17.10.2022

«Ukraine: Aus und vorbei – Selenskyj am Ende

journalistenwatch.com, Oktober 12, 2022, 19:00 Uhr, von: Max Erdinger

Die Revanche der Russen für den Anschlag auf die Brücke von Kertsch fiel verheerend aus. Mit über 300 Raketenangriffen legte Russland fast die gesamte Infrastruktur der Ukraine lahm. Getroffen wurden aber nicht nur Elektrizitätswerke, Wasserwerke und dergleichen, sondern auch das Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU und das deutsche Konsulat in Kiew. Der Wiederaufbau der Infrastruktur würde Monate in Anspruch nehmen, heißt es aus ukrainischen Regierungskreisen. Im Augenblick sind die größten Teile der Ukraine ohne Internet, ohne Strom und ohne funktionierende Wasserversorgung.


Douglas Macgregor ist pensionierter Colonel der United States Army, Politikwissenschaftler, Militärtheoretiker, Autor und Berater. Am 29. Juli 2020 nominierte ihn Präsident Donald Trump als Nachfolger von Richard Grenell für das Amt des Botschafters der Vereinigten Staaten in Deutschland. Vom Senat wurde die Nominierung jedoch nicht bestätigt. Gestern gab Macgregor Clayton Morris ein hochinteressantes Interview.


Morris Macgregor

Morris: Die westlichen Medien, besonders die Washington Post heute, bezeichnen die Schläge gegen die Ukraine als einen Wendepunkt in diesem Krieg. (…) Sind wir tatsächlich an einem Wendepunkt und wohin wendet sich das Blatt?


Macgregor: Es ist ein Wendepunkt der Schwerter, vielleicht nicht gerade so, wie die Washington Post suggeriert (…) Lassen Sie uns über die Entwicklung dieses Konflikts während der vergangenen sieben Monate reden. Krieg ist nicht statisch, sondern ein sich ständig änderndes Meer. Auch wenn es niemand wahrhaben will im Westen, aber Präsident Putin hat sich in den vergangenen sieben Monaten enorm zurückgehalten beim Gebrauch seiner militärischen Macht. Wir haben nie mehr als höchstens 20 Prozent der russischen Bodentruppen in der Ukraine gesehen. Und viele der regulären Bodentruppen wurden nach den ersten vier Monaten allmählich auch wieder abgezogen, nachdem die ukrainische Armee, die wir über mehrere Jahre aufgebaut hatten, zu einem großen Teil vernichtet worden war. Was es in der Ukraine zur Zeit noch gibt, ist eine Mischung aus verschiedenen Freiwilligen, Milizen, einigen alliierten Kräften wie die Tschetschenen, kubanische und kosakische Freiwillige, die sich als sehr gute Kämpfer herausgestellt haben plus die Wagner-Söldnertruppe, die sich ebenfalls als sehr effizient im Bodenkampf erwiesen hat. Aber die eigentliche russische Armee mit ihren regulären Kräften hat sich zum großen Teil zurückgezogen. Ich dachte eigentlich, sie würden Ende August zurückkommen, aber offensichtlich wurde die Entscheidung getroffen, das zu unterlassen. Was im Moment im Kreml passiert, ist meiner Meinung nach, Putin und seinen Beratern wird klar, daß es keine Chance auf eine Beendigung dieses Konflikts via Verhandlung gibt. An diese Hoffnung hat er sich aber wahrscheinlich geklammert, sogar im April, als wir und London Selenskyj verboten hatten, irgendwelche Kompromisse wie z.B. Neutralität zu akzeptieren. Nun haben wir es mit einem anderen Russland zu tun. Wir haben gestern gesehen, wie in drei Wellen 202 Raketen verschiedene Ziele in der ganzen Ukraine angegriffen haben. Das ist etwas, das sie die ganze Zeit hätten tun können. Sie haben ihre präzionsgelenkten Waffen genauso wie wir. Dieses Mal haben sie aber nicht nur die sogenannte kritische Infrastruktur getroffen, sondern auch das Hauptquartier des Geheimdienstes, einer Organisation, die notorisch damit beschäftigt ist, Leute umzubringen und sie mit vorgehaltener Waffe in feindlliches Feuer zu zwingen und die mit vorgehaltener Waffe Rekrutierungen betreibt, sowie Analysezentren, womit sie zeigten, daß in der Ukraine nirgendwo etwas geschieht, ohne daß sie es wüssten. Nicht einmal in der westlichen Ukraine passiert etwas, ohne daß Moskau davon wüsste. Es gibt dort nichts, das die Russen nicht erreichen und zerstören könnten. Ich denke, wir haben einen kleinen Vorgeschmack davon bekommen, was im Herbst auf uns zukommen wird. Ich sage voraus, daß es großangelegte Bodenoffisiven der Russen geben wird, wenn der Boden erst einmal gefroren ist. Es wird das passieren, was die meisten von uns eigentlich schon am Anfang des Krieges erwartet hatten: Größte Anstrengungen, um die ukrainischen Kräfte komplett zu vernichten.


Morris: Die westlichen Medien versuchen, diese Luftschläge als belanglos zu porträtieren. Angeblich verletzen sie die Ukraine nicht richtig. Ich habe das während der vergangenen 24 Stunden von einigen Propaganda-Medien gehört. Wenn ich durch die lange Liste der getroffenen Ziele gehe, muß ich mich wundern. Es wurden polnische Kräfte getroffen, die zusammengezogen worden waren, um in Russland einzumarschieren, NATO-Ziele, die getroffen wurden, der SBU, Wärmekraftwerke, es gibt Massen, die zur Zeit aus der Ukraine fliehen, weil sie kein frisches Wasser haben, kein laufendes Wasser, sie haben keinen Strom, sie haben kein Internet. Westliche Medien sagen also, die Treffer seien belanglos, der Ukraine gehe es gut. Was sagen Sie dazu?


Macgregor: Biden oder seine Berater fühlten sich dazu veranlaßt, Selenskyj zu versichern, daß wir ihn auch weiterhin unterstützen und mit Gütern versorgen würden. Da wird es keine Änderung geben. Zur selben Zeit bettelte Selenskyj um mehr Luftabwehrwaffen, da bei den russischen Raketenangriffen 80 Prozent der ukrainischen Luftabwehr zerstört worden sind. Wenn jemand suggeriert, daß das belanglos gewesen sei, müssen wir nur die Entwicklung ansehen und kommen sehr schnell zu dem Schluß: Oh, das ist verkehrt. Herr Selenskyj ist in Panik. Fraglos haben die Ukrainer nun ernsthafte Logikstikprobleme dabei, Dinge im Land hin- und herzubewegen. Plötzlich hat sich Russland entschieden, daß genug einfach genug ist – und die vergangene Zurückhaltung aufzugeben.


Morris: Zurück zu den Luftabwehr-Systemen. Selenskyj hat, wie Sie gerade erwähnten, mehr dieser Systeme nachgefragt. Die USA scheinen dem nachkommen zu wollen. (…) Was wird das der Ukraine nützen? Erklären Sie bitte, wer die bedienen würde. Wären die unbemannt oder würden das NATO-Soldaten besorgen? Ukrainisches Militär?

Macgregor: Diese Systeme werden zum größten Teil von sogenannten Vertragspartnern bedient. Dabei handelt es sich vermutlich um Amerikaner in Zivilkleidung, die einen Arbeitsvertrag mit der ukrainischen Regierung haben oder im Rahmen eines der anderen Mechanismen beschäftigt sind, die wir eingeführt haben. Es könnten Europäer sein. Aber diese Systeme verlangen eine lange Ausbildungszeit bis sie effektiv bedient werden können. Von der Instandhaltung gar nicht zu reden. Etwas, das NASAMS heißt, eines der besten Abwehrsysteme gegen Boden zu Boden-Raketen weltweit, hochkomplexes Radar, befand sich in Kiew – und es wurde zerstört. Wie schaltet man ein solches System aus? Durch die schiere Menge der Raketen, die das System abzuwehren hätte. Auf diese Weise läßt sich jedes System umgehen, egal wie gut es ist. Das ist das, was die Russen getan haben. Sie haben dieses Abwehrsystem mit Masse überwältigt.


Morris: Welche Rolle spielen NATO-Kräfte jetzt noch an diesem Wendepunkt angesichts der Dezimierung des ukrainischen Militärs? (…) Die besten Kräfte sind außer Gefecht gesetzt. Sie zu ersetzen ist nicht einfach. Werden sie durch NATO-Truppen ersetzt? Durch Vertragskämpfer? Wer wird die Lücke füllen, das Schiff bemannen?


Macgregor: Nun, die Leute die sich im direkten Bodenkampf befinden, sind Ukrainer. Es gibt Meldungen über eine große Zahl polnischer Soldaten in ukrainischen Uniformen, welche die ukrainischen Verluste ersetzen. Das passierte im Lauf der vergangenen Monate, weil – Sie haben darauf hingewiesen – die meisten der besten ukrainischen Einheiten nicht mehr existieren. Sie wurden getötet oder verwundet. Die Ukrainer haben tödliche Verluste von ungefähr 100.000 Mann und vielleicht 200 -, 300 – oder sogar 400.000 Verwundete. Das war einmal eine Armee von 600.000 Mann. Bedenken Sie: Wir haben diese Armee über 8 Jahre mit dem Ziel aufgebaut, Russland anzugreifen. Dafür wurde sie geformt. Das ist der Grund, warum die Russen sie angegriffen haben. Außerdem wollten wir Raketen in der Ostukraine stationieren, mit denen wir Russland hätten bedrohen können. Also nochmal: Die Ostukraine musste neutralisiert werden und das ist der Grund, weshalb die Russen dort intervenierten. Dabei haben sie sich, wie ich vorher schon ausführte, große Zurückhaltung auferlegt. Zunächst einmal ist das ein slawisches Land, ein anderes christlich-orthodoxes, slawisches Land. Die Russen haben kein Interesse daran, dort große Mengen von Leuten umzubringen. Sie wollten auch nicht viel Infrastruktur zerstören. Die gegenden, in denen die Russen im Osten und im Süden der Ukraine sitzen, waren vorher schon russisch. Sie wollten gleiche Rechte für die Russen mit anderen Ukrainern innerhalb der Ukraine sicherstellen. Das war der Punkt hinter dem Minsker Abkommen, der nie beachtet wurde. Es ist so zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Sie schauen auf Kanonenfutter. Leute ohne großartiges Training werden zusammengetrieben, in Uniformen gesteckt, bekommen eine AK 47 in die Hand gedrückt und werden in Panzer oder andere Fahrzeuge gesteckt. Haben sie eine Ausbildung? Einige wenige haben sogar eine gute, die meisten anderen fast gar keine. Folglich werden die Gefallenenzahlen sehr hoch sein. Wenn man aber einmal das, was wir als die taktische Ebene bezeichnen, verläßt, und in die höheren Ränge blickt, wird man dort NATO-Personal finden, die den ganzen Zauber veranstalten. Leute aus Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern arbeiten die Strategien aus und machen Vorschläge, was als nächstes passieren soll. Es gibt Hinweise darauf, daß der ukrainische Präsidenten unser Ratschläge nicht sonderlich ernstgenommen hat. Er ist darauf aus, anzugreifen, anzugreifen und nochmal anzugreifen. Wahrscheinlich sieht er sich selbst in einer Position, in welcher er zwar alles zu verlieren – aber nichts mehr zu gewinnen hat. Er denkt offensichtlich, er könne die Russen ermüden. Dabei ist es so, daß es für einen getöteten oder verwundeten Russen fünf-, sechs- oder sieben getötete oder verletzte Ukrainer gibt. Für die Russen rechnet sich das. Sie haben eine ziemlich kostengünstige Verteidigung, während sich die Ukraine extrem teure Angriffe leistet. Die Ukraine befindet sich in einer sehr ernsthaften Krise. Sie könnte das nicht überleben. Speziell, wenn die zu erwartende Offensive der Russen im November losgeht, weiß ich nicht, was die Ukrainer noch dagegen machen wollen. Dann werden sie mit regulären russischen Armee konfrontiert sein, einer großen Zahl russischer Truppen, nicht mehr nur mit Freiwilligen und alliierten Einheiten. Sie werden die operative Freiheit haben, das zu tun, was viele Russen schon von Beginn an tun wollten. Alles, was ihnen gefährlich oder als Bedrohung vorkommt, wird ins Visier genommen und zerstört werden. Das wird ein sehr unterschiedlicher Krieg sein, der da kommt.


Morris: Sie sagen das für November voraus, also für die nächsten Wochen?

Macgregor: Nun, ich komme nicht vom russischen Generalstab, aber wenn ich mir den derzeit stattfinden Aufmarsch auf dem Kriegsschauplatz anschaue – und sie kommen in Gruppen von 50.000 – rund um die Ukraine und verschiedenen anderen Orten, absolvieren gerade viel Training und treffen Vorbereitungen, dann werden sie sich zur Operation Axis vereinen, etwas, das wir schon zum Beginn des Krieges erwartet hatten, das dann aber ausblieb. Sie werden dann sehr hart und sehr tief zuschlagen. Alles, was sich in der Ukraine ihrem Vormarsch entgegenstellt, wird dann vernichtet werden. Das wird ihr Auftrag sein: Zerstörung und Vernichtung des Gegners. Wo werden sie mit ihrem Vormarsch aufhören? Ich nehme an, am Dnjepr. Sie waren nie daran interessiert, den Dnjepr zu überschreiten. Westlich des Dnjepr befindet sich die historische Ukraine. Das ist, wo die Ukrainer leben. Odessa wird an die Russen gehen, auch Charkow – und es gibt nicht viel, das wir dagegen tun können. Niemand im Westen wird etwas dagegen unternehmen können, es sei denn, er will sich in einen Krieg mit Russland begeben. Ich kann aber niemanden erkennen, der das will. Einzige Ausnahme sind möglicherweise die Polen, aber auch dort bröckelt die Unterstützung für diesen Krieg. In den USA interessiert sich sowieso kaum jemand dafür. Wir sind beschäftigt mit dem Hurrikan in Florida. Das ist ja auch der Grund, warum wir bislang mit dem durchgekommen sind, was wir in der Ukraine veranstaltet haben. Es gab so viele schlechte politische Entscheidungen, weil sich Amerikaner nicht dafür interessiert haben. Daran hat sich nicht viel geändert, auch wenn ein langsames Erwachen dahingehend einsetzt, daß nichts von dem stimmt, was ihnen in diesem Zusammenhang aufgetischt worden war.


Morris: Wir haben hier seit Wochen darüber geredet. Was passiert, wenn Odessa fällt. Die Ukraine wird zu einem Binnenland ohne Zugang zur See. Was wird mit Selenskyj passieren?

Macgregor: Darüber läßt sich nur spekulieren. Keine Ahnung, wie es mit Selenskyj weitergeht. Er könnte von seinen eigenen Leuten entfernt werden oder ein Flugzeug zu einem seiner Anwesen besteigen, nach Miami oder nach Venedig fliegen. Was Odessa angeht: Odessa war immer eine russische Stadt, auch wenn heute dort etwa 50 Prozent Ukrainer leben, nachdem Russen rausgedrängt worden sind. Dasselbe gilt für Charkow. Das waren beides russische Städte von allem Anfang an und dort wurde auch immer russisch gesprochen. Die Russen werden den Unsinn nicht länger mehr hinnehmen. Sie werden ihre Ziele verfolgen, wie Russen ihre Ziele immer verfolgen: Methodisch ausgeklügelt und unnachgiebig. Der neue Kommandeur, der gerade ernannt wurde, ist eine fähige Person mit einer guten Reputation. Er hat für die Russen in Syrien hervorragende Arbeit geleistet, er ist ein Hardliner und er hat alle Optionen zur Verfügung, die seinen Vorgängern verwehrt geblieben waren. Das wird ein Wendepunkt sein, aber anders als die Wahington Post das verstanden wissen will.

Morris und Macgregor unterhalten sich dann noch über Weißrussland und darüber, daß Russland gerade dabei ist, die antiquierte weißrussische Armee zu modernisieren. Macgregor ist aber der Ansicht, daß sich die Weißrussen eher auf ihre Grenze mit Polen konzentrieren werden.


Energie

LNG Schiff in Wilhelmshaven wurde in Australien aufgrund hoher Umweltbelastung abgelehnt


Info: https://journalistenwatch.com/2022/10/12/ukraine-aus-und-vorbei-selenskyj-am-ende




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HomePolitikUkraineAndrij Melnyks letztes Interview: "Deutschland hat auf das falsche Pferd gesetzt"


VGWort Pixel "Deutschland hat auf das falsche Pferd gesetzt"


Von Carl Exner

Aktualisiert am 16.10.2022 - 19:33 UhrLesedauer: 7 Min.

InterviewUnsere Interview-RegelDer Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Andrij Melnyk prägte wie kein anderer den Diskurs zum Ukraine-Krieg. Mit t-online sprach er über seine Zeit in Deutschland – und attackiert zwei führende Politiker.

Die letzte Woche machte dem ukrainischen Botschafter zu schaffen: Für Andrij Melnyk stand nicht nur der Umzug nach Kiew bevor, sondern er hatte sich auch eine schwere Erkältung eingefangen. Die Umzugskisten packte er noch bis tief in die Freitagnacht. Mit seiner Abreise aus Berlin endet die Amtszeit des wohl umstrittensten ukrainischen Diplomaten. t-online konnte exklusiv das letzte Interview mit Andrij Melnyk in seiner Zeit als Botschafter führen, während er auf dem Weg in seine Heimat war.

t-online: Herr Melnyk, Sie haben in den vergangenen Monaten viel dafür getan, dass die Bundesregierung die Ukraine noch mehr unterstützt. Wie zufrieden sind Sie mit dem, was Berlin leistet?

Andrij Melnyk: Wir sind dankbar dafür, dass die Ukraine schrittweise die geforderten Waffen bekommt. Das beste Beispiel ist natürlich das Iris-T-System für die Luftabwehr, was eine Herzensangelegenheit für mich war, und das kürzlich geliefert wurde. Ich habe mich persönlich wochenlang dafür eingesetzt, dass wir diesen Durchbruch erringen, damit viele Menschenleben gerettet werden können. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass wir weiterhin auf deutsche Kampfpanzer Leopard, Marder, Füchse und viele andere Waffensysteme warten müssen.

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Wir wissen, dass die zügige Lieferung seitens der Bundeswehr seit Monaten möglich wäre und auch die Industrie sehr schnell liefern kann. Seit Ende März, Anfang April wären erste Panzer möglich gewesen und das bleibt auf unserer Tagesordnung. Ich hoffe, dass es meinem Nachfolger gelingt, eine positive Entscheidung der Ampel herbeizuführen. Das ist für uns kriegsentscheidend.

Der Leopard II in Aktion (


Welche Politiker in Berlin Melnyk immer geschätzt hat und welchen historischen Vergleich der scheidende Botschafter zu Putin sieht, sehen Sie oben im Video oder, wenn Sie hier klicken.

Sind Sie enttäuscht über das Zaudern der Bundesregierung?

Ich bin sehr enttäuscht, dass muss man – leider Gottes – auch noch heute so sagen. Die formellen Gründe der Bundesregierung sind bekannt: Das erste Scheinargument ist, dass Deutschland keinen Alleingang bei Panzern machen will. Der zweite Grund, der mir eher glaubwürdiger erscheint, ist, dass man Russland nicht mehr provozieren möchte. Diese Logik nach alten Denkmustern können wir bis heute gar nicht nachvollziehen.

Nach alldem, was in der Ukraine passierte, diese unglaubliche Brutalität und den unsäglichen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung. Wieso sollte die Lieferung von Leopard-Panzern plötzlich eine rote Linie überschreiten? Putin braucht gar keine Provokation, er agiert aus innerer Überzeugung heraus und baut sich danach seine Welt zurecht. Und deswegen sind die deutschen Argumente für uns nicht schlüssig, sondern künstlich. Wir brauchen dringend die Kampfpanzer noch vor dem Wintereinbruch. Nicht nur im Osten der Ukraine, wo wir zurzeit schnell vorrücken, sondern auch im Süden, damit wir dort schneller Cherson und andere okkupierte Gebiete befreien können, bevor sich das Fenster schließt.

Darum geht es uns, und dagegen hören wir keine Argumente. Und natürlich hätten die Amerikaner als Erstes liefern können. Aber das ist für mich und alle Ukrainer nur eine schlechte Ausrede, Katz-und-Maus-Spiel, um nicht das zu tun, was richtig ist.

Wie erklären Sie sich das zögerliche Verhalten der Bundesregierung?

Die letzten Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung dafür ist, weitere schwere Waffensysteme an uns zu liefern und die Ukraine tatkräftiger zu unterstützen. Das heißt, der Kanzler ginge auch kein Risiko ein, die Menschen vor den Kopf zu stoßen, wenn er diese Waffen liefern würde. Der einzige – aus meiner Sicht plausible – Grund wäre, dass Deutschland das politische Signal nach Moskau senden möchte: Wir sind vielleicht bereit, schnell Gespräche zu führen oder zum Beispiel eines Tages wieder als Vermittler zu agieren.

Aber selbst das kann ich zurzeit nicht erkennen. Denn es laufen aktuell keine Vermittlungsversuche – zumindest nicht von deutscher Seite. Das ist schade, denn Deutschland könnte auch hier helfen, mit dem, was nötig ist. Ich habe nie das Blaue vom Himmel gefordert, sondern nur das, was die Bundesrepublik auch leisten kann. Doch dazu braucht man den politischen Willen. Wir haben gezeigt, dass die Ukrainer fähig sind, besetzte Gebiete rasch zu befreien. Das sollte ein Ansporn oder eine weitere Ermutigung für den Bundeskanzler sein, mehr zu tun, als einfach nur abzuwarten.

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Kanzler Scholz hatte kürzlich erklärt, dass Putin Gas als Waffe einsetzen wird, sei ihm schon vorher bewusst gewesen. Was haben Sie gedacht, als Sie das gelesen haben?

Es hat mich, um ehrlich zu sein, schon überrascht. Wir haben ja diese Appeasement-Politik Putins seit der Annexion der Krim und dem Einmarsch im Donbass noch sehr gut in Erinnerung. Wie man sich in Berlin eingesetzt hat für Nord Stream 2, versucht hat, sich gegen die US-Sanktionen zu wehren und wie die Groko dem Pipeline-Vorhaben immer starke Rückendeckung gegeben hat.

Ich kann mich noch an viele Gespräche mit den hohen Vertretern der Merkel-Regierung erinnern, die alle unsere Warnungen über Bord geworfen haben. Immer, wenn ich lautstark gegen das Projekt getrommelt habe, wurden uns hinter den Kulissen sogar Konsequenzen für die bilateralen Beziehungen angedroht. Und deswegen, wenn man jetzt das sieht und hört, dann ist man ein bisschen sprachlos, ehrlich gesagt.

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t-online erzählten Sie von einem Gespräch mit Finanzminister Christian Lindner (lesen Sie hier mehr dazu). Später nannten Sie es das "schlimmste" in Ihrem Leben. Konnten Sie sich mit Herrn Lindner mittlerweile aussprechen?

Nein, leider nicht. Ich habe das zumindest von meiner Seite versucht, auch in den letzten Monaten. Vor meiner Abreise habe ich auch ein Treffen angefragt, bei Empfängen und Veranstaltungen haben wir uns auch gesehen, aber leider hatten wir keine Gelegenheit diese Sache auszuräumen. Ich habe es zumindest versucht. Auch über gemeinsame Freunde, aber das war leider nicht möglich.

Sie haben in der Vergangenheit einige deutsche Politiker hart kritisiert, wie die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), oder Michael Kretschmer (CDU), den sächsischen Ministerpräsidenten. Halten Sie einige deutsche Politiker für untragbar?

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Das sollten die Deutschen selbst entscheiden. Man sieht jetzt, was Sache ist und welche fatale Politik gegenüber Russland jahrzehntelang betrieben wurde. Was mich nicht nur bei den genannten Politikern verwundert, ist, dass trotz dieses barbarischen Krieges gegen die Ukraine, trotz dieser verbrecherischen Aggression, die andauert, gegen unsere Zivilisten, trotz verheerender Folgen, die auch alle Deutschen in der eigenen Geldbörse spüren – dass diese Politiker, wie Kretschmer oder Schwesig, nicht einmal selbstkritisch oder zumindest nachdenklich ihre Entscheidungen betrachten. Alle sehen, dass man auf das falsche Pferd, auf das total falsche Pferd gesetzt hat in diesem Rennen für angeblich billiges Gas.

Sie vermissen also die Einsicht bei manchen Politikern?

Nach alledem, was passiert ist und was die Deutschen jetzt ausbaden müssen, verschlägt es mir die Sprache, wie schamlos diese Politiker sich verhalten. Es waren keine Fehler, es war keine Naivität oder Leichtsinnigkeit, es war eine bewusst und gezielt betriebene Politik, mit der sich Deutschland blauäugig in eine gefährliche Abhängigkeit begeben hat und den Handlungsspielraum massiv begrenzt hat, um auf den Angriffskrieg dezidiert zu reagieren.

Und jetzt ziehen diese und andere Politiker sich aus der Verantwortung, als ob nichts geschehen wäre – das kann ich gar nicht verstehen. Aber das müssen die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern, anderen Bundesländern und im Bund entscheiden, ob die Politiker, die ihnen das eine erzählt und das Gegenteil getan haben, nicht beim Urnengang abgestraft werden sollten. Schließlich müssen jetzt alle Deutschen die drei, vier oder zehnmal so hohe Rechnung für dieses Debakel der Russland-Politik bezahlen.

In einem ZDF-Interview meinten Sie, dass Ihr Nachfolger einiges besser machen sollte als Sie. Woran genau denken Sie dabei?

Die Herausforderungen, die vor ihm liegen, sind nicht kleiner, sondern in manchen Bereichen sogar größer als zu meiner Zeit. Zum Beispiel muss er sich auch um den Zusammenhalt in Deutschland sorgen. Dass die Deutschen trotz dieser Energiekrise, Inflation und der Existenzängste, die man buchstäblich spürt, zur Ukraine halten. Trotz dieses hohen Preises, das wäre schon die erste große Aufgabe für meinen Nachfolger. Und natürlich muss er auch schauen, auf welche Art und Weise die Bundesregierung uns noch stärker unterstützt. Wir brauchen zum Beispiel schneller als zuvor neue deutsche Waffen. Ich habe dafür versucht den Grundstein zu legen – auch für Projekte, die erst in Jahren realisiert werden.

Können Sie das konkreter erklären?

Ich habe mich zum Beispiel um die Haubitze RCH-155 von Krauss-Maffei Wegmann bemüht. Das ist die weltweit beste Haubitze, eine wirklich sehr mächtige Waffe. Aber bis die Produktion anläuft, brauchen wir Monate, gar Jahre. Aber es geht doch darum, selbst wenn der Krieg hoffentlich schnell vorbei wäre, dass wir das Abschreckungspotenzial der Ukraine erhöhen müssen. Damit, wenn die Russen den Krieg fortsetzen sollten, dass wir dann viel besser ausgestattet und aufgerüstet sind.



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