt erlangen die Beziehungen rasch eine qualitativ neue Ebene der Solidarität.

    Damit verschieben sich die tektonischen Platten in der Regionalpolitik, die lange Zeit von den Vereinigten Staaten dominiert wurde, was nun nicht mehr der Fall ist. Die jüngste Initiative Chinas und der Vereinigten Arabischen Emirate zur Förderung eines Waffenstillstands im Gazastreifen wurde am Montag mit einem außergewöhnlichen diplomatischen Spektakel im UN-Hauptquartier in New York abgerundet, als die Gesandten der beiden Länder den Medien eine gemeinsame Erklärung vorlasen. Die USA waren nirgends zu sehen.

    https://www.youtube.com/watch?v=NcYPH5dcUBk&t=4s

    China und die Vereinigten Arabischen Emirate zu Gaza | Mediengespräch im Sicherheitsrat | Vereinte Nationen, 6. November 2023

    Die Ereignisse seit dem 7. Oktober machen überdeutlich, dass die Versuche der USA, Israel in ihre muslimische Nachbarschaft zu integrieren, ein Wunschtraum sind   – solange Israel nicht bereit ist, sein Schwert in eine Pflugschar zu verwandeln. Die Grausamkeit der israelischen Racheangriffe auf die Menschen im Gazastreifen   – "Tiere"   – hat den Beigeschmack von Rassismus und Völkermord.

    Der Iran wusste die ganze Zeit über von der Bestialität des zionistischen Regimes. Auch Saudi-Arabien muss sich nach dem Weckruf, dass es in erster Linie lernen muss, in seiner Region zu leben, in einer gedämpften Stimmung befinden.

    Raisi reist nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund einer historischen Verschiebung der Machtverhältnisse. König Salman hat Raisi eingeladen, auf einem Sondergipfel der arabischen Staaten, den er in Riad ausrichtet, über Israels Verbrechen gegen die Palästinenser im Gazastreifen zu sprechen. Dies ist ein Zeichen für die tiefe saudische Einsicht, dass es trotz der Bereitschaft, sich unter amerikanischem Zureden an den Abraham-Abkommen zu beteiligen, die arabische Öffentlichkeit verprellt hat.

    Der westliche Diskurs über eine Achse Russland-China-Iran in Westasien ist ein Trugschluss. Dies ist eine unsinnige Fehlinterpretation. Der Iran verfolgte seit der islamischen Revolution von 1979 konsequent drei außenpolitische Grundsätze: Erstens, seine strategische Autonomie ist ihm heilig; zweitens, die Länder der Region müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und regionale Probleme selbst lösen, ohne außerregionale Mächte einzubeziehen, und drittens, die muslimische Einheit zu fördern, wie lang und kurvenreich dieser Weg auch immer erscheinen mag.

    Die Möglichkeit dazu wurde durch die Umstände stark eingeschränkt   – vor allem durch die Bedingungen, die durch die koloniale Politik des "Teile und Herrsche" der USA geschaffen wurden. Die Umstände wurden sogar absichtlich herbeigeführt, wie etwa der Irak-Iran-Krieg, in dem die USA die Staaten der Region dazu ermutigten, mit Saddam Hussein zu kollaborieren und einen Angriff auf den Iran zu starten, um die islamische Revolution in ihren Anfängen zu ersticken.

    Eine weitere schmerzhafte Episode war der Syrien-Konflikt. Auch hier warben die USA aktiv bei den regionalen Staaten für einen Regimewechsel in Damaskus mit dem Ziel, den Iran mit Hilfe der von Washington im besetzten Irak gezüchteten Terrorgruppen ins Visier zu nehmen.

    In Syrien war es den USA auf brillante Weise gelungen, die regionalen Staaten gegeneinander auszuspielen, und das Ergebnis ist in den Ruinen dessen, was einmal das pulsierende Herz der islamischen Zivilisation war, deutlich zu sehen. Auf dem Höhepunkt des Konflikts operierten mehrere westliche Geheimdienste ungehindert in Syrien und unterstützten die Terrorgruppen dabei, in dem Land zu wüten, dessen Kardinalsünde darin bestand, dass es ebenso wie der Iran im Kalten Krieg und in der Zeit nach dem Kalten Krieg konsequent auf seine strategische Autonomie und seine unabhängige Außenpolitik setzte.

    Es genügt zu sagen, dass die USA und Israel bei der Zersplitterung des muslimischen Nahen Ostens großen Erfolg hatten, indem sie die Bedrohungswahrnehmung übertrieben und mehrere arabische Golfstaaten davon überzeugten, dass sie direkten Bedrohungen oder sogar Angriffen durch iranische Stellvertreter ausgesetzt seien, sowie von der angeblichen iranischen Unterstützung für Dissidentenbewegungen.

    Natürlich haben die USA daraus Kapital geschlagen, indem sie riesige Mengen an Waffen verkauften und, was noch wichtiger ist, den Petrodollar als Schlüsselpfeiler des westlichen Bankensystems in Schwung brachten. Israel profitierte direkt von der Dämonisierung des Irans, um die Aufmerksamkeit von der Palästina-Frage abzulenken, die seit jeher das Kernproblem der Nahostkrise ist.

    Es genügt zu sagen, dass die Umsetzung des iranisch-saudisch-chinesischen Abkommens die Feindseligkeit, die in den letzten Jahrzehnten zwischen Riad und Teheran bestand, verringert hat. Beide Länder versuchten, auf dem Schwung aufzubauen, der durch den Erfolg der Geheimgespräche in Peking im Hinblick auf ihre Verpflichtung zur Nichteinmischung entstanden war. Es ist jedoch anzumerken, dass sich die Beziehungen zwischen den arabischen Golfstaaten und dem Iran in den letzten zwei Jahren bereits deutlich verbessert hatten.

    Was westliche Analysten übersehen, ist, dass die wohlhabenden Golfstaaten ihr subalternes Leben als Handlanger der USA satt haben. Sie wollen ihr nationales Leben in eine Richtung lenken, die sie selbst bestimmen, und mit Partnern zusammenarbeiten, die sie respektieren. Dabei wollen sie, anders als in der Ära des Kalten Krieges, kein Nullsummen-Denken aus ideologischen oder machtpolitischen Gründen.

    Deshalb kann die Biden-Administration nicht akzeptieren, dass die Saudis heute mit Russland auf der OPEC+-Plattform zusammenarbeiten und ihre Verpflichtung zu zusätzlichen freiwilligen Öl-Lieferkürzungen erfüllen, während sie gleichzeitig mit den USA über Nukleartechnologie verhandeln und auf diplomatischem Weg gemeinsam mit Peking versuchen, das Feuer, das vor einem Monat in der Levante entfacht wurde, nicht auf den Rest der westasiatischen Region übergreifen zu lassen.

    Offensichtlich freuen sich die Saudis nicht mehr über die Aussicht auf eine Konfrontation zwischen den USA und dem Iran. Andererseits teilen die Saudis und die Iraner die Sorge, dass ihr neues Denken, bei dem die Entwicklung im Vordergrund steht, sich in Luft auflösen wird, wenn es keine regionale Stabilität und Sicherheit gibt.

    Es ist daher reine Naivität Washingtons, die Hisbollah, die Hamas und den Iran zu einer Gruppierung zusammenzufassen   – wie es Blinken bei seinem jüngsten Besuch in Tel Aviv am Montag tat   – und sie dem Rest der Region gegenüberzustellen. Die Behauptung, die Hisbollah und die Hamas seien "terroristische" Bewegungen, wird nun entlarvt. Um ehrlich zu sein, wie unterscheiden sie sich von Sinn Féin, die historisch mit der IRA verbunden war?

    Eine solche Naivität unterstreicht das absurde amerikanisch-israelisch-indische Vorhaben, einen westasiatischen QUAD 2 ("I2U2") zu schaffen, das heute lächerlich wirkt   – oder den quixotischen Plan, der kürzlich in Neu-Delhi während des G20-Gipfels ausgebrütet wurde, um die Saudis in das Projekt des Korridors Indien-Mittlerer Osten-Europa zu holen, in der Hoffnung, Israel zu "integrieren" und den Hafen von Haifa zu beleben, den Iran und die Türkei zu isolieren, den von Russland geführten internationalen Nord-Süd-Korridor in den Schmutz zu ziehen und Pekings "Belt and Road" den Mittelfinger zu zeigen. Das Leben hingegen ist real.

    Alles in allem ist die regionale Reise des US-Außenministers Antony Blinken nach Israel und sein Gipfeltreffen mit einer ausgewählten Gruppe arabischer Staaten in Amman am vergangenen Wochenende zu einem entscheidenden Moment in der Gaza-Krise geworden.

    Die arabischen Außenminister weigerten sich rundheraus, auf die unlauteren Vorschläge einzugehen, die Blinken in der böswilligen Absicht unterbreitet hatte, jüdische Interessen zu wahren   – "humanitäre Pause" statt Waffenstillstand; Flüchtlingslager für die Menschen aus Gaza, die vor Israels schrecklichen, brutalen Angriffen fliehen, die mit arabischem Geld finanziert würden, aber letztlich zu jüdischen Siedlungen in Gaza führen würden; Konturen einer Nachkriegsregelung für den Gazastreifen, bei der die palästinensische Autonomiebehörde mit den Trümmern fertig wird und der Wiederaufbau von den Golfstaaten finanziert wird, während Israel in der so wichtigen Sicherheitssphäre weiterhin die Vorherrschaft behält; Verhinderung, dass der Iran der Hisbollah und der Hamas zu Hilfe kommt, während diese in den israelischen Fleischwolf amerikanischer Bauart gesteckt werden.

    Das war pure Scheinheiligkeit. Die arabischen Außenminister sprachen mit einer Stimme, um ihren Gegenvorschlag zu Blinkens Vorschlag zu formulieren   – sofortiger Waffenstillstand. Präsident Biden scheint endlich die Zeichen der Zeit zu erkennen   – auch wenn er im Grunde immer noch die Nummer eins der Zionisten der Welt ist, wie ihn jemand einmal genannt hat, und seine Beweggründe größtenteils von seinem eigenen politischen Überleben getragen werden, da die Wahl 2024 näher rückt.

    Wie dem auch sei, es ist sehr wahrscheinlich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Weltgemeinschaft darauf besteht, den israelischen Apartheidstaat in seinem Lauf zu stoppen. Denn wenn sich die muslimischen Länder zusammenschließen, haben sie in der entstehenden multipolaren Weltordnung das Sagen. Ihre Forderung, dass eine Lösung des Palästina-Problems keinen weiteren Aufschub duldet, hat auch in der westlichen Hemisphäre Anklang gefunden.

    https://www.youtube.com/watch?v=NcYPH5dcUBk&t=4s

    Gemeinsame Pressekonferenz von Botschafter Zhang Jun, Ständiger Vertreter Chinas bei den Vereinten Nationen, und Lana Zaki Nusseibeh, Ständige Vertreterin der Vereinigten Arabischen Emirate bei den Vereinten Nationen, zur humanitären Lage im Gazastreifen.


    China und die Vereinigten Arabischen Emirate zu Gaza | Mediengespräch im Sicherheitsrat | Vereinte Nationen, 6. November 2023

    Transkript (Auszug)

    Zhang Jun:

    Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und China haben diese Sitzung einberufen, um ihre tiefe Besorgnis über die anhaltenden Angriffe Israels auf Krankenhäuser, Flüchtlingslager, Schulen, UN-Gebäude, Gebetsstätten und andere zivile Einrichtungen im Gazastreifen zum Ausdruck zu bringen, darunter in jüngster Zeit auf die Flüchtlingslager Dschabaliya und Al-Maghazi, die Al-Fakhura Schole im Flüchtlingslager Dschabaliya und das Al-Shifa Krankenhaus in Gaza-Stadt.

    Wie der Generalsekretär heute Morgen erklärt hat, handelt es sich um eine Krise der Menschlichkeit. In weniger als einem Monat sind mehr als 10.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet worden, und während wir hier sprechen, werden weiterhin palästinensische Zivilisten getötet. Kinder sind (unverständlich). Wie mehrere UN-Beamte bereits festgestellt haben, wird der Gazastreifen zu einem Friedhof für Kinder. Keiner ist mehr sicher. Niemand ist sicher. In vier Wochen sind mehr UN-Helfer und Journalisten getötet worden als in jedem anderen Monat eines Konflikts seit Jahrzehnten. Die palästinensische Zivilbevölkerung wird auch der für ihr Überleben notwendigen Dinge beraubt.

    Inmitten dieser katastrophalen Situation betonen wir die Notwendigkeit, dass der Sicherheitsrat dringend handelt und eine sinnvolle und umsetzbare Resolution verabschiedet. In den letzten Wochen haben die Mitglieder des Sicherheitsrates unermüdlich auf dieses Ziel hingearbeitet. Wir fordern einen dringenden humanitären Waffenstillstand.

    Der Generalsekretär hat gerade heute Morgen den gleichen Aufruf gemacht: Eine humanitäre Feuerpause jetzt!

    Dies ist dringend notwendig, um einen vollständigen, schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen, auch für UN- und humanitäres Personal. Im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht fordern wir alle Parteien auf, dringend Schritte zur Einstellung der Feindseligkeiten zu unternehmen, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Wir fordern, dass die Konfliktparteien die kontinuierliche, ausreichende und ungehinderte Versorgung der Zivilbevölkerung im gesamten Gazastreifen mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherstellen. Dazu gehören Strom, Wasser, Treibstoff, Lebensmittel und medizinische Versorgung in ausreichendem Umfang und auf Dauer.

    Nun wird Botschafterin Nusseibeh fortfahren.

    Lana Zaki Nusseibeh:

    Wie wir heute in unseren Briefings gehört haben, können die Zivilisten in Gaza nicht einmal in UN-Einrichtungen, Schulen, Krankenhäusern und Flüchtlingslagern Schutz finden. Diese zivilen Einrichtungen wurden unter Verstoß gegen das Völkerrecht angegriffen. Ihr Schutzstatus muss unbedingt aufrechterhalten werden. Wir verurteilen alle Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, alle Gewalt gegen Zivilisten, einschließlich aller terroristischen Akte und wahllosen Angriffe. Wir verurteilen die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Wir verurteilen auch die wahllosen Angriffe Israels auf den Gaza-Streifen.

    Wir sind zutiefst besorgt über die anhaltende Geiselnahme und fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln sowie deren Sicherheit und menschenwürdige Behandlung im Einklang mit dem Völkerrecht. Aber auch die Tötung und Verstümmelung von Kindern, die Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser im Gazastreifen und die Verweigerung des Zugangs von Kindern zu humanitärer Hilfe sind schwerwiegende Verstöße gegen Kinder.

    Wir rufen alle Parteien auf, ihren Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur, uneingeschränkt nachzukommen. Wir bekräftigen, dass die Parteien Maßnahmen ergreifen müssen, um die Sicherheit und das Wohlergehen der Zivilbevölkerung und ihren Schutz sowie den Schutz des humanitären und medizinischen Personals, des UN-Personals und der Journalisten zu gewährleisten.

    Kriege haben Regeln und diese müssen eingehalten werden. Wir danken Ihnen.

    (anschliessend: Fragen von Presseleuten)

    Quelle: https://www.indianpunchline.com/arab-iran-amity-is-a-geopolitical-reality/
    Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus


    Info: https://www.seniora.org/politik-wirtschaft/die-arabisch-iranische-freundschaft-ist-eine-geopolitische-realitaet?acm=3998_1991


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    09.11.2023

    Biden und westliche Medien erzählen ungeheuerliche Lügen … Das ist Völkermord mit US-Atomwaffendrohung

    linkezeitung.de, 9. November 2023 ⋅ Hinterlasse einen Kommentar, von Finian Cunningham – https://strategic-culture.su

    Übersetzung LZ


    Bild: SCF


    Die angebliche Sorge der Regierung Biden, einen regionalen Krieg zu verhindern, ist eine weitere zynische List, schreibt Finian Cunningham.

    In den westlichen Medien wird uns erzählt, dass das israelische Regime die Aufrufe der Biden-Administration zu “humanitären Pausen” in seinem “Krieg gegen die Hamas” – der in Wirklichkeit kein Krieg, sondern ein Massenschlachten von Palästinensern ist – zu kurz kommen lässt.

    Amerikanische und westliche Medien berichten, dass der amerikanische Präsident Joe Biden “besorgt” ist über die steigende Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung nach mehr als vier Wochen israelischer Belagerung und ununterbrochenem Luftangriff auf den Gazastreifen, eine Küstenenklave, die der Fläche von Detroit entspricht.

    Biden schickte seinen Spitzendiplomaten Antony Blinken auf eine Rundreise durch den Nahen Osten, offenbar in dem Versuch, Israel zu einer “humanitären Pause” bei seiner Offensive gegen die überwiegend zivile Bevölkerung zu bewegen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu lässt sich davon nicht beeindrucken und setzt die Bodeninvasion seiner Streitkräfte fort.

    Die Scharade, die hier von den westlichen Medien präsentiert wird, besteht darin, dass Washington in gewisser Weise als Bremser auftritt. Und das nicht sehr erfolgreich. Eine wohlmeinende, unglückliche ausländische Macht, die versucht, einem Verbündeten zu helfen, aber auch um humanitäres Leid besorgt ist.

    Das ist völliger Blödsinn. Erstens führt Israel einen Völkermord an einer Bevölkerung von 2,3 Millionen Menschen durch, in der eine militante Gruppe, die Hamas, lebt, die 1 Prozent dieser Bevölkerung ausmacht. Das ist so, als würde man einen See in die Luft jagen, um die Fische zu töten.

    Die mörderischen Angriffe der Hamas am 7. Oktober gegen Israel, die 1.400 tote Israelis zur Folge hatten (von denen viele offenbar von israelischen Sicherheitskräften unter Anwendung übermäßiger Gewalt getötet wurden), sind keinerlei Rechtfertigung für die anschließende Vernichtung von mehr als 10.000 Palästinensern im Gazastreifen sowie von über 130 Palästinensern im Westjordanland. Nahezu 70 Prozent der Opfer sind Frauen und Kinder.

    Es handelt sich hier nicht um ein Recht auf Selbstverteidigung, wie die Regierung Biden und andere westliche Regierungen immer wieder behaupten und Israel damit einen Anschein von politischer Deckung verschaffen. Es ist eine Lizenz zum Massenmord.

    Dies ist Völkermord.

    Die Vorstellung, die Vereinigten Staaten seien irgendwie besorgt über den Tod von Palästinensern unter der Zivilbevölkerung und würden handeln, um Israel zurückzuhalten, wird durch Folgendes widerlegt:

    Die Regierung Biden hat die Lieferung von präzisionsgelenkten Bomben im Wert von 320 Mio. Dollar für Israel genehmigt. Dies ist zusätzlich zu dem größeren Militärhilfepaket von 14 Milliarden Dollar, über das der US-Kongress derzeit abstimmt.

    Mehr noch als dieses grüne Licht ist jedoch die atomare militärische Unterstützung, die die Vereinigten Staaten in der Region eilig zusammengezogen haben. Die Positionierung dieser furchterregenden Macht, die nur wenige Meilen von dem Küstengebiet entfernt geparkt ist, in dem Israel einen mörderischen Blitzkrieg führt, spricht Bände. Nur die westlichen Medien verzerren die offensichtliche monströse Kriminalität dessen, was wirklich vor sich geht.

    Das US-Zentralkommando, das für die Region des Nahen Ostens zuständig ist, hat die Ankunft eines atomgetriebenen U-Boots angekündigt. Das Schiff wird sich zwei nuklearfähigen Flugzeugträger-Kampfgruppen anschließen, die bereits in das östliche Mittelmeer entsandt wurden.

    Das Pentagon veröffentlichte auch ein Foto von nuklearfähigen B-1 Lancer-Bombern, die neu in den Nahen Osten entsandt wurden.

    Die sehr öffentlichen Ankündigungen dieser “strategischen Waffen” durch die Vereinigten Staaten – normalerweise werden die Standorte solcher Anlagen nicht bekannt gegeben – werden als kalkulierte, provokative und unheilvolle Drohung an den Iran und andere Parteien im Nahen Osten, wie Syrien und die Hisbollah im Libanon, angesehen.

    US-Verteidigungsminister Lloyd Austin äußerte diese Drohung am Wochenende in einem Telefonat mit seinem israelischen Amtskollegen Yoav “Palästinenser sind menschliche Tiere” Gallant. Austin “bekräftigte die Verpflichtung der USA, jeden staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur abzuschrecken, der versucht, diesen Konflikt zu eskalieren”.

    CIA-Direktor William Burns besucht diese Woche ebenfalls Israel, um Tel Aviv zu unterstützen und andere Staaten und Parteien zu warnen, nicht einzugreifen, um die mörderische Offensive in Gaza zu stoppen.

    Antony Blinken, der US-Außenminister, hat auf seiner jüngsten Nahost-Reise eine ähnlich deutliche Warnung an den Iran und andere Staaten gerichtet, während er sich angeblich um “humanitäre Pausen” bemüht. Blinken sagte: “Denkt nicht einmal daran”, amerikanische Streitkräfte in der Region anzugreifen, sonst droht eine überwältigende Vergeltung.

    Als Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah letzte Woche eine mit Spannung erwartete Rede hielt, überraschte er viele Beobachter, indem er davon absah, Israel zur Unterstützung der Palästinenser den offenen Krieg zu erklären. Es scheint, dass Nasrallah die Drohungen Israels und seines US-Schirmherrn beherzigt. (Und wer könnte ihm das verdenken!)

    Israels Netanjahu warnte die Hisbollah, dass jede Ausweitung des Krieges zu einer militärischen Antwort führen würde, die man sich “nicht vorstellen kann”. Diese Formulierung kann nur eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen bedeuten.

    Solch verrücktes Gerede über den Einsatz von Atomwaffen wurde von einem der Minister des Kabinetts Netanjahu, Amichai Eliyahu, am Wochenende in einem Radiointerview offen geäußert. Netanjahu wies seinen Minister später zurecht, aber die Zurechtweisung schien nur der Öffentlichkeitsarbeit zu dienen, sonst nichts.

    Die drastische Positionierung von US-Atomwaffen im östlichen Mittelmeerraum und das Aussprechen von beispiellosen Drohungen an den Iran, die Hisbollah und andere hat nichts mit der amerikanischen Sorge zu tun, eine Eskalation des Krieges in der Region zu verhindern. So wird es von der Regierung Biden und den westlichen Medien dargestellt.

    Wie absurd, diese Vorstellung auch nur in Erwägung zu ziehen. Nein, die unverblümte Wahrheit ist, dass die USA das faschistische israelische Regime mit Waffen ausstatten, damit es seinen Völkermord an den Palästinensern mit so wenig Widerstand wie möglich durchführen kann. Die Drohungen – einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen – sollen sicherstellen, dass der Völkermord in keiner Weise von Nationen und Parteien behindert wird, die die Palästinenser legal unterstützen könnten.

    Wie die Rhetorik über Selbstverteidigung, humanitäre Pausen usw. ist auch die angebliche Sorge der Regierung Biden, einen regionalen Krieg zu verhindern, eine weitere zynische List. Es geht nicht darum, einen größeren Konflikt zu stoppen. Es ist ein grotesker verbaler Deckmantel für einen Völkermord unter dem Schutz von Atomwaffen.


    Info: https://linkezeitung.de/2023/11/09/biden-und-westliche-medien-erzaehlen-ungeheuerliche-luegen-das-ist-voelkermord-mit-us-atomwaffendrohung/


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    09.11.2023

    Offener Brief von Oliver Ginsberg: Schluss mit der Anmaßung für Juden zu sprechen

    seniora.org, 09. November 2023, Oliver Ginsberg 02.11.2023

    Oliver Ginsberg entgegnete mit seinem Protestschreiben dem unsäglichen "Offenen Brief der mehr als 1000 Autoren für Solidarität mit den in Deutschland, Österreich und der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden und dem Staat Israel"


    An die Unterzeichnenden des Offenen Briefes,

    als Nachkomme einer jüdischen Familie, die unter dem Faschismus bis auf eine Person ausgelöscht wurde melde ich hiermit meinen schärfsten Protest an gegenüber ihrer Anmaßung für Jüdinnen und Juden in diesem Land sprechen zu wollen. Noch leben Menschen in diesem Land, die selbst oder deren Eltern und Großeltern Opfer der Shoah wurden. Diese haben eine eigene Stimme und benötigen ihre bevormundende, geschichtsvergessene und eurozentristische Fürsprache nicht.

    Im Übrigen hat auch der Staat Israel nicht das Recht für uns zu sprechen. Dieser Staat ist selbst das Ergebnis einer Kolonialisierungsideologie, die in ihrem völkisch-chauvinistischen Gepräge den rassistischen Kolonialisierungs- und Missionierungsbemühungen früherer Jahrhunderte in nichts nachsteht. Wenn ihnen angesichts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welche die israelischen Streitkräfte schon zum wiederholten Mal an der palästinensischen Zivilbevölkerung verübt haben, angesichts des seit Jahrzehnten andauernden, illegalen und gewaltsamen Siedlerkolonialismus, angesichts der tausendfachen Schikanen, Verhaftungen und Folterungen in israelischen Gefängnissen nichts anderes einfällt als eine apologetische Bestätigung israelischer Selbstverteidigungsdoktrin, die nichts anderes ist als eine Legitimierung von Massenmord, dann wäre es besser ganz zu schweigen.  Hören Sie auf in moralischer Überheblichkeit zu schwelgen. Sie haben nichts, rein gar nichts aus der Geschichte der Shoah gelernt.

    Wer Israel jetzt  noch unterstützt, setzt sich nicht für Jüdinnen und Juden und deren Nachkommen ein, sondern für ein militaristisch-koloniales Staatsprojekt, welches kein Existenzrecht für sich beanspruchen kann. Es sind MENSCHEN, die ein Existenzrecht und Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit haben. Staaten, welche dieses Recht systematisch und mit derartiger Grausamkeit mit Füßen treten, haben jedes Existenzrecht verwirkt, auch wenn sie sich ein fassadendemokratisches Mäntelchen umhängen.

    Was am 7. Oktober tatsächlich geschehen ist wird vielleicht die Zukunft zeigen. Was wir bereits jetzt wissen ist, dass die weit verbreiteten Narrative von geköpften Babys und Vergewaltigungen durch nichts belegt sind und dass viele Israelis im "friendly fire" ihrer eigenen Armee ums Leben kamen. Ein großer Teil der Getöteten auf israelischer Seite waren laut Ha'aretz Soldaten und Polizeikräfte. Es ist richtig, religiösen und nationalen Fanatismus und den Tod von Zivilisten zu verurteilen. Das gilt jedoch für beide Seiten und schon wegen des Umfangs noch viel mehr für die zionistische. Sie jedoch ziehen es vor, einer bequemen Staatsraison zu folgen, der zufolge die palästinensische Bevölkerung kein Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die israelische Besatzungs- und Vertreibungspolitik hat, Israel aber jedes noch so grauenhafte Kriegsverbrechen begehen darf und ungeschoren davonkommt.

    Hören Sie endlich einmal den Jüdinnen und Juden zu, die sich konsequent auf die Seite der palästinensischen Seite gestellt haben. Folgen Sie Abigail Martin, Miko Peled, Norman Finkelstein, Gabor Maté, Noam Chomsky u.a. welche zu der Minderheit derjenigen gehören, welche diesen Konflikt in seinen wahren historischen und moralischen Kontext stellen. Und bitte, bitte verschonen Sie uns mit Ihren jämmerlichen Krokodilstränen. Wir werden nicht von Kritik an Israel bedroht, sondern von einem Mangel an Empathie politischer Entscheidungsträger in Deutschland selbst, welche - indem sie ihre völlige Kritiklosigkeit an Israel äußern - diejenigen verhöhnen, die am meisten unter Faschismus und Rassismus gelitten haben.

    Solange von Ihnen keine Besinnung und kein Bedauern bezüglich ihrer einseitigen und inakzeptablen Stellungnahme wahrzunehmen ist, werde ich die Unterschriftenliste nunmehr als literarischen Leitfaden verwenden, zu Autorinnen und Autoren, deren Werke keinen wesentlichen kulturellen Beitrag mehr versprechen.


    Mit entsetzten Grüßen
    Oliver Ginsberg

    o.ginsberg@tetrateam.de
    https://tetrateam.de/

    __

    Hier der Link zu Wortlaut und vollständige Liste der Unterzeichner:
    http://www.offener-brief-israel-literaturbetrieb.de/


    Info: https://www.seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/offener-brief-von-oliver-ginsberg-schluss-mit-der-anmassung-fuer-juden-zu-sprechen?acm=3998_1990


    unser Kommentar: Als Information zur Kenntnisnahme, wobei für uns das kriegerische Geschehen, wie z. B. in der Ukraine sowie in Israel, Palästina und sonstwo, keinerlei Zustimmung bzw. Rechtfertigung erhält.

    09.11.2023

    Geldbrief #52: Wo die Regeln der Klima- und Finanzpolitik nicht zusammenpassen

    aus e-mail von <philippa.sigl-gloeckner@dezernatzukunft.org>, 9. November 2023, 17:09 Uhr

    Der Überblick

    1. Schlaglicht (#Schlaglicht) : Schuldenbremse 101

    2. Unser Geldbrief (#Geldbrief) “Wo die Regeln der Klima- und Finanzpolitik nicht zusammenpassen“

    3. Leseempfehlungen (#Literatur)

    4. Der aktuelle Medien- und Veranstaltungsbericht (#MuV)  des Dezernats


    https://www.dezernatzukunft.org/schuldenbremse-101/

    Hier geht es z (https://wiiw.ac.at/e-640.html) um Beitrag auf unserer Website (https://www.dezernatzukunft.org/schuldenbremse-101/)


    Diese Woche freuen wir uns sehr über einen Gastbeitrag unserer niederländischen Partner des Institute for Public Economics (https://en.instituut-pe.nl) (IPE). IPE hat sich angesehen, inwieweit die europäischen Regeln zu Klima- und Finanzpolitik zusammenpassen. Dabei stoßen Jasper J. Van Dijk und Vinzenz Ziesemer auf eine fundamentale Inkohärenz.

    Zentrale Aussagen


    Wir zeigen, dass es eine grundlegende Diskrepanz zwischen Fiskalrahmen und Klimazielen gibt. Die Verpflichtung zu Netto-Null-Emissionen und die Auswirkungen dieser Verpflichtung auf das Wirtschaftswachstum wurden nicht in die Fiskalregeln aufgenommen. Die EU hat versucht, zwei unterschiedliche und sehr komplexe Probleme - Klimaneutralität und Schuldentragfähigkeit - in relativ einfache und prägnante, aber völlig getrennten politischen Regeln zu erfassen. Dies war (bzw. ist) für sich genommen schon eine Herausforderung, vernachlässigt aber die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen den beiden Problemen.


    Schlechte Fiskalregeln können zu politischen Fehlern führen. Wir beleuchten, wie fiskalische Zwänge dazu führen können, dass klimapolitische Entscheidungsträger:innen zu lange zögern, gegen die Förderung von Innovationen voreingenommen sind oder die wirtschaftlichen Kosten von Regulierungen nicht berücksichtigen. Infolgedessen könnten fiskalische Zwänge die Risiken bei der Schuldentragfähigkeit erhöhen, anstatt sie zu verringern.  All diese Fälle sind mit Wohlfahrtskosten verbunden.


    Ein weiteres mögliches Ergebnis ist, dass die Klimaziele nicht erreicht werden. Dies kann aus zwei Gründen geschehen. Wenn Entscheidungsträger:innen zögern, dann steigen die Kosten für die Erreichung der Klimaziele und es wird schwieriger Klimaschutzmaßnahmen politisch zu verkaufen. Zweitens können falsche politische Entscheidungen (zwischen verschiedenen Instrumenten wie Steuern, Subventionen und Vorschriften) unnötige Kosten verursachen, wodurch die notwendige Transformation ebenfalls schwieriger wird.


    Hintergrund


    Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis 2050 der erste "klimaneutrale Block" der Welt zu werden.[1] (#1) Um dieses Ziel zu erreichen, ist in den kommenden 25 Jahren ein struktureller Umbau der Wirtschaft erforderlich. Dafür müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten ein ausgeklügeltes Bündel politischer Maßnahmen aus Subventionen, Vorschriften und Steuern entwickeln, um den erforderlichen Wandel herbeizuführen. Der europäische Green Deal ist ein wichtiger Teil dieser Bemühungen.


    Derzeit reichen die klimapolitischen Maßnahmen nicht aus, um das Versprechen, bis 2050 klimaneutral zu sein, einzulösen. Die Europäische Kommission schätzt, dass in der gesamten EU zusätzliche 950 bis 1.200 Milliarden Euro jährlich an grünen Investitionen erforderlich sind, um die erklärten Klimaziele zu erreichen.[2] (#2) Ein erheblicher Teil der erforderlichen grünen Investitionen wird wahrscheinlich öffentlich finanziert werden.


    Damit kommen wir zu den Fiskalregeln: Mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) haben sich die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion zu wahren, indem sie Defizit und Schulden begrenzen.[3] (#3) Ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung dieser Stabilität ist die Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA), welche die zukünftige Schuldenquote für ein Land prognostiziert. Das meiste von dem, was wir beschreiben, gilt auch für die einzelnen Mitgliedstaaten (und sogar für Länder außerhalb der EU), da viele von ihnen eine Art "Fiskalrahmen" verwenden, um zu bestimmen, welche Höhe des staatlichen Überschusses oder Defizits als akzeptabel gilt. DSAs sind das häufigste Analyseinstrument dafür.


    Sowohl Staatsausgaben als auch Wirtschaftswachstum können durch klimapolitische Maßnahmen stark beeinflusst werden, sodass eine enge Verbindung zwischen der Schuldenquote und den Klimazielen besteht. Klimapolitik kann teuer sein und gleichzeitig kann eine CO[2]-Bepreisung auch Staatseinnahmen generieren. Klimapolitik kann dazu führen, dass einige Sektoren schrumpfen und andere wachsen, was auch die Gesamtleistung der Wirtschaft beeinflusst.


    Fiskalregeln verzögern Klimamaßnahmen


    Politiker:innen könnten geneigt sein, Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern. Die Vorteile einer Netto-Null-Emissionswelt sind weit entfernt und abstrakt, während die Kosten der Klimapolitik greifbar und konkret sind. Die Menschen machen sich Sorgen, dass ihr Leben teurer wird, dass sie den Zugang zu erworbenen Luxusgütern oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Politiker:innen sind für diese Sorgen sensibilisiert, sodass sie einen Anreiz haben, das Problem an ihre:n Nachfolger:in weiterzureichen.


    Derzeit werden die Klimaziele in den Haushaltsplänen nicht berücksichtigt. So wie die EU-Fiskalregeln heute aufgebaut sind, können die Mitgliedstaaten Finanzpläne vorlegen, die zwar die fiskalpolitischen Regeln einhalten, aber nicht die zur Erreichung der Klimaziele erforderlichen Maßnahmen enthalten. Das Gleiche gilt für die Haushaltspläne der einzelnen Länder innerhalb und außerhalb der EU. Kohärent zusammengedachte fiskal- und klimapolitische Ziele in der politischen Entscheidungsfindung wären eine enorme Verbesserung, da die beiden Bereiche von Natur aus miteinander verbunden sind. Das würde aber nicht ausreichen.


    Selbst wenn die Finanzpläne die Klimaziele berücksichtigen, werden Effizienzverluste durch eine ungeordnete Transformation in DSAs nicht angezeigt. Jeder Zeitverlust, der durch verzögerte Klimaschutzmaßnahmen entsteht, muss in späteren Jahren aufgeholt werden, um die Klimaziele noch zu erreichen. Aber die Auswirkungen, die eine verzögerte Transformation auf die Wirtschaft haben kann, werden in einer DSA nicht berücksichtigt. Die Kosten der Verzögerung werden allerdings irgendwann auftauchen und die Transformation zu Klimaneutralität erschweren. Folglich kann diese Verzerrung nicht nur zu ineffizienter Klimapolitik führen, sondern auch dazu, dass die Klimaziele überhaupt nicht erreicht werden.


    Aufgeschobene Klimaschutzmaßnahmen sind teurer


    Die Forschung zeigt, dass klimapolitische Maßnahmen idealerweise möglichst früh eingeführt und im Laufe der Zeit schrittweise verschärft werden sollten.

    [4] (#4)  Das Netzwerk der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden für die Ökologisierung des Finanzsystems (NGFS) nennt dies eine geordnete Transformation. Demgegenüber steht eine ungeordnete Transformation, die höhere Übergangsrisiken birgt, weil weitreichende Klimamaßnahmen erst ab 2030 umgesetzt werden, dann aber einschneidender sein müssen, um die Klimaziele noch zu erreichen.


    Eine verzögerte Klimapolitik zwingt die EU zu einer ungeordneten Transformation. Dies wäre kostspieliger und würde sich wahrscheinlich insgesamt stärker negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Die Bundesbank hat kürzlich die unterschiedlichen Auswirkungen einer geordneten und ungeordneten Transformation auf die EU-Wirtschaft miteinander verglichen.[5] (#5)  Verzögerte Klimaschutzmaßnahmen führen kurzfristig zu einem höheren Wirtschaftswachstum, langfristig aber zu einem Rückgang der Wirtschaft (siehe Abbildung 1).


    Abbildung 1

    Der Fiskalrahmen ist einseitig auf Steuerfinanzierung ausgerichtet


    Der fiskalische Rahmen ist voreingenommen gegen Wachstum und Investitionen.

    Das ist ein bekanntes Problem. Nehmen wir an, eine Regierung gibt Geld für die Bildungspolitik in einer Weise aus, von der man erwartet, dass sie die Wirtschaft produktiver macht. Diese Maßnahme wirkt sich negativ auf den fiskalischen Spielraum der Regierung aus, da der Fiskalrahmen zwar die Kosten, aber nicht den Nutzen (ein langfristig höheres BIP) berücksichtigt.  Das liegt daran, dass in DSAs angenommen wird, dass politische Maßnahmen sich nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auswirken. Das Ergebnis ist eine Tendenz zur Begrenzung der öffentlichen Verbindlichkeiten und weg von einer wachstumsfördernden Politik.


    Im aktuellen Ansatz sind Steuern zwangsläufig die beste Art der Klimapolitik. Klimaausgaben sind in den derzeitigen fiskalischen Rahmenbedingungen ein unattraktives politisches Instrument, da sie die Schuldenquote erhöhen. Ordnungsrechtliche Klimamaßnahmen hingegen haben keine Auswirkungen auf die Staatsausgaben und Steuern erhöhen sogar die Staatseinnahmen, wodurch die Schuldenquote sinkt. Unter dem Blickwinkel des derzeitigen Regelwerks werden daher Steuern, gefolgt von Regulierungen, aus fiskalischer Sicht grundsätzlich überlegen sein, wenn politische Entscheidungsträger nach Instrumenten zur Erreichung von Klimazielen suchen.


    Wenn wir die Auswirkungen der Klimaziele auf das BIP betrachten, ändert sich dieses Bild. DSAs gehen in der Regel davon aus, dass die Größe der Wirtschaft gegeben ist (zumindest in Bezug auf die Klimapolitik). Das ist unplausibel. Die Politik diskutiert tagein, tagaus, wie wir es schaffen, trotz CO[2]-Einsparungen Wachstum zu erhalten. Kluge Ausgaben können helfen, das Wachstum zu erhalten und führen so möglicherweise zu einer niedrigeren Schuldenquote, als wenn die Ausgabe unterlassen wird. Nehmen wir zum Beispiel eine Subvention für eine neue grüne Technologie. Dies könnte die Innovation innerhalb des Sektors steigern, insbesondere wenn es externe Effekte, wie z. B. Wissens-Spillovers, gibt, die dazu beitragen, die Kosten für neue Technologien zu senken. Diese externen Effekte können das BIP langfristig erhöhen und somit die künftige Schuldenquote senken.  Dieser positive Aspekt wird in der DSA jedoch nicht berücksichtigt. Folglich werden die realen fiskalischen Auswirkungen einer solchen

    Subvention positiver sein als im aktuellen fiskalischen Rahmenwerk angenommen.


    Ebenso könnte beispielsweise ein Verbot der Nutzung fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung negative Auswirkungen auf das BIP haben. Dies kann der Fall sein, wenn Unternehmen ihre Produktion verringern, schließen oder ins Ausland verschieben. Diese negative Auswirkung auf das BIP und letztlich die Schuldenquote wird ebenfalls nicht in der DSA berücksichtigt. Infolgedessen werden die fiskalischen Auswirkungen einer solchen Regelung schwerwiegender sein, als im aktuellen Rahmen prognostiziert.


    Kohärente Politik erfordert die Schizophrenie zwischen Klima- und Finanzpolitik zu überwinden


    Das fehlende Bindeglied zwischen fiskalpolitischem Steuerungs- und Klimarahmen ist bisher kaum beachtet worden. Stattdessen hat man sich auf die wirtschaftlichen und steuerlichen Kosten des Klimawandels konzentriert.[6] (#6)  Hier befindet sich Europa jedoch in einer relativ privilegierten Position. Die Auswirkungen innerhalb der EU werden im Vergleich zu vielen afrikanischen und südostasiatischen Ländern wahrscheinlich begrenzt sein, zumindest in Szenarien, in denen die globalen Klimaabkommen eingehalten werden.[7] (#7)


    Um klimapolitische Maßnahmen in vollem Umfang einschätzen und bewerten zu können, müssen wir nicht nur ihre öffentlichen Kosten und ihre Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen, sondern auch ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft berücksichtigen. Es gibt zwei zentrale Ursachen für die Diskrepanz zwischen Fiskalrahmen und Klimazielen. Erstens verlangen die fiskalischen Regeln keine politischen Maßnahmen, welche die klimapolitischen Verpflichtungen einhalten. Aktuell können die politischen Entscheidungsträger ein Maßnahmenbündel vorschlagen, die zwar aus fiskalischer Sicht akzeptabel sind, aber nicht ausreichen, um ihre Klimaverpflichtungen zu erfüllen. Zweitens werden die Auswirkungen der Klimapolitik auf das BIP nicht berücksichtigt.


    In zukünftigen Arbeiten werden wir Wege zu einem Fiskalrahmen aufzeigen, der die klimatischen Beschränkungen respektiert. Dazu müssen die beiden Hauptursachen beseitigt werden. Das bedeutet, dass der Ausgangspunkt bei der Erstellung von DSAs sein muss, dass die Klimaziele durchgesetzt werden. Es bedeutet auch, dass die Auswirkungen auf das BIP berücksichtigt werden müssen, damit die Politik (wirtschaftliche) Schäden, die durch die klimatischen Einschränkungen verursacht werden, abmildern kann. Die Berücksichtigung der BIP-Effekte stellt hohe Anforderungen an die Wirtschafts- und Klimamodellierung. Doch ohne diese Schritte wird die grundsätzliche Diskrepanz zwischen dem Fiskalrahmen und den Klimazielen bestehen bleiben, was zu ineffizienten klimapolitischen Entscheidungen führt - und vielleicht sogar die Transformation insgesamt gefährdet.

    * Bruegel (2021): A green fiscal pact: climate investment in times of budget consolidation (https://www.bruegel.org/policy-brief/green-fiscal-pact-climate-investment-times-budget-consolidation)

    * Deutsche Bundesbank (2023): The Environmental Multi-Sector DSGE model EMuSe: A technical documentation (https://www.bundesbank.de/en/publications/search/the-environmental-multi-sector-dsge-model-emuse-a-technical-documentation-914846)

    * NGFS Climate Scenarios (https://www.ngfs.net/ngfs-scenarios-portal/)


    * Medienerwähnungen und Auftritte

    + Am 1.11. wurde im Eurointellingence Newsletter unsere Analyse der deutschen Schuldenbremse erwähnt.

    + Am 3.11. war Philippa beim vbw (Die bayerische Wirtschaft) (https://www.vbw-bayern.de/vbw/Themen-und-Services/Steuern/Steuerpolitik-f%C3%BCr-mehr-Wachstum-2023.jsp) zu Gast und hat über eine Steuerpolitik diskutiert, die Wachstum und Chancen bringen soll.

    + Am 7.11. hat Max die Buchvorstellung von Branko Milanovićs neuem Buch „Visions of Inequality (https://www.hup.harvard.edu/catalog.php?isbn=9780674264144) “ moderiert. Branko Milanović stellte zuerst das Buch vor und anschließend gab es eine Q&A.

    + Heute am 9.11. hat Philippa beim 3. Bundesweiten Wirtschaftslehrer:innentag der Joachim Herz Stiftung (https://www.joachim-herz-stiftung.de/) eine Keynote zu „Steigende Staatsverschuldung – sind wir auf dem Weg in eine neue Finanzkrise?“ gehalten.

    + Ebenfalls heute am 9.11. war Max bei der Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament und diskutierte dort zum Thema „Green Industrial Plan and the Left: A window of opportunity for people and climate?“.

    * Veranstaltungen

    + Am 22. und 23.11. wird die zweite Konferenz unseres European Macro Policy Netzwerks (EMPN) in Wien stattfinden. Der erste Tag wird den Mitgliedern des EMPN vorbehalten sein. Der zweite Tag ist öffentlich zugänglich und steht thematisch unter dem Motto „Fiscal policy for the 21st century: meeting economic, social and climate challenges“. Sprechen werden u.a. Jakob von Weizsäcker, Jeromin Zettelmeyer, Philippa Sigl-Glöckner und Helene Schuberth. Zur Anmeldung vor Ort geht es hier (https://wiiw.ac.at/e-640.html) , die Konferenz wird außerdem per Livestream auf unserem Youtube-Kanal (https://www.youtube.com/@dezernatzukunft) übertragen.


    Fußnoten:


    https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_nl.


    Bruegel (2021) A green fiscal pact: climate investment in times of budget consolidation.


    https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-and-fiscal-governance/stability-and-growth-pact/applying-rules-stability-and-growth-pact_en.


    Scenarios for central banks and supervisors (2022) NGFS.


    The Environmental Multi-Sector DSGE model EMuSe: A technical documentation (2023) Deutsche Bundesbank.


    Makrofiskalische Auswirkungen der Anpassung an den Klimawandel (2022) IWF.


    https://inhabitat.com/this-map-reveals-which-countries-will-survive-climate-change-and-which-countries-are-in-big-trouble/.


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    Der Geldbrief ist unser Newsletter zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- Fiskal- und Geldpolitik. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns. Zusendung an ** philippa.sigl-gloeckner (mailto:philippa.sigl-gloeckner@dezernatzukunft.org)

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